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2/14 Aktuell: Die Energie- und Verkehrswende in Schlauen Netzen / Geplante Obsoleszenz

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Page 1: W er b nSi A o tI ! Werden Sie AbonnentIn! - CORE · Technologie & Politik Soziale Technik 2/2014 2 Perspektiv-, Paradigmen- und Rollenwechsel Die rasante Installation von Photovoltaik

SOZIALE TECHNIK Nummer 2 – Juni 2014, 24. Jg., Einzelpreis € 7,- / SFr 10,-

P.b.b. Verlagspostamt 8010; GZ 02Z032468M – Erscheinungsort Graz

Das IFZ ist der Grazer Standort des STS – Institut für Technik- und Wissen-schaftsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt | Wien | Graz

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Aktuell:

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INHALT

Technologie & Politik

Weert Canzler, Andreas KnieDie Energie- und Verkehrswende in „Schlauen Netzen“. Der Wandel des Staatsverständnisses in der postfossilen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Renate Hübner Geplante Obsoleszenz zwischen Wunsch und Ärgernis.Das Obsoleszenzspiel, Spielregeln und Spielverderber . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Christina Schachtner Leben im Plural. Entwicklungstrends im Zuge des Medienumbruchs der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Gastredaktion

Tim Freytag, Michael Pregernig, Roderich von Detten Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie. Disziplinoffene Perspektiven für Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . 11

Umwelt & Energie

Jürgen Suschek-Berger, Magdalena WicherBuild to satisfy. Zufriedenheit von NutzerInnen in Niedrigst- und Plusenergiegebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Frauen & Technik

Rebecca Apel, Tobias Berg, Carmen Leicht-ScholtenFachkulturen im Wandel.IGaDtools4MINT – ein Forschungsprojekt für mehr Diversität in MINT-Studiengängen am Beispiel der Informatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Aus dem STS/IFZ

Critical Issues in Science and Technology Studies.STS Conference Graz 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Zur Aussagekraft und Rolle von Tierstudien im Kontext derRisikoabschätzung von genetisch veränderten Organismen . . . . . . . . . . 21Personalia: Michaela Jahrbacher, Armin Spök, Joachim Allgaier . . . . . 21

Magazin

Green Products . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Neue Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Fotos: Franz PacherGeboren 1946 in Linz, aufgewachsen in Graz. 1956erste fotografische Gehversuche. Ab 1963 Mitglied,später einige Jahre Obmann im Club der Amateur-fotografen in Graz (CDA). Zahlreiche nationaleund internationale Hängungen bei Ausstellungensowie Annahmen, Preise und Medaillen bei Foto-wettbewerben, u. a. Verleihung des Titels „AFIAP“1973, danach „EFIAP“ 1977 (Excellence de la Fe-

deration internationale de l’art fotografique). Aufnahme in das „Whois Who“ (Sparte Fotografie). – „Mein Anliegen in der Fotografie ist es,die Poesie und Schönheit des Augenblicks festzuhalten. Diese beson-deren Momente möchte ich mit meinen Fotos auch anderen Men-schen zugänglich machen. Die Kamera dient mir dabei als Werkzeug,wie ein Pinsel und Zeichenstift dem Maler.“Kontakt: [email protected]

Eigentümer, Herausgeber, Verleger:IFZ, A-8010 Graz, Schlögelgasse 2Tel.: +43/316/813909-0, Fax: +43/316/813909-11E-Mail: [email protected], http://www.ifz.aau.at

Redaktion: Peter WildingAboverwaltung: Reinhard WächterISSN 1022-6893 DVR 0637955

Gefördert durch die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria).

Fotos: Franz PacherBasisdesign & typographisches Konzept: RoRo + Zec, Satz: www.koco.at.Druck: Druckerei Bachernegg, Kapfenberg. Gedruckt auf Cyclus Print 90g(Recyclingpapier aus 100% Altpapier), Umschlag: Magno matt 115g,chlorfrei gebleicht.

Als Dankeschön stehen drei Bücher zur Auswahl!

Kostenloses Probeabo (2 Ausgaben)

und Abobestellungen:

IFZ Graz Tel.: 0316/813909E-Mail: [email protected] www.ifz.aau.at/sote

Erscheint vierteljährlich, Jahresabo € 17,- (Studierende € 13,-)

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Technologie & Politik

Soziale Technik 2/2014 2

Perspektiv-, Paradigmen- und RollenwechselDie rasante Installation von Photovoltaik(PV)- und Windkraftanlagen hat in den letz-ten Jahren nicht nur in Deutschland ge-zeigt, dass es bei der Versorgung mit Erneu-erbaren gar kein Mengen-, sondern ein Ma-nagementproblem gibt. Die Kunst bestehtdarin, eine zuverlässige Regelleistung fürStrom und analog für Wärme und Verkehrin Zeiten von Wind und Sonne zu organi-sieren. Modellhaft ist eine Vollversorgungmit Erneuerbaren Energien darstellbar (vgl.Henning, Palzer 2012; Peter 2013). Unklar ist allerdings der Übergang vom bis-her gültigen gleichsam „fordistischen Kon-struktionsprinzip“ der zentralen Versorgungdurch Großkraftwerke hin zu kleinen, de-zentralen und “smart“, also intelligent mit-einander kommunizierenden Versorgungs-netzen, um dort die Energie zu produzieren,wo sie auch gebraucht wird. Bereits heute istdie traditionelle Rollentrennung von Erzeu-ger und Verbraucher oft überholt. Die Zahlder Haushalte und Unternehmen wächst,die Energie gleichzeitig produzieren undauch selbst nutzen. Gleichzeitig entstehenstärker denn je Energiegenossenschaften, indenen die Zivilgesellschaft gleichsam in Ei-genregie Teile der Versorgungslandschaftübernimmt. Bei Gestehungskosten von we-niger als zehn Cent je Kilowattstunde wirdes auch für viele Unternehmen interessant,Energie selber zu nutzen. Bürgerinnen undBürger schließen sich mehr als je zuvor zu-

sammen, um gemeinschaftlich Solar- oderWindanlagen zu betreiben. ProduzentInnenund KonsumentInnen werden zu „Prosu-mer“, die der Zukunftsforscher Alvin Tofflerschon vor mehr als 30 Jahren beschrieb.

Chancen der ElektromobilitätDas Momentum der Energiewende bietetneue Optionen für die überfällige Verkehrs-wende. Denn der Verkehr ist ja nicht einsei-tig nur ein verbrauchender Sektor, sondernkann ebenso auch Speicher und temporärerLieferant von regenerativ erzeugtem Stromsein. Damit kann der Verkehr sogar zummöglichen Problemlöser im entstehendenregenerativen Energiesystem werden. Syste-misch betrachtet ergänzen sich regenerativeEnergien und eine vollkommen neu organi-sierte intermodale Mobilität in idealer Weise(vgl. ausführlich Canzler, Knie 2013). Vo-raussetzungen sind neben weiteren techni-schen Innovationen ein Paradigmenwech-sel im „Eigentumsverständnis“. Verkehrs-mittel werden zukünftig kollektiv genutzt;eigentumsrechtliche Verfügungen wird es ineinem systemischen Verständnis nichtmehr geben, denn es gibt immer ausrei-chend Fahrzeugangebote, die zukünftignach Bedarf bereit gestellt und genutzt undnicht privat gebunkert werden.Vor diesem Hintergrund gewinnt die Elek-tromobilität ihre strategische Bedeutung(Canzler, Knie 2012). E-Fahrzeuge verlangeneinen grundlegenden Umbau der Verkehrs-landschaft – analog zu den Erneuerbaren imEnergiesektor. Da eine eins-zu-eins-Substitu-tion der bisherigen Antriebstechnik durchden Elektroantrieb technisch und betriebs-wirtschaftlich wenig Sinn macht, bleibt dieNotwendigkeit zu radikalen Innovationen.Elektromobile zwingen aufgrund ihrer Ei-genschaften zu verkehrsträgerübergreifen-den Kooperationen. War die fossil betrie-bene „Rennreiselimousine“ gleichsam einautarkes und sich selbst genügendes Ge-fährt, braucht das E-Fahrzeug Vernetzungs-partner, weil es für lange Strecken nicht ge-eignet ist und zum Laden auf Auszeitennicht verzichten kann. Für die Automobili-tät kommt die Elektromobilität einer Implo-sion gleich. Statt dem expansiven Musterdes „größer-schneller- schwerer“ entspricht

Weert Canzler

studierte Politische Wissenschaft, Volkswirtschaftund Jura an der Freien Universität Berlin, Promoti-on in Soziologie an der TU Berlin. Er arbeitet seit1993 als Wissenschaftler am Wissenschaftszen-trum Berlin für Sozialforschung (WZB) und ist seit2013 Sprecher des „Leibniz-ForschungsverbundesEnergiewende“. Forschungsschwerpunkte: Innova-tions- und Zukunftsforschung, (Auto-)Mobilitäts-entwicklung und Verkehrspolitik, Energiepolitik.

