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Verlagshäuser 2020 Herausforderungen in einem sich wandelnden Medienmarkt Oktober 2010

Verlagshäuser 2020 - goetzpartners · Personalisierung: Inhalte könnten zukünftig stärker auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten werden, z. B. mit dem eigenen Wunschbuch oder

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Verlagshäuser 2020 Herausforderungen in einem sich wandelnden Medienmarkt

Oktober 2010

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Vorwort: Digitale Schnellstraßen und klassische Pfade: Wohin geht die Reise der Verlage? 3

1. These: Digitale Evolution statt Revolution: Trotz iPad und Co. wird das klassische Buch überleben – Verlage müssen sich aber auf die digitalen Formate einstellen und sie als Chance begreifen 4

2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern: Im Fokus steht die qualitative Wissens- vermittlung und eine Ausdehnung des Produktangebotes 11

3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“: Die Einbindung von Bewegtbildern als die nächste Herausforderung 17

Die zehn wichtigsten Erkenntnisse für Buchverlage 20

Studiendesign 22

Abbildungsverzeichnis 22

Über goetzpartners 23

Inhalt

Herzlicher Dank an Sara-Sumie Yang für die tatkräftige Mitarbeit bei der Erstellung der Studie sowie Manuela Nikui und Birgit Gelsdorf für ihre Unterstützung.

Die Autoren

Dr. Alexander Henschel, Managing Director

Runar Friedrich, Senior Consultant

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Vorwort _ 3

Inhalt Vorwort

Digitale Schnellstraßen und klassische Pfade: Wohin geht die Reise der Verlage?

Schon vor Jahren wurde ein radikaler Wandel im Medienmarkt und der Buch-branche ausgerufen. Das Internet werde alles in sich „aufsaugen“ und das klas-sische Buch ersetzen. Wie sich zeigte, leben Totgesagte länger. Mit dem Auftau-chen von Smartphones und Tablet-Computern im Markt geht diese Diskussion in eine neue Runde. Spätestens seit Apple mit dem iPhone und iPad und einer riesigen Marketingmaschine im Hintergrund in den Markt drängt, fragen sich viele Verlagshäuser, welche Risiken, aber auch welche Chancen sich durch diese neuen Formate und Märkte ergeben. Wurden wichtige Entwicklungen verschla-fen? Ist man bereits im Hintertreffen und auf die neuen Player Apple, Google und Co. angewiesen?

Unbestritten ist, dass sich Medienmarkt und Mediennutzergewohnheiten stark verändern. Die neuen Endgeräte und Applikationen verleihen diesem Wandel eine neue Dynamik. Verlage konkurrieren nicht mehr nur untereinander, sondern müssen sich auch gegen neue Wettbewerber wie Google, Amazon oder Apple behaupten. Dadurch entstehen andererseits attraktive neue Möglichkeiten: Die Wertschöpfungskette der Verlage wird in ihrer letzen Stufe erweitert und diversifiziert. Außerdem erlauben neue Produkte, Vertriebsmöglichkeiten und Umsatzquellen den Verlagen, in benachbarte Bereiche ihres Stammgeschäftes vorzustoßen. So bieten bereits heute z. B. einige Fachverlage neben dem eigent-lichen Inhalt auch Software und Schulungen an.

goetzpartners hat im Rahmen dieser Studie Geschäftsführer und Bereichslei-ter (IT, Neue Medien, Produktentwicklung) von 25 der Top 50 Buchverlage in Deutschland interviewt, darunter unter anderem Fachbuch- und Belletristik-Verlage sowie Sach- und Schulbuchverlage. Aus den Ergebnissen und aufgrund umfassender Projekterfahrung hat goetzpartners drei zentrale Thesen für das zukünftige Geschäftsmodell und die aktuellen Herausforderungen der Verlage abgeleitet. Im Grundsatz gelten diese für jede Art von Verlagshaus. Die Studie weist aber auch auf die unterschiedliche Relevanz für die verschiedenen Verlags-arten (Fachbuch, Belletristik etc.) hin.

These 1 analysiert die Umsatzseite der digitalen Medien. Darauf aufbauend zeigt These 2 die Veränderungen der Geschäftsmodelle der Verlage auf. These 3 fasst die aktuellen Herausforderungen rund um die Bewältigung der Komplexität der neuen Medien zusammen.

Die Studie zeichnet ein realistisches Bild der Herausforderungen und Entwick-lungen der Verlagshäuser für das aktuelle Jahrzehnt.

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4 _ Verlagshäuser 2020

1. These: Digitale Evolution statt Revolution

Trotz iPad und Co. wird das klassische Buch überleben – Verlage müssen sich aber auf die digitalen Formate einstellen und sie als Chance begreifen

Obwohl iPad und Co. den E-Book-Hype ankurbeln und dem elektronischen Buch eine großartige Zukunft eröffnen, führt das E-Book vor allem in der Belletristik bislang eher ein Nischendasein. Die digitalen Umsätze werden zwar in den kommenden Jahren ansteigen, das klassische Buch wird sich aber langfristig nicht von elektronischen1 Formaten verdrängen lassen. In den nächsten Jahren wird es weiterhin den Hauptumsatz der deutschen Buchverlage ausmachen. Dennoch müssen sich die Verlage auf eine Zu-kunft einstellen, die in allen Lebensbereichen von einer immer weiter zu-nehmenden Digitalisierung bestimmt wird, und schon heute dafür Sorge tragen, den Zug in die digitale Zukunft nicht zu verpassen.

Digitale Umsätze: Gegenwart und Zukunftsaussichten

Betrachtet man aktuelle Verkaufszahlen, stellt man fest, dass – mit Aus-nahme der Fachverlage – der bisher mit digitalen Medien erzielte Umsatz eher marginal ist (Abbildung 1). Während sich der Anteil digitaler Medien am Gesamtumsatz2 im Bereich der Fachliteratur im zweistelligen Bereich bewegt und bei einigen Fachverlagen sogar schon zu einem bedeutenden Umsatzmotor entwickelt hat, liegt dem Börsenverein des Deutschen Buch-handels zufolge der Umsatzanteil von elektronischen Büchern in der Belle-tristik noch unter einem Prozent. Die vorliegende Studie bestätigt diese Einschätzung.

Die unterschiedliche Ausgangssituation der verschiedenen Verlagsarten zeigt sich besonders deutlich in den Umsatzzahlen. Für Fachverlage sind die Umsatzzahlen der digitalen Medien bereits heute deutlich höher (Schwankung zwischen 25%–50% laut Befragung). Sie haben in den letzten Jahren den Wandel bereits eingeleitet und mit spezifischen Angeboten für ihre Zielgruppen Paid-Content-Angebote entwickelt sowie eine Diversifi-zierung in neue Produktangebote angestoßen. Für alle Verlagsarten kris-tallisiert sich heraus, dass Wachstum nur im digitalen Segment möglich ist und dessen Bedeutung entweder noch zunimmt (Fachverlage) oder in den nächsten Jahren zu einem neuen „Standbein“ werden wird.

Abbildung 1: Umsatzentwicklung digitaler Medien je nach Verlagsart

(goetzpartners)

1) Die Worte „elektronisch“ und „digital“ werden im Rahmen dieser Studie synonym verwendet2) Digitale Medien umfassen E-Books, elektronische Zeitschriften, Hörbücher, DVDs sowie Software

1%

10–15%

25–50%

[in %-Punkten vom Umsatz]

* Unter andere Verlage fallen Lehr- und Schülbücher, Kinderbücher und Tourismuspublikationen

Grundwert Schwankung

Belletristik

Andere Verlage*

Fachinformation/Wissenschaft

Status quo Wachstum Prognose 2015

+9–14%

+10%

+25%

+10–15%

20–25%

50–75%

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E-Book-Markt USA: Ein Blick über den großen Teich

Blickt man auf die andere Seite des Atlantiks, zeigt sich, dass die Vereinig-ten Staaten bereits einen Schritt weiter sind, was die Verbreitung von elektronischen Büchern und digitalen Lesegeräten betrifft. Vor allem seit der Einführung von Amazons E-Book-Reader Kindle sind die Umsätze in die Höhe geschnellt. Schätzungen zufolge macht der Umsatzanteil der E-Books in den USA bereits etwa 5% aus. Laut dem Branchenverband Association of American Publishers belief sich der Umsatz mit E-Books 2009 auf 313 Millionen Dollar. Mit einem Umsatzplus von 177% ist das E-Book damit größter Wachstumsmotor in der Buchindustrie. Im ersten Halbjahr wuchs der Markt um satte 200%. Bis 2015 wird sich dieses Wachstum fortsetzen und ein Marktvolumen von ca. 3 Mrd. US-Dollar erreichen (Abbildung 2). Wir gehen davon aus, dass dieses Wachstum zu ca. zwei Drittel den klassischen Buchmarkt „kannibalisieren“ und das letzte Drittel in realem Wachstum umgesetzt wird.

