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Vorsorge, Erben und Vererben - Advocatio · Erben und Vererben Tipps und Informationen zum Pflege- und Erbfall. 5 Inhalt Erste Erledigungen nach einem Todesfall 7 Gesetzliche Erbfolge

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Page 1: Vorsorge, Erben und Vererben - Advocatio · Erben und Vererben Tipps und Informationen zum Pflege- und Erbfall. 5 Inhalt Erste Erledigungen nach einem Todesfall 7 Gesetzliche Erbfolge

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Vorsorge, Erben und Vererben

Tipps und Informationen zum Pflege- und Erbfall

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Vorsorge, Erben und Vererben

Tipps und Informationen zum Pflege- und Erbfall

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Inhalt

Erste Erledigungen nach einem Todesfall 7

Gesetzliche Erbfolge 13

Testament und Erbvertrag 18

Das gemeinschaftliche Testament 25

Die Erbengemeinschaft 29

Das Pflichtteilsrecht 32

Testamentsvollstreckung 39

Die Haftung des Erben 43

Die Unternehmensnachfolge 48

Schenkung- und Erbschaftsteuer 52

Vorweggenommene Erbfolge 58

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht 60

Impressum:

2. Auflage 2014© Advocatio Rechtsanwälte, www.advocatio.de

Dieses Buch ist mit allen Teilen urheberrechtlich geschützt. Die Verwertung bedarf der Zustimmung des Rechteinhabers, sofern sie vom Urheberrecht nicht ausdrücklich zugelassen ist. Das gilt vor allem für Nachdruck, Vervielfältigung, Bear-beitung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Verarbeitung in und für elektronische Systeme.

Herausgeber: Advocatio Rechtsanwälte, MünchenTel 089/21 01 02 0www.advocatio.de

Layout und Satz: KOMMposition, Berlinwww.kommposition.deFoto Cover: babimu/fotolia.com

Druck: Pinguin Druck GmbHTel 030/44 32 40 50www.pinguindruck.de

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Erste Erledigungen nach einem Todesfall

Unmittelbar nach dem Tod eines Angehörigen oder eines engen Freundes ist

viel zu tun. Die Erledigung der notwendigen Dinge obliegt meist den nächs-

ten Angehörigen, welche jedoch aufgrund von Schmerz und Trauer über den

Tod des Verstorbenen oft nur schwer in der Lage sind, die erforderlichen

Dinge zu regeln. Die folgende Darstellung soll im Rahmen einer Art Checklis-

te helfen, die nach dem Tode eines Menschen erforderlichen Angelegenhei-

ten zu regeln.

Der Totenschein

Die Ausstellung des Totenscheins erfolgt durch den Hausarzt oder den Notarzt,

die umgehend von dem Tod zu benachrichtigen sind. Beim Tod in einem Kranken-

haus wird durch den entsprechenden Krankenhausarzt der Totenschein ausge-

stellt, so dass es keiner weiteren Benachrichtigungen bedarf.

Anzeige des Todesfalls

Der Todesfall muss dem zuständigen Standesamt spätestens am ersten auf den

Todestag folgenden Werktag angezeigt werden. Zuständig ist das Standesamt, in

dessen Bezirk der Tod eingetreten ist.

Beauftragung eines Bestattungsinstituts

Ratsam ist, sofort ein Bestattungsinstitut zu beauftragen. Dieses kümmert sich

um Fragen der Aufbewahrung des Verstorbenen, der Einsargung, der Auswahl der

Grabstätte, der Abstimmung mit dem Friedhofsamt, etc. Das Bestattungsinstitut

erledigt auch die Anzeige des Todes gegenüber dem zuständigen Standesamt und

die Beantragung der Sterbeurkunde sowie sonstige gewünschte Tätigkeiten, wie

beispielsweise die Schaltung einer Traueranzeige in Tageszeitungen oder die Ab-

rechnung der Todesfallkosten mit einer Sterbegeldversicherung.

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Sterbeurkunde

Eine Sterbeurkunde wird vom örtlich zuständigen Standesamt ausgestellt. Dies

ist regelmäßig das Standesamt am Wohnort des Verstorbenen bzw. bei einem

Versterben im Krankenhaus oder an einer Unfallstelle, das für diesen Ort zustän-

dige Standesamt. Dem Standesamt sind folgende Urkunden vorzulegen:

• Der Totenschein

• Geburtsurkunde des Verstorbenen

• Personalausweis des Verstorbenen

• Heiratsurkunde des Verstorbenen

• Die Sterbeurkunde eines vorverstorbenen Ehegatten

• Scheidungsurteile, wenn der Verstorbene geschieden war

Es ist ratsam, sich sofort mehrere beglaubigte Kopien der Sterbeurkunde anfer-

tigen zu lassen, weil die Sterbeurkunde meist für mehrere Behörden, Banken,

Versicherungen gleichzeitig benötigt wird.

Benachrichtigung von Personen

Folgende Personen sind vom Tod und Bestattungstermin zu informieren:

• Verwandte und Freunde

• Mitarbeiter und ggf. der Arbeitgeber

• Pfarrer

• Vereine, in denen der Verstorbene Mitglied war

Versicherungen, Renten und Mitgliedschaften

• Lebens- und Unfallversicherungen sind grundsätzlich innerhalb von 48 bis

72 Stunden zu informieren. Es empfiehlt sich eine Information vorab per

Telefax oder mittels eines eingeschriebenen Briefes, welchem eine Ster-

beurkunde und ggf. ein Zeugnis über die Todesursache beizulegen ist. Im

Falle eines Arbeitsunfalls ist auch die Berufsgenossenschaft innerhalb von

48 Stunden nach dem Tod zu informieren.

• Ebenfalls zu informieren ist die Krankenversicherung, eine Rentenversiche-

rung oder ein bestehendes Versorgungswerk.

• Die gesetzliche Rentenversicherung des Verstorbenen ist unter Vorlage ei-

ner beglaubigten Kopie der Sterbeurkunde zu benachrichtigen und bei die-

ser ggf. eine Witwen- oder Waisenrente zu beantragen.

• War der Verstorbene Rentner oder Bezugsberechtigter eines Versorgungs-

werkes, so kommen Überbrückungsgelder für den Ehepartner und die

nächsten Angehörigen in Betracht.

• Vereinsmitgliedschaften sowie sonstige Mitgliedschaften in Verbänden en-

den grundsätzlich mit dem Tode. Im Zweifelsfall sollten sie gleichwohl ge-

kündigt werden und die Vereine und Verbände in jedem Falle über den Tod

unterrichtet werden.

• Private Versicherungen, wie Hausratsversicherungen, Haftpflichtversiche-

rungen und Kfz-Versicherungen, sind ebenfalls zu informieren und even-

tuell zu kündigen bzw. von den Erben zu übernehmen. Dies empfiehlt sich

beispielsweise bei einer Hausratsversicherung oder auch bei einer Kfz-Ver-

sicherung, bei welcher möglicherweise ein Schadensfreiheitsrabatt über-

tragen werden kann.

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Vollmachten, Sparkonten und Lebensversicherungen

Vollmachten, Konten und Lebensversicherungen sind schnellstens zu überprü-

fen und eventuell zu widerrufen oder zu sperren. Ein Widerruf ist auch durch

einzelne Miterben möglich. Da Vollmachten jedoch häufig die Abwicklung und

Verwaltung des Nachlasses bis zur Erteilung eines Erbscheins erleichtern können,

sollten sie nicht voreilig widerrufen werden.

Hat der Verstorbene beispielsweise Vollmachten zu Gunsten Dritter über den Tod

hinaus erteilt, so müssen diese vom Erben widerrufen werden, wenn sie nicht in

seinem Sinne sind.

Gleiches gilt von Bezugsberechtigungen in Lebensversicherungen, Sparbüchern

und sonstigen Verträgen zu Gunsten Dritter. Ansprüche aus solchen Verträgen

fallen grundsätzlich nicht in den Nachlass, sondern gehören unmittelbar dem

Dritten. Wenn dieser jedoch noch keine Kenntnis hiervon hatte, kann das Recht

des Dritten meist noch vom Erben widerrufen werden. Andererseits empfiehlt

sich für Begünstigte derartiger Verträge, dass diese die Begünstigung schnellst-

möglich annehmen, beispielsweise durch entsprechende Erklärungen gegenüber

den Versicherungen und Banken, um hierdurch einem etwaigen Widerruf eines

Erben zuvorzukommen.

Suche und Abgabe von Testamenten

Ist zu vermuten, dass der Erblasser ein Testament errichtet hat, so ist nach

diesem zu suchen. Ein gefundenes Testament ist umgehend dem Nachlassgericht

abzuliefern. Wer ein Testament in Besitz nimmt und es zerstört oder nicht ablie-

fert, kann sich hierdurch strafbar machen.

Der Erbschein

Die Beantragung eines Erbscheins erfolgt beim zuständigen Nachlassgericht, d.h.

beim Amtsgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen. Ein Erbschein ist nicht

in allen Fällen erforderlich. Aufgrund der Kosten sollte stets geprüft werden, ob

ein Erbschein beantragt werden soll. Beispielsweise ist ein Erbschein grundsätz-

lich nicht erforderlich, wenn ein notarielles Testament oder ein notarieller Erb-

vertrag vorliegt. Banken und Versicherungen akzeptieren eine solche Urkunde,

wenn auf ihr durch einen sogenannten Eröffnungsstempel die Eröffnung durch

das Nachlassgericht kenntlich gemacht ist.

Liegt weder ein notarielles Testament noch ein Erbvertrag vor und existiert auch

keine Kontovollmacht über den Tod hinaus, bedarf es meist des Erbscheins zur

Legitimation gegenüber Banken, Versicherungen, dem Grundbuchamt.

Expertentipp

Bedarf es des Erbscheins lediglich wegen der Umschreibung von Grundstücken,

so ist zu raten, einen auf diesen Zweck beschränkten Erbschein zu beantragen,

da ein solcher kostengünstiger ist.

Schulden des Nachlasses

Der Erbe haftet für Schulden des Erblassers. Sind einem Erben konkrete Schulden

bekannt und erkennt er eine klare Überschuldung des Nachlasses, so kann er die

Erbschaft innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft

ausschlagen.

Wenn der Erbe jedoch nicht hundertprozentig von einer Überschuldung des

Nachlasses überzeugt ist, sondern eine solche lediglich befürchtet, ist eine Aus-

schlagung der Erbschaft meist nicht ratsam. Der Erbe kann auch die Erbschaft

annehmen und trotzdem die Haftung für Schulden des Erblassers begrenzen,

beispielsweise durch ein Aufgebotsverfahren, eine Nachlassverwaltung oder eine

Nachlassinsolvenz. Eine solche Vorgehensweise sollten jedoch immer mit einem

im Erbrecht versierten Rechtsanwalt abgestimmt werden, da eine Vielzahl von

Formalien zu beachten sind. Siehe hierzu im Einzelnen auch das Kapitel „Die

Haftung des Erben“.

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Dauerschuldverhältnisse, Daueraufträge

Dauerschuldverhältnissen (wie zum Beispiel Mietverträge, Bezugsverhältnisse

über Strom, Gas und Zeitungen) sind zu kündigen, wenn sie nicht vom Erben

übernommen werden sollen. Zugleich sind etwaige Einzugsermächtigungen und

Daueraufträge, die diese Verträge betreffen, zu widerrufen.

Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) enthält Stan-

dardlösungen für die Verteilung des Nachlasses, wenn eine verstorbene Per-

son (Juristen sprechen vom „Erblasser“) seinen letzten Willen nicht in ei-

nem Testament niedergelegt hat. Die gesetzliche Erbfolge passt aber häufig

nicht zur Lebenswirklichkeit vieler Bürger. So werden etwa unverheiratete

Lebenspartner im Todesfall nicht abgesichert, es bestehen keine Regelungen

zur Streitvermeidung unter Miterben, Personen, die für den Erblasser Pfle-

geleistungen erbracht haben, erhalten hierfür nahezu keinen erbrechtlichen

Ausgleich und die zahlreichen Möglichkeiten einer Steueroptimierung wer-

den nicht ausgeschöpft.