E-Mail: [email protected]

Die Energie- und Verkehrswende in „Schlauen Netzen“

Andreas Knie

hat Politikwissenschaften in Marburg und Berlinstudiert, Promotion und Habilitation an der TUBerlin, seit 1988 am Wissenschaftszentrum Berlinfür Sozialforschung (WZB) tätig, seit 1996 Profes-sor für Soziologie an der TU Berlin, Bereichsleiterfür Intermodale Angebote der Fuhrparkgruppe derDeutschen Bahn AG sowie Geschäftsführer des In-novationszentrums für Mobilität und gesellschaftli-chen Wandel (InnoZ) GmbH.

E-Mail: [email protected]

Bei der Energiewende in Deutschland geht es ums Grundsätzliche. Energie-wende bedeutet nämlich den kompletten Umbau der bestehenden Infrastruk-tursysteme für Strom, für Wärme und für Verkehr. Die Kernleistung der bisherzentral strukturierten und gesteuerten Systeme bestand aus Regelenergie,jederzeit verfügbar, und im Versprechen der freien Fahrt! Wenn die Großkraft-werke nun durch Wind und Sonne verdrängt werden, kann dieses Versprechengenauso wenig aufrechterhalten werden wie die massenhafte Verfügbarkeitvon Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen. Die Versprechungen der Modernemüssen daher neu formuliert werden.

Der Wandel des Staatsverständnisses in der postfossilen Gesellschaft

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Technologie & Politik

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die systemische Elektromobilität einemgänzlich anderen Trend: vernetzt, smartund entkoppelt vom privaten Eigentum (In-noZ 2012; Scherf et al. 2013).

Schlaue Netze Die informationstechnische Vernetzung dervielen Erneuerbaren ist weit gediehen, dasEnergie-Internet ist kein Schlagwort, son-dern trifft die Realität schon ziemlich prä-zise. Per App lässt sich die Leistung von PV-Anlagen laufend abfragen, auf den Internet-Seiten von Windparkbetreibern kann jederAnteilseigner einsehen, welche Mühle wieviel produziert. Auf dieser Grundlage sinddie Stromflüsse in einem Smart Grid mit he-terogener Erzeugungsstruktur einfach undstabil in Echtzeit darzustellen (vgl. Reetz2012). Die informationstechnische Vernet-zung ist neben der zivilgesellschaftlichenPräsenz und der notwendigen intersektora-len Verknüpfung das qualitativ Neue gegen-über früheren Versuchen, Solar- und Wind-kraftanlagen zu implementieren. Der Übergang zur postfossilen Gesellschaftmarkiert nicht nur eine Abkehr von einerenergietechnischen Erbfolge zentraler Ver-sorgungseinheiten und einen tiefgreifen-den wirtschaftlichen Strukturwandel. Er istdarüber hinaus nur mit einer doppelten Ab-kehr von der klassischen Moderne zu ha-ben. Denn die bestehenden Anbieter kön-nen nicht dezentral denken und handeln.Weder die bestehenden Energieversor-gungsunternehmen noch die Automobil-wirtschaft sind in ihren Kernstrukturen inder Lage, den Prosumer-Gedanken zu un-terstützen. Eine Energie- und Verkehrs-wende kann es innerhalb des „fordistischenProduktionsregimes“ nicht geben.Gefragt sind jetzt neue Akteure der Zivilge-sellschaft, die damit beginnen, eigene Ver-sorgungsgebiete zu reklamieren und Strom,Wärme und Verkehr regenerativ zu erzeu-gen und selbst zu nutzen. Der Ausgleichvon Angebot und Nachfrage ist in kleinenEinheiten einfacher zu bewerkstelligen, mitelektrischen Autos, die gleichzeitig als Spei-cher und als Fahrzeuge dienen, lassen sichdie regenerativen Eigenversorgungsgradeweiter erhöhen. Hierzu sind neue Geschäfts-modelle, neue Dienstleister, neue unterneh-merische Formate nötig. Mit Großkonzer-nen lässt sich das nicht bewerkstelligen.

Rückgang der staatlichen FertigungstiefeDie große Kunst besteht darin, die vielendezentralen Netze so in ein Gesamtsystemzu integrieren, dass sich unterschiedliche

Freiheitsgrade insbesondere für Menschen,die hierzu in der Lage sind, und sie gene-riert gleichzeitig mehr Unsicherheit undUngleichheit. Dezentrale Strukturen sindnicht nur technisch anspruchsvoll, sie er-fordern auch ständiges Aushandeln desVerhältnisses von Eigenverantwortungund sozialer Teilhabe. Denn nicht überalllassen sich Prosumer-Strukturen zumWohle kleiner Netze realisieren. Was pas-siert mit den Menschen, die zur selbstorga-nisierten Knotenbildung in schlauen Net-zen weder in der Lage noch willens sind?Ist diese Postmoderne doch nur ein Mo-dell, in dem sich der befähigte und privile-gierte Teil der Bevölkerung noch besser or-ganisieren kann und die soziale Spaltungschärfer wird? Braucht es auch so etwas wieeine postfossile Gerechtigkeitsnorm undwie sieht diese aus? Welche neuen Risiken

Last- und Nutzungsprofile ausgleichen kön-nen. Aber auch hier fehlen die Akteure.Und auch hier muss die Zivilgesellschaft ei-nen Schritt weiter gehen, weil der klassi-sche Staat nicht handelt. Spätestens jetzterkennt man aber das gesellschaftliche Pro-blem: das bestehende Staatsverständnis mitden für die Daseinsvorsorge zuständigenIndustrien kann eine dezentral vernetzte,regenerative systemische Integration vonStrom, Wärme und Verkehr nicht leisten.Das etatistische Grundprinzip, dass derStaat alles regelt, vorsorgt und letztlichauch dafür in Haft zu nehmen ist, wenn esnicht klappt, wird den Anforderungen andifferenzierten und volatilen Versorgungs-formen in allen energie- und verkehrssen-siblen Bereichen nicht mehr gerecht. Am-bivalenztoleranzen sind vonnöten. Gesell-schaftliche Selbstorganisation schafft hohe

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entstehen, wenn sich die staatliche Ferti-gungstiefe zurück entwickelt?So hilfreich und zwingend die Aktivitätender BürgerInnen sind, die „klassische Mo-derne“ garantierte das Versprechen aufProsperität, sozialen Aufstieg und auf Teil-habe unabhängig von der Vermögens- undEinkommenslage, unabhängig vom Berufdes Vaters und auch unabhängig davon, obman vom Land oder aus der Stadt kommt.Die materielle Voraussetzung für diese Ver-sprechen lag in einem Produktionsregime,dargestellt in der fossilen Grundlast, dasunabhängig von Wind und Wetter ope-rierte. Moderne Gesellschaften mit ihrenpositiven Konnotationen von Freiheit undWohlstand wurden erst realisierbar, alsDampfmaschinen eine Energieversorgungunabhängig von Standort, Jahreszeiten,klimatischen oder topografischen Eigen-heiten ermöglichten. Wird die Freiheit vonder fossilen oder atomaren Abhängigkeitmit einer neuen Unfreiheit bezahlt, nebendem Verlust staatlicher Versorgungssicher-heit auch noch auf genügend Wind undSonne angewiesen zu sein? Oder ist esdenkbar, dass sich auch moderne Lebens-und Arbeitsformen vom Rhythmus derVerfügbarkeit natürlicher Ressourcen leitenlassen? Sicher ist nur, dass die angedeutete„Große Transformation“ ohne Brüchenicht möglich sein wird. Klar ist auch, dassein Zurück in die Vormoderne von kaumjemandem gewollt wird. Grundsätzlich besteht eine große Wahr-scheinlichkeit, dass sich eine postfossileGesellschaft mit den Möglichkeiten smar-ter Technik und aufgeklärter zivilgesell-schaftlicher Optionen mit hinreichendergesellschaftlicher Legitimation organisie-ren lässt. Damit geht aber der Abschiedvon einer universellen Staatshaftung mitseinem national einheitlichen Leistungs-versprechen einher. Die postfossile Mo-derne bedeutet nicht nur die Abkehr von

fossilen Brennstoffen und zentralen Pro-duktionsstrukturen zur Versorgung mitStrom, Wärme und Verkehr, sie ist zugleichmit der Suche nach neuer dezentraler Ar-beitsteilung, sozialer Lastverteilung undkollektiver Haftung verbunden. Sie bietetaber auch Chancen zur Neudefinition zi-vilgesellschaftlicher Optionen, denn derGrad der Selbstorganisationsfähigkeitsollte mittlerweile so gefestigt und ihreLeistungsfähigkeit so professionell entwi-ckelt sein, dass damit auch eine neue Staat-lichkeit gelebt werden kann.

