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I26 L. R o sent h a 1 e r I Bern: 18. L. RosenthalersBern: Versuche rnit Senfolen. Eingegangen am 25. April 1924. Von den Senfolen, den Stoffen der Formel S=CNR, ist es bee kannt, daB sie eine grol3e Anzahl von Korpern addieren, z. B. Akohol, Schwefelwasserstoff, Ammoniak und viele Derivate des letzteren, z. B. Amine, Hydrazine u. a. m. Diese Additionsreaktionen teilen die Senfole mit Aldehyden und Ketonen. Wenn auch bei diesen sehr haufig der Addition eine Wasserabspaltung folgt, SO ist doch die Analogie in den Additionsreaktionen der beiden Stoffklassen unvers kennbar und man kann sich fragen, ob sie fur alle Fallc zutrifft und worauf sie zuruckzufuhren ist. Von Versuchen, die ich ausfuhrte, um Blausaure, Nitromethan und Semicarbazid an Senfole anzulagern, sind nur die letzteren positiv verlaufcn. Es soll dariiber spater berichtet werden, wahrend in dieser Abhandlung zunachst uber das Verhalten von Senfijlen zu Bisulfit berichtet werden soll. Uber d a s Vcrhalten von Senfiilen zu Bisulfit. Die Tatsachc, daB Allylsenfol saures schwefligsaures Alkali addiert, ist von Prof. S t r e c k e r 1870 .entdeckt worden und dessen Schiiler B o h 1 e r l) hat die Kaliumverbindung beschrieben. Eine Konstitutionsformel hat B o h 1 e r nicht aufgestellt, wenn auch aus den einleitenden Worten der Arbeit hervorgeht, daB er sich die Addition in derselben Weise denkt, wie die des Ammoniaks und der Amine. B e i 1 s t e i n 2, formulicrt demgemafi die zugrunde liegende Saure als N H (G Hs) CS . SO, H. Die Addition findet also nach dieser Auffassung an der SCNzGruppe statt. Das ist aber gerade beim Allylsenfol nicht ohne weiteres selbstverstandlich, da hier in der Allylgruppe noch cine zweite Gruppe vprhanden ist, welche die Fahigkcit besitzt, Bisulfit zu addieren. Rekannt ist u. a. cine Verbin. dung des Allylalkohols mit Kaliumbisulfit. Man konnte daran denken, zwischen den beiden in Betraeht kommenden Moglichkeiten dadurch zu cntscheiden, dai3 man mit dem Bisulfit solche Senfole, wie AthyL oder Phenylsenfol in Reaktion bringt, welche nur an der Senfols gruppe addieren konnen. Erhitzt man diese Senfole mit einer konr zentrierten Losung von Kaliums oder Natriumbisulfit, so verschwins den sie - ungleich dem Allylsenfol - nicht. Eine Addition tritt also nicht ein. Die daraus zuniichst zu ziehende SchIuBfoIgerung, da6 die Addition beim Allylsenfol an der Allylgruppe stattfinde, hatte sich dadurch bekraftigen lassen sollen, dat3 der Allylthioharnstoff (Thios sinamin) SC'*~~'.CH,.CfI: CH, sich mit Bisulfit vereinigt. Dies ist indes auf keine Weise zu verwirks lichen gewesen. Selbst wenn man Thiosinamin mit Bisulfitlosung im Rombenrohr erhitzt, bleibt es unverandert. Man kann also aus diesen Versuchen, nur den SchluB ziehen, dai3 die Gegenwart der be i d e n addierenden Gruppen notig ist, damit die Addition an einer der beiden eintritt, ohne so entscheiden zu konnen. welche dcr beiden ~~ 1) Annal. Chem. Pharm. 154, 59 (1870). 2) I-Inndbuch d. org. Chcm., 3. Aufl., I, 1283.

Versuche mit Senfölen

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Page 1: Versuche mit Senfölen

I26 L. R o s e n t h a 1 e r I Bern:

18. L. RosenthalersBern: Versuche rnit Senfolen. Eingegangen am 25. April 1924.

Von den Senfolen, den Stoffen der Formel S=CNR, ist es bee kannt, daB sie eine grol3e Anzahl von Korpern addieren, z. B. Akohol, Schwefelwasserstoff, Ammoniak und viele Derivate des letzteren, z. B. Amine, Hydrazine u. a. m. Diese Additionsreaktionen teilen die Senfole mit Aldehyden und Ketonen. Wenn auch bei diesen sehr haufig der Addition eine Wasserabspaltung folgt, SO ist doch die Analogie in den Additionsreaktionen der beiden Stoffklassen unvers kennbar und man kann sich fragen, ob sie fur alle Fallc zutrifft und worauf sie zuruckzufuhren ist.

Von Versuchen, die ich ausfuhrte, um Blausaure, Nitromethan und Semicarbazid an Senfole anzulagern, sind nur die letzteren positiv verlaufcn. Es soll dariiber spater berichtet werden, wahrend in dieser Abhandlung zunachst uber das Verhalten von Senfijlen zu Bisulfit berichtet werden soll.

