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Energietechnik Isolationsdiagnostik Für hochspannungstechnische Komponenten und Anlagen sind die Isolierstoffe und Isoliersysteme von zentraler Bedeutung; in Hochspannungs-Hochleistungstransfor- matoren sind sie heute noch fast ausschliesslich mit dem traditionellen Isoliersystem Mineralöl und Zellulose ausgeführt. Der vorliegende Aufsatz zeigt, wie mit einer Messung von Relaxationsströmen eine Zustandsbewertung der Isolation durchgeführt werden kann. Die vorgeschlagene Auswertemethode liefert die niederfrequenten Diagnosegrössen Kapazität und Verlustfaktor für einen Frequenzbereich, der für Alterungsprozesse in einer ÖI-Papier-Isolierung offensichtlich von grosser Bedeutung ist. Vor-art-Diagnose für Leistungs- transformatoren Relaxations ströme g eben Au skunft über den Zustand der Iso lat ionen von hochspannungstechnischen Komponenten und Anlagen Adresse der Autoren Valze DerHouhane ssian, Dipl. Ei.-Ing. ETH , und Prof. Dr. Waltel' Zaengl, ETH Zürich, Fachgruppe Hochspannungstechnik, 8092 Zürich Bulletin SEVIVS E 23/96 • Vahe Der Houhanessian und WalterZaengl Die zielorientierte Anwendung diagno- stischer Methoden zur Erkennung des aktu- ellen Zustandes technischer Systeme be- sitzt auf allen Gebieten der Technik einen hohen Stellenwert und ist daher seit jeher wei tverbreitet. Auch auf dem Gebiet der elekt rischen Energietec hnik, in dem teil- weise sehr kapitalintensive Komponenten verwendet werden, sind zahlreiche Metho- den der technischen Diagnostik seit Jahr- ze hnten allgemein bekan nt und vielfältig im Einsatz. Einige dieser Methode n befas- sen sich mit einer Zustandserfassung von Isolierstoffen oderIsoliersystemen, die vor allem bei den hochspannun gstechnischen Komponenten zur Energieübertragung und -verteilung eine extrem wichtige Funktion erfüllen. Da praktisch alle Isolier stoffe , mit Ausnahme der Isoliergase, einer Alterung und damit einer Verschlechterung unterlie- gen, ein Versagen der Isolierung aber prak- tisch immerzu sc hwere n Folgesch äden und dami t hohen Folgekosten führt, wurde vor allem injüngster Zeit die Isolationsdiagno- stik ein Gebiet intensiver Untersuchungen [1, 2]. Das grosse Interes se an dieser The- matik wird durch die zunehmend ungün- stiger werdende Alterungsverteilung von teuren Betrieb smitteln, wie Hochsp annungs- Leistungstransformatoren oder Hochspan- nungskabeln, geweckt, über die beispiels- weise in [3] berichtet wird. Jedes Elektrizi- tsversorgungsu nternehmen ist daher mit der Fragestellung einer noch verfügbaren Restlebensdauer der Betriebskomponenten konfrontiert, an der das Isoliersystem einen entscheide nden Anteil besitzt. Auch wenn eine wirklich eindeu tige Vora ussage der Restnutzungsdauer für Isol iersysteme wohl nie gelingen wird, ist ein zusätzlicher Aufwand für eine Online- oder Offline- Diagnose immer dann vertre tbar, wenn das Ergebnis der Diagnose und die damit verbundene Zustandsbewertun g zu einer rechtzeitig durchführbaren Massnahme zur Auffrischung des Isolationszustandes führt. Natürlich ist dabei vorauszu setzen, dass diese Diagnose vor Ort durchgeführt werde n kann, Der vorliegende Beitrag ist einer Vor- Ort-Diagnose (offline) und möglichen Zu- 19

Vor-art-Diagnosefür Leistungs transformatoren · Isolationsdiagnostik o t Bild 1 Polarisationseigenschaften eines Isolier stoffes Prinzipieller, zeitlicher Verlauf der elektrischen

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Energietechnik • Isolationsdiagnostik

Für hochspannungstechnische Komponenten und Anlagen sind die Isolierstoffe undIsoliersysteme von zentraler Bedeutung; in Hochspannungs-Hochleistungstransfor­matoren sind sie heute noch fast ausschliesslich mit dem traditionellen IsoliersystemMineralöl und Zellulose ausgeführt. Der vorliegende Aufsatz zeigt, wie mit einerMessung von Relaxationsströmen eine Zustandsbewertung der Isolation durchgeführtwerden kann. Die vorgeschlagene Auswertemethode liefert die niederfrequentenDiagnosegrössen Kapazität und Verlustfaktor für einen Frequenzbereich, der fürAlterungsprozesse in einer ÖI-Papier-Isolierung offensichtlich von grosser Bedeutungist.

Vor-art-Diagnose für Leistungs­transformatorenRelaxationsströme geben Auskunft über den Zustand der Isolationen vonhochspannungstechnischen Komponenten und Anlagen

Adresse der AutorenValze DerHouhanessian, Dipl. Ei.-Ing. ETH, undProf. Dr. Waltel' Zaengl, ETH Zürich, FachgruppeHochspannungstechnik, 8092 Zürich

Bulletin SEVIVSE 23/96

• Vahe Der Houhanessian undWalterZaengl

Die zielorientierte Anwendung diagno­stischerMethoden zurErkennung des aktu­ellen Zustandes technischer Systeme be­sitzt auf allen Gebieten der Technik einenhohen Stellenwert und ist daher seit jeherweitverbreitet. Auch auf dem Gebiet derelektrischen Energietechnik, in dem teil­weise sehr kapitalintensive Komponentenverwendet werden, sind zahlreiche Metho­den der technischen Diagnostik seit Jahr­zehnten allgemein bekannt und vielfältigim Einsatz. Einige dieser Methoden befas­sen sich mit einer Zustandserfassung vonIsolierstoffen oder Isoliersystemen, die vorallem bei den hochspannungstechnischenKomponenten zur Energieübertragung und-verteilung eine extrem wichtige Funktionerfüllen. Da praktisch alle Isolierstoffe, mitAusnahme der Isoliergase, einer Alterungund damit einerVerschlechterung unterlie­gen, ein Versagen der Isolierung aber prak­tisch immerzu schweren Folgeschäden und

damit hohen Folgekosten führt, wurde vorallem injüngster Zeit die Isolationsdiagno­stik ein Gebiet intensiver Untersuchungen[1, 2]. Das grosse Interesse an dieser The­matik wird durch die zunehmend ungün­stiger werdende Alterungsverteilung vonteuren Betriebsmitteln, wie Hochspannungs­Leistungstransformatoren oder Hochspan­nungskabeln, geweckt, über die beispiels­weise in [3] berichtet wird. Jedes Elektrizi­tätsversorgungsunternehmen ist daher mitder Fragestellung einer noch verfügbarenRestlebensdauer der Betriebskomponentenkonfrontiert, ander das Isoliersystemeinenentscheidenden Anteil besitzt. Auch wenneine wirklich eindeutige Voraussage derRestnutzungsdauer für Isoliersystemewohl nie gelingen wird, ist ein zusätzlicherAufwand für eine Online- oder Offline­Diagnose immer dann vertretbar, wenndas Ergebnis der Diagnose und die damitverbundene Zustandsbewertung zu einerrechtzeitig durchführbaren Massnahmezur Auffrischung des Isolationszustandesführt. Natürlich ist dabei vorauszusetzen,dass diese Diagnose vor Ort durchgeführtwerden kann,

Der vorliegende Beitrag ist einer Vor­Ort-Diagnose (offline) und möglichen Zu-

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Hochspannungstechnik

Theoretische Grundlagen

U = u(t) = 1EU)' ds = a E(t) (3)o

die Ladung Q auf jeder Elektrode

(co: elektrische Feldkonstante) einzufüh­ren,der mitder Dimension einerFlächenla­dungsdichte (As/m2) stets orthogonal zurElektrodenoberfläche steht und damit dendirekten Zusammenhang zwischen denFeldern und erregenden Ladungen her­stellt.Mitder Voraussetzung der Ortsunab­hängigkeit von E kann die vektorielleSchreibweise verlassen unddurch einereineZeitabhängigkeit der Feldgrössen ersetztwerden. Es wird somit