Auch in den USA profitieren vor allem die Fachverlage von dem starken Wachstum, aber im Gegensatz zu Deutschland werden in den USA auch immer mehr Belletristik-Titel in elektronischer Form verkauft. Allerdings gehen die Experten davon aus, dass das klassische Buch weiterhin der Hauptumsatzträger bleibt und die digitalen Formate der Wachstumsmo-tor sind.

Neue Chancen in der digitalen Welt

Die multimedialen Möglichkeiten eröffnen den Verlagen eine aufregende, neue Welt. Neben den Fachverlagen nehmen vor allem auf bestimmte Be-reiche fokussierte Verlage, wie z. B. Ratgeber- oder Reiseverlage, digitale Formate als Chance wahr, die dem Anwender attraktiven Zusatznutzen und bei den Produkten Raum für Innovationen bieten.

Multimedialität: Texte lassen sich mit Audio- und Bild-Elementen er-gänzen. Videos und Animationen können Dinge veranschaulichen, die bisher mit Text beschrieben wurden. Das iPad sticht gegenüber seiner aktuellen Konkurrenz vor allem durch seine Vielfarbigkeit und den Touchscreen hervor, ein Feature, mit dem sich viel Neues gestalten lässt. Autoreninterviews, Audiokommentare oder Videoanleitungen z. B. für Kochbücher könnten das gedruckte Wort ergänzen und Inhalte veranschaulichen.

Interaktivität: Tablets ermöglichen auch die Miteinbeziehung des Le-sers durch interaktive Inhalte beispielsweise bei Ausbildungspubli-kationen. So können Lerninhalte direkt abgefragt oder vertiefende Informationen und Links direkt neben der Hauptinformation platziert werden. Der User hat auf der anderen Seite die Möglichkeit, ortsunab-hängig und zu jeder Zeit Informationen einzuspielen.

1. These: Digitale Evolution statt Revolution _ 5

Abbildung 2: E-Book-Umsätze in den USA

(goetzpartners)

2006: Die ersten Sony

Reader sinderhältlich

Nov. 2007: Kindle-Start in

den USA

März 2010: Verkaufsstart von

Apples iPad

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010e 2015e

1.200

600

313

1136754443020

[Umsatz in Mio. EUR]

+47+246

+887

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6 _ Verlagshäuser 2020

Aktualität: Digitale Formate bieten die Möglichkeit, dass Inhalte stets auf dem neuesten Stand sind und leicht aktualisiert werden können. Ein Feature, das in einer schnelllebigen Welt von essenzieller Bedeu-tung ist.

Mobilität: Tablets ermöglichen flexiblen Medienkonsum. Nutzer kön-nen überall auf Inhalte zugreifen. Zukünftig könnten Tablets nicht nur als Unterhaltungsgerät fungieren, sondern sich auch in der Arbeitswelt etablieren, z. B. als multifunktionaler Wegweiser bei Begehungen oder für digitale Krankenakten.

Personalisierung: Inhalte könnten zukünftig stärker auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten werden, z. B. mit dem eigenen Wunschbuch oder der individuellen Zusammenstellung von Fachinformationen.

Digitale Zukunftsvisionen vs. greifbare Realität: Unterschiedliche Zielgruppen haben unterschiedliche Präferenzen

Entscheidend für die Zukunft klassischer Druckerzeugnisse bleibt letztlich die Einstellung der Leser. Fest steht, dass bestimmte Printprodukte, wie z. B. Kinderbücher oder Bildbände, aufgrund der besonderen Ausgestal-tung ihrer Haptik weiterhin für ihre Zielgruppe attraktiv bleiben. Aber auch hier zeigen sich in den USA bereits neue Tendenzen und Trends, die nach Deutschland überschwappen könnten. Vor allem im Bereich Kinderbuch nutzen Verlage die digitalen Formate, um Inhalte mit Animationen und Geräuscheffekten zu versehen und um Interaktion und Partizipation zu er-möglichen. Disney ist dabei ein früher Marktführer, was den Verkauf von Kinder-E-Books betrifft. Aber auch die anderen Kinderbuchverlage tüfteln an innovativen Ideen, wie z. B. einem Do-it-yourself-Programm, mit dem Eltern, Großeltern oder Kinder selbst Geschichten in ihrer eigenen Stimme aufnehmen können. Trotz dieser digitalen Tendenzen glauben auch die amerikanischen Verlage noch nicht daran, dass das klassische Kinderbuch vom Aussterben bedroht ist.

Anders als in der Belletristik verhält es sich im Fachbuchbereich. Hier ver-langen Kunden vermehrt nach elektronischen Formaten. Während die Publikumsverlage weiterhin auf Printausgaben setzen, wird Fachliteratur vor allem aus dem wissenschaftlichen, technischen und medizinischen Be-reich bereits seit Jahren in elektronischer Form publiziert.

Die Verbreitung mobiler Endgeräte: Entscheidend für die Verbreitung digitaler Formate

Ob sich die elektronischen Formate gegenüber den klassischen Printaus-gaben durchsetzen, hängt letztlich von der Verbreitung der Endgeräte, der

Abbildung 3: Anteil der Verlage mit digitalen Produkten im Markt

(goetzpartners)

„Vor allem in der Belletristik werden elektronische Produkte als

eher flüchtig wahrgenommen auf-grund der begrenzten Haltbarkeit

von Datenträgern, Endgeräten und Software-Programmen.“

Dr. Hermann Riedel, Carl Hanser Verlag

Fach-information/Wissenschaft

Belletristik AndereVerlage

9%22%20%9%

11%

82%67%

80%

0%

Bereits im Markt

100%

In Planung

Nur Print-produkte

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Preispolitik für die digitalen Formate und dem direkten Zugang und der einfachen Nutzung vielfältiger Applikationen für den Endkonsumenten ab.

Bislang bewegen sich die Endgeräte in einer Preiskategorie, welche eine flächendeckende Verbreitung erschwert. Erst wenn Tablet-Computer und die darauf abspielbaren digitalen Inhalte zu erschwinglichen Preisen er-hältlich sind, wird es zu einem digitalen Durchbruch kommen. Ein in Indien vorgestellter Tablet-Prototyp für 35 Euro zeigt, dass auch hier ein Wandel im Gange ist.

Bis zum Start der IFA in Berlin 2010 hatten rund zwei Dutzend Hersteller den Start eines eigenen Tablet-Computers angekündigt. Von dem rasant wachsenden Markt wollen sich viele Anbieter eine Scheibe abschneiden. Da viele aber lediglich ein Me-too-Produkt ohne echte Differenzierung an-bieten, wird sich der Markt sehr schnell konsolidieren. Am Ende werden etwa vier bis fünf Endgeräte den Markt dominieren.

Für die Verlage bedeutet dies zum einen, ihre Inhalte unabhängig vom End-gerät anzubieten (siehe These 3), und zum anderen aber auch, sich unabhän-gig von singulären Vertriebsstrategien und Partnern zu machen.

