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Dr. Thomas Keppler DIE FÜHRUNGSKRAFT ALS COACH - CHANCEN UND GRENZEN Publikationen

DIE FÜHRUNGSKRAFT ALS COACH - CHANCEN UND GRENZEN€¦ · deutscher Großunternehmer des Jahres 2004. So gaben 88% der befragten Personalmanager an, dass Coaching weiter an Bedeutung

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Dr. Thomas Keppler

DIE FÜHRUNGSKRAFT

ALS COACH - CHANCEN

UND GRENZEN

Publikationen

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Abschlussarbeit

zur Erlangung des zertifizierten Grades Competence-Coach (SHB)

der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB)

Die Führungskraft als Coach - Chancen und Grenzen

Dr. Thomas Keppler Zur alten Kaserne 12

40470 Düsseldorf

Düsseldorf, den 07.09.2019

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Eigenständigkeitserklärung Hiermit versichere ich die vorliegende Abschlussarbeit zur Erlangung des zertifizierten Grades Competence-Coach (SHB) an der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Ferner versichere ich, dass Stellen, die anderen Werken – auch elektronischen Medien – dem Wortlaut oder Sinn nach entnommen wurden sowie übernommene Zeichnungen, bildliche Darstellungen, Skizzen und dergleichen, unter Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht worden sind. Düsseldorf, den 07.09.2019 _____________________________ Dr. Thomas Keppler

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Inhaltsverzeichnis Eigenständigkeitserklärung………………………………………………………………….…2 Inhaltsverzeichnis………………………………………………………………………………...3 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis……………………………………………………......4 Abkürzungsverzeichnis…………………………………………………………………….…...4 1 Einleitung…………………………………………………………………………………..5 1.1 Coaching-Ansatz………………………………………………………………….………..5 1.2 Ausgangssituation – Evolution von Coaching im betrieblichen Kontext…..………....7 1.3 Zielsetzung der Abschlussarbeit………………………………….…………………...….8 1.4 Methodische Vorgehensweise…………………………………….………………….......9 2 Führungskraft als Coach als Sonderform des Coaching….…………………...….9 2.1 Begriffsdefinition Führung sowie Coaching………………………………………….…10 2.2 Vorgesetzte als Coach – Änderungen in der Führungsrolle………………………….13 2.3 Rahmenbedingungen für Coaching durch den Vorgesetzten………………………..15 2.4 Anforderungen an einen guten Coach………………………………………………….15 2.5 Schritte im Coaching……………………………………………………………………...16 3 Chancen und Grenzen des Coachingansatzes Führungskraft als Coach…….17 3.1 Chancen des Coachingansatzes Führungskraft als Coach………………………….17 3.2 Grenzen des Coachingansatzes Führungskraft als Coach……………………….….18 4 Befragung von Führungskräften als Selbstcheck zur Beherrschung der

Führungsrolle Coach………………………………………………….…………..……24 4.1 Untersuchungsdesign und Datenerhebung………………………….…………………24 4.2 Datenauswertung und Befragungsergebnisse…………………….……………...…...27 5 Fazit………………………………………………………………………………………..31 6 Literaturverzeichnis……..……………………..…………………….…………………33 7 Internetquellenverzeichnis…………………………………………..…….................34

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Fragebogen Selbstcheck: Kann ich Coaching (Seite 1)………………….......25 Abbildung 2: Fragebogen Selbstcheck: Kann ich Coaching (Seite 2)……………………....26 Abbildung 3: Auswertung des Selbsttests……………………………………………………...28 Tabelle 1: Detailauswertung Fragebogen……………………………………………………...29 Tabelle 2: Passende Reaktion aus Coaching-Perspektive…………………………………..30 Tabelle 3: Grad der Beherrschung der Führungsrolle Coach………………………………..30 Abkürzungsverzeichnis Aufl. Auflage bspw. beispielsweise bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise d.h. das heißt et al. et alii (lateinisch: und andere) etc. et cetera f. folgende Seite ff. fortfolgende Seiten ggf. gegebenenfalls Hrsg. Herausgeber i.d.R. in der Regel Nr. Nummer S. Seite sog. Sogenannte/n/r u.U. unter Umständen usw. und so weiter vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil

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1 Einleitung 1.1 Coaching-Ansatz Die vorliegende Ausarbeitung ist im Rahmen der Ausbildung zur Erlangung des Grades Competence-Coach (SHB) an der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) entstanden. Nicht erst die Kritik an der autoritären Unternehmensführung großer Unternehmen wie Ryanair zeigt, dass die Führung in der Krise steckt. Dies zeigen auch zahlreiche Befragungen, in denen die Mitarbeitenden ihre Unzufriedenheit mit ihren Führungskräften zum Ausdruck bringen. Hinzu kommt eine zunehmende Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage angesichts Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung. Die aktuellen Herausforderungen lassen sich mit den überkommenen Führungskompetenzen und -haltungen kaum bewältigen. Die strategische Organisationsentwicklung wird in ihrer planerischen Ausrichtung aufgrund der volatilen Kontextveränderungen vielfach von den Realitäten überrollt. Deshalb ist es bereits gängige Praxis, dass alle im Unternehmen Tätigen Führungsverantwortung übernehmen. Dies macht ein stetig steigendes Maß an Reflexion auf allen Ebenen der jeweiligen Arbeitssysteme erforderlich. In einer derart veränderten Organisationskultur begegnen Führungskräfte ihren Mitarbeitenden auf Augenhöhe und aus einer ethisch reflektierten und wertschätzenden Haltung. Das Coaching durch die Führungskraft gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung, weil es neben anderen Beratungsformaten den zuvor skizzierten Reflexionsanforderungen in besonderer Weise gerecht wird. In Deutschland hat sich neben der Beratung durch entsprechende ausgebildete Profis, die Coachingvariante des Coachings von Mitarbeitenden durch die Führungskraft größtenteils aufgrund des durchgängig wachsenden Bedarfs quasi natur- bzw.- wildwüchsig ausgebreitet (vgl. Kühl/ Lampert/Schäfer: Coaching als Führungskompetenz. www.vanderhoeck-ruprecht-verlage.com, 2018, Aufruf: 18.05.2019). Da der Beruf des Coachs keine geschützte Berufsbezeichnung ist und eine Ausbildung nicht zwingend erforderlich ist, kann sich jeder Coach nennen, ohne über die entsprechenden Kompetenzen zu verfügen. Daher ist es dem Autor zu Beginn dieser Ausarbeitung wichtig, Aussagen über den theoretischen Hintergrund seiner Arbeitsweise und Haltung als Coach zu treffen. Der Coaching-Ansatz folgt der systemisch-konstruktivistischen Haltung. Aus den verschiedenen Modulen im Zuge seiner Coachingausbildung, welche dem systemisch-konstruktivistischen Ansatz folgt, konnte der Autor stets wertvolle Impulse für seine fachliche und persönliche Weiterentwicklung als langjährige Führungskraft in einem Lebensmitteleinzelhandelskonzern mitnehmen. Der Autor ist stets gestärkt und mit Tatendrang nach Anwendung des Neuerlernten in seine Position als Führungskraft zurückgekehrt.

„Ich kann niemanden etwas lehren, ich kann ihm nur helfen, es in sich zu entwickeln.“ (Galileo Galilei)

Das obige Zitat spiegelt jenes Grundverständnis des Systemischen Coachings wider, welches den Kern der vorliegenden Abschlussarbeit darstellt. Beim systemischen Ansatz spricht man von der „sanften“ Methode, die versucht, die inneren Strukturen des Klienten zu berücksichtigen und ihm Mittel und Wege zur Selbsthilfe aufzuzeigen (vgl. Ebert: Die Führungskraft als Coach. 2005, S. 3).

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In seiner Abschlussarbeit möchte der Autor diskutieren, ob eine Synthese zwischen Führungskraft und Coach in einer Rolle möglich ist. Dabei steht folgende Definition des Coachings im Mittelpunkt: „Coaching ist in der Regel ein Prozess, der hilft, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen, ohne dass der Coach als Experte Lösungen vorgibt. Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch das notwendige Potenzial besitzt, selbst eine Lösung für seine Probleme zu finden. Coaching hilft, diese Potenziale zugänglich zu machen und ist somit Hilfe zur Selbsthilfe. Ein wesentliches Merkmal von Coaching ist es, Klienten zu coachen hinsichtlich ihres Umgangs mit Menschen und Aufgaben und hinsichtlich des Umgangs mit sich selbst“ (Biedermann: Ausbildung zum systemischen Coach. www.psychodoc.de, 2005, Aufruf: 27.07.2019). In diesem Prozess ist der Coach für die passenden Fragen, die hilfreichen Zusammenfassungen und die Einhaltung des Ablaufs verantwortlich und der Coachee für die Findung von eigenständigen Lösungen für seine Situation (vgl. Ebert, 2005, S. 4). Auf den Punkt gebracht kann man sagen, dass Coaching den Rahmen schafft, in dem der Coachee selbst von seinem IST zu seinem Ziel findet (vgl. Dollinger: Systemischer Coach. Skript Competence on Top, 2016, S. 6). Der Coach arbeitet mit dem Coachee jederzeit auf Augenhöhe. Während der Coach stets selbst der Experte für die Inhalte und die Lösungen seines Anliegens ist, steuert der Coach mit systemischen Fragen und ist der Experte für den ressourcen- und lösungsorientierten Prozess. Er unterstützt den Coachee mit zielorientierten Fragen bei der Erarbeitung von passenden und individuellen Lösungen und ist davon überzeugt, dass der Coachee aus eigenen Kräften sein Ziel erreicht. Die systemisch-konstruktivistische Haltung ist gekennzeichnet durch Wertschätzung der individuellen Sicht jedes Menschen und von einer zukunfts- und lösungsorientierten Denkweise (vgl. Dollinger/Hogrefe: PocketGuide Business Coach. 2013, S. 4). Im Folgenden werden Systemtheorie und Konstruktivismus im Coaching noch einmal näher erklärt. Im systemischen Coaching wird zugrunde gelegt, dass Probleme durch das Zusammenwirken von verschiedenen in der Person liegenden und im Umfeld liegenden Faktoren entstehen. Wie in jedem (Öko-)System gibt es auch beim Coachee komplexe Wechselbeziehungen und keine eindeutig abgrenzbaren, linearen Ursache- Wirkungszusammenhänge (vgl. Dollinger/Hogrefe, 2013, S. 9). Aus diesem Grund wird auf eine detaillierte Ursachenforschung im Coaching verzichtet. Stattdessen fokussiert man sich auf das „Wozu“: Wozu will der Coachee das Problem lösen und welche Auswirkungen soll das haben? Besonders wichtig hierbei ist, dass wie bei einem Mobile jede Veränderung an einem Element auch Veränderungen an den anderen Elementen bewirkt (vgl. Patrzek: Systemisches Fragen. 2017, S. 6). Daher ist es besonders notwendig, sich mit den Auswirkungen von Lösungen innerhalb des Systems des Coaching zu beschäftigen. Ziel ist es, nach ökologisch, ausbalancierten Lösungen zu suchen (vgl. Dollinger/Hogrefe, 2013, S. 9). Dem Konstruktivismus folgend, ist jede Wahrnehmung subjektiv. Nach konstruktivistischer Erkenntnistheorie ist das Gehirn das Wahrnehmungsorgan. Das bedeutet, dass jede Person nur ein vom Gehirn konstruiertes, subjektives Modell der Realität wahrnimmt (vgl. Dollinger/Hogrefe, 2013, S. 8). Demnach wird dem Coachee im Coaching seine Konstruktion bewusst gemacht. Im Coaching wird der Coachee dabei unterstützt, sein Modell zu überprüfen und einen Weg zu finden, der für sein Ziel nützlich ist (vgl. Patrzek, 2017, S. 8). Im Coaching wird keine Wertung über die Konstruktion, wie zum Beispiel „richtig oder falsch“ oder „gut oder schlecht“ getroffen. Stattdessen wird geprüft, ob die Konstruktion in diesem Kontext oder für die Zielerreichung nützlich oder weniger nützlich ist (vgl. Dollinger/Hogrefe, 2013, S. 8).