Legt man eine Spannung U an zwei be­liebig geformte Metallelektroden, zwi­schen denen sich nur Vakuum befindet, soexistieren im Feldraum dieser Elektrodenauch ortsabhängige Feldstärken E, die vonelektrischen Ladungen erzeugt werden.Diese befinden sich auf den Oberflächender Metallelektroden und werden von derSpannungsquelle während des zeitlichenAufbaus der Spannung als Strom / = i(r)geliefert. Die in einfacher Weise auchbezüglich ihres zeitlichen Verlaufesmessbaren integralen Grössen, Spannung UundStroml, ergeben sichausden allgemei­nenbekannten Beziehungen der Elektrosta­tik: die Spannung als Linienintegral überdie ortsabhängige Feldstärke zwischen denElektroden, die Summe der Ladungen Qauf den Elektroden über das Flächeninte­gral des Skalarproduktes von coE und Flä­chenelement dA der eine Elektrode ein­schliessenden Hüllfläche (Satz von Gauss)und der Stromaus der zeitlichen Änderungdieser Ladungen. Die Allgemeingültigkeitder weiteren Ausführungen wird nicht ver­letzt, wenn die Zusammenhänge zwischenden integralen Grössen und der ortsabhän­gigen Feldstärke am Beispiel des «idealenPlattenkondensators» quantitativ gezeigtwird. Dieser bestehe aus zwei parallelenPlattenelektroden mit der effektiv wirksa­men Fläche A und dem ElektrodenabstandG, zwischen denen dann eine ortsunabhän­gige Feldstärke E herrsche. Auchim Vaku­umkondensator ist es sinnvoll, zunächstnoch den Vektor D der «elektrischen Er­regung» oder «dielektrischen Verschie­bungsdichte»

(7)

(6)

wobeiP die (makroskopische) Polarisationdes Dielektrikums ist. DieserPolarisations­vektor ist in isotropen Stoffen dem Vektorder Feldstärke und damit auch zum D­Vektor gleichgerichtet, wodurch man wie­der die Vektorschreibweise verlassen kann.Bei einer zeitlichen Veränderung der Feld­stärke tritt aber stets eine zeitliche Verzö­gerung vonP gegenüber E auf.

Dass sich die makroskopische Polarisa­tion P aus einer mikroskopischen Polari­sierbarkeit der Materie ableiten lässt, seihier nur nebenbei bemerkt. Die entspre­chenden physikalischen Polarisationsme­chanismen sind ebenfalls gut bekannt(Elektronen-, Ionen-, Deforrnations-, Ori­entierungs-, Grenzflächen- und eventuellRaumladungspolarisation). All diesen Po­larisationsprozessen ist aber gemeinsam,dass in P lediglich Prozesse berücksichtigtsind, die einen reinen Dipolcharakter be­sitzen, deren Schwerpunkte somit in derMaterie verbleiben. Elektrische Leitungs­mechanismen, die zu einer Wanderungoder kontinuierlichen Driftbewegung vonLadungen durch das Dielektrikum, alsovon Elektrode zu Elektrode führen, sind inD von Gleichung (7) nicht enthalten. Dieelektrische Wirkung von P macht sich

D=coE+P

auch bei beliebigen Elektrodenanordnun­gen nur von Co und Geometrieparameternder Elektroden und nicht von der Zeit tabhängt.

Wird nun das Vakuum des angenom­menen, idealen Plattenkondensators voll­kommen durch einen Isolierstoff (Dielek­trikum) ersetzt, der im makroskopischenSinne als homogen und isotrop betrachtetwerden kann, so ändert sich im Feldraumdie Feldstärkeverteilung nicht, das heisstdie Ortsunabhängigkeit der Feldstärkevek­toren E bleibt erhalten. Im Dielektrikumwerden nun aber Polarisationsprozessewirksam, die manrecht häufig, aberfälsch­licherweise durcheinenreinenZahlenwert,die Dielektrizitätskonstante, auf der rech­ten Seite von Gleichung (I) berücksichtigt.Physikalisch eindeutig ist aber nur die Ver­änderung der Verschiebungsdichte D inGleichung (I) durch die Beziehung

Q AC =-=E -

v U 0 a

Hieraus ergibt sich, dass im Vakuum­kondensator nur bei einer zeitlichen Varia­tion der Feldstärke bzw. Spannung einStrom fliessen kann («Verschiebungs­strorn»). Aus den Gleichungen (2), (3) und(4) folgt auch, dass die Kapazität Cl' desidealen Plattenkondensators im Vakuum

dQ d1J(t) dE(t)I=i(t)=-= A--= Aco . - - (5)

dt dt dt

(I)

(2)

(4)

und schliesslich der Strom /

Q =q(t) =D(r)·A

die Spannung U wird

D(r) = CoE(r)

D=coE

standsbewertung von insbesondere Hoch­spannungs-Hochleistungstransformatoren,die auchheutenochfast ausschliesslich mitdem traditionellen Isoliersystem Mineralölund Zellulose ausgeführt sind, gewidmet.Eine bewertende Diskussion der allgemeingut bekannten undbewährten Methoden er­folgt dabei aber nicht, da sie aus vielenVeröffentlichungen bereits bekannt sind(siehez. B. Beitrag von U. Sundermann in[2J oder Kapitel II in [IJ). Erwähnt manbei diesen Methoden nur jene, die nur dasIsoliersystem des Aktivteils (ohne Durch­führungen) betreffen, so sind zweifellosjene Verfahren am besten, welcheaufeinerÖlanalyse beruhen, da die Isolierölprobenauf einfache Weise auch online gezogenwerden können. Die Ölanalyse liefert übereine Auswertung der im Öl enthaltenenGase oder auch Furfurole extremwertvolleHinweise über alterungsbedingte Abbau­produkte, die entweder durch thermischeoderentladungsphysikalische Prozesse ent­standen sein können [13J . Die zweifellossehr wünschenswerte, elektrische Online­Messung von Teilentladungen, mit dermöglicherweise schwerwiegende Isola­tionsfehler frühzeitig erkannt und damitauch Kurzschlüsse in den Transformatorenvermieden werden könnten, wird zurzeiteingehend untersucht; diese Diagnostik­methode ist aber wegen der starken Stör­einkopplungen durchdie üblicherweise an­geschlossenen Freileitungen sehrschwierigmit ausreichender Empfindlichkeit durch­zuführen ([2J , Beitrag M. Lauersdorf). Manbegnügt sich daher zunächst mit einer Off­line-TE-Diagnose unter Verwendung einerPrüfspannungsquelle. - Vor allem in deneuropäischen Ländern wird seit einigenJahren auch das Rückkehrspannungs­Messverfahren (RVM, recovery voltagemeter) erprobt. Obwohl die Vertreter dieserMessmethode angeben, dass man aus demErgebnis der Messung mit hoherSicherheitden Feuchtegehalt der sich im Transforma­tor befindlichen Feststoffisolation (Zellu­lose) bestimmen könne, bestehen eindeu­tige Anzeichen dafür, dass diese Behaup­tung nur eine eingeschränkte Gültigkeitbesitzt; im Rahmen dieses Beitrages wirddies noch nachgewiesen.

Die RVM-Methode leitet sich aus eini­gen spezifischen Eigenschaften der Lei­tungs- und Polarisationsmechanismen, alsoder dielektrischen Eigenschaften materiel­ler Isolierstoffe ab, die zwar seit vielenJahrzehnten bekannt sind, deren theoreti­schesGrundgerüst aberoffenbarnochnichtzumAllgemeinwissen der Praktiker gehört.Daherwirddempraxisorientierten Teildie­ses Beitrages ein Theorie-Teil vorange­stellt, der zum besseren Verständnis derErgebnisse der experimentellen Untersu­chungen beitragen soll.

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Isolationsdiagnostik

o t

Bild 1 Polarisationseigenschaften eines Isolier­stoffesPrinzipieller, zeitlicher Verlauf der elektrischenSuszeptibilität X(t) bei einer schrittförmigenErregung eines Isolierstoffes durch die elektrischeFeldstärke Eo.

(14)

(13)

•........·t" 'i~epo'

da das 2. Gliedvon Gleichung (12),das dieVerschiebungsstromdichte der Vakuum­anordnung darstellt, den nicht messbarenDirac-Einschaltstromstoss ergibtunddahervernachlässigt werden kann. Dieser Spezial­fall ist gleichzeitig die sogenannte Polarisa­tionsstromdichte, die nach dem plötzlichenZuschalten einer Gleichspannungsquelleauf eine Isolieranordnung entsteht. Fürdie in den Gleichungen (3) bis (5) bereitsvorausgesetzte Elektrodengeometrie desidealen Plattenkondensators kann man dieGleichung (13) mit den dabei eindeutigenBeziehungen zwischen den Feld-und Geo­metriegrössen in die messbaren Grössen(Polarisationsspannung IL; Polarisations­oder Nachladestrom 11'0/) umrechnen. Es er­gibt sich:

Ipolet) = uo[ ~ + Cv . [Ct)]

wird. Abgesehen von der Polaritätsumkehrdes Stromes kann aus diesemStromverlauffit) nur dann eindeutig bestimmt werden,

Für den Spezialfall einer schrittförmigenErregung mit der ab t > 0 konstanten Feld­stärke E; wird aus Gleichung (12) für t ~ 0

Bild 2 Relaxationsströme in einem IsolierstoffPrinzipieller, zeitlicher Verlauf der Relaxations­ströme Ipol und Idepol während und nach einerPolarisationsdauer t;

mit R: Gleichstromwiderstand der Isolier­anordnung und C ,: Vakuumkapazität derIsolieranordnung, Gleichung (6).