Die Bedeutung des iPads

Eine herausragende Stellung im Markt der Tablet-Computer hat das iPad als Pionier. Von den meisten Verlagen wird das iPad als Beginn einer neu-en Technologiegeneration gesehen, das die Entwicklung neuer Produkte ermöglicht. Ob sich das Apple-Produkt letztlich durchsetzen wird, bleibt offen. Schon heute wird es aufgrund mangelnder Multitasking-Fähigkeit und Schnittstellen vielfach kritisiert. Der begrenzte Nutzen und Mehrwert des iPads für die spezifischen Kundengruppen der Fachverlage erklärt auch die zurückhaltenden Angebote der Fachverlage für dieses Gerät (nur 18% sind im Markt bereits vertreten). Momentan werden Tablet-Computer vor allem als ein Unterhaltungsgadget für private Haushalte gesehen. Daher haben Belletristik-Verlage bei den iPad-Formaten die Nase vorn – bereits 50% der befragten Verlage bieten E-Books an, die auf dem iPad gelesen werden können.

Für die meisten (Fach-)Verlage steht fest, dass Tablet-Computern in Zukunft eine bedeutende Rolle zu- kommen wird. Grundsätzlich zeigen die Verlagshäuser keine besonderen Präferenzen für einen spezifischen Gerätetyp. Die technische Umwandlung und umfas-sende Präsenz der Inhalte auf die gängigsten Endge-räte (iPad oder WeTab, Kindle oder Sony Reader) blei-ben die zentrale Herausforderung.

Abbildung 4: Angebote für das iPad

(goetzpartners)

Formate für iPadauf dem Markt

Angebote füriPad geplant

Keine Angebote für iPad geplant

1. These: Digitale Evolution statt Revolution _ 7

Gesamt Fachinformation/Wissenschaft

Belletristik AndereVerlage

32% 45%20% 22%

36%36%

40% 33%

32% 18%40% 44%

100%

„Durch die Kombination der tech-nischen Möglichkeiten mobiler Computer mit einem für Printmedien hochgradig kompatiblen Formfaktor und Bedienkonzept bieten Tablets ein enormes Potential für Verlage. Neben der multimedialen Präsen-tation der Inhalte, etwa durch die Integration von Videos oder Podcasts, eröffnen sich gerade für Reiseverlage vollkommen neuartige Anwendungs-möglichkeiten - beispielsweise die individuelle Steuerung medialer Inhalte unter Berücksichtigung von aktuellem Standort oder persön- lichen Präferenzen des Nutzers.“Carolin Hauber, MAIRDUMONT

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8 _ Verlagshäuser 2020

Kontroversen um die Preisgestaltung bei E-Books oder „Wer hat Angst vorm Elektrobuch?“3

Mit dieser Frage konstatiert „DIE ZEIT“, dass technische Neuerungen seit jeher von Panik begleitet werden, und beschreibt das Unbehagen einiger Verlagshäuser angesichts der neuen Formate. Die eher defensive Hal-tung gegenüber elektronischen Büchern zeigt sich unter anderem bei der Preisgestaltung für E-Books. Anstatt das digitale Geschäft in ihrem Sinne zu steuern und durch ein attraktives Pricing das Wachstum im Segment E-Books anzukurbeln, treten die Verlage auf die Bremse.

Die Hoffnung von technologiebegeisterten Lesern, dass Verlage mit Bü-chern im digitalen Format Material-, Druck-, Lager- und Versandkosten sparen und damit auch die Preise für E-Books senken, konnte sich bislang nicht verwirklichen. Stattdessen führte die Mehrheit der Verlage eine Pricing-Strategie ein, bei der das E-Book lediglich 10% bis 20% unter der gedruckten Version erhältlich ist. E-Books zu Dumpingpreisen, wie sie beispielsweise in den USA über das Internetkaufhaus Amazon angeboten werden, soll es in Deutschland bis auf Weiteres nicht geben – das verhin-dert die Buchpreisbindung, die auch für E-Books gilt und den Verlagen die Hoheit über die Preisgestaltung zuspricht.

In den USA hat sich eine große Kontroverse um die Preise von E-Books entwickelt. Zum Unmut der Verlagshäuser hat sich über Amazon bereits der Standardpreis von $ 9,99 für E-Books etabliert. Mit seiner Dumping-Strategie will Amazon Marktanteile gewinnen und den Kindle-Verkauf vorantreiben. Nicht ohne Erfolg: 2009 liefen ca. 80% der E-Book-Umsätze über Amazon. Während das Unternehmen E-Books unter dem Einkaufs-preis verkauft, befürchten die amerikanischen Verlagshäuser, dass die Preise für E-Books letztlich so niedrig werden, dass keine gebundenen Ausgaben mehr gekauft werden und die Verlage damit ihre Geschäfts-grundlage verlieren. Mit dem iPad und Apples Bookstore iBooks hat zur Freude der US-Verlagshäuser ein neuer großer Player die Bühne betreten. Bislang räumt Apple den Verlagshäusern bessere Preiskonditionen als Amazon ein. Dadurch gewinnen die Verlage zwar an Verhandlungsmacht gegenüber Amazon, laufen jedoch Gefahr, ihre Abhängigkeit von Amazon zu Apple zu verlagern. Aber nicht nur Apple, auch der Suchmaschinen-riese Google möchte mit seinem Bookstore Google Editions Amazon die marktbeherrschende Stellung streitig machen und das E-Book-Business aufmischen. Mit der Ankündigung des Verkaufs der US-Buchhandels- kette Barnes & Noble im August 2010 wird erwartet, dass sich auch der Buchhandelsriese mit seinem eigenen Lesegerät („Nook“) und dem nach eigenen Aussagen größten E-Book-Shop der Welt künftig auf den Absatz digitaler Leseprodukte konzentrieren wird.

3) DIE ZEIT, 22.10.2009, Nr. 44

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Der Preisstreit und die damit verbundene akute Sorge der Buchverlage um den Absatz von gedruckten Ausgaben ist aufgrund der hiesigen Buch-preisbindung nur bedingt auf Deutschland übertragbar. Jedoch müssen sich auch hierzulande die Verlagshäuser Gedanken machen, wie sie den Riesen Amazon, Apple und Google begegnen. Schwierig wird es außerdem in Zeiten des digitalen, globalisierten Buchhandels, Regeln wie die Buch-preisbindung aufrecht zu erhalten. Auch die nach wie vor schwächelnde Musikbranche, welche sich lange Zeit gegenüber neuen Geschäftsmodel-len verschlossen hat und für MP3-Alben denselben Preis verlangte wie für CDs, zeigt den Buchverlagen auf, wie es nicht laufen sollte.

Digitale Formate als Chance für Innovationen und neue Geschäftsmodelle

Ohne eine klare Differenzierung des Produktes wird der Preis von E-Books eine dominante Rolle spielen. Denn für eine Datei möchte keiner so viel zahlen wie für das gedruckte und gebundene Äquivalent, das man in die Hand nehmen, verschenken und signieren lassen kann und das zudem ohne Lesegerät und Strom funktioniert.

Die Verlage müssen die neuen Formate daher als Chance sehen und sich neuen Geschäftsmodellen öffnen. Ziel muss es sein, mit den digitalen For-maten dem Kunden erweiterte Produkteigenschaften anzubieten, die für die jeweilige Kundengruppe einen echten Mehrwert bedeuten. Mit der Zeit werden sich die Endgeräte und die darauf erhältlichen Applikationen in ihrer Funktionalität stark erweitern, sodass neue Anwendungsmög-lichkeiten denkbar sind. Bereits heute schaffen iPad und Co. eine Reihe von Möglichkeiten, die sowohl im Wissenschafts- und Fachbuchbereich (z. B. digitale Krankenakten und Diagnostik) als auch in der Belletristik (z. B. integrierte Audiokommentare oder Videos) oder bei anderen Verla-gen (z. B. Kochbuchanimationen, Reisepublikationen mit GPS-Verbindung) Mehrwert generieren können.

Paid-Content-Modelle: Mit echtem Mehrwert von „alles kostenlos“ Inter-net Mentalität zur Zahlungebereitschaft

Die zentrale Herausforderung für Verlage wird zukünftig darin bestehen, mit ihren digitalen Produkten einen echten Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Denn nur dann werden Kunden bereit sein, für diese Produkte gleich viel oder sogar noch mehr zu bezahlen.

