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142 Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 82 (1991) Vom Bauernsohn zum Großunternehmer Der Bürger zu Murau Georg Mayr (gestorben 1592) als Vieh- und Weinhändler und als Geldverleiher Von Helfried Valentinitsch Im ausgehenden 15. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahr- hunderts nahmen in der Steiermark zahlreiche Kaufmannsfamilien, aber auch Einzelunternehmer, einen beachtlichen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. 1 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kapitalkraft des steirischen Bürgertums langfristig gesehen zurückging und die einheimischen Kaufleute durch das oberdeutsche und italienische Großkapital aus wichtigen Bereichen des Fernhan- dels verdrängt wurden. Die verschiedenen Ursachen für diese negative Entwicklung, die schließlich zur Verarmung von breiten bürgerlichen Schichten führte, sind bereits von Othmar Pickl 2 und Ferdinand TremeP eingehend untersucht worden. Auch die obersteirische Stadt Murau blieb von den wirtschaftlichen Veränderungen des 1 Vgl. dazu mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben F. T r e m e l , Der Frühkapita- lismus in Innerösterreich, Graz 1954; ders.. Der österreichische Kaufmann im 16. Jahrhundert, in: H. J. Mezler-Andelberg (Hrsg.), FS f. Karl Eder, Innsbruck 1969, S. 119ff.; ders.. Das Handelsbuch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbler, 1526-1548. Beiträge zur Erforschung steir. Geschichtsquellen 47 (NR 15), Graz 1960; O. Pickl, Das älteste Geschäftsbuch Österreichs. Die Gewölberegister der Wiener Neustädter Firma Alexius Funck (1516 bis ca. 1538) und verwandtes Material zur Geschichte des steirischen Handels im 15./16. Jahrhundert. Forschungen zur geschichtl. Landeskunde d. Stmk. 23, Graz 1966; ders.. Geadelte Kaufherren, in: BlfHk 44, 1970, S. 20ff.; ders.. Grazer Finanzleute und Fernhändler im 15/16. Jahrhundert, in: 850 Jahre Graz, Graz 1979, S. 147ff.; H. V a l e n t i n i t s c h , Bedeutende steirische Kaufmannsfamilien im Spätmittcl- alter und in der frühen Neuzeit, in: G. Schöpfer (Hrsg.), Menschen & Münzen & Märkte, Fohnsdorf 1989, S. 259ff. 2 O. P i c k l , Die bürgerlichen Vermögen steirischer Städte und Märkte im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Frühkapitalismus, in: Innerösterreich 1564-1619, Joannea Bd. 3, Graz 1968, S.371ff.; ders., Handel und Wandel am „Hofzaun des Reiches" um 1550. Beiträge zur Handels- und Wirtschaftsgeschichte von Leibnitz, Radkersburg und Pettau, in: ZHVSt., Sdbd. 16, 1968, S. 172ff.; d e r s . , Die wirtschaftliche Lage der Städte und Märkte der Steiermark im 16. Jahrhundert, in: W. Rausch (Hrsg.), Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, Linz 1980, S. 93ff. 3 F. Tremel, Der Handel der Stadt Judenburg im 16. Jahrhundert, in: ZHVSt 38 (1947), S. 103ff.; ders., Die oberdeutschen Kaufleute in der Steiermark im 15. und 16. Jahrhundert, in: ZHVSt 40 (1949). Vgl. dazu auch P. W. R o t h , Händler am Grazer Hof, 1570-1610, in: Johannes Kepler 1571-1971, Gedenkschrift der Universität Graz, Graz 1975, S. 587ff.; H. V a l e n t i n i t s c h , Italienische Unternehmer im Wirtschaftsleben der innerösterreichi- schen Länder 1550—1650, in: J. Schneider (Hrsg.), Wirtschaftskräfte und Wirtschaftszweige (=FSf. H. Kellenbenz), Bd. 1, Nürnberg 1979, S.695ff., und ders., Die Verpachtung von Handelsmonopolen durch den Landesfürsten in Innerösterreich. Von der Mitte des 15.Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: G. Schöpfer (Hrsg.), Menschen &Münzen & Märkte, Fohnsdorf 1989, S. 85ff. 143

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Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 82 (1991)

Vom Bauernsohn zum Großunternehmer Der Bürger zu Murau Georg Mayr (gestorben 1592) als Vieh- und Weinhändler

und als Geldverleiher

Von H e l f r i e d V a l e n t i n i t s c h

Im ausgehenden 15. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahr­hunderts nahmen in der Steiermark zahlreiche Kaufmannsfamilien, aber auch Einzelunternehmer, einen beachtlichen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg.1 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kapitalkraft des steirischen Bürgertums langfristig gesehen zurückging und die einheimischen Kaufleute durch das oberdeutsche und italienische Großkapital aus wichtigen Bereichen des Fernhan­dels verdrängt wurden. Die verschiedenen Ursachen für diese negative Entwicklung, die schließlich zur Verarmung von breiten bürgerlichen Schichten führte, sind bereits von Othmar Pickl2 und Ferdinand TremeP eingehend untersucht worden. Auch die obersteirische Stadt Murau blieb von den wirtschaftlichen Veränderungen des

1 Vgl. dazu mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben F. T r eme l , Der Frühkapita­lismus in Innerösterreich, Graz 1954; ders. . Der österreichische Kaufmann im 16. Jahrhundert, in: H. J. Mez l e r -Ande lbe rg (Hrsg.), FS f. Karl Eder, Innsbruck 1969, S. 119ff.; ders . . Das Handelsbuch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbler, 1526-1548. Beiträge zur Erforschung steir. Geschichtsquellen 47 (NR 15), Graz 1960; O. P ick l , Das älteste Geschäftsbuch Österreichs. Die Gewölberegister der Wiener Neustädter Firma Alexius Funck (1516 bis ca. 1538) und verwandtes Material zur Geschichte des steirischen Handels im 15./16. Jahrhundert. Forschungen zur geschichtl. Landeskunde d. Stmk. 23, Graz 1966; ders. . Geadelte Kaufherren, in: BlfHk 44, 1970, S. 20ff.; ders . . Grazer Finanzleute und Fernhändler im 15/16. Jahrhundert, in: 850 Jahre Graz, Graz 1979, S. 147ff.; H. Va l en t i n i t s ch , Bedeutende steirische Kaufmannsfamilien im Spätmittcl-alter und in der frühen Neuzeit, in: G. Schöpfer (Hrsg.), Menschen & Münzen & Märkte, Fohnsdorf 1989, S. 259ff.

2 O. P ick l , Die bürgerlichen Vermögen steirischer Städte und Märkte im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Frühkapitalismus, in: Innerösterreich 1564-1619, Joannea Bd. 3, Graz 1968, S. 371 ff.; ders. , Handel und Wandel am „Hofzaun des Reiches" um 1550. Beiträge zur Handels- und Wirtschaftsgeschichte von Leibnitz, Radkersburg und Pettau, in: ZHVSt., Sdbd. 16, 1968, S. 172ff.; ders. , Die wirtschaftliche Lage der Städte und Märkte der Steiermark im 16. Jahrhundert, in: W. Rausch (Hrsg.), Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, Linz 1980, S. 93 ff.

3 F. T r eme l , Der Handel der Stadt Judenburg im 16. Jahrhundert, in: ZHVSt 38 (1947), S. 103ff.; ders., Die oberdeutschen Kaufleute in der Steiermark im 15. und 16. Jahrhundert, in: ZHVSt 40 (1949). Vgl. dazu auch P. W. Ro t h , Händler am Grazer Hof, 1570-1610, in: Johannes Kepler 1571-1971, Gedenkschrift der Universität Graz, Graz 1975, S. 587ff.; H. Va l en t i n i t s ch , Italienische Unternehmer im Wirtschaftsleben der innerösterreichi­schen Länder 1550—1650, in: J. Schneider (Hrsg.), Wirtschaftskräfte und Wirtschaftszweige (=FSf. H. Kellenbenz), Bd. 1, Nürnberg 1979, S. 695 ff., und ders. , Die Verpachtung von Handelsmonopolen durch den Landesfürsten in Innerösterreich. Von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: G. Schöpfer (Hrsg.), Menschen & Münzen & Märkte, Fohnsdorf 1989, S. 85 ff.

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16. Jahrhunderts nicht verschont. Die Geschichte von Murau im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist schon in vielen Bereichen erforscht worden.4 Bei seinen Unter­suchungen über den Handel der Murauer Bürger hat sich F. Tremel5 besonders auf den Niedergang der Eisenausfuhr konzentriert und deshalb manche andere Verände­rungen nicht beachtet. Im vorliegenden Beitrag soll nun am Beispiel des in Murau ansässigen Bürgers Georg Mayr6 gezeigt werden, daß in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts trotz aller Schwierigkeiten ein einzelner steirischer Unternehmer sich den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen und innerhalb kurzer Zeit ein beträchtliches Vermögen erlangen konnte. Die Geschäfte des Murauer Handelsmannes sind auch deshalb interessant, weil er in einer Zeit lebte, in der in der Steiermark die religiösen und politischen Auseinandersetzungen zwischen dem katholischen Landesfürsten und den mehrheitlich protestantisch gesinnten Ständen noch nicht entschieden waren.

Bei seinem Tod im Jahr 1592 hinterließ Georg Mayr vier offenbar sehr sorgfältig geführte Geschäftsbücher, die nach einzelnen Sachbereichen geordnet waren. Am wichtigsten war das Schuldbuch, das alle verbrieften Forderungen Mayrs enthielt. Im sogenannten „Ochsenbuch" sowie in einem eigenen „Weinbuch" hatte der Unterneh­mer jene Ausstände vermerkt, die seinen Handel mit Schlachtvieh, Wein und anderen Lebensmitteln betrafen. Hingegen führte das „Gemeine" oder „Große Schuldbuch" nur kleinere, unverbriefte Schuldforderungen an. Leider sind die Geschäftsbücher nicht im Original erhalten geblieben. Die Grundlage für unseren Beitrag bilden daher das noch vorhandene Testament Mayrs,7 sein Nachlaßinventar8

und die Akten über die Erbschaftsverhandlungen. Diese Quellen ermöglichen einen Einblick in die Geschäftsbeziehungen, das Vermögen und die familiären Umstände des Murauer Bürgers. Gleichzeitig werden mit ihrer Hilfe die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der frühneuzeitlichen Gesellschaft des oberen Murtals deutlich. Diese auf einen relativ engen Raum begrenzte Gesellschaft zeichnete sich dadurch aus, daß hier Gewerken, Kaufleute, Handwerker und wohlhabende Bauern enge Verbindungen eingingen und sich die Grenzen zwischen den einzelnen Ständen bzw. sozialen Gruppen vermischten.

1. Die familiären und persönlichen Verhältnisse Georg Mayrs

Georg Mayr entstammte einer angesehenen und wohlhabenden Bauernfamilie, die im 16. Jahrhundert auf dem südwestlich von St. Lambrecht gelegenen sogenann­ten „Trattenhof" lebte. Das stattliche Anwesen existiert noch heute und zählt zweifellos zu den ältesten Höfen dieser Gegend. Nach der von dem Volkskundler Pater Romuald Pramberger verfaßten Hofgeschichte ist der Trattenhof seit dem

4 A. Mannich , Kurze Geschichte der Stadt Murau, Murau 1929; E Gas t e ige r 650 Jahre Stadt Murau, Murau 1949; I. Wo i se t sch l äge r -Mayer , Die Kunstdenkmäler des Gerichtsbezirkes Murau. Osterr. Kunsttopographie 35. Wien 1964; R Brodschi ld , Geschichtlicher Führer durch den Bezirk Murau, Judenburg 1971.

5 F. T r eme l . Die Niederlage der Stadt Murau 1490-1740, in: VSWG 36 (1943), S. 33ff.; ders. , Murau als Handelsplatz in der frühen Neuzeit, in: ZHVSt, Sdbd. 3 (1957), S. 56ff.

6 In der vorliegenden Literatur wird Georg Mayr überhaupt nicht oder nur am Rande erwähnt. 7 ^ " r a u„ 1 5 9 2 ' Testament des Georg Mayr, Stadtarchiv Murau im StLA, künftig „AM".

Seh. 122. H. 250, Teil b.

Das Nachlaßinventar Mayrs beruht auf dem bei seinem Tod aktuellen Stand der Geschäfts­bucher (Inventar).