Ordnungen der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge sieht ein Verwandtenerbrecht mit einer klaren Reihen-

folge vor:

• Erste Ordnung: die Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel)

• Zweite Ordnung: die Eltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge

• Dritte Ordnung: die Großeltern und deren Abkömmlinge

• In den weiteren Ordnungen die Urgroßeltern und so weiter

Sobald eine Person einer vorangehenden Ordnung lebt und die Erbschaft an-

nimmt, schließt sie alle weiteren Ordnungen von der Erbfolge aus.

Beispiel Wenn der Verstorbene ein einziges Kind hat, schließt dieses alle anderen

Verwandten des Erblassers (wie z.B. Enkel oder Geschwister) von der Erb-

folge aus. Es spielt heute keine Rolle mehr, ob das Kind ehelich oder unehe-

lich ist. Auch Adoptivkinder sind gleichgestellt.

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Erblasser ist ledig und ohne Testament verstorben

Unverheiratet heißt nicht in jedem Fall kinderlos. Zuerst einmal sind Kinder

und ihre Abkömmlinge (= Erben erster Ordnung) erbberechtigt. Das Kind schließt

Enkel und Urenkel von der Erbfolge aus. Erst im Fall des Vorversterbens eines

Kindes erben dessen Kinder. Der Stamm einer Familie wird also immer durch den

mit dem Erblasser näher Verwandten repräsentiert.

Gibt es keinen einzigen Abkömmling, der ein Erbe annehmen könnte, kommen

die Eltern (= Erben zweiter Ordnung) zum Zuge. Sind die Eltern bereits verstor-

ben, dann erben deren Kinder, das heißt die Geschwister des Verstorbenen.

Erblasser ist verheiratet, kinderlos und ohne Testament verstorben

Verheiratete Paare ohne eigene Kinder gehen häufig davon aus, dass nach dem

Tod eines Ehepartners der Andere als Alleinerbe das gesamte Vermögen erhält.

Das ist ein Irrtum! Der länger lebende Ehegatte muss sich die Erbschaft mit

den Eltern bzw. den Geschwistern des Verstorbenen teilen! Je nach Güterstand

und Familienkonstellation erben die Ehepartner drei Viertel, die Hälfte oder ein

Viertel des Nachlasses. Alleinerbe wird der Ehegatte nur, wenn keine Abkömm-

linge, keine Eltern oder deren Abkömmlinge und keine Großeltern leben.

Erblasser ist verheiratet, mit Kindern und ohne Testament verstorben

Eine zum Zeitpunkt des Todes verheiratete Person, die mindestens ein Kind hat,

wird von dem Ehegatten und dem Kind (oder den Kindern) beerbt. Wie hoch der

Anteil der einzelnen Erben („Erbquote“) ist, richtet sich nach dem Güterstand,

in dem die Ehepartner zum Zeitpunkt des Todes gelebt haben, und nach der Zahl

der Kinder.

Expertentipp

Es kann sein, dass der verstorbene Ehepartner während der Ehe einen Vermö-

genszugewinn erzielt hat, der über ein Viertel des gesamten Nachlasses hinaus-

geht. Dann kann für den überlebenden Ehegatten eine Ausschlagung des Erbes

sinnvoll sein: Der Gesetzgeber räumt dem überlebenden Ehegatten in § 1371

Absatz 3 BGB nämlich die Möglichkeit ein, die Erbschaft auszuschlagen und statt-

dessen zwei Forderungen gegen die Erben des verstorbenen Ehepartners geltend

zu machen (so genannte „güterrechtliche“ Lösung):

• Zum einen kann er den konkret berechneten Zugewinnausgleich (ähnlich

wie im Fall der Scheidung) geltend machen. Hierzu müssen für jeden Ehe-

gatten gesondert die Anfangs- und Endvermögen ermittelt werden. Die

Differenz zwischen dem Anfangs- und Endvermögen ergibt den jeweiligen

Zugewinn eines Ehegatten. Haben die Ehegatten während der Ehezeit einen

unterschiedlichen Zugewinn erwirtschaftet, ist die Hälfte des Unterschieds-

betrags auszugleichen.

• Zum anderen kann der überlebende Ehegatte gemäß § 2303 BGB seinen

Pflichtteil fordern. Die Pflichtteilsquote beträgt dann aber nur ein Achtel

Gesetzlicher Erbteil des Ehegatten

Güterstand neben 1 Kind

neben 2 Kindern

bei mehr als 2 Kindern

bei Zugewinn-

gemeinschaft1/2 1/2 1/2

bei Güter -

trennung1/2 1/3 1/4

bei Güter-

gemeinschaft1/4 1/4 1/4

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(so genannter „kleiner“ Pflichtteil) und die Zugewinnausgleichsforderung

muss vom Nachlass als Verbindlichkeit abgezogen werden.

Dieses Wahlrecht steht dem länger lebenden Ehegatten auch bei testamentari-

scher Erbfolge zu.

Beispiel Das Ehepaar Schmid hat gemeinsam ein Architekturbüro aufgebaut, das

beim Ableben von Herrn Schmid einen Verkehrswert von 400.000 € hat.

Herr Schmid hinterlässt neben seiner Ehefrau einen Sohn. Er lebte im ge-

setzlichen Güterstand und hat weder ein Testament errichtet, noch einen

Erbvertrag geschlossen. Der Zugewinn, den Herr Schmid während der ge-

samten Ehezeit erwirtschaftet hat, beträgt 200.000 €.

Herr Schmid wird kraft Gesetz von seiner Witwe und seinem Sohn je zur

Hälfte beerbt. Der Erbanteil der Witwe beläuft sich also auf einen Wert von

200.000 €. Frau Schmid kann aber diesen gesetzlichen Erbanteil innerhalb

einer Frist von sechs Wochen ausschlagen und folgende Ansprüche gegen

den Erben ihres verstorbenen Mannes (dies wird der Sohn sein, sofern nicht

auch dieser ausschlägt) durchsetzen: Gemäß § 1378 BGB kann sie zunächst

den Zugewinn von 200.000 € verlangen. Zusätzlich kann sie ihren Pflichtteil

von einem Achtel fordern, der aus dem Nachlasswert von 400.000 € abzüg-

lich der Zugewinnverbindlichkeit von 200.000 €, also aus 200.000 € berech-

net wird. Der Pflichtteil der Witwe beträgt damit 25.000 €.

Frau Schmid erhält also nach dem Ableben ihres Mannes insgesamt einen

Betrag von 225.000 € (Zugewinn von 200.000 € zuzüglich des Pflichtteils

von 25.000 €) und steht damit wirtschaftlich besser als bei der gesetzlichen

Erbfolge. Diese Vorgehensweise hat für Frau Schmid weiter den Vorteil,

dass es sich bei Zugewinn und Pflichtteil um Forderungen handelt, die der

Erbe (also hier der Sohn) sofort mit dem Todesfall bar zu erfüllen hat. Bei

gesetzlicher Erbfolge bestünde dagegen eine Erbengemeinschaft mit dem

Sohn, bei der häufig Streitigkeiten entstehen.

Erblasser ist geschieden oder lebt in Scheidung und ist ohne Testament verstorben

Einem geschiedenen Ehegatten steht kein Erbrecht mehr zu. Das gesetzliche

Ehegattenerbrecht setzt eine bestehende Ehe voraus. Läuft zum Zeitpunkt des

Todes ein Scheidungsantrag, dann kommt es sehr auf die Details an: Wer hat den

Antrag gestellt und wer hat ihm zugestimmt. In solchen Fällen ist der länger le-

bende (Ex-)Ehepartner gut beraten, zu einem Fachanwalt für Erbrecht zu gehen.

Erblasser ist verwitwet, hat Kinder sowie einen unverheirate-ten Partner und ist ohne Testament verstorben

Nach dem Tod des Ehepartners finden viele Menschen wieder einen Lebenspart-

ner, mit dem sie – ohne Trauschein – zusammenleben. Stirbt eine Witwe oder ein

Witwer mit eigenen Kindern und mit unverheiratetem Partner, dann erben nach

der gesetzlichen Erbfolge ausschließlich dessen Kinder. Der Lebenspartner erhält

nichts aus dem Nachlass. Für den Fall, dass das unverheiratete Paar in einer Ei-

gentumswohnung oder im Haus der verstorbenen Person gelebt hat, kann es sein,

dass der Partner auf Betreiben der Kinder innerhalb kürzester Zeit ausziehen

muss. All das ist oft nicht gewollt und lässt sich mit einem Testament vermeiden.

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Testament und Erbvertrag

Die gesetzliche Erbfolge entspricht in vielen Fällen nicht dem Willen des

Erblassers. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig. Neben der Benennung des

Erben können Motive wie die Vermeidung einer Erbengemeinschaft, die Si-

cherung des Fortbestandes eines Unternehmens, die Verwaltung des Ver-

mögens minderjähriger Kinder oder die Reduzierung der Erbschaftssteuer

Gründe für die Errichtung eines Testamentes oder eines Erbvertrages sein.

Entsprechend vielfältig sind die möglichen Inhalte eines Testamentes oder

eines Erbvertrages.

Inhalt einer letztwilligen Verfügung

Der Inhalt einer letztwilligen Verfügung beschränkt sich nicht darauf, einen Er-

ben zu bestimmen oder eine Person zu enterben. Vielmehr kann der Erblasser

auch Vermächtnisse oder Auflagen anordnen und auf die Nachlassteilung unter

Miterben einwirken. Letzteres ist z.B. durch eine Testamentsvollstreckung oder

eine Teilungsanordnung möglich. Der Erblasser kann auch über die nach seinem

Tode zunächst eintretende Erbfolge hinaus Regelungen für den Fall des Todes

seines Erben treffen. Das geschieht durch die Anordnung einer sogenannte Vor-

und Nacherbschaft oder einer Voll- und Schlusserbschaft.

Erbeinsetzung und Enterbung

Die häufigste und meist wichtigste Regelung ist die Anordnung einer – von der

gesetzlichen Regelung abweichenden – Erbfolge.

So können beispielsweise verheiratete Eheleute ohne Kinder die gesetzliche

Erbfolge, nach welcher der überlebende Ehegatte neben den Eltern und/oder

Geschwistern des Erblassers lediglich Miterbe wird, vermeiden, indem sie sich

gegenseitig zu Erben einsetzen. Auch wenn Kinder des Erblassers vorhanden sind,

ist es sehr oft zur Erhaltung der Lebensgrundlage des überlebenden Ehegatten

erforderlich, dass die Eheleute sich gegenseitig zu Erben einsetzen.

Vermächtnis

Das sogenannte Vermächtnis eröffnet einem Erblasser die Möglichkeit, einer Per-

son nach seinem Tode bestimmte Vermögensgegenstände zukommen zu lassen,

ohne dass diese Person Erbe wird. Der Vermächtnisnehmer, also die Person, der

etwas zugewendet wird, erhält den ihm zugewendeten Gegenstand anders als im

Falle einer Erbeinsetzung nicht automatisch mit dem Tode des Erblassers. Viel-

mehr hat er lediglich einen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses. Dieser

Anspruch richtet sich meist gegen den Erben, der das Vermächtnis durch Über-

eignung des zugewendeten Gegenstandes zu erfüllen hat.

Teilungsanordnung

Sind mehrere Erben zur Erbfolge berufen, ist eine dadurch entstandene Erbenge-

meinschaft grundsätzlich darauf angelegt, aufgelöst zu werden. Diese Auflösung

geschieht durch Teilung der Nachlassgegenstände. Unteilbare Gegenstände sind,

wenn sich die Erben nicht anderweitig einigen, zu versteigern. Diese gesetzli-

chen Regelungen der Teilung einer Erbengemeinschaft kann der Erblasser durch

sogenannte Teilungsanordnungen vermeiden.

Testamentsvollstreckung

Oft führen Erbauseinandersetzungen unter Miterben über die Art der Teilung,

den Wertansatz der einzelnen Gegenstände und auch möglicherweise die Ver-

waltung der Erbschaft zu erheblichen Streitigkeiten. Solche Streitigkeiten kön-

nen durch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers vermieden werden.

Auch zur Verwaltung des Erbteils minderjähriger Kinder oder zur Fortführung eines

Unternehmens kann die Anordnung einer Testamentsvollstreckung sinnvoll sein.

