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Vertragliche Schuldverhältnisse Prof. Dr. Klaus Tonner Sommersemester 2012

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Vertragliche Schuldverhältnisse

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Übersicht• Einleitung• § 1: Vertragliche Schuldverhältnisse und Vertragsrecht• § 2: Vertragsfreiheit• § 3: Europäisierung des Vertragsrechts• § 4: Hilfsmittel• Kaufrecht• § 5: Ursprüngliche Konzeption, EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie

und Schuldrechtsreform

• Zugrundegelegt wird das Lehrbuch von Tonner, Schuldrecht – Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2010, Nomos

(Die §§ der Abschnitte beziehen sich ebenfalls auf das Lehrbuch)

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§ 1: Vertragliche Schuldverhältnisse/Vertragsrecht

• Vertragliche Schuldverhältnisse meint die im Schuldrecht des BGB geregelten einzelnen Vertragstypen. Die wichtigsten sind:

• - Kaufrecht, §§ 433 ff.• - Darlehensrecht, § 488 ff. • - Mietrecht, §§ 535 ff.• - Werkvertragsrecht, §§ 631 ff.

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§ 1: Vertragliche Schuldverhältnisse/Vertragsrecht

• Der Begriff des Vertragsrechts ist weiter. Er umfasst auch aus dem Allgemeinen Teil des BGB die Vertragsschlussregeln und das Vertretungsrecht und aus dem Allgemeinen Schuldrecht das Recht der AGB-Kontrolle, die Widerrufsrechte und das Leistungsstörungsrecht.

• Des Weiteren sind vertragliche Schuldverhältnisse von vertragsähnlichen Schuldverhältnissen (Bsp.: culpa in contrahendo) abzugrenzen.

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§ 2: Vertragsfreiheit

• Grundprinzip des Vertragsrechts ist die Vertragsfreiheit. Sie untergliedert sich in die

• - Abschlussfreiheit, d.h. es gibt grds. keinen Kontrahierungszwang, und in die

• - Inhaltsfreiheit, d.h. die Parteien können einem Vertrag einen beliebigen Inhalt geben. Sie sind dabei auch nicht an die Vertragstypen des BGB gebunden.

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§ 2: Vertragsfreiheit

• Vertragsfreiheit hat für das Vertragsrecht die gleiche Funktion wie der Markt für den Ökonomen: Die Freiheit soll gerechte Ergebnisse gewährleisten. Es wird daher von einer „Richtigkeitsgewähr“ (Schmidt-Rimpler) der Vertragsfreiheit gesprochen.

• Die Vertragsfreiheit ist ein Grundrecht und in Art. 2 Abs. 1 GG enthalten. Das BVerfG vertritt ein materiales Verständnis von Vertragsfreiheit: Beide Parteien müssen von der Vertragsfreiheit Gebrauch machen können. Bei Überlegenheit einer Partei muss der Gesetzgeber oder die Rspr. eingreifen, notfalls mit Hilfe der Generalklauseln des BGB (Bürgschafts-Urteile).

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§ 2: Vertragsfreiheit

• Dispositives und zwingendes Vertragsrecht• Grds. ist das Vertragsrecht des BGB dispositiv,

d.h. es kommt nur zur Anwendung, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Es dient zur Lückenfüllung der von den Parteien geschlossenen Verträge und kommt zur Anwendung, wenn die Parteien nur die essentialia negotii bestimmt haben.

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§ 2: Vertragsfreiheit

• Zwingendes Vertragsrecht wird aber immer umfangreicher, und zwar in Rechtsgebieten, in denen die eine Vertragspartei typischerweise unterlegen ist, nämlich dem

• - Arbeitsrecht,• - dem Wohnungsmietrecht, und• - dem Verbraucherschutzrecht• Des Weiteren führt die AGB-Kontrolle (§ 307) zu

zwingendem Vertragsrecht

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§ 3: Europäisierung des Vertragsrechts

• Die Vorschriften des BGB über vertragliche Schuldverhältnisse sind geprägt durch die Umsetzung zahlreicher EU-Verbraucherschutz-Richtlinien, namentlich der

• - Verbrauchsgüterkauf-RL von 1999,• - der RL über Teilzeitnutzungsrechte (revidierte

Fassung von 2008),• - der Verbraucherkredit-RL (revidierte Fassung von

2008)• - der Pauschalreise-RL von 1990

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§ 3: Europäisierung des Vertragsrechts

• Außerdem sind im Schuldrecht AT zahlreiche Richtlinien umgesetzt, namentlich die RL über missbräuchliche Vertragsklauseln

• Die bisherige Haustürwiderrufs-RL und die Fernabsatz-RL sind jetzt durch die neue RL über Verbraucherrechte zusammengefasst, die noch umzusetzen ist.