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13. Jahrhundert nachweisbar!9 Im Mittelalter war er der Sitz von teilweise rittermäßi­gen Familien, die ein eigenes Wappen führten und dem Benediktinerstift St. Lambrecht in verschiedenen Funktionen dienten. Im 15. Jahrhundert gehörte der Hof zu den Besitzungen der Adelsfamilie Füler, doch lag seine Bewirtschaftung in den Händen eines Meiers. Im Jahr 1511 verkauften die Füler den Hof an das Stift St. Lambrecht. Zwei Jahre später verlieh der Abt den Hof dem bisherigen „Trattenhofmeier" Niklas Mayr und dessen Gattin Juliane zu Kaufrecht.10 Schon damals zählte die Viehzucht zu den wichtigsten Erwerbsquellen des Trattenhofs, da Niklas Mayr das Recht erhielt, 20 Stück Vieh auf die nahegelegene Kuhalm des Stifts zu treiben.

Nachdem Niklas Mayr 1533 gestorben war. führte seine Witwe eine Zeitlang den Hof allein weiter.11 Juliane Mayr war eine energische und streitbare Frau. Sie nahm sich in der Öffentlichkeit kein Blatt vor den Mund und scheute auch nicht vor einer offenen Konfrontation mit ihrer Herrschaft zurück, weshalb ihr der Hofrichter des Stifts sogar den Hof wegnehmen wollte. Ab 1534 ist ihr Sohn Jakob Mayr als Inhaber des Trattenhofs nachweisbar. Er wurde deshalb auch als „Mayr zu Hof" oder „Mayr vom Hof" bezeichnet. Jakob Mayr der Ältere und dessen erste Gattin Katharina waren die Eltern des späteren Murauer Handelsmannes Georg Mayr. Wann Georg Mayr geboren wurde, ist nicht bekannt, doch können wir sein Geburtsjahr zwischen 1535 und 1545 ansetzen. Das Paar besaß noch zwei weitere Söhne, Niklas und Jakob, und drei Töchter, Anna, Barbara und Margaretha. Jakob Mayr war recht unterneh­mend und geschäftstüchtig. Er erwarb im Markt St. Lambrecht ein Haus und eine Wiese, lieh dem Abt des Klosters Geld und errichtete 1562 in der Nähe seines Anwesens eine Säge. Im fortgeschrittenen Alter heiratete er ein zweites Mal. Aus dieser Verbindung stammte eine Tochter Kunigunde. die jedoch von den Kindern aus seiner ersten Ehe als unerwünschte Konkurrentin angesehen wurde.

Obwohl Jakob Mayr anscheinend erst 1569 starb, wird sein ältester Sohn Niklas schon seit dem Beginn der sechziger Jahre als Inhaber des Trattenhofs genannt. Nach dem Tod des alten Jakob Mayr erfolgte die Verteilung des Erbes unter seine sieben Kinder. Beim väterlichen Erbteil waren alle Kinder aus beiden Ehen zu gleichen Teilen erbberechtigt.12 Die Tochter aus der zweiten Ehe, Kunigunde, konnte jedoch beim mütterlichen Erbe nicht dieselben Ansprüche erheben wie ihre Halbgeschwi­ster. Niklas Mayr übernahm nun endgültig den Trattenhof. Der zweite Sohn, Georg, erhielt das Haus in St. Lambrecht und die dazugehörige Wiese. Nach dem letzten Willen des Vaters sollte der jüngste Sohn, Jakob, nicht nur sein Erbteil erhalten, sondern weiterhin am Trattenhof bleiben. Als Gegenleistung sollte er am Hof arbeiten, also seinem Bruder als Knecht dienen. Dies bedeutete, daß ein Konflikt zwischen den beiden Brüdern gleichsam vorprogrammiert war. Die Auszahlung der

v R. P r ambe rg e r . Haus- und Familiengeschichte der Gemeinde St. Lambrecht, Manu­skript 1933, fol. 343 ff. Das Original wird von der Gemeinde St. Lambrecht verwahrt. Hier wurde eine Kopie verwendet, die sich im Stmk. Landesarchiv in Graz befindet. Für verschiedene Hinweise bei der Lokalisierung einzelner Höfe hat der Verfasser Herrn LOAR Dr. Walter Brunner (Stmk. Landesarchiv) herzlich zu danken.

10 Ebd., fol. 351 ff. 11 Niklas und Juliane Mayr hatten nachweisbar acht Kinder: Jakob, Georg. Hans. Urban, Sofie,

Margaretha. Scholastika und Gertraud. 12 Allen Kindern des Jakob Mayr standen aus dem väterlichen Erbe je 70 fl. zu. Die sechs

Kinder aus seiner ersten Ehe bekamen zusätzlich aus ihrem mütterlichen Erbe noch je 69 fl., während ihre Halbschwester vom Erbteil ihrer Mutter nur 34 fl. erhielt (R. P r ambe rge r , a. a. O., fol. 354).

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weiblichen Erben bzw. die Verpflichtung, die noch ledigen Schwestern zu verheira­ten, stellte für Niklas Mayr ebenfalls eine erhebliche Belastung dar. Anna Mayr vermählte sich mit dem Bürger und Kaufmann zu Neumarkt Ruprecht Aineter. Ihre Schwester Margaretha ging mit dem in St. Lambrecht ansässigen Bürger und Handelsmann Adam Kalcher die Ehe ein. Bei Barbara Mayr können wir nur vermuten, daß ihr Gatte mit dem Bürger zu St. Lambrecht Elias Nitsch identisch war. Hingegen blieb die Halbschwester Kunigunde unverheiratet. Der Grund dafür dürfte wohl gewesen sein, daß sich der Hoferbe geweigert hatte, ihre Ausstattung zu übernehmen.

Mit Rücksicht auf die zahlreichen Erben wurde der Trattenhof samt Zubehör nur auf 450 fl. geschätzt. Offensichtlich wollte man durch diese geringe Bewertung die Abgaben reduzieren, die sonst beim Sterbefall an die Herrschaft zu entrichten waren. Sofort nach der Erbteilung traten zwischen den beiden am väterlichen Hof verbliebe­nen Brüdern Niklas und Jakob schwere Differenzen auf.13 Da Niklas Mayr damals zwar schon mehrere Töchter, aber keinen Sohn besaß, versuchte sein jüngerer Bruder, diese Situation für sich auszunutzen. Er bat die Herrschaft, ihm nach dem Tod des Niklas den Hof zu übergeben, damit dieser beim Mannesstamm der Familie Mayr bleiben würde. Die Grundobrigkeit lehnte aber sein Ansinnen mit der Begründung ab, daß die Töchter des älteren Bruders vollwertige Erben wären und sonst für die anderen Untertanen ein Präzedenzfall entstehen würde. Jakob Mayr wollte sich mit diesem Bescheid nicht zufriedengeben und legte Rekurs ein. Am 3. Oktober 1569 beschied jedoch das Gericht des Stiftes St. Lambrecht erneut seine Forderungen abschlägig. Es bestätigte Niklas Mayr als Inhaber des Trattenhofes und legte ihm lediglich auf, seinem Bruder Jakob materiell etwas entgegenzukommen.

Der Streit zwischen den beiden Brüdern fand erst 1573 ein Ende, als der jüngere Barbara, die Witwe des Bauern Andrä Lindner, geheiratet hatte und daher den Trattenhof verließ.14 Der Hof der Witwe, die aus ihrer ersten Ehe mehrere Kinder mitbrachte, führte die Bezeichnung „Unter der Linde" und lag im Amt Probst, das dem Stift St. Lambrecht gehörte. Jakob Mayr brachte 200 fl. in bar in die Ehe mit und verpflichtete sich vertraglich, mit diesem Betrag den Großteil der auf dem Hof liegenden Schulden abzuzahlen. Dafür ließ er sich für seine eigene Person und die Kinder, die er noch von seiner Frau erwartete, das Kauf recht zusichern. Der Vertrag wurde auch von seinem Bruder Niklas Mayr unterzeichnet. Vermutlich unterstützte er Jakob finanziell, um diesen endgültig loszuwerden.

Nach dem Abzug seines Bruders konnte sich Niklas Mayr endlich voll entfalten. Er war nun in der Umgebung von St. Lambrecht der angesehenste Bauer und fungierte deshalb öfters als Vormund von unmündigen Erben oder als Bürge. Außerdem verlieh er an andere Bauern auch kleinere Geldbeträge. Auffallend ist jedoch, daß er in den Quellen des Stiftes St. Lambrecht kein einziges Mal als Kirchenpropst oder als Amtmann erwähnt wird. Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß sich das Verhältnis Mayrs zu seiner Herrschaft allmählich verschlech­terte. Eine Erklärung dafür wäre, daß Niklas Mayr vielleicht dem Protestantismus zuneigte und damit den gegenreformatorischen Bestrebungen entgegenstand, die im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts auch im Bereich des Stiftes St. Lambrecht

R. P r ambe rge r , a. a. O., fol. 355ff. Gefäll- und Urkundcnprotokoll der Stiftsherrschaft St. Lambrecht 1504-1584. 2. Teil. Handschrift X-298b, fol. 186, Stmk. Landesarchiv (das Original der Handschrift befindet sich im Stiftsarchiv St. Lambrecht).

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einsetzten.15 Niklas Mayr starb im Jahr 1592 nur wenige Wochen nach dem Tod seines Bruders Georg. Von seiner Gattin ist nur der Vorname Katharina bekannt. Auch über seine Kinder existieren nur wenige Angaben. Von seiner Tochter Eva wissen wir aber, daß sie sich mit dem wohlhabenden Bauern Matthias Ackerl „In der Wiesen" vermählt hatte.

Zu den namentlich bekannten Verwandten des Georg Mayr zählten auch seine Tante Katharina Steiner und seine Vettern Valtan Mayr sowie Jakob und Jörg Schwarzenbacher. Die Tante, die offenbar ein hohes Alter erreichte, wurde gemeinsam mit ihrem ledigen Sohn Jakob von Georg Mayr erhalten. Valtan Mayr lebte als Wirt in Teufenbach. Er starb noch vor Georg Mayr und hinterließ einen Sohn namens Mert oder Martin. Jakob Schwarzenbacher wohnte in Unzmarkt, wo er einer nicht bekannten Tätigkeit nachging. Von seinem Bruder Jörg wissen wir nur, daß er um 1592 noch Lederergeselle war. Vermutlich war Jörg Schwarzenbacher aber mit dem 1595 in Murau nachweisbaren gleichnamigen Lederermeister identisch.16

Von den drei Söhnen des alten Jakob Mayr war der mittlere Sohn Georg am erfolgreichsten. Vermutlich hatte er bereits vor dem Tod des Vaters den Trattenhof verlassen, um sich im bürgerlichen Bereich eine eigene Existenz aufzubauen. Beim Streit zwischen seinen beiden Brüdern hatte er versucht, sich möglichst herauszuhal­ten. doch war er bis zu seinem Tod dem älteren Bruder Niklas besonders eng verbunden. Georg Mayr ließ sich in Murau als Handelsmann nieder und erhielt hier im Juni 1571 das Bürgerrecht.17 Es spricht einiges dafür, daß er in Murau Verwandte besaß, die ihm zumindest in der ersten Phase seiner unternehmerischen Laufbahn behilflich waren. So war z. B. 1565 ein gewisser Hans Mayr Ratsbürger in Murau.18 In den folgenden Jahren wird hier auch ein Bürger namens Sebald Mayr genannt. Ob Georg Mayr mit diesen Personen tatsächlich verwandt war, ist zwar ungewiß, doch handelte es sich bei ihnen vielleicht um Geschwister oder Vettern seines Vaters Jakob, die sich schon früher in Murau niedergelassen hatten.

Obwohl Georg Mayr bereits um 1572 in Murau über ansehnlichen Haus- und Grundbesitz19 verfügte und bis zu seinem Tod 21 Jahre lang in der Stadt lebte, übernahm er hier keine einzige öffentliche Funktion! Er wird deshalb in den Ratsprotokollen weder als Stadtrichter noch als Ratsbürger oder Viertelmeister genannt. Vielleicht legte er gar keinen besonderen Wert auf ein solches Amt, da er sich als Vieh- und Weinhändler oft auswärts aufhielt und eine öffentliche Funktion für ihn eine zeitliche und finanzielle Belastung bedeutet hätte. Wahrscheinlich war der

15 Unter Abt Johann Trattner (1562-1591) wurde das Stift St. Lambrecht im Sinn der katholischen Erneuerung reformiert, wobei der Landesfürst wiederholt eingriff. So erhielt der Abt Anweisung, keinen ..sektischen"" Hofrichtcr zu bestellen und den jeweiligen Inhaber dieses Amtes von der Regierung in Graz bestätigen zu lassen. Vgl. dazu O. W o n i s c h , Die Reformation in den Pfarren der Stiftsherrschaft St. Lambrecht. in: H. J. Mezler-Ande lbe rg (Hrsg.), FS Karl Eder zum 70. Geburtstag. Innsbruck 1959, S. 357ff., und B. F. P l ank . Das Stift St. Lambrecht und seine Pfarren im Spiegel der landesfürstlichen Visitationsprotokolle des 16. Jahrhunderts. Hausarbeit am Inst. f. Österr. Geschichts­forschung. Wien 1980.