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Auflagen

Der Erblasser kann einen Erben oder einen Vermächtnisnehmer mit bestimmten

Auflagen belasten. Im Unterschied zu Vermächtnissen gibt es bei Auflagen keinen

Begünstigten, der den Anspruch gegen den Belasteten geltend machen kann. Die

Erfüllung der Auflagen können lediglich der Erbe, Miterben sowie solche Perso-

nen verlangen, denen es zugutekommt, wenn der mit der Auflage Beschwerte als

Erbe ausfällt. Die häufigsten Auflagen sind Verpflichtungen zur Grabpflege, zur

Spende eines bestimmten Betrages für karitative Zwecke oder auch die Anord-

nung der Pflege von Tieren.

Vor- und Nacherbschaft

Durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser bestim-

men, wer z.B. nach dem Tode seines „ersten“ Erben den Nachlass erhalten soll.

Die Vor- und Nacherbschaft bewirkt, dass der Vorerbe nach dem Tode des Erb-

lassers zunächst die Erbschaft erhält, über sie jedoch nicht frei verfügen darf.

Vielmehr darf er nur bestimmte Nutzungen ziehen und den Nachlass verwalten.

Mit dem Nacherbfall fällt die Erbschaft dann dem endgültigen Erben an.

Ersatzbestimmungen

Da der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung

künftige Entwicklungen nicht vorhersehen kann, sind oft Ersatzregelungen zu

treffen. So kann der Erblasser für den Fall, dass der von ihm zunächst eingesetz-

te Erbe vor seinem Tode verstirbt oder aus anderen Gründen nicht Erbe wird,

einen sogenannten Ersatzerben bestimmen. Gleiches gilt für einen Testaments-

vollstrecker. Auch für diesen kann ein Ersatztestamentsvollstrecker bestimmt

werden.

Errichtung einer Verfügung von Todes wegen

Verfügungen von Todes wegen kann der Erblasser durch Einzeltestament, oder

durch Erbvertrag anordnen. Unter Ehegatten ist die Errichtung eines gemein-

schaftlichen Testaments möglich.

Errichtung eines Testaments

Ein Testament kann entweder als eigenhändiges oder öffentliches Testament er-

richtet werden:

• Ein eigenhändiges Testament wird errichtet, indem der Erblasser seinen

letzten Willen handschriftlich schreibt und unterschreibt. Dabei soll er den

Ort sowie das Datum der Errichtung des Testamentes angeben. Bei diesen

Angaben handelt es sich jedoch nicht um zwingende Angaben. Sie sind le-

diglich dann von Bedeutung, wenn mangels einer Angabe des Ortes und der

Zeit Zweifel an der Wirksamkeit des Testamentes bestehen. Dies ist bei-

spielsweise der Fall, wenn sich nicht ermitteln lässt, wann das Testament

errichtet wurde und ob der Erblasser zu diesem Zeitpunkt noch geschäftsfä-

hig war, oder wenn bei mehreren Testamenten mangels Ort und Zeitangabe

nicht zu ermitteln ist, welches das letzte und damit wirksame ist.

• Ein öffentliches Testament, auch notarielles Testament genannt, wird übli-

cherweise zur Niederschrift vor einem Notar errichtet. Es handelt sich um

ein Testament, dessen Inhalt der Notar nach entsprechender rechtlicher

Beratung formuliert und beurkundet. Möglich aber unüblich ist auch die

Übergabe eines Schriftstückes an den Notar mit der Erklärung, dass dieses

Schriftstück den letzten Willen enthalte.

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Widerruf eines Testaments

Ein Testament kann vom Erblasser jederzeit widerrufen werden. Ein solcher Wi-

derruf kann ausdrücklich erklärt werden. So kann der Erblasser verfügen, dass

das Testament nicht mehr gelten soll. Ein Widerruf kann auch durch ein späte-

res Testament erfolgen, welches zu einem früheren Testament im Widerspruch

steht, oder durch eine Vernichtung des Testamentes mit dem Willen, es aufzu-

heben.

Ein notarielles – nicht also ein eigenhändiges – Testament, welches in die amtli-

che Verwahrung gegeben wurde, wird durch die bloße Rücknahme aus der Ver-

wahrung widerrufen.

Verwahrung eines Testaments

Sowohl eigenhändige als auch notarielle Testamente können in die öffentliche

Verwahrung gegeben werden. Zuständig für diese öffentliche Verwahrung ist das

Amtsgericht am Wohnsitz des Erblassers. Durch eine solche Hinterlegung beim

Gericht sind Verlustrisiken ausgeschlossen. Die anfallenden Kosten richten sich

nach dem Wert der Erbschaft und sind verhältnismäßig gering. So fallen z.B. bei

einem Wert von 500.000 € eine Gebühr von 201,75 € an.

Wird ein Testament nicht in die öffentliche Verwahrung gegeben, so sollte si-

chergestellt werden, dass das Testament beim Tode des Verfügenden umgehend

gefunden und dem Nachlassgericht übermittelt werden kann. Es empfehlen sich

beispielsweise Hinterlegungen in einem eigenen Safe (nicht Bankschließfach!)

oder auch bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten des Vertrauens. Auch die

Übergabe an den Begünstigten ist empfehlenswert, da dieser sicher das Testa-

ment beim Nachlassgericht vorlegen wird, um seine Begünstigung nachzuweisen.

Ein notariell errichtetes Testament kann darüber hinaus in die notarielle Verwah-

rung gegeben werden.

Erbvertrag

Neben der einseitigen Verfügung von Todes wegen, d.h. neben dem Testament,

gibt es die Möglichkeit eines Erbvertrages, der notariell beurkundet werden

muss. Anders als bei einem Einzeltestament sind die Personen, die einen Erbver-

trag geschlossen haben, an die vertraglich getroffenen Regelungen gebunden.

Es tritt die gleiche Bindung ein, wie sie bei sonstigen Verträgen entsteht. Dies

bedeutet, dass eine Person, die einen Erbvertrag zu Gunsten einer anderen Per-

son errichtet hat, die Inhalte dieses Erbvertrages nicht wie bei einem Testament

jederzeit einseitig widerrufen kann.

Die vertraglichen Regelungen können nur in besonderen Ausnahmefällen einsei-

tig aufgehoben werden. Solche Fälle sind z.B. besonders schwerwiegende Ver-

fehlungen des durch den Erbvertrag Begünstigten oder die Anfechtung des Erb-

vertrages wegen eines Irrtums.

Unter Lebenden, also nicht durch Testament oder Erbvertrag, kann der erbver-

traglich Gebundene jedoch weiterhin frei über sein Vermögen verfügen. Nicht

möglich sind lediglich solche Schenkungen, die der vertraglich Gebundene in der

Absicht tätigt, den Begünstigten zu beeinträchtigen.

Aufgrund der bindenden Wirkung von Erbverträgen ist vor dem Abschluss eines

solchen Erbvertrages stets eine gründliche Überlegung und Abwägung erforder-

lich.

Gemeinschaftliches Testament

Bei einem gemeinschaftlichen Testament handelt es sich um eine besondere

Form der Testamentserrichtung durch Ehegatten. Hierfür ist es ausreichend, dass

ein Ehegatte das Testament schreibt und unterschreibt und der andere Ehegatte

es lediglich unterschreibt. Einzelheiten zum gemeinschaftlichen Testament er-

fahren Sie im folgenden Kapitel.

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Expertentipp zur Testamentserrichtung

Es gibt nicht das „gute und richtige Standardtestament“. Vielmehr bedarf eine

sorgfältige Testamentserrichtung meist längerer Planung und Erörterung. Häufig

ist ein durchdachtes Testament auch nur nach einer fachlichen Beratung durch

einen Erbrechtsexperten möglich. Die folgenden Tipps zur Testamentserrichtung

sollen deshalb nur als allgemeine Hilfestellung verstanden werden:

• Bestimmen Sie klar und eindeutig den oder die Erben;

• Benennen Sie auch einen Ersatzerben für den Fall des Wegfalls des Erben;

• Versuchen Sie nicht, durch Bedingungen auf den Erben einzuwirken;

• Listen Sie keine Gegenstände auf, ohne zuvor eine klare Erbfolge bestimmt

zu haben;

• Begründen Sie möglichst keine streitigen Erbengemeinschaften;

• Klären Sie die Frage einer Bindung im Ehegattentestament;

• Beachten Sie das Pflichtteilsrecht;

• Denken Sie an das Steuerrecht;

• Bedenken Sie auch die Möglichkeit einer Streitvermeidung unter den Erben

durch eine Testamentsvollstreckung;

• Formulieren Sie das Testament so kurz wie möglich

• Sorgen Sie dafür, dass das Testament gefunden wird.

Das gemeinschaftliche Testament

Anders als beim Testament, das eine einzelne Person verfasst, entsteht

beim gemeinschaftlichen Testament von Ehepartnern (oder eingetrage-

nen Lebenspartnern) meist eine Bindungswirkung, die später zum Teil nur

schwer oder überhaupt nicht zu beseitigen ist.

Formvorschriften

Ehegatten (oder eingetragene, gleichgeschlechtliche Lebenspartner) können ein

Testament als gemeinsamen „letzten Willen“ errichten. Es reicht aus, wenn ein

Ehepartner unter dem Titel „Testament“ oder „Letzter Wille“ die gemeinsamen

Überlegungen zu Papier bringt sowie unterschreibt und der andere seine Unter-

schrift darunter setzt. Ort und Datum sind ratsam, aber nicht gesetzlich vorge-

schrieben. Auch ein gemeinsames notarielles Testament ist möglich.

Inhalt für ein gemeinschaftliches Testament

Es gelten inhaltlich die gleichen Möglichkeiten wie bei einem Einzeltestament:

• Erbeinsetzung und Enterbung

• Ersatzbestimmungen

• Vor- und Nacherbschaft

• Teilungsanordnung

• Vermächtnisse

• Auflagen

• Testamentsvollstreckung

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Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen zu Lebzeiten der Eheleute

Besonderheiten gelten beim Widerruf von „wechselbezüglichen“ Verfügungen. Es

handelt sich dabei um Verfügungen, die für beide Partner Gültigkeit haben sollen.

BeispielDie Bestimmung, dass nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten die

gemeinsamen Kinder Erben werden sollen und dies vom Überlebenden nicht

abgeändert werden darf, ist eine wechselbezügliche Verfügung.

Einvernehmlich können wechselbezügliche Verfügungen von beiden Ehegatten

jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden. Anders ist das, wenn das Einver-

nehmen nicht mehr besteht und ein Partner einseitig vom früheren gemeinsa-

men letzten Willen abweichen möchte. Um nun das gemeinsame Testament noch

zu Lebzeiten beider Ehegatten zu widerrufen, muss der Partner den Widerruf

vom Notar beurkunden lassen. Nach Zustellung dieses Widerrufs an den anderen

Partner ist dann das gemeinsame Testament aufgehoben

Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen nach Tod eines Partners oft unmöglich

Nach dem Tod eines der Ehegatten ist der überlebende Ehegatte vollständig an

die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden. Ein Widerruf ist grundsätzlich

nur dann noch möglich, wenn dies ausdrücklich im Testament so vorgesehen ist.

Enthält das Testament keinen Abänderungsvorbehalt, bleiben die wechselbezüg-

lichen Verfügungen gültig, auch wenn der längerlebende Ehegatte neu testieren

möchte, etwa weil er einen neuen Partner für den Todesfall versorgen möchte.

Berliner Testament: Voll- und Schlusserbschaft

Eine Sonderform des gemeinschaftlichen Testamentes ist das sogenannte „Ber-

liner Testament“. Bei einem solchen Testament wird der überlebende Ehegat-

te nach dem Tod des Erstversterbenden Vollerbe und die Kinder Schlusserben

im zweiten Erbfall. Das Vermögen des Erstversterbenden verschmilzt damit im

ersten Erbfall mit dem Eigenvermögen des länger lebenden Ehegatten zu einer

rechtlichen Einheit.