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1.2 Ausgangssituation – Evolution von Coaching im betrieblichen Kontext Dass Führungskräfte Coaches in Anspruch nehmen, ist keine Seltenheit mehr. Neu ist, wenn Führungskräfte selbst in ihrem Unternehmen wie Coaches auftreten und das Coaching so zum wichtigen Bestandteil ihrer Führungsarbeit machen. Die coachende Führungskraft zeichnet sich durch einen persönlichen Führungsstil aus, der in erster Linie auf Unterstützung und Bestärkung statt Autorität und Bestimmung setzt. Prinzipiell richtet sich personenbezogenes oder coachendes Führungsverhalten weniger auf das konkrete Arbeitshandeln der Mitarbeiter, sondern auf deren grundsätzliches Verhalten. Dieses hat fast immer Einfluss auf die Arbeitsleistung. Auch wenn die Führungskraft selber coacht, heißt das Ziel, eine Realität zu schaffen, in der ein erfolgreiches Verhalten gezeigt werden kann (vgl. Reuter: Die Führungskraft als Coach. 2012, S. 3 f.). Aufgrund eines steigenden Interesses an unkonventionellen Instrumenten der Personalentwicklung hat Coaching in den letzten Jahren einen großen Stellenwert in diesem Bereich eingenommen. Erkennbar wird dies durch eine repräsentative Umfrage deutscher Großunternehmer des Jahres 2004. So gaben 88% der befragten Personalmanager an, dass Coaching weiter an Bedeutung gewinnen wird. Folgerichtig kann Coaching nicht mehr nur als Trend gesehen werden, da Coaching sich als Instrument erfolgreich bewährt (vgl. Anonym: Die Führungskraft als Coach. 2008, S. 3). Cornelia Tonhäusers (2010) Veröffentlichung „Implementierung von Coaching als Instrument der Personalentwicklung in deutschen Großunternehmen“ basiert auf einer 2006 durchgeführten empirischen Befragung von 104 Großunternehmen. Dabei stimmte fast die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass Coaching eine „Teilaufgabe von Führungskräften (Vorgesetzten-Coaching)“ sei, so kreuzten 20,4% von ihnen hinsichtlich dieser Aussage die Antwortkategorie „trifft voll zu“ an, 28,6% die Antwortkategorie „trifft eher zu“. Dabei zeigte sich, dass die Vorgesetzten ihre Mitarbeiter umso mehr coachen, je niedriger deren Hierarchiestufe in der Organisation angesiedelt ist. Wurden im oberen Management nur 7,7% der Führungskräfte durch deren Vorgesetzte gecoacht, so waren es im mittleren Management 18,3%, im unteren Management 27,9% und bei Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung 39,4%. Allerdings erfolgte das Coaching mit allen Zielgruppen durchweg nicht regelmäßig, sondern anlassbezogen aufgrund jeweiliger Bedarfe. Das traf insbesondere für die Fachkräfte zu, von denen nach Angaben von 70,3% der Befragten nur weniger als 5% seit Einführung in dem jeweiligen Unternehmen zumindest ein Coaching erfahren hatten. Die angegebenen Coachingziele waren hinsichtlich der Befragten der jeweiligen Hierarchiestufen sehr unterschiedlich. Das wichtigste Thema der oberen Führungskräfte war mit 59,6% „Strategieentwicklung/-umsetzung“, während sowohl für die auf der mittleren wie auf der unteren Hierarchieebene tätigen Führungskräfte die „Verbesserung ihrer Führungskompetenzen mit 85,6% bzw. 64,4% am wichtigsten war. Hingegen war das wichtigste Thema für die Fachkräfte ohne Führungsverantwortung „Leistungsdefizite beheben“ mit 46,3% (vgl. Tonhäuser: Implementierung von Coaching als Instrument der Personalentwicklung in deutschen Großunternehmen. 2010, S. 198, 200). Die Studie verdeutlicht, dass Coaching durch Führungskräfte in Großunternehmen offenbar in begrenztem Maße vorkommt, allerdings ohne dass dies sowohl quantitativ wie konzeptionell genauer geklärt ist. Da keine Studien vorliegen, bleibt es spekulativ einzuschätzen, wie sich das Coaching durch die Führungskräfte in Deutschland mittlerweile in Art und Umfang entwickelt hat (vgl. Kühl/ Lampert/Schäfer, 2018, www.vanderhoeck-ruprecht-verlage.com, Aufruf: 18.05.2019). Dass weiterhin kontrovers diskutiert wird, ob eine Führungskraft auch gleichzeitig als Coach agieren kann zeigen auch die folgenden Befragungsergebnisse. In der Ausgabe

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managerSeminare im März 2017 wurden die Ergebnisse des MeinungsMonitors mS228 zum Thema „Die Führungskraft als Coach“ veröffentlicht. Insgesamt haben sich 141 Leser an dieser Befragung beteiligt. Auf die Frage „Geht das in hierarchischen Organisationen überhaupt?“ antworten 4% mit „Nein“, 22% mit „Ja“ und 73% mit „Ja, aber“. Die Leser, die mit „Ja, aber“ geantwortet haben, lassen sich nochmal unterteilen. 23% sind der Meinung, dass die Führungskraft sich entsprechende Coachingtechniken aneignen kann. Die anderen 50% vertreten die Ansicht, dass der Chef eine coachende Haltung einnehmen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass auf die Frage „Wieviel Coach sollte im Chef stecken?“ die Mehrheit zwischen 30% und 60% ein Coaching vom Chef erwarten. Die Frage „Warum sollten Führungskräfte coachen?“ wird von 62% der Leser mit der Aussage, weil Führung heute vor allem bedeutet, Mitarbeiter in Lern- und Veränderungsprozesse zu begleiten, beantwortet. 42% vertreten die Meinung, weil Mitarbeiter am effektivsten und innovativsten sind, wenn sie ihren eigenen Lösungsweg erarbeiten. Weitere 36% sind der Ansicht, dass es die beste Art ist, Mitarbeiter zu fördern und so langfristig ans Unternehmen zu binden (vgl. ManagerSeminare: Die Führungskraft als Coach – Ergebnisse des MeinungsMonitors. 2017, S. 23). In der letzten Trigon Coaching-Befragung, in der 250 Personen (Personalverantwortliche, Coaching-Kunden und professionelle Coaches) unter anderem auch zu möglichen Anlässen von Coaching im betrieblichen Kontext befragt wurden, zeigte sich, dass Coaching vor allem in folgenden Situationen als Unterstützung angesehen wird:

Beziehungs- und Konfliktfragen mit Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern (28%) Neue Aufgaben, Führungsaufgaben, Veränderungen (17%) Selbstreflexion, persönliche Entwicklung (15%) Stressbearbeitung, Work-Life-Balance, Burnout (11%) Teamkonflikte, Teamentwicklungsfragen, neue Teams (11%) Karriere- und Zukunftsgestaltung (10%) Alltägliche Arbeits-/Problemsituationen bzw. Entscheidungsfragen (8%)

(vgl. Hießböck: Die Führungskraft als Coach. 2010, S. 17). 1.3 Zielsetzung der Abschlussarbeit Der Fokus dieser Abschlussarbeit liegt auf einer detaillierten Betrachtung von Chancen und Grenzen einer Ausübung der Führungsrolle Coach durch die Führungskraft. Der Autor hat sich dieses Forschungsthema explizit ausgewählt, da er die Ausarbeitung auch zur Erweiterung und Vertiefung seines Wissens versteht. Der Autor ist langjährige Führungskraft und kann somit die wertvollen Erkenntnisse aus dieser Themenbetrachtung im beruflichen Kontext praktisch nutzen und somit eine direkte Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen. Durch die anonyme Befragung von Führungskräften hinsichtlich eines Selbstchecks, inwieweit die jeweilige Führungskraft die Führungsrolle Coach beherrscht, hat das Thema dieser Abschlussarbeit auch unter den Kolleginnen und Kollegen des Autors sehr großes Interesse geweckt. Diese Abschlussarbeit hat somit bereits das übergeordnete Ziel erreicht, nämlich dass Führungskräfte sich in Selbstreflexion bezüglich ihrer Führungsrolle üben und sich hierbei unter anderem mit den eigenen Kompetenzen und dem eigenen situationsabhängigen Verhalten im Umgang mit den Mitarbeitern beschäftigen. Der Autor ist davon überzeugt, dass eine Führungskraft durch den Einsatz von Coaching-Methoden, wie z. B. den systemischen Fragen, erfolgreicher werden kann.

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1.4 Methodische Vorgehensweise In der vorliegenden Abschlussarbeit folgt die Vorgehensweise zur Betrachtung der Thematik „Führungskraft als Coach“ einer systemischen und chronologisch aufeinander aufbauenden Methodik. Der Autor hat einerseits zahlreiche Primärquellen gesichtet und ausgewertet, um die notwendigen theoretischen Grundlagen zum Thema herauszuarbeiten. Die Literaturrecherche erfolgte in diversen Veröffentlichungen wie Fachwerken, Sammelwerken, Artikeln in Fachzeitschriften und Internetquellen. Andererseits hat der Autor eine anonyme empirische Befragung unter Führungskräften mit Personalverantwortung in einem Unternehmensbereich eines Lebensmitteleinzelhandels-konzerns durchgeführt. Hierbei soll erforscht werden, welche Reaktion die jeweiligen Führungskräfte aus der Coaching-Perspektive in gewissen Situationen zeigen und hierdurch Rückschlüsse auf den Grad der Beherrschung der Führungsrolle Coach mit Blick auf die jeweilige Führungskraft gezogen werden. Die Verbindung von Theorie und Praxis stellt einen gelungenen inhaltlichen Rahmen für diese Abschlussarbeit dar. Im ersten Kapitel hat der Autor seinen Coaching-Ansatz vorgestellt und die Entwicklung von Coaching im betrieblichen Kontext an Hand einer Reihe von Fakten aufgezeigt. Im zweiten Kapitel wird der Fokus auf die Führungskraft als Coach als Sonderform des Coaching gelegt. Nach dem Einstieg mit Begriffsdefinitionen zu Führung sowie Coaching wird gezielt auf die Änderungen in der Führungsrolle von Vorgesetzten als Coach eingegangen. Des Weiteren werden Rahmenbedingungen für Coaching durch den Vorgesetzten und Anforderungen an einen guten Coach beschrieben. Für ein besseres Gesamtverständnis werden abschließend noch die Schritte im Coaching dargestellt. Im dritten Kapitel wird dann dezidiert auf die Chancen und Grenzen des Coachingansatzes „Führungskraft als Coach“ eingegangen. Das vierte Kapitel befasst sich vollends mit der empirischen Befragung der Führungskräfte im ausgewählten Unternehmensbereich des Lebensmitteleinzelhandelskonzerns. Der Autor beschreibt das Untersuchungsdesign und die Datenerhebung, um im Anschluss auf die Datenauswertung einzugehen und die analysierten Befragungsergebnisse zu präsentieren. Der Autor verfolgt mit der Befragung auch das Ziel, Erkenntnisse aus der Praxis für die Forschung auf dem Themengebiet „Führungskraft als Coach“ beizusteuern. Im fünften und letzten Kapitel zieht der Autor ein Fazit zum Thema „Führungskraft als Coach“ und erhofft, dass die Thematik im Berufsalltag verstärkt an Bedeutung gewinnt und der Diskurs hierüber intensiver geführt wird. Für eine bessere Lesbarkeit ist in der folgenden Ausarbeitung von Mitarbeitern, etc. die Rede. Gemeint ist selbstverständlich immer die männliche und weibliche Form. Aufgrund der Übersichtlichkeit hat sich der Autor für das Zitieren nach APA-Richtlinien entschieden. 2 Führungskraft als Coach als Sonderform des Coaching Coaching in Betracht auf den Vorgesetzten kann als ein von beiden Seiten bewusst gestalteter Entwicklungsprozess im Sinne eines Noch-Besser-Prozesses verstanden werden. Eine weitere Definition beschreibt Coaching durch den Vorgesetzten als ein entwicklungsorientiertes Führen von Mitarbeitern. Coaching ist kein neuer Arbeitsauftrag durch das Unternehmen, sondern eine Tätigkeit, die in das Aufgabenspektrum einer Führungskraft gehört. Jede Führungskraft trägt die Verantwortung im Zuge ihres Führungsauftrages, dass die Mitarbeiter sich zu Spitzenmitarbeitern entwickeln. Es ist weiterhin festzuhalten, dass Coaching (Mitarbeiter-Coaching) ein berufsbegleitender Prozess ist, bei dem die Führungskraft den Mitarbeiter bei der Aufgabenerfüllung und