U b e r d a s V c r h a l t e n v o n S e n f i i l e n z u B i s u l f i t . Die Tatsachc, daB Allylsenfol saures schwefligsaures Alkali

addiert, ist von Prof. S t r e c k e r 1870 .entdeckt worden und dessen Schiiler B o h 1 e r l) hat die Kaliumverbindung beschrieben. Eine Konstitutionsformel hat B o h 1 e r nicht aufgestellt, wenn auch aus den einleitenden Worten der Arbeit hervorgeht, daB er sich die Addition in derselben Weise denkt, wie die des Ammoniaks und der Amine. B e i 1 s t e i n 2, formulicrt demgemafi die zugrunde liegende Saure als N H (G Hs) CS . SO, H. Die Addition findet also nach dieser Auffassung an der SCNzGruppe statt. Das ist aber gerade beim Allylsenfol nicht ohne weiteres selbstverstandlich, da hier in der Allylgruppe noch cine zweite Gruppe vprhanden ist, welche die Fahigkcit besitzt, Bisulfit zu addieren. Rekannt ist u. a. cine Verbin. dung des Allylalkohols mit Kaliumbisulfit. Man konnte daran denken, zwischen den beiden in Betraeht kommenden Moglichkeiten dadurch zu cntscheiden, dai3 man mit dem Bisulfit solche Senfole, wie AthyL oder Phenylsenfol in Reaktion bringt, welche nur an der Senfols gruppe addieren konnen. Erhitzt man diese Senfole mit einer konr zentrierten Losung von Kaliums oder Natriumbisulfit, so verschwins den sie - ungleich dem Allylsenfol - nicht. Eine Addition tritt also nicht ein. Die daraus zuniichst zu ziehende SchIuBfoIgerung, da6 die Addition beim Allylsenfol an der Allylgruppe stattfinde, hatte sich dadurch bekraftigen lassen sollen, dat3 der Allylthioharnstoff (Thios sinamin)

S C ' * ~ ~ ' . C H , . C f I : CH, sich mit Bisulfit vereinigt. Dies ist indes auf keine Weise zu verwirks lichen gewesen. Selbst wenn man Thiosinamin mit Bisulfitlosung im Rombenrohr erhitzt, bleibt es unverandert. Man kann also aus diesen Versuchen, nur den SchluB ziehen, dai3 die Gegenwart der b e i d e n addierenden Gruppen notig ist, damit die Addition an einer der beiden eintritt, ohne so entscheiden zu konnen. welche dcr beiden

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1) Annal. Chem. Pharm. 154, 59 (1870). 2) I-Inndbuch d. org. Chcm., 3. Aufl., I, 1283.

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Versuche mit Senfolen. 127

Gruppen addiert. Man kann indessen die Entscheidung daruber mit Hilfe der Eigenschaften des Additionsprodukts von Allylsenfol und Kaliumbisulfit treffen. Wahrcnd namlich bei denjenigen Stoffen, welche durch Addition von Bisulfit an die Allylgruppe oder andere Gruppen mit entsprechendcr Doppelbindung entstehen, der schwefelhaltige Rest sehr fest gebunden ist, trifft dies bei der Allylsenfolverbindung nicht zu, wie dies die im VersuchsteiI angegebenen Reaktionen zeiqen. Es kann demnach kein Zweifel daruber bestehen, da8 das Bisulfit an dic SCNsGruppe addicrt wird. Entsprechend den zwei Formeln

%H \OH

der schwefligen Saure /H /OH und SO

kommen dann nur noch zwei Formeln in Betracht. /NH . C3H,

\SO? OK

/NH . C3 Hj

‘XO . SO2 K sc und SC

1. 11. Bei der leichten Zersetzlichkeit der Verbindung wurde darauf vers zichtet, diese Frage direkt zu entscheiden; sie 1aBt sich aber auf indirektem Wege beantworten. Bedenkt man namlich, da8 die Senfs ole sich auch mit Stoffen wie Schwefelwasserstoff und Mercaptanen verbindcn, bei denen Wasserstoff mit Schwefcl vcrbunden ist, so kann man daraus schliefien, da8 es die asymmetrische Form des Bisulfits ist, die sich mit den Senfolcn verbindet. Dies steht auch mit der Tatsache in Ubereinstimmung, da8, wic bereits bekannt, auch NaSH an Allylsenfol angelagert wcrdcn kann. Dagegen gelingt es nach meinen Versuchen nicht, NaSH an Xthyls oder Phenylsenfol anzulagern. Das Verhalten der Senfole gcgen Sulfhydrat ist also dem .gegen Bisulfit vollig analog. Da die Verbindung des Allylsenfols mit Natriumsulfhydrat keine andere Formel haben kann, als

so mu8 auch die Bisulfitverbindung die oben angegebene Formel I besitzen. Versuche.

A l l y l s e n f o l ~ K a l i u m b i s u l f i t

\SOz 0 K Die Darstellung der Verbindung erfolgte nach der von B o h 1 e r

gegebenen Vorschrift durch Erhitzen von Allylsenfol mit einer konzenr tricrten Losung von Kaliumbisulfit und Umkristallisieren der Verbin: dung aus Weingeist. Da B o h 1 e r schon eine vollstandige Analyse der Verbindung durchgefuhrt hat, habe ich mich damit begniigt, die Zusammensetzung durch eine Kaliumbestimmung (Abrauchen mit ‘Schwefelsaure und Wagung als K2 SO,) zu kontroliieren.

Die Verbindung zersetzt sich schon beim Erhitzen mit verdunnter Schwefelsaure und Natriumcarbonatlosung, mit letzterer unter Frei: werden von Senfol. Permanganat wird in saurer Losung augenblick. lich reduziert. Mit Ammoniak erfolgt Bildung von Thiosinamin. Bromwasser bildet (au8er einem amorphen Niederschlag) Sulfat.

SC(kNi ’H CBHj

SC/NH. Cs Hj

0.3943 g Sbst.: 0.1604 g K2 SO, = 18.26 % K. (Theor. 17.84 % K.).