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Astrid Fischer
Vorstellungen zur linearen Algebra: Konstruktionsprozesse und -ergebnisse von Studierenden
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Padagogok, vorgelegt beim Fachbereich Mathematik der Universitat Dortmund.
Gutachter: Prof Dr. Rudolf Scharlau Prof Dr. Lisa Hefendehl-Hebeker
Datumder mundlichen Prufung: 23. Februar 2006
Ein Wesensmerkmal der modemen linearen Algebra ist ein hoher Grad an Formalisierung, welche es ermoglicht, Forschungsgebiete unterschiedlicher inhaltlicher Herkunft unter dem Dach einer einzigen Theorie zusammenzufassen. Mit dieser Formalisierung geht ein Arbeiten auf einem hohen Abstraktionsniveau einher. Dies wird als eine Ursache dafUr angesehen, dass viele Studierende der Mathematik in ihrem ersten Semester die Vorlesung "Lineare Algebra" als eine groBe Herausforderung erleben. Das Hauptanliegen der Arbeit ist, Einblicke in die kognitive Verarbeitung der dargebotenen Inhalte durch Studierende zu bekommen. Konkreter fragt sie danach, welche Vorstellungen Studierende zu verschiedenen Begriffen aus der linearen Algebra ausbilden und welche Strategien sie verwenden, um diese Vorstellungen fortzuentwickeln und zur Losung mathematischer Probleme einzusetzen. Das zweite Anliegen der Arbeit ist, in einer epistemologischen Analyse zentraler Begriffe der linearen Algebra Grundvorstellungen zusammen mit ihnen inne wohnenden epistemologisch bedingten Lemschwierigkeiten aufzuzeigen. 1m Forschungsprozess wechselten sich Sachanalysen, Lehrsequenzen und empirische Studien ab und befruchteten sich gegenseitig im Sinne der Design Science. Der ersten empirischen Studie, an der Horer und Horerinnen einer klassischen Vorlesung teilnahmen, ging eine Sachanalyse der linearen Algebra voraus, welche Abstraktionsschritte in dieser Theorie untersuchte. 1m Anschluss an die ersten empirischen Analysen wurden die bei einzelnen Studierenden vermuteten Vorstellungen im Hinblick auf ihre Tragweite beleuchtet. Aus einigen von ihnen wurden Grundvorstellungen zentraler Begriffe der linearen Algebra abgeleitet. Die Moglichkeiten des Aufbaus dieser Grundvorstellungen in personlichen kognitiven Modellen wurden im Hinblick auf verschiedene, bei den Probanden beobachteten Strategien der Wissensverarbeitung untersucht. AnschlieBend wurde eine Lemsequenz entwickelt, die zum Aufbau verschiedener Grundvorstellungen anregen sollte. Die Studierenden, die an dieser Lemsequenz teilnahmen, wurden in einer zweiten empirischen Untersuchung beobachtet. Die Ergebnisse dieser Studie fUhrten nochmals zu Erganzungen der Sachanalyse. Leitgedanke fUr die empirischen Studien war nicht das Anliegen der Beurteilung von Studierenden oder Dozierenden, sondem eine genuine Suche nach individuellen kognitiyen Repdisentationen und Strategien. Die Studien sollten gerade die Komplexitat der Theorie der linearen Algebra einbeziehen, die durch horizontale Vemetzungen und oft
(JMD 27 (2006) H. 2, S. 163-164)
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gleichzeitig zu beriicksichtigenden Abstraktionsebenen gekennzeichnet ist. Die erste Untersuchung wurde daher als eine Serie von explorativen Fallstudien konzipiert, in denen drei Studierende in mehreren Einzelinterviews ausfUhrlich zu Wort kamen. Die Themen der Interviews lauteten: "Mengen von Restklassen", "Beschreibung von Vektorraumen mit Hilfe von Basen" und "Der Dualraum als abstrakter Vektorraum". Diese Themen wul-den aus den Inhalten der Vorlesung "Lineare Algebra I", die die drei Interviewten besuchten, ausgewahlt. Insbesondere die Interviews zum ersten und zum dritten Thema erforderten ein Denken auf mehreren Abstraktionsebenen zu gleicher Zeit. Die Interviews zum zweiten und zum dritten Thema sprachen zentrale Begriffe der linearen Algebra wie "Vektorraum", "Basis" und "lineare Abbildung" an. Die zweite empirische Studie wurde im folgenden Studierendenjahrgang durchgefUhrt und analysierte Kurzaufsatze von 39 Studierenden, in denen sie sich mit einer gegebenen Darstellung des Restklassenringes Z!5Z auseinandersetzten. Die Auswertung der Daten erfolgte in beiden empirischen Studien mit interpretativen Analysemethoden. Das erste Ergebnis des Forschungsprojekts ist ein Einblick in Prozesse und Ergebnisse der kognitiven Verarbeitung von mathematischem Wissen durch einzelne Studierende. Horer und Horerinnen derselben VOrlesung schein en sowohl sehr unterschiedliche Vorstellungen von einzelnen Begriffen zu besitzen, als auch grundsatzlich unterschiedliche Strategien bei der Anwendung und bei der Fortentwicklung ihrer kognitiven Modelle einzusetzen. Das zweite Ergebnis ist eine didaktisch orientierte Sachanalyse, die zu zentralen Begriffen der linearen Algebra Grundvorstellungen aufzeigt und eine nach Lemstilen differenzierte Analyse von damit einhergehenden epistemologischen Schwierigkeiten gibt. Als drittes Ergebnis werden erste Konsequenzen fur die Lehre angesprochen. Sie beziehen sich auf Elemente des Lehrstils, die Studierende in der Entwicklung, Korrektur und Nutzung von geeigneten person lichen Vorstellungen unterstiitzen.
Die Arbeit ist an der Universitat Dortmund elektronisch unter \\https:!!eldorado.uni-dortmund.delhandle!2003!22202 bzw. unter http://hd1.handle.net!2003!22202 verOffentlicht.
Adresse der Autorin
Astrid Fischer Fachbereich Mathematik Universitat Duisburg-Essen 45117 Essen Mail: [email protected]