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Zielerreichung unterstützt. Aus den verschiedenen Definitionsvarianten wird die Vielfältigkeit der Aufgabenbereiche der Führungskraft als Coach nämlich als Berater, Personalentwickler und Prozessentwickler deutlich (vgl. Anonym, 2008, S. 9). Eine wesentliche Gemeinsamkeit ist, dass Führungskraft und Coach beide professionelle Kommunikatoren sind. Aus diesem Blickwinkel ist es durchaus schlüssig, dass Führungskräfte ihre kommunikativen Fähigkeiten um die nicht-direktive Gesprächsführung ausweiten und so auch als Coach ihrer Mitarbeiter tätig werden. Dieser Schluss wurde offensichtlich von einigen Autoren gezogen, die Coaching, wenn nicht als neuen Führungsstil, so doch als neues Führungsinstrument sehen, mit dem die Mitarbeiter zu ihren Zielen gecoacht werden (vgl. Hießböck, 2010, S. 34). Eine Führungskraft kann als Coach in all jenen Situationen tätig werden, in denen Rollen- und Loyalitätskonflikte ausgeschlossen werden können und die Führungskraft somit im Coaching keine eigenen Interessen verfolgt. Dieser Umstand ist jedoch nicht nur vom Wollen der einzelnen Führungskraft abhängig. Denn Führung ist auch dadurch gekennzeichnet, dass jede Führungskraft ihren Mitarbeitern vorgesetzt wird. Dieses Vorgesetzt-Werden bedeutet aber auch, dass es über der Führungskraft zumindest eine weitere Person gibt, die wiederum über die Macht verfügt, Ziele und Anweisungen vorzugeben. Somit gibt es kaum Konstellationen, in denen eine Führungskraft keinen direkten Vorgesetzten über sich hat. Diese Sandwich-Position führt dazu, dass Führungskräfte fast immer mit unterschiedlichen Ansprüchen konfrontiert sind, was mitunter Loyalitätskonflikte zur Folge haben kann. Loyalitätskonflikte, die Coaching durch die Führungskraft verunmöglichen können (vgl. Hießböck, 2010, S. 37). 2.1 Begriffsdefinition Führung sowie Coaching In fast allen Definitionen des Führungsbegriffs wird unter „Führung“ ein sozialer Beeinflussungsprozess verstanden. Genauer gesagt geht es um eine absichtliche und zielbezogene Einflussnahme einer Person auf das Verhalten der Mitglieder einer Arbeitsgruppe beziehungsweise die zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben (vgl. Hießböck, 2010, S. 19 f.). Das in den USA praktizierte Coaching von Mitarbeitenden im Sinne des entwicklungsorientierten Führens kann genealogisch als die Urform des Coachings angesehen werden. Aus der amerikanischen Wirtschaft stammend hat das Coaching in der deutschen Wirtschaft Anfang der 1980er Jahre Einzug gehalten. Auf eine Verbesserung der fachlichen Kompetenz, der Motivation und der Leistung der Mitarbeiter ausgerichtet, fand das Coaching auch in Deutschland unter dem Motto: der Vorgesetzte ist der wichtigste/beste Trainer seiner Mitarbeiter, Verbreitung (vgl. Kühl/Lampert/Schäfer, 2018, www.vanderhoeck-ruprecht-verlage.com, Aufruf: 18.05.2019). Die Eigenschaft des Coaching als unterstützendes Element und Hilfestellung um Ziele und Höchstleistung zu erreichen sollte also auch im beruflichen Kontext genutzt werden. Der Coach unterstützt einzelne Teammitglieder und Gruppen bei der Zielerreichung. Die Übersetzung des englischen Begriffs Coach ins Deutsche ergibt das Wort Kutsche. Die metaphorische Darstellung eines Gefährts, welches den Hilfsbedürftigen zu einem von diesem bestimmten Ziel geleitet unter der Führung eines Kutschers – eines Coachmans. Im deutschen Grundverständnis des Coaching ist diese Denkweise weiterhin ein Bestandteil. Das Coaching ist somit ein lösungsorientierter Prozess, in welchem auch die Dialektik und die zeitliche Begrenzung professionell implementiert sind. Die Elemente des

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Prozesses bestehen aus persönlichem Dialog erweitert durch individuell abgestimmte Beratung und Trainingsmaßnahmen (vgl. Anonym, 2008, S. 4). Die Literatur ist sich darüber einig, dass der Mittelpunkt in der Entwicklung der Person zu sehen ist. Durch eine hoch individualisierte Beratung soll eine Verbesserung von Leistung und Verhalten erzielt werden. Durch die Betreuung sollen Mittel und Wege aufgezeigt werden, die dem Klienten helfen, selbst zu lernen (Hilfe zur Selbsthilfe). Es geht um das Prinzip „selbst ausprobieren und aus Fehlern lernen“. Coaching sieht Fehler als Entwicklungschance. Dabei wird zwischendurch immer wieder überprüft, ob der zu Coachende auf seinem richtigen Weg ist. Durch Steigerung der Lösungskompetenz des Klienten sollen mittels Hinweisen und anderer Sichtweisen neue Potentiale freigesetzt werden. Diese helfen ihm ein Ziel oder Ergebnis selbständig zu erreichen und/oder eine neue Aufgabe zu bewältigen (vgl. Ebert, 2005, S. 5). Coaching ist die professionelle Form individueller Beratung im beruflichen Kontext. Wenn man eine Raupe in die Luft wirft und ihr den Befehl zum Fliegen gibt, so wird sie dies nicht umsetzten können, denn eine Raupe muss sich zuerst zum Schmetterling entwickeln um fliegen zu können. Und so verhält es sich auch bei den Mitarbeitern. Diese sind auch nicht in der Lage von jetzt auf gleich die Entwicklung zum Spitzenmitarbeiter zu durchlaufen. Die Voraussetzung ist ein Entwicklungsprozess unter Mitgestaltung durch den Vorgesetzten und den Mitarbeiter (vgl. Anonym, 2008, S. 6). Die folgende Definition wurde vom Austrian Coaching Council (ACC) entwickelt: Coaching ist ein interaktiver personenzentrierter Beratungs- und Begleitungsprozess im beruflichen Kontext, der zeitlich begrenzt und thematisch zielorientiert definiert ist. Die individuelle Beratung von einzelnen Personen, Gruppen oder Teams richtet sich auf fachlich-sachliche und/oder psychologisch-soziodynamische Fragen bzw. Problemstellungen, die sich auf die Arbeitswelt beziehen. Coaching findet auf einer tragfähigen Beziehungsbasis statt, die durch Freiwilligkeit, gegenseitiges Respektieren und Vertrauen begründet ist und eine gleichwertige Ebene des Kooperierens bedingt. Das Gespräch zielt immer auf eine Förderung von Selbstreflexion und –wahrnehmung, von Bewusstsein und Verantwortung, und von Selbsthilfe/Selbstmanagement ab. Coaching arbeitet mit transparenten Interventionen nach dem Prinzip des Öffentlichmachens und des impliziten Vermeidens manipulativer Techniken, die der Entwicklung der Eigenkompetenz und Selbstreflexion entgegenwirken würden. Der Prozess baut auf die ressourcen- und lösungsorientierten Kompetenzen der Kundinnen, die Gefördert und aktiviert werden können (vgl. Hießböck, 2010, S. 12). Coaching ist eine im beruflichen Alltag ständig wiederkehrende Interaktion zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Sie zeigt sich einerseits in einer ganz bestimmten Haltung des Vorgesetzten dem Mitarbeiter gegenüber und wird andererseits von bestimmten hilfreichen Verhaltensweisen getragen. Coaching setzt eine stetige Selbstreflexion der Führungskraft hinsichtlich ihrer Rolle, ihrer persönlichen Haltung zu den Mitarbeitern und zu sich selbst sowie hinsichtlich der eigenen sozialen und kommunikativen Kompetenz voraus. Coaching heißt, die Potenziale aller Mitarbeiter auf ihren jeweiligen Entwicklungsstufen zu entfalten, damit diese ihre Leistungen optimieren können. Coaching setzt die Fähigkeit eines Menschen frei, seine eigene Leistung selbststeuernd zu steigern. Es hilft ihm eher zu lernen, als dass es lehrt. Coaching bedeutet, dass die Führungskraft in der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben und in der täglichen Arbeit den Umgang mit ihren Mitarbeitern so gestaltet, dass diese ihre Möglichkeiten erkennen, erweitern und somit ihre Leistungsfähigkeit und ihre Motivation erhöhen können. Im Coaching geht es um die Einschätzung von Leistungspotenzialen der Mitarbeiter, das gemeinsame

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Erarbeiten und Formulieren von Zielen, die Definition von Verantwortlichkeiten, Methoden und Kontrollpunkten und den regelmäßigen Austausch von Erwartungen und Feedback (vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari: Führen, Fördern, Coachen. 2018, S. 21 f.). Gemäß Haberleitner/Deistler/Ungvari (2018) ist Coaching durch folgende Merkmale charakterisiert:

Instrument der Personalentwicklung durch die Führungskraft am Arbeitsplatz. Durch Coaching wird eine Entwicklung der Person in Gang gesetzt, die sowohl an

der Aufgabenreife (Fähigkeiten, Fertigkeiten) als auch an der psychologischen Reife (Selbstvertrauen, Mut, Motivation, Sinn des Tuns, Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung) in Bezug auf den jeweiligen Arbeitsplatz ansetzt.

Es soll eine dauerhafte Verbesserung der Arbeitsresultate erzielt werden. Vertraulicher Prozess zwischen dem Vorgesetzten und dem jeweiligen Mitarbeiter

im Sinne eines Noch-Besser-Werdens. Grundlage dafür ist eine partnerschaftliche Beziehung zwischen beiden.

„Fordern und Fördern“, nicht „Liebsein und Verwöhnen“. Unterstützung bei der Problemlösung, und zwar in einer Form, die die

Lösungskompetenz des Mitarbeiters fördert und entwickelt (Hilfe zur Selbsthilfe). Prozess, der endet, wenn das gemeinsame Ziel zwischen Vorgesetzten und

Mitarbeiter erreicht ist. Meist wird die Zusammenarbeit zwischen coachender Führungskraft und Mitarbeiter von einer Aufeinanderfolge von vielen Coachingprozessen geprägt sein bzw. wird die Einstellung und das zugrunde liegende Menschenbild keine zeitliche Beschränkung erfahren.

Erfordert von der Führungskraft sowohl soziale Kompetenz, Selbstkompetenz, Kenntnisse über die effiziente Führung eines Coachinggesprächs als auch ein gewisses Maß an Aufgabenkompetenz. Damit können Defizite rechtzeitig entdeckt und ein Programm zur Leistungsverbesserung erstellt werden.

Der Mitarbeiter vom Betroffenen zum Beteiligten, der sich seiner eigenen Gestaltungsmöglichkeiten bewusst wird und zunehmend Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten erlangt und diese auch im Sinne der Zielerreichung einsetzt.

Gemeinsamer Entwicklungsprozess zwischen dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter und kann somit nicht verordnet werden. Zwangscoaching kann es nicht geben, da der Mitarbeiter letztlich die Verantwortung trägt, was er mit den Entwicklungsangeboten der Führungskraft macht. Der Mitarbeiter trägt allerdings auch die Verantwortung für die Konsequenzen, die eine Ablehnung des Angebots nach sich ziehen kann.

(vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 23 f.). Zusammenfassend geht es beim Coaching darum, jemanden (oder ein Team) von einem Punkt zum anderen zu führen. Coaching bringt Menschen weiter, die Ziele erreichen wollen, aber nicht genau wissen, wie; die produktiver werden wollen oder ganz einfach noch besser werden wollen, in dem, was sie tun (vgl. Schwerdtfeger: Die Führungskraft als Coach. www.coach-und-mentor.de/fuehrungskraeftecoaching, Aufruf: 18.05.2019). Führungsarbeit ist durch das Zusammenführen der beiden Prinzipien „Fürsorge“ und „Ordnung“ charakterisiert. Während manche Berufsgruppen sich ganz auf den Menschen und seine Bedürfnisse konzentrieren können (z. B. Psychologen und externe Coaches) und andere beinahe ausschließlich dem Prinzip der Ordnung verpflichtet sind (z. B. Fluglotsen), besteht die Herausforderung an die Führungskraft in der Abstimmung beider Elemente. Coaching in die Führungsarbeit zu integrieren ist der Versuch, diesen Abstimmungsprozess möglichst optimal zu gestalten. Coaching ist jener Teil der Führungsarbeit, bei dem die Entwicklung der Mitarbeiter im Zentrum steht. Es gilt, die

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Mitarbeiter innerhalb der festgesetzten und klar kommunizierten Rahmenbedingungen (z. B. Ziele, Ressourcen) zu möglichst optimalen Leistungen zu begleiten. Damit erweitert sich die Palette der Führungsaufgaben um das Thema Personalentwicklung. Sobald die Führungskraft Coaching mit all seinen Grundannahmen und -haltungen in ihr Tun integriert hat, zeigt dies über die bewusste Mitarbeiterentwicklung hinaus auch Auswirkungen auf andere Aspekte der Führungsarbeit. Sie wird wohl weiterhin organisieren, entscheiden, anweisen, kontrollieren, bewerten etc. Das Spektrum für die Anwendung Coaching wird jedoch zunehmend breiter. Immer mehr kann mittels Coaching erreicht werden, immer seltener hat die Führungskraft das Gefühl, anweisen und kontrollieren zu müssen. Durch die verbesserte Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitern wird Kontrolle immer mehr durch Vertrauen ersetzt. Die Lösungskompetenz der Mitarbeiter wächst, und immer weniger Hilfestellung von Seiten der Führungskraft ist nötig (vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 26 ff.). 2.2 Vorgesetzte als Coach – Änderungen in der Führungsrolle Coaching durch den Chef ist nicht nur eine freiwillige Herangehensweise für Führungskräfte. Coaching wird gerade von jungen Mitarbeitern geradezu verlangt. Die heutige, junge Generation erwartet vom Chef Feedback. Die Belegschaften deutscher Unternehmen sind prinzipiell unzufrieden mit der Förderung, die sie durch ihren Vorgesetzten erfahren. 42% der Mitarbeiter gaben in einer Umfrage an, dass ihr Chef sie kaum fördere. Ein Drittel der Beschäftigten vermisst ein Karriere-Coaching, 28% berichten, nur einmal im Jahr eine Coaching-Maßnahme erfahren zu haben (vgl. Reuter, 2012, S. 6 ff.). Die „Machen Sie das so!“-Führungskultur hat Mitarbeiter herangebildet, die ihre persönliche Kreativität und Lösungskompetenz in der Arbeitswelt auf Sparflamme reduziert. Die Mitarbeiter leben ihr verantwortungsvolles Engagement und ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung vielfach in Freizeitaktivitäten aus. Umfragen haben ergeben, dass die Fähigkeiten der Mitarbeiter nur zu höchstens 30% genutzt werden. Der persönliche Einsatz hinsichtlich Einfallsreichtum, Kreativität und neuer Lösungen ist häufig der Spitze des Unternehmens vorbehalten. Künftig wird der Wettbewerb immer neue und höchste Anforderungen an das Leistungsvermögen und die Flexibilität von Unternehmen und deren Mitarbeiter stellen. Aus der Globalisierung, der Notwendigkeit von Expansion, aus kürzeren Produktzyklen und vor allem auch aufgrund von höheren Kundenansprüchen entsteht zunehmend Druck. Jede Form von Arbeitsteilung ist überholt, in der nicht jeder Mitarbeiter Gesamtverantwortung übernimmt und sein Potenzial voll einbringt. Dieser Wandel verlangt geradezu nach einem gewandelten Mitarbeiter und damit nach gewandelten Führungskräften (vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 11 f.). Der gewandelte Mitarbeiter und auch die gewandelte Führungskraft muss in der Lage sein, auf komplexe und spezifische Anforderungen selbstverantwortlich und eigeninitiativ zu reagieren. Er muss es wollen (Motivation), können (Qualifikation) und dürfen (Erlaubnis). Im Gegensatz zu den Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital bildet das Potenzial der Mitarbeiter eine Ressource, auf die Unternehmensführer nicht so ohne weiteres Zugriff haben. Das Potenzial an Wissen, Kreativität, Motivation etc. steckt in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiter. Es bedarf mehr als nur finanzielle Anreize, um die Bereitschaft der Mitarbeiter zu wecken, dieses Potenzial einzubringen (vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 12, S. 14). Gallups Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Mitarbeiter von heute grundlegendere Wünsche an ihren idealen Arbeitsplatz stellen: Sie sind an einer