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§ 3: Europäisierung des Vertragsrechts

• Auch außerhalb des Verbrauchervertragsrechts ist ein europäisches Vertragsrecht im Entstehen. Die Kommission hat im Oktober 2012 den Vorschlag für ein optionales Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK) angenommen, das Regeln über den Vertragsschluss und den Kaufvertrag enthält.

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§ 5: Geschichtliche Entwicklung

• Konzeption des Kaufrechts im BGB von 1900:• - auf dem Pandektenrecht des 19. Jh. fußend,

das seinerseits auf das römische Recht zurückging

• - nur Wandelung und Minderung, nur ganz ausnahmsweise S.E., kein Nachbesserungsanspruch

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§ 5: Geschichtliche Entwicklung

• Ein anderes Konzept unterliegt dagegen dem UN-Kaufrecht (CISG): Einheitlicher Vertragsverletzungsbegriff, „Recht der zweiten Andienung“ des Verkäufers, Rücktritt nur bei wesentlicher Vertragsverletzung.

• Diesem Konzept folgt die EU-Verbrauchsgüterkauf-RL von 1999, so dass der deutsche Gesetzgeber es übernehmen musste.

• Mit der Schuldrechtsreform von 2001 entschied er, die RL nicht in einem Sondergesetz für Verbrauchsgüterkaufverträge umzusetzen, sondern das Kaufrecht des BGB insgesamt an die Richtlinie anzupassen.

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§ 5: Geschichtliche Entwicklung

• Die geplante Überarbeitung der EU-Verbrauchsgüterkauf-RL durch die RL über Verbraucherrechte ist gescheitert.

• Es bleibt abzuwarten, welche Bedeutung der Vorschlag eines optionalen GEK haben wird.

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• I. Vertragsschluss: gem. §§ 145 ff.; Angebot und Annahme. Mindestens essentialia negotii müssen vorhanden sein. Vom Angebot ist die invitatio ad offerendum abzugrenzen (Schaufenster, Internet)

• II. Neben dem Kaufrecht anzuwendende Vorschriften

• - § 134 (Radarwarngerät)• - § 138 (mehr als das Doppelte des marktüblichen

Preises beim Immobilienkauf)

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• - Anfechtbarkeit wegen arglister Täuschung (§ 123)• - Anfechtbarkeit wegen Inhalts- oder

Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1)• - nicht dagegen wegen Eigenschaftsirrtums (§ 119

Abs. 2)• - Widerrufbarkeit als Haustürgeschäft (§§ 312,

355)• - Widerrufbarkeit als Fernabsatzgeschäft (§§ 312c,

355)

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• Deliktsrecht (§§ 823 f.) ist neben Vertragsrecht anzuwenden; d.h. bei Schadensersatzansprüchen ist zu prüfen, ob ein vertraglicher oder ein deliktischer oder beide vorliegen.

• Sog. Weiterfresserschäden, Schwimmschalter-Fall (BGHZ 67, 359)

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• Kaufgegenstand kann sein: eine Sache (Definition in § 90) oder ein Recht oder ein sonstiger Gegenstand (§ 453). Rechte können z.B. gewerbliche Schutzrechte (Patente, Marken) oder Forderungen (§ 398) sein. Beispiele für „sonstige Gegenstände“ sind Energie und Software.

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• Mangelfreiheit: Der Kaufgegenstand muss frei von Sach- und Rechtsmängeln sein (§ 433 Abs. 1 S. 2). Mit einem mangelhaften Kaufgegenstand kann der Verkäufer nicht erfüllen, d.h. der Käufer kann ihn zurückweisen, ohne dadurch etwa in Gläubigerverzug zu geraten.

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• Verkäuferpflichten• - Hauptpflichten: Übergabe und

Eigentumsverschaffung. Die Übergabe erfolgt nach § 929. Im Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer lediglich zur Eigentumsverschaffung; das Eigentum geht damit noch nicht über (Verpflichtungsgeschäft). Es bedarf dazu eines zweiten Rechtsgeschäfts, nämlich des Vollzugsgeschäfts (Verfügungsgeschäft), das ein dingliches Rechtsgeschäft ist.

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• Besondere Fallgestaltungen:• - Verkäufer möchte Eigentum mit Übergabe

noch nicht verlieren (Eigentumsvorbehalt): aufschiebend bedingter Eigentumsvorbehalt (§ 158)

• - Übertragung eines Grundstücks: Auflassung und Eintragung ins Grundbuch erforderlich (§ 873)

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§ 6: Vertragsschluss und Hauptpflichten der Parteien

• Nebenpflichten des Verkäufers:• - Obhuts- und Schutzpflichten, § 241 Abs. 2• - Informationspflichten (Bedienungsanleitung)• Käuferpflichten• - Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2). Grds.