Die ersten Schritte bei der Einführung neuer Produkte im digitalen Bereich prägen das Nutzerverhalten. Im Internet hat sich der Kunde an die kosten-lose Verfügbarkeit der Informationen gewöhnt. Eine spätere „Umerzie-hung“ ist zum Scheitern verurteilt. Daher gilt es, von Beginn an die richtige Preisstrategie zu wählen und eine Balance zwischen Preisakzeptanz der Kunden und Erlösmaximierung der Verlage zu erzielen.

„Digitale Erlösmodelle frei von Abhängigkeiten großer Player werden am Markt hände- ringend gesucht.“ David Obando, Egmont Ehapa

1. These: Digitale Evolution statt Revolution _ 9

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10 _ Verlagshäuser 2020

Ob es in den nächsten Jahren zu einem Mentalitätswechsel bezüglich der Zahlungsbereitschaft kommt, hängt daher im Wesentlichen davon ab, wie die Verlage sich verhalten und strategisch positionieren.

Trend zur Mitwirkung der Kunden bei der Content-Gestaltung

Um Mehrwert zu schaffen, muss man wissen, was die Kunden bewegt und einen Mehrwert bedeutet. Im nächsten Schritt gilt es herauszufinden, wo-für der Kunde bereit ist zu bezahlen. Dementsprechend werden Verlage darauf abzielen, die Kunden stärker in die Content-Gestaltung mit einzu-beziehen. Um die Wünsche, Präferenzen und Bedürfnisse der Kunden zu identifizieren, muss die Interaktion mit dem Kunden institutionalisiert und gepflegt werden.

Die neuen Medien bieten, z. B. über eigene Online-Shops, die Möglich-keit, direkten Kundenkontakt herzustellen, mehr über das Medienver-halten der Leser zu erfahren und dabei die großen Buchhandelsketten zu umgehen. Die meisten Verlage verfügen bereits über eigene Web-Shops. Während das webbasierte Geschäft bei Fach- und Wissen-schaftsverlagen stark ausgeprägt ist und bereits einen bedeutenden Anteil am Gesamtumsatz ausmacht, spielt der stationäre Buchhandel im Bereich Belletristik und bei anderen Verlagssegmenten nach wie vor eine große Rolle. Online-Vertriebskanäle werden jedoch immer wich-tiger und sollen in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden.

Auch über Social Media und Online Communities können Kundenkon-takte etabliert, neu gestaltet und gepflegt werden. Jedoch zeigen sich hier Grenzen auf. Aufbau und Pflege einer Community ist in der Regel mit hohen Kosten verbunden, wenn es darum geht, einen geschützten Raum mit Moderation und Management zu etablieren. Insgesamt be-trachtet man in der Verlagsbranche die Bedeutung und Wirksamkeit von Accounts bei Facebook & Co. als eher gering. Die bloße Präsenz in den gängigen Social-Media-Foren bringt aus Sicht der Verlage wenig. Da sich Social-Media-Nutzer jedoch gerne von Empfehlungen anderer Nutzer beeinflussen lassen, können die Verlagshäuser mit innovativen und pfiffigen Ideen versuchen, sie auf sich aufmerksam zu machen. Fast alle Verlage haben im Rahmen der Befragung angegeben, dass sie im Bereich Social Media präsent sein wollen. Sie testen die etablierten Foren an, ohne sie jedoch überstrapazieren zu wollen. Teilweise wer-den auch eigene Communities aufgebaut.

„Neue Produktformen, neue Geschäftsmodelle sowie neue

Vertriebswege, die einen echten Mehrwert für den Kunden auf-zeigen, werden zukünftig noch

mehr an Bedeutung gewinnen.“ Michael Bruns, Weka Media

Abbildung 5: Nutzung von Social-Media- Aktivitäten der Verlage

(goetzpartners)

Accounts beiFacebook/Twitter/Xing

Eigene Online-Community-Plattform

Beides

Keine Social-Media- Präsenz

36%

8%

28%

28%

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Digitale Evolution statt Revolution

Während einige Enthusiasten bereits die größte Revolution seit der Er-findung des Buchdrucks proklamieren, betrachten die meisten Verlage in der Buchbranche die aktuellen Entwicklungen eher nüchtern. Dennoch verfolgen sie mit großer Aufmerksamkeit, wie sich der Markt entwickelt. Statt einer digitalen Revolution, welche radikale Veränderung und Wandel impliziert, entspricht die zunehmende Digitalisierung in der Buchbranche eher einer digitalen Evolution, einer Entwicklung, die graduell das Verlags-wesen verändern wird.

Kritisch wird für die Verlage sein, sich bereits jetzt auf die kommenden Änderungen einzustellen und den Markt und die Kunden zu kennen. Ziel der Verlagshäuser muss es sein, die Veränderung in ihrem Geschäftsmo-dell frühzeitig einzuleiten und aktiv das Marktumfeld mitzugestalten, um nicht am Ende nur mit- oder gar hinterherzulaufen.

Auf Basis der im vorigen Kapitel skizzierten digitalen Evolution ergeben sich weitreichende Änderungen im Geschäftsmodell für jede Art von Ver-lag. Auf der einen Seite steht die allgegenwärtige Bedrohung frei verfüg-barer Informationen oder auch Raubkopien im Internet, auf der anderen drängen neue Wettbewerber wie z. B. Amazon oder Google in die klassi-schen Märkte der Verlage ein und überbrücken deren Wertschöpfungskette (z. B. bietet Amazon zunehmend Verlagsaktivitäten für Autoren an).

Die digitale Entwicklung ermöglicht es den Verlagen aber auch, ihr An-gebotsspektrum zu erweitern und in angrenzende Produktbereiche vor-

Im Fokus steht die qualitative Wissens-vermittlung und eine Ausdehnung des Produktangebotes

2. These: Das Geschäfts-modell der Verlage wird sich entscheidend ändern

2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern _ 11

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12 _ Verlagshäuser 2020

zudringen. Der Rückgang des klassischen Printgeschäftes soll über ein Wachstum in Bereichen wie z. B. Erweiterung des Angebots durch Dienst-leistungen, Ausbau des Online-Angebots oder neue Produkte mehr als kompensiert werden. Mit diesem Schritt betreten viele Verlage allerdings Neuland und müssen ihre Organisationsstrukturen und internen Prozesse verändern.

Printverlage werden zu Content-Providern mit erweitertem Aufgaben-spektrum und müssen sich gegen den Konkurrenten Internet abgrenzen

Heute befinden sich die Verlage nicht mehr nur in einem Konkurrenzver-hältnis untereinander. Vor allem gegenüber dem Informationslieferanten Internet müssen sich die Verlage immer stärker behaupten und ihre Da-seinsberechtigung erkämpfen. Das Internet bietet nicht nur eine Fülle kos-tenloser Information, sondern ermöglicht auch jedem Einzelnen, als Autor aufzutreten und seine Werke zu veröffentlichen, z. B. über Open-Access- Plattformen. Die traditionelle Rolle der Verlage wird dadurch immer weiter infrage gestellt.

Um nicht durch das Internet marginalisiert zu werden, müssen Verlage ihren Mehrwert deutlich herausarbeiten:

Hierbei könnten Verlage als Qualitätsgaranten und Gatekeeper gesi-cherten, unvoreingenommenen und geprüften Wissens auftreten und dadurch dem ungefilterten und kostenfreien Informationsangebot des Hauptkonkurrenten Internet entgegentreten. Auch gegenüber den Autoren müssen Verlage ihren Mehrwert aufzeigen, um sie nicht an Open-Access und Self-Publishing-Plattformen oder Amazon4 zu verlie-ren. So könnten sich Verlage künftig als Ideenfabriken positionieren, die sich um die Vermarktung und den Vertrieb der Inhalte auf allen Kanälen bemühen.