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hervorragenden Führungskraft interessiert, die zum Beispiel Feedback gibt, ihre Mitarbeiter als Mensch sieht und es ihnen ermöglicht, Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Im Engagement Index 2016 finden sich zudem unter den Top 10 der Erwartungen von Mitarbeitern an ihre Unternehmen Aspekte wie das Verlangen nach Freiheiten und Gestaltungsspielraum sowie herausfordernden und abwechslungsreichen Tätigkeiten. Davor rangiert der Wunsch, auf der Arbeit das zu tun, was man richtig gut kann. Dennoch stimmen nur 35% aller Arbeitnehmer in Deutschland der Aussage vollständig zu, dass ihre Vorgesetzte beziehungsweise ihr Vorgesetzter den Schwerpunkt auf ihre Stärken und positiven Eigenschaften legt (vgl. Seebode: Vom Chef zum Coach. 2018, www.humanresourcesmanager.de, Aufruf: 18.05.2019). Der Wunsch, sich weiterzuentwickeln, geht einher mit einem Verlangen nach individueller Leistungsförderung, kontinuierlichem Feedback und selbstbestimmtem Handeln. Um diesen Wünschen der Mitarbeiter gerecht zu werden, ist es für Führungskräfte nicht ausreichend, allein das Performance-Management-System umzustellen. Vielmehr muss ein innerer, persönlicher Wandel stattfinden. Der geforderte neue Führungsstil muss von der Führungskraft sowohl angenommen als auch gelebt werden. Als Teil dessen muss sich das Selbstbild, das Verständnis für die eigene Funktion als Führungskraft sowie die generelle Führungsmentalität verändern. Die heutige Führungskraft muss zum Coach werden: Sie agiert als Beifahrer, der die Mitarbeiter begleitet und dabei unterstützt, Ziele selbst festzulegen, Erfolge zu identifizieren und diese mithilfe der eigenen Stärken zu erreichen (vgl. Seebode, www.humanresourcesmanager.de, Aufruf: 18.05.2019). Führungskräfte heutzutage müssen mehr auf Augenhöhe agieren und Dienstleister im Sinne von Problemlösern für ihre Mitarbeiter sein. Die Rolle der Führungskraft muss sich verändern – auch nach Meinung von Margret Klein-Magar, Sprecherin der leitenden Angestellten im SAP SE-Aufsichtsrat: „Die Führungskraft der Zukunft muss eher ein Coach sein. Jemand, der nicht über Kommando und Kontrolle führt, sondern die Mitarbeiter befähigt, ihr Potenzial auszuschöpfen, kreativ zu sein und Entscheidungen gegebenenfalls auch selbst zu treffen“ (vgl. Intrinsify: Warum eine Führungskraft kein Coach sein kann. www.intrinsify.de, Aufruf: 18.05.2019). Förderndes Führen ist dringend notwendig, wie zum Beispiel der Gallup-„Engagement Index 2010“ aufzeigt: 13% der Beschäftigten in Deutschland sind emotional an ihr Unternehmen gebunden. 66% machen teilnahmslosen Dienst nach Vorschrift. 21% verhalten sich destruktiv. Schaden: etwa 123 Milliarden Euro jährlich (vgl. Korsten/Mohr: Die Führungskraft als Coach. 2001, www.coaching-magazin.de, Aufruf: 18.05.2019). Unternehmen müssen sich darauf einlassen, langfristig in die praktische Anwendung von stärkenbasierter Führung zu investieren – denn Führungskräfte müssen erst lernen, wie sie ihr Wissen über Stärken in Entwicklungsgespräche, Teambildungsprozesse und Problemlösungen einbauen können. Nur wenn ein Unternehmen seine Führungskräfte dazu befähigt, die eigenen Stärken zu erkennen, können diese die neuen Herausforderungen am Arbeitsplatz meistern und ihr eigenes Potenzial sowie das ihrer Mitarbeiter voll ausschöpfen (vgl. Seebode, www.humanresourcesmanager.de, Aufruf: 18.05.2019).

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2.3 Rahmenbedingungen für Coaching durch den Vorgesetzten Rahmenbedingungen sind generell von großer Bedeutung für den Coaching-Erfolg. Gemäß Anonym (2008) sind die Rahmenbedingungen für Coaching durch den Vorgesetzten erfüllt wenn,

Mitarbeiter entwicklungsorientiert geführt werden sollen im Vorfeld klar ist, dass hauptsächlich berufliche Aspekte zu thematisieren sind auf die (Kultur)-Neutralität des Coachs kein besonderen Wert gelegt wird die Organisationskultur Beratung als positiv bewertet die Interessen des Coachee mit denen seiner Organisation übereinstimmen nicht notwendigerweise bisher unbekannte Lösungen gefunden werden sollen fachliche Fragen mit einer auch kontrollierenden und bewertenden Führungskraft

vertieft aufgearbeitet werden sollen Unterstützung beim Aufbau von Führungskompetenz gesucht wird organisationsinterne Personalentwicklungsmaßnahmen durch den Vorgesetzten

unterstützt werden sollen die Vorgesetzen freiwillig die Coach-Rolle wünschen den Vorgesetzten für ihre coachende Tätigkeit Zeiträume zur Verfügung stehen die Supervision für die Vorgesetzten gesichert ist

(vgl. Anonym, 2008, S. 10). 2.4 Anforderungen an einen guten Coach Ein guter Coach kann als Manager der Veränderung und Entwicklung bezeichnet werden. Generell kann man sagen, dass gute Coachs kontakt- und begegnungsfähig sind und sich rollenklar als echtes Gegenüber zur Verfügung stellen. Weiterhin eröffnen gute Coachs den Coachees andere Sichtweisen und zeigen neue Wege auf. Sie sind zum offenen und respektvollen Dialog fähig, arbeiten kontinuierlich an der eigenen Entwicklung und sind darüber hinaus neugierig und kreativ und haben weiterhin Mut zu Risiko und Konfrontation. Die Praxis zeigt es immer wieder, dass ein Vorgesetzter noch lange keine gute Führungskraft sein muss, darüber hinaus garantiert eine Top-Position noch lange keine Coach Kompetenz. Die Voraussetzungen für einen professionellen Coach können in acht unterschiedliche Kompetenzfelder unterteilt werden. Dies sind die Feld- und Fachkompetenz, die Rollenkompetenz, die Management- und Leistungskompetenz, die Ethik- und Human-Kompetenz, die Selbstreflexionskompetenz, die Prozess-, Ablauforganisationskompetenz, die Vernetzungskompetenz und die Soziale-, Interaktionskompetenz. Eine andere Zusammensetzung der Coaching-Kompetenzen beinhaltet folgende Gliederung der Coaching-Kompetenzen:

Arbeit an sich selbst Berufs- und Lebenserfahrung Professionalisierter Sozialkompetenz Ständige Entwicklungs- und Auseinandersetzungsbereitschaft

Darüber hinaus wird als Voraussetzung für eine erfolgreiche Führungsarbeit eine tragfähige Beziehung zum Mitarbeiter gesehen, somit benötigt die Führungskraft die Fähigkeit Beziehungen aktiv zu gestalten. Unter dem Thema der Voraussetzungen für gutes Coaching sind vom Coach weiterhin folgende Kategorien von Anforderungen zu erfüllen. Der Coach, also die Führungskraft, muss bereit sein mit seinem Mitarbeiter einen Entwicklungsprozess einzugehen und dafür Zeit investieren. Hierzu gehört unter anderem, dass der Vorgesetzte die Grundhaltung

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besitzt, dass erstens Mitarbeiter entwicklungs- und veränderungsfähig sind und zweitens die Veränderung von der Veränderungsmotivation der Coachs abhängt. Weiterhin sollte der Coach seinen persönlichen Stil inklusive seiner Kompetenzen mit den individuellen Stärken und Schwächen kennen. Bezogen auf die Anforderungen, die die Rolle als Coach an die Führungskraft stellt, konkretisiert sich eine professionelle Rolle des Einzelnen und somit ein professionelles Verhalten der Führungskraft (vgl. Anonym, 2008, S. 10 f.). Diskretion spielt im Coaching eine entscheidende Rolle. Es muss klar sein, dass alles, was im Coaching behandelt wird, auch ausschließlich bei diesen beiden Personen bleibt (vgl. Dehner: Coaching als Führungsinstrument. 2004, S. 28). Was die Räumlichkeiten angeht, erfordert Coaching eine gewisse Privatsphäre. Da die Vertrauenssicherung gewährleistet sein muss, geht es nicht an, Coaching in einem Gemeinschaftsbüro oder ähnlich öffentlich durchzuführen. Auch sollte die Wahl des Ortes deutlich machen, dass es um etwas anderes geht als um das übliche Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter (vgl. Dehner, 2004, S. 28). Das Ziel jedes Coaching sollte es sein, den Mitarbeiter zu selbstständigem Handeln zu befähigen. Daher die wichtigste Maxime: Der Coach darf nicht auf das Spielfeld! Auch wenn der Coach die Führungskraft ist, muss er seinen Mitarbeiter das Spiel, also seine Aufgabe, allein machen lassen. Die Arbeit des Coachs besteht darin, die Schwächen des Mitarbeiters zu analysieren und ein geeignetes Training zu entwickeln, um den Mitarbeiter gezielt zu fördern. Die Führungskraft als Coach lernt, eine passiv anmutende Rolle einzunehmen, nämlich Fragen zu stellen statt Anweisungen zu geben. Wer seine Mitarbeiter lediglich als Funktionsträger betrachtet, wird als Coach nicht viel Erfolg haben. Fördern und Entwickeln braucht mehr als soziales Fingerspitzengefühl als Anordnen (vgl. Dehner, 2004, S. 19). Eine Änderung die durch das Coaching von Mitarbeitern bei Führungskräften hervorgerufen wird, ist der Umgang mit dem Zeiteinsatz: Die Führungskraft wendet ihre Zeit nicht mehr auf, um überall, wo es brennt, selbst einzugreifen, sondern investiert kurzfristig möglicherweise mehr Zeit, um in Zukunft Mitarbeiter zu haben, die Probleme eigenverantwortlich lösen (vgl. Dehner, 2004, S. 24). Grundsätzlich muss sich die Führungskraft bewusst sein, dass sich nicht jedes Problem wegcoachen lässt. Ein Chef sollte deshalb nur Coachings anpacken, die eine angemessene Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen (vgl. Reuter, 2012, S. 5). 2.5 Schritte im Coaching Gemäß Dehner (2004) umfasst Coaching im Wesentlichen fünf Schritte:

Auftragsklärung Der erste Schritt ist die Auftragsklärung. Nur wenn der Auftrag, im Fall der Führungskraft als Coach nennt man es das Ziel, das erreicht werden soll, sauber und klar herausgearbeitet ist, weiß man als Coach, worauf man hinarbeiten muss.

Rapport Der zweite Schritt besteht darin, den Kontakt zum Klienten aufzunehmen und einen guten Rapport, das heißt, eine gute Verbindung zu ihm herzustellen. Beim Coaching von Mitarbeitern hieße das, das nötige Vertrauensverhältnis aufzubauen, so dass der Mitarbeiter nicht etwa befürchten muss, seine vertraulichen Äußerungen in seiner Personalakte wiederzufinden.

Problemanalyse Im dritten Schritt folgt die Problemanalyse. Meistens braucht es sehr viele und tiefgreifende Fragen, um die Konstruktion des Problems wirklich zu verstehen. Erst

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wenn man ganz genau weiß, wie es dazu kommt, dass ganz genau dieses Problem überhaupt entstanden ist, kann man sinnvoll intervenieren.

Interventionen Im vierten Schritt geht es darum, Interventionen zu entwickeln. Es gibt sehr vielfältige Möglichkeiten für sinnvolle und hilfreiche Interventionen: Verhaltenstraining kann eine sinnvolle Maßnahme sein. So kann jemand zum Beispiel mit Hilfe von Rollenspiel und Video lernen, wie er eine bestimme schwierige Situation bewältigen kann. Manchmal besteht eine Intervention ganz einfach darin, dem Mitarbeiter oder Klienten bestimmte Arbeitstechniken beizubringen. Gelegentlich hilft es, Organisationsstrukturen zu verändern, um ein Problem zu lösen oder auch den Bezugsrahmen, in dem eine Person sich sieht und bewertet. Je nach Problem kann eine Intervention auch darin bestehen, die Ängste vor bestimmten Situationen durch gezieltes Training abzubauen.

Maßnahmencontrolling Im fünften Schritt findet Maßnahmencontrolling statt. Gemeinsam überprüfen Coach und Mitarbeiter, wie die Umsetzung geglückt ist und ob die bisherigen Maßnahmen ausgereicht haben. Falls die Umsetzung nicht zufriedenstellend verlaufen ist, analysiert man gemeinsam die Ursachen und untersucht, ob die Problemdefinition denn die richtige war.

Diese fünf Phasen sind, mehr oder weniger ausgeprägt, Bestandteil eines jeden guten Coachings. Ein professioneller externer Coach hat natürlich andere Möglichkeiten der Intervention als eine Führungskraft, weil er ein ganz anderes Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Aber wenn ein paar Voraussetzungen erfüllt sind, dann funktioniert auch das Coaching zwischen Führungskraft und Mitarbeiter (vgl. Dehner, 2004, S. 14f.). 3 Chancen und Grenzen des Coachingansatzes Führungskraft als Coach 3.1 Chancen des Coachingansatzes Führungskraft als Coach Chancen/Nutzen der Führungskraft Wenn Führungskräfte Mitarbeiter coachen, entwickeln diese sich weiter und übernehmen viel mehr Verantwortung, damit auch mehr und andere Aufgaben. Im Alltag merken die Führungskräfte diese Veränderung an einem größeren Zeitpotenzial für ihre eigentlichen Aufgaben. Coachende Führungskräfte können sich vermehrt strategischen Überlegungen und der gezielten Entwicklung der eigenen Mitarbeiter widmen. Damit erhöht sich die Leistungsfähigkeit der Organisation. Die Führungskraft entwickelt sich selbst gemeinsam mit den Mitarbeitern, sobald sie sich entschließt, Coaching als Grundeinstellung und Verhaltensform anzunehmen. Die Führungskraft tritt in eine partnerschaftliche, respektvolle Beziehung zu ihren Mitarbeitern. Die coachende Führungskraft wandelt sich vom vermeintlich fehlerlosen zu einem normalen Menschen, der sich auch erlauben darf, Dinge und sich selbst zu hinterfragen, zu zweifeln und loszulassen. Die Führungskraft kann sich am Erfolg ihrer Mitarbeiter und der damit verbundenen Motivation und Loyalität erfreuen. Es kostet weniger Energie, zu vertrauen statt zu kontrollieren. Coaching fordert natürlich die Bereitschaft, andere stark zu machen. Es setzt das Aufgeben vom Machtanspruch herkömmlicher Führung und damit verbundener Gewohnheiten voraus, mit der Belohnung, sich kraft natürlicher Autorität zu profilieren und als zukunftsweisender Leader anerkannt zu sein (vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 18 f.). Chancen/Nutzen für Mitarbeiter Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen werden beim Mitarbeiter durch Coaching gefördert. Der Mitarbeiter bekommt mehr Verantwortung und hat nun die Möglichkeit

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eigenverantwortlich Erfolgserlebnisse zu erringen und zu erleben. Er trifft selbst Entscheidungen und entwickelt sich dabei stetig weiter, da der Lerneffekt bei den selbst erlebten Situationen viel erheblicher ist. Zusätzlich bietet die Begleitung durch die Führungskraft eine Sicherheit für den Mitarbeiter. Das Coaching hilft ihm persönlich weiter und er sieht einen Sinn im Arbeitsleben. Weiterhin lernt er viel über sich und seine Fähigkeiten. Außerdem werden die Grundbedürfnisse nach Entwicklung, Einflussnahme, Selbstverwirklichung und Anerkennung befriedigt (vgl. Anonym, 2008, S. 16). Das Arbeitsklima verbessert sich, weil respektvoller Umgang miteinander und Teamarbeit zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Darüber hinaus erkennt der Mitarbeiter mit zunehmendem Selbstbewusstsein, dass er sich den Wunsch nach Sicherheit inmitten sich verändernder Lebensbedingungen auch selbst erfüllen kann. Auf Grund seiner Fähigkeiten und Persönlichkeit ist er in der Lage, sich in unterschiedlichsten Situationen zurecht zu finden (vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 18). Chancen/Nutzen für Unternehmen Coaching dient einer generellen Leistungs- und Produktivitätsverbesserung. Dank Coaching nutzen Gruppen und Individuen ihr Potenzial mehr aus, was sich positiv auf den Gesamterfolg des Unternehmens auswirkt. Schließlich können motivierte und selbstsichere Mitarbeiter die Unternehmensziele leichter erreichen. Ein weiteres wichtiges Thema für die Mitarbeiter ist heutzutage die „work-life-balance“ und sie sind nur bereit sich voll ihren Aufgaben zu stellen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Privatleben akzeptiert und gefördert wird. Hier setzt das Coaching durch den Vorgesetzten an: Eine Trennung zwischen Privat- und Berufsleben ist kaum mehr möglich. Beide Bereiche beeinflussen sich gegenseitig. Wenn die eigenen, persönlichen Ziele der Führungskräfte und Mitarbeiter mit den Unternehmenszielen deckungsgleich sind dann sind die Mitarbeiter motiviert für eine reibungslose Zusammenarbeit zu sorgen. Da die Mitarbeiter Eigeninitiative ergreifen und daraus lernen, ermöglichen sie dem Unternehmen, einen lernenden Organismus zu bilden. Internes Coaching ist außerdem langfristig gesehen günstiger als externes Coaching. Eine weitere wichtige Chance ist die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber durch Coaching, welches wiederum die Wettbewerbsposition stärkt. Abschließend hat Coaching einen positiven Effekt auf die Kundenebene, da die Mitarbeiter positive Energie ausstrahlen und Kundenbedürfnisse schnell und individuell befriedigen. Der Kunde fühlt sich verstanden, es entsteht die Möglichkeit partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen und somit die Kundenbindung deutlich zu fördern (vgl. Anonym, 2008, S. 16 f.). 3.2 Grenzen des Coachingansatzes Führungskraft als Coach Coaching der Mitarbeiter durch die Führungskraft ist eine spezielle Form des Coaching, weil es gegen eine Reihe von Grundprinzipien des externen Coachings verstößt:

Freiwilligkeit Neutralität Autonomie Sympathie Persönliche Ziele Gleichberechtigung Wertschätzung, Vertraulichkeit, Offenheit Freie Themenwahl Nähe und Distanz Akzeptanz Authentizität Aufgaben der Führung Sich entbehrlich machen

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Freiwilligkeit Im Regelfall entscheidet die Führungskraft, ob ein Coaching stattfinden soll oder nicht. Die Führungskraft wird immer die hierarchisch höhergestellte Person bleiben, die ihren Mitarbeiter auch in seinem täglichen Handeln im Unternehmen beobachtet und bewertet. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass der Mitarbeiter einen Zwang empfindet, am Coaching-Prozess teilnehmen zu müssen. Selbst wenn der Mitarbeiter anfangs gegen ein Coaching voreingenommen ist, so ist es doch denkbar, dass er im Verlauf des Prozesses Vorteile für sich erkennt, die anfangs für ihn noch nicht sichtbar waren und ihn dazu bewegen, seine Meinung zu ändern. In diesem Fall würde ein gezwungenes Coaching im Einzelfall zur Freiwilligkeit führen. Ändert der Mitarbeiter seine Einstellung zum Coaching nicht, ist es fraglich, ob die Führungskraft dieses „Nein“ des Mitarbeiters, sowohl zum Coaching an sich als auch zu einem eventuell im Coaching erarbeiteten Erlebnis wertfrei akzeptieren kann. Ebenso kritisch ist es, wenn der Klient mit seinem Vorgesetzten als Coach nicht zurechtkommt und das Coaching von sich aus beenden möchte. Es ist fraglich, ob die Führungskraft dem Mitarbeiter mit einem neutralen und nicht bewertenden „OK“ entgegen tritt, so wie es ein externer Coach tun würde (vgl. Ebert, 2005, S. 11 f.). Neutralität Da sich eine Führungskraft im System ihrer Mitarbeiter bewegt, ist auch die Anforderung an ihre Rolle durch die Unternehmensziele vorgegeben. Somit ist eine zwangsläufige Folge, dass die Führungskraft bei ihrem täglichen Agieren auch das Verhalten ihrer Mitarbeiter beeinflusst. Allerdings ist die Führungskraft nicht ausschließlich Coach und hilft dem Mitarbeiter seine Lösungskompetenz zur Bewältigung der Aufgaben zu steigern, sondern sie ist auch für das Erreichen der Ziele verantwortlich. Dies bietet ein Konfliktpotential, da die Führungskraft in dieser Situation eine Person in zwei Rollen darstellt. Sie verfügt also in der Rolle als Führungskraft bei der Erfüllung ihrer Managementaufgaben auch über vertrauliches Wissen, das sie in der Rolle als Coach gesammelt hat (vgl. Ebert, 2005, S. 7). Autonomie Ein wichtiger Coachinggrundsatz ist, dass der Coach dem Coachee nicht den Lösungsweg zeigt, sondern dass der Coachee das Problem beziehungsweise die Lösung autonom erkennt. Die Führungskraft verfolgt aber auf ganz natürliche Weise bestimmte Interessen. Somit ist es möglich, dass sie (unbewusst) den Mitarbeiter beeinflusst und nicht eigenständig seine Ziele finden und erreichen lässt (vgl. Anonym, 2008, S. 17). Sympathie Vertrauen basiert unter anderem auf gegenseitiger Sympathie. Der Coachee muss bereit sein, sich zu öffnen und persönliches von sich preiszugeben wozu Vertrauen unerlässlich ist. In der Berufswelt steht aber nicht die Sympathie, sondern die erfolgreiche Zielerreichung im Vordergrund. Ein bestehendes Vertrauensverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter entspricht nicht immer der Realität. Die Vorgesetzten müssen teilweise unbeliebte Entscheidungen treffen, wodurch die Sympathie der Mitarbeiter beeinträchtigt wird (vgl. Anonym, 2008, S. 18). Persönliche Ziele Im Unternehmen geht es oft nur um berufliche Ziele, für private Ziele ist meistens kein Raum vorhanden. Im Coaching hingegen gibt es eine direkte Korrelation zwischen beruflichen und persönlichen Zielen. Zum Beispiel kann ein Mitarbeiter durch Coaching leistungsfähiger werden, wenn unterstützende Ressourcen im privaten Bereich verstärkt werden (vgl. Anonym, 2008, S. 18).

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Gleichberechtigung Ein gutes Coaching lebt von der gleichberechtigten Stellung des Coaches und des Coachee. Sowohl der Vorgesetzte wie der Mitarbeiter haben die gleichen Rechte und Pflichten. Im Unternehmensumfeld gibt es jedoch eine klare Hierarchie, die Führungskraft ist dem Mitarbeiter übergeordnet. Eine gleichberechtigte Partnerschaft ist somit nicht möglich, da die Rollen vorbelastet sind (vgl. Anonym, 2008, S. 18). Wertschätzung, Vertraulichkeit, Offenheit Da die Führungskraft in ihrer Funktion auch Managementaufgaben zu erfüllen hat, kann es in dieser Rolle auch für den Mitarbeiter zu existentiellen Entscheidungen führen. Das Erlangen von echtem Vertrauen durch den Mitarbeiter als notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Coaching-Prozess ist kritisch zu beurteilen. Wird der Mitarbeiter seine Emotionen und Ängste der Führungskraft während des Coaching zeigen, wenn er sich der Funktion der Führungskraft bewusst ist? Durch mangelnde Offenheit seitens des Mitarbeiters, mangelndes Vertrauen in bzw. mangelnde Wertschätzung durch die Führungskraft erhält diese falsche oder nur weichgespülte Aussagen. Wenn sie dann versucht, den Coachee unter Berücksichtigung dieser falschen Realität zu coachen, wird sie ihm höchstwahrscheinlich Hinweise zur Steigerung der Lösungskompetenz für ein Problem vermitteln, das in dieser Form nicht existiert. An dieser Stelle wird die Führungskraft ohne eigenes Verschulden an Grenzen stoßen (vgl. Ebert, 2008, S. 5). Der Mitarbeiter muss die Gewissheit haben, dass seine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit eigenen Defiziten und Blockaden wertschätzend und vertraulich behandelt und nicht gegen ihn benutzt wird. Manchmal jedoch sieht sich der Vorgesetzte als Vertreter des Unternehmens dazu gezwungen Informationen über den Mitarbeiter weiter zu geben oder in der Personalakte fest zu halten (vgl. Anonym, 2008, S. 18). Freie Themenwahl Beim externen Coaching ist das Themengebiet in den seltensten Fällen eingeschränkt. Es werden sowohl Themen auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene behandelt. Begründet ist dies darin, dass der Coach durch seine externe und dadurch neutrale Stellung eher das Vertrauen des Klienten gewinnen kann. Fehlende Offenheit des Klienten erschwert ein Vordringen auf die Beziehungsebene. Der Unterstellte thematisiert z. B. Konflikte nicht. Aber nicht nur Vertrauen und Offenheit bilden seitens des Klienten Determinanten für die Themenwahl, sondern vor allem die Anforderungen seitens des Unternehmens an die Rolle des Mitarbeiters. Wenngleich das Unternehmen auch ein soziales Gebilde ist, in dem die Beziehungsebene eine entscheidende Rolle spielt, so fordert die Profitorganisation doch überwiegend eine Steigerung auf der Sachebene, indem durch Steigerung der Fähigkeiten letztlich eine Steigerung der Produktivität erzielt werden soll. Das Themenfeld wird durch externe, d. h. außerhalb des Einflussbereiches liegende Faktoren, eingeschränkt (vgl. Ebert, 2005, S. 13 f.). Nähe und Distanz Im Coaching bildet die Distanz des Coachs zum System des Coachee eine wichtige Voraussetzung für den gesamten Prozess. Bei der Betrachtung der Führungskraft als Coach ist dies etwas zu relativieren. Eine distanzierte und neutrale Beobachtung des Mitarbeiters durch den Vorgesetzten ist nur eingeschränkt gewährleistet, da sie selbst Teil des Systems ist. Vor diesem Hintergrund wird sich das Coaching durch die Führungskraft zwar am Mitarbeiter ausrichten, allerdings an den Zielvorgaben des Unternehmens orientieren. In der Praxis ergibt sich die Problematik, dass die Führungskraft ihren Mitarbeiter immer nur als Mitarbeiter erleben wird und weniger als Person, die sich vielleicht zu korpulent fühlt und aus diesem Grund ein mangelndes Selbstwertgefühlt hat. Für einen Teilbereich kann die Nicht-Distanz sogar insofern eine Chance bieten, indem die

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Führungskraft die genau gestellten Anforderungen an die Rolle des Mitarbeiters im System kennt. Dies ermöglicht es ihr, abzusehende und zukünftige Erfordernisse an den Mitarbeiter und dessen Qualifikationen rechtzeitig zu erkennen und das Coaching auf diese Anforderungen auszurichten. Dieses individuelle Coaching signalisiert dem Mitarbeiter die Wertschätzung seiner Person durch die Führungskraft. Die Führungskraft sollte ihrem Mitarbeiter Raum zum Ausprobieren geben, damit er aus seinen eigenen Fehlern lernen kann. Bei einem Mitarbeiter-Coaching ist der Klient immer in der Nähe seines Coachs, während er bei einem externen Coaching nach Hause gehen kann. Dies führt möglicherweise zu einer Belastung, wenn er das Gefühl des „nie mehr Aufhörens“ bekommt. Der Anspruch an die Führungskraft als Coach sollte also sein, das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu finden (vgl. Ebert, 2005, S. 5 f.). Akzeptanz Die Führungskraft kann die Akzeptanz des Mitarbeiters erlangen, indem sie die zur Erfüllung der Rolle des Coachs nötige fachliche Qualifikation vorweist Die Qualifikation für den Coach besteht aus Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz. Es kann unter Umständen schädlich sein, ein Experte/Spezialist in dem Gebiet des Mitarbeiters zu sein. So kann es geschehen, dass ein Mitarbeiter zu langsam an einem Projekt arbeitet und möglicherweise unter Zeitdruck gerät. Dann besteht die Gefahr, dass der Coach mit Expertenwissen die Lösung vorgeben wird, um die Zeitschiene im Projekt nicht zu gefährden. Die Führungskraft sollte den Mitarbeiter dazu ermutigen, den eigenen Lösungsweg zu finden. Weiterhin ist es wichtig, den Mitarbeiter/Klient als Ganzes anzunehmen. Nicht nur mit seinen Stärken und Schwächen, sondern auch als Persönlichkeit, als Begleiter in unterschiedlichen Rollen. Akzeptanz vor diesem Hintergrund bedeutet, die Beeinflussung der beruflichen Rollen zu akzeptieren und eine dadurch begründete Veränderung nicht zu verurteilen (vgl. Ebert, 2008, S. 8 f.). Authentizität Authentizität im betrieblichen Sinn ist die Wahrnehmung der Vorbildfunktion. Wenn die Führungskraft das, was sie sich von den Mitarbeitern erwartet und vorstellt auch selbst vorlebt, verschafft sie sich nicht nur Akzeptanz bei ihren Mitarbeitern, sondern gibt ihnen ebenfalls ein gutes Beispiel. Je deutlicher diese Vorbildfunktion zu Tage tritt, desto positiver wird sich der Coaching-Prozess entwickeln. In dem Moment, wenn der Mitarbeiter bemerkt, dass die Führungskraft ihre Erwartungen und Gefühle offen äußert, wird auch der Mitarbeiter ermutigt, dies ebenfalls zu tun (vgl. Ebert, 2008, S. 10). Aufgaben der Führung Coaching kann helfen Führungsaufgaben effektiver wahrzunehmen. Die Führungskraft ist verpflichtet, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam umzugehen. Eine Führungskraft als Coach führt ihre Mitarbeiter entwicklungsorientiert und setzt ihre eigene Ressource ein, um die ihrer Mitarbeiter durch Steigerung ihrer Fähigkeiten zu verbessern. Ein externer Coach verlangt ein Honorar, eine Führungskraft bekommt ihr Gehalt, welches das Unternehmen sowieso zahlen muss. Dies hilft beim sparsamen Umgang mit Ressourcen, indem sie zwar für sich persönlich zunächst einen Mehraufwand betreibt, aber keine zusätzlichen finanziellen Mittel aufwenden muss, um die Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Ihr Einsatz zahlt sich dann aus, wenn der Mitarbeiter sein Entwicklungsziel erreicht und durch gesteigerte Fähigkeiten nun auch andere, möglicherweise höherwertige Aufgaben erfüllen kann, die ihm bisher vielleicht aus mangelnder Problemlösungsfähigkeit nicht übertragen werden konnten. Die Stärkung der Subsysteme zieht also unweigerlich eine Stärkung des Gesamtsystems nach sich (vgl. Ebert, 2008, S. 10 f.).

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Sich entbehrlich machen Ziel eines jeden Coachings ist es sich entbehrlich zu machen. Auf Grund der räumlichen Nähe zum Mitarbeiter ist dies für die Führungskraft schwer darstellbar, als dass der Unterstellte immer die Möglichkeit hat, zu seiner Führungskraft zu gehen und sich Hilfe einzuholen. Dies birgt die Gefahr, dass der Klient sich nicht von der Unterstützung seines Coachs trennen kann. Die Führungskraft fühlt sich gegenüber dem Unterstellten als Coach verpflichtet, Hilfestellung zu leisten, wenn er es einfordert, bzw. anzubieten, wenn es als nötig erachtet wird. Reagiert eine Führungskraft als Coach, wird sie sich auch ein viertes Mal mit dem Mitarbeiter demselben Thema widmen. Um Ihre Managementaufgaben allerdings nicht zu vernachlässigen, wird sie irgendwann eine Grenze setzen müssen und den Mitarbeiter auffordern, es nun allein zu versuchen. D. h. dass ihre Funktion als Vorgesetzter ihrer Rolle als Coach Restriktionen vorgibt und sie in manchen Situationen gezwungen ist, Grenzen zu setzen, die ein externer Coach aufgrund seiner neutralen außersystemischen Stellung nicht setzen müsste. Somit wäre zwar das Ziel sich entbehrlich zu machen erreicht, aber es ist fraglich, ob die Qualität des Coaching-Prozesses nicht unter einem vorzeitigen Abbruch, der notwendig ist, um die Managementaufgaben zu erfüllen, leidet (vgl. Ebert, 2008, S. 12 f.). Zusätzlich zu den zuvor im Detail betrachteten Verstößen gegen die Grundprinzipien des Coaching wird es im Falle eines Coachings immer wieder Situationen geben, wo die Führungskraft bezüglich Coaching an ihre Grenzen stößt. Es gibt keine allgemeingültigen Regeln, wann dies der Fall ist. Es ist individuell von der Person der Führungskraft, vom Kontext und von der jeweiligen Verfassung abhängig. Gemäß Haberleitner/Deistler/Ungvari (2018) sind häufig genannte Gründe:

Eigene Betroffenheit der Führungskraft: Der Mitarbeiter schildert ein Problem, das die eigene „Geschichte“ der Führungskraft wieder aufleben lässt. Es ist dann schwer möglich, die eigene Geschichte von der des Mitarbeiters zu trennen. Die Betroffenheit führt dazu, dass die Führungskraft sich nicht auf die Landkarte des Mitarbeiters konzentrieren kann.

Führungskraft hat eigene Probleme oder Sorgen: Es ist hier nur schwer möglich, sich voll Interesse auf einen Mitarbeiter einzulassen. Es wäre sinnvoll, ein geplantes Coachinggespräch wenn möglich zu verschieben.

Krankheitswertige Störungen, wie z. B. Alkoholismus oder Burnout: Jede krankheitswertige Störung muss behandelt werden Sobald eine Führungskraft das Gefühl hat, mit einem persönlichen Problem des Mitarbeiters überfordert zu sein, kann sie ihn dabei unterstützen, professionelle Hilfe (z. B. externes Coaching, Lebensberatung oder Therapie) in Anspruch zu nehmen.

Führungskraft ist in einen Konflikt mit dem Mitarbeiter selbst involviert: Es bedarf einiger Erfahrung und viel Selbstreflexion, um den eigenen, kontroversen Standpunkt zu vertreten und sich gleichzeitig im Sinne des Coachings nicht wertend mit den Argumenten des Mitarbeiters auseinanderzusetzen. Hier ist oft die Hilfe durch einen externen Coach angezeigt, der mit beiden gemeinsam ein Konfliktgespräch führt.

Führungskraft ist davon überzeugt, dass es hilfreicher ist, nicht zu coachen: Es wird immer wieder Situationen geben, wo die Führungskraft anweisen, entscheiden oder eine Lösung vorgeben wird. Es liegt in der Verantwortung der Führungskraft, jeweils zu entscheiden, ob der Schwerpunkt im Moment auf der Entwicklung des Mitarbeiters liegt oder ob andere Kriterien den Ausschlag geben (Risiko, Einheitlichkeit etc.).

Private Probleme des Mitarbeiters: Es ist keineswegs Aufgabe der Führungskraft, ihre Mitarbeiter bei all ihren privaten Problemen zu betreuen. Wichtig ist es, die Auswirkungen der privaten Probleme auf

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die Arbeit anzusprechen und gegebenenfalls Ausnahmeregelungen für eine Übergangszeit bzw. externe Hilfe anzubieten

(vgl. Haberleitner/Deistler/Ungvari, 2018, S. 227 f.). Abschließend seien zur Vollständigkeit der Betrachtung noch vier weitere Kontraargumente zur Führungskraft als Coach gemäß Korsten/Mohr (2011) aufgeführt:

Entprofessionalisierung: Normalerweise haben Coaches eine mindestens dreijährige Coaching-Weiterbildung absolviert sowie mindestens eine fünfjährige Coaching-Erfahrung vorzuweisen. Dies kann eine Führungskraft selten vorweisen, weil ihr beruflicher Schwerpunkt einfach ein anderer ist. Gespräche, die man ansonsten führt, werden zwar gerne als Coaching-Erfahrung tituliert, sind aber ohne die entsprechend vereinbarten Rahmenbedingungen des Coachings nur per Zufall wirksam.

Verschenkte Chancen: Coaching wird, wenn man Führungskräfte zum Coach umdefiniert, nicht mehr als hochwertige Dienstleistung definiert.

Spezialisten- statt Generalisten-Job: Was viele Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern in guten Führungsgesprächen tun, ist noch lange kein Coaching. Im Coaching wird ein breites Spektrum persönlicher Kontexte für berufsbezogene persönliche Fragestellungen kompetent genutzt. Dies beginnt bei Fragen des Betriebsalltags, geht über Fragen der gesunden Lebensbalance bis hin zur Wahrnehmung und Prävention von Grenzsituationen. Der Coach hat dafür eine integrierte Kompetenz in Diagnostik und Persönlichkeitsentwicklung entwickelt, fußend auf entsprechender langjähriger persönlicher Selbsterfahrung. Dies kann, sollte und braucht eine Führungskraft nicht zu leisten. Dafür gibt es Spezialisten.

Konzeptkompetenz: Zum Coaching gehört die Fähigkeit das, was man tut, in der Sprache der Psychologie oder Pädagogik auch in Worte fassen und konzeptionell durchdenken zu können. Viele der Entscheidungen im kommunikativen Bereich fällen Führungskräfte aus dem Bauch heraus

(vgl. Korsten/Mohr: www.coaching-magazin.de. 2011, Aufruf: 18.05.2019).

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4 Befragung von Führungskräften als Selbstcheck zur Beherrschung der Führungsrolle Coach

4.1 Untersuchungsdesign und Datenerhebung Neben der äußerst interessanten Primärforschung im Sinne der dargestellten theoretischen Beleuchtung von Chancen und Grenzen einer Führungskraft als Coach wollte der Autor eruieren, inwieweit Führungskräfte in der Praxis die Führungsrolle als Coach beherrschen. Der Autor hat sich für eine standardisierte Befragung von Führungskräften in einem zentralen Unternehmensbereich eines Lebensmitteleinzelhandlskonzerns entschieden. Unter Führungskräften sind hierbei Prokuristen und Manager mit Führungsverantwortung zu verstehen. In diesem Unternehmen ist der Autor selbst als langjährige Führungskraft tätig. Die Beleuchtung von Theorie und Praxis in Bezug auf die Rolle der Führungskraft als Coach im Rahmen dieser Arbeit stellt für den Autor ein Betrachtungsgebiet von äußerstem Interesse dar, da es insbesondere zu einer Forcierung der Selbstreflexion des eigenen Führungsverhaltens führt. In der vorliegenden Arbeit soll auf die schriftliche Befragung zurückgegriffen werden, da diese mit Abstand die wichtigste Erhebungsmethode im Rahmen der Primärforschung angesehen werden kann. Der Autor greift auf einen in der Praxis bereits vielfach angewandten und somit bewährten Fragebogen (siehe Abbildung 1 und Abbildung 2) zurück. Dieser wurde von Dr. Bernd Wildenmann entwickelt. Dr. Wildenmann ist Inhaber und Geschäftsführer der Beratergruppe Wildenmann Consulting in Ettlingen. Führungskräfteentwicklung, Coaching und die Professionalisierung von Führungssystemen bilden Schwerpunkte seiner Arbeit. Der Fragebogen wurde vom Autor als zielführend für die empirische Erhebung im Rahmen dieser Arbeit erachtet, da der Fragebogen exakt auf die Klärung der Fragestellung abzielt inwieweit Führungskräfte die Führungsrolle als Coach in der Praxis, sprich in der Unternehmenseinheit des Lebensmittelkonzerns, leben beziehungsweise beherrschen. Der Fragebogen entspricht den Merkmalen eines standardisierten Fragebogens, mit jeweils identischen Fragen für alle befragten Personen. Der Vorteil standardisierter Befragungen liegt neben der Vollständigkeit und Vergleichbarkeit der Antworten auch in der leichteren Quantifizierbarkeit der Ergebnisse. Zudem zeichnen sich standardisierte Befragungen durch eine hohe Reliabilität aus, da der Interviewer keine Fragen hinzufügen und die Formulierung und Reihenfolge der Fragen nicht verändern kann (vgl. Mayntz/Holm/Hübner: Einführung in die Methode der empirischen Soziologie. 1978, S. 120). Der Autor hat den standardisierten Fragebogen um die Abfrage der folgenden demographischen Merkmale ergänzt:

Alter der Führungskraft Tätigkeit als Führungskraft in Jahren Führungsverantwortung für Anzahl von Mitarbeitern

Auf die Abfrage des Geschlechts wurde aufgrund von Anonymität verzichtet. Das Verhältnis von weiblichen und männlichen Führungskräften innerhalb des Unternehmensbereichs liegt bei 1:4.

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Abbildung 1: Fragebogen Selbstcheck: Kann ich Coaching? (Seite 1) Quelle: Wildenmann: Der Chef als Coach. unter:

https://www.wildenmann.com/fileadmin/user_upload/veroeffentlichungen_pdf/2016.02_managerSeminare_Der_Chef_als_Coach_2.pdf (abgerufen 18.05.2019).

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Abbildung 2: Fragebogen Selbstcheck: Kann ich Coaching? (Seite 2) Quelle: Wildenmann: Der Chef als Coach. unter:

https://www.wildenmann.com/fileadmin/user_upload/veroeffentlichungen_pdf/2016.02_managerSeminare_Der_Chef_als_Coach_2.pdf (abgerufen 18.05.2019).

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Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum zwischen dem 03.06.2019 und 17.06.2019. Hierzu wurden insgesamt 30 Fragebögen an einem für alle Führungskräfte des Unternehmensbereichs jederzeit zugängigen Ort ausgelegt. In der vorliegenden Arbeit wird auf eine Vollerhebung verzichtet. Sinnvoller erscheint die Durchführung einer Teilerhebung mittels Auswahl einer Stichprobe. Die Stichprobe soll die Grundgesamtheit dabei möglichst realitätsnah abbilden, um die Ergebnisse der Stichprobe auf die Grundgesamtheit übertragen zu können und einen Repräsentationsschluss zu ziehen (vgl. Fahrmeier/Künster/Pigeot/Tutz: Statistik – Der Weg zur Datenanalyse. 1999, S. 23). Es wird versucht, dem Anspruch der Repräsentativität bestmöglich gerecht zu werden, indem die Stichprobe ein Abbild verschiedener Alters-, Geschlechts- und Führungskräfteklassen darstellt. Der Autor hat allen Befragten absolute Vertraulichkeit im Umgang mit den Befragungsergebnissen zugesichert. Die Ergebnisse werden vor Verwendung im betrieblichen Kontext geschützt und nur der Autor hat Einblick in die Rückläufer der Fragebögen zwecks Erstellung der vorliegenden Abschlussarbeit. Im Nachgang hieran werden die Fragebogenrückläufer datenschutzkonform vernichtet. Um die Probanden zum Ausfüllen des Fragebogens zu motivieren, wurde dessen unverzichtbare Unterstützung für das Forschungsprojekt angesprochen. Die Auskunftsbereitschaft und -fähigkeit der Befragten hängt stark von der Dauer der Befragung ab. Für die Beantwortung des Fragebogens wurden daher durchschnittlich 8 Minuten veranschlagt, um die zeitliche Belastung der befragten Personen nicht überzustrapazieren. Maßgeblich für die zuträgliche Dauer war jedoch insbesondere das Interesse der Probanden an der Thematik. Im Vorfeld der anonymen Befragung wurde allen Führungskräften der Unternehmenseinheit der Aufbau und das Auffüllen des Fragebogens erläutert, um unter den Rückläufern valide und somit auswertbare Fragebögen zu haben. Der Fragebogen umfasst 8 Situationen auf 2 Seiten. Der Fragebogen verwendet geschlossene Fragen, da es dem Forscher um eine Gewichtung der möglichen Antworten geht. Bei den geschlossenen Fragen ist als Antwortmöglichkeiten zu jeder Situation eine Auswahl von 7 Antworten (a – g) vorgegeben. Die Befragten sollten die geschilderten Situationen aufmerksam durchlesen und jeweils die Antwortmöglichkeit anzukreuzen (a – g), die nach Meinung des Befragten die beste Reaktion als Führungskraft bzw. Coach auf die jeweilige Situation darstellt. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass jede Antwort mit einer Punktzahl hinterlegt ist, wodurch sich am Ende eine Gesamtpunktzahl ergibt, welche einen Hinweis liefert, wie gut der Befragte die Führungsrolle Coach bereits beherrscht. 4.2 Datenauswertung und Befragungsergebnisse Nach Ablauf des 14-tägigen Erhebungszeitraums wurden die Rückläufer über einen anonymen Rückgabeprozess an den Autor zurückgespielt. Die Rücklaufquote lag bei 83%. Insgesamt beantworteten somit 25 Führungskräfte den Fragebogen. Die außergewöhnlich hohe Rücklaufquote der Fragebögen spricht für das überaus große Interesse der Befragten an der Thematik inwieweit Führungskräfte die Führungsrolle Coach ausfüllen beziehungsweise beherrschen. Aufgrund der hohen Rücklaufquote konnte der Autor die Ergebnisse in einen validen Analyseprozess überführen. Das Alter liegt bei 2 (8%) Befragten zwischen 20 und 30 Jahren, bei 18 (72%) Befragten zwischen 31 und 40 Jahren, bei 4 (16%) Befragten zwischen 41 und 50 Jahren und bei einem (4%) Befragtem über 50 Jahre.

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Die Befragten sind mit Blick auf ihren gesamten beruflichen Lebensweg im Schnitt seit 9 Jahren als Führungskräfte tätig. Die Erfahrung als Führungskraft reicht bei den Befragten von 2 bis 23 Jahren. Im Schnitt hat jeder Befragte 4 Mitarbeiter, für die Führungsverantwortung besteht. Die Anzahl der Mitarbeiter, die einer Führungskraft unterstehen reicht von 1 bis 6 Personen. Die Verteilung der demographischen Merkmale ist keinesfalls überraschend und war bereits vor der Befragung absehbar, da die Stichprobe sich aus Führungskräften aus einem Unternehmensbereich des Einzelhandelslebensmittelkonzerns zusammensetzten sollte. Abbildung 3 gibt einen Überblick über das Auswertungsschemata des Selbsttests.

Abbildung 3: Auswertung des Selbsttests Quelle: Wildenmann: Der Chef als Coach. unter:

https://www.wildenmann.com/fileadmin/user_upload/veroeffentlichungen_pdf/2016.02_managerSeminare_Der_Chef_als_Coach_2.pdf (abgerufen 18.05.2019).

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In Tabelle 1 ist eine Detailauswertung der 25 Fragebogenrückläufer dargestellt.

Situation 1 2 3 4 5 6 7 8

Befragter Gesamt-

punkte

1 Antwort, Punkte

F,1 G, 2 B, 1 C, 1 G, 0 D, 2 C, 2 D, 2 11

2 Antwort, Punkte

C, 1 G, 2 B, 1 A, 2 E, 1 D, 2 D, 0 D, 2 11

3 Antwort, Punkte

C, 1 G, 2 B, 1 C, 1 E, 1 C, 1 F, 1 D, 2 10

4 Antwort, Punkte

F, 1 G, 2 B, 1 E, 1 E, 1 D, 2 G, 1 G, 1 10

5 Antwort, Punkte

A, 2 G, 2 G, 0 E, 1 E, 1 E, 1 G, 1 D, 2 10

6 Antwort, Punkte

B,0 G, 2 B, 1 F, 1 E, 1 E, 1 F, 1 F, 0 7

7 Antwort, Punkte

B,0 A, 1 B, 1 C, 1 F, 0 D, 2 F, 1 B, 0 6

8 Antwort, Punkte

B,0 A, 1 C, 2 C, 1 E, 1 C, 1 D, 0 G, 1 7

9 Antwort, Punkte

D, 0 G, 2 B, 1 A, 2 A, 2 G, 1 C, 2 C, 1 11

10 Antwort, Punkte

C, 1 G, 2 B, 1 F, 1 A, 2 D, 2 C, 2 D, 2 13

11 Antwort, Punkte

F, 1 G, 2 C, 2 F, 1 F, 0 D, 2 F, 1 G, 1 10

12 Antwort, Punkte

B, 0 G, 2 E, 0 F, 1 F, 0 E, 1 F, 1 G, 1 6

13 Antwort, Punkte

E, 0 G, 2 B, 1 A, 2 G, 0 D, 2 B, 0 F, 0 7

14 Antwort, Punkte

D, 0 G, 2 B, 1 E, 1 F, 0 D, 2 G, 1 F, 0 7

15 Antwort, Punkte

E, 0 A, 1 B, 1 A, 2 C, 0 C, 1 C, 2 G, 1 8

16 Antwort, Punkte

F, 1 G, 2 B, 1 F, 1 E, 1 D, 2 F, 1 F, 0 9

17 Antwort, Punkte

F, 1 A, 1 B, 1 C, 1 A, 2 D, 2 G, 1 F, 0 9

18 Antwort, Punkte

E, 0 A, 1 B, 1 E, 1 D, 0 C, 1 G, 1 G, 1 6

19 Antwort, Punkte

B. 0 G, 2 E, 0 F, 1 E, 1 E, 1 C, 2 D, 2 9

20 Antwort, Punkte

B, 0 G, 2 B, 1 F, 1 E, 1 D, 2 D, 0 F, 0 7

21 Antwort, Punkte

B, 0 G, 2 B, 1 C, 1 F, 0 D, 2 G, 1 G, 1 8

22 Antwort, Punkte

F, 1 G, 2 B, 1 A, 2 A, 2 D, 2 G, 1 F, 0 11

23 Antwort, Punkte

B, 0 G, 2 C, 2 C, 1 C, 0 C, 1 G, 1 G, 1 8

24 Antwort, Punkte

B, 0 G, 2 B, 1 C, 1 E, 1 D, 2 A, -2 D, 2 7

25 Antwort, Punkte

B, 0 G, 2 B, 1 F, 1 A, 2 D, 2 F, 1 F, 0 9

Antwort Anzah Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl

A 1 5 0 5 5 0 1 0 B 10 0 19 0 0 0 1 1 C 3 0 3 8 2 5 5 1 D 2 0 0 0 1 15 3 7 E 3 0 2 4 10 4 0 0 F 6 0 0 8 5 0 7 8 G 0 20 1 0 2 1 8 8

Tabelle 1: Detailauswertung Fragebögen

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Wildenmann: 21 Pfade für die erfolgreiche Führung von Menschen. 2015, gekürzte Fassung.

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Tabelle 2 zeigt für jede im Fragebogen abgefragte Situation die passende Reaktion aus der Coaching-Perspektive. Hieraus lässt sich erkennen, welche systemischen Fragen besonders nützlich für eine erfolgreiche Gesprächsführung in schwierigen oder anspruchsvollen Gesprächssituationen sind. Die Anwendung von systemischen Fragen ist ein wertvolles und geeignetes Instrument, welches eine Führungskraft effektiv und gezielt in das eigene Handeln integrieren kann. Neben den offenen und geschlossenen Fragen gibt es die systemischen Fragen, welche das Handwerkzeug eines jeden Coachs sind. Mittels systemischer Fragen kann die Führungskraft Fähigkeiten, Stärken und Bedürfnisse der Mitarbeiter erkennen, Entwicklungen steuern sowie die Mitarbeiterleistung steigern, sodass das übergeordnete Ziel unternehmerischen Erfolgs erreicht werden kann. Passende Reaktion aus Coaching-Perspektive

(je Situation absteigend nach Geeignetheit) Antwort

Situation 1

Hypothetische Verlängerung Bedingungsfrage, Perspektivenwechsel

A C, F

Situation 2

Priorisieren Verbalisieren

G A

Situation 3

Wirkungsfrage Klären

C B

Situation 4

Intervention Konkretisieren, Perspektivenwechsel, Hypothetische Lösung

A C, E, F

Situation 5

Verbalisieren Hypothetische Verlängerung

A E

Situation 6

Bedingungsfrage Konkretisieren, Hypothetische Frage, Verbalisieren

D C, E, G

Situation 7

Intervention; Hypothetische Frage, Verbalisieren

C F, G

Situation 8

Bedingungsfrage; Verbalisieren, Skalierungsfrage

D C, G

Tabelle 2: Passende Reaktion aus Coaching-Perspektive

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Wildenmann, 2015, gekürzte Fassung. Durch die Addition der Punktzahl je Situation ergibt sich eine Gesamtpunktzahl für jeden Befragten. Diese Gesamtpunktzahl lässt sich auf einer Skala von -16 bis +16 abtragen. Je positiver der Skalenwert desto besser beherrscht die jeweilige Führungskraft die Führungsrolle Coach. Tabelle 3 zeigt die Auswertungsübersicht. Auf den Punkt gebracht, beherrschen 80 % der befragten Führungskräfte die Führungsrolle mit einem guten Grad und 20 % der Befragten mit einem sehr guten Grad.

gar nicht verbesserungswürdig Gut sehr gut -16

Punkte bis 0

Punkte bis 5

Punkte bis 10

Punkte bis 16

Punkte

Gesamtpunktzahl

Anzahl Führungskräfte (absolut und in %)

Grad der Beherrschung der Führungsrolle Coach

durch Führungskraft 6 3 (12 %) Gut 7 6 (24 %) Gut 8 3 (12 %) Gut 9 4 (16 %) Gut 10 4 (16 %) Gut

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11 4 (16 % Sehr gut 12 0 (0 %) Sehr gut 13 1 (4 %) Sehr gut

Tabelle 3: Grad der Beherrschung der Führungsrolle Coach

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Wildenmann, 2015, gekürzte Fassung. Somit lässt sich festhalten, dass die befragten Führungskräfte in diesem Unternehmensbereich des Lebensmitteleinzelhandelskonzerns in ihrer alltäglichen Zusammenarbeit und Führung von Mitarbeitern bereits Coachinginhalte bewusst oder unbewusst anwenden. Eine Differenzierung zwischen bewusstem und unbewusstem Einsatz kann und soll an dieser Stelle nicht verifiziert werden. Nach Meinung des Autors ist es schlussendlich entscheidend, dass Coachinginhalte überhaupt zum Tragen kommen, um die Führung durch den Vorgesetzten gegenüber den eigenen Mitarbeitern positiver und zielgerichteter zu gestalten. Abschließend möchte der Autor jedoch noch einmal auf die Bedeutung der praktischen Anwendung von systemischen Fragen im Führungsalltag hinweisen. Nach Meinung des Autors kann mit dem Einsatz ausgewählter Coachingmethoden und -techniken, insbesondere den systemischen Fragen, eine Führungskraft die eigene Führungskompetenz gezielt verbessern. Der Autor konnte selbst im Zuge seiner Coachingausbildung den gezielten Einsatz von systemischen Fragen erlernen und wendet diese in seiner Rolle als Führungskraft mit großer Genugtuung situationsbedingt proaktiv und mit Erfolg an. 5 Fazit Alle Arten von Coaching, egal ob extern oder intern, mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen, haben jeweils eine durchaus gerechtfertigte Effektivität. Coaching im betrieblichen Kontext, insbesondere durch die Führungskraft, bietet dabei ein sehr hilfreiches Instrument zur Entwicklung der Mitarbeiter. Dabei sollte aber die Führungskraft genau die Grenzen dieser Methode im betrieblichen Kontext kennen und die daraus resultierenden Nachteile beachten. Nur so kann sie die vorhandenen Vorteile und Chancen nutzen und ihren Mitarbeitern ein effektiver Wegbegleiter sein. Eine Führungskraft kann zum Beispiel ein Beurteilungsgespräch, bei dem der Zielerreichungsgrad des letzten Jahres Thema ist, nutzen, um zu klären wo die Schwächen des Mitarbeiter liegen, und miteinander Maßnahmen entwickeln, die den Mitarbeiter weiter bringen. Auf diese Art und Weise ist dem Mitarbeiter der Kontext der Hilfestellung, die ihm gegeben werden soll, ohne weiteres klar. Er weiß, dass es auch im Interesse seines Vorgesetzten liegt, dass er sich weiterentwickelt. Auf diese elegante Weise kann man, ohne den Begriff Coaching zu verwenden, vorhandene Führungsinstrumente wie Beurteilungsgespräche oder Zielvereinbarungsgespräche um die Coaching-Komponente erweitern. Die Führungskraft erfährt in ihrer Tätigkeit als Coach selbst eine Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit, die positive Auswirkungen auf den täglichen Umgang mit den Mitarbeitern hat. Ein kooperativer Führungsstil, der die Mitarbeiter als eine Persönlichkeit wertschätzt und sie mit ihrer persönlichen Meinung und Kreativität in den Führungsprozess aktiv einbindet, erscheint zunehmend wichtiger. Nach der Meinung des Autors ist Coaching eine hilfreiche Methode die in einem zeitgemäßen Unternehmen eingesetzt werden sollte.

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Coaching ist heutzutage ein wichtiges Personalthema. Die Führungskraft als Coach ist ein Ansatz, wo der Vorgesetzte den Mitarbeiter fördert und entwickelt. Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Thematik des Coachings, wurden jedoch auch einige Kritikpunkte klar. Es ist nicht klar wie hoch die Erfolgsmöglichkeit des Coachings durch den Vorgesetzten ist. Die Grenzen werden vor allem deutlich, wenn man diesen Ansatz mit traditionellem Coaching vergleicht. So verstößt es gegen eine große Anzahl der Grundprinzipien des Coachings wie Neutralität, Vertraulichkeit oder Gleichberechtigung und dadurch ist es unklar, ob diese Art von Coaching erfolgreich sein kann. Die Rollenvorbelastung ist sehr präsent und da erscheint es schwierig, dass sich der Mitarbeiter öffnen kann. Außerdem kann die Führungskraft auch ihre Machtposition missbrauchen. Grundsätzlich ist es fraglich, ob ein so direkter Vergleich mit traditionellem Coaching überhaupt Sinn macht, da das Coaching durch die Führungskraft ein erweitertes fast eigenständiges Konzept darstellt. Es ist möglich, dass der Begriff des Coachings nicht angemessen ist, denn es kann nicht den Anspruch haben, ein traditionelles Coaching durch eine externe Person zu ersetzen. Viel mehr könnte es als Konzept verstanden werden, das unter intensives Feedback mit gemeinsamer Aufbereitung von möglichen Lösungsansätzen fällt. Bei Berücksichtigung der Pro- und Kontra-Argumente wurde dem Autor deutlich, dass es insbesondere von den individuellen Rahmenbedingungen und der menschlichen als auch fachlichen Kompetenz des coachenden Vorgesetzten abhängig ist, ob überhaupt ein fundiertes Coaching möglich ist. Grundsätzlich kann ein Coaching durch den Vorgesetzten erst nahegelegt werden wenn:

Mitarbeiter entwicklungsorientiert geführt werden im Vorfeld klar ist, dass hauptsächlich berufliche Aspekte zu thematisieren sind auf die (Kultur-)Neutralität des Coachs kein besonderer Wert gelegt wird die Organisationskultur Coaching als positiv bewertet die Interessen des Klienten mit denen seiner Organisation übereinstimmen nicht notwendigerweise bisher unbekannte Lösungen gefunden werden sollen fachliche Fragen mit einer auch bewertenden Führungskraft aufgearbeitet werden

sollen Unterstützung beim Aufbau von Führungskompetenz gesucht wird organisationsinterne Personalentwicklungsmaßnahmen durch den Vorgesetzten

unterstützt werden sollen Vorgesetzte freiwillig die Coach-Rolle wünschen Vorgesetzten für ihre coachende Tätigkeit Zeiträume zur Verfügung gestellt werden die Supervision für die Vorgesetzten gesichert ist.

Abschließend fühlt sich der Autor nicht legitimiert ein allgemein gültiges Urteil über die Vereinbarkeit der Rolle „Führungskraft als Coach“ fällen zu können. Um alle Fragen beziehungsweise Konzepte zu prüfen reicht die in dieser Abschlussarbeit betrachtete Theorie in Verbindung mit der empirischen Befragung der Führungskräfte im gewählten Lebensmitteleinzelhandelskonzern nicht aus. Der Autor empfände es sehr spannend eine umfangreiche Umfrage zur Erfolgsmessung des coachenden Vorgesetzten durchzuführen und durch eine wissenschaftlich gründlich fundierte Analyse alle Facetten dieses Themas zu beleuchten.

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6 Literaturverzeichnis Anonym: Die Führungskraft als Coach – Chancen und Grenzen, GRIN Verlag GmbH, 2008. Dehner, U. und R.: Coaching als Führungsinstrument – So fördern Sie Mitarbeiter in schwierigen Situationen, Campus Verlag GmbH, 2004. Dollinger, M.: Systemischer Coach, Skript Competence on Top, 2016. Dollinger, M.; Hogrefe, C.: PocketGuide Business Coach Wirkungsvolle Coaching Interventionen – vom Erstgespräch bis zum erfolgreichen Coaching Abschluss, managerSeminare Verlags GmbH, 2013. Ebert, L.: Die Führungskraft als Coach, GRIN Verlag GmbH, 2005. Fahrmeir, L.; Künstler, R.; Pigeot, I.; Tutz, G.: Statistik – Der Weg zur Datenanalyse, 2. Auflage, Berlin, 1999. Haberleitner, E.; Deistler, E.; Ungvari, R.: Führen, Fördern, Coachen – So entwickeln Sie die Potenziale Ihrer Mitarbeiter, Ungekürzte Taschenbuchausgabe der 2. aktualisierten Neuauflage 2007, Piper Verlag GmbH, 2018. Hießböck, H-C.: Die Führungskraft als Coach, VDM Verlag Dr. Müller, 2010. ManagerSeminare: Die Führungskraft als Coach, Ergebnisse des MeinungsMonitors mS 228, in: managerSeminare, Heft 230, Mai 2017, S. 23. Mayntz, R.; Holm, K.; Hübner, P.: Einführung in die Methode der empirischen Soziologie, 5. Auflage, Opladen, 1978. Patrzek, A.: Systemisches Fragen Professionelle Fragetechnik für Führungskräfte, Berater und Coaches, 2. Auflage, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2017. Reuter, R.: Die Führungskraft als Coach – Helfer und Begleiter im Change-Prozess, GENIOS WirtschaftsWissen Nr. 09, GENIOS Verlag, 2012. Tonhäuser, C.: Implementierung von Coaching als Instrument der Personalentwicklung in deutschen Großunternehmen, Forum Personalmanagement/Human Resource Management, Band 9, 2010. Wildenmann, B.: 21 Pfade für die erfolgreiche Führung von Menschen, Springer Gabler, 2015, gekürzte Fassung.

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Die Führungskraft als Coach – Chancen und Grenzen Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB)

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