Berliner Testament: Gefahr von Pflichtteilsforderungen

Eine Gefahr des Berliner Testamentes ist die Belastung des überlebenden Ehe-

gatten mit Pflichtteilsansprüchen. Die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der

Ehegatten bedeutet gleichzeitig eine Enterbung der Kinder für den ersten Erb-

fall. Besteht der Nachlass beispielsweise überwiegend aus einer Immobilie, füh-

ren die durch die Enterbung entstehenden Pflichtteilsansprüche der Kinder unter

Umständen zu Liquiditätsproblemen mit der Folge, dass die Immobilie verkauft

werden muss, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Dem überlebenden Ehe-

gatten kann damit die Lebensgrundlage für den Alters- und Pflegefall entzogen

werden. Die Eltern sollten deshalb noch zu Lebzeiten versuchen, mit den Kin-

dern einen Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren, unter Umständen gegen Zahlung

einer Abfindung im Rahmen eines notariell zu beurkundenden Vertrages.

Ist ein Pflichtteilsverzicht nicht möglich (etwa weil keine Einigung über die Höhe

der Abfindung oder des Gleichstellungsgeldes erzielt wurde), sollte bei Zuwen-

dungen an den Pflichtteilsberechtigten auf jeden Fall eine sogenannte Anrech-

nungsbestimmung getroffen werden. Hierdurch wird der Pflichtteil zumindest

der Höhe nach reduziert.

Berliner Testament: Steuerliche Nachteile

Das Berliner Testament kann bei größeren Nachlässen eine Erbschaftsteuerfalle

darstellen, weil unnötig hohe oder vermeidbare Steuerlasten ausgelöst werden.

Beim Tod des Erstversterbenden werden die Steuerfreibeträge der Kinder im

ersten Erbfall nicht genutzt. Der auf die Kinder als Schlusserben übergehende

Nachlass wird zudem zweimal besteuert, nämlich beim Tod des ersten und des

zweiten Ehegattens.

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Verschärft wird die Situation zusätzlich dadurch, dass sich durch den ersten Erb-

fall der Wert des Nachlasses des Überlebenden erhöht und hierdurch wegen der

Steuerprogression ein höherer Steuersatz ausgelöst werden kann. Es kann des-

halb zu empfehlen sein, den Kindern beim Tod des Erstversterbenden Geldver-

mächtnisse in Höhe der Freibeträge zuzuwenden.

Die Erbengemeinschaft

Immer dann, wenn mehrere Personen einen Verstorbenen beerben, entsteht

automatisch eine Erbengemeinschaft. Einige Beispiele:

• Der Ehegatte und die Kinder des Verstorbenen

• Der Ehepartner und die Eltern des Erblassers

• Geschwister nach dem Tod beider Elternteile

• Per Testament als Erben eingesetzte Verwandte, Geliebte und Freunde

Das Konfliktpotenzial solcher Gemeinschaften ist sehr hoch. Die Erben strei-

ten oft nicht nur über das Vermögen, sondern auch über Kleinigkeiten. Fast

jede Gemeinschaft leidet unter einem Querulanten. Auch vernünftige Men-

schen haben sich schon in Erbengemeinschaften zerstritten.

Verwaltung des Erbes

Für die laufende Verwaltung des Nachlasses sind die Erben zuständig. Sie müssen

dazu Verwaltungsmaßnahmen beschließen – und zwar mit folgenden Mehrheiten:

• Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung: Einstimmigkeit erfor-derlich Jede wesentliche Veränderung des Erbes oder auch nur einzelner

Nachlassgegenstände ist eine Maßnahme nicht ordnungsgemäßer Verwal-

tung (Beispiel: vollständige Sanierung einer Immobilie oder deren Veräuße-

rung). Derartige Maßnahmen dürfen nur auf der Grundlage eines einstimmi-

gen Beschlusses aller Miterben erfolgen.

• Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung: Einfache Mehrheit Alle Akti-

vitäten, die der Beschaffenheit eines Nachlassgegenstandes und dem ob-

jektiven Interesse aller Miterben entsprechen, ohne zu einer wesentlichen

Veränderung zu führen, zählen zu Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwal-

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tung (Beispiel: Entrümpelung einer Immobilie vor Verkauf). Solche Maßnah-

men können auf der Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses der Miterben

erfolgen.

• Notverwaltungsmaßnahmen: Handeln jedes einzelnen Miterben möglich Unter Notverwaltungsmaßnahmen sind dringliche Maßnahmen zu verste-

hen, um Gefahren oder sonstige drohende Nachteile abzuwenden (Beispiel:

sofortige Reparatur der defekten Heizung eines Hauses während der Frost-

periode, um Wasserschäden zu vermeiden). Diese Maßnahmen darf jeder

Erbe alleine tätigen.

• Verfügungen über Nachlassgegenstände: Einstimmigkeit Gegen den Willen

einzelner Miterben ist die Übereignung oder der Verkauf eines Erbschafts-

gegenstandes nicht möglich. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass die

Mehrheit die Minderheit auf Zustimmung zur Übereignung verklagen muss.

Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft

Die Erbengemeinschaft ist grundsätzlich auf eine Erbauseinandersetzung mit

dem Ziel der Auflösung der Gemeinschaft angelegt. Per Testament oder Erbver-

trag kann jedoch die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (für maximal

30 Jahre) ausgeschlossen werden.

Begleichung aller Nachlassverbindlichkeiten

Vor der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft sind zunächst alle „Nach-

lassverbindlichkeiten“ (z.B. Schulden des Erblassers, Kosten der Bestattung) zu

begleichen. Sind Verbindlichkeiten noch nicht fällig, sind entsprechende Mittel

zurückzustellen. Sodann sind Pflichtteilsansprüche und die Vermächtnisse des

Erblassers zu erfüllen.

Expertentipp

Eine Teilung des Nachlasses vor Tilgung der Schulden ist gefährlich. Ein Gläubiger

kann dann seine Forderungen gegenüber jedem einzelnen Erben in dessen Pri-

vatvermögen geltend machen. Aus diesem Grund sollte der Nachlass immer erst

geteilt werden, wenn alle Verbindlichkeiten getilgt sind oder hierfür genügend

Rückstellungen vorhanden sind.

Teilung des Nachlasses nach Erbquoten

Grundsätzlich sollen die Erben den Nachlass unter sich aufteilen. Sie können

Geldbeträge und andere teilbare Gegenstände entsprechend ihrer Erbquoten

verteilen. Unteilbare Gegenstände müssen durch Verkauf in Geld umgewandelt

werden. Grundsätzlich kann kein Erbe verlangen, dass er selbst einen Nachlass-

gegenstand erhält.

Zwangsversteigerung als letztes Mittel

Wenn sich die Miterben überhaupt nicht einigen können, müssen alle Nachlassge-

genstände versteigert und der Erlös an die Erben verteilt werden. Der Erlös bei

Zwangsversteigerungen liegt oft weit unter dem tatsächlichen Wert – allerdings

können Miterben auch mitbieten und mit etwas Glück „ein Schnäppchen“ machen.

Minderjährige in der Erbengemeinschaft

Sehr schwierig sind die Verwaltung und die Auflösung der Erbengemeinschaft

oft, wenn minderjährige Kinder beteiligt sind. Ein überlebender Ehegatte kann

trotz Sorgerecht nicht uneingeschränkt für das Kind handeln. Bestimmte Rechts-

geschäfte (zum Beispiel die Veräußerung einer Immobilie) bedürfen nämlich der

Zustimmung des Vormundschaftsgerichts. Ein Vertrag über die Auflösung der Er-

bengemeinschaft und die Verteilung der Nachlassgegenstände kann meist nur

mit der Zustimmung des Ergänzungspflegers erfolgen.

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Das Pflichtteilsrecht

Das deutsche Erbrecht ist geprägt von der „Testierfreiheit“ – das ist die

Freiheit selbst zu bestimmen, wer nach dem eigenen Tod das eigene Vermö-

gen erben soll. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, nächste Verwandte

als Erben einzusetzen. Begrenzt wird die Testierfreiheit jedoch durch das

Pflichtteilsrecht. Dieses Recht schützt die Interessen der nächsten Angehöri-

gen. Nach der Enterbung können sie die Hälfte des Wertes ihres gesetzlichen

Erbteils als wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass geltend machen.

Pflichtteilsberechtigte Personen

Pflichtteilsberechtigt sind nicht alle gesetzlichen Erben, sondern nur die nächs-

ten Familienangehörigen des Erblassers, das sind seine Abkömmlinge (Kinder,

Enkel, …), seine Eltern, sein Ehegatte und bei einer eingetragenen Lebenspart-

nerschaft der Partner. Nicht pflichtteilsberechtigt sind Stiefkinder und Stiefel-

tern, Geschwister sowie entferntere Verwandte, wie beispielsweise Großeltern,

Onkel, Tante, Neffen und Nichten.

Entstehung des Pflichtteilsanspruchs durch Enterbung

Ein Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn eine pflichtteilsberechtigte Person durch

ein Testament oder einen Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlos-

sen ist. Auch wenn eine solche Person nicht vollkommen enterbt wird, sie aber

weniger als die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils erhält, steht ihr neben dem

Erbteil ein „Pflichtteilsrestanspruch“ zu.

Anspruch auf Geldzahlung

Der Pflichtteilsberechtigte kann in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs von dem

oder den Erben Zahlung in Geld verlangen. Der Pflichtteil begründet somit im

deutschen Recht – anders als beispielsweise in einigen ausländischen Rechts-

ordnungen – kein Noterbrecht, da der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe wird

und deshalb nicht an der Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbschaft teil-

nimmt. Er kann nur Auszahlung seines Pflichtteils verlangen.

Höhe des Pflichtteilsanspruchs

Der Pflichtteil entspricht dem Wert des halben gesetzlichen Erbteils. Bei der

Berechnung des Pflichtteils ist also immer zuerst festzustellen, wie hoch der

gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten ohne Enterbung gewesen wäre.

Wäre der Erbteil beispielsweise ½ gewesen, ergibt sich ein Pflichtteil von ¼.

Der Pflichtteil des enterbten Ehegatten

Ist ein Ehegatte durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der Erbfolge

ausgeschlossen, steht ihm ein Pflichtteilsanspruchs zu. Die Höhe der Pflichtteils-

quote ist abhängig davon, welche sonstigen erbberechtigten Personen beteiligt

sind und in welchem Güterstand die Eheleute lebten. Die nachfolgende Tabelle

veranschaulicht die Abhängigkeit der Pflichtteilsquote von der Zahl der vorhan-

denen Kinder und vom ehelichen Güterstand:

Pflichtteil des Ehegatten neben Abkömmlingen

Güterstand neben 1 Kind

neben 2 Kindern

bei mehr als 2 Kindern

bei Zugewinn-

gemeinschaft1/8 Pflichtteil + Zugewinnausgleichsanspruch

bei Güter -

trennung1/4 1/6 1/8

bei Güter-

gemeinschaft1/8 1/8 1/8

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Hat der enterbte Ehegatte beim Erbfall im gesetzlichen Güterstand der Zuge-

winngemeinschaft gelebt, kann er gemäß § 1371 Absatz 2 BGB – ähnlich wie im

Falle einer Ehescheidung – einen Zugewinnausgleich fordern, wenn der Erblasser

während der Ehezeit einen größeren Zugewinn als der verwitwete Partner er-

wirtschaftet hat.

Berechnung des Pflichtteils

Da der Pflichtteilsanspruch ein auf Geld gerichteter Anspruch ist, müssen für

seine Berechnung zunächst alle Vermögenswerte, die zum Nachlass gehören, be-

wertet werden. Danach sind die Schulden, die der Erblasser hinterlassen hat,

abzuziehen. Testamentarische Vermächtnisse mindern den Pflichtteil demgegen-

über nicht. Der Wert des Nachlasses nach Abzug der Schulden bildet die rechneri-

sche Grundlage für den Pflichtteilsanspruch. Beträgt beispielsweise der Wert des

Nachlasses nach Abzug der Schulden 500.000 € kann ein Pflichtteilsberechtigter

mit einer Pflichtteilsquote von ¼ vom Erben die Zahlung von 125.000 € verlan-

gen.