Auch der Auf- und Ausbau von Markenbildung um das Produkt Buch, sei es nun in elektronischer Form oder als Printerzeugnis, könnte eine erfolgversprechende Strategie darstellen, um sich in der Branche und gegenüber dem Internet zu positionieren. In diesem Sinne könnten „Welten um das Buch“ geschaffen werden, z. B. mit Events oder zu-sätzlichen Merchandise-Artikeln. So könnten zu Kochbüchern entspre-chende Veranstaltungen angeboten oder Kinderbücher mit Videospie-len und Spielsachen ergänzt werden. Auch Online Communities und virtuelle Foren, in denen sich Leser austauschen können, tragen zur Markenbildung bei.

4) Amazon wagt sich mit seinem Encore-Programm immer weiter auf das Gebiet klassischer Verlagsarbeit. Das Programm wählt anhand von Kundenrezensionen erfolgversprechende Debutanten aus, die über Amazons Self-Publishing-Service BookSurge veröffentlichen, und bietet ihnen die Möglichkeit, über den Amazon Store als Hardcover, Kindle-Book oder Hörbuch zu publizieren. Damit schafft es Amazon, Verlage zu umgehen und direkt mit den Autoren zu verhandeln.

„Fachinformationen werden in der heutigen Zeit vermehrt

von Nicht-Verlagen gemacht.“ Norbert Froitzheim,

Deutscher Ärzte-Verlag GmbH

„Größter Wettbewerber bleibt das Internet und das kostenlose

Angebot von Information.“ Michael Bruns, Weka Media

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Das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen eröffnet ebenfalls neue Möglichkeiten für Umsatz und Differenzierung gegenüber anderen Verlagen und dem Internet. In diesem Sinne bieten diverse Fachverlage schon heute Dienstleistungen wie Schulungen, Seminare, Beratungen oder Help-Desk-Services für Software und Inhalte an. Einige Verlage arbeiten hier auch vermehrt mit Start-up-Unternehmen zusammen, nicht nur um die entsprechenden Dienstleistungen anzubieten, son-dern auch um mit ihrer Zielgruppe noch enger in Kontakt zu treten.

Der Ausbau eines auf Mehrwert ausgerichteten Online-Angebots bie-tet den Verlagen die Möglichkeit, in die Offensive zu gehen. Die ge-schickte Verknüpfung von Print- und Online-Produkten kann sogar den Absatz von Printerzeugnissen fördern, wenn sich mit dem Kauf des Printprodukts zusätzliche Informationen abrufen lassen. Digitale Er-gänzungen, Kombi-Produkte und Online Tools müssen jedoch für den Kunden echten Mehrwert bedeuten.

Letztlich kann auch die Entwicklung neuer Produkte, welche auf Ta-blets zugeschnitten sind und die multimedialen Möglichkeiten aus-schöpfen, die Verlage davor bewahren, an Bedeutung zu verlieren. Technische Neuerungen werden die Schaffung neuer Produkte weiter-hin vorantreiben. Einige wenige experimentierfreudige Verlage haben sich bereits an die 3D-Technologie gewagt und testen hier neue Mög-lichkeiten aus.

Aufbruch in eine digitale Zukunft: Welche Strategie verfolgen die Verlagshäuser?

Die Einstellung gegenüber digitalen Medien variiert entsprechend der je-weiligen Ausrichtung des Verlags. Während man im Bereich Belletristik die elektronischen Formate aus einer eher reservierten Perspektive betrachtet, begegnet man im Fachbuchbereich und bei der Gruppe der „anderen Ver-lage“ (Schwerpunkt Schul-/Lehrbuch, Kinder-/Jugendbuch, Ratgeber etc.) bereits vorsichtiger Euphorie angesichts der neuen Möglichkeiten. Dabei sind viele Belletristik-Verlage mit digitalen Angeboten vor allem für das iPad am Markt vertreten – jedoch werden diese Themen nur vereinzelt an-geboten und opportunistisch verfolgt. Eine konsequente Vorwärtsstrate-gie zeichnet sich nicht ab.

Unabhängig davon, ob Fach-, Sach- oder Belletristik-Verlag, beobachten alle Verlagshäuser sehr genau, wie sich der Markt für Tablets, Smartphones und digitale Inhalte entwickelt. Betrachtet man die Strategie der Verlage im Bereich digitaler Medien im Einzelnen, zeigt sich jedoch ein deutlich

2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern _ 13

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14 _ Verlagshäuser 2020

differenziertes und uneinheitliches Bild. Die einzelnen Verlagshäuser sind unterschiedlich weit, was den Aufbruch in die digitale Zukunft betrifft, und lassen sich dementsprechend in die folgenden drei Kategorien einordnen.

Als „First Mover“ werden diejenigen Verlagshäuser bezeichnet, die schon vor einiger Zeit begonnen haben, sich in verstärktem Maße auf digitale Medien auszurichten und ihre technischen Kapazitäten aus-zubauen, um alle Ausgabekanäle zu bedienen. Diese Verlage befinden sich bereits im Prozess der Umsetzung ihrer digitalen Strategie und bieten in größerem Umfang digitale Produkte an. Einerseits reagie-ren „First Mover“ proaktiv auf den Trend der Digitalisierung und sind investitions-, innovations- und experimentierfreudig, was die neu-en Medien betrifft. Auf der andern Seite laufen sie Gefahr, knappe Ressourcen falsch einzusetzen und jeden Trend mitzugehen.

Die „Followers“ dagegen sind gerade noch dabei, sich strategisch neu zu positionieren, oder befinden sich bereits in den Startlöchern. Auch wenn das digitale Angebot momentan noch nicht sehr ausgeprägt ist, wurden bereits Vorkehrungen getroffen, um auf zunehmende Di-gitalisierung und verändertes Nutzerverhalten zu reagieren. Digitale Formate und Online-Angebote sind vorhanden, jedoch im Vergleich zu den „First Movern“ in deutlich beschränkterem Umfang. Insgesamt ist man abwartend, was die Erweiterung und den Ausbau im Bereich digi-tale Medien betrifft.

Die „Conservatives“ setzen weiterhin auf das klassische Buch und Druckerzeugnisse. Vereinzelt werden Inhalte in digitalen Formaten an-geboten. Eine digitale Strategie existiert nicht oder wurde noch nicht konkretisiert. Trotz der Zurückhaltung gegenüber digitalen Medien beobachten diese Verlage sehr genau, wie sich der digitale Markt ent-wickelt.

Betrachtet man die Strategie der befragten Verlagshäuser unter Berück-sichtigung der unterschiedlichen Verlagstypen, zeigt sich, dass die Verlage im Bereich Fachinformation/Wissenschaft mit knapp 64% die Vorreiter unter den Verlagshäusern sind. Über zwei Drittel der Verlage in diesem Segment sind „First Mover“ und verfolgen eine proaktive Strategie, was digitale Formate betrifft. Während sich 27% als „Followers“ auf die tech-nischen Neuerungen vorbereiten, verschließen sich lediglich 9% elektro-nischen Formaten und setzen weiterhin einen starken Fokus auf Print.

Das Segment der „Conservatives“ macht im Bereich der Belletristik und bei der Gruppe der anderen Verlage mit rund 20% einen größeren Anteil aus als bei den Fachbuch- und Wissenschaftsverlagen, bleibt aber doch verhält-

Abbildung 6: Strategie der befragten Verlagshäuser

(goetzpartners)

Fach-information/Wissenschaft

Belletristik AndereVerlage

9,1%22,2%20,0%

27,3%

44,4%

63,6%

11 5 9

33,3%20,0%

60,0%

„First Movers/Pioneers“

100%

„Followers“

„Conservatives“

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nismäßig klein. Dominierend sind hier die „Followers“. 60% der befragten Belletristik-Verlage und 44% der anderen Verlage stellen sich auf die neu-en, digitalen Formate ein und bieten bereits erste elektronische Produkte an. An vorderster Front einer digitalen Offensive stehen in der Belletristik ein Fünftel, bei den anderen Verlagen bereits ein Drittel der Verlagshäuser. Hier zeigt sich, dass der Großteil der Verlage in der Belletristik und anderer Verlage weniger experimentierfreudig sind und gerade erst beginnen, ihre Strategie im Bereich digitale Welten zu definieren und umzusetzen.