Literatur zum Weiterlesen• Canzler, Weert, Andreas Knie: E-Mobilität: Ver-

schmelzung von Energie- und Verkehrswende,

in: Jahrbuch Ökologie 2013, hrsg. v. Heike Leit-

schuh et al.. Stuttgart: Hirzel 2012, S. 49-54.

• Canzler, Weert, Andreas Knie: Schlaue

Netze. Wie die Energie- und Verkehrswende

gelingen. München: oekom 2013

• Henning, Hans-Martin, Andreas Palzer: 100

Prozent Erneuerbare Energie für Strom und

Wärme in Deutschland. Freiburg: ISE 2012.

• InnoZ: Ergebnisse aus dem BeMobility-Pro-

jekt, InnoZ-Baustein, Berlin 2012 (Download:

http://www.innoz.de/fileadmin/INNOZ/pdf/

Bausteine/innoz-Baustein-11.pdf)

• Peter, Stefan: Modellierung einer vollstän-

dig auf erneuerbaren Energien basierenden

Stromerzeugung im Jahr 2050 in autarken,

dezentralen Strukturen, UBA 2013 (nur als

Download verfügbar: http://www.uba.de/

uba-info-medien/4572.html)

• Reetz, Fabian: Multidimensionale Vernet-

zung. Lösungen für urbane Fragestellungen,

in: Polis – Magazin für Urban Development

4/2012, S. 80-81.

• Scherf, Christian, Josephine Steiner, Frank

Wolter: E-Carsharing: Erfahrungen, Nutzerak-

zeptanz und Kundenwünsche, in: Internationa-

les Verkehrswesen, Jg. 65, Heft 1/2013, S. 42-44.

• Toffler, Alvin: The Third Wave, New York et

al.: Bantam 1980. ■ Bezah

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Technologie & Politik

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„Instilling in the buyer the desire to own some-thing a little newer, a little better, a littlesooner than is necessary.“ (Stevens 1954)

Jeder kennt das Gefühl … Jeder kennt das ärgerliche Gefühl, das ei-nen überkommt, wenn schon wieder etwaskaputtgeht, just am Tag nach Ablauf derGewährleistungsfrist. Oder das freudigeGefühl, wenn endlich die neue Version,ein neues Modell am Markt ist und mandas veraltete, ach so langsame Gerät weg-werfen kann. Oder die Überforderung auf-grund viel zu vieler Funktionen einesneuen Produktes, weshalb es lange dauert,bis man sich an das neue Gerät gewöhnthat und in seine Alltagsroutinen einbettet.Und dann wieder die Verwunderung, dassdie Reparatur eines vertraut gewordenenProduktes, sagen wir eines Staubsaugers,den man gern weiter verwenden würde,zumindest gleich viel kostet, wie der Kaufeines neuen, der – ach wie schön – ja vielmehr „kann“. Und dann wieder das Ärger-nis, wenn man zu Hause herausfindet, dassdie Komponenten eines Vorgängermodells(wie Aufsteckteile, Akkus, Ladekabel, Spei-cherkarten usf.) mit dem neuen Modellnicht kompatibel sind und die Sammlungnoch funktionierender, aber nicht nutzba-rer Teile immer größer wird. Und danndoch wieder die Erleichterung, wenn etwas

endlich kaputtgeht, um einen Grund zuhaben, die Küche, das Bad, das Auto gänz-lich zu erneuern.

„Begleitgeräusche“ im Zuge von ErsatzanschaffungenDiese ambivalenten Gefühle sind oft „Be-gleitgeräusche“ von Konsumaktivitäten,vor allem, wenn es um Ersatzanschaffun-gen von Gebrauchsgütern geht. Nicht sel-ten erzeugen sie ein diffuses Unbehagen.Dies kann entstehen, wenn sich der Ein-druck erhärtet, dass etwas nicht stimmt.Dies ist der Fall, wenn sich Erwartungennicht erfüllen, wenn also z. B. vor Ablaufder erwarteten Nutzungsdauer eines Ge-brauchsgutes die Ersatzanschaffung an-steht, man also vorzeitig etwas Neues kau-fen will oder muss. Dabei ist das mit dem„vorzeitig“ so eine Sache, schließlich wäreeine Voraussetzung, dass man den „richti-gen“ Zeitpunkt kennt, um sagen zu kön-nen, etwas sei „vor der Zeit“. Das Unbeha-gen verstärkt sich, wenn man das Gefühlhat, dass diese „vor der Zeit“ anstehendeErsatzanschaffung weder zufällig noch aufBasis natürlicher Abnutzungs- oder Alte-rungsprozesse eines Gutes erforderlich istund daher bezweckt, beabsichtigt scheint.Absichtlichkeit ist neben der Vorzeitigkeitdas zweite Element des Phänomens der ge-planten Obsoleszenz (Hübner 2013) – undebenso schwer fassbar. Zur Vorzeitigkeit der technisch beding-ten ProduktalterungMit der gesetzlich vorgegebenen Gewähr-leistungsfrist soll dem vorzeitigen Ende derProduktlebensdauer begegnet werden. Als„vorzeitig“ gilt demgemäß, wenn ein Gutinnerhalb von zwei Jahren seine Funkti-onsfähigkeit verliert. Das hat nicht viel miteiner „erwarteten“ Lebensdauer zu tun, diesich je nach Produkt- und Preisgruppestark unterscheidet. Wenn die Naht einesBergschuhs, der selten verwendet wird, beider zehnten Tour platzt, wird es schonschwierig. Hängt dann die Vorzeitigkeitvon der Anzahl, Dauer und Schwierigkeitder Touren ab oder vom Lebensalter desProduktes in Jahren? Andererseits ist es jaso, dass sich kaum jemand darüber aufregt,

Renate Hübner

studierte Wirtschaftspädagogik an der Wirtschafts-universität Wien sowie Lehramt Leibeserziehungund Sportwissenschaften an der Universität Wien.Sie ist Assistenzprofessorin am Institut für Inter-ventionsforschung und Kulturelle Nachhaltigkeitan der der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.2014 Sustainability Award für die beste österrei-chische studentische Initiative (gemeinsam mitAlexander Brenner). Arbeitsschwerpunkte: Projekteund Publikationen zum Umgang mit Gebrauchsgü-tern, „closed loops“ und Redistributionslogistik alsBeitrag zur Ressourcenschonung, Ökologisierungund Nachhaltigkeit von Produkten und Konsum.

E-Mail: [email protected]

Geplante Obsoleszenz zwischen Wunsch und Ärgernis

Im folgenden Artikel wird das Wesen der geplanten Obsoleszenz als sozial-technisches Phänomen herausgearbeitet und die Metapher eines Spielsgewählt. Gelingensbedingungen zur Durchsetzung von geplanter Obsoleszenzsind Spielregeln, das Spiel beenden können Spielverderber. Dadurch wirdnachvollziehbar, dass es sich bei geplanter Obsoleszenz weniger um ein tech-nisches, sondern um ein marktgesellschaftliches Phänomen handelt, das weitüber die ingenieurwissenschaftliche Expertise hinausgeht und für dessen „Erfolg“ verschiedenste gesellschaftliche Faktoren zusammenwirken müssen.

Das Obsoleszenzspiel, Spielregeln und Spielverderber

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Technologie & Politik

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Ersatzanschaffung zwingen (wenn z. B. derPC die neue Software nicht „schafft“, mussein neuer PC gekauft werden). In diesenFällen geht es allerdings nicht um die Le-bensdauer, sondern um die Nutzungsdauervon Gütern, die nun nicht im alleinigenEinflussbereich der Hersteller liegt, sondern(auch) im Ermessensspielraum der Konsu-mentInnen. Konsum- und damit auch Nut-zungsentscheidungen sind von den Präfe-renzen der KonsumentInnen abhängig. Be-absichtigte vorzeitige Obsoleszenz würdedann nur jene vorzeitige Beendigung derNutzungsdauer von Gütern inkludieren,die nicht in Übereinstimmung mit derKonsumentenpräferenz steht und künstlichbeschleunigt ist, wie Wortmann in seinemBüchlein „geplanter Verschleiß als Rechts-problem“ schreibt (Wortmann 1983, 11). Konsumentenpräferenzen – zwischenBedürfnis, Bedarf und NachfrageDie Frage ist allerdings, wie sich „Konsu-mentenpräferenzen“ ändern bzw. ändernsollen und in welcher Form ein ange-schafftes Produkt in der Lage ist, Bedürf-nisse zu befriedigen. Sie sind zwischendem physio-psychischen Konzept derBedürfnisse und dem wirtschaftswissen-schaftlichen Konzept von Bedarf undNachfrage anzusiedeln. Kaum jemandunterscheidet als KonsumentIn diese dreiBegriffe bzw. kennt die sehr unterschiedli-chen zugrundeliegenden Konzepte. VieleAkteure in der Wirtschaft sind Absolven-tInnen wirtschaftlicher Studien und lernenu. a., dass und wie Bedürfnisse geformtwerden können, wie z. B. in Klassikernüber Kauf- bzw. Konsumentenverhaltenerläutert wird. „Bedürfnisformung“ (Kroe-ber-Riel et al. 2009) ist demnach absichts-voll und kann dazu führen, dass Ersatzan-schaffungen vorzeitig getätigt werden, einanderes Wort dafür wäre „Manipulation“.