16 Ratsprotokolle. AM Seh. 139, H. 288, Teil d. 17 Georg Mayr wurde gegen eine Gebühr von 5 fl. als Bürger der Stadt Murau aufgenommen

(Ratsprotokolle, AM Seh. 137. H. 286. Teil g, fol. 170). 18 Ratsprotokolle. AM Seh. 137. H. 286. Teil c. fol. 4. 19 Nach dem Rauchgeldanschlag von 1572 bis 1574 wurden in Murau insgesamt 169 Rauchfänge

gezählt. Das Haus Georg Mayrs am Freitagmarkt besaß zwei Rauchfänge, sein am Neumarkt gelegenes „Häusl" wies nur einen Rauchfang auf (Rauchgeld 1572-1574, Nr. 132, Murau Stadt, Stmk. Landesarchiv).

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soziale Aufsteiger bei seinen Mitbürgern nicht gerade beliebt. Die Ratsprotokolle der Stadt Murau für die Jahre 1571 bis 1592 sind nur teilweise erhalten geblieben und außerdem beschädigt. Die wenigen Aufzeichnungen, in denen Mayr genannt wird, zeigen jedoch, daß der Handelsmann wegen seines Lebenswandels und seiner Geschäftspraktiken in der Stadt zeitweilig auf beträchtlichen Widerstand stieß.

Im Jahre 1573, also nur zwei Jahre nach der Verleihung des Bürgerrechts, war Georg Mayr in Murau bereits in zwei Prozesse verwickelt. Eine gegen ihn von dem Bürger Oswald Rauscher eingebrachte Ehrenbeleidigungsklage war noch geradezu harmlos.20 Wesentlich schwerwiegender war die Klage des früheren Stadtrichters Thomas Dümtaler, dessen Tochter Apollonia Mayr angeblich die Ehe versprochen, aber dann nicht geheiratet hatte.21 Anscheinend hatte Mayr dem Vater der Frau auch finanzielle Zusagen gemacht oder war mit ihm geschäftlich verbunden. Dümtaler erklärte nämlich vor dem Stadtgericht, daß er wegen Mayr nicht nur in „Schand und Spott", sondern auch ins Gefängnis geraten wäre. Wie der Prozeß ausging, geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor, doch kam es vermutlich zu einem Vergleich.

Fünf Jahre später verstrickte sich Georg Mayr in eine Affaire, die in der kleinen Stadt Murau, in der jeder jeden kannte, zweifellos größtes Aufsehen erregte!22 Der damals bereits verheiratete Handelsmann wurde des Ehebruchs mit der ebenfalls verheirateten Apollonia Baumgartner überführt. Ob es sich um die gleiche Frau handelte, der Mayr seinerzeit die Ehe versprochen hatte, geht aus den Quellen nicht hervor. Die Familie Baumgartner, die zu den angesehensten Bürgergeschlechtern der Stadt Murau zählte, war in ihrer Ehre zutiefst getroffen und erreichte, daß Georg Mayr inhaftiert und vor das Stadtgericht gestellt wurde. Ursprünglich wollte das Gericht den Angeklagten zu einer Haftstrafe und zu einer öffentlich zu vollziehenden Leibesstrafe verurteilen. Die betrogene Gattin Mayrs erklärte jedoch, daß sie ihren Mann wieder bei sich aufnehmen wolle. Dank der Fürsprache seiner Frau und seiner Freunde ließ sich nun das Gericht herbei, das Urteil abzumildern. Mayr mußte deshalb nur acht Tage bei Wasser und Brot im Gefängnis absitzen und seiner Gattin in Gegenwart von sieben „ehrlichen" Männern öffentlich Abbitte leisten. Außerdem sollte von der Kanzel der Pfarrkirche vor der gesamten Gemeinde sein „sündiges Leben" verkündet werden.

Ob Mayr in den folgenden Jahren ein ruhigeres Leben führte, ist nicht bekannt. Ende 1585 stand er aber erneut vor dem Stadtgericht. Mayr hatte nämlich gemeinsam mit dem Murauer Bürger Mert Diewald heimlich Wein aus Judenburg und anderen Orten nach Murau gebracht, aber keine Gebühren bezahlt.23 Nachdem der Magistrat von diesen Praktiken erfahren hatte, verstärkte er die Bewachung der Stadttore und zitierte die beiden Männer vor das Gericht. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Position Mayrs in Murau schon so gefestigt, daß er lediglich die Kosten für die Torwächter übernehmen mußte. Hingegen wurde sein Partner Diewald zu einer zweiwöchigen Haftstrafe verurteilt.

Georg Mayr war zweimal verheiratet. Leider geben die Quellen keine Auskunft über die Mädchennamen der beiden Frauen und wann er mit ihnen die Ehe geschlossen hatte. Von seiner ersten Frau ist nur bekannt, daß sie mit Vornamen Barbara hieß.24 Vermutlich war sie bereits vor ihrer Ehe mit Georg Mayr mit einem

211 Ratsprotokolle, AM Seh. 137. H. 286. Teil h, fol. 17. 21 Ebd. fol. 10 ff. 22 Ratsprotokolle, AM Seh. 137, H. 286. Teil k, fol. 31 ff. 23 Ratsprotokolle, AM Seh. 137, H. 286. Teil 1, fol. 50. 24 Wie Anm. 7.

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Mitglied der Murauer Bürgerfamilie Baumgartner verheiratet gewesen. Für diese Annahme spricht, daß man Barbara Mayr in der Familiengruft der Baumgartner in der Murauer Stadtpfarrkirche beisetzte und Georg Mayr bei seinem Tod im Jahr 1592 einen damals bereits erwachsenen Stiefsohn namens Hans Baumgartner hinterließ. Wahrscheinlich war Barbara auch die Mutter der Stieftochter Mayrs, die Anna hieß und 1592 mit dem Murauer Goldschmied Rauscher verheiratet war. Nach dem Tod seiner ersten Gattin vermählte sich Georg Mayr mit einer gewissen Brigitta. Seine zweite Frau gehörte zweifellos einer reichen Gewerken- oder Bürgerfamilie an, da sie ein Heiratsgut von 1500 fl. in die Ehe mitbrachte. Brigitta Mayr hatte ihrem Gatten zwei Söhne geboren, die aber noch im Kindesalter gestorben waren. Zumindest im Alter verband die beiden Ehegatten ein herzliches Verhältnis. In seinem Testament äußerte Georg Mayr ausdrücklich seine Zufriedenheit mit Brigitta und hob hervor, daß diese ihm stets in allen Nöten beigestanden war. Ob das Verhältnis immer so ungetrübt war, ist allerdings ungewiß. Eine Bemerkung Mayrs vor seinem Tod über die „häufigen Sünden", die er begangen hatte, könnte nämlich in verschiedene Richtungen gedeutet werden.

Über das Aussehen des Murauer Handelsmannes besitzen wir keine Angaben, da kein Portrait von ihm überliefert ist. Wir wissen nur, daß er in seinen letzten Lebensjahren an einer langwierigen Krankheit zu leiden hatte. Unsere Quellen geben jedoch einige Hinweise auf seine Charaktereigenschaften. Besonders hervorstechend waren hier ein ausgeprägter Familiensinn sowie das Streben nach geordneten Verhältnissen, das schon an Pedanterie grenzte und mit Vorsicht und Mißtrauen gepaart war. Obwohl Georg Mayr im Hinblick auf sein Vermögen mit manchen adeligen Grundherren konkurrieren konnte, verkörperte er geradezu die für das Bürgertum charakteristischen Wertvorstellungen, weshalb er in seinem Testament wiederholt die Begriffe „ehrbar" und „redlich" verwendete.25

Wie viele andere steirische Bürger seiner Zeit war auch Georg Mayr ein gläubiger Protestant und berief sich deshalb in seiner letzten Verfügung nicht auf die Gottesmutter und die Heiligen, sondern allein auf die Dreifaltigkeit und die Verdienste Christi. Seine religiöse Haltung wurde einerseits durch ein unerschütter­liches Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes und andererseits durch eine gewisse Nüchternheit gekennzeichnet, die schon recht nahe an Geiz grenzte. So bestimmte er in seinem Testament für den geistlichen Bereich Geldbeträge, die im krassen Gegensatz zu den reichen, für seine Verwandten bestimmten Mitteln standen.

2. Geschäftsbeziehungen

Über die Anfänge des Georg Mayr als Unternehmer existieren fast keine Angaben, da die vorliegenden Quellen erst über die Jahre 1578 bis 1592 genauere Auskunft geben. Wir können deshalb nur vermuten, daß er als Sohn eines Bauern und Viehzüchters seine ersten geschäftlichen Erfahrungen im Viehhandel gesammelt hatte. Auffallend ist, daß Mayr offenbar von vornherein darauf verzichtete, sich wie andere Kaufleute im besonders einträglichen Handel mit hochwertigen Textilien und verschiedenen anderen Luxusgütern, wie z. B. mit Gewürzen, zu betätigen. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts spielte in Murau auch der Handel mit Salz, Speik,

25 Der selbstbewußte Unternehmer fühlte sich allerdings einem Adeligen gleichgestellt. Er betonte in der Einleitung seines Testaments, daß er dieses nach „den Freiheiten und Gebrauch des steirischen Landrechts" verfaßt hätte!

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Honig und Wachs eine größere Rolle.26 In den Aufzeichnungen Mayrs findet sich jedoch nicht der geringste Hinweis darauf, daß er sich in diesen Handelszweigen engagiert hätte.

Ab 1571 ist Mayr als Inhaber eines im unteren Rantental gelegenen Hammer­werks nachweisbar.27 Wir können daher vermuten, daß er sich in seinen ersten Jahren als selbständiger Unternehmer auf den Eisenhandel konzentrierte. Als Startkapital verwendete er zweifellos das ihm von seinen Eltern übertragene Erbteil. Später setzte er bei seinen Geschäften wohl auch das von seinen beiden Frauen als Heiratsgut eingebrachte Kapital gewinnbringend ein. Über den von Mayr betriebenen Eisen­handel ist nichts bekannt. In seinem Nachlaßinventar befand sich jedoch ohne Nennung des Ausstellungsdatums und des Orts ein alter Schuldbrief, der auf Karl Hochstetter lautete.28 Der Schuldbrief konnte noch zu Lebzeiten Mayrs nicht eingelöst werden, weil der Schuldner inzwischen gestorben war. Es spricht nun einiges dafür, daß es sich hier um ein Mitglied der bekannten Augsburger Firma Höchstätter handelte, die bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts im ostalpinen Montanwesen eine bedeutende Rolle gespielt hatte.

Im späten 15. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts warder Eisenhandel der Murauer Bürger überwiegend nach Süddeutschland ausgerichtet. Der Zusammenbruch der großen Augsburger Handelshäuser in den sechziger und siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts führte jedoch zu einem starken Rückgang dieses Handelszweiges, der auch durch einen verstärkten Export nach Südtirol nicht ausgeglichen werden konnte.29 Mayr zog sich deshalb weitgehend oder sogar völlig aus dem Eisenhandel zurück, obwohl er erst 1591 sein Hammerwerk verkaufte. Zunächst verlegte sich Mayr auf den Handel mit Schlachtvieh und Wein. Seit dem Beginn der achtziger Jahre betätigte er sich aber zunehmend im Geldverleih, der schließlich bei seinem Tod im Jahre 1592 den größten Teil seiner Geschäfte einnahm.