Da in diesemPolarisationsstrom der Lei­tungsstrom Vo/R den stets mit der Zeit tstark abnehmenden Verschiebungsstrommehr oder weniger stark verfälscht, ermit­telt man die dielektrische Antwortfunktionfit) aus dem Depolarisations- oder Nach­entladestrom Idepot. Dieser ergibt sich auseiner Strommessung im Kurzschlusskreisder untersuchten Anordnung im unmittel­baren Anschluss an die Polarisationsperi­ode TI" In Bild2 ist der zeitliche AblaufdesVerfahrens skizziert, wobei absichtlich an­genommen sei, dass der Polarisations­strom während TI' noch nicht abgeklungenist. Man erkenntsofort, dass

(9)

(11)

(10)

Ja=0·E

mit der als konstant angenommenen Leitfä­higkeit0, die in der Regelsehrstarktempe­raturabhängig ist, wasbeidenPolarisations­phänomenen nur im geringeren Masse derFall ist. Die Vektorschreibweise in Glei­chung (11) deutet wiederum auf die Isotro­pie der Stoffehin.

Die Gesamtstromdichte J in einemidea­len Plattenkondensator setzt sich damit ausder Leitfähigkeitsstromdichte Ja nachGlei­chung (11) und den Komponenten desgesamten Verschiebungsstromes nachGleichung (7) unter Berücksichtigung vonGleichung (10) zusammen. Dabei kannman den Vektorcharakter der Gleichungen(7) und (11) aus den bereits erwähntenGründen vernachlässigen, dafür aber voneiner beliebig zeitabhängigen Erregungdurch E(t) ausgehen.

dD(t)1(t)=0'· E(t)+-­

d(t)

[dE(t ) d ~ ]

= 0' . e(T) + co --+- Jf(t - '1') . E( r) . drdt dt 0

(12)

Der allgemeine Verlauf von Pit] wirdsomit

t

P(t) = 8 o J[(t - 1') . E(1') .drot

= 80 J[(1'). E(t- 1'). dro

und entspricht einer Faltung der beidenFunktionen im Zeitbereich.

Bei sehr vielen Isolierstoffen, insbeson­dere bei den in hochspannungstechnischenKomponenten häufig verwendeten Kunst­stoffen, und technischen Frequenzen domi­nieren die hier betrachteten Polarisations­vorgänge, die auch mit Verlusten verbun­den sind.Beiden späternäheruntersuchtenÖl-Papier-Isolationen von Transformato­ren tretenaber noch rein ohmsehe Verlustedurch Leitungsphänomene (z. B. durchIonen- und Elektronenleitung) auf. UnterVernachlässigung von nichtlinearen Effek­ten, die recht häufig mit diesen Phänome­nen verbunden sind,führen dieseLeitfähig­keitsprozesse zu einer Stromdichte

E(t) interessiert, ist zunächst der allgemei­ne Verlauf von P(t) zu bestimmen. DieLösung dazu liefern die Duhamel-Inte­grale, da die spezielle Lösung der Schritt­antwort mit Gleichung (8) bereits vorliegt.Dazu bildet man zunächst die Stossant­wort von X(t), die üblicherweise als di­elektrische Antwortfunktion (dielectricresponse function, siehe z. B. [4]) j(t)bezeichnet wird:

[(t) = dX(t)dt

(8)Pit) =lOo • X(t) . Eo

l........~·'::'· ... ..·...·..·· ..·..··.....·.....··..·····....·..··X(t)

In dieser '«Schrittantwort» ist X(t) diedimensionslose, zeitabhängige (dielektri­sche) Suszeptibilität des betrachteten Stof­fes. Bild I erläutertdiesen Vorgang, wobeider skizzierte zeitliche Verlaufnur qualita­tiv aufzufassen ist, wenn mandie Zeitachseals linearverlaufend annimmt. Derbei t = 0und X=0 beginnende Anstieg von X(t) istwegen der extrem schnellen Polarisations­mechanismen, wie zum Beispiel der Elek­tronenpolarisation, die atomar bedingt ist,extrem steil und würde sich in einem Zeit­bereich von kleiner als 10-12 s ergeben. Indiesem teils optischen Bereich wäre derstetige Anstieg auch durch Resonanzphä­nomene gestört. Da aber auch experimen­tellhöchstens Zeitbereiche ab t> 10-9_10-6 szugänglich sind, ist ein stetigerAnstieg abdiesen Zeiten realistisch. ExtremlangsamePolarisationsmechanismen können dabeierst nach Stunden oder Tagen einen End­wert (X

oo) erreichen.

In Gleichung (8) ist somitX(t) oder P,lt)die ideale Schrittantwort des Dielektri­kurns, die aber messtechnisch nicht voll­ständig zugänglich ist. Da bereits ein expe­rimentell erzeugter Spannungs- oder Feld­stärke-Schritt eine endliche Anstiegszeitaufweisen wird und oftmals der Polarisati­onstermin Gleichung (7) auchbeiErregun­gen von beliebigem zeitlichen Verlaufvon

daher nur an den Elektroden bemerkbar,indemes den Verschiebungsstrom bei zeit­lichen Feldänderungen verstärkt; innerhalbder Materie hebt sich die Wirkung derDipole auf das erregende elektrische Feldaber bekanntlich auf.

Die globalen Polarisationseigenschafteneines Isolierstoffes stecken somit in derzeitlichen Abhängigkeit der Polarisation Pvonder Feldstärke E. Sehr viele, aber nichtalle Polarisationsmechanismen sind pro­portional zur Feldstärke, solange diesenicht extrem gross wird. Erregt man daherden Isolierstoff plötzlich miteiner konstan­ten Feldstärke Eo, so wirdfür t ~ 0 die Pola­risation zeitabhängig:

Bulletin SEVIVSE23/96 21

. .. . . . . . . ." " " , . . .

:-:-:-:-: -: « -: -: -: -: -: -: -: ':- :- :-: -: : :,::::: :::::: ::::: ::::::... .. . . . . . . .

Hochspannungstechnik

(20a)

und damitdie Zeitkonstante dieses Gliedes

(22)

(23a)

(23b)

rX'(w)= 2

1+ (W,)

2

X"( W) = W, 2

l+(w,)Aus den Beziehungen von Gleichung

(20) wird somit k = rot und die Polarisa­tionszeitkonstante ~JOi = '1:. Dieser auchals «Debye-Mechanismus» bezeichnete Po­larisationsvorgang tritt aber praktisch niein dieser reinen Form auf. In Wirklichkeitkann die Antwortfunktion f(t), wenn diesestetig, aber im zeitlichen Verlauf beliebigabfällt, stets als eine Überlagerung vonExponentialfunktionen, die durch unter­schiedliche Amplituden und Zeitkonstantengeprägt sind, aufgefasst werden. VondieserTatsache wirdbeider Auswertung derexpe­rimentellen Ergebnisse Gebrauch gemacht.

Aus einer Vielzahl von Relaxations­strommessungen an ölimprägnierten, plat­tenförmigen Transformerboard-Proben wer­den hier einige Beispiele vorgestellt. Eintypisches Messergebnis wirddazu verwen­det, über die theoretisch abgeleiteteModellbildung aus dem Zeitbereich derRelaxationsströme die frequenzabhängigendielektrischen Eigenschaften zu berechnen,da diese einen vertieften Einblick in dasIsoliersystem ermöglichen. Die bei denLaboruntersuchungen verwendeten Geräteund Isolierstoffproben lassen sich stich­wortartig zusammenfassen:

Experimentelle Ergebnissean Laborproben

Damit wird mit Gleichung (17) die Fre­quenzabhängigkeit der komplexen Suszep-tibilität: .

f (t) =exp( - t /,)

(b)

(20b)

-=Rpol(W)

U R ~Cv =~Cpol(W)

k(ro)~o}(ro)= Rpo1 ' Cpo} =-­

ro

Bild 3 Allgemeine Ersatzschaltbilder einesverlustbehafteten IsoliersystemsBedeutung der Schaltelemente siehe Gleichungen(19) und (20).