Das Obsoleszenz-Spiel: Spielregeln und Spielverderber Das Spiel: kürzere Lebensdauer oder kür-zere Nutzungsdauer von ProduktenDer Begriff der „geplanten Obsoleszenz“umfasst somit alle Phänomene, die dieNutzungsdauer eines Produktes beeinflus-sen, wenn diese kürzer ist, als es die techni-sche Materialalterung erlauben würde unddiese Verkürzung durch verschiedene Maß-nahmen der Wirtschaft unterstützt wird,um Ersatzanschaffungen zu fördern. Strate-gien zur Verkürzung der technischen Le-bens-Dauer (wie z. B. Sollbruchstellen,Funktionsblockaden durch Software, Kom-patibilitätshürden) sind dabei nur ein Teil

der realisierten Maßnahmen. Dieser Teilstellt vor allem eine ingenieurwissenschaft-liche Herausforderung dar. Wie Krajewskiam Beispiel der Glühbirnen jüngst akri-bisch herausgearbeitet hat, geht es bei denBemühungen um die Verkürzung der tech-nischen Lebensdauer von Gütern letztlichdarum, technische Fehler zu planen undgezielt einzubauen. Der Autor leitet darausein neues Produktionsparadigma ab (Kra-jewski 2014), wonach die ingenieurwissen-schaftliche Herausforderung darin besteht,nicht die technisch sinnvolle und mögli-che, sondern die ökonomisch optimale Le-bensdauer von Produkten zu planen undumzusetzen. Eingebaute Fehler, soge-nannte „Soll-Bruchstellen“, sind in diesemSinn ein „Optimierungsinstrument“. Es gibt aber auch andere nicht-technischeStrategien, die zur Verkürzung der Nut-zungs-Dauer, zum Austausch von Ge-brauchsgütern führen – selbst wenn diesenoch funktionsfähig sind. Diese Strategienumfassen Werbung, Marketing, Trendset-ting usf. und stellen Herausforderungen fürsoziologische und psychologische Teildis-ziplinen im Rahmen der betriebswirtschaft-lichen Forschung dar und sind offensicht-lich recht erfolgreich, wie die Erhebungenvon Tim Cooper in 800 englischen Haushal-ten zeigen: Demnach funktionieren 30% -60% der weggeworfenen Produkte noch,der Anteil von 60% gilt vor allem für wegge-worfene PCs und Mobiltelefone, aber auch50% der Herde und HiFi-Anlagen funktio-nierten noch (Cooper 2004, 437). Coopernennt dieses Phänomen der Entledigungnoch funktionierender Produkte „relativeObsoleszenz“, die er auf drei Ursachen –drei M’s – zurückführt: Matter (technologie-bedingt), Mind (mode-, interessenbedingt)und Money (neu ist günstiger) – diese dreiFaktoren beeinflussen letztlich wiederumdie KonsumentInnenpräferenzen. Spielregeln – welche Strategien führenzu Vorteilen, werden „prämiert“? KonsumentInnen in unserer Gesellschaft,die im Vergleich zu früheren Epochen vonÜberfluss und Überschuss geprägt ist,haben heute die Wahl zwischen unüber-schaubar vielen – und oft auch immerähnlicheren – Produktalternativen. Außer-dem steigen mit der Angebotsvielfalt einer-seits die (vermeintlichen) Bedürfnisse undandererseits die weitere Differenzierungder Gesellschaft (nach Marken oderCommunities oder „gefällt mir“ geglie-dert). Bedürfnisse sind in mehrerleiHinsicht unendlich (z. B. nicht auf Dauerbefriedigbar, wachsen mit den Möglichkei-

wenn Nylonstrümpfe nach dem zweitenMal Tragen Laufmaschen bekommen. EinGroßteil der Bevölkerung empfindet dasals normal – was meint hier „Vorzeitig-keit“? Ähnlich die Situation, wenn der Mo-tor eines Staubsaugers oder der Akku einesMobiltelefons nach 2 Jahren nicht mehrfunktioniert: Die Gewährleistungsfrist istvorbei, man kann also „nichts mehr ma-chen“, nimmt das als normal hin, empfin-det also oft keine „Vorzeitigkeit“, insbeson-dere dann, wenn die Produkte gefühlsmä-ßig „billig“ oder „günstig“ waren. Je öfterdas erlebt oder beobachtet wird, umso eherneigt man dazu, die Verkürzung der Pro-duktlebensdauer als „normal“ im Sinn vonüblich hinzunehmen. Zur Absichtlichkeit vorzeitiger, tech-nisch bedingter ProduktalterungDas Design eines Produktes ist niemals Zu-fall, immer liegt Planung und demnach Ab-sichtlichkeit vor. Die technische Lebens-dauer von Gütern ist durch die Auswahlvon Werkstoffen, die Verbindung vonKomponenten, den Zusammenbau usf. je-denfalls beeinflussbar, Designentscheidun-gen tragen also immer auch zur Verlänge-rung oder zur Verkürzung der Lebensdauerbei. Die Nicht-Reparierbarkeit aufgrundeingeschweißter oder sonstwie unzugängli-cher Verschleißteile ist daher nie unabsicht-lich. Allerdings ist das Design immer Ergeb-nis der Abwägung verschiedener zu erfül-lender Anforderungen, die nicht nur durchdie Kern-Funktion bestimmt sind und diesich beeinflussen bzw. gar ausschließenkönnen (siehe z. B. Hübner 2012). DieFolge sind Trade-offs, also Kompromisse, danicht alle Anforderungen gleichermaßengut erfüllt werden können. Ein Handy sollE-Mails schreiben und Internet-Surfen,Fernsehen, Fotografieren und Filmen er-möglichen und in die Hosentasche passen,Feuchtigkeit und Bedienungsfehler aushal-ten usf. Das Einschweißen von Teilen wirdvon der Industrie bzw. dem Handel mit die-sen Anforderungen (Funktionsstabilität,Ausschluss von Nutzungsfehlern usf.) be-gründet, ist also absichtlich – aber im Sinndes Nutzers/der Nutzerin, kann argumen-tiert werden. Bergausrüstung soll nicht nurrobust, sondern auch leicht sein, logischdass sie nicht mehr so lange hält, wie frü-her. Noch schwieriger wird es, den Herstel-lern Absichtlichkeit vorzuwerfen, wennProdukte zwar noch funktionsfähig sind,den Nutzer/die Nutzerin aber aufgrund ge-änderter Bedürfnisse nicht mehr befriedi-gen kann oder wenn Innovationen im Be-reich der Komplementärprodukte zu einer