Barzahlung. Bei Banküberweisung oder Kartenzahlung tritt die Erfüllung mit Gutschrift ein.

• - Abnahmepflicht (§ 433 Abs. 2)

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§ 7: Mangelbegriff

• Sachmangel, § 434• - Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 Abs. 1 S.

1• - falls sie fehlt, die nach dem Vertrag

vorausgesetzte Verwendung, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.1

• - falls auch dies fehlt, gewöhnliche Verwendung, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

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§ 7: Mangelbegriff

• Gefahrübergang• Zeitpunkt, zu dem die Mangelfreiheit vorliegen

muss. Übergabe der Sache, § 446 S. 1.• Gefahr geht auch bei Annahmeverzug des Käufers

über, § 446 S. 3. Gilt aber nur bei zufälligem Untergang bzw. zufälliger Verschlechterung, sonst bleibt es bei § 300.

• Sonderregel für Versendungskauf in § 447. Enger Anwendungsbereich, außerdem bei Verbrauchsgüterkauf nicht anzuwenden.

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§ 7: Mangelbegriff

• Beschaffenheitsvereinbarung• Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-

Beschaffenheit• Eigenschaften, die der Kaufsache unmittelbar

physisch anhaften wie auch Umweltbeziehungen (Altlast eines Grundstücks)

• Nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung• Kann sich z.B. aus dem Vertrag

vorausgegangenen Beratungsgesprächen ergeben

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§ 7: Mangelbegriff

• Gewöhnliche Verwendung• Abzustellen ist auf Üblichkeit, auf

durchschnittliche gebräuchliche Verwendung, nach der Verbrauchgüterkauf-RL auf die Erwartungen eines Durchschnittskäufers

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§ 7: Mangelbegriff

• Werbung, § 434 Abs. 1 S. 3• Auch Herstellerwerbung kann zu einer

verbindlichen Beschaffenheitsangabe führen.• Bsp.: Kraftstoffverbrauch eines Neuwagens• Werbung muss öffentlich erfolgen• Verkäufer haftet nicht, wenn er die Werbung

nicht kannte oder kennen musste.

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§ 7: Mangelbegriff

• Montage und Montageanleitung, § 434 Abs. 2 S. 1 / § 434 Abs. 2 S. 2

• Verkäufer haftet für fehlerhafte Montage, wenn er sie übernommen hat, und Montageanleitung.

• Sog. IKEA-Klausel (bzgl. Montageanleitung)• Fehlende Montageanleitung ist einer

fehlerhaften gleichzustellen.• Bei fehlerhaften Gebrauchsanweisungen ist § 434

Abs. 1 einschlägig.

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§ 7: Mangelbegriff

• Falschlieferung (aliud) wird Mangel gleichgestellt, § 434 Abs. 3

• Ebenso Zu-wenig-Lieferung• Bei Zu-viel-Lieferung dagegen Rückabwicklung

bzgl. des zu viel gelieferten Teils über Bereicherungsrecht.

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§ 7: Mangelbegriff

• Rechtsmangel, § 435• Rechte Dritter an der Sache, soweit nicht im Vertrag

vereinbart• Bsp.: Ein schuldrechtliches Nutzungsrecht eines

Dritten an der verkauften Sache• Rechtsfolge: wie bei Sachmangel, § 437• Gilt auch für Rechtskauf, also bspw. Nutzungsrechte

Dritter an Immaterialgüterrechten (Patent, Marke) oder bei Verletzung des allg. Persönlichkeitsrechts

• Bsp.: Boris-Becker-T-Shirt-Fall

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§ 8: Mängelrechte

• § 437 zählt die Mängelrechte auf• Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 • Rücktritt und Minderung können erst nach Ablauf

einer Nachfrist geltend gemacht werden, ebenso Schadensersatz statt der Leistung.

• Ohne Nachfrist dagegen können die Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs.1 (Pflichtverletzung), 280 Abs. 1 i.V.m. § 286 (Verzug) und 283 sowie 311a (Unmöglichkeit) geltend gemacht werden.