Welche zentrale Rolle das Geldgeschäft bei der Vermögensbildung des Georg Mayr gespielt hatte, wird daraus ersichtlich, daß sich im Jahre 1592 sein geschätztes Gesamtvermögen auf 31.066 fl. belief, seine Forderungen aus dem Geldverleih aber insgesamt 22.452 fl. betrugen.30 Dies bedeutet, daß die Ausstände aus dem Kreditgeschäft rund 72 Prozent seines Gesamtvermögens ausmachten! Von den Geldforderungen Mayrs entfielen 20.105 fl. auf 97 Schuldbriefe.31 Die unverbrieften Schulden umfaßten 82 Einzelposten mit 2.184 fl.32 Dazu kamen noch 73 fl., die der Unternehmer 21 Personen geliehen und nur mit Kreide auf einer Tafel vermerkt hatte.33 Der älteste ausgestellte, aber 1592 noch nicht eingelöste Schuldbrief stammt aus dem Jahr 1578, als Mayr in Murau einem gewissen Lorenz Schneider 23 fl. zur Verfügung gestellt hatte.34

Wir wissen allerdings nicht, wieviel Geld Georg Mayr jährlich verliehen und davon wieder bis zu seinem Tod zurückerhalten hatte. Die folgenden Angaben

26 Vgl. dazu F. T r eme l . Murau als Handelsplatz, a. a. O., S. 69ff. 27 G. Mayr besaß 1571-1591 den sog. „Grübl'"-Hammer an der Straße von Murau nach Ranten

(I. Wo i se t s ch l äge r -Maye r . a. a. O., S. 460). 28 Inventar des Georg Mayr im AM. künftig „Inventar", fol. 26. 29 Wie Anm. 26, S. 62ff. M Inventar fol. 68. 31 Ebd., fol. 29. 32 Ebd., fol. 61. 33 Ebd., fol. 65. 3" Ebd., fol. 24.

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beziehen sich daher zunächst nur auf jene verbrieften Geldforderungen, die 1592 noch offen waren. Trotz dieser Einschränkungen wird aus der zeitlichen Verteilung der Schuldbriefe deutlich, wie rasch sich das Kreditgeschäft entwickelt hatte.

Bei der geographischen Verteilung der Schuldner fällt auf, daß sich Mayr von Anfang an so sehr auf die engere Umgebung von Murau und den Lungau konzentriert hatte, daß er schließlich beim Geldgeschäft in dieser Region eine geradezu beherrschende Stellung einnahm! Gleichzeitig wird deutlich, daß Mayr bestrebt war, sein Risiko möglichst gering zu halten und sich vor der Vergabe eines Darlehens genau über die wirtschaftliche Situation des Schuldners informierte. Hingegen ließ er sich auf auswärtige und damit auch mit einem größeren Risiko verbundene Geldgeschäfte offenbar nur dann ein, wenn er keine andere Möglichkeit sah, um seine aus anderen Bereichen stammenden Forderungen sicherzustellen. In der Obersteiermark lebten deshalb nur zwei Schuldner in Neumarkt und Obdach und daher bereits am Rand der von Mayr kontrollierten Region. In der übrigen Steiermark werden nur mehr Leoben und Ratschendorf bei Mureck sicher als Wohnorte von Schuldnern genannt! Dafür hatte Mayr in Tirol große Ausstände zu verzeichnen. Bei den Tiroler Geschäftspartnern, die in Schwaz, Innichen und Bruneck seßhaft waren, handelte es sich um Viehhändler und Kaufleute, mit denen der Murauer Unternehmer im Schlachtochsen- und Weinhandel verbunden war.33

Bei der Zugehörigkeit der einzelnen Schuldner zu einer bestimmten sozialen Schicht fällt auf. daß bei den im Nachlaßinventar angeführten Geldforderungen nur drei weltliche Grundherren genannt werden. Es sind diese Ernst Graf zu Ortenburg. Otto von Liechtenstein und Hans Freiherr von Welzer.36 Die Ausstände der beiden ersteren waren mit 180 bzw. 273 fl.37 für einen Grundherren sehr gering. Der Freiherr von Welzer, der das bei St. Peter am Kammersberg gelegene Schloß Feistritz besaß, schuldete dem Murauer Handelsmann sogar nur 45 fl.38 Auffällig ist auch, daß sich unter den steirischen Kreditnehmern keine geistlichen Herrschaften und katholischen Priester befanden. Die Ursachen dafür sind vielleicht darin zu suchen, daß Mayr Protestant war. Dafür waren zwei evangelische Geistliche und ein Schulmeister bei ihm verschuldet. In Murau war dies der Schulmeister Magister Wolfgang Ponsold, in Schöder der Stolpredikant Josef und in Leoben der Schulmeister Andrä Reichard.39

Von Ponsold ist bekannt, daß er in Murau den nachmaligen berühmten Reiseschrift­steller und Topographen Martin Zeiller unterrichtet hatte.40

Eine wesentlich größere Rolle als Kreditgeber spielte Mayr jedoch bei den Bewohnern der im Lungau und im obersteirischen Murtal gelegenen Städte und Märkte. Ob alle Schuldner hier auch das Bürgerrecht besaßen, geht aus dem Inventar nicht eindeutig hervor. Am stärksten war der Einfluß Mayrs in seinem Wohnort Murau, wo er an insgesamt 26 Personen Geldforderungen zu richten hatte. Bei den

35 Seit dem Jahr 1589 schuldete z. B. Martin Prey aus Innichen dem Georg Mayr 42 fl. Wolf Spindlegger aus Schwaz war 300 fl. schuldig (Inventar, fol. 28f.).

16 Auffällig ist, daß in den hier verwendeten Quellen keine direkten Beziehungen Georg Mayrs zur langjährigen Besitzerin der Herrschaft Murau. Anna Neumann, erwähnt werden. Zu den Ehen der Anna Neumann siehe W. Wie land , Anna Neumannin von Wasserleonburg. Die Herrin von Murau, Judenburg 1986.

37 Inventar, fol. 20. 38 Ebd., fol. 23. 39 Ebd., fol. 27. 40 Ponsold stammte aus Sachsen und unterrichtete von 1597 bis 1600 in der Pfarrschule Murau

den jungen Martin Zeiller. Vgl. dazu W. B runne r , Martin Zeiller 1589-1661. Ein Gelehrtenleben. Styriaca NR (hrsg. v. G. Pferschy), Bd. 4, Graz 19902. S. 43.

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verbrieften Schulden treten Angehörige von anderen in Murau lebenden Gewerken-und Kaufmannsfamilien nur vereinzelt in Erscheinung. Eine Ausnahme ist hier der mit Mayr geschäftlich eng verbundene Gewerke Leonhard Pistrich (auch Püsterich), der mit Ausständen von 1350 fl. sogar an der Spitze aller Kreditnehmer stand!41 Die übrigen in Murau ansässigen Schuldner waren Handwerker. Unter ihnen befanden sich nicht nur je ein Bierbrauer, Goldschmied, Bäcker, Müller, Tischler, Weber und Schlosser, sondern auch acht Handwerksmeister, die als Fleischhauer, Schuster, Lederer, Gürtler und Kürschner mit dem Schlachtvieh- und Häutehandel in Verbindung standen. Im Vergleich zu Murau waren in den übrigen steirischen und Salzburger Märkten nur wenige Bürger bei Mayr verschuldet. In Tamsweg waren es fünf Personen. In St. Michael im Lungau lebten drei, in Mauterndorf, Obdach und St. Lambrecht sogar nur mehr je ein Kreditnehmer.

Die meisten Schuldner des Georg Mayr waren daher Bauern sowie Gastwirte, die im ländlichen Bereich lebten. Bei den verbrieften Schulden dieser Personengrup­pen standen Georg Pichler und dessen Frau zu Infritzdorf mit 568 fl. an erster Stelle.42

Es folgten dann 10 Schuldner mit Summen zwischen 201 und 300 fl., 16 mit 101 bis 200 fl. und schließlich 12 mit 49 bis 100 fl. Lediglich bei den unverbrieften und bei den auf Wandtafeln festgehaltenen Schulden lagen die Forderungen Mayrs deutlich unter 50 fl. Zu den von Mayr finanziell abhängigen Personen zählten neben dem Überreiter Hans Mayr auch Angehörige von Unterschichten, wie der Weinheber Christian Koller und der Forstknecht Gori Possauer.

Da die Rückzahlung vieler Kredite mit einem großen Risiko verbunden war, versuchte Mayr, sich dadurch abzusichern, daß er oft beide Ehegatten in den Schuldbrief aufnahm. Bei einem Bauern verlangte er auch einmal das Kaufrecht als Sicherstellung. Bei der Eintreibung seiner Ausstände wandte Mayr verschiedene Methoden an und ging gelegentlich auch Kompromisse ein. Wie flexibel er in einzelnen Fällen sein konnte, zeigt sein Verhalten gegenüber seinem Hauptschuld­ner, dem bereits oben genannten Murauer Bürger Leonhard Pistrich. Dieser besaß in der Nähe von Murau ein Hammerwerk, war aber spätestens um 1590 in so große finanzielle Schwierigkeiten geraten, daß er bei Mayr Rückhalt suchen mußte. Angesichts der schlechten Eisenkonjunktur zeigte der Gläubiger aber kein Interesse, die Hand auf den Besitz des Gewerken zu legen. Es erschien ihm vielmehr günstiger, die offensichtlichen Fähigkeiten seines Schuldners zu nutzen und Pistrich ohne Lohn als „Diener" einen Teil seiner Geschäfte zu übertragen.

Auch bei den Gastwirten und Bauern ging Mayr sehr unterschiedlich vor. Bei einigen Schuldnern verlangte er für die Zinsen kein Bargeld, sondern Naturalien in Form von Schmalz, Roggen, Weizen und Heu.43 Die Lebensmittel verwendete er wahrscheinlich hauptsächlich zur Belieferung des Bergwerks Ramingstein im Lungau.44 Das Heu wieder konnte er beim Viehtrieb nach Tirol verwenden. Bei

41 Inventar, fol. 6.

42 Mar^hTÄ1 '1" SC,mdn n e f ^ T ^ a u f 7°° " ' V o n d l e s e r S u m m e bezahlten Georg und J A - nro tlTfl Z U r U ? ' W 6 S h a l b 1 5 9 2 n o c h 4 0° "• s o w i e d l e Zln*en von Ichs Jahren - pro Jahr 28 fl. - ausstandig waren (Inventar, fol 7)

43 Fm2pSf?,nHldf h T B e T e ' de.r W i r t R u p T a f e r n e r i n d e r K r a k a « "°ch 70 Pfund Schmalz. Ein Pfund Schmalz wurde mit 5 kr berechnet (Inventar, fol 15) 44 Zum Silberbergbau in Ramingstein vgl. F. G r ube ' r /K . -H Ludwig Salzburg

Bcrgbaugeschichte, Salzburg-München 1982, S. 36 und 51 f ; W Brunne r Die Ramingsteiner Bergordnung von 1459, in: MGSL 116 (1976), S. 255 ff und F X Str aus M G S L 1 " 6 7 ) ! S S Z T E d e l r a e t a l l b e r g b - e s um dieM.tte des 16 Jahrhunderts in:'

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vielen anderen Schuldnern beschritt jedoch der Murauer Handelsmann ungerührt den Gerichtsweg, wobei er sich auf die Hilfe der jeweiligen Obrigkeit stützte. Aus seinem Nachlaßinventar geht hervor, daß er von einem einzigen Gerichtsdiener 41 säumige Zahler, davon 14 sogar ein zweites Mal, vor Gericht zitieren ließ! Außerdem hatte Mayr im Jahr 1592 für verschiedene Gebühren, die bei der Vorladung der Schuldner anfielen, 16 fl. zu zahlen. Mayr wußte auch, wie er sich für die Unterstützung der weltlichen Obrigkeit bei der Eintreibung der Schulden erkenntlich zeigen konnte. So verehrte er dem Verwalter der Herrschaft Moosham ein paar Ochsen im Wert von 40 fl., der Kastner des Salzburger Domkapitels in Tamsweg erhielt 14 fl. und der Landrichter im Lungau, Christoph Kuchelmeister, 15 fl.45

Im Spätmittelalter und in der Neuzeit war der steirische Weinexport wegen der Konkurrenz der Weine aus Westungarn, Niederösterreich und Friaul hauptsächlich auf das östliche Kärnten und auf den Lungau ausgerichtet, weshalb die Bürger der Stadt Murau eine Vermittlerrolle spielten.46 Der Weinhandel bildete daher bei den Geschäften Mayrs den zweiten Schwerpunkt! Das bei seinem Tod hinterlassene sogenannte Weinbuch führte 84 Positionen mit Ausständen von insgesamt 5917 fl. an, die 19 % des geschätzten Gesamtvermögens entsprachen.47 Allein bei 68 Positionen lagen die Schuldforderungen Mayrs für bereits gelieferten Wein über 10 fl. Am höchsten verschuldet war jedoch Jakob Kern zu Mauterndorf mit 444 fl. Es folgten dann Andrä Khinspögel in der Krakau mit 409 fl., Mert Purger zu Seetal (382 fl.) und Georg Hofer zu St. Georgen ob Murau (348 fl.)