Pflichtteilsberechtigung nach Ausschlagung des Erbes

Nur in wenigen Ausnahmefällen entsteht ein Pflichtteilsanspruch, ohne dass der

Berechtigte vom Erblasser enterbt worden ist. Ein Erbe kann also nicht einfach

die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen. Diese Möglichkeit

steht nur dann offen, wenn vom Erblasser bestimmte Beschränkungen oder Be-

schwerungen (wie beispielsweise zu erfüllende Vermächtnisse oder eine Testa-

mentsvollstreckung) auf dem ihm hinterlassenen Erbteil lasten. Dann kann ein

Erbe den belasteten Erbteil ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen.

Sinn macht die Ausschlagung der Erbschaft immer dann, wenn der Erblasser

Vermächtnisse, Auflagen, Teilungsanordnungen oder Testamentsvollstreckungen

in einem solchen Umfang angeordnet hat, dass der Erbe vom Pflichtteil mehr

hat als von der belasteten Erbschaft. Vor einer Ausschlagung mit dem Ziel, den

Pflichtteil zu erlangen, ist jedoch äußerste Vorsicht geboten und anwaltlicher

Rat einzuholen. Denn im schlimmsten Fall entfällt der Anspruch auf die Erb-

schaft, ohne dass – wie erwünscht – ein Pflichtteilsanspruch entsteht. Zu beach-

ten ist auch, dass die Ausschlagungsfrist nur sechs Wochen beträgt.

Schenkungen und Pflichtteilsergänzung

Häufig versuchen ältere Menschen, Pflichtteilsansprüche unliebsamer Angehöri-

ger dadurch zu unterlaufen, dass sie ihr Vermögen schon zu Lebzeiten an Per-

sonen verschenken, die sie gerne als Erben sehen. Auch in diesen Fällen ist der

Pflichtteilsberechtigte jedoch geschützt, da die meisten Schenkungen, die der

Erblasser vor seinem Tod getätigt hat, dem Nachlass rechnerisch hinzugerechnet

werden und einen „Pflichtteilsergänzungsanspruch“ begründen.

Schenkungen führen zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen:

• Wenn sie in den letzten 10 Lebensjahren des Erblassers erfolgten,

• oder wenn der Ehegatte die beschenkte Person ist und die Schenkung wäh-

rend der Ehezeit erfolgt ist,

• oder wenn sich der Erblasser ein lebenslanges Nutzungsrecht (zum Beispiel

einen Nießbrauch oder ein Wohnrecht) am verschenkten Gegenstand vor-

behalten hat.

Abschmelzung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs

Bei Todesfällen nach dem 1.1.2010 wird eine Schenkung nur noch im ersten Jahr

vor dem Erbfall mit 100 Prozent berücksichtigt. Für jedes weitere Jahr vor dem

Erbfall wird der Wertansatz um 1/10 reduziert, das heißt „abgeschmolzen“.

Zu beachten ist, dass bei Schenkungen mit Nutzungsvorbehalt oder bei Schen-

kungen an den Ehegatten keine „Abschmelzung“ erfolgt, also immer der volle

Wert der Schenkung angesetzt wird.

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Anrechnung von Eigengeschenken

Bei der Anrechnung von Zuwendungen, die der Pflichtteilsberechtigte selber zu

Lebzeiten vom Erblasser erhalten hat, zeigt sich ein Unterschied zwischen dem

ordentlichen Pflichtteilsanspruch (wegen des zum Todeszeitpunkt noch vorhan-

denen Nachlasses) und dem Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen lebzeitiger

Schenkungen. Auf den Pflichtteilsanspruch hat sich der Pflichtteilsberechtigte

Zuwendungen, die er selber vom Erblasser erhalten hat, nur dann anrechnen

zu lassen, wenn der Erblasser vor oder spätestens bei der Zuwendung eine An-

rechnungsbestimmung getroffen hatte. Eine nachträgliche, nach der Zuwendung

– vom Erblasser einseitig erklärte – Anordnung der Anrechenbarkeit ist nicht mög-

lich. Auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch muss sich der Pflichtteilsberech-

tigte dagegen alle Zuwendung anrechnen lassen, die er selber zu Lebzeiten vom

Erblasser erhalten hat. Dies gilt auch, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die

Anrechnung nicht bestimmt hat.

Verjährung von Pflichtteilsansprüchen

Pflichtteilsansprüche verjähren nach drei Jahren. Die Frist beginnt an dem Tag

zu laufen, an dem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Verstorbenen und dem

Testament oder dem Erbvertrag erfährt, durch den sein gesetzliches Erbrecht

beeinträchtigt oder beschränkt ist. Im Rahmen eines Pflichtteilsergänzungsan-

spruchs beginnt die Frist erst dann zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte

auch von der Schenkung Kenntnis erlangt hat. Die bloße Geltendmachung des

Pflichtteilsanspruchs unterbricht die Verjährung nicht. Hierfür ist vielmehr eine

gerichtliche Geltendmachung erforderlich.

Auskunftsrecht des Pflichtteilsberechtigten

Wer pflichtteilsberechtigt ist, kann seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben

oder gegen die Erbengemeinschaft nur berechnen, wenn er darüber informiert

ist, was zum Nachlass gehört und welchen Wert der Nachlass hat. Das Gesetz gibt

Pflichtteilsberechtigten deshalb einen Auskunftsanspruch (§ 2314 BGB). Die Erben

Abschmelzmodell nach der Pflichtteilsreform

Die Leistung des Schenkungsge-genstandes durch den Erblasser erfolgt ...

Berücksichtigung des Schen-kungswertes beim Pflichtteils-ergänzungsanspruch mit ...

im 1. Jahr vor dem Erbfall 100%

im 2. Jahr vor dem Erbfall 90%

im 3. Jahr vor dem Erbfall 80%

im 4. Jahr vor dem Erbfall 70%

im 5. Jahr vor dem Erbfall 60%

im 6. Jahr vor dem Erbfall 50%

im 7. Jahr vor dem Erbfall 40%

im 8. Jahr vor dem Erbfall 30%

im 9. Jahr vor dem Erbfall 20%

im 10. Jahr vor dem Erbfall 10%

im 11. Jahr vor dem Erbfall

oder früher

0%

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müssen die Pflichtteilsberechtigten darüber unterrichten, welche Gegenstände

und Werte im Nachlass vorhanden sind. Dies geschieht grundsätzlich durch ein

Verzeichnis der Nachlassgegenstände und Nachlassschulden. Auch Schenkungen

des Verstorbenen während der letzten zehn Jahre und alle Schenkungen an den

Ehegatten des Verstorbenen sind aufzulisten. Der Pflichtteilsberechtigte kann

verlangen, dass er an der Aufstellung des Verzeichnisses beteiligt wird, damit

er sich selbst davon überzeugen kann, was alles vorhanden ist. Er oder sie kann

auch fordern, dass eine Amtsperson – meist ein Notar – hinzugezogen wird, die

darüber wacht, dass das Verzeichnis ordnungsgemäß erstellt wird.

Wertermittlung durch Sachverständige

Neben der Auskunft über die Nachlassgegenstände kann der Pflichtteilsberech-

tigte auch deren Bewertung verlangen. Er hat somit neben dem Auskunftsan-

spruch einen eigenständigen Wertermittlungsanspruch. Die Bewertung geschieht

in aller Regel durch Gutachten von Sachverständigen. Die Kosten für die Werter-

mittlung trägt der Nachlass. Da die Tätigkeit eines Sachverständigen im Einzel-

fall sehr viel Geld verschlingen kann, lohnt es sich für Erben und Pflichtteilsbe-

rechtigte bei kleinen Nachlässen oft eine einvernehmliche Lösung zu suchen und

so die Kosten für den Sachverständigen zu vermeiden.

Testamentsvollstreckung

Wer in einem Testament oder Erbvertrag über sein Vermögen verfügt, denkt

sicherlich darüber nach, ob sein letzter Wille nach dem Tod auch wirklich

vollzogen wird. Oft droht, dass unter den Erben Streit entsteht oder, dass

die Erben mit den Bestimmungen im Testament oder Erbvertrag nicht einver-

standen sind. Ein Mittel, die Ausführung der Verfügungen für den Todesfall

(Testament oder Erbvertrag) sicherzustellen, ist die Einsetzung eines Tes-

tamentsvollstreckers. Dieser hat den Nachlass nach dem Tod des Erblassers

zu verteilen und muss ihn unter Umständen für einige Zeit auch verwalten.

Ernennung eines Testamentsvollstreckers

Die Berufung des Testamentsvollstreckers muss immer in einer letztwilligen Ver-

fügung, also in einem Testament oder in einem Erbvertrag, geschehen. Es können

auch mehrere Testamentsvollstrecker eingesetzt werden. Auch ist es möglich,

einen der Miterben zum Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Dies führt jedoch

häufig dazu, dass dieser Testamentsvollstrecker seine eigenen Interessen stär-

ker verfolgt, als die der anderen Miterben. Die Einsetzung eines Miterben zum

Testamentsvollstrecker schafft also möglicherweise mehr Konflikte, als sie löst.

Häufig setzen sich Eheleute in einer letztwilligen Verfügung auch gegenseitig als

Testamentsvollstrecker ein. Für den überlebenden Partner kann das eine deut-

liche Hilfe und auch eine sinnvolle Stärkung gegenüber anderen Miterben sein.

Abwicklungsvollstreckung und Dauervollstreckung

Bei einer sogenannten Abwicklungsvollstreckung geht es einem Erblasser dar-

um, einen geordneten Übergang des Vermögens auf die Erben sicherzustellen.

Der Testamentsvollstrecker soll Vermächtnisse und Auflagen erfüllen, Schulden

bezahlen und danach den Nachlass verteilen. Hierfür muss der Testamentsvoll-

strecker den Erben einen Teilungsplan vorlegen, den er auch gegen den Willen

eines Erben durchsetzen kann. Mit der Teilung ist die Aufgabe des Testaments-

vollstreckers als Abwicklungsvollstrecker beendet.

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Bei der Dauervollstreckung geht es dem Erblasser nicht (nur) um die Teilung des

Nachlasses, sondern darum, dass der Nachlass nach seinem Tod über längere Zeit

vom Testamentsvollstrecker verwaltet wird. Häufig wird eine solche Dauervoll-

streckung für minderjährige Erben angeordnet, bis sie ein bestimmtes Alter er-

reicht haben. Die Dauervollstreckung endet normalerweise spätestens 30 Jahre

nach dem Tod des Erblassers.

Aufgabe und Befugnisse

Ein Testamentsvollstrecker ist dazu berufen, die letztwillige Verfügung des Ver-

storbenen auszuführen. Hierfür hat er insbesondere folgende Befugnisse:

• Er ist berechtigt, den Nachlass in Besitz zu nehmen und über Nachlassge-

genstände zu verfügen.

• Sind mehrere Erben vorhanden, muss er die Erbschaft entsprechend den

Anteilen unter den Erben verteilen.

• Bis zur Übergabe des hinterlassenen Vermögens an den oder die Erben muss

er den Nachlass verwalten.

• Er kann Schulden machen und bezahlen, Prozesse führen, Konten verwal-

ten, Grundstücke kaufen und verkaufen.

• Um sich gegenüber Dritten zu legitimieren, erhält er auf Antrag vom Nach-

lassgericht ein Testamentsvollstreckerzeugnis. Die Testamentsvollstreckung

ist auch im Erbschein zu vermerken.

Pflichten des Testamentsvollstreckers

Ein Testamentsvollstrecker muss sein Amt gewissenhaft und sorgfältig führen, er

muss sich bemühen, das ihm anvertraute Vermögen zu erhalten und möglichst

auch zu mehren. Er darf zwar Nachlassgegenstände verkaufen und Kredite auf-

nehmen, doch müssen diese Maßnahmen im Rahmen einer wirtschaftlich sinn-

volleren Vermögensverwaltung auch tatsächlich erforderlich sein. Er muss dem

Erben unverzüglich – d.h. sofort nach dem Erbfall und sobald er den Umfang des

Vermögens übersieht – ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Vermögens-

gegenstände und der möglichen Schulden zukommen lassen. Jeder Erbe kann

verlangen, dass er bei der Aufstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen

wird.

Der Testamentsvollstrecker hat gemäß § 31 Absatz 5 ErbStG die Erbschaftsteu-

ererklärung auf einem amtlichen Vordruck beim zuständigen Erbschaftsteuerfi-

nanzamt abzugeben.