Betrachtet man das Gesamtbild, wird noch einmal deutlich, inwieweit die jeweilige Zielgruppe die Strategie der Verlagshäuser beeinflusst. Während man im Bereich der Fachinformation und Wissenschaftsliteratur bereits seit Jahren auf digitale Formate setzt, steht man bei den anderen Verlagen und der Belletristik langsam unter Zugzwang.

Die Zukunft der Verlage liegt in der Diversifizierung des Angebotes rund um die anvisierte Kundengruppe

Viele Verlagshäuser – allen voran die Fachverlage – haben sich aufgrund stagnierender Umsätze im Stammgeschäft schon vor Jahren in benachbar-te Gebiete und Anwendungen begeben. Diese ringförmige Entwicklung immer weiter vom ursprünglichen Stammgeschäft weg folgt einem Pa-radigmenwechsel (Abbildung 7). Nicht mehr das gedruckte Medium Buch steht im Mittelpunkt – sondern die anvisierte Kundengruppe.

Einige Beispiele verdeutlichen diese Entwicklung. So sind einige Verlage dazu übergegangen, für ihre Kundengruppen ganze Markenwelten zu kre-ieren, welche sie dann auf verschiedene Endprodukte ausrollen. Anfangs noch auf das Buch beschränkt, geht diese Markenbildung bis hin zur Lizen-zierung für Videospiele. Andere Verlage konzentrieren sich auf das Infor-mationsbedürfnis ihrer Kundengruppe und versuchen, dies zu jeder Zeit und vollumfassend zu bedienen. Dies beinhaltet die umfassende Präsenz bei den digitalen Medien, aber auch z. B. die Entwicklung von Software und Schulungen. Das Verlagshaus wird damit zum Informationslieferant, un-abhängig vom gewählten Transportmedium.

Diese Erweiterung kann nur gelingen, wenn man die Wünsche und Vor-stellungen der Kunden kennt. Den Kunden sollte nicht nur aktiv die Mög-lichkeit für Feedback und Vorschläge zur Verbesserung gegeben werden. Der nächste Schritt ist die Einbindung in die Produktgestaltung. Der Trans-fer findet folglich nicht mehr nur von innen nach außen, sondern auch in umgekehrter Richtung statt. Manch ein Verlag bekennt sich hierbei zum „Crowdsourcing“ und möchte diesen Schritt der aktiven Einbindung der Kunden in die Produktgestaltung bewusst gehen.

Abbildung 7: Diversifizierung der Buchverlage

(goetzpartners)

„Verlage werden ein anderes Selbstbild entwickeln müssen.“ Norbert Froitzheim, Deutscher Ärzte-Verlag GmbH

2. These: Das Geschäftsmodell der Verlage wird sich entscheidend ändern _ 15

Buch

Hörbuch

E-Book

Zusatzservices/Dienstleistungen

Online-Angebote Neue Produkte

Markenbildung

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Der Paradigmenwechsel hin zu den Informationsbedürfnissen der Kunden und zur Ausdehnung in die digitale Welt bedeutet für die Verlage auch im-mer eine Anpassung der internen Strukturen, Organisationsformen und Prozesse. Neben der Einbettung der neuen Produkte müssen alte Struk-turen aufgebrochen und Freiräume für Experimente und Ideen geschaffen werden, um in der digitalen Welt neue Anwendungen und Themen zu te-sten und einzuführen.

Unternehmensbeispiel – Die Pearson Verlagsgruppe als Media Innovator

Die Pearson Verlagsgruppe spiegelt den Wandel im Selbstverständnis, welchen die Verlagshäuser vollziehen müssen, beispielhaft wider. Das britische Verlagsunternehmen hat in den letzten Jahren auf die Heraus-forderungen einer zunehmenden Digitalisierung reagiert und sein Ge-schäftsmodell den neuen Realitäten angepasst. Als ein Vorreiter unter den Verlagshäusern hat Pearson massiv in digitale Strategien investiert, sukzessive neue Geschäftsfelder erschlossen und das Geschäftsmodell er-weitert – mit Erfolg.

Die Pearson Verlagsgruppe hat sich in den vergangenen Jahren zum welt-weit führenden Verlag im Bildungsbereich etabliert. Mit einem Umsatz von £ 5,6 Milliarden wuchs das Unternehmen von 2004–2009 um durch-schnittlich 11% p. a. und ist damit weltweit die Nr. 1 unter den Buchverlagen.5

Alle drei Hauptgeschäftsfelder von Pearson (Bildung, Literaturverlag / Pen-guin Group, Business Information / Financial Times Group) wurden mit Online-Angeboten, digitalen Produkten und Dienstleistungen strategisch ausgebaut. So bietet Pearson im Bildungsbereich neben Schul- und Sach-büchern, Nachschlagewerken und Lexika Bildungssoftware und Online-Weiterbildungs- und -Studienkurse an. Technische Möglichkeiten schöpft die Verlagsgruppe aus und ergänzt sein Produktportfolio mit innovativen und zukunftsweisenden Produkten. So bietet Pearson mit dem von Apple entwickelten Schul-Infosystem „PowerSchool“ Pädagogen, Schülern und Eltern einen webbasierten Service an, der sie über Noten, Hausarbeiten und Anwesenheit informiert. Darüber hinaus entwickelt Pearson iPod-Lösungen für Pädagogen und Schüler, z. B. Podcasts zur Aufarbeitung von Lerninhalten oder Vorbereitungshilfen für Prüfungen. Im Bildungsbereich rundet Pearson sein Angebot mit Testcentern und Sprachschulen ab, wel-che die Verlagsgruppe überall auf der Welt betreibt.

Auch der Literaturverlag Penguin investiert mit dem Ausbau des E-Book-Angebots und Online Communities ins digitale Geschäft. Eine Online- Initiative der besonderen Art stellt penguin.match.com dar – eine Partner-börse für Leseratten, welche Pearson gemeinsam mit einem externen An-bieter betreibt.

5) „Publishers TOP 50“, The Bookseller, 10. Juli 2009

„Digitale Produkte entstehen nicht in den herkömmlichen

Abläufen der Printproduktion. Die Verlage müssen offen sein

für neue Arbeitsweisen.“ Reiner Blankenhorn, Langenscheidt Verlag

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Im Zeitungsbereich bietet die Financial Times Group mit ft.com ein Online-Portal mit zahlungspflichtigen Beiträgen an. Mit knapp 110 000 tatsächlich zahlenden Nutzern ist das Online-Angebot nur bedingt erfolgreich. Trotz-dem möchte sich Pearson auch in diesem Segment künftig weiter in Rich-tung digitale Geschäftsmodelle orientieren.

Die Entwicklung von Pearson ist ein gutes Beispiel für den Wandel im Ge-schäftsmodell hin zu digitalen Produkten und einer Expansion des Pro-duktangebotes. Ein Drittel des Gesamtumsatzes wird bereits mit digitalen Umsätzen erwirtschaftet. Die Verlagsgruppe sucht bewusst den Umbruch und die konstante Fortentwicklung durch Experimente und unkonventio-nelle Ideen und nimmt dabei auch das Risiko des Scheiterns in einzelnen Entwicklungen mit ins Kalkül.

Die Einbindung von Bewegtbildern als die nächste Herausforderung

3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“

Im digitalen Zeitalter begegnen die Verlage einer stei-genden Komplexität, welche sowohl die Produkte als auch die Prozesse betrifft. Während die traditionelle Hauptaufgabe eines Verlags darin bestand, Inhalte zu generieren, muss er sich heute in verstärktem Maße der Veredelung und Aufbereitung dieser Inhalte wid-men und möglichst alle Ausgabekanäle von Print bis Online bedienen. Für viele Verlage bedeutet dies Zu-satzkosten, denen im Gegenzug nicht immer auch Mehrerlöse gegenüberstehen. Um die Kosten zu kom-pensieren und Investitionen zu schultern, suchen viele Verlage nach neuen Erlösmodellen. Eine Suche, die sich nicht unbedingt einfach gestaltet und von fast drei Viertel der befragten Verlage als die drängendste Herausforderung angesehen wird.