Das Hauptkontingent der von Mayr vertriebenen Weine stammte zweifellos aus der Untersteiermark, doch kann der Handel mit Wein aus der mittleren bzw. westlichen Steiermark nicht ausgeschlossen werden. Seine Hauptlieferanten waren der Kaufmann Christoph Tueller und Michael Freiherr von Wechsler in Radkersburg. Der Letztere entstammte einer alten Radkersburger Kaufmannsfamilie, die erst in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den Adelsstand erhoben worden war und um 1600 neben einem Freihaus in Radkersburg auch mehrere untersteirische Grundherrschaften besaß. Außer steirischen Weinsorten führte Mayr in kleineren Mengen auch Wein aus Südtirol (den sogenannten „Etschwein"). Hier ist nur Valentin Hettner aus Welsberg im Pustertal als Lieferant des Murauer Handels­mannes bekannt. Die Erwähnung des Handels mit „Etschwein" ist deshalb besonders bemerkenswert, weil Ferdinand Tremel erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts in Murau Südtiroler Weine als Handelsware nachweisen konnte.48

Wie der steirische Wein nach Murau gelangte, geht aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Im 16. Jahrhundert wurde jedoch der untersteirische Wein von Radkersburg als Gegenfracht für das Ausseer Steinsalz entweder mit Schiffen auf der Mur oder von Säumern über das steirisch-kärntnerische Randgebirge ins Oberland gebracht. Für eine Bevorzugung des Landweges spricht, daß Mayr enge Kontakte zu weststeirischen Unternehmern besaß und sich unter seinen Schuldnern auch mehrere Säumer befanden.

45 Inventar, fol. 76ff. Zu den einzelnen Herrschaften im Lungau vgl. V. Ha t h eye r , Topographie und Entwicklung des Marktes Tamsweg, in: MGSL 76 (1936), S. 164ff., und E. K l ebe l . Der Lungau. Salzburg 1960, S. 51 ff.

46 Vgl. dazu H. Va l en t i n i t s ch , Der steirische Weinhandel vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert, in: Weinkultur (hrsg. v. Kulturreferat d. Stmk. Landesregierung), Graz 1990, S. 221 ff.

47 Inventar, fol. 48. 48 F. T r eme l , Murau als Handelsplatz, a. a. O , S. 71.

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Unter den Personen, die Mayr mit Wein belieferte, sind mit Ausnahme von katholischen Geistlichen die Angehörigen aller Stände vertreten.49 Bei den geist­lichen Grundherrschaften, wie z. B. beim Stift St. Lambrecht oder dem Salzburger Domkapitel, ist es nicht verwunderlich, daß sie unter den Kunden Mayrs nicht aufschienen, da die Stifte im steirischen Unterland bzw. in Südtirol über eigene Weingärten verfügten und sich selbst versorgen konnten. Bei den anderen sozialen Schichten bestanden jedoch große Unterschiede. Die prominentesten Weinabnehmer Mayrs waren Seifried Freiherr von Moosheim, der Landrichter im Lungau Christoph Kuchelmeister und der Pfleger zu Tamsweg Jocher. Die Ursachen für den geringen Anteil der weltlichen Führungsschichten am Kundenkreis Mayrs liegen wohl darin, daß der Adel und die Herrschaftsverwalter bessere und teurere Weinsorten bevorzug­ten als sie der Murauer Handelsmann zu bieten hatte. Der von Mayr vertriebene Wein war daher hauptsächlich für Bürger, Wirte, Bauern und Bergarbeiter bestimmt. Zur ersten Gruppe zählten die Bürger von Murau, Unzmarkt, Niederwölz, Tamsweg, Mauterndorf und St. Michael im Lungau. In Murau belieferte Mayr neben den in der Stadt ansässigen Wirten auch die Gewerkenfamilien Trapp und Diewald sowie mehrere Handwerker, die den Wein wohl nur für ihren Eigenbedarf benötigten. Ein Hinweis auf einen Abnehmer in Ramingstein im Lungau läßt den Schluß zu, daß die hier lebenden Bergarbeiter ebenfalls den Wein Mayrs tranken.

Die meisten Kunden des Murauer Unternehmers waren jedoch Bauern sowie Säumer und die im ländlichen Bereich ansässigen Wirte. Bei den Bauern kann nicht konkret festgestellt werden, ob sie den Wein für sich selbst verwendeten oder weiterverkauften. Bei allen diesen Personengruppen war aber das Netz der Ab­nehmer so dicht und nach außen derart abgeschlossen, daß wir in der von Mayr mit Wein belieferten Region geradezu von einem Handelsmonopol sprechen können! Im Erzbistum Salzburg umfaßte sein Einzugsgebiet den gesamten Lungau. Südlich des Katschberges. also schon in Kärnten, waren nur in Rennweg und Kremsbrücke je ein Abnehmer seßhaft. Dies bedeutet, daß Mayr hier bereits auf die Konkurrenz von anderen Weinhändlern stieß. In der Steiermark konzentrierte er sich beim Wein­handel auf Murau und die Nebentäler des oberen Murtals. Im Norden wurde sein Einflußbereich von den Niederen Tauern, im Osten von der Linie Katsch-Scheifling -Zeutschach und im Süden von der Kärntner Grenze abgeschlossen. Außerhalb dieses Gebiets lebten nur vereinzelte Kunden, wie z. B. Ruprecht Gmündl in der Sölk und der Wirt zu Hohentauem, Christian Schaiperger. Auffallend ist hier, daß die meisten Abnehmer Mayrs in Orten wohnten, von denen Paßwege ihren Ausgang nahmen.50 In diesem Zusammenhang ist der in Schöder ansässige Säumer Gregor Veldmair besonders hervorzuheben, der sich offenbar auch im Weinhandel betä­tigte.51

Der dritte Schwerpunkt bei den Geschäften Mayrs lag schließlich auf dem Handel mit Schlachtvieh und mit anderen Lebensmitteln, wie Getreide und Schmalz. Die im sogenannten „Ochsenbuch" verzeichneten Forderungen des Murauer Unternehmers aus diesen Handelszweigen beliefen sich auf insgesamt 2442 fl.52 Beim

49 Inventar, fol. 34-48. 50 Vgl. dazu F. T r eme l , Steirische Miszellen aus den Publikationen der Tauschvereinc, in:

ZHVSt. 42 (1951). S. 164 ff., und H. Klein, Der Saumhandel über die Tauern, in: Beiträge zur Siedlungs-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte von Salzburg (FS z. 65. Geburtstag von IL Klein). MGSL Ergänzungsband 5, S. 427ff.

51 Inventar, fol. 36. 52 Ebd., fol. 33.

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Viehhandel stützte sich Mayr auf die blühende Rinderzucht, die in den Seitentälern des oberen Murtals, um St. Lambrecht und im steirisch-kärntnerischen Grenzgebiet betrieben wurde.53 Kontakte Mayrs zu den Viehzüchtern im Enns- und Paltental lassen sich zwar nicht nachweisen, sind aber wahrscheinlich. Vermutlich kaufte Mayr nur einen geringen Teil der von ihm benötigten Schlachtochsen auf dem traditionellen Rindermarkt in Murau ein und trat in der Umgebung der Stadt auch selbst als Aufkäufer in Erscheinung. Seine Hauptlieferanten waren jedoch Maximilian Pasler aus St. Peter ob Judenburg und Oswald Schittner am Riednegg (Rinegg im Rantental), denen er bei seinem Tod noch 100 bzw. 92 fl. für gelieferte Rinder schuldete.54 Gelegentlich handelte Mayr auch mit Schweinen, die er aus der Umgebung von Lieboch in der Weststeiermark bezog.

Beim Viehhandel profitierte Mayr hauptsächlich vom enormen Fleischbedarf der Tiroler und Salzburger Bergwerke, der seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Inland nicht mehr gedeckt werden konnte.55 Die Ausfuhr nach Westen war allerdings mit großen Schwierigkeiten verbunden. Nachdem Erzherzog Ferdinand von Tirol im Jahr 1564 bei seinem Bruder Erzherzog Karl von Innerösterreich den freien Viehtrieb nach Tirol durchgesetzt hatte, trieben die ausländischen Aufkäufer in der Steiermark die Fleischpreise derart hoch, daß es zu Verknappungserscheinungen kam und die Versorgung des für die steirische Wirtschaft lebenswichtigen Eisen- und Salzwesens gefährdet erschien. Der innerösterreichische Landesfürst verhängte deshalb im Jahr 1569 in Absprache mit der steirischen Landschaft ein Ausfuhrverbot, das in den folgenden Jahren nur gelegentlich gelockert wurde. Ähnliche Exportsperren, wie z. B. im Jahr 1587, ergingen auch für den Export in das Erzbistum Salzburg, das allerdings nur im Lungau auf die Fleischversorgung aus der Steiermark angewiesen war.56 Die Folge dieser restriktiven Maßnahmen war, daß Erzherzog Ferdinand von Tirol zwischen 1570 und 1590 vom Grazer Hof nur Ausfuhrgenehmigungen für insgesamt 540 Ochsen und 700 Schafe erhielt.57 In den von der Grazer Hofkammer für die Tiroler Viehhändler ausgestellten Paßbriefen wird Georg Mayr zwar nicht erwähnt, doch spielte er beim Export nach Tirol und Salzburg wohl eine entschei­dende Rolle! Die wichtigsten Abnehmer Mayrs waren nämlich mehrere Tiroler Großhändler und Fleischhauer, die ihrerseits den Innsbrucker Hof und die Tiroler

53 F. T r eme l , Zur Geschichte des Viehhandels aus Steiermark nach Tirol, in: F. Posch (Hrsg.), Siedlung, Wirtschaft und Kultur im Ostalpenraum. FS z. 70. Geburtstag v. Fritz Popelka (= Veröffentl. d. Stmk. Landesarchives 2), Graz 1960. S. 95ff., und ders. , Innerösterreich und die Lebensmittelversorgung der salzburgischen Bergbaue in der frühen Neuzeit, in: Bericht über den 6. österr. Historikertag in Salzburg (= Veröffentl. d. Verbandes Österr. Geschichtsvereine 14), 1961, S. 120 ff. Vgl. dazu auch O. P ick l , Arbeitskräfte und Viehbesatz sowie Vermögensverhältnisse steiermärkischer Bauernhöfe im 16. Jahrhundert. in: I. Bog u. a., Wirtschaftliche und soziale Strukturen im saekularen Wandel (= FS für Wilhelm Abel z. 70. Geburtstag), Bd. 1, Hannover 1974, S. 143 ff.

54 Die Verwandten des Georg Mayr traten ebenfalls wiederholt als Lieferanten von Schlacht­vieh auf. So schuldete der Murauer Unternehmer im Jahr 1592 dem Gatten seiner Nichte Eva, Matthias Ackerl, für bereits gelieferte Ochsen noch 60 fl. (Inventar, fol. 70f.).

55 Wie Anm. 53. Über den Anstieg der Fleischpreise in Tirol siehe auch O. S to lz . Geschichte des Zollwesens, Verkehrs und Handels in Tirol und Vorarlberg von den Anfängen bis ins XX. Jahrhundert. Schlern-Schriften 198, Innsbruck 1953, S. 220, sowie R. Pa lme , Frühe Neuzeit, in: J. Fontana u. a. (Hrsg.), Geschichte des Landes Tirol. Bd. 2, Bozen-Innsbruck -Wien 1988, S. 117.

56 F. T r eme l , Innerösterreich und die Lebensmittelversorgung, a. a. O., S. 124. 57 Um 1591/92 gelang es Erzherzog Ferdinand von Tirol, beim Grazer Hof eine Lockerung der

Viehausfuhr zu erreichen (I. Ö. Hofkammer im StLA 1591-111-85, 1591-IV-21, 1591-VII-ll, 1592-IX-ll, 1592-XI-15, 1592-XII-14).