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ten) und sowohl in der Schule als auch imElternhaus hat man selten Gelegenheit, soetwas wie Bedürfniskompetenz zu entwi-ckeln, also drauf zu kommen, was manwirklich braucht und was durch sozialenDruck an Wünschen entsteht, wie das zuunterscheiden ist und ob es wirklichgenügt, einfach ein Produkt zu kaufen, umein Bedürfnis zu befriedigen. Trotzdem(oder eben deshalb?) werden Konsum-entscheidungen häufig nach einfachen„Regeln“ getroffen, die schließlich zu denKonsummustern unserer als „Wegwerf-,Konsum- oder Spaßgesellschaft“ charakte-risierten Kultur führen. Folgende Musterscheinen für unsere von Ökonomie undTechnik dominierte Kultur typisch zu seinund lassen sich fast als „Spielregeln desmodernen Konsums“ formulieren:■ Neu schlägt gut (Nicht das Bessere son-dern das Neue ist „Feind“ des Guten) ■ Einkaufen schlägt reparieren (Shoppingist lustiger als hochrüsten, reparieren lassen)■Haben schlägt nutzen (einen Mercedes zuhaben ist was anderes als einen zu mieten).Spielverderber – wie können wir uns vondiesem Spiel lösen?Das Obsoleszenzspiel kennt kein Ende. Da-mit es endet, braucht es „Spielverderber“.Das sind z. B. Menschen, die sich demKauf- bzw. Konsumzwang generell entzie-hen, also nicht mitspielen. Die Gruppe derSkeptikerInnen geht darüber hinaus, in-dem sie versucht, die Freude am Spiel zustören, indem sie Verdachte mit Beispielenbelegen und damit zeigen, dass Produktenicht so rasch weggeworfen und nicht sorasch neu gekauft werden müssten, wiedies derzeit geschieht. Auch offensives In-formieren, das Bewerten von Produktenund Unternehmen via Internet und ähnli-ches kann die Freude am Obsoleszenz-Spielverderben. Websites, die helfen Fallbei-spiele zu dokumentieren (z. B. www.murks-nein-danke.de), tragen dazu bei, dieGruppe der SkeptikerInnen zu vergrößernund ihre Argumente zu fundieren. BeideGruppen – SkeptikerInnen und Konsum-verweigerInnen – erliegen nicht der Ver-führung sozialer Normalisierung von un-auffälliger und verbreiteter Verkürzung derProduktlebensdauer. Es gibt auch SpielverderberInnen, die ge-wisse Grenzen überschreiten. Zu diesen„Grenzüberschreitern“ sind einerseitsSkeptikerInnen zu zählen, die unsach-lich argumentieren oder unhaltbare Ver-schwörungstheorien entwickeln, undandererseits Unternehmen, die erst un-ter dem Druck einer gerichtlichen Ver-

folgung von Obsoleszenzstrategien ei-nem Urteil entkommen, indem sie kla-genden KonsumentInnen Vergleiche an-bieten, also Versöhnungsangebotemachen (z. B. Apple). Auch Handlungs-Alternativen können„Spielverderber“ sein, wenn sie „mehr“bieten, „cooler“ sind als einfach nur neueProdukte. Es gibt immer mehr Alternativenzum ständigen Neukauf von Produkten,Alternativen, die aus einzelnen Initiativenheraus entstanden, um dem eingangserwähnten diffusen Unbehagen zu begeg-nen. Zu diesen Alternativen gehören alleMaßnahmen, die dazu beitragen, dieLebensdauer von Produkten zu verlängern.Dazu zählen während der Nutzung diesachgerechte Verwendung eines Gutes unddessen Instandhaltung, Schutz vor stören-den Einflüssen usf. Dazu zählt aber auchdie Nutzung von Serviceangeboten, wiejene zur Wiederbefüllung (z. B. Druckerpa-tronen, Getränkeflaschen, Chemikalienge-binde), zur Hochrüstung – und zur Repara-tur. Wodurch können diese Alternativendie Freude am Obsoleszenz-Spiel verder-ben? Am ehesten durch Überraschungen –auch diese befriedigen die dem Menscheneigene unersättliche Neugier, in diesenFällen durch kreative Ideen statt durchkreative Verschleißstrategien. Zu diesenkann man „offene Reparaturwerkstätten“

oder sogenannte Reparatur-Cafes zählen(Schridde 2012, 60f.), in denen man sichgegenseitig beim Reparieren hilft, neueLeute kennenlernt, selbst neue Fähigkeitenentwickelt usf. – also eigentlich ein Fall fürSoziale Technik.

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• Krajewski, M.: Fehler-Planungen. Zur Ge-

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• Schridde, S.: Geplante Obsoleszenz. Gebaut

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• Wortmann, G.: Geplanter Produkt-Ver-

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Christina Schachtner

ist Professorin für Medienwissenschaft am Institut fürMedien- und Kommunikationswissenschaft derAlpen-Adria-Universität Klagenfurt.Forschungsschwerpunkte: Digitale Medien, SozialeBewegungen im Zeitalter des Internet,Subjektkonstruktionen und digitale Kultur, kulturwis-senschaftliche Technik- und Dingforschung. Leiterindes FWF-Projekts „Kommunikative Öffentlichkeit imCyberspace“. 2010 Visiting Fellow am Goldsmiths,University of London, Department of Media andCommunications. 2013 Gastprofessorin an derShanghai International Studies University.

E-Mail: [email protected]

Im Dickicht der Netze Prozesse der Mediatisierung und Digitali-sierung, worunter die rasante Verbreitungaudiovisueller und digitaler Medien sowiedie mediale Durchdringung von immermehr Lebensbereichen zu verstehen ist(Hepp 2010, 67), haben die Pluralisierungpostmodernen Lebens forciert, die sicheindrucksvoll in den Phänomenen Verviel-fältigung und Entgrenzung zeigt.

Zur Vervielfältigung lebensweltlicher RäumeSchon Fernsehen und Film haben unsere Er-fahrungswelt erweitert. Die digitalen Me-dien treiben die Vervielfältigung der Räumeauf die Spitze, weil sie Universalmediensind, offen für Inhalte aller Art. Wir könnensie als Arbeitsräume, Lernräume, Spiel-räume, Flirträume, Informationsräume undKommunikationsräume nutzen. Die Minia-turisierung medialer Technik hat dafür ge-sorgt, dass die Vielzahl der Räume z. B. inForm eines Smartphones in jede Jacken-und Hosentasche passt. Weltweit zeigt sichder Trend, sich in verschiedene virtuelleRäume gleichzeitig einzuloggen. Rita bei-spielsweise, eine amerikanische Internetak-teurin, ist Mitglied in acht Netzwerken undführt zusätzlich einen eigenen Blog. Eine19-jährige deutsche Netzakteurin zeichneteein Bild, das ihre Präsenz auf verschiedenenPlattformen visualisiert (vgl. Abb.).Die Netzakteurin ist über die verschiedenen

digitalen Räume verstreut, aufgeteilt in Puz-zlestücke, die doch lückenlos ineinanderpassen. Die verschiedenen Plattformen er-lauben oder fordern, verschiedene Facettenunseres Selbst zu leben. Was Sherry Turkleüber eine ihrer InterviewpartnerInnenschreibt, trifft auch für diese Netzakteurinzu: „She can keep her parallel lives open aswindows on her screen“ (Turkle 2011, 194).Die nahezu gleichzeitige Präsenz in ver-schiedenen Netzwerken bewirkt, dass sichin unserer Erfahrung die Räume übereinan-der schieben, dass wir mit einem Ineinanderdigitaler Räume konfrontiert sind und da-mit auch mit sich überlagernden Stimuli,Anforderungen, Werten aus verschiedenenWissens- und Lebensbereichen, die nicht anden nationalen Grenzen enden. Wie keinanderes Medium bisher forcieren die digita-len Medien als grenzüberschreitende Me-dien, dass sich Text- und Bilderströme ausverschiedenen Teilen der Welt kreuzen undmit ihnen unterschiedliche Wert- undNormsysteme. Haben die Medien bis in die2. Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein vor al-lem dazu gedient, einen nationalen öffentli-chen Kommunikationsraum zu konstituie-ren (Hepp 2010, 70), so haben sich mit dendigitalen Medien transnationale Tendenzenverstärkt, was zu einer unübersehbaren Er-weiterung an Kommunikationsräumen ge-führt hat, in denen Menschen aus verschie-denen Kulturen aufeinander treffen.Das Internet ist nach William Mitchell alsein gleichzeitig operierender riesiger Com-puter vorzustellen, der uns eine Welt mitei-nander verbundener Räume offeriert, inder wir in sich überlappenden Beziehun-gen kommunizieren, arbeiten, lernen, spie-len (Mitchell 2003, 13f.). Das Ineinandervon Räumen wird noch dadurch gesteigert,dass sich die Architekturen des Cyberspaceauch mit den Architekturen der physikali-schen Welt in komplexer Weise überlagern(Mitchell 1999, 239).Aus der Mischung von digitalen und phy-sikalischen Räumen kommen uns Bilder,Verlockungen, Anforderungen entgegen,von denen wir nicht wissen, ob und wie siezueinander passen. Es handelt sich umüberraschende, unberechenbare Mischun-gen. „You don’t know how the two worldsare going to cross“, schreibt Sherry Turkle(Turkle 2011, 196).

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Pluralisierung unseres Alltags undunseres Lebens im Zeichen von Mediatisierung und Digitalisierung. Erversucht, konkrete Formen der alltäglichen Pluralisierung herauszuarbeiten,wie sie sich im Wechselspiel vor allem mit digitalen Medien ergeben, undkonfrontiert die empirischen Beobachtungen mit den Konzepten Chaos,Ordnung, Heterotopie mit dem Ziel einer theoretischen Einordnung.