Für beide Ersatzschaltungen wird derVerlustfaktor tanö, also das Verhältnis vonReal- zu Imaginärteil aus Gleichung (19)

teil der Suszeptibilität t: die in der Regelnicht sehr stark frequenzabhängig ist. We­gen der starkenf-Abhängigkeit des abgese­hen von R vorhandenen Verlustwiderstan­des wird diese Ersatzschaltung aber nurwenig benützt. Die frequenzabhängigenElemente, die in Parallelschaltung vor­handen sind, lassen sich aber in bekannterWeise in eine Serie-Ersatzschaltung um­wandeln, siehe Bild 3b. Hier wird mitk = X"(w)/x' (ro):

(a)

Dabei ist

x(m)=X'(m)-jX"(w)=1 f(t).e-jw'dt (17)o

wenn der Polarisationsstrom nach demAblauf von Tl' praktisch vollständig abge­klungen ist.

Zu diesen Betrachtungen über die Re­laxationsströme (/1'0/ und Idepo/) sei ab­schliessend bemerkt, dass die Messungdieser Ströme ohne weiteres jeweils nacheinem bekannten Zeitpunkt nach demAnlegen von U; und nach dem erfolgtenKurzschliessen erfolgen kann. Die Ant­wortfunktion f(t) wird damit erst ab einerendlich langen Zeit, zum Beispiel nacht = I s, bekannt, was dazu führt, dass dieausf( t) berechenbaren frequenzabhängigenEigenschaften, die anschliessend kurzbehandelt werden, bei höheren Frequenzenunbekannt bleiben.

Der bisher behandelte Zeitbereich lässtsich sehr leicht in den Frequenzbereichüberführen, wenn man die Fourier- oderLaplace-Transformation auf die bereits ab­geleiteten Gleichungen im Zeitbereich an­wendet. Dabei ist lediglich zu beachten,dass es sich bei der erregenden FeldstärkeE(t) in Gleichung (12)bzw.der erregendenSpannung U; in Gleichung (14)jeweils umeine Schrittfunktion handelt. So erhält manaus Gleichung (12) zunächst die frequenz­abhängige Stromdichte

J(m) = E(m) [0"+ jmeo(l+ x(m»] (16)

aus naheliegenden Gründen die Fourier­Transformierte der dielektrischen Ant­wortfunktion f(t) und stellt die komplexeSuszeptibilität dar. Die Trennung derReal- und Imaginärteile in Gleichung (16)führt zuJ(w) = E(w) [0"+ aie oX"(w) + jms o(1+ x' (w»]

(18)

der hier durch die Komponenten der kom­plexen (relativen) Permittivität

&(m)= e'-je" = Cl + X') - jx" (21 b)

ausgedrückt wurde.

Die mehroder wenigerstarkeFrequenz­abhängigkeit der durch die Polarisations­vorgänge beeinflussten Glieder macht nundeutlich, dassmanrealeDielektrika zweck­mässigerweise durch eine Vielzahl parallelliegender Glieder in Bild 3 b mit abgestuf­ten Zeitkonstanten simulieren kann,wovonspäter Gebrauch gemacht wird. Nur wennder zeitliche Verlauf der Antwortfunktionf(t), Gleichung (9), einer einfachen Expo­nentialfunktion entspräche, wäre Tpoi inGleichung (20 b) frequenzunabhängig. Fürdiese Annahme sei zum Beispiel

Die Umwandlung der in dieser Gleichungvorhandenen Feldgrössen in frequenz­abhängige Spannungen und Ströme amidealen Plattenkondensator liefert

l(w) = Uo(W)[1+ wCyx"(w) + jwCy(l+ X'(W»]

(19)

Der Zusammenhang zwischen Stromund Spannung wird somit durch vier Glie­der bestimmt, aus denendie in den Bildern3 a/b ersichtlichen Ersatzschaltbilder ent­stehen. Die Elemente der Ersatzschaltung,Bild 3 a, sind unmittelbar der Gleichung(19) entnehmbar. Nur R und Cl' sind fre­quenzunabhängige Schaltelernente, dieFrequenzabhängigkeit der beiden anderenElemente resultiert aus den f-abhängigenGliedern der komplexen Suszeptibilität.Hier erkennt man sehr deutlich die Erhö­hungder Vakuumkapazität durchden Real-

tanö 1 s" (co )----+--RroCye'(ro) s'(ro ) (2Ia) Messzelle

• Parallele Plattenanordnung mit Schutz­ring-Elektrode von 113 mm Durch­messer, entsprechend 100 cm? Mess­fläche

• Elektroden aus rostfreiem Stahl, varia­bler Elektrodenabstand

• hermetischer Abschluss der Zelle undTemperaturregelung.

Isolierstoff-Proben• Transformatorenöl der Types US 3000

der Firma Technol, Österreich, vor derImprägnierung der Board-Proben ent­gast, Restfeuchtegehalt 5 ppm

• Transformerboard, Plattenmaterial von2 mmDicke,TypeT IV der FirmaWeid­mann AG, Rapperswil. Der bei denMessergebnissen jeweils angegebeneFeuchtegehalt wurde beim Neumaterialdurch die Gewichtszunahme des stark

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Isolationsdiagnostik

getrockneten Boards bestimmt, bei denölimprägnierten, gealterten Proben überdie Karl-Fischer-Methode

• Ölimprägnierung der Proben bei Atmo­sphärendruck

• Alterung der ölimprägnierten Proben inhermetisch abgeschlossenen Zellen ausrostfreiem Stahl über einen Zeitraumvon 90 Tagen bei 120 °C; dabei Ge­wichtsverhältnis von Öl zu Board: 8,4;dadurch auchZunahme der Ölfeuchte imBoardundimÖl durch Alterungsprozes­se, die sich auch in der Reduktion derDepolimerisationswerte (DP-Wert) wi­derspiegeln. DP-Werte ungealtert: 950;gealtert: 479 bei 0,2% und 195 bei 1%Anfangsfeuchte.

Messgerät, Spannungsquelle und Schalt­mechanismus für Relaxationsströme• Keithley-Elektrometer, Type 617• hochstabilisierte Gleichspannungsquel­

le, Fluke Type415 B, 0-3,1 kV• Schaltmechanismus, computergesteuert:

Eigenbau

Direkte Messung derfrequenzabhiingigenEigenschaften• Dielectric Spectrometer der Firma Di­

electric Instrumentation, England

Direkte Messung der Polarisations­spektren• RVM der Firma Tettex Instruments,

Type 5461

Homogene IsolieranordnungDas plattenförmige, ölimprägnierte

Board bildet eine makroskopisch homo­gene Isolieranordnung, wenn die Platten­elektroden eng am Board anliegen. DerElektrodenabstand wird dann durch dieDicke des Boards (2 mm) bestimmt.

In Bild 4 sind die gemessenen Relaxati­onsströme [pol, [depol, gemäss Gleichungen

(14) und (15) von ungealtertem und geal­tertemBoardbei einer jeweils unterschied­lichen Anfangsfeuchte des ungealtertenMaterials (0,2%in Bild4 a; I% in Bild 4 b)gegenübergestellt. Die dabei gewählte Po­larisations-Gleichspannung Ua von 2 kVliefert bei der sehr langen Polarisations­dauer Tp von 20 000 s (rund 5,5 h) selbstnach der gleich langen Depolarisationszeitnoch gut messbare Depolarisationsströmevon ungefähr I pA. Signifikante Abwei­chungen zwischenden beiden Relaxations­stromarten ergeben sich vor allem dann,wenn eine höhere Feuchte des Boards vor­liegt. Der Alterungsprozess führt nicht nurzur Erhöhung der Board-Feuchte von0,2%auf 0,5% (Bild 4a), oder von I % auf 2%(Bild 4b), sondern auch zu einer höherenÖl-Feuchte von ursprünglich 5 ppm auf9 ppm, bzw. auf 19ppm.

Bei der hier gewählten, recht langen Po­larisationsdauer TI' darf man annehmen,dass die dielektrische Antwortfunktion f( t)nach Gleichung (9) bis zu einer Zeit vonetwaTpll0 (also etwa2000s) in dengemes­senen Depolarisationsströmen praktischunverfälscht enthalten ist. Die Absolut­werte von f( t) sind daher für t ~ I sausGleichung (1 5) mit der bekannten Vakuum­kapazität der Anordnung quantitativ be­rechenbar. Würde man aber Gleichung (17)zur unmittelbaren Berechnung der fre­quenzabhängigen, komplexen Suszepti­biliät verwenden, so stiesse man aufdie allgemein bekannten Unsicherheiten,daf(t) weder im Zeitraum 0 :s; t< I s nochfür t > 2000s bekannt ist [5] .