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§ 8: Mängelrechte

• Vorrangigkeit der Nacherfüllung, § 439• Wahlrecht des Käufers zwischen

Mängelbeseitigung und Nachlieferung• Geht auf Verbrauchsgüterkauf-RL zurück• Transport- Wege-, Arbeits- und Materialkosten

gehen zulasten des Verkäufers, § 439 Abs. 2• ebenso Aus- und Wiedereinbaukosten, EuGH

16.6.2011, verb. Rs. C-65/09 – Weber u. C-87/09 – Putz (anders zuvor der BGH)

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§ 8: Mängelrechte

• Der BGH hatte zuvor Aus- und Einbaukosten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zugesprochen. Das ist nach EuGH Weber und Putz nicht mehr haltbar.

• Nachlieferung: Die mangelhafte Sache muss zurückgegeben werden, § 439 Abs. 4. Rückabwicklung erfolgt nach Rücktrittsrecht. Beim Verbrauchsgüterkauf ist weder eine Nutzungsentschädigung noch Wertersatz zu leisten, EuGH 17.4.2008, C-404/06 – Quelle, vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt in § 474 Abs. 2 S. 1

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§ 8: Mängelrechte

• Übergang von der Nacherfüllung zu den sonstigen Mängelrechten (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz statt der Leistung) ist von Nachfristsetzung abhängig.

• Nachfristsetzung kann u.U. entbehrlich sein (dazu später).

• Käufer kann nach Ablauf der Nachfrist zurücktreten, muss dies aber nicht. Er kann auch weiterhin Nacherfüllung verlangen.

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§ 8: Mängelrechte

• Das Kaufrecht enthält kein Recht des Käufers zur Selbstvornahme einer Nachbesserung.

• Bei einer Selbstvornahme steht dem Käufer ein Anspruch auf Schadensersatz zu, §§ 280 i.V. m. §§ 282 oder 283, was allerdings Verschulden voraussetzt. Außerdem muss dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden (BGHZ 162, 219).

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§ 8: Mängelrechte

• Unmöglichkeit der Nacherfüllung• Ist eine der beiden Arten der Nacherfüllung

unmöglich (§ 275), ist der Käufer auf die andere Art verwiesen. Der Verkäufer behält seinen Gegenleistungsanspruch, § 326 Abs. 1 S. 2.

• Auch bei Stückschuld liegt nicht notwendigerweise stets Unmöglichkeit der Nachlieferung vor. Gleichartige oder gleichwertige Nachlieferung reicht (Gebrauchtwagen).

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§ 8: Mängelrechte

• Zur Wiederholung:• Bei einer Gattungsschuld kann auch eine auf

den Warenvorrat beschränkte Gattungsschuld vorliegen.

• Durch die Aussonderung erfolgt Konkretisierung. Dies ist aber nur mit einer zur Erfüllung geeigneten, also einer mangelfreien, Sache möglich.

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§ 8: Mängelrechte

• Einschränkungen des Wahlrechts des Käufers• Verkäufer kann die gewählte Art der

Nacherfüllung verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, § 439 Abs. 3.

• Dies gilt auch für den Fall unverhältnismäßiger Ausbaukosten für mangelhafte Sachen (Fliesen), EuGH Weber und Putz.

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§ 8: Mängelrechte

• Verkäufer kann den Käufer nicht ohne Weiteres auf die für ihn günstigere Variante der Nacherfüllung verweisen. Auf die andere Art der Nacherfüllung muss ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden können, § 439 Abs. 3 S. 2.

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§ 8: Mängelrechte

• Rücktrittsrecht• Bei unerheblichen Pflichtverletzungen

ausgeschlossen, § 323 Abs. 5 S. 2• Voraussetzungen: erfolglose Fristsetzung zur

Nacherfüllung• Entbehrlichkeit der Fristsetzung:• - in den Fällen des § 323 Abs. 2• - gem. § 440

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§ 8: Mängelrechte

• § 440• - Verweigerung beider Arten der Nacherfüllung• - Fehlschlagen der Nacherfüllung, bei Nachbesserung

nach dem zweiten Versuch• - Unzumutbarkeit• Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht• Ausschluss von Nutzungsentschädigung und

Wertersatz (EuGH – Quelle) nur bei fehlgeschlagener Nachlieferung, nicht bei Nachbesserung

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§ 8: Mängelrechte

• Minderung, § 441• Auch bei unerheblichem Mangel möglich• Ansonsten Voraussetzungen wie bei Rücktritt• Berechnung nach der Formel des § 441• Wenig praktisch, i.d.R. wird die Minderung

geschätzt.