(goetzpartners)

Abbildung 8: Herausforderungen der Verlagshäuser

3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“ _ 17

Suche nach neuen Erlösmodellen, z. B. Paid Content, neue Produkte

Multi-Plattform-Problematik

Einbindung von multimedialen Elementen/Bewegtbildern

Digitales Rechtemanagement

Zusatzkosten für digitale Produkte

Konkurrenz durch das Internet

Flexibilität und schnelle Anpassungsfähigkeit der Verlage

Miteinbeziehung der Leser in dieContent-Gestaltung

Neugestaltung eigener Vertriebskanäle

Ergebnis der Befragung der 25 Buchverlage; Mehrfachnennungen möglich

72%

44%

28%

24%

16%

16%

12%

12%

4%

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Nach der Multi-Plattform-Problematik wartet mit der Einbindung von Bewegtbildern schon die nächste Komplexitätsstufe

Die Bedeutung, seine unterschiedlichen Zielgruppen auf allen Kanälen – sei es nun als Buch, über das Internet, E-Reader oder Smartphones – zu erreichen, wurde bereits erläutert. Neben dem klassischen Buch eine elek-tronische Version bereitzustellen, die sich jederzeit abrufbar auf alle mo-bilen Endgeräte übertragen lässt, bedeutet jedoch nicht nur zusätzliche Kosten, sondern ist auch mit großem technischem Aufwand verbunden. Einige Verlage betonen, dass die Produktionskosten für ein E-Book genau-so hoch seien wie für die Printausgabe. Inhalte neutral aufzubereiten und auf eine Plattform zu bringen, die alle Ausgabekanäle bedient, bleibt eine der größten Herausforderungen und rangiert unter den befragten Verla-gen an zweiter Stelle.

Die Medienneutralität von Daten und das Multi-Channel-Publishing stellen für die Verlage eine besonders anspruchsvolle Aufgabe dar. Um Daten auf verschiedene Medien zu übertragen und Inhalte crossmedial vermarkten zu können, müssen Konvertierungen in unterschiedliche Formate vor-genommen werden, die mit großer technischer Komplexität und hohen Kosten verbunden sind. Dazu zählt auch die Anpassung der Inhalte an die Anzeigefähigkeiten der unterschiedlichen Endgeräte. Mit immer neueren, differenzierteren Lesegeräten und Tablet-Computern und einer Vielfalt von Dateiformaten wie epub, PDF, Mobipocket und Apps wird der Prozess der Datenaufbereitung weiter an Komplexität zunehmen. Die meisten Verlage streben eine medienneutrale und weitgehend automatisierte Aufbereitung auf Grundlage einer XML-Datenbasis an. Die Komplexitäts-frage muss aber in der Folge noch um mehrere Aspekte erweitert werden, denn für die unterschiedlichen Formate müssen die jeweiligen Rechte an Inhalt, Bild und Ton vorgehalten und mit dem internen Provisionssystem verknüpft werden. Viele Verlage lösen dieses Problem bisher, in dem sie die gesamten Rechte einkaufen und pauschale Vergütungen anstreben. Im Hinblick auf ein zunehmendes Wachstum des digitalen Segmentes be-deutet das für die Verlage einen zunehmenden Kostenfaktor.

Darüber hinaus möchten einige Verlage künftig die multimedialen Mög-lichkeiten digitaler Formate voll ausschöpfen. Die Einbindung von multi-medialen Elementen wie Bewegtbildern oder Animationen stellt die Ver-lagshäuser vor neue, technische Herausforderungen.

Um der „Komplexitätsfalle“ entgegenzutreten, holen sich die meisten Ver-lage kompetente Partner mit ins Boot. Gleichzeitig legen diese Wert darauf, das technische Know-how auch im Verlag aufzubauen. Das Wissen um tech-nologische Neuerungen und Prozesse verschafft den Verlagen Unabhän-gigkeit und befähigt sie, die Transformation zu steuern. Der Bereich IT wird dadurch nicht nur zu einem strategisch wichtigen Ressort, sondern auch zu einem wesentlichen Innovationsmotor und Labor für Experimente.

„Die Einführung medien-neutraler, automatisierter

Prozesse zur Datenauf-bereitung, um alle Formate

zu bedienen, glich einer Herkulesaufgabe.“

Dr. Hermann Riedel, Carl Hanser Verlag

„Technische Veränderungen, die man noch nicht absehen

kann, sind eine Chance, die man nutzen muss. Es gilt he-rauszufinden, wie man diese

Chance am besten für sich nutzen kann.“

Dirk Wolters, Wolters Kluwer

Abbildung 9: Veränderung des Produktions- prozesses durch digitalen Wandel

(goetzpartners)

Autor

Inhalt ArchivierungDatenauf-bereitung

Ausgabekanäle

- Web- Mobile- Print- E-Reader*

*iPad, Kindle, Sony etc.

Produktion Marketing Distribution

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Urheberrechtsschutz vs. Benutzerfreundlichkeit

Im August 2010 berichteten die Medien, dass Literaturnobelpreisträger Günter Grass die Veröffentlichung seiner Werke im digitalen Format un-tersagt, „bevor ein die Autoren schützendes Gesetz wirksam wird.“

Das Schicksal der Musikindustrie, die Angst vor dem massenhaften il-legalen Download von Büchern aus dem Internet sowie der Schutz des geistigen Eigentums der Autoren machen Dokumentensicherheit für die meisten Verlage zu einem wichtigen und aktuellen Thema. Die Verwirk-lichung von digitalem Rechtemanagement (DRM) bleibt jedoch bei den meisten Verlagen umstritten bzw. wird heftig diskutiert. Einerseits ist Kopierschutz wichtig, um die Urheberschaft der Autoren zu schützen. An-dererseits bedeutet Kopierschutz eine unkomfortable und unpraktische Nutzung für den Kunden. Einige Verlage haben sich daher entschieden, Kopierschutz nur bei bestimmten Produkten anzuwenden, abhängig vom jeweiligen Produkt und von der Zielgruppe. Andere Verlage wiede-rum beharren auf DRM, obwohl es unpraktisch, umständlich und nicht kundenfreundlich ist.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass das Thema DRM das Wachstum im digitalen Segment effektiv bremst. Die Einschränkung der Nutzerfreund-lichkeit und Gefahr, bei einem Systemabsturz alle Daten zu verlieren, be-raubt die digitalen Bücher der Ubiquität als eines der wesentlichen Vor-teile. Der User möchte nicht nur Sicherheitskopien für die erworbenen Bücher und Texte machen, sondern auch das Produkt auf mehreren End-geräten zugleich nutzen. Das Problem des Kopierschutzes ist daher eng gekoppelt an die Preis- und Produktpolitik der Verlage. Zieht man den Quervergleich zu der Musikindustrie, konnte erst ein einfaches und preis-lich attraktives Angebot den „Sumpf“ der Musiktauschbörsen weitestge-hend trockenlegen. Auch die Verlage werden ihr Preisangebot letztlich so gestalten müssen, dass für die User die Einfachheit des Systems den Reiz des illegalen Kopierens überwiegt.

Im Bereich der Produktpolitik – gerade für die Fachverlage – können Ser-vice- und Abomodelle eine Verletzung des Urheberrechtes unterbinden. Dies ergibt sich zum einen überall dort, wo zum Beispiel eine ständige Aktualisierung der Daten vorgenommen wird. Der Kunde wird diesen Service nur im Rahmen einer Zertifizierung erhalten. Auf der anderen Seite können zusätzliche Produkteigenschaften wie z. B. eingebettete Bewegtbilder, Links und Hinweise nur bei gültiger Zertifizierung und Online-Verbindung angezeigt werden und damit einen wirkungsvollen Kopierschutz entfalten.

3. These: Die neuen technischen Möglichkeiten bringen die Verlage in die „Komplexitätsfalle“ _ 19

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Die zehn wichtigsten Erkenntnisse für Buchverlage

Die folgenden zehn Aussagen fassen die wichtigsten Erkenntnisse der drei skizzierten Thesen zusammen. Sie dienen den Verlagen zur Überprüfung ihrer Strategie und zeigen attraktive neue Wege auf:

1. Digitale EntwicklungDie digitale Entwicklung ist mehr konstante Evolution denn Revolution. Für die Belletristik-Verlage wird das digitale Segment in der Zukunft ein neues Standbein werden (10%–15% Umsatzanteil), für die Fachverlage bis 2015 das dominante Umsatzsegment (50%–70%) darstellen.