Zur Ermittlung dieser frequenzabhängi ­gen, dielektrischen Eigenschaften verwen­den wir daher vorteilhafterweise das fol­gende, einfache Verfahren, das zu einerjeweils quantitativen Ersatzschaltung inAnlehnung an Gleichung (20) und Bild3 bführt. In dieser Ersatzschaltung beeinflusstder Isolationswiderstand R die Isolier-

eigenschaften vor allem bei extrem tiefenFrequenzen; er lässt sich im vorliegendenFall recht gut aus der Differenz der weitge­hend abgeklungenen Relaxationsströmeundder aktuellen Polarisationsspannung er­mitteln.Wie alleMessergebnisse von Bild4zeigen, klingen die Depolarisationsströmeab t = I s kontinuierlich ab. Dieses Abklin­gen ist zweifelsohne eine Konsequenz vonsich überlagernden Polarisationsrnechanis­men, das man im Zeitbereich(dielektrischeAntwortfunktion) praktisch immer durcheine Summe von abklingenden Exponen­tialfunktionen simulieren kann. Man fittetdaher den gemessenen Depolarisationstromdurch eine endliche Summe (i = 1.. .n) vonTeilströmen

n

Id"1'ol(t ) = LAjexp(-tl'j) (24)i=l

mit den Amplituden

A j = Uo [1- exp(- T" I"t,)] 11\ (25)

[depot ist somit der Kurzschlussstromvon n parallel geschalteten R-C-Serienele­menten mit den individuellen Zeitkonstan­ten Ti = Ri - Ci, die sich beim Kurzschlussentladen. Zur quantitativen Bestimmungder Gleichung (24) wählt man dabeizweckmässigerweise nur zwei bis dreiTi-Werte für jeweils eine Dekade des ge­messenen Zeitbereiches. da damit bereitseine sehr genaue Nachbildung des gemes­senen Polarisationsstromes erreicht werdenkann.

Bild 5 vermittelt diese allgemeine Er­satzschaltung, in der aber die verlustfreieKapazität C50 noch nicht erläutert wurde.Sie beeinflusst den Depolarisationsstromim gemessenen Zeitbereich nicht, da siedurch den Kurzschluss der Anordnung so­fort entladen wird, also im Sinne der Glei­chung (15) die Funktion einer Vakuum­kapazität besitzt. Da diese Ersatzschaltungaber erst ab jener Zeit gültig sein kann, ab

1E+51E+41E+2 1E+3

Zeit in (s)

ungealtert (Feuchtegehalt: 1,0%)

1E+1

(b)

~ ~ _ gealtert (Feuchtegehalt: 2,0%) ---- -Ipol

~--~- -~--- A --Idepol-------

------------------_.

1E-8:.---- - ------ ------ ---,

1E-13 -+--.-...,..,rrrrr,---,-,-rrnm--r-r-rrnT1T-,.-,-,..,..,.".rr--r-TTTTnfl

1E+0

1E-12

1E-9

~ 1E-10

Ee 1E-11U5

1E+5

· - - - - Ipot- - Idepot

1E+41E+2 1E+3

Zeit in (s)1E+1

1E-8:.--------- - - - - - - - - ..,----,

1E-9

1E-13 -t-_rTTTmrr--r--rrnm~rnrrrn~.,.TTTmr_rT"TTTTTTi

1E+0

1E-12

~ 1E-10

Ee 1E-11U5

Bild 4 Gemessene Relaxationsströme

Relaxationsströme von 2mm dicken, homogenen Board-Proben vor und nach einer Alterung (120 '(, 90 Tage):a mit einer Anfangsfeuchte von 0,2% b miteiner Anfangsfeuchte von 1,0%

Bulletin SEVIVSE 23/96 23

Hochspannungstechnik

Tabelle I Wertefürdie Ersatzschaltung nach Bild 5

MitHilfe eineselementaren Fittingverfahrens aus den Relaxationssträmen von Bild 4bermittelte,quantitative (gerundete) Werte der Einzelelementefür die Ersatzschaltung nach Bild5, mit Ra=6,1 mund ( 50 =192,7 pF.

Li Ri Ci[s] [TQ] [pF]

1 1 0,7 1,432 3,162 3,04 1,043 10 3,0 3,334 31,62 5,66 5,595 100 8,42 11,886 316,2 13,32 23,747 1000 19,87 50,338 3 162 45,35 69,739 10000 344,93 28,99

10 31620 377,71 83,71

I

:=R1[ R2 ·~r~lURo C5~ .=:= .==C1 C2 ..gi[....~

Bild 5 Simulation gemessener RelaxationsströmeAllgemeine Ersatzschaltung eines verlustbehaftetenIsoliersystemszur Simulation der gemessenenRelaxationssträme; Bedeutung der Schaltelemente,sieheText.

der nach t = 0 (Kurzschluss) Idepof( t) gemes­sen wurde, muss ein Wert von C50 gewähltwerden, der vor dem Beginn der Messperi­ode wirksam ist. Wie auch die nachfolgen­den Auswertungen beweisen, kann man fürC50 die bei technischen Frequenzen (z. B.SOHz) leicht messbare Kapazität der Iso­lieranordnung einsetzen.

Wir verwenden nun die Relaxationsströ­me für das gealterte Board mit 2% Feuchte(Bild 4 b) und zeigen in Tabelle I die auseinem elementaren Fittingverfahren ermit­telten, quanti tativen (gerundeten) Wertefürdie Ersatzschaltung nach Bild 5.

Die Frequenzabhängigkeit der effektivwirksamen Kapazität C und der Verlustfak­tor tan/) lässt sich nun in bekannter Weiseaus der Frequenzabhängigkeit der Ein­gangsimpedanz der entsprechenden Ersatz­schaltung berechnen. In den Bildern 6 a/bsind die Ergebnisse dieser Berechnungfür alle vier Relaxationsstrompaare vonBild 4 alb für einen Frequenzbereich von10-4-10 2 Hz dargestellt. Man erkennt, dasssich die Kapazität erst bei recht tiefenFrequenzen und vor allem mit zunehmen­der Board-Feuchte stärker erhöht, wasoffensichtlich auf die zunehmende Grenz­flächenpolarisation zurückzuführen ist.Wesentlich signifikanter sind die ' Ände­rungen bei den Verlustfaktoren, bei denensich die zunehmende Feuchte und die

Alterungsprozesse sehr stark bemerkbarmachen.

Die mit diesem Verfahren nur indirektermittelten frequenzabhängigen Eigen­schaften lassen sich mit dem DielectricSpectrometer auch direkt messen, wobeiaber der Zeitbedarf für diese Messungen,die nur für individuelle, diskrete Mess­punkte sinnvoll sind, sehr gross wird, wenndie Frequenzen sehr klein werden. So be­trägt zum Beispiel der Zeitbedarf für eineMessung bei der Frequenz von 1 mHz eineStunde. Obwohl die Messspannung desSpektrometers nur 3 V beträgt, ist dieÜbereinstimmung der indirekt und direktermittelten C- und tanö-Werte recht gut,wie die in den Bildern 6 alb eingetragenenMesswerte für das gealterte Board mit2% Feuchte beweisen. Nur beim Verlust­faktor ergeben sich ab Frequenzen vonmehr als 0,I Hz stärkere Abweichungen,was darauf zurückzuführen ist, dass dieRelaxationsströme erst ab I s zur Verfü­gung stehen und für Zeiten <1 s durchdas Fittingverfahren als nicht signifikantzunehmend angenommen wurden. Extra­poliert man nämlich diese Ströme im Zeit­intervall 0,1-1 s durch eine Steigung, wiesie für Zeiten >I s vorhanden ist, so wirddie Übereinstimmung der Mess- und Re­ehenwerte für Frequenzen grösser 0,1 Hzbereits besser (siehe strichlinierte Abhän­gigkeit).

Inhomogene, geschichteteIsolieranordnungen

Wird in der Messzelle der Abstand derPlattenelektroden grösserals die Dickederplattenförmigen Board-Proben, so entstehteine Schichtung von Isolieröl und Board.Die elektrische Feldstärke bleibt dannsenkrecht zur Grenzschicht zwischen Ölund Board gerichtet, die Feldstärkever­teilung unterliegt aber den Einflüssen einermakroskopischen Grenzschichtpolarisa­tion, die sowohl zeit- als auch frequenz­abhängig ist.

In Bild 7 sinddie Relaxationsströme vonzwei geschichteten Anordnungen darge­stellt, bei denen jeweils zwei ungealterteBoard-Platten vonje 2 mmDicke die Elek­troden bedeckten, der Elektrodenabstandmit entweder 8 oder 20 mmaberso gewähltwar, dass zwischendem Board eine Isolier­ölstrecke von entweder 4 oder 16mm ent­stand. Damit entstand ein Dickenverhältnisvon Öl zu Board von I:1 oder 4:1. Da dieIonenleitfähigkeit des Öls auch zu nicht­linearen Effekten führt, auf die hier abernicht eingegangen wird, unddie elektrischeLeitfähigkeit des Öls wesentlich grösser alsjene vom ölimprägnierten Board ist, wurdebei diesen Messungen die Polarisations­spannung Uo mit 32 bzw.80 V relativ kleingewählt. Der Mittelwert der erregendenFeldstärke betrug somit nur 4 VImm. InBild7 wurden daher die Relaxationsströmeals Absolutwerte angegeben, was den rela­tiven Vergleich dieser Ströme erleichtert.