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§ 8: Mängelrechte

• Schadensersatz• Schadensersatzansprüche, die ohne Nachfrist

geltend gemacht werden können:• - § 280 Abs. 1. Begleitschäden, Verletzung von

Obhutspflichten („Schadensersatz neben der Leistung“)

• - § 280 Abs. 1, 2, 286. Verzögerungsschaden (ebenfalls neben der Leistung)

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§ 8: Mängelrechte

• - Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit, § 283

• - Schadensersatz wegen anfänglicher Unmöglichkeit, § 311a Abs. 2

• Schadensersatz, der eine Nachfrist voraussetzt („Schadensersatz statt der Leistung“): §§ 280 Abs. 1 , 2, 281. „kleiner“ (z.B. Reparaturkosten) oder „großer“ (z.B. Deckungskauf) Schadensersatz nach Wahl des Käufers

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§ 8: Mängelrechte/Verjährung

• Bei beweglichen Sachen zwei Jahre ab Ablieferung (Vorgabe der Verbrauchsgüterkauf-RL) (§ 438 Abs. 1 Nr. 3)

• Bei Bauwerken fünf Jahre ab Übergabe (§ 438 Abs. 1 Nr. 2)

• Bei Ansprüchen aus einem dinglichen Recht eines Dritten 30 Jahre (relevant z.B. bei einem Rechtsmangel) (§ 438 Abs. 1 Nr. 1)

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§ 8: Mängelrechte/Verjährung

• Die Verjährung nach § 438 wird objektiv berechnet, während die allg. Verjährungsvorschriften (§§ 195, 199) eine subjektive Komponente enthalten: drei Jahre ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände.

• Für kaufrechtliche Schadenersatzansprüche, die einen Mangelschaden einschließlich eines Mangelfolgeschadens erfassen, gilt § 438, für reine Begleitschäden bei mangelfreier Sache gelten dagegen §§ 195, 199.

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§ 8: Mängelrechte/Verjährung

• Rücktritt und Minderung sind Gestaltungsrechte und können deshalb nicht verjähren. Nach § 218 sind Rücktritt und Minderung unwirksam, wenn der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist, so dass Rücktritt und Minderung ebenfalls nur zwei Jahre ab Ablieferung geltend gemacht werden können.

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§ 8: Mängelrechte/Verjährung

• Die kaufrechtliche Verjährung gilt nicht bei arglistiger Täuschung (§ 438 Abs. 3)

• Dem Zahlungsanspruch kann auch ein Rücktritts- oder Minderungsanspruch entgegengesetzt werden, der für sich genommen nicht mehr geltend gemacht werden könnte (Mängeleinrede, § 438 Abs. 4 S. 2 bzw. Abs. 5)

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§ 9: Haftungsausschlüsse und -beschränkungen

• Gesetzlicher Haftungsausschluss, § 442• - bei positiver Kenntnis des Käufers vom Mangel• - ebenso bei grob fahrlässiger Unkenntnis. Jedoch

keine Untersuchungspflicht, anders beim Handelskauf (§ 377 HGB)

• - trotz grob fahrlässiger Unkenntnis kein Haftungsausschluss, wenn Verkäufer Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit übernommen hat (Bsp.: Klebstoff-Fall) (§ 442 Abs. 1 S. 2)

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§ 9: Haftungsausschlüsse und -beschränkungen

• Kein Haftungsausschluss bei Arglist oder Übernahme einer Garantie, § 444

• Bsp. für Arglist: Gebrauchtwagenkauf mit gewerblichem Käufer

• Bsp. Für Garantieübernahme: Klebstoff-Fall• Garantie von Unternehmenskennziffern.

Haftungsbeschränkung zulässig, weil von vornherein nicht mehr versprochen wurde.

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§ 9: Haftungsausschlüsse und -beschränkungen

• Haftungsausschluss beim Verbraucherkauf, § 475• - unwirksam, außer für Schadensersatzansprüche • - auch bei gebrauchten Sachen unwirksam. Übliche

Verschleißerscheinungen begründen jedoch keinen Mangel.

• Bei Schadensersatzansprüchen sind die AGB-Kontrollvorschriften zu beachten:

• - bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit § 309 Nr. 7• - bei einfacher Fahrlässigkeit § 307 Abs. 1 (kein

Haftungsausschluss für Kardinalpflichten, Bsp.: Autowaschanlage)

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§ 9: Haftungsausschlüsse und -beschränkungen

• Grenzen der Haftungsbeschränkung außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs

• - Frage der AGB-Kontrolle• - Die Wertungen des Klauselverbotskatalogs werden

gem. § 307 auch in b2b-Verträgen angewendet• - § 309 Nr. 8 lit. b): Beschränkung auf Nacherfüllung

nicht zulässig, wenn diese fehlschlägt.• - § 309 Nr. 8 lit. b ff: Verkürzung der Verjährung auf

weniger als ein Jahr unzulässig

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Anwendungsbereich (§ 474)• - persönlicher: b2c (§§ 13, 14)• - sachlicher: bewegliche Sachen, d.h. kein