Entwicklungstrends im Zuge des Medienumbruchs der Gegenwart1

Leben im Plural

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EntgrenzungenDie beschriebene räumliche Vervielfälti-gung führt nicht nur zur Erweiterung undÜberlagerung von Erfahrungsbereichen,sondern auch zu Entgrenzungen. Ichmöchte auf drei Entgrenzungen eingehen,die das Ineinander von Lebensbereichen in-tensivieren und unseren Alltag, ja unserSelbstverständnis als menschliche Wesennachhaltig verändern: die Entgrenzung zwi-schen Öffentlichkeit und Privatheit, zwi-schen Arbeits- und Freizeit, zwischen dermenschlichen und der technischen Welt. Entgrenzung zwischen Öffentlichkeitund PrivatheitEs war Jürgen Habermas, der die Trennungzwischen Öffentlichkeit und Privatheit alskonstitutives Element der bürgerlichen Ge-sellschaft propagierte (Habermas 1990,268). In der von der Öffentlichkeit abge-trennten und dem staatlichen Zugriff ent-zogenen Privatsphäre sah Habermas dieChance für die Entwicklung individuellerAutonomie (Jurczyk, Oechsle 2008, 9).Die Medien haben einen entscheidendenAnteil daran, dass sich die Grenzen zwi-schen privat und öffentlich verflüssigen.Im Fernsehen mehren sich die Formate,die zur Veröffentlichung von Intimitätdrängen. Fragen des privaten Lebens wiePartnerschaft, Sexualität, Liebe werdenzum Gegenstand medialer Inszenierungenund öffentlicher Debatten (Jurczyk,Oechsle 2008, 8). Die digitalen Plattformenwie Facebook, YouTube, MySpace forderndazu auf, das Private in Form von Selbst-portraits, Fotogalerien, Videos für alle Weltsichtbar zu machen. Die mediale Technikermöglicht und drängt zur Entgrenzung;die Subjekte sind häufig verunsichert, was

sie zeigen und was sie nicht zeigen sollen.Eine 19-jährige Netzakteurin aus unsererUntersuchung fragt besorgt mit Blick aufihre Netzaktivitäten mit 15: „Ob ich das ei-gentlich hätte preisgeben sollen? Es machtmir ein bisschen Angst.“ Entgrenzung zwischen Arbeits- und FreizeitSie kennen es vielleicht aus dem eigenenAlltag: das Öffnen der Mailbox nach demAbendessen, dringende Anfragen, die manbesser gleich beantwortet, oft kommt inMinutenschnelle eine Antwort, dann gehtes weiter, eine E-Mail jagt die nächste, undwieder ist es Mitternacht geworden. Flexi-ble Arbeitszeiten in Verbindung mit einerzunehmenden Ortsungebundenheit derArbeit, ermöglicht durch die digitale Ver-netzung, bewirken, dass die Grenzen zwi-schen Arbeits- und Freizeit in Bewegunggeraten. Die Entwicklung der Erwerbsarbeitentfernt sich von den Merkmalen der for-distisch-tayloristischen Normalarbeit, dieinvariable zeitliche Grenzen zwischen Er-werbsarbeit und anderen Lebensbereichensowie eine Bindung von Arbeit an den Be-trieb und damit eine räumliche Trennungzwischen Produktion und Reproduktionvorsieht (Von Streit 2011, 24). Es mehrensich die Berufsfelder, in denen sich dieGrenzen zwischen Erwerbsarbeit und Frei-zeit verflüssigen (Carstensen et al. 2014).Mit dieser Verflüssigung sind die Men-schen in ihren Wohnzimmern, in Cafés, inFlugzeugen und Zügen oder im Urlaubkonfrontiert. Entgrenzungen zwischen Mensch undMaschine Vor etwa einem Jahr hat ein Forschungs-team2 der Alpen-Adria-Universität Klagen-furt im Happylab Wien einen Workshopmit Kindern wissenschaftlich begleitet. DasHappylab ist ein FabLab, d. h. eineHightech Werkstatt, in der man mit Hilfedigitaler Technik einzelne Gegenständenach Wunsch herstellen kann.Als die Leiterin des Workshops die Funkti-onsweise eines CNC-Cutters erklärt, unter-bricht ein 9-Jähriger „Also, ist der Compu-ter der Chef!?“ Mehrmals sind Fragen die-ser Art zu hören. Eine 13-Jährige will wis-sen „Kann ich eine Person scannen?“ Einweiterer 9-Jähriger fragt: „Kann ich michverdoppeln?“ und spekuliert: „Wenn ichzwei ausdrucke, kann einer für mich in dieSchule gehen.“ Die Kinder erfassen intui-tiv eine Frage, die angesichts der techni-schen Neuerungen immer brisanter wird:„Was ist der Status des Menschen im Ver-hältnis zur Maschine? Wer führt Regie?“

Die digitale Technik hat die Grenze zwi-schen Mensch und Maschine mehr alsjede andere Technik zuvor auf den Prüf-stand gestellt. Wir interagieren mit dieserTechnik auf einer sprachlich-geistigenEbene, wir reden quasi mit ihr, wenn wirunsere Befehle eintippen, und sie reagiert,oft überraschend, wie ein menschlichesWesen. Die Interaktion mit der digitalenTechnik führt uns in eine hybride Weltverschwimmender Grenzen zwischenMensch und Technik.

Ein theoretischer Klärungsversuch im Kontext von Chaos, Ordnung und Heterotopie „Der Computer ist das Fahrzeug für unsereReise in das Chaos“, stellt der Philosophund Medienwissenschaftler Norbert Bolzfest (Bolz 1994, 16). Das im Zusammenspielzwischen technischer Infrastruktur undmenschlicher Interaktion entstehende un-übersichtliche Ineinander und Übereinan-der von virtuellen und physikalischen Le-bensräumen erinnert an das, was als Chaosbezeichnet wird. Die Etymologie des Be-griffs ist wesentlich von Plato und Ovid ge-prägt, die Chaos als „verworrene Urmasse“fassen. In der aktuellen wissenschaftlichenAuseinandersetzung mit Chaos einschließ-lich der Chaostheorie überwiegt dagegendie Annahme, dass dem Chaos zwar etwasNichtlineares und Unvorhersagbares anhaf-tet, dass es aber dennoch nicht ohne Ord-nung ist. Vielmehr berge das Chaos Ord-nungsmuster, so Norbert Bolz, die wir alssolche nur oft nicht erkennen. Das könntedann der Fall sein, wenn unsere Ordnungs-codes nicht mehr passen, wenn wir durchdie Brille tradierter Ordnungscodes nichtsehen, was wir erwarten.Mediatisierung und Digitalisierung be-zeichnen einen der Prozesse, die die Ord-nungscodes postmoderner Lebensweltenverändern. Mehr noch: Sie fördern die Ent-wicklung eines neuen Ordnungsmusters,das längst in aller Munde ist und dennochals neue Ordnungsform vor allem in ihrenKonsequenzen und Anforderungen nochnicht wirklich bewusst ist: das Netz. DasNetz ist eine der ältesten Ordnungsformen;nach Gottfried Semper, dem Erbauer derSemper Oper in Dresden, sind Flechtwerkein Form von Matten, Teppichen, Deckenfrühe Mittel der Umfriedung und Eintei-lung von Räumen (Semper 1851, 56). Digi-tale Netzwerke repräsentieren eine Ord-nung, die verbindet, eine Ordnung derWechselwirkungen, die sie unberechenbarmacht und die das Chaos als Möglichkeit

Abb.: Auf verschiedenen digitalenNetzwerken präsent

(Netzakteurin, 19 Jahre)

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integriert. Digitale Netzwerke verändernsich permanent, weil sowohl die techni-sche Infrastruktur als auch die interaktivenAkte der NetzakteurInnen, die zusammen-wirkend die digitalen Netzwerke knüpfen,für ununterbrochene Dynamik sorgen.Um das Wesen der digitalen Netzwerke, indenen sich Ordnung und Chaos mischen,noch präziser zu fassen, greife ich auf einKonzept zurück, das Michel Foucault vor-gelegt hat: das Konzept der Heterotopien.Foucault hatte bei der Entwicklung diesesKonzepts noch nicht die digitalen Netz-werke im Blick; als Heterotopien galtenihm psychiatrische Kliniken, Bordelle,Friedhöfe, Bibliotheken, Gärten, Orte, dienach seiner Meinung als wirksame Orte ineine Gesellschaft hineingezeichnet sindund als Gegenplatzierungen und Widerla-ger wirken (Foucault 1992, 39). Es sindOrte, an denen die in einer Gesellschaftschon existierenden Orte repräsentiertsind, aber auch bestritten und gewendetwerden; Orte, an denen vertraute Regelnund Werte reproduziert, verworfen undneue entwickelt werden. Für Foucault sindHeterotopien die „andere(n) Räume“, dasAndere zur Gesellschaft. Digitale Netzwerke lassen sich in das Spek-trum der Heterotopien einreihen (Schacht-ner, Duller 2014, 95ff.). Sie verkörpern Be-kanntes, z. B. Werte wie Zeiteffizienz,Zweckorientierung, sie fordern Selbstdis-ziplinierung und Selbstorganisation, erlau-ben aber auch Neues, Unbekanntes, Kriti-sches, der Möglichkeit nach Vorhandenes.Sie durchkreuzen das in unserer Kultur vor-herrschende dualistische Denken, das zwi-schen Virtualität und Realität strikt trennt,fördern mixed realities, inspirieren die Bil-dung neuer Identitäten. Das möglicheNeue entspringt dem, was wir als chaoti-sche Dimension der Netze wahrnehmen:dem In- und Übereinander der Kommuni-kations- und Handlungsräume, der Verflüs-sigung von Grenzen, den neuen Verbin-dungen und Kombinationen.