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Bergarbeiter mit Fleisch versorgten. Von den Tiroler Kunden Mayrs sind folgende Fleischhauer namentlich bekannt: Achaz Prernlacher, Karl Jändl und Balthasar Püchler in Innsbruck, Matthias Schwallers und Anna Saliters Erben in Hall, Georg Mesner zu Schwaz, Georg Rerspacher in Rattenberg und Andrä Hannold in Welsberg im Pustertal.58 Die größten Ausstände waren bei Karl Jändl zu verzeichnen, der Mayr im Jahr 1592 808 fl. schuldig war. Der Einnehmer an der Kremsbrücke, Zacharias Aschauer, war ebenfalls am Viehhandel beteiligt, da er Mayr 1592 für einen Ochsen noch 18 fl. zu zahlen hatte. Die übrigen Schlachtochsen dienten, ebenso wie das Getreide und das Schmalz, hauptsächlich zur Versorgung des Bergwerks Ramingstein im Lungau.

Über die Wege, auf denen Mayr das Schlachtvieh exportierte, existieren nur wenige Angaben. Aus seinem Nachlaßinventar können wir aber schließen, daß ein Teil der für Tirol bestimmten Rinder über den Katschberg und das Pustertal seine Bestimmungsorte erreichte.59 Hingegen erfolgte der Export in den Lungau auf der Murtalstraße bzw. auf der Straße über Seetal an der steirisch-salzburgischen Grenze. Der Viehtrieb nach Tirol nahm einen längeren Zeitraum in Anspruch und erforderte neben einem beachtlichen Organisationstalent auch die Zusammenarbeit mit den Grundherrschaften, die entlang der Routen begütert waren. Der Viehexport erfolgte im Auftrag Mayrs durch Personen, die in diesem Bereich „professionell" tätig waren. Im Nachlaß Mayrs wird daher einmal ausdrücklich auch ein Ochsentreiber aus Seebach bei Ranten genannt.

Wieviel Schlachtvieh Mayr jährlich exportierte, geht leider aus den vorliegenden Quellen nicht hervor. Wenn wir aber davon ausgehen, daß er die bewilligten Ausfuhrkontingente gelegentlich überschritt, so waren es in guten Jahren wohl mehrere hundert Haupt Vieh. Der Viehhandel des Murauer Unternehmers erreichte aber bei weitem nicht jene Dimensionen wie der Transithandel mit ungarischen Schlachtochsen nach Venedig. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verlief der ungarische Viehexport zum Großteil über Innerösterreich auf der sogenannten Laibacher Straße und geriet ab 1572, wie Othmar Pickl in zahlreichen Untersuchun­gen nachgewiesen hat, zum Nachteil der steirischen Bürger in die Hände von italienischen Großhändlern.60 Trotz wiederholter Verbote gelangten neben den ungarischen Rindern aus den innerösterreichischen Ländern auch die sogenannten „Landochsen" nach Italien. Ob und in welchem Umfang sich Georg Mayr am Rinderexport nach Italien beteiligte, ist ungewiß. Im Jahr 1587 wurde aber Erzherzog Karl II. von Innerösterreich von einem unbekannten Informanten darüber unterrich-

58 Inventar, fol. 30ff 59

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Zu den einzelnen Handelswegen siehe H. Hass inge r . Geschichte des Zollwesens, Handels und Verkehrs in den östlichen Alpenländern vom Spätmittelalter bis in die 2 Hälfte des 18. Jahrhunderts (= Deutsche Handelsakten des Mittelalters u. der Neuzeit 16) ( - Deutsche Zolltarife des Mittelalters u. der Neuzeit, Teil 5), Bd. 1., Regionaler Teil -Hälfte 1, Stuttgart 1987. In der genannten Darstellung wird Georg Mayr nicht erwähnt. ? „P 'u k l ; ,De,r, •"Dreiß 'gs t i m Windischland". Organisation und Ertrag des ungarischen Außenhandelszolls in Oberslawonien im 16. Jahrhundert, in: ZHVSt. Sdbd 18 (1971)

i5,5ff-; d e r ,S / ' D i e A u s w i r k u ngen der Türkenkriege auf den Handel zwischen Ungarn und Italien im 16. Jahrhundert, in: O. Pickl (Hrsg.). Die wirtschaftlichen Auswirkungen Sil c m/ I C 8 ,E ( = " F o r s c h u n g e n z ur Wirtschafts- und Sozialgeschichtc 1), Graz

l' u; L V L ,s;- R o u t e n - Umfang und Organisation des innereuropäischen Handels mit Schlachtvieh im 16. Jahrhundert, in: A. Novotny /O . Pickl (Hrsg.). FS Hermann Wiesflecker zum 60. Geburtstag, Graz 1973, S. 143ff.; ders., Der Viehhandel von Ungarn nach Obentalien vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, in: E. Wes te rmann (Hrsg) Internationaler Ochsenhandel (1350-1750) (« Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte 9). 1979.

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tet, daß Mayr jährlich in der Ober- und Untersteiermark, besonders aber in der Umgebung von Murau, zahlreiche Schlachtochsen aufkaufte und dann über das Etschtal und Trient nach Italien abtreiben ließ.61 Der Landesfürst beauftragte deshalb die Grazer Zentralbehörden, entsprechende Nachforschungen anzustellen, die aber anscheinend ohne konkretes Ergebnis blieben.

Beim Handel mit Häuten, der ebenfalls mit dem Schlachtochsenhandel in Verbindung stand, beschränkte sich Mayr anscheinend auf die Belieferung der in Murau ansässigen Handwerker, die diesen Handelsartikel weiterverarbeiteten. Das Schmalz und teilweise auch das Getreide erhielt Mayr von den bei ihm verschuldeten Bauern des oberen Murtals. Sein wichtigster Getreidelieferant war jedoch Gabriel Freiherr von Stübich. der die weststeirische Herrschaft Piber bei Köflach besaß. Über den Umfang der Geschäfte Mayrs mit dem Freiherrn besitzen wir nur wenige Angaben, doch schuldete er diesem im Jahr 1592 für bereits geliefertes Getreide noch 270 fl.62 Ein anderer Geschäftspartner Mayrs beim Getreidehandel war der Köflacher Kaufmann Hans Hofmann. Außerdem schuldete Mayr im Jahr 1592 dem Säumer Gilg Veldner zu Schöder für die Lieferung von einem Zentner 40 Pfund Federn 35 fl.63

3. Die Hinterlassenschaft Georg Mayrs im Jahr 1592

Es stellt sich nun die Frage, wie der Murauer Unternehmer die aus seinen verschiedenen Geschäften erzielten Gewinne anlegte. In der frühen Neuzeit bestand das Vermögen vieler steirischer Bürger überwiegend aus Haus- und Grundbesitz. Besonders deutlich ausgeprägt war das Streben nach einer Landwirtschaft und einigen Stück Vieh, um die Versorgung des eigenen Haushaltes sicherzustellen.64 Die vorliegenden Quellen enthalten nur allgemeine Angaben, welchen Wert die Liegen­schaften Mayrs repräsentierten. Ihr Anteil an seinem Gesamtvermögen kann aber nicht sehr hoch gewesen sein, da Georg Mayr in seinen letzten Lebensjahren den größten Teil seines Kapitals in das Geldgeschäft gesteckt hatte. Die Grundvoraus­setzung für die Erlangung des Bürgerrechts einer Stadt oder eines Marktes war, daß man den Besitz eines Hauses nachweisen konnte. Bei seinem Tod bewohnte Georg Mayr in Murau ein Haus am sogenannten „Freitagsmarkt" (dem heutigen Schiller­platz), das er vom Bürger Andrä Fränekhl gekauft hatte. Zu seinem Besitz in Murau zählten noch ein kleines Haus beim Friesacher Tor sowie ein Stadel beim Bürgerspital und zwei Gärten, die früher seinem Gevatter Sindlhofer gehört hatten.65 Wann Mayr die oben genannten Häuser erworben hatte, geht aus seinem Nachlaßinventar nicht hervor. Es spricht aber einiges dafür, daß sie sich bereits um 1570 in seinem Besitz befanden. Im Jahr 1572 kaufte Mayr in Murau oder in der engeren Umgebung der Stadt drei Grundstücke, die als „Haiderhube" bezeichnet wurden. Offenbar war mit diesen Realitäten eine Landwirtschaft verbunden. Zwölf Jahre später - also zum gleichen Zeitpunkt, als er stärker ins Geldgeschäft einstieg - erwarb er in Murau

" HK wie Anm. 57. 1587-V-26. 62 Inventar, fol. 73. 63 Ebd., fol. 24. 64 Vgl. dazu H. Va l en t i n i t s ch , Das Judenburger Handelshaus Stainhuber-Mayr. Ein

Beitrag zur steirischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 18. Jahrhunderts, in: ZHVSt 80 (1989), S. 213 ff; ders. . Bürgerliche Sachkultur in der Steiermark in der frühen Neuzeit, in: BlfHk 65, 1991 (im Druck).

65 Inventar, fol. 2 ff.

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zwei weitere Liegenschaften. Das eine Grundstück trug im Volksmund die makabre Bezeichnung „das Elend", das andere wurde als „Fränekhl-Leiten" bezeichnet. Außerhalb von Murau besaß Mayr nur in St. Michael im Lungau das sogenannte „Steinhaus", das er ein Jahr vor seinem Tod, anscheinend als Abgeltung eines Teils seiner Geldforderungen, von den Brüdern Wallinger erworben hatte.

Offenbar war Georg Mayr bestrebt, selbst möglichst wenig Schulden zu machen. In seinem Nachlaßinventar werden daher lediglich 46 Einzelposten mit zusammen 3385 fl. oder 10,9 % des geschätzten Gesamtvermögens als Schulden angeführt.66 An erster Stelle standen hier die Schulden aus dem Handel mit Schlachtochsen, Wein und anderen Lebensmitteln, die Mayr noch kurz vor seinem Tod erhalten, aber nicht mehr bezahlt hatte.67 Es folgten dann kleinere Beträge für Gerichtskosten, „Ver­ehrungen" für einzelne Herrschaftsverwalter sowie die ausständigen Löhne des Hauspersonals. Der Hausknecht Mayrs hatte z. B. 40 fl. Lohn zu fordern, während die beiden Mägde 7 fl. erhalten sollten. Unter den Schulden wurde auch ein Teil der Begräbniskosten und der Gebühren für die Errichtung des Nachlaßinventars ange­führt. Der Bürger zu Murau Wolf Rauscher hatte für die Trauerkleider und das Bahrtuch Textilien im Wert von 102 fl. geliefert. Die Anfertigung der Trauerkleider selbst kam auf 10 fl. Der Bürger Mert Diewald wieder stellte für den Leichenschmaus und seine Bemühungen bei der Inventur 105 fl. in Rechnung.

Vor seinem Tod verteilte Mayr seine persönlichen Wertgegenstände und fast das gesamte Bargeld an seine Freunde und Verwandten, damit diese einer Erbschafts­steuer entgingen. Die andere fahrbare Hinterlassenschaft, wie Mobiliar, Geschirr, Bett- und Tischwäsche sowie die im Haushalt vorrätigen Lebensmittel wurden der Witwe ungeschätzt übergeben. In das Nachlaßinventar wurden daher nur 100 fl. Bargeld. Wein um 300 fl. und 24 Ochsenhäute im Wert von 48 fl. aufgenommen.68

Obwohl nicht bekannt ist, welchen Wert die persönlichen Gegenstände Mayrs repräsentierten, geben die folgenden Angaben über sein Gold- und Silbergeschirr doch einige Einblicke in seine Vermögensverhältnisse. Grundsätzlich muß man davon ausgehen, daß in der frühen Neuzeit jeder wohlhabende steirische Bürger bestrebt war, für Repräsentationszwecke und als Reserve für Notzeiten möglichst viel Gold-und Silbergeschirr anzuschaffen. Auch Georg Mayr stellte hier keine Ausnahme dar. Zu seinem persönlichen Besitz zählten daher ein vergoldeter Tafelaufsatz aus Silber, eine ebenfalls vergoldete Tischkanne, mehrere Silberlöffel, ein großer Becher aus getriebenem Silber und 15 kleine Silberbecher.69 Ein besonderes Prunkstück war eine in Gold und Silber gefaßte sogenannte „Indianische Nuß". Es handelte sich hier offenbar um eine Muskat- oder Kokosnuß, wie sie seit dem Spätmittelalter in vielen fürstlichen Raritäten- und Wunderkammern Europas aufbewahrt wurden. Als im Verlauf des 16. Jahrhunderts durch die Entdeckungen häufiger exotische Gegen­stände nach Mitteleuropa gelangten, wurden diese vor allem von süddeutschen Gold-und Silberschmieden gefaßt und exportiert. Im 17. Jahrhundert waren diese „Schaustücke"", die zugleich auch mit magischen Vorstellungen verbunden waren, in der Steiermark schon so verbreitet, daß sie in keinem reichen Bürgerhaus mehr fehlen durften.