Im Vergleich zu den Relaxationsströ­men von Bild 4 erkennt man sofort diesignifikanten Änderungen in deren zeitli­chem Verlauf. Dieser Verlauf wird durcheinen zunächst nur sehr schwachen Abfallder Relaxationsströme im Zeitbereich bisgrössenordnungsmässig 100 s bestimmt.Unter Verzicht auf eine tabellarische Wie­dergabe der ermittelten Zahlenwerte fürdie Einzelelemente dieser Ersatzschaltun­gen sind in Bild 8 sofort die Ergebnisse derfrequenzabhängigen Grössen dargestellt.Im Gegensatz zur homogenen Anordnungwird nun die Kapazitätsänderung wesent­lich grösser, was zu erwarten war, da sichdie Feldstärke im Öl relativ schnell abbautund schliesslich nur mehrdie Kapazität desBoards wirksam wird. Die Absolutwertedieser Kapazität (rechte Ordinate) bei sehrniedrigen Frequenzen (l0- 4 Hz) strebtdaher einem Grenzwert zu, da auch ausder wirksamen Elektrodenfläche, einemvirtuellen Elektrodenabstand von 4 mm(Gesamtdicke der beiden Board-Proben)und der bei diesen tiefen Frequenzen effek­tiv wirksamen, relativen Permittivität destrockenen Boards (hier etwa4,4) berechnetwerden kann. Bei dieser starken Kapazi­tätsänderung ist auch ein ausgeprägtesMaximum bei den Verlustfaktoren, dieebenfalls in Bild 8 (linke Ordinate) darge­stellt sind, zu erwarten. Diese Maxima sindtypisch für einen Polarisationsmechanis­mus nach Debye, der hier durch die makro­skopische Grenzflächenpolarisation be­wirkt wird. Der nach dem Überschreitendieser Maxima zu höheren Frequenzen hineinsetzende starke Abfall des Verlustfak­tors wird von der Parallelschaltung von C50

mit Ro und allen Ri-Werten verursacht undnur geringfügig von den Polarisationsver­lusten des Transformerboards, die bei die­sen tiefen Frequenzen wesentlich kleiner

24 Bulletin ASE/UCS 23196

Isolationsdiagnostik

(b)