Fazit„Wir müssen die (digitalen) Medien alsSpielraum unserer Existenz begreifen“, for-dert Norbert Bolz (Bolz 1994, 16). DieserSpielraum ist gegenwärtig von Prozessendurchzogen, die im Vorangegangenen alsVervielfältigung und Verflechtung vonKommunikations- und Handlungsräumen,als Entgrenzungen und mixed realities be-schrieben wurden. Das von Foucault vor-gelegte Konzept der Heterotopien lässt unsdie neuen Hybridräume, in denen sich vir-

tuelle und physikalische Strukturen mi-schen, als das Andere zur herrschendenKultur erkennen, das uns als verwirrendesChaos erscheinen kann, aber auch vonneuen Ordnungscodes und innovativenChancen kündet, die gleichwohl nichtohne Risiken sind.

Anmerkungen1 Der vorliegende Beitrag ist eine stark ge-kürzte und veränderte Fassung des Artikels„Im Gespinst der Netze“, der im Medien-Journal 4/2013 erschienen ist.2 Forschungsteam: Nicole Duller, ChristinaSchachtner, Katja Koren Osljak und Hei-drun Stückler.

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Schachtner, H. Schelhowe, R. Beer ( Hg.): Digi-

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• Semper, G.: Die vier Elemente der Baukunst.

Braunschweig: Vieweg 1851.

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More from Technology and Less from Each

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• Von Streit, A.: Entgrenzter Alltag – Arbeiten

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zeitlichen Organisationsstrategien von Wis-

sensarbeitern. Bielefeld: transcript 2011. ■ Bezah

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die dort ausgeprägten lokalen Dynami-ken im Bereich der nachhaltigen Stadt-entwicklung (Stichwort Green City) alsauch hinsichtlich der vielfältigen Ver-netzungsmöglichkeiten mit außeruni-versitären Einrichtungen der Nachhal-tigkeitsforschung und ‑politik (z. B.Öko-Institut, ICLEI European Secretaria-te). Im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz gelegen, bestehenzudem hervorragende Möglichkeiten füreine internationale Kooperation, insbe-sondere mit den Universitäten Basel undStraßburg, die u. a. im EUCOR-Verbundverwirklicht werden.Organisatorisch zeichnet sich das Insti-tut durch eine flache, dezentrale Strukturaus. Es umfasst elf Professuren mit ver-schiedenen v. a. wald- und umweltbezo-genen Schwerpunkten in den disziplinä-ren Feldern der Geographie, Politik-wissenschaft, Ökonomie und Geschich-te. In Forschung und Lehre sind derzeitca. 80 wissenschaftliche Mitarbeiter/in-nen beschäftigt, davon rund die HälftePromovend/inn/en. Eine organisatori-sche und inhaltliche Verknüpfung mitden anderen beiden Instituten (Forstwis-senschaften sowie Geo- und Umweltna-turwissenschaften) wird durch die Mög-lichkeit unterstützt, dass Professuren perKooptation gleichzeitig an zwei Institu-ten angesiedelt sein können.

Tim Freytag

ist Professor für Humangeographie an der Universi-tät Freiburg. Nach einem Studium der Geographie,Geschichte und Romanistik war er als wissenschaft-licher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg undals Professor für Kulturgeographie an der Universi-tät zu Kiel tätig. Sein Forschungsinteresse richtetsich u. a. auf die soziale und kulturelle Dimensionaktueller Transformationsprozesse in europäischenStadt- und Metropolräumen. Weiters ist er im Be-reich der Tourismus- und Mobilitätsforschung aktiv.

E-Mail: [email protected]

Michael Pregernig

vertritt die Professur für Environmental Govern-ance an der Universität Freiburg. Nach Studien derUmweltökonomie und der Forstwissenschaften ha-bilitierte er sich an der Universität für BodenkulturWien für das Fach Umwelt- und Ressourcenpolitik.In Forschung und Lehre beschäftigt er sich u. a.mit umweltpolitischen Steuerungsfragen und mitFragen zur Rolle von Wissenschaft und Expertise inder Umwelt- und Ressourcenpolitik.

E-Mail: [email protected]

Roderich von Detten

vertritt die Professur für Forstökonomie und Forst-planung an der Universität Freiburg. Nach demStudium der Forstwissenschaften und der Promoti-on an der Universität Freiburg war er u. a. als wis-senschaftlicher Mitarbeiter an der Forstlichen Ver-suchs- und Forschungsanstalt Baden-Württembergtätig. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich u. a. mit den Themen Nachhaltigkeit und Strategi-sches Management, organisatorischer Umgangmit Unsicherheit, Komplexität und Nicht-Wissensowie Fragen zur forstlichen Ideengeschichte.

E-Mail: [email protected]

Institut für Umweltsozialwissenschaftenund Geographie / Fakultät für Umweltund Natürliche RessourcenAlbert-Ludwigs-Universität FreiburgTennenbacher Str. 479106 FreiburgWeb: www.unr.uni-freiburg.de

An der Universität Freiburg setzt sichdas Institut für Umweltsozialwissen-schaften und Geographie disziplinoffenmit Fragen der Nachhaltigkeit und dergesellschaftlichen Transformation aus-einander. Ein besonderes Augenmerkgilt dabei der institutionellen Vernet-zung und Kooperation sowie der Ent-wicklung innovativer Lehrformate.

InstitutsprofilDas Institut für Umweltsozialwissenschaf-ten und Geographie wurde 2013 in Zusam-menhang mit einer universitätsweitenRestrukturierung von Forschung undLehre im Bereich der Forst-, Geo- undUmweltwissenschaften und der darausfolgenden Gründung der Fakultät fürUmwelt und Natürliche Ressourcen einge-richtet. Als eines von drei Instituten dieserstark interdisziplinär ausgerichteten Fakul-tät widmet sich das Institut im weitestenSinne der Analyse der komplexen Bezie-hungen zwischen Mensch, Gesellschaftund Umwelt, insbesondere unter demAspekt des globalen Wandels.Über die Auseinandersetzung mit Fragender Nachhaltigkeit und gesellschaftli-chen Transformation ist das Institutnicht nur international und national,sondern auch auf regionaler und lokalerEbene gut vernetzt: Es ist Teil einer mo-dernen Volluniversität, die sich der Inte-gration verschiedener Disziplinen undder Reflexion gesellschaftlicher undtechnologischer Entwicklungen ver-schrieben hat. Besondere Vorteile bietetder Standort Freiburg im Hinblick auf