Immobilienkauf• - kein Nutzungsersatz bei Rückgabe im

Rahmen einer Nachlieferung (§ 474 Abs. 2 S. 1; Quelle-Urteil des EuGH)

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Kaufrecht im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs ist zwingend (§ 475 Abs. 1)

• Dies gilt auch für die Verjährung (§ 475 Abs. 2),

• allerdings nicht für Schadensersatzansprüche (§ 475 Abs. 3)

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Beweislastumkehr (§ 476)• - Regelfall: Käufer muss beweisen, dass

Mangel schon im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war (§ 446); zumindest der „Grundmangel“, auch wenn er sich erst später manifestierte

• - aber: Beweislastumkehr in den ersten sechs Monaten nach Gefahrübergang zugunsten des Verbrauchers (§ 476)

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Beweislastumkehr (§ 476) (Forts.)• - Käufer muss nach BGH beweisen, dass der die

Funktionsstörung verursachende Mangel vorhanden war (Zahnriemen-Fall, BGHZ 159, 215). In der Lit. umstr., da Beweislastumkehr weitgehend entwertet wird

• - Verkäufer kann außerdem die Vermutung des § 476 widerlegen

• - Vermutung greift nicht, wenn sie mit der Art der Sache unvereinbar ist

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Garantien (§§ 443, 477)• - unselbständige Garantie: Annex zum

Kaufvertrag• - selbständige Garantie: selbständiger Vertrag.

Herstellergarantie ist stets selbständige Garantie

• - Verkäufergarantie/Herstellergarantie

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Garantien (§§ 443, 477) (Forts.)• - Beschaffenheitsgarantie: Garantiegeber sagt

bestimmte Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu.

• - Haltbarkeitsgarantie: jede während einer vereinbarten Frist auftauchende Beschaffenheitsabweichung führt zum Garantiefall.

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Garantien (§§ 443, 477) (Forts.)• Garantiefrist:• - bei unselbständiger Garantie Verlängerung der

kaufrechtlichen Verjährungsfrist (z.B. drei statt zwei Jahre)

• - bei selbständiger Garantie wird der Beginn der gesetzlichen Gewährleistung auf den Zeitpunkt des Eintritts des Garantiefalls hinausgeschoben (Bsp.: genau ein Jahr nach Übergabe tritt Garantiefall ein; erst ab diesem Zeitpunkt läuft gesetzliche Gewährleistungsfrist)

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Garantien (§§ 443, 477) (Forts.)• - die ab diesem Zeitpunkt laufende

Verjährungsfrist richtet sich nach BGH nach § 438 (BGHZ 75, 75).

• - Im Verbrauchsgüterkauf muss Garantiegeber darauf hinweisen, dass Garantie die gesetzliche Verkäufergewährleistung unberührt lässt (§ 477 Abs. 1 Nr. 1)

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Rückgriff des Unternehmers (§§ 478, 479)• Problem: Wenn der in Anspruch genommene

Verkäufer bei seinem Lieferanten seinerseits Gewährleistungsrechte geltend machen will, kann die sog. Regressfalle auftreten: Ansprüche gegen den Lieferanten können bereits verjährt sein, oder sie können durch AGB ausgeschlossen sein.

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Rückgriff des Unternehmers (§§ 478, 479) (Forts.)• Der Regressfalle wirken §§ 478, 479 entgegen:• - Bei Rücktritt oder Minderung keine Nachfrist, § 478

Abs. 1• - Aufwendungsersatzanspruch gegen Lieferanten für

Nachbesserungsarbeiten bei Kunden, § 478 Abs. 2• - Beweislastumkehr gem. § 476 gilt auch gegenüber

Lieferanten, § 478 Abs. 3• - § 478 ist zwingend, allerdings „gleichwertiger

Ausgleich“ möglich, § 478 Abs. 4

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§ 11: Verbrauchsgüterkauf

• Rückgriff des Unternehmers (§§ 478, 479) (Forts.)• - Lieferant kann gegen Vorlieferant genauso

vorgehen, bis Hersteller als Verkäufer erreicht ist• - Verjährung der Ansprüche des Händlers wird

hinausgeschoben auf zwei Monate nach dem Zeitpunkt, an dem der Händler die Ansprüche des Verbrauchers erfüllt hat (§ 479 Abs. 2) (Ablaufhemmung)

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Immobilienkauf• - der Immobilienkaufvertrag bedarf der notariellen

Beurkundung, § 311b Abs. 1 S. 1• - Dies gilt eigentlich nicht für die Vollmacht (§ 167

Abs. 2), jedoch verlangt die Rspr. für eine unwiderrufliche Vollmacht notarielle Beurkundung

• - nicht notariell beurkundeter Immobilienkaufvertrag ist formunwirksam (§ 125), jedoch kann Heilung durch Eintragung eintreten

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Immobilienkauf (Forts.)• Bsp.: Es wird absichtlich ein zu niedriger

Kaufpreis beurkundet. Das beurkundete Geschäft ist ein Scheingeschäft und nach § 116 unwirksam, das gewollte Geschäft ist nicht beurkundet und nach § 125 unwirksam.