Haftung

Verletzt ein Testamentsvollstrecker seine Pflichten, so ist er dem oder den Er-

ben zum Schadensersatz verpflichtet. Die Schadensersatzpflicht gegenüber den

Erben tritt nur ein, wenn der Testamentsvollstrecker vorsätzlich oder fahrlässig

gehandelt hat. Ein Testamentsvollstrecker haftet nicht, wenn die Erben einer

bestimmten Vermögensverfügung zugestimmt haben.

Beginn und Ende der Testamentsvollstreckung

• Annahme oder Ablehnung des Amtes: Der Testamentsvollstrecker muss die

Annahme des Amtes ausdrücklich gegenüber dem Nachlassgericht erklären.

Wer zum Testamentsvollstrecker bestimmt ist, kann auch ablehnen. Beson-

dere Gründe müssen nicht angegeben werden.

• Ende der Testamentsvollstreckung: Das Amt des Testamentsvollstreckers

endet mit seinem Tod, es ist also nicht vererbbar. Das Amt endet ferner,

wenn im Testament eine Frist für die Dauer festgesetzt ist oder, wenn der

Testamentsvollstrecker seine Aufgaben erfüllt hat. Auch kann ein Testa-

mentsvollstrecker sein Amt jederzeit kündigen. Die Kündigung ist gegen-

über dem Nachlassgericht zu erklären und ist unwiderruflich.

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• Entlassung des Testamentsvollstreckers: Wenn ein Testamentsvollstrecker

seine Pflichten grob verletzt oder zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung

unfähig ist, kann er vom Nachlassgericht auch gegen seinen Willen entlas-

sen werden.

Vergütung

Der Testamentsvollstrecker kann für seine Tätigkeit eine „angemessene Vergü-

tung“ verlangen. Um einen Streit darüber, was angemessen ist, zu vermeiden,

sollte mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung möglichst auch das Ho-

norar geregelt werden. So kann eine Pauschalsumme oder ein Prozentsatz des

Nachlasses festgesetzt werden. Auch kann ein bestimmter Gegenstand aus dem

Nachlass als Vergütung zugewendet werden.

Die Haftung des Erben

Mit dem Tod des Erblassers gehen dessen Schulden gemäß § 1967 BGB auf

den Erben über. Für diese Schulden haftet der Erbe dann grundsätzlich auch

mit seinem sonstigen, nicht ererbten Vermögen. Er hat jedoch die Möglich-

keiten, die Haftung für die ererbten Nachlassverbindlichkeiten auf den

Nachlass zu beschränken und so sein nicht ererbtes Vermögen vor einer In-

anspruchnahme durch die Nachlassgläubiger zu schützen. Hierfür bedarf es

keiner Ausschlagung der Erbschaft.

Expertentipp

Einer Ausschlagung der Erbschaft wegen einer befürchteten Überschuldung des

Nachlasses bedarf es meist nicht, da das Gesetz verschiedene Möglichkeiten zum

Schutz des Erben vor einem Zugriff auf sein sonstiges, nicht ererbtes Vermögen

bietet. Anders als bei einer Ausschlagung verliert der Erbe durch die Nutzung sol-

cher Haftungsbeschränkungen nicht die Chance auf einen werthaltigen Nachlass.

Nachlassverbindlichkeiten

Die Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung hängen überwiegend vom Grund der

Haftung ab. Deshalb muss zwischen sogenannten Erblasserschulden, Erbfall-

schulden sowie Nachlasserbenschulden unterschieden werden:

Erblasserschulden sind gemäß § 1967 Absatz 2 BGB Schulden, die noch vom Erblasser herrühren. Zu den Erblasserschulden gehören insbesondere:

• Schulden aus Verträgen, wie beispielsweise Kaufverträgen, Mietverträgen,

und Darlehensverträgen,

• Unterhaltsverpflichtungen,

• Steuerschulden.

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Erbfallschulden sind Schulden, die aus Anlass des Erbfalls entstehen. Hierzu gehören insbesondere:

• Pflichtteilsansprüche,

• Vermächtnisse,

• Auflagen,

• Kosten der Testamentseröffnung,

• Kosten der Beerdigung (§ 1968 BGB).

Nachlasserbenschulden sind Schulden, die vom Erben selber begründet wur-den. Dazu gehören beispielsweise:

• Verbindlichkeiten wegen einer Verwaltung eines Nachlassgegenstandes,

• Mietforderungen, die dadurch entstanden sind, dass der Erbe es vergessen

oder unterlassen hat, die vom Verstorbenen bewohnte Mietwohnung recht-

zeitig zu kündigen.

Für Erblasserschulden und für Erbfallschulden kann der Erbe seine Haftung durch

verschiedene Maßnahmen begrenzen. Hierbei ist zwischen lediglich vorüberge-

hend wirkenden Einwendungen und einem dauerhaften Schutz vor dem Zugriff

von Nachlassgläubigern zu unterscheiden.

Vorübergehende Einwendungen gegen Nachlassgläubiger

Mit dem Tode des Erblassers fällt dem Erben die Erbschaft an. Er hat jedoch das

Recht, die Erbschaft innerhalb eines Zeitraums von grundsätzlich sechs Wochen

auszuschlagen. Während dieser Zeit kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass

richtet, nicht gerichtlich gegen den Erben geltend gemacht werden (§ 1958 BGB).

Dreimonatseinrede

Auch nach der Annahme der Erbschaft ist der Erbe gemäß § 2014 BGB berechtigt,

die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten bis zum Ablauf von drei Monaten zu

verweigern. Diese sogenannte Dreimonatseinrede ermöglicht dem Erben, den

Nachlass zu sichten und zu entscheiden, ob er seine Haftung als Erbe beschrän-

ken sollte und aus diesem Grunde die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten

zunächst zurückstellt.

Aufgebotsverfahren

Hat der Erbe keinen zuverlässigen Überblick über die Nachlassgläubiger, kann er

ein sogenanntes Aufgebotsverfahren beantragen, in welchem alle Gläubiger ihre

Forderungen anmelden müssen.

Dauernde Beschränkung der Erbenhaftung

Neben den bloß vorübergehenden Einreden des Erben gegenüber Nachlassgläu-

bigern, hat er verschiedene Möglichkeiten, dauerhaft sein persönliches, nicht

ererbtes Vermögen vor Gläubigern des Erblassers zu schützen. Möglich ist dies

durch folgende Verfahren:

• ein Aufgebotsverfahren,

• eine Nachlassverwaltung,

• ein Nachlassinsolvenzverfahren,

• eine Dürftigkeitseinrede.

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Aufgebotsverfahren

Das Aufgebotsverfahren dient nicht nur dazu, sich einen Überblick über die Gläu-

biger zu verschaffen, es kann unter bestimmten Umständen auch zu einer dauer-

haft wirkenden Beschränkung der Haftung führen.

Nachlassverwaltung

Die Nachlassverwaltung im Sinne des § 1975 BGB ist für Fälle vorgesehen, in

denen der Nachlass zwar nicht sicher überschuldet ist, der Erbe aber eine Über-

schuldung für möglich hält und die Gefahr einer Inanspruchnahme seines eigenen

Vermögens vermeiden will. Mit der Nachlassverwaltung verliert der Erbe seine

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass und Nachlassgläubiger

können ihre Ansprüche grundsätzlich nur noch gegen den Nachlassverwalter gel-

tend machen (§ 1984 Absatz 1 Satz 3 BGB).

Nachlassinsolvenzverfahren

Erkennt der Erbe, dass der Nachlass überschuldet oder zahlungsunfähig ist oder

hätte der Erbe dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen,

hat er unverzüglich die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantra-

gen (§ 1980 BGB). Hierdurch kann er seine Haftung auf den Nachlass beschränken.

Expertentipp

Die vorangehend dargestellten Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung stehen

grundsätzlich jedem Erben zu. Zu beachten ist jedoch, dass der Erbe sich nicht

mehr auf die Haftungsbeschränkungen berufen kann und völlig unbeschränkt

haftet, wenn er eine vom Gericht bestimmte Frist zur Erstellung eines Inventars

hat verstreichen lassen oder, wenn er absichtlich das Inventar unvollständig oder

falsch erstellt hat (§§ 1994, 2005 BGB). Zudem ist wegen der teilweise komple-

xen Verfahren und deren Sicherung auch in etwaigen Prozessen im Falle einer

gewünschten Haftungsbeschränkung auf den Rat und die Vertretung eines in die-

sem Bereich spezialisierten Rechtsanwalts meist nicht zu verzichten.

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Die Unternehmensnachfolge

Zum Nachlass gehört oft nicht nur das Privatvermögen des Erblassers, son-

dern auch betriebliches Vermögen. Immer wieder sehen sich die Erben und

Geschäftsführer größerer Unternehmen mit kaum lösbaren Schwierigkeiten

konfrontiert, wenn der Geschäftsinhaber verstirbt.

Vererbung von Betriebsvermögen

Handelt es sich um ein Unternehmen eines Einzelkaufmanns, führt dies in zivil-

rechtlicher Hinsicht zu keinen Besonderheiten bei der Vererbung des Unterneh-

mens. Das Unternehmen geht vielmehr wie das Privatvermögen des Erblassers

auf den oder die Erben über. Wurde das Unternehmen jedoch im Rahmen einer

Personengesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, offene Handelsgesell-

schaft oder Kommanditgesellschaft) geführt oder in Form einer eine Kapitalge-

sellschaft (Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft), ist

wie folgt zu differenzieren:

• Bei Personengesellschaften ist zunächst anhand des Gesellschaftsvertrages

zu überprüfen, ob die Gesellschaftsanteile vererbbar sind und an wen sie

vererbt werden können. Nur wenn die Vererbbarkeit der Anteile zugelassen

ist, gehen die Erbteile auf den oder die Erben über. Im Falle einer Erben-

gemeinschaft von mehreren Erben kommt es dann jedoch zu der Beson-

derheit, dass die Gesellschaftsanteile an der Personengesellschaft nicht in

das gesamthänderisch gebundene Vermögen der Erbengemeinschaft fallen,

sondern der Gesellschaftsanteil unmittelbar den Erben, entsprechend de-

ren Erbquote, zufällt.

• Anders ist dies bei Kapitalgesellschaften. Hier steht der grundsätzlich ver-

erbliche Anteil an der Kapitalgesellschaft einer Erbengemeinschaft zur ge-

samten Hand zu. Er wird somit von mehreren Miterben gemeinschaftlich

gehalten und verwaltet.

Expertentipp

Oft regeln Gesellschaftsverträge, welche Personen als Erben in die Gesellschaft

eintreten dürfen. Man spricht dann von qualifizierten Nachfolgeklauseln. Liegen

solche Klauseln vor, muss bei einer Testamentserrichtung sehr genau darauf ge-

achtet werden, dass der testamentarisch vorgesehene Erbe oder Vermächtnis-

nehmer auch zum Kreis der beitrittsberechtigten Personen gehört.

Besteuerung des Betriebsvermögens

Würden Unternehmen im Falle einer Übertragung auf die nächste Generation

immer der vollen Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegen, könnte dies zu

erheblichen Liquiditätsproblemen des Erwerbers und damit oft auch zu einer

Gefährdung des Unternehmens führen. Aus diesem Grunde wird die Übertragung

von Betriebsvermögen privilegiert. So sieht § 13a Erbschaftsteuer- und Schen-

kungsteuergesetz eine Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der

Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften vor.

Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Steuerbefreiung

Handelt es sich um Betriebsvermögen, kann dieses vollständig steuerfrei oder

zumindest zu 85% steuerbefreit übertragen werden. Voraussetzung hierfür ist

jedoch die Erfüllung folgender Kriterien:

• Es muss sich um produktives Betriebsvermögen handeln, weshalb Höchst-

grenzen für reines Verwaltungsvermögen, wie beispielsweise Anlageobjek-

te, Geldanlagen, Aktienanlagen bestehen.

• Das Unternehmen muss vom Erben – je nach dessen Wahl – mindestens über

fünf Jahre oder über mindestens sieben Jahre fortgeführt werden (5-Jah-

res-Modell oder 7-Jahres-Modell).