Institut für Umweltsozialwissen-schaften und Geographie

Disziplinoffene Perspektiven für Forschung und Lehre

Die elf Professuren des Instituts

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ner tief greifenden sozial-ökologischenTransformation geteilt, die sich in globa-len Umweltproblemen, der Erosion tradi-tioneller Institutionen, gesellschaftli-chen Konflikten und der Ablösungetablierter Deutungsmodelle, Legitimati-ons- und Handlungsmuster zeigt. Ziel istes, Orientierungen und Modelle für dieGestaltung des globalen Wandels ent-sprechend dem Leitbild der nachhaltigenEntwicklung zu erarbeiten, wobei denProblemen von Nicht-Wissen, Komplexi-tät, Risiko und begrenzter Steuerungsfä-higkeit ein besonderes Augenmerk gilt. ■ Dabei werden – drittens – Transformati-onsprozesse stets in spezifischen akteurs-und raumbezogenen Kontexten betrach-tet. Sowohl Akteurskonstellationen alsauch räumliche Bezüge vermögen mit ih-ren spezifischen Konfigurationen und Dy-namiken als strukturierender, ermögli-chender oder aber entwicklungshemmen-der Rahmen zu wirken. Unter den Bedin-gungen des globalen Wandels, in dessenFolge sich traditionelle räumliche Bezüge(d. h. getrennt voneinander wahrgenom-mene lokale, regionale, nationale und in-ternationale Skalen) lockern und neu ord-nen, zeigen sich dynamische Verflechtun-gen der verschiedenen geographischenMaßstabsebenen. Dies stellt in theore-tisch-konzeptioneller Hinsicht wie auchfür empirische Arbeiten eine besondereHerausforderung für die Analyse des Zu-sammenwirkens von Strukturen, Prozes-sen und Akteuren im Rahmen komplexerTransformationsprozesse dar.■ Vor diesem Hintergrund bewegen sich– viertens – die Zielrichtungen der For-schungsarbeit im Freiburger Institut fürUmweltsozialwissenschaften und Geo-graphie in einem weiten Rahmen zwi-schen einer kritischen Analyse und De-konstruktion von Prozessen, Hand-lungsmustern oder zentralen Begriffenund Konzepten (wie z. B. nachhaltigeEntwicklung, ökologische Modernisie-rung, Bioökonomie, Green Economyetc.) und der Entwicklung von problem-lösungsorientierten gesellschaftlichenHandlungsansätzen oder instrumentel-len Beiträgen zu Konfliktregelung oderProzessgestaltung (z. B. in der Politikbe-ratung oder bei der transdisziplinärenGestaltung partizipativer Ansätze).

Ausgewählte Forschungs-schwerpunkteEntlang der oben vorgestellten For-schungsperspektiven wird ein facetten-

Angebote in der LehreDie universitäre Lehre ist für die gesamteFakultät ein zentrales Integrations- undIdentifikationselement. Daher wird mitentsprechendem Nachdruck – unddurchaus auch Erfolg – an der Entwick-lung und Umsetzung innovativer Lehr-formate gearbeitet.Die Mitglieder des Instituts sind an nahezuallen der vier Bachelor- und acht Master-Studiengänge der Fakultät beteiligt. DerGroßteil der Studiengänge der Fakultät istmultidisziplinär angelegt, weist jedocheinen eher naturwissenschaftlich-techni-schen Schwerpunkt auf. Nur die Masterstu-diengänge Environmental Governanceund Geographie des Globalen Wandelszeichnen sich durch ein prononciert sozi-alwissenschaftliches Profil aus.Englischsprachige Lehre hat an der Fa-kultät eine lange Tradition, und heuteumfasst das Angebot drei Masterpro-gramme auf Englisch und zwei bilingu-al, d. h. mit Profillinien, die wahlweisedeutsch, englisch oder kombiniert stu-diert werden können. Dementspre-chend hoch ist der Anteil internationa-ler Studierender.Ein weiteres Spezifikum in der Lehre ist,dass v. a. im Masterbereich Kurse im Rah-men eines 3-Wochen-Blocksystems ausge-staltet werden. Dieses kompakte Lehrfor-mat erleichtert team teaching, eine engeVerzahnung unterschiedlicher didakti-scher Elemente sowie die Umsetzung vonPrinzipien des problembasierten Lernens.Für die Idee anwendungsbezogener Lehresteht auch das in zwei internationalenStudiengängen verankerte innovativeLehrformat des Student Organized Event(siehe Kasten).

Hinsichtlich des Qualifikationsprofils derAbsolventinnen und Absolventen versu-chen die Studiengänge der Fakultät eineBalance zu halten zwischen praktischer Be-rufsfeldorientierung auf der einen und kri-tischer Reflexion auf der anderen Seite. Ge-rade in diesem Zusammenhang fällt den(Umwelt‑)Sozialwissenschaften eine wich-tige Rolle zu.Die Graduiertenausbildung an der Fakultätund im Institut ist dem Prinzip der struktu-rierten Promotion verschrieben. In derGraduate School Environment, Societyand Global Change werden in sechs pro-blemorientierten Forschungsfeldern me-thodisch-theoretisches Fachwissen, berufs-feldorientierte Kompetenzen sowie inter-und transdisziplinäre Zugänge vermitteltund erprobt.

ForschungsperspektivenIm Zentrum der Forschungsinteressen derFakultät für Umwelt und Natürliche Res-sourcen stehen vier große Forschungsfelder: 1) nachhaltige Nutzung natürlicher Res-sourcen, 2) Schutz der Lebensgrundlagen, 3) Anpassung an den globalen Wandel sowie 4) Naturgefahren und Naturrisiken. Sie stellen als Querschnittsthemen eineVerbindung zwischen den drei Institutender Fakultät her. Forschungsvorhaben amInstitut für Umweltsozialwissenschaftenund Geographie beziehen sich dabei unteranderem auf gesellschaftliche Problemla-gen, Konflikte und Zukunftsherausforde-rungen. Das Institut verfolgt einen diszip-linoffenen Zugang, d. h. Themen werdenzwar häufig interdisziplinär bearbeitet,ohne dass jedoch die einzelnen For-schungsgruppen konzeptionell und me-thodisch ihre disziplinären Wurzeln ausdem Blick verlieren. Vier Forschungsper-spektiven sind für die Forschung am Insti-tut leitend:■ Aktuelle Umweltprobleme werden – ers-tens – als Ergebnisse der Koevolution na-türlicher und (global‑)gesellschaftlicherSysteme und also als sozial-ökologischeProbleme verstanden. Damit richtet sichder Blick auf die zunehmende Komplexitätund Dynamik in den Wechselbeziehungenzwischen Mensch und Umwelt, auf sozio-kulturelle, ökonomische, rechtliche, politi-sche oder wissenschaftlich-technischeHandlungsmuster, Strukturen und Leitvor-stellungen sowie deren Rückkopplungenmit der natürlichen Umwelt.■ Dabei wird – zweitens – der Befund ei-

Student Organized Event

Im Rahmen des Student OrganizedEvent arbeiten die Studierenden überdrei Semester hinweg weitgehend ei-genverantwortlich an der Vorberei-tung und Durchführung einer öffent-lichen Veranstaltung. Das Spektrumder bislang umgesetzten Formate istbreit und reicht von klassischen Kon-ferenzen und Workshops über partizi-pative Ansätze wie die Ausarbeitungeines kommunalen Nachhaltigkeits-konzepts bis zur Annäherung vonKunst und Wissenschaft z. B. in Formder Mural Co-Creation oder desScientific Theatre.

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Gastredaktion

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reiches Spektrum an teils längerfristigen,teils aber auch nur kurzfristigen For-schungsvorhaben bearbeitet. Die hiervorgestellten Forschungsschwerpunktebesitzen vorwiegend exemplarischenund veranschaulichenden Charakter:■ Analysen von Transformationsprozes-sen in einem urbanen Kontext nehmenu. a. die Mobilität von Akteuren, Ideenund Materialitäten in den Blick. EineStadt oder ein Stadtquartier ist in diesemSinne kein geschlossenes System, son-dern durch Austauschbeziehungen ge-kennzeichnet, welche z. B. die FelderÖkonomie, Politik, Gesellschaft und Kul-tur betreffen. Aushandlungs- und Gestal-tungsprozesse unter Beteiligung von Ak-teuren aus unterschiedlichen Bereichenlassen sich u. a. mit Hilfe des Konzeptsder (multi-skalaren) Governance fassen.Dies gilt nicht nur für urbane Kontexte,sondern in ähnlicher Weise auch für sub-urbane oder ländliche Räume sowie fürweitergefasste territoriale Zusammen-hänge wie z. B. die Trinationale Metro-polregion Oberrhein, welche die benach-barten Grenzgebiete Deutschlands,Frankreichs und der Schweiz umfasst.■ Die wissenschaftliche Auseinanderset-zung mit Transformationsprozessen vonStädten und Regionen kann zum eineneher instrumentellen Zielen folgen. Esgeht dann z. B. darum, Innovationen zuentwickeln oder Lösungen für einenachhaltige Entwicklung und den Kli-maschutz gegenüber Planung, Politikund Zivilgesellschaft zu präsentierenund voranzutreiben. Zum anderen kannein wichtiger Beitrag der Wissenschaftaber auch darin bestehen, die vor Ort zubeobachtenden Praktiken und Diskursekritisch zu hinterfragen. In diesem Zu-sammenhang lässt sich z. B. aufzeigen,wie der Begriff der nachhaltigen Ent-wicklung dafür eingesetzt wird, be-stimmte ökonomische, politische odergesellschaftliche Interessen zu verfolgenbzw. zu legitimieren, ohne dass diesetatsächlich mit den im