~ gemessen

~~~~\~~j:'et *" " ,~ " "" " ' "

--- ungealtert (~,2%) ~~ '~>""- - - gealtert (0,5 Yo) ~ "" <,~=~~ ungealtert (1,0%) "' :--.., '~.-._. - gealtert (2,0%) ~:--.. ""

1E- 5

1E-4 1E- 3 1E- 2 1E-1 1E+0 1E+1 1E+2

Frequenz in (Hz)

1E-4

1E+0

1E-1

00 1E- 2crn- 1E- 3

--- ungealtert (0,2%)- - - gealtert (0,5%)---- ungealtert (1,0%)- -- gealtert (2,0%)

1E-3 1E-2 1E-1 1E+0 1E+1 1E+2

Frequenz in (Hz)

(a)

-----------

• gemessen

\. I\ 0 extrapoliert

'Y---' 'Q.

-Q--U-..D-~--e-

3E-1 0--.---- -----------;:---:-:-=-=:::71

1,5E-1 0-t---.-rrrnmr-"TTTTTTT1r-1rrTrrmr----rTT11rmr....--rTTT1Trr---1rnTTm!

1E-4

2,5E-10

LL~

.SÜ

2E- 10

Bild 6 Frequenzabhängigkeit von Kapazitätund Verlustfaktor von Board·ProbenFrequenzabhängigkeit der Kapazität C(a) und des Verlustfaktorstan8(b) der homogenenBoard-Probenvon Bild4, berechnetaufgrundder aus den Relaxations­strömenermittelten Ersatzschaltungen nach Bild5.

sind, wie der tanö-Verlauf für das gutgetrocknete, ungealterte Board (Bild 6 b)beweist.

Auch in Bild 8 sind wieder einzelneMesswerte eingetragen, die mit dem Di­electric Spectrometer an einer der beidenAnordnungen ermittelt wurden. Die Ursa­chen der Abweichungen zwischen den ge­messenen und den aus der Ersatzschaltun­gen berechneten Werten, die hier aber nurgering sind und erst bei grösseren Frequen­zen einsetzen, wurden bereits vorhererläu­tert.

Auch wenn man die geometrischen Ver­hältnisse dieser Isolierstoffschichtungnicht gekannt hätte, würde somit der fre­quenzabhängige Kapazitätsverlauf einenEinblick in das inhomogene Isoliersystem,das sich durch die starke Kapazitätsände­rung und die Maxima im tanö-Verlaufergibt, ermöglichen. Da praktisch alleTransformatoren derartige Schichtungenenthalten, wird auch bei Messungen an

Transformatoren diese Erscheinung auftre­ten.

Rückkehr-SpannungenWie bereits in der Einleitung erwähnt,

wird in jüngster Zeit immer häufiger dieseit Jahrzehnten bekannte Erscheinung von«rückkehrenden Spannungen» für eine Be­urteilung von insbesondere Trafo-Isolie­rungen angewandt. Die Erscheinung selbstberuht aufderTatsache, dass sich zum Bei­spiel an den Klemmen eines Hochspan­nungskondensators, der über eine kürzereoder längere Zeit mit Gleichspannung be­ansprucht war, trotz eines kurzzeitigenKurzschliessens der Klemmen am Konden­sator wieder eine Spannung aufbaut, die jenach Kondensator-Dielektrikum in der Re­gel einen Maximalwert erreicht und erstnach längerer Zeit wieder verschwindet[6]. Aus dem in Bild 5 angegebenen allge­meinen Ersatzschaltbild lässt sich dieserEffekt sofort erkennen und bedarf daher

keiner zusätzlichen Erläuterung. Einegrosse Verbreitung hat aber nun die aufdieser Erscheinung aufbauende RVM­Messmethode gefunden, die seit einem aufder Cigre-Session 1990 publizierten Bei­trag [7] und der Markteinführung einesentsprechenden Messgerätes [8] auch zurOffline-Diagnostik von insbesondereGross­transformatoren verwendet wird.

Diese RVM-Methode, über die in denletzten Jahren sehr häufig und ausführlichin der Literatur berichtet wurde(siehe z. B.[9, 10]), besteht darin, das zu untersuchen­de Objekt in Zyklen mit einer Gleichspan­nung von typisch 2 kV zu polarisieren, esdaraufhin kurzzuschliessen undnach dieserKurzschlussperiode die Rückkehrspan­nung zu messen, dessen MaximalwerteV ,.mox mit der jeweiligen PolarisationsdauerTI' in Abhängigkeit gebracht werden. DieseAbhängigkeit wird Polarisationsspektrumgenannt. Die Kurzschlusszeit beträgt dabeivorzugsweise ~)/2; die Begründung dafür

.SÜ

5E- 11

4 mm Öl + 4 mm Board - - ---- ­16 mm Öl + 4 mm Board ---

1E-4 1E-3 1E-2 1E- 1 1E+0 1E+1 1E+2

Frequenz in (Hz)

1E-3

1E+1.....---- - - - - --;;------ - --.·1 E- 10

1E-2

1E+0

1E-5 -I--rTTITTl;n-o-rnmnr-.rrrrmrrncrrmr-rTTTnTIr-rTTITTl,rO

1E-4

1E+4

- - - - -Ipol

-- Idepol

1E+31E+2

Zeit in (8)1E+11E+0

1E-1016 mm Öl + 4 mm Board

0-1E-11 "/1--------- ,

;;(

.S 4 mm Öl + 4 mm Board

E 1E-1 2

eCi)

1E-13Eo= 4V/mmEp = 5000 s

1E-1 4e= 20 -c

Bild7 Gemessene Relaxationssträme von geschichteten, inhomogenenIsolieranordnungen

Messanordnungen mit 4-mm-Boards und Ölstreckenvon4mm und 16 mm

Bild8 Frequenzabhängigkeit der Kapazitätund des Verlustfaktorsfür geschichtete, inhomogene Isolieranordnungen

Frequenzabhängigkeit der KapazitätCund des Verl ustfaktors tan8 der Probennach Bild7, berechnet aufgrund der aus den Re laxationsströmenermitteltenErsatzschaltungen nach Bi ld5.

Bulletin SEVIVSE23/96 25

Hochspannungstechnik

1E+31E+2

Zeit in (s)1E+1

1E-9 -J--.-,-rn-nrr-,-,--.rTTTlrr--r-TTTTTrrr----r....,...,rrl

1E+0

---- - - IpOI

--Idepol

1E-6

1E-5..",-------------------,

~

.S: 1E-7Ee(jj

1E-8

1E+4

----

1E+31E+2

Tp in (s)

------- 2mm Board- ---- 4 mm Öl + 4 mm Board-- 16 mm Öl + 4 mm Board

1E+1

.­_.-

Uo =2,0 kV

1E+O-j--.-.TTrnTr-,--TTTTTrrr--.--.-TTTTTrr--.--rrrrrrrl

1E+0

1E+3...",-------------------,

2:- 1E+2 .

.S:~E-> 1E+1

Bild 9 Vergleich der simulierten Polarisationsspektren fürdie ungealterte,homogene Board-Probe von Bild 4amit jenen der beiden geschichtetenIsolieranordnungen von Bild 7

Bild 10 Gemessene Relaxationssträme eines betriebsgealterten Hoch­spannungstransformators

nähere Angaben siehe Text

ist der einschlägigen Literatur zu entneh­men. EinPolarisationszyklus ist dannbeen­det, wenn nach dem Erreichen des Rück­kehrspannungsmaximums das Objekt wie­der so lange kurzgeschlossen bleibt, dassdie dann noch wirksamen Depolarisations­ströme vernachlässigbar klein wurden. EineZykluszeit kann damit recht gross werden,auchwenn die Polarisationsdauer Tp relativkurzwar. ~) wirddabei in diskreten Wertenvon I : 2 : 5, beginnend mitTp = 20 msvari­iert. Der Maximalwert von Tp beträgtbeimhandelsüblichen Gerät 10000 s.

Mit dem zur Verfügung stehendenRVM-Gerät war eine problemlose Mes­sung der Polarisationsspektren an den ge­schichteten Laborproben (Bilder 7 und 8)nicht möglich, da dieses Gerät eine Min­destkapazität des Prüfobjekts erfordert, diezudem noch von der wählbaren Polarisati­onsspannung abhängt. Aus Messungen angrösseren Prüfobjekten waraberbereits be­kannt, dass die Ergebnisse von RVM-Mes­sungen auch über die bereits behandelteSimulation der Relaxationsströme und diedaraus gewonnene Ersatzschaltung (Bild5)

mit guter Genauigkeit berechnet werdenkönnen. Liegt nämlich eine Ersatzschal­tungauchquantitativ vor, so lassensich dieSchaltzyklen der RVM-Messungen überdie Lösung eines Gleichungssystems vonlinearen Differentialgleichungen für dieunterschiedlichen Anfangsbedingungenauch numerisch berechnen und erhält dar­aus den gesuchten Zusammenhang vonVrlllox = f(Tp) , also das Polarisationsspek­trum. In Bild 9 sind die auf diese Weisesimulierten Spektren für die beiden ge­schichteten Anordnungen von Bild7 sowiedas Spektrum für eine homogene, 2 mmstarke, gut getrocknete Board-Probe (sieheBild 4 a, 0,2% Feuchte) eingetragen. DieseErgebnisse zeigen eindeutig den EinflussderSchichtung, alsoder Geometrie der An­ordnungen, auf den Verlauf dieser Spek­tren. Bei der homogenen Anordnung steigtVmwx mit Tp kontinuierlich an und erreichtselbst beieinerPolarisationszeit Tp von104 snoch keinen Höchstwert. Bei den beideninhomogenen Anordnungen, die ebenfallsje 2 mmdicke, sehrgut getrocknete Board­Proben enthalten, ergeben sich aber früh-

zeitige Maxima, die sich bei dem relativgrösseren Ölanteil zu grösseren ~,-Wertenhin verschieben. Würde manabernachdenAngaben der Fachliteratur [8] diese Maxi­malwerte mit der Board-Feuchte in Bezie­hungbringen, so wären die in dieserLitera­tur postulierten Feuchtewerte praktisch 0%für die homogene Anordnung, aber minde­stens ungefähr 1,9%bzw. 1,5% für die bei­den geschichteten Anordnungen. Im Prin­zip lässt sich dieses Ergebnis rechteinfachaus Ersatzschaltungen für die Einzelkom­ponenten der Anordnungen erklären, wor­auf hier aber verzichtet wird. Aus physika­lischer Sicht ist die bei den inhomogenenProben auftretende zusätzliche Grenz­schichtpolarisation, für die auch die Leit­fähigkeit des Öls eine bedeutende Rollespielt, die wesentliche Ursache fürdasAuf­treten der Maxima in den Polarisations­spektren.

Bei einer Anwendung der RVM-Metho­de aufTransformatoren miteinergeschich­teten Öl-Papier-Isolation wird daher dieseVerschiebung der Polarisationsspektrum­Maxima zu kürzeren Tp-Werten hineine zu

1E+3 -,------------------,1E+0 8E-8

1E-1 LL'tan 8 ~

00 .S:c 0s1E-2 4E-8

1E-3

Uo=2,0 kV o gemessen*berechnet

1E-4 1E-3 1E-2 1E-1 1E+0 1E+1 1E+2

Frequenz in (Hz)

Bild 11 Frequenzabhängigkeit der Kapazität Cund des Verlustfaktors tan8fürden Transformator von Bild 10

Bild 12 Das aufgrund einer Ersatzschaltung simulierte sowie das mit einemRVM-Gerät gemessene Polarisationsspektrum des Transformators von Bild 10

26 Bulletin ASE/UeS 23/96

Isolationsdiagnostik

1E+31E+2

Zeit in (s)1E+1

Schlussfolgerung

E~ wurde gezeigt, dass man mit einerMessung der Relaxationsströme an Trans­fonnatoren sehr wertvolle Hinweise überden aktuellen Zustand des verwendetenIsoliersystems erhalten kann. Die dabeiverwendete Auswertemethode liefert ins­besondere die niederfrequenten Diagnose­grössen (Kapazität, Verlustfaktor) in einemFrequenzbereich, der für Alterungsprozes-