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• Während der Fortführung des Betriebes darf die Lohnsumme, die der Be-

trieb seinen Arbeitnehmern gewährt, einen bestimmten Prozentsatz nicht

unterschreiten. Hierbei bezeichnet die Lohnsumme die Summe aller Ver-

gütungen (Löhne und Gehälter sowie andere Bezüge und Vorteile). Die

Lohnsummenregelung ist nur unbeachtlich, wenn der Betrieb nicht mehr

als zwanzig Beschäftigte hat oder die Ausgangslohnsumme null € beträgt.

Wahlrecht zwischen zwei Steuermodellen

Die Behaltensfrist und die Mindestlohnsumme obliegen der Wahl des Erwerbers:

• Das „5-Jahres-Modell“ ist die Standardvariante. Es sieht die sofortige Ver-

steuerung von 15% des Betriebsvermögens vor. Wird das Unternehmen vom

Erben 5 Jahre lang fortgeführt, bleiben die restlichen 85% steuerfrei, wenn

es keine gravierenden Rückgänge bei der Lohnsumme gibt. Diese Anforde-

rungen sind erfüllt, wenn die Summe der Löhne und Gehälter während der

5 Jahre insgesamt mindestens 400% der ursprünglichen Lohnsummengrenze

beträgt. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamt-

vermögen darf höchstens 50% betragen.

• Das „7-Jahres-Modell“ kommt nur auf Antrag des Steuerpflichtigen zur Gel-

tung. Es sieht eine vollständige Steuerbefreiung vor, wenn das Unternehmen

7 Jahre lang unter vollständiger Bewahrung der Arbeitsplätze fortgeführt

wird. Die Summe der Löhne und Gehälter muss während des 7-Jahreszeit-

raumes insgesamt mindestens 700% der ursprünglichen Lohnsummengrenze

betragen. Die Lohnsumme darf sich somit über die 7 Jahre hinweg nicht

verringern. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am betrieblichen Gesamt-

vermögen darf bei diesem Modell höchstens 10% betragen.

Aktuelle Änderungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung finden Sie unter

www.advocatio.de/erbrecht.html

Bewertung des Betriebsvermögens

Die Bewertung des Betriebsvermögens ist durch das Erbschaftsteuerreformgesetz

neu geregelt worden. Vorrangig soll der gemeine Wert eines Unternehmens oder

der Wert von nicht börsennotierten Anteilen an solchen Unternehmen aus Ver-

käufen abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag

zurückliegen. Ist dies nicht möglich, kann der Wert unter Berücksichtigung der Er-

tragsaussichten des Unternehmens oder einer anderen anerkannten, auch im ge-

wöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode, er-

mittelt werden. Hierzu kann ein, im Bewertungsgesetz geregeltes, vereinfachtes

Ertragswertverfahren angewandt werden, solange dies nicht im Einzelfall zu of-

fensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Bei diesem Verfahren wird der zu-

künftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag, der sich aus dem Durchschnittsertrag

der Betriebsergebnisse der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufe-

nen Wirtschaftsjahre ergibt, mit einem festgelegten Kapitalisierungsfaktor mul-

tipliziert. Als Mindestwert gilt jedoch stets der Substanzwert des Unternehmens.

Ertragsteuerliche Auswirkungen des Erbfalls

Neben den erbschaftsteuerlichen Folgen der Übertragung eines Unternehmens

sind oft auch die ertragsteuerlichen Folgen zu beachten. Verschenkt beispiels-

weise ein Unternehmer das Unternehmen an seinen Sohn, behält er jedoch bis-

her im Betriebsvermögen gehaltene Grundstücke in seinem Eigentum, werden

diese praktisch aus dem Betrieb herausgelöst. Dies kann dazu führen, dass „stille

Reserven“ aktiviert werden und hierauf eine Einkommensteuer zu zahlen ist.

Expertentipp

Bei betrieblichen Vermögen kann die Übertragung im Wege der Schenkung oder

von Todes wegen nicht nur zu erb- und schenkungsteuerlichen Folgen führen, son-

dern auch zu erheblichen Ertragsteuern. Wer Unternehmen oder Unternehmens-

teile übertragen will, sollte zur Vermeidung steuerlicher Nachteile einen im Erb-

und Steuerrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder Steuerberater beauftragen.

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Schenkung- und Erbschaftsteuer

Wer sein Testament plant oder einen Erbvertrag abschließen will, sollte im-

mer auch an die Erbschaftsteuer denken. Denn die Vererbung an Personen

mit niedrigem Freibetrag führt oft – ohne dass dies gewollt wäre – zu hohen

Überweisungen an den Fiskus. Angesichts des Umstandes, dass bei der Ver-

erbung größerer Vermögen die Erbschaftsteuer bis zu 50% betragen kann

und selbst bei der Vererbung kleinerer Vermögen an nichtverwandte oder

entfernt verwandte Personen bereits 30% beträgt, sollte die Erbschaftsteu-

er bei jeder erbrechtlichen Gestaltung berücksichtigt werden.

Freibeträge, Steuerklassen und Steuersätze

Steuersätze

Die Steuersätze richten sich nach der Höhe des geschenkten oder ererbten Ver-

mögens sowie nach der jeweiligen Steuerklasse. Sie sind im Folgenden tabella-

risch dargestellt:

Erbschaftsteuerklassen und -freibeträge

Steuer-klasse

Erwerber (z.B. der Beschenkte, Erbe, Ver-mächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte)

Persönlicher Freibetrag

(§ 16 ErbStG)

I Ehegatte und Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz

500.000 €

I Kind und Stiefkind, Enkel, wenn die Eltern vorverstorben sind

400.000 €

I Enkel, wenn die Eltern noch leben 200.000 €

I Eltern und Großeltern im Erbfall; Urenkel und deren Abkömmlinge

100.000 €

II Eltern und Großeltern im Falle einer Schenkung,

Geschwister, Neffen, Nichten, Stiefeltern,

Schwiegerkinder, Schwiegereltern,

geschiedener Ehegatte

20.000 €

III alle Übrigen (auch Paare ohne Trauschein) 20.000 €

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis ein-schließlich ...

Prozentsatz in der Steuerklasse

I II III

75.000 € 7 % 15 % 30 %

300.000 € 11 % 20 % 30 %

600.000 € 15 % 25 % 30 %

6.000.000 € 19 % 30 % 30 %

13.000.000 € 23 % 35 % 50 %

26.000.000 € 27 % 40 % 50 %

über 26.000.000 € 30 % 43 % 50 %

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Ein testamentarisches Vermächtnis zugunsten des Sohnes in Höhe des Steu-

erfreibetrages von 400.000 € hätte folgende Steuerbelastung der Witwe

ergeben:

Die Steuerersparnis für die Witwe beträgt 64.000 €. Das Vermächtnis für den

Sohn ist steuerfrei, da dessen Freibetrag von 400.000 € nicht überschritten

wird. Zudem hat der Sohn die bereits steuerfrei erhaltenen 400.000 € nicht

mehr bei einer späteren Beerbung seiner Mutter zu versteuern.

Familienfremde Erben: Meist hohe Steuerlasten

Schlechter gestellt als nahe Familienangehörige sind „familienfremde“ Erben:

Freunde, hetero- und homosexuelle Partner ohne Eintragung und nicht gemein-

nützige Organisationen.

BeispielDie Lebensgefährtin einer nichtehelichen Gemeinschaft erbt als „alleinige

Erbin“ ein Vermögen von einer 1.000.000 €. Zuerst muss sie die offenen

Rechnungen begleichen und Vermächtnisse erfüllen (100.000 € weg). Die

Kinder des Verstorbenen fordern den Pflichtteil (insgesamt 450.000 € weg).

Nach Abzug des Freibetrags von 20.000 € bleiben 430.000 € zu versteuern.

Daraus errechnet sich die Steuer in Höhe von 129.000 € (30%). Der Lebens-

gefährtin bleiben von der Million am Ende nur 321.000 € übrig.

Schenkung plus Erbschaft

Mehrere von einer Person geschenkte oder ererbte Vermögen werden nur dann

zusammengerechnet, wenn sie weniger als 10 Jahre auseinander liegen. Schen-

kung- und Erbschaftsteuer ist in diesem Fall für den Gesamtbetrag zu zahlen.

BeispielEin Vater schenkt seinem Sohn 2005 eine Eigentumswohnung mit einem steu-

erlichen Wert von 400.000 € und vererbt ihm nach seinem Tod in 2008 weitere

400.000 €. Vom Gesamtbetrag (800.000 €) wird der Freibetrag eines Kindes

(400.000 €) abgezogen. Die restlichen 400.000 € sind mit 15% (siehe Tabel-

le) zu versteuern. Im Steuerbescheid stehen 60.000 € als fälliger Betrag.

Vererbung an Familienangehörige: Oft keine Erbschaft- und Schenkungsteuer

Allein aufgrund der hohen Freibeträge für Ehegatten, Kinder und Enkelkinder

kann ein beträchtliches Erbe steuerfrei an die eigenen Angehörigen vererbt wer-

den.

BeispielDie Ehegatten setzen sich gegenseitig als alleinige Vollerben ein. Der ge-

meinsame Sohn wird Schlusserbe. Der Ehemann hinterlässt einen Nachlass

von 1.000.000 €. Die von der Ehefrau zu zahlende Erbschaftsteuer errech-

net sich ohne Berücksichtigung eines Versorgungsfreibetrages wie folgt:

Erbschaft 1.000.000 €

abzgl. Freibetrag 500.000 €

zu versteuern 500.000 €

15% Steuer hieraus 75.000 €

Erbschaft 1.000.000 €

abzgl. Vermächtnis 400.000 €

abzgl. Freibetrag 500.000 €

zu versteuern 100.000 €

11% Steuer hieraus 11.000 €

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Völlig ohne Steuerzahlung wäre der Sohn weggekommen, wenn der Vater ihm die

Wohnung schon etwas früher, zum Beispiel im Jahre 1997, geschenkt hätte. Bis

zum Tod wären dann mehr als zehn Jahre nach der Schenkung vergangen. Der

Sohn hätte in diesem Fall den Freibetrag zweifach nutzen und 800.000 € steu-

erfrei erben können (wobei aus Vereinfachungsgründen in diesem Beispiel eine

Geltung der derzeitigen Rechtslage auch schon im Jahre 1997 unterstellt wird).

Möglichkeiten der Steueroptimierung

Um hohe Steuerlasten zu vermeiden, bieten sich unter anderem folgende Mög-

lichkeiten an:

• Mehrfache Nutzung von Steuerfreibeträgen (Zuwendungen alle 10 Jahre be-

reits zu Lebzeiten) – ein Mittel zur Weitergabe eines großen Vermögens in

der Familie.

• Zuwendung einer lebenslangen Rente statt eines Kapitalvermögens zur Re-

duzierung der Erbschaftsteuer (insbesondere interessant zur Absicherung

von unverheirateten Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft).

• Nutzung eines sogenannten „Vorbehaltsnießbrauchs“ statt der klassischen

Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft.

• Schenkung oder Vererbung von steuerlich privilegierten Gegenständen (Im-

mobilien und Unternehmensbeteiligungen).

• Auch zum „Berliner Testament“ gibt es Alternativen, die wirtschaftlich zum

gewünschten Ergebnis führen, aber die oft katastrophalen erbschaftsteuer-

rechtlichen Folgen vermeiden.

Generell gilt: Keine Standardlösung für alle

Zu beachten ist jedoch, dass es „die steuergünstige Standardlösung” nicht

gibt. Das Steuerrecht unterliegt oft Gesetzesänderungen, die zu beachten sind.

Eine große Herausforderung liegt darin, die „steuergünstige Lösung” mit der

gewünschten Nachfolgeregelung individuell in Einklang zu bringen. Ohne Fach-

kenntnis ist das meist nicht zu machen.