66 Ebd.. fol. 77. 67 Ebd., fol. 69ff. 68 Ebd., fol. 67. » Murau, 12. März 1592: Verzeichnis des Silbergeschmeides, das G. Mavr noch zu seinen

Lebzeiten verteilt hat. AM Seh. 26, H. 36.

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Die Angaben über das Gold- und Silbergeschirr dürfen aber nicht zu dem Schluß verleiten, daß Georg Mayr ein aufwendiges Leben führte. Die wenigen erhaltenen Angaben lassen vielmehr den Schluß zu, daß der Handelsmann großen Wert auf Sparsamkeit legte. Sein Hauspersonal umfaßte deshalb lediglich drei Personen, und zwar den Hausknecht Thomas Haselmann und die beiden Mägde Barbara und Kunigunde, die der Hausfrau behilflich waren.

Anfang 1592 war Georg Mayr so krank, daß er bereits den Tod vor Augen sah. Er verfaßte deshalb noch im Februar 1592 sein Testament und ließ es von seinem Grundherren Karl Freiherr von Teuffenbach, dem Murauer Stadtrichter Christoph Schmölzer und fünf Ratsbürgern der Stadt Murau beglaubigen.70 Das Todesdatum des Georg Mayr ist nicht bekannt, doch starb er vermutlich Ende März/Anfang April 1592, also nur wenige Tage oder Wochen, nachdem er seinen letzten Willen schriftlich niedergelegt hatte. Das Begräbnis verlief offenbar so, wie es der Verstorbene schon vorher in seinem Testament bestimmt hatte. Nachdem der Predikant den Gottesdienst und die Leichenpredigt gehalten hatte, wurde der mit einem schwarzen Tuch bedeckte Leichnam in der Stadtpfarrkirche zu Murau beim Grabdenkmal der Familie Baumgartner beigesetzt, wo bereits die erste Frau Georg Mayrs und die beiden Söhne aus seiner zweiten Ehe ruhten. Der Trauerzug wurde von Schülern und armen Leuten begleitet, denen man auf Kosten des Verstorbenen je einen Groschen ausbezahlte. Auch die Insassen des Murauer Bürgerspitals waren im Testament Mayrs mit insgesamt 60 fl. bedacht worden. Das Leichentuch wurde an die Träger der Totenbahre verteilt. Außerdem wurden diese nach dem Begräbnis in einem Gasthaus mit einem „guten Weinmahl"" freigehalten. Der Predikant und der Schulmeister, der anscheinend auf der Orgel gespielt hatte, erhielten für ihre Bemühungen 12 bzw. 2 Taler.

Der Hauptzweck des Testaments bestand darin, einen Streit zwischen den Erben zu vermeiden und zumindest einen Teil des Vermögens der Familie des Erblassers zu erhalten. Der Murauer Handelsmann war sich nämlich in seiner letztwilligen Verfügung bewußt, daß von seinen vielen Forderungen nur ein Teil wieder hereingebracht werden konnte. Er setzte deshalb seine beiden Freunde Bartlmä Leobenegger und Matthias Ackerl in der Wiesen sowie seinen „Diener" Leonhard Pistrich als bevollmächtigte Testamentsvollstrecker ein, da diese Personen mit seinen Geschäften am besten vertraut waren.

Da Georg Mayr keine leiblichen Kinder besaß, bestimmte er die noch unmündi­gen vier Söhne seines Bruders Jakob Mayr unter der Linde als Haupterben seiner Liegenschaften. An erster Stelle der Erbberechtigten stand der älteste Neffe, der ebenfalls Georg hieß. Er durfte aber das Erbe erst dann antreten, wenn er seine „Tauglichkeit" unter Beweis gestellt und das Alter von 24 Jahren erreicht hatte. Die anderen drei Neffen sollten dann mit je 100 fl. abgefunden werden. Wenn der älteste Neffe die Erbschaft nicht antreten wollte oder nicht halten konnte, sollten ihm nacheinander ebenfalls nach ihrer „Tauglichkeit"" seine jüngeren Brüder als Erben folgen. Bis zur Erreichung der Volljährigkeit des ältesten Erben bestellte Georg Mayr seinen „Diener" Leonhard Pistrich als Vormund. Dieser sollte den Jungen in seinen Haushalt aufnehmen und für dessen Erziehung und Schulbildung sorgen. Als Lohn für seine Bemühungen durfte der Vormund das Wohnhaus des Verstorbenen, dann die sogenannte „Haidenhube" und einige andere Grundstücke so lange nutzen, bis

711 Murau 1592, Testament des Georg Mayr. AM Seh. 122. H. 250. Teil b und Inventar, fol. 83 ff. Karl Freiherr von Teuffenbach (gest. 1610) war der vierte Ehegatte der Anna Neumann.

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sein Mündel volljährig war. Außerdem hatte er für die Nutzungsrechte keine Zinsen zu entrichten. Pistrich war lediglich verpflichtet, jährlich bis zu 8 fl. für Ausbesse­rungsarbeiten auszugeben, durfte aber ohne Zustimmung der Erben keine Umbauten vornehmen.

Der Witwe Brigitta Mayr wurden die gesamte Fahrnis und die Geschenke (wie z. B. Kleider und Schmuck) überlassen, die sie noch zu Lebzeiten ihres Gatten erhalten hatte. Als materielle Sicherstellung hatte ihr Mayr das Heiratsgut von 1500 fl. in bar, das sogenannte „Fränekhl-Haus" am Freitagsmarkt in Murau und zwei Gärten verschrieben. Außerdem durfte sie ein Jahr lang im Haus des Verstorbenen leben und gemeinsam mit seinen übrigen Liegenschaften nutzen. Erst nach Ablauf dieser Frist sollte sie zugunsten der Haupterben bzw. des Vormunds „gutwillig abtreten". Georg Mayr legte aber testamentarisch fest, daß das „gerichtet Bett" in der neuen Stube seines Wohnhauses von seinem Standort nicht entfernt werden durfte.

Seinem Bruder Niklas Mayr im Hof hinterließ der Handelsmann das Erbteil, das er seinerzeit von seinen Eltern erhalten hatte. Dem anderen Bruder Jakob Mayr unter der Linde erließ er eine verbriefte Schuld in der Höhe von 1000 fl. Auf die vier Schwestern des Verstorbenen bzw. deren Kinder entfielen Legate von insgesamt 2000 fl.71 Auch die übrigen Verwandten gingen nicht leer aus. Anna Rauscher, die Stieftochter des Georg Mayr, bekam 1000 fl. in bar. Dem Stiefsohn, Hans Baumgartner, den Mayr anscheinend weniger geschätzt hatte, wurden nur seine restlichen Schulden in der Höhe von 58 fl. erlassen. Dafür sollten seinen ehelichen Kindern bei Erreichung der Volljährigkeit insgesamt 100 fl. ausbezahlt werden. Von den in Teufenbach ansässigen Verwandten bekam der bereits erwachsene Vetter Mert Mayr 100 fl. Seine Schwester Katharina erbte das am Neumarkt zu Murau gelegene Haus und einen Garten und sollte bis zu ihrer Volljährigkeit von der Witwe Brigitta Mayr erzogen werden. Ihre kleinen Geschwister Gregor, Hansel und Sandel wurden gemeinsam mit 100 fl. bedacht. Jakob Steiner, ein lediger Sohn der Tante des Verstorbenen, wurde mit 40 fl. versorgt. Die Nichte der Witwe Brigitta erhielt 30fl., und die beiden Vettern Schwarzenbacher wurden mit 50 bzw. 30 fl. abgefunden.

Mit der Aufzählung dieser im Testament genannten Personen war die Liste der Legate aber noch keineswegs erschöpft. Seinem engen Freund Bartlmä Leobenegger schenkte Mayr 500 fl. Außerdem übertrug er dessen Kindern zwei Grundstücke, die zusammen 400 fl. wert waren. Dem Gatten seiner Nichte Eva, Matthias Ackerl, schenkte er eine Schuldforderung von 500 fl. Für den Inhaber der Herrschaft Murau, Karl Freiherr von Teuffenbach, setzte Mayr schließlich ein Legat von 20 Dukaten aus. Mit diesem Betrag wollte der Handelsmann offenbar nicht nur seinen Dank für verschiedene Flilfen abstatten, sondern auch andere finanzielle Ansprüche der Grundherrschaft, wie z. B. Erbschaftssteuern und Gebühren, abfangen.

Die oben genannten Legate und Schenkungen beliefen sich - die Liegenschaften und Fahrnis nicht mitgerechnet - auf 5782 fl.72 Nach Abzug der Legate und der Schulden Mayrs umfaßte das restliche Vermögen noch immer den für einen steirischen Bürger enormen Betrag von 21.504 fl.!73 Als gleichberechtigte Erben dieser Summe hatte Georg Mayr jedoch nicht seine Neffen, sondern seine beiden Brüder Jakob und Niklas sowie seinen „Diener" und Geschäftspartner Leonhard

71 In seinem Testament bedachte Georg Mayr auch die Erben seiner Halbschwester Kunigunde Mayr. b

72 Inventar, fol. 87. 73 Ebd., fol. 89.

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Pistrich eingesetzt. Dies bedeutete, daß zumindest theoretisch jeder der drei Erben über 7000 fl. für sich beanspruchen konnte. Georg Mayr war sich darüber im klaren gewesen, daß die deutliche Bevorzugung Pistrichs bei den anderen Erben auf großen Widerstand stoßen würde, und begründete deshalb in seinem Testament die Entscheidung zugunsten seines „Dieners" sehr ausführlich. Zunächst hob der Handelsmann hervor, daß Pistrich bei ihm lange ohne Besoldung gedient und sich in allen seinen Geschäften „treu, emsig und aufrecht" gezeigt hätte. Mayr rechnete ihm auch hoch an, daß er ihm während seiner langen Krankheiten stets beigestanden war. Den letzten Ausschlag gab die Überlegung, daß das Vermögen Mayrs überwiegend aus verbrieften und unverbrieften Schuldforderungen bestand, die erst mühsam eingetrieben werden mußten. Pistrich war aber über alle Forderungen und Geschäfte seines Herrn so gut informiert, daß er als einziger für diese Aufgabe in Frage kam.

Die im Testament Mayrs geäußerte Hoffnung, daß zwischen den Erben kein Streit ausbrechen würde, erfüllte sich jedoch nicht. Als nämlich am 16. April 1592 in Murau das Testament eröffnet wurde, zeigte sich, daß vor allem die Schwäger Mayrs mit einem größeren Anteil am Erbe gerechnet hatten.74 Die Haupterben, die Testamentvollstrecker und die Witwe hatten sich offenbar schon vorher geeinigt, da sie vor Gericht gemeinsam auftraten. Die Witwe Brigitta bot außerdem zur Durchsetzung ihrer eigenen Ansprüche den Murauer Stadtrichter Christoph Schmöl­zer, den Ratsbürger Wolf Rauscher und den Landgerichtsverwalter der Herrschaft Murau, Viehhauser, als Beistände auf. Hingegen nahmen die Schwestern des Verstorbenen und deren Anhang eine konträre Position ein. Die eigentlichen Wortführer dieser Gruppe waren wohl die beiden Schwäger des Verstorbenen, Ruprecht Aineter aus Neumarkt und Adam Kalcher aus St. Lambrecht, die den Stadtschreiber zu Judenburg Laurentius Kradl als Rechtsbeistand engagiert hatten. Nach der Verlesung des Testaments erhoben die Angehörigen der Schwestern Mayrs sofort gegen die ihnen zugedachten Legate scharfen Protest. Sie betonten zwar, daß ihnen an der Aufrechterhaltung des Familienfriedens gelegen wäre, drohten aber ganz unverblümt mit dem Gerichtsweg, falls sie nicht mehr Geld bekommen würden. Erst nachdem die Rechtsbeistände beider Seiten erklärt hatten, daß das mit Zustimmung der Herrschaft und des Magistrates errichtete Testament rechtsgültig wäre, bequemten sich die Angehörigen der Gegenseite widerwillig zu einem Vergleich. Sie anerkannten die letzte Verfügung des Verstorbenen und erhielten dafür als Draufgabe 100 fl., die vom Bargeld Mayrs noch vorhanden waren, ausbezahlt.