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§ 12: Besondere Kaufverträge• Immobilienkauf (Forts.)• Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft wird erfüllt durch

Eigentumsübertragung („Auflassung“, § 925) und Eintragung ins Grundbuch (§ 873).

• Auflassung muss ebenfalls notariell beurkundet werden (§ 925), i.d.R. zusammen mit dem Kaufvertrag

• Zwischen Auflassung und Eintragung steht dem Erwerber ein Anwartschaftsrecht zu

• Zugunsten des Erwerbers kann eine Auflassungsvormerkung bestellt werden

• Vor der Eintragung ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des FinA beizubringen: der Erwerber wird erst eingetragen, wenn er die Grunderwerbssteuer bezahlt hat. Bis dahin muss er aber gesichert sein.

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Autokauf• 1. Neuwagenkauf• - „fabrikneu“: unbenutzt, das Modell muss

unverändert weitergebaut werden, keine Mängel durch die Standzeit, höchstens 12 Monat alt

• - Kraftstoffverbrauch: Abweichung von mehr als 10 % von Herstellerangaben führt zu einem Mangel. Verkäufer haftet für Herstellerangaben. Berechnung des Kraftstoffverbrauchs nach EU-Vorschriften („Euro-Mix“).

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Autokauf (Neuwagenkauf) (Forts.)• - Tageszulassung. Für „fabrikneu“ unschädlich.

Für Re-Importe aus anderen EU-Staaten unerlässlich.

• 2. Gebrauchtwagenkauf• - Haftungsausschluss gegenüber Verbrauchern

seit der Schuldrechtsreform nicht mehr zulässig. Verschleißerscheinungen begründen jedoch keinen Mangel.

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Autokauf (Gebrauchtwagenkauf) (Forts.)• - Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§§

142, 123). Gebrauchtwagenhändler muss offenbaren, was er weiß oder bei einfacher Untersuchung hätte wissen können, z.B. Unfall.

• Längere Verjährung bei arglistiger Täuschung

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Autokauf (Gebrauchtwagenkauf) (Forts.)• - Agenturvertrag: Gebrauchtwagenhändler

bezeichnet sich als Vermittler zwischen Vorbesitzer und Erwerber. Sachwalterhaftung des Gebrauchtwagenhändlers (§ 311 Abs. 3)

• 3. Inzahlungnahme: Kauf mit Ersetzungsbefugnis, d.h. der Kauf über das Neufahrzeug ist bindend, auch wenn das Altfahrzeug zwischen Vertragsschluss und Übergabe untergeht.

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Unternehmenskauf• Ein Unternehmen kann als Sach- und Rechtsgesamtheit

verkauft werden (asset deal) oder es können die an ihm bestehenden Geschäftsanteile veräußert werden (share deal)

• Zum asset deal gehören Grundstücke (falls vorhanden, dann notarielle Form gem. § 311 Abs. 1), bewegliche Sachen, Marken, Patente, know how. Die Gesamtheit ist ein „sonstiger Gegenstand“ gem. § 453 Abs. 1 (Folge: Sachmängelgewährleistung). Erfüllung durch Übergabe gem. § 929 bei beweglichen Sachen, durch Auflassung und Eintragung bei Grundstücken (§§ 925, 873) und durch Abtretung (§ 398) bei Rechten.

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Unternehmenskauf (Forts.)• - share deal: Es werden sämtliche

Geschäftsanteile übertragen, z. B. Aktien, GmbH-Geschäftsanteile. Der Anteilskauf ist ein Rechtskauf (§ 453), so dass die Rechtsmängelgewährleistung Anwendung findet (§ 435).

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Unternehmenskauf (Forts.)• Haftung• - beim asset deal gilt die normale

Sachmängelhaftung mit den in § 437 aufgeführten Rechten

• - beim share deal hat der Veräußerer nur für den Bestand des Rechts einzustehen (§ 435). Veräußert er aber alle Anteile oder deren ganz überwiegenden Teil, wendet die Rspr. Sachmängelgewährleistung an.