aus Labormessungen an Board-Proben mitunterschiedlicher Feuchte oder Alterungexperimentell ermittelten Eigenschaftenfür eine Gesamtsimulation des Isolier­systems im Trafo verwenden, um die ge­messenen Relaxationsströme am Transfor­mator nachzubilden. Dieses Verfahrenwurde bei dem im Bild 13 gezeigten Ver­gleich von gemessenen und simuliertenRelaxationsströmen angewandt. Die Mess­werte stammen dabei vom eingangserwähnten Transformator für Tp = 1500 s(siehe Bild 10). Bei den berechneten Kur­venscharen von Relaxationsströmen wur­den die dielektrischen Eigenschaften vonPressboard-Proben mit steigendem Feuch­te- undAltenmgsgrad verwendet, umderenEinfluss auf denGesamtverlaufder Relaxa­tionsströme zu erkennen. Die beste Über­einstimmung mit den Messwerten ergibtsich dabei mit den als IpoI3/depo/3 bezeichne­ten Strömen, die aus den Eigenschaften ei­ner im Labor gealterten Probemit ungefähr2% Feuchte berechnet wurde. Auch ausdieser Simulation erkennt man, dass dieIsolieröleigenschaften, die bei der Simula­tion nicht geändert wurden, die Relaxati­onsströme bei kurzen Zeiten dominieren.Da die Laborproben aber nicht aus demuntersuchten Transformator entnommenwurden, wäre es sicher unzulässig, den ge­nannten Feuchtegehalt der Feststoffisola­tion dieses Transformators, deren Zusam­mensetzung nicht bekannt ist, zuzuordnen.

----- - Ipol "

- -ldepo!A

1E+O

1E-5 ,,---- --- -----------,

1E-6

1E- 10 -;-- ,.--,r-r-,..,..,."tTT"- ,-,....,-..,...,.,rTTT- -.--r-t-r...,.,TtTI- -'

1E-9

~~ 1E-7.SEe 1E-B

U5

Bild 13 Vergleichzwischen gemessenen(Messpunkte) undberechneten Relaxations­strömen des Transforma­tors von Bild 10

faktors mit einem Maximalwert von I beiungefähr 2 . 10-2 Hz und einem Wiederan­stieg bei f < 10-3 Hz kann auf die gleicheWeise erklärt werden.

Das RVM-Messgerät ist für derartigeVor-Ort-Messungen an grossen Transfor­matoren konzipiert und daher problemloseinsetzbar. In Bild 12 sind daher die mitdiesem Gerät gemessenen VmUlX"Werte inAbhängigkeit der vom Gerätgewählten in­dividuellen Tp-Werteaufgeführt. Zum Ver­gleich dazu wurden auch die über die Si­mulation berechneten Werte eingetragen.Die gute Übereinstimmung zwischen die­sen Polarisationsspektren beweist, dassman die Ergebnisse einer RVM-Messungauch über das hier gewählte Simulations­verfahren, das von den Relaxationsströmenausgeht, erhalten kann.

Abschliessend sei noch darauf hinge­wiesen, dass es möglich ist, bei einerKenntnis des innerenAufbaus einesTrans­formators, der im wesentlichen durch dieSchichtung von Ölstrecken und Board­Barrierengekennzeichnet ist, zwischen denPhänomenen der makroskopischen Grenz­flächenpolarisation und den Polarisations­prozessen der Einzelkomponenten zu un­terscheiden [I I]. Kennt man nämlich diedielektrische Antwortfunktion f( t) - sieheGleichung (9) - dieser Komponenten so­wiederen Leitfähigkeiten 0 , so könnendieGesamtstromdichten von geschichtetenAnordnungen in Anlehnung an Gleichung(12) und einer Kenntnis der Vakuum­Kapazitäten auch rechnerisch simuliertwerden. Für den Fall einer konkretenSimulation der Relaxationsströme einesTransformators können die dielektrischenGrössen für das Isolieröl aus Messungen anÖlproben gewonnen werden. Die Eigen­schaften der im Transformator verwende­ten Isolierstoffbarrieren lassen sich hinge­gen nicht messen, ohne das Gerät zu öff­nen. Da zweifellos die Feuchte des Boardsderen dielelektrische Eigenschaften sehrwesentlich beeinflusst, kann man aber die

hohe Board-Feuchte vortäuschen, wennmandie Auswertemethode nach[8]anwen­det. Erst kürzlich wurde auch an anderenStellen berichtet, dass derartige Auswer­tungen nicht im Einklang mit Feuchtemes­sungen in der Feststoffisolation stehen,welche mit der international anerkanntenKarl-Fischer-Titration vorgenommen wur­den (siehe dazu [1 2] sowie Lit. [9] in [12]) .

Vor-Ort-Messungen anHochspannungstransformatoren

Mit den eingangs des Abschnitts überexperimentelle Ergebnisse an Laborprobengenannten Laborgeräten (DC-Spannungs­quelle; Keithley-Elektrorneter; Umschalt­mechanismus) lassen sich auch vor OrtRelaxationsströme an Leistungstransfor­matoren messen. Aus einer Mehrzahl vonMessungen, die in unterschiedlichen Frei­luftanlagen durchgeführt wurden, werdendie Ergebnisse einer Vor-Ort-Messung füreinen im Betrieb gealterten Transformator(25 MVA; 155/135/19,5kV; Baujahr1955)vorgestellt. Bild 10 zeigt die an diesemTransformator gemessenen Relaxations­ströme (Absolutwerte) bei Polarisations­spannungen von I kV und 2 kV sowie beiunterschiedlichen Polarisationsdauern Tp

von 100s, 1500 s und 5000 s. Die Verdop­pelung der Ströme bei der Verdoppelungder Polarisationsspannung ist ein Nachweisfür die Linearitätdes hier voluminösen Iso­liersystems. Der zeitliche Verlauf wird hierdurch den relativ frühzeitigen Abfall derRelaxationsströme nach bereits etwa 20 sbestimmt, was auf eine relativ grosse ÖI­leitfähigkeit hinweist. Der Vergleich derDepolarisationsströme bei Polarisations­dauern von 1500 s und von 5000 s zeigtdeutlich, dass nachdem Aufbau der Grenz­flächenpolarisation, die durch den frühzei­tigen, starken Abfall der Relaxationsströmecharakterisiert wird, nochzusätzliche Pola­risationsprozesse im Board aktiviert wer­den, was zu einem langsameren Abfall derDepolarisationsströme bei längeren Zeitenführt.

In Bild I I sind die berechneten, fre­quenzabhängigen Kapazitäts- und tanö­Werte für diesen Transformator zusam­mengefasst. Sie wurden wiederum aus derSimulation der Depolarisationsströme undder sich daraus ergebenden Ersatzschaltung(Bild 5) ermittelt. Neben dem markanten,starken Anstieg der Kapazität im Bereichvon 10:'-5 .10-3 Hz, der durch die makro­skopische Grenzflächenpolarisation verur­sacht wird, erfolgt ein weiterer starker An­stieg bei Frequenzen <I0.3 Hz, der ganzoffensichtlich durch die Polarisationspro­zesse imTransformerboard bedingt ist. Derfrequenzabhängige Verlauf des Verlust-

Bulletin SEVIVSE 23/96 27

.............................................................................................................: .:.)))))))))))))~}??????}~rrrrrrrr~JJJJJJ~~~Hochspannungstechnik

Le diagnostic sur placedes transformateurs de puissanceLes courants de relaxation renseignent sur l'etat d'isolementdes composants etinstallations haute tension

Les materiaux isolants et systemes d' isolement sont de prime importance pour lescomposants et installations haute tension; sur les transformateurs de haute puissance et11 haute tension, iIs se composent encore actuellement presque toujours du systemetraditionnel 11 huiIe minerale et cellulose. Le present article montre comment unemesuredescourantsde relaxation lpolet l depol (voirfig. 2)permetuneevaluationde l'etatde I'isolement.

Une methodeelementaire de fitting sert 11 determiner d' abord des valeurs quantitati­ves pour les differents elernents d'un montage equivalentselon la figure5 11 partir desvaleurs mesurees pour les courants de relaxation (voir table I pour les courants derelaxation de la fig. 4b). Ce montage equivalent permet de calculerI'influence de lafrequence sur la capaeire effective C et le facteur de perte tanö. Les figures 6a1brepresententles resultats de ces calculs pourles quatre paires de courants de relaxationde la figure 4a/b dans la plage de frequence de 10-4 11 102 Hz. Le resultat de cettedetermination indirecte des proprietes fonctions de la frequence concordent bien avecles valeurs mesurees directement au moyen d'un spectrornetre dielectrique(fig. 6a1b).La methoded'evaluation proposee fournit ainsi les grandeurs de diagnostic quesont lacapacite et le facteur de perte pour une plage de frequence importante en vue del'evaluation des phenomenes de vieillissement dans un isolant au papier huile. Lamethode presentee peutservir 11 completer et 11 ameliorer le diagnosticdes transforma­teurs.

se in einer Öl-Papier-Isolierung offensicht­lich von grosser Bedeutung ist. DerartigeEigenschaften werden zurzeit nur indirektüber eine spezielle Bewertung von Rück­kehrspannungen erfasst, die zu schwer in­terpretierbaren Polarisationsspektren füh­ren und vom geometrischen Aufbau sowievon den individuellen, dielektrischen Ei­genschaften einer Trafo-Isolierung abhän­gen. Die vorgestellte Methodik kann dazudienen, in der Zukunft die Transformator­diagnostik zu ergänzen und zu verbessern.

VerdankungDie hier beschriebene Arbeit wird im

Rahmen des Projekts «Dielektrische Mess­methoden zur Diagnose des Isolations­zustandes von ÖI-Papier-isolierten Trans­formatoren» vom Projekt- und Studien­fonds der Elektrizitätswirtschaft (PSEL)finanziell unterstützt. Für diese Unterstüt­zung sei an dieser Stelle bestens gedankt.Ebenfalls gedankt sei der Firma WeidmannAG, Rapperswil, für ihre technische Unter­stützung bei der Vorbereitung und Alte­rung der Laborproben, sowie der FirmaHaefely-Trench AG, Tettex InstrumentsDivision, Zürich, für die Bereitstellung desRVM. Schliesslich bedanken wir uns beider ABB Secheren AG, Genf, und den Ser­vices Industriels de Geneve, die uns dieMöglichkeit gaben, die im Abschnitt «Vor­Ort-Messungen an Hochspannungstrans­formatoren» präsentierten Untersuchungendurchzuführen .

Literatur[1] R. ParzeI, E. Neudert und M. Sturm: Diagno­

stik der Elektrischen Energietechnik. Expert-Verlag,1996, ISBN 3-8169-1364-4.

[2] Micafil: Werterhaltung von Transformatoren,Zustandserfassung, Bewertung, Instandhaltung.Symposium 1996 (19 Beiträge).

[3J F. Flottmeyer u.a.: Betrachtungen zum Pro­blem der Nutzungsdauer von Hochspannungs-Trans­formatoren und Wandlern. VDE/ETG-FachberichtNr. 55 (1995), S. 43-63.

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