Anfang Juni 1593 begann Leonhard Pistrich damit, zumindest einen Teil der Schuldforderungen des verstorbenen Handelsmannes einzutreiben. Es scheint, daß Pistrich die Ausstände Mayrs in Tirol75 von vornherein weitgehend als Verlustposten abschrieb und sich ganz auf das obere Murtal und den Lungau konzentrierte. Zwischen dem 2. Juni und dem 29. Dezember 1593 waren in dieser Region insgesamt 29 Reisen notwendig, um die hier ansässigen Schuldner aufzusuchen.76 Nach der den anderen Erben vorgelegten Abrechnung Pistrichs fielen dabei Spesen von insgesamt 73 fl. an. Die kürzesten Reisen führten in die Umgebung der Stadt Murau und

74 Murau, 16. April 1592: Vergleich, AM Seh. 26, H. 36a. 75 Unter den im Nachlaßinventar angeführten „Mängelposten" befanden sich uneinbringliche

Schuldforderungen Mayrs an seine Tiroler Geschäftspartner in der Höhe von 82 fl. (Inventar. fol. 78 ff.).

76 Auszug der Unkosten und Zehrungen des Leonhard Pistrich vom 2. Juni bis 29. Dezember 1593, AM Seh. 26, H. 36a.

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nahmen meist nur einen Tag in Anspruch. Die Aufenthalte im Lungau dauerten bereits wesentlich länger und umfaßten in der Regel fünf bis sechs Tage.

Wichtige oder auch besonders hartnäckige Schuldner wurden von Leonhard Pistrich persönlich aufgesucht, wobei er sich gelegentlich von seinem Bruder Oswald und Matthias Ackerl begleiten ließ. Bei anderen wieder begnügte er sich damit, seinen Bruder zu delegieren. In einigen Fällen gelang es sehr rasch, eine gütliche Einigung zu erzielen. Mancher Schuldner mußte jedoch mehrmals aufgesucht werden. In sieben Fällen sah sich Pistrich sogar gezwungen, gegen säumige Zahler eine Klage einzubringen. Vereinzelt ließ er deshalb auch Grundstücke oder Natura­lien als Sicherstellung einziehen. Um seinen Forderungen entsprechenden Nachdruck zu verleihen, bemühte sich Pistrich häufig um die Hilfe der jeweiligen Obrigkeit. Von seinen früheren Geschäften wußte er bereits, welchen Geschmack die einzelnen Herren besaßen. So erhielt der Pfleger zu Katsch beim ersten Besuch zwei Viertel roten Etschwein und bei einem anderen Aufenthalt fünf Halbe „süßen Wein"". Der Freiherr von Moosheim bekam sogar zwei Viertel Wein aus Friaul, und zwar den sogenannten „Rainfal", als Verehrung. Der Verwalter zu Oberwölz wieder wurde mit zwei Haselhühnern günstig gestimmt.

Die Abrechnungen der Testamentvollstrecker erregten allerdings den Argwohn des Jakob Mayr unter der Linde. Es begann nun ein jahrelanger Streit, in dessen Verlauf Jakob Mayr seinen Gegnern bei der Abrechnung verschiedene Unregel­mäßigkeiten vorwarf.77 Besonders umstritten waren die von Georg Mayr hinterlasse-nen Weinvorräte, deren Wert man im Nachlaßinventar nur mit 300 fl. angegeben hatte. Außerdem behauptete Jakob Mayr, daß Leonhard Pistrich 100 fl. für sich behalten hätte, weshalb er ihn vor dem Gericht der Stadt Murau als Betrüger bezeichnete. Jakob Mayr gelang es allerdings nicht, seine Behauptungen nachzuwei­sen, weshalb er im Jahr 1599 die Prozeßkosten, die sich damals bereits auf 261 fl. beliefen, übernehmen mußte.

Wie der Streit um die Hinterlassenschaft des Murauer Handelsmannes Georg Mayr ausging, geht aus den Quellen nicht hervor. Es ist auch unklar, ob seine Neffen nach Erreichung ihrer Volljährigkeit zumindest einen Teil der Erbschaft antreten konnten. Wahrscheinlich ist aber jener Georg Mayr, der 1624 nachweisbar in Murau das Bürgerrecht erhielt, mit dem gleichnamigen ältesten Neffen des Handelsmannes identisch.78 Außerdem spricht vieles dafür, daß dieser Georg Mayr der Ahnherr der Gewerkenfamilie Mayr war. die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Murau lebte und in der Umgebung der Stadt mehrere Eisenhämmer betrieb.79

Über das Schicksal des auf dem Trattenhof verbliebenen Zweigs der Familie Mayr existieren ebenfalls nur wenige Angaben. Nachdem Niklas Mayr im Hof 1592 gestorben war, fiel sein Besitz an seinen Sohn Jakob.80 Dieser verkaufte im Jänner 1603 den Trattenhof um den stattlichen Preis von 2250 fl. an die beiden Bürger zu Murau Hans Pistrich und Hans Grössing. Um Streitigkeiten zu vermeiden, wurde der Kaufvertrag auch von seiner damals noch lebenden Mutter und seinen jüngeren Geschwistern unterzeichnet. Die beiden Käufer konnten jedoch den vollen Kaufpreis

Ratsprotokolle, AM Seh. 139, H. 288, Teil c, fol. 14. und Ratsprotokolle, AM Seh 139 H. 288. Teil d, fol. 6, 9 und 120ff. Gerichtsprotokolle. AM Seh. 3. H. 9. Teil b, fol. 129. Vgl. dazu I. Wo i se t sch l äge r -Mayer , a. a. O., S. 448ff. R. P r ambe rge r . a. a. O.. S. 355ff.

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nicht aufbringen und vereinbarten mit Jakob Mayr im Hof eine Zahlung in Raten.81

Die Motive für den Verkauf sind unbekannt. Vielleicht war Jakob Mayr derart von den beiden Käufern abhängig geworden, daß er keinen anderen Weg mehr sah, als den Hof aufzugeben. Ein anderes Motiv ist vielleicht in der Gegenreformation zu suchen, da um 1600 zahlreiche protestantische Bauern die Steiermark verlassen mußten. In den vorliegenden Quellen findet sich allerdings kein Hinweis darauf, daß Jakob Mayr evangelisch war. Wo er hinzog und welchen weiteren Lebensweg er nahm, geht aus den Akten nicht hervor. Pistrich und Grössing hatten den Trattenhof nur kurze Zeit in Händen, da dieser noch im Jahr 1603 in den unmittelbaren Besitz des Stiftes St. Lambrecht gelangte. Wie der damalige Abt Martin das Gut an sich gebracht hatte, ist ebenfalls unbekannt. Welche Bedeutung aber der Trattenhof für das Stift besaß, wird daraus ersichtlich, daß er nun in der Selbstverwaltung des Klosters blieb.

Zusammenfassung

Wenn wir das Leben und die unternehmerischen Aktivitäten des Murauer Handelsmannes Georg Mayr nochmals kurz an uns vorüberziehen lassen, so wird deutlich, daß sich sein gesellschaftlicher Aufstieg vom Sohn eines wohlhabenden Bauern zum reichsten Bürger der Stadt Murau innerhalb von wenigen Jahren vollzog. Georg Mayr vermied es anscheinend von vornherein, sich wie andere steirische Kaufleute seiner Zeit im Handel mit Gewürzen, Textilien und anderen Luxus- und Gebrauchsgütern zu engagieren. Seine ersten Anfänge als Unternehmer sind wohl im Vieh- und Eisenhandel zu suchen. Später verlegte er sich auf drei Bereiche, nämlich auf den Weinhandel, den Viehexport und auf das Geldgeschäft. In den letzten zehn Jahren seines Lebens erlangte der Geldverleih für ihn eine so große Bedeutung, daß dieser schließlich alle seine anderen Geschäfte überragte. Der Exporthandel Mayrs war auf den Lungau und auf Tirol ausgerichtet. In der Steiermark konzentrierte er sich auf das obere Murtal. Spätestens in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts gelang es ihm, in der Umgebung von Murau und im benachbarten Lungau - also in einer scharf abgegrenzten Region - als Kreditgeber sowie als Wein- und Viehhändler eine geradezu monopolartige Stellung zu erlangen! Die enge Beschränkung seiner Geschäfte führte dazu, daß Mayr keine Beziehungen zu überregionalen Märkten, wie Linz, Salzburg und Villach. unterhielt. Unter seinen steirischen Geschäftspartnern scheinen keine Kaufleute aus Graz, Judenburg, Leoben und Brück auf. Offenbar unterhielt er auch keine Kontakte zum innerösterreichischen Landesfürsten bzw. zum Grazer Hof. Dafür reichten seine Geschäftsbeziehungen im Inland bis in die Weststeiermark und nach Radkersburg.

Anders als die reichen Bürger der landesfürstlichen Städte legte Mayr die aus seinen Geschäften erzielten Gewinne nur zu einem sehr geringen Teil in Form von Grundbesitz und anderen sicheren Vermögenswerten an, da er sie sofort in neue finanzielle Transaktionen investierte. Er verzichtete auch darauf, Gülten und damit die Anwartschaft auf die Erhebung in den Adelsstand zu erwerben. Die Ursachen dafür sind in erster Linie wohl darin zu suchen, daß er Bürger einer patrimonialen

81 Die beiden Käufer zahlten 1050 fl. sofort. Bis St. Georgen 1603 sollte die 2. Rate von 600 fl. folgen. Der Rest war bis 1604 zu entrichten. Am 23. April 1603 erklärte Jakob Mayr nach Erlegung der 2. Rate, mit seinen Dienstleuten und seinem Vieh fortzuziehen (R. Pramberger, a. a. O.. S. 355).

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Stadt war und seine Herrschaft kein Interesse daran haben konnte, gerade den reichsten Einwohner der Stadt Murau aus dem Untertänigkeitsverhältnis zu ent­lassen.

Aus den Schuldforderungen Mayrs wird ersichtlich, daß ab etwa 1585 im oberen Murtal und im Lungau der Kreditbedarf von Angehörigen der mittleren und unteren Bevölkerungsschichten außerordentlich rasch anstieg. Mayr verlangte keine Wucher­zinsen, sondern im Durchschnitt 4 - 6 % , wie es zu seiner Zeit üblich war. Dennoch erreichte bei vielen Gastwirten und Bauern die Verschuldung einen derartigen Umfang, daß ihre Ausstände die vorhandenen Vermögenswerte um ein Vielfaches übertrafen. Es fiel deshalb zahlreichen Schuldnern immer schwerer, ihren Zahlungs­verpflichtungen gegenüber Georg Mayr nachzukommen, weshalb dieser wiederholt seine Forderungen einklagen mußte. Die Ursachen für diese geradezu dramatische Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation werden in den vorliegen­den Quellen nicht sichtbar. Vermutlich spielten aber dabei die unterschiedliche Entwicklung der Löhne und Preise sowie der allmählich einsetzende Rückgang des ostalpinen Montanwesens eine wichtige Rolle.

Wie die meisten seiner Mitbürger war auch Georg Mayr ein Anhänger der Lehre Luthers. Er erlebte zwar noch die Anfänge der Gegenreformation im oberen Murtal, genoß aber den Schutz der evangelischen Inhaber der Herrschaft und Stadt Murau. Die letzte Entscheidung im religiösen Bereich blieb ihm allerdings erspart. Acht Jahre nach seinem Tod wurden die Einwohner von Murau von der vom Landes­fürsten entsandten katholischen Reformationskommission vor die Alternative gestellt, entweder zum alten Glauben zurückzukehren oder auszuwandern.

Die wenigen über die Person Georg Mayrs erhaltengebliebenen Angaben lassen den Schluß zu, daß er ein dynamischer Unternehmer war, der es geschickt verstand, die sich ihm bietenden Gelegenheiten auszunutzen. Erst unmittelbar vor seinem Tod wird eine gewisse Resignation erkennbar. Neben einer schweren Krankheit bedrückte Georg Mayr vor allem die Tatsache, daß er keinen leiblichen Erben besaß. Außerdem war ihm bewußt, daß seine auswärtigen Geschäfte mit einem sehr großen Risiko verbunden waren. Das Hauptziel Mayrs war daher, einen Streit um die Erbschaft zu vermeiden und möglichst große Teile des Vermögens seiner Familie zu erhalten. Mayr fand allerdings keinen kongenialen Nachfolger, da seine Haupterben noch minderjährig waren. Seine Hoffnungen sollten sich deshalb, wie der jahrelange Streit um sein Erbe zeigt, nur teilweise erfüllen.

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