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§ 12: Besondere Kaufverträge

• Unternehmenskauf (Forts.)• Regelmäßig werden bestimmte

Unternehmenskennziffern über Umsatz und Ertrag zugesichert. Dabei handelt es sich um Beschaffenheitsvereinbarungen gem. § 434 Abs. 1. Eine Haftungsbeschränkung wird trotz § 444 für zulässig gehalten, da die Zusage von vornherein auf den garantierten Betrag beschränkt sei.

• Der Erwerber führt regelmäßig beim Veräußerer vor Vertragsschluss eine due diligence durch, bei der er die für ihn wichtigen Unternehmenskennziffern ermittelt.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Internationales Einheitsrecht ist vorrangig anzuwenden. Es muss in einem völkerrechtlichen Vertrag geregelt sein, der von den Staaten, in denen es angewendet werden soll, ratifiziert sein muss.

• Ist kein Einheitsrecht vorhanden, muss das anzuwendende Recht nach den Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) ermittelt werden. Für Verträge ist das in der EU die sog. Rom-I-Verordnung.

• Die Rom-I-VO sieht grds. Rechtswahlfreiheit vor, die aber für Verbraucherverträge stark eingeschränkt ist.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Für das Kaufrecht gibt es internationales Einheitsrecht, das sog. UN-Kaufrecht oder Wiener Kaufrecht oder CISG (Convention for the International Sale of Goods)

• Das CISG wurde 1980 in Wien gezeichnet und trat für Deutschland 1991 in Kraft.

• Vorgänger waren die sog. Haager Kaufgesetze• Das CISG hat Vorbildfunktion, z.B. für die deutsche

Schuldrechtsreform und für die Verbrauchsgüterkauf-RL.

• Es gilt in den meisten Staaten, jedoch nicht im UK.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Anwendungsbereich• - nicht für zu privaten Zwecken abgeschlossene

Kaufverträge• - nur für Kaufverträge über Waren• - nur, wenn die Vertragsparteien ihren Sitz in

verschieden Vertragsstaaten haben oder wenn die Regeln des IPR zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen

• - Die Parteien können die Anwendbarkeit de CISG ausschließen.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Das CISG enthält Vertragsschlussregeln, die jedoch nicht so umfassend sind wie im AT des BGB. So fehlen Anfechtbarkeit und Stellvertretung. Lücken müssen im Zweifel durch Rückgriff auf das anzuwendende nationale Recht geschlossen werden.

• Der Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Die Annahme muss zugegangen sein, jedoch ist das Angebot anders als im deutschen Recht vor der Annahme nicht bindend.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Die Vertragsschlussregeln unterscheiden sich erheblich vom common law, weswegen innerhalb der EU das UK, IRL und M das CISG nicht ratifiziert haben und auch der Unionsgesetzgeber erhebliche Schwierigkeiten mit einem einheitlichen Vertragsbegriff hat.

• AGB müssen anders als im deutschen Recht beigefügt werden.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Pflichten von Verkäufer und Käufer• - Verkäufer muss die Ware liefern und das

Eigentum übertragen. Die Ware muss vertragsgemäß sein, d.h. mangels anderer Vereinbarungen für den Zweck geeignet sein, für den sie gewöhnlicherweise gebraucht wird.

• - Käufer muss den Kaufpreis zahlen und die Ware abnehmen.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Haftung des Verkäufers für Pflichtverletzungen• - Käufer hat eine Rügepflicht, d.h. er verliert

seine Rechte, wenn er fehlende Vertragsgemäßheit nicht innerhalb kurzer Frist rügt.

• - Alle Rechtsbehelfe setzen eine Nachfrist voraus.

• - Nachbesserung. Behebungsrecht des Verkäufers.

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Anspruch auf Ersatzlieferung und auf Vertragsaufhebung nur bei wesentlicher Vertragsverletzung

• Minderungsrecht• Schadensersatz• - kein Verschulden, aber Beschränkung auf

vorhersehbare Schäden• - Aufwand für Deckungskauf ist zu ersetzen

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK, engl. CESL)

• - Vorschlag einer Verordnung der Europäischen Kommission

• - enthält Regeln über den Vertragsschluss und das Kaufrecht

• - soll optional und nur für grenzüberschreitende b2b-Verträge gelten

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§ 13: Internationales Kaufrecht

• Vergleich CISG/CESL/BGB• Anwendungsbereich• - CISG: b2b, grenzüberschreitend, opt-out,

dispositiv• - CESL: b2c, grenzüberschreitend, opt-in,

zwingend• - BGB: nationale Sachverhalte, für b2b

dispositiv, für b2c zwingend