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Vorweggenommene Erbfolge

Unter „vorweggenommener“ Erbfolge versteht man alle Vermögensübertra-

gungen unter Lebenden, insbesondere Schenkungen, die in der Erwartung

vorgenommen werden, dass der Erwerber im Erbfall das Vermögen ohnehin

erhalten wird. Die Beteiligten verfolgen ganz unterschiedliche Ziele bei ei-

ner vorweggenommenen Erbfolge:

Reduzierung der Steuerlast

Häufig sind steuerliche Überlegungen das tragende Motiv für eine vorweggenom-

mene Erbfolge, auch wenn „Steuerspareffekte“ seit der letzten Erbschaftsteu-

erreform nicht mehr so signifikant sind. Die erzielbaren Steuervorteile hängen

vorrangig von der Größe des Vermögens ab. Voraussetzung für eine Steuerop-

timierung ist zudem meist, dass die Vermögensübergabe rechtzeitig vor dem

späteren Erbfall erfolgt.

Erhaltung des Familienvermögens

Wirtschaftliche Einheiten, z.B. Grundbesitz, ein Unternehmen oder Kunstsamm-

lungen, werden bei Streit unter Miterben oft zerschlagen. Eine gut strukturierte

lebzeitige Übertragung auf die nächste Generation kann nicht nur eine Zersplit-

terung von Vermögenswerten verhindern, sondern auch Streit unter den Angehö-

rigen über die Verteilung des Nachlasses vorbeugen. Eine rechtzeitige Übertra-

gung motiviert zudem einen Nachfolger den Besitz zu erhalten und zu mehren.

Versorgung des Schenkers

Ein weiteres Motiv für die Übertragung von Vermögen ist, dass der Schenker als

„Gegenleistung“ von den Kindern für sich und seinen Ehepartner Leistungen für

die Versorgung im Krankheits- und Pflegefall einfordern und noch zu Lebzeiten

beider Elternteile vertraglich absichern kann.

Pflichtteilsminderung

Ziel einer vorweggenommenen Erbfolge kann es auch sein, vertragliche Regelun-

gen zum Ausschluss oder zur Reduzierung der Pflichtteilshaftung zu treffen, oder

durch eine Schenkung eine spätere Pflichtteilslast zu reduzieren.

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Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Niemand ist davor sicher, dass er wegen Krankheit, Unfall oder Gebrech-

lichkeit seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Für diese

Fälle sollte eine Vorsorgevollmacht errichtet werden. Unsere Gesellschaft

wird immer älter. 25 % der über 85-Jährigen leiden unter seniler Demenz und

sind damit betreuungsbedürftig. Doch auch junge Menschen können durch

einen Unfall oder schwere Krankheit zeitweise bewusstlos sein, ständig in

ein Koma fallen oder dauerhaft pflegebedürftig werden.

Zweck einer Vorsorgevollmacht

Viele Menschen glauben, dass die nahen Angehörigen automatisch handeln und

entscheiden können, wenn aus Altersgründen, in medizinischen Notfällen oder

nach einem schweren Unfall Entscheidungen getroffen werden müssen. Das ist

aber nicht so. Der Gesetzgeber hat bisher keine Regelung geschaffen, wonach

die Familie oder der Lebenspartner diese Verantwortung übernehmen kann.

Trifft man keine Vorsorge, wird das Betreuungsgericht einen Amtsbetreuer ein-

setzen, auf dessen Auswahl weder die Betroffenen noch deren Angehörigen ei-

nen Einfluss haben.

Inhalt einer Vorsorgevollmacht

Dem Bevollmächtigten können folgende Angelegenheiten übertragen werden:

• Fragen der Gesundheitssorge und Pflegebedürftigkeit

• Regelung des Aufenthalts und von Wohnungsangelegenheiten

• Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen

• Fragen der Vermögenssorge, insbesondere Annahme von Zahlungen, Einge-

hen von Verbindlichkeiten, Geschäfte mit Kreditinstituten

• Vornahme von Schenkungen

• Immobiliengeschäfte (Wichtig: Hierfür ist eine notarielle Beglaubigung

notwendig.)

• Angelegenheiten, die das Unternehmen betreffen (Wichtig: Hierfür kann

u.U. notarielle Beurkundung oder Beglaubigung notwendig sein.)

• Regelung des Post- und Fernmeldeverkehrs

• Vertretung vor Gericht

• Erteilung einer Untervollmacht

Wirkungen einer Vorsorgevollmacht

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen dem Außenverhältnis, also der Bezie-

hung zwischen dem Bevollmächtigten und Dritten (beispielsweise Geschäftspart-

ner, Behörden, Gerichte, Banken), und dem Innenverhältnis zwischen dem Voll-

machtgeber und dem Bevollmächtigten:

• Außenverhältnis: Im Außenverhältnis gibt eine Vollmacht dem Bevollmäch-

tigten die Legitimation, rechtsgeschäftlich wirksame Erklärungen gegen-

über Dritten abzugeben („rechtliches Können“). Je nach Vollmacht kann

der Bevollmächtigte Kredite aufnehmen, Gegenstände des Vermögens ver-

kaufen, Mietverträge kündigen und Forderungen beitreiben. Diese Maßnah-

men sind selbst dann wirksam, wenn der Bevollmächtigte „übereifrig“ han-

delt und diese Schritte vorher nicht mit dem Vollmachtgeber abgeklärt hat.

• Innenverhältnis: Das Innenverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und

dem Bevollmächtigten betrifft dagegen die Frage, was der Bevollmächtig-

te darf („rechtliches Dürfen“). Hier kann der Vollmachtgeber dem Bevoll-

mächtigten bestimmte Weisungen und Wünsche „mit auf den Weg geben“.

So kann er festlegen, ob Vermögenswerte zur Finanzierung von Pflegekosten

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veräußert werden dürfen oder, ob bei einer Heimunterbringung die Woh-

nung aufgelöst werden soll.

Formalien einer Vorsorgevollmacht

• Eine Vorsorgevollmacht kann in der Form frei gestaltet werden. Es gibt

hierfür keine gesetzliche Regelung. Allerdings sollte sie zu Beweiszwecken

immer schriftlich vorliegen.

• Eine notarielle Beglaubigung ist nur dann erforderlich, wenn der Bevoll-

mächtigte auch Grundstücksgeschäfte vornehmen oder im Bereich des Ge-

sellschafts- und Handelsrechts tätig werden soll. Ohne notarielle Beglau-

bigung müsste zur Erledigung dieser Aufgaben vom Betreuungsgericht ein

Betreuer bestellt werden.

• Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen sowie Patientenverfügungen

können beim zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer regist-

riert, nicht aber hinterlegt werden. Die Formalien und Gebühren der Regis-

trierung findet man im Internet unter www.vorsorgeregister.de.

Kontovollmachten

Bevor man eine Vorsorgevollmacht zu Papier bringt, sollte man bei der Bank

anfragen, ob sie eine frei formulierte Vollmacht akzeptiert oder auf eigene For-

mulare für eine Kontovollmacht besteht. Falls Letzteres der Fall ist, sollte man

zumindest für die Kontovollmacht das geforderte Formular verwenden, um spä-

teren Ärger auszuschließen.

Rechenschaftspflicht des Bevollmächtigten

Da der Vollmachtgeber (beziehungsweise nach seinem Tod seine Erben) jederzeit

gemäß § 666 BGB Rechenschaft über die getroffenen Maßnahmen und den Ver-

bleib des verwalteten Vermögens verlangen kann, sollte der Bevollmächtigte zur

Vermeidung von Streit

• Bargeld immer nur gegen Quittung auszahlen,

• ein Haushaltsbuch führen,

• für alle Ausgaben Belege sammeln,

• bei Kontovollmacht Kopien der Kontoauszüge fertigen.

Nur so ist sichergestellt, dass der Bevollmächtigte nach dem Erbfall vollständige

Rechenschaft gegenüber den Erben ablegen kann und sich nicht schadensersatz-

pflichtig macht.

Vollmacht über den Tod hinaus

Zur Regelung von Nachlassangelegenheiten müssen die Erben im Regelfall beim

Nachlassgericht einen Erbschein beantragen. Der Erbschein ist eine Art „Per-

sonalausweis“ des Erben. Die Erteilung des Erbscheins durch das Nachlassge-

richt kann aber mehrere Monate in Anspruch nehmen. Hierdurch kann sich die

Nachlassverwaltung, insbesondere die Zahlung von Nachlassschulden, erheblich

verzögern. Dem kann der Erblasser durch eine „transmortale Vollmacht“ vorbeu-

gen. Diese Vollmacht gilt über den Tod des Vollmachtgebers hinaus, so dass der

Bevollmächtigte nach dem Erbfall die erforderlichen Maßnahmen treffen kann.

Zweck einer Patientenverfügung

In einer Patientenverfügung kann im Voraus festgelegt werden, ob und wie man

später ärztlich behandelt werden will, wenn man seinen Willen nicht mehr

selbst äußern kann. Die Verfügung wendet sich also an den Arzt und das Behand-

lungsteam. Aber auch der Bevollmächtigte oder Betreuer ist an den Behand-

lungswunsch gebunden.

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Rechtsverbindlichkeit einer Patientenverfügung

Mit Wirkung zum 1.9.2009 hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen von Pati-

entenverfügungen und ihre Bindungswirkung eindeutig bestimmt. Nach diesen

Bestimmungen sind Betreuer und Bevollmächtigte im Fall der Entscheidungsun-

fähigkeit des Betroffenen an dessen Patientenverfügung gebunden.

Inhalt einer Patientenverfügung

• Eine Patientenverfügung muss präzise und zweifelsfrei formuliert sein und

erkennen lassen, dass man sich nach reiflicher Überlegung für bestimm-

te Behandlungsmethoden entschieden hat. Allgemein gehaltene Formulie-

rungen, wie beispielsweise „in Würde sterben zu wollen“ oder „qualvolles

Leiden vermeiden zu wollen“ sind gänzlich ungeeignet, das Selbstbestim-

mungsrecht des Patienten zu verwirklichen.

• Der in einer Patientenverfügung erklärte Verzicht auf die weitere Behandlung

einer tödlich verlaufenden Krankheit bedeutet nie eine völlige Einstellung

ärztlicher Behandlung oder Pflege. Es geht immer nur um eine Therapiere-

duktion, also um den Verzicht auf bestimmte Medikamente, Transfusionen,

Reanimationen oder Operationen. Die Behandlung hat dann nicht mehr eine

Heilung zum Ziel, sondern eine bestmögliche Lebensqualität.

Formalien einer Patientenverfügung

• Das Gesetz sieht für eine Patientenverfügung die Schriftform vor. Eine no-

tarielle Beurkundung oder Beglaubigung ist ebenso wenig erforderlich wie

eine Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer.

• Eine Patientenverfügung kann errichten, wer achtzehn Jahre oder älter ist.

• Für eine Patientenverfügung ist auch eine sogenannte Einwilligungsfähig-

keit erforderlich. Diese fehlt, wenn der Erklärende aufgrund seines psy-

chischen Zustandes nicht in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite der zu

erteilenden Einwilligung zu erkennen oder darüber zu entscheiden.

• Die Patientenverfügung muss im Ernstfall schnell gefunden werden, um si-

cherzustellen, dass die Behandlungswünsche von den Ärzten auch beachtet

werden können. Das Original der Patientenverfügung sollte deshalb an ei-

nem sicheren, aber auch leicht auffindbaren Ort verwahrt werden. Empfeh-

lenswert ist es mittels einer sogenannten Notfallkarte im Scheckkartenfor-

mat, die in der Brief- oder Handtasche verwahrt wird, auf die Existenz und

den Aufbewahrungsort der Originalpatientenverfügung zu verweisen.

• Eine Registrierung der Patientenverfügung im zentralen Vorsorgeregister

der Bundesnotarkammer ist nur möglich, wenn sie mit einer Vorsorgevoll-

macht verbunden ist. Eine Hinterlegung der Patientenverfügung ist weder

im zentralen Vorsorgeregister noch bei einer sonstigen öffentlichen Stelle

möglich.

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Bernhard F. KlingerRechtsanwalt Fachanwalt für Erbrecht

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Ludger BornewasserRechtsanwaltFachanwalt für Erbrecht

Rechtsanwalt Ludger Bornewasserist Spezialist für Erbrecht und Erbschaftsteuer recht. Er berät Pri-vatpersonen in allen Belangen des Erbrechts sowie Unternehmer bei der Vermögensübertragung und Un-ternehmensnachfolge. Hierbei löst Rechts anwalt Bornewasser auch ge-sellschaftsrechtliche Fragen.