2. Digitale Produkte und PricingUm die Akzeptanz der Kunden zu gewinnen, muss das Pricing für das E-Book radikal verändert und in eine intelligente Preis- und Produktpoli-tik überführt werden. Beim reinen E-Book als Basisvariante muss ein si-gnifikanter Preisabstand zur Printversion bestehen. Eine einzuführende Premium-Variante unterscheidet sich durch das Angebot zusätzlicher Produkt-Features (Audio-Kommentare, Einbettung des Hörbuches, Hinter-grundinfos, Bewegtbilder etc.), welche dem Kunden einen echten Mehr-wert bieten. Als Folge kann ein gleichwertiger oder sogar höherer Preis als bei der Printversion für dieses Premium-Produkt verlangt werden.

3. Diversifikation Verlage müssen sich diversifizieren. Der Rückgang im klassischen Printge-schäft kann nur durch Wachstum im digitalen Bereich und den Vorstoß in neue Produktsegmente kompensiert werden. Verlage sollten bei dieser Strategie darauf achten, eine Diversifizierung um ihren angestammten Kern zu vollziehen. Dies könnte zum Beispiel die Ausbreitung in angren-zende Produktbereiche (Schulungen und Seminare für die Wissensvermitt-lung) oder Ausweitung um die anvisierte Zielgruppe herum sein (Schaf-fung von Markenwelten für Kinderbücher).

4. Mitbestimmung des KundenVerlage beziehen heute schon die Kunden in ihre Inhaltsgestaltung ein oder bieten zumindest die Möglichkeit, aktiv Feedback zu geben. Dieser Schritt kann durch Social Communities, das Einrichten von Foren und eine offene Produktgestaltung noch intensiviert werden.

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5. Die Zielgruppe kennenVerlage müssen ihre Kundengruppe besser kennenlernen. Unterschied-liche Zielgruppen haben unterschiedliche Präferenzen. Die digitalen Pro-dukte erlauben es den Verlagen, ihr Angebot kostengünstig auf die jewei-lige Kundengruppe zuzuschneiden, um sich von der Konkurrenz und den großen Playern wie Google und Amazon zu differenzieren.

6. Paid ContentMit der Einführung der Tablet-Computer und Smartphones verbinden viele Verlage die Hoffnung auf neue Erlösquellen. In der Tat gilt es, den Kunden von Anfang an von der Werthaltigkeit des Produktes zu überzeugen und ihn daran zu gewöhnen, für Inhalte zu bezahlen. Hat sich der Kunde erst an eine Gratis-Verfügbarkeit gewöhnt, ist eine Umerziehung nur schwer möglich.

7. Anpassung der Wertschöpfungskette Dies bedingt auch immer eine Anpassung der internen Organisations-struktur und Prozesse: Verlage müssen alte Strukturen aufbrechen und ihre Prozesse verändern.

8. Freiräume schaffen IdeenVerlage müssen den Mut haben, auch unkonventionelle Ideen zu entwi-ckeln und Experimente zu wagen. Dafür müssen Freiräume geschaffen und Innovationen bewusst gefördert werden.

9. Bewegtbilder Die Einbindung von Bewegtbildern gilt als die nächste große Herausfor-derung und bedeutet für die Verlage die nächste Komplexitätsstufe in der technischen Entwicklung.

10. Strategische PartnerschaftenAufgrund der Ressourcenknappheit können Verlage nicht mehr alle Ele-mente der Wertschöpfungskette abdecken. Eine Konzentration auf das Kerngeschäft und das Eingehen von Partnerschaften rückt immer mehr in den Fokus.

Die zehn wichtigsten Erkenntnisse für Buchverlage _ 21

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Umsatzentwicklung digitaler Medien je nach Verlagsart 4Abb. 2 E-Book-Umsätze in den USA 5Abb. 3 Anteil der Verlage mit digitalen Produkten im Markt 6Abb. 4 Angebote für das iPad 7Abb. 5 Nutzung von Social-Media-Aktivitäten der Verlage 10Abb. 6 Strategie der befragten Verlagshäuser 14Abb. 7 Diversifizierung der Buchverlage 15Abb. 8 Herausforderungen der Verlagshäuser 17Abb. 9 Veränderung des Produktionsprozesses durch digitalen Wandel 18Abb. 10 Schwerpunkte der befragten Verlagshäuser 22

Studiendesign

Für die Studie wurden Geschäftsführer, IT-Leiter und Verantwortliche im Bereich Neue Medien und Pro-duktentwicklung zwischen Juni und August 2010 be-fragt. Insgesamt haben 25 der 50 größten deutschen Verlagshäuser6 an der Studie teilgenommen. Die hohe Beteiligungsquote von 50% spiegelt die Brisanz der Themen und das Interesse an den digitalen Herausfor-derungen und zukünftigen Trends wider. In leitfaden-gestützten Interviews mit offenen Fragen wurden die Teilnehmer nach den aktuellen Herausforderungen und zukünftigen Trends und Themen in der Verlags-branche gefragt.

6) Basierend auf dem Ranking „Die 100 größten Verlage“, buchreport.magazin, April 2010. Berücksichtigt wurden Verlage in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Abbildung 10: Schwerpunkte der befragten Verlagshäuser

(goetzpartners)

22%

22%11%

11%33%

44%

Fachinformation/ Wissenschaft

Belletristik

Sachbuch/Nachschlage-werkeSchul-/Lehrbuch

Kinder- undJugendbuch

TouristischePublikationen Ratgeber

AndereVerlage

20%

36%

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Über goetzpartners _ 23

Über goetzpartners

goetzpartners ist ein führendes unabhängiges europäisches Beratungsun-ternehmen, das M&A-Beratung (Mergers & Acquisitions) und Management Consulting unter einem Dach kombiniert. Die Gruppe steht für innovative Beratungsansätze und individuelle Lösungen, die mit den Kunden erfolg-reich umgesetzt werden. goetzpartners ist mit Büros in München, Düssel-dorf, Frankfurt, London, Madrid, Moskau, Paris, Prag und Zürich sowie Kooperationen in New York, Los Angeles, San Francisco, Bangalore, Mumbai und Budapest vertreten.

Fokus von goetzpartners Corporate Finance ist die Beratung bei M&A-Transaktionen. goetzpartners Management Consultants ist spezialisiert auf die Beratungsschwerpunkte Strategie, Organisation, Operational Excellence, Marketing und Vertrieb, Restrukturierung und Strategic Due Diligence. goetzpartners ist „Hidden Champion“ 2009 in den Beratungs-sektoren Strategische Due Diligence, Finanzierungs- und Mergerstrategien sowie Post-Merger-Integration (Corporate-Finance-Beratung)7.

Industry Line TMTgoetzpartners zählt zu den führenden Beratungsunternehmen im Tele- kommunikations-, Medien- und Technologiebereich (TMT) in Europa. Mit seiner Expertise unterstützt goetzpartners zahlreiche Klienten bei der Ausrichtung und Transformation auf die neuen Marktverhältnisse innerhalb einer konvergierenden Medienwelt. Mit strategisch innovativen Ansätzen sowie einer starken Umsetzungs- und Wertorientierung ver- bessert goetzpartners gemeinsam mit seinen Kunden deren Wettbe-werbsfähigkeit und stellt nachhaltige Erfolge sicher.

7) Studie „Hidden Champions des Beratungsmarktes“, Wissenschaftliche Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB), Prof. Dr. Dietmar Fink, 2009

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Die eigenen Analysen und Annahmen für diese Studie wurden nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Analysen und Annahmen übernimmt goetz-partners keinerlei Gewähr.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die vorliegende Studie nicht die Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt. Sie kann daher weder die individuelle fachkundige Beratung noch eigene ausführliche Recherchen des Dritten ersetzen.

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