Von der Siguranta zur Securitate und von der Securitate ... · PDF filekom-munistische Nachfolgeorganisation Securitate, die 1948 gegründet wurde. ... “Piramida umbrelor”, Timisoara

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    Themen

    Der brgerliche rumnische Geheimdienst, Siguranta,hatte sich whrend der Zwischenkriegszeit als ein willigesWerkzeug der jeweiligen politischen Regime erwiesen. Erdiente in der kurzen Zeitspanne der parlamentarischenDemokratie - bis 1938 - fast ausschlielich dazu, Anders-denkende, das heit in erster Linie Kommunisten undspter auch Anhnger der faschistischen Legionre un-schdlich zu machen. Dabei bediente sich die Sigurantanicht immer legaler Methoden. Diejenigen, die in ihreFnge gerieten, wurden keineswegs mit Handschuhenangefat. Whrend der Knigs- und Antonescu-Diktaturagierte die Siguranta offen als eine politische Geheimpo-lizei, auf deren Konto Folterungen, Bespitzelungen, jasogar Morde gehen. Eine historische Untersuchung berdie Praktiken, Methoden und den tatschlichen Aufga-ben-bereich der Siguranta steht ebenso aus wie ber diekom-munistische Nachfolgeorganisation Securitate, die1948 gegrndet wurde. Whrend des kurzenpseudodemokra-tischen Intermezzos von 1944 bis 1947,also in der Zeit nach dem Sturz Antonescus bis zur Abdan-kung des Knigs, gab es vereinzelte Prozesse gegen ehema-lige Siguranta-Offiziere.1 Der weitgehend intakt gebliebeneApparat geriet jedoch zunehmend unter die Kontrolle sowje-tischer NKWD-Offiziere, die ihrerseits rumnische kom-munistische Fhrungsfunktionre, die mit der Roten Armeeaus dem Exil aus der UdSSR zurckgekommen waren, inden Geheimdienst einschleusten. Dort besetzten sie nachund nach smtliche Schlsselpositionen. Einer davon warder sptere hohe Securitate-Offizier, der berchtigte Nicol-ski2, auf dessen Konto unzhlige Verbrechen gehen und derunter anderem auch fr das unmenschliche Experiment imGefngnis von Pitesti (1949 - 1952) verantwortlich ist. DieUmwandlung des alten Gendarmerie- und Polizeiapparatesin die sogenannte Miliz erfolgte ebenfalls unter Aufsichtsowjetischer Berater, die nach Rumnien abkommandiertworden waren, um das Land in krzester Zeit in eineVolksdemokratie zu verwandeln.

    Nach dem Sturz der prosowjetischen Gruppe AnaPauker, Teohari Georgescu und Vasile Luca - 1952 - er-nannte Parteichef Gheorghiu-Dej Alexandru Draghicizum neuen Innenminister. Draghici sollte das gegen den

    Hauptrivalen des Parteichefs, dem ehemaligen Justizmi-nister Lucretiu Patrascanu laufende, jedoch stagnierendeStrafverfahren ankurbeln und durch einen Schauprozeabschlieen. Der Tod Stalins, im Mrz 1953, ndertenichts am Vorhaben Gheorghiu-Dejs. Patrascanu wurdeschlielich zum Tode verurteilt und 1954 hingerichtet.Inwiefern die Beziehungen zum KGB nach dem Abzugder sowjetischen Besatzungstruppen 1958 aufrechterhal-ten wurden, ist schwer zu sagen. Die Zusammenarbeitzwischen den anderen osteuropischen Geheimdienstenfunktionierte allerdings bis 1989 ebenso wie mit demKGB, wobei anzunehmen ist, da die Beziehungen wegendes von Bukarest eingeschlagenen eigenstndigen natio-nalen Kurses wahrscheinlich abkhlten. Nach 1968 ver-schlechterten sich diese Beziehungen sowieso. Die Me-moiren des prominenten Securitateberlufers Ion MihaiPacepa sind in diesem Zusammenhang nicht ernst zunehmen. Viele von ihm in Umlauf gesetzte Behauptungenentsprechen nicht der Wahrheit und scheinen aus einemschlechten Krimi entlehnt worden zu sein.3 In den nunzugnglichen Stasi-Archiven wurden bislang keine ein-schlgigen Dokumente entdeckt, die eine Zusammenar-beit der Securitate mit dem Staatssicherheitsdienst derDDR nach 1968 belegen wrden. Ein einziger spektaku-lrer Fall aus den 50er Jahren ist bekannt, bei dem die Stasieinen rumnischen Exilanten, der 1955 in den Terror-anschlag auf die rumnische Botschaft in Bern verwickeltwar, in Berlin verhaftete und an Bukarest auslieferte.Gelegentlich einer Ausstellung fr Angehrige der Stasiwurde 1958 bislang noch nicht entdecktes Bildmaterialgezeigt, zu dem folgender Text fabriziert worden war:

    berschrift: Emigrantenorganisationen. VorgangBeldeanu. berschrift: Der Mrder von Bern ... in derDDR ohne Chance. Gesamttext: Am 31. 8. 1958 wurde imdemokratischen Sektor von Gro-Berlin der TerroristOliviu Beldeanu von Angehrigen der Sicherheitsorganeder DDR nach Brechung bewaffneten Widerstandes fest-genommen. Beldeanu war im Auftrag einer faschistischenEmigrantenorganisationen, die ihren Hauptsitz in NewYork hat, nach Berlin gekommen, um die Chancen frkonterrevolutionre Provokationen nach dem Muster des

    Berner Mordberfalls aufdie rumnische Gesandt-schaft vom Februar 1955zu erkunden. Die faschi-stische Emigranten-organisation 'Freies Ru-mnien' in deren Dien-sten Beldeanu stand, wirdvom US-Geheimdienstangeleitet; ihre Verbre-chen gegen die sozialisti-schen Staaten werden ausdem 100-Millionen-Dol-lar-Fonds der amerikani-schen Regierung finan-ziert.

    William Totok

    Von der Siguranta zur Securitate und von

    der Securitate zum S. R. I.

    1 Virgil Ierunca berichtet in seinem Buch Fenomenul Pitesti (Das Pitesti-Phnomen), Bukarest 1990, bereinen gewissen Oberst Sepeanu, einen Stellvertreter des gefrchteten Securitatechefs Nicolski, der whrend desRulandfeldzuges eigenhndig Kommunisten erschossen haben soll. Kurz nach seiner Verurteilung wurde erallerdings rehabilitiert und zeigte sich deswegen den neuen Behrden gegenber besonders erkenntlich (S. 20).

    2 Alexandru Serghievici Nicolski (alias Stefanescu; alias Boris Grumberg), geboren am 21. 6. 1914 oder am2. 6. 1915 in Tiraspol, gestorben 1992 - einige Tage, bevor er sich am 17. 4. 1992 bei der Staatsanwaltschaft htteprsentieren mssen, die ein Strafverfahren gegen ihn erffnen wollte. Er wurde 1941 als sowjetischer Spionverhaftet und dafr, am 7. 7. 1941, zu einer lebenslnglichen Gefngnisstrafe verurteilt. Am 20. 8. 1944 wurdeer aus der Haft entlassen. Im April 1945 wurde er zum Stellvertretenden Direktor in der Generaldirektion derPolizei ernannt; spter leitete er die Detektei (corpul detictivilor), um dann Generalinspekteur der Polizeidirektionzu werden. Am 1. 9. 1948 Stellvertretender Generaldirektor in der Generaldirektion der Volkssicherheit(Securitatea Statului), ab 1953 Generalleutnant und Generalsekretr im Innenministerium. 1959 absolvierte erdie Wirtschaftsakademie. - Die Daten stammen aus einem Artikel (A murit o fiara) von Constantin TicuDumitrescu, dem Vorsitzenden der Vereinigung ehemaliger politischer Hftlinge (seit 1992 Senator imrumnischen Parlament): Rezistenta, Marturii si atitudini anticomuniste, Nr. 5/1992, (Bukarest), S. 5.Weniger aufschlureich ist der Artikel von Nicolae Grebenea Nicolsi, in: Din documentele rezistentei,Nr. 5/1992, S. 44-47.

    3 Vergleiche: Ion Mihai Pacepa: Orizonturi rosii (Rote Horizonte), New York 1988.

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    Es folgen weitere Bildbeschriftungen, aus denen er-sichtlich wird, wie und unter welchen Umstnden Beldeanuverhaftet wurde:

    14. Februar 1955 in Bern...; / Die Bande, die denberfall auf die rumnische Gesandtschaft verbte (1. v.r. Beldeanu); / So hausten sie in Bern; / Ihr Opfer:Aurel Setu; / 26. August 1958 in Mnchen...; /Bedeanu (2. v. rechts) im Kreise faschistischer Emigran-ten in Mnchen vor seiner Abreise nach Berlin; /31. August in Berlin...; / Beldeanu widersetzt sicheiner Personenkontrolle mit Waffengewalt; / Hier, inBerlin-Mitte, Leipziger-, Ecke Wilhelmstrae wurde derTerrorist Beldeanu festgenommen.4

    Als im Herbst 1989 zahlreiche Stasiakten nach Buka-rest gebracht worden sein sollen, dementierte das NeueDeutschland jegliche Beziehungen zum Geheimdienstdes Bruderlandes: Weder das ehemalige Ministerium frStaatssicherheit noch das aufgelste Amt fr NationaleSicherheit haben, so das ostdeutsche Parteiblatt, jemalsBeziehungen zum rumnischen Geheimdienst unterhal-ten.5

    Ceausescu versuchte nach 1965 mit allen Mitteln, sei-ne eigene Macht zu stabilisieren. Die Abrechnung mitseinem Vorgnger lief darauf hinaus, jegliche Oppositioninnerhalb des Politbros zu neutralisieren. AlexandruDraghici beispielsweise blieb an der Spitze des Innen-ministeriums bis 1968, als ihn Ceausescu aus diesem Amtmit der Begrndung entfernte, er habe sich schwerwie-gender Mibruche und Verletzungen der Partei-demokratie schuldig gemacht und seine Hnde mit demBlut Pa-trascanus und anderer Partei- und Staatsfunktio-nre be-sudelt6. Ceausescu erlie damals die Verfgung,die frheren hohen Parteifunktionre Foris, Patrascanu,Luca u.a. zu rehabilitieren. Obwohl er Alexandru Draghicials Organisator und Vollstrecker dieser verbrecherischenAktionen und Gheorghiu Dej, der diese Aktionen ange-regt und patroniert hat7, offiziell der erwhnten Verbre-chen beschuldigte, und sogar eine Untersuchung derTtigkeit jener Genossen, die beim Sicherheitsdienst ge-arbeitet haben, anordnete, erhielt beispielsweise Nicol-ski noch 1971 eine hohe Verdienstmedaille, Draghicihingegen durfte ungeschoren seine Pension verzehren.Mit groem propagandistischen Aufwand versprachCeausescu damals:

    Es ist wahr, Genossen, da dies einer vergangenenZeit angehrt; aber es ist notwendig, darber jetzt zusprechen, weil es schwere Schden hervorgerufen hat undweil wir gewhrleisten mssen, da sich dergleichen niemehr wiederholen kann.9

    Tatschlich wurden in den nchsten Monaten auchzahlreiche andere frherepolitische Hftlinge reha-bilitiert. Was sich vor denAugen der ffentlichkeit1968 abspielte, verwan-delte Ceausescu schlagar-tig in einen Hoffnungs-trger der sozialistischenDemokratie. Der genialepolitische Taschenspie-lertrick, der darin gipfel-te, keine rumnischenTruppen in die reformi-stische Tschechoslowakeizu entsenden, verschaffte

    ihm auch im Ausland die Aura eines vom Moskauer Kursunabhngigen Ostblockpotentaten.

    Seine Unberechenbarkeit, die systematischen Men-schenrechtsverletzungen, seine demographische Wahn-sinnspolitik und spter seine paranoide Systematisie-rungskampagne wurden in ihrer ganzen Tragweite erstEnde der 80er Jahre im Westen registriert.

    Die vorsichtige Liberalisierung, die Ceausescus Vor-gnger durch die spektakulre Unabhngigkeitserklrungund die Freilassung der politischen Gefangenen 1964einleitete, setzte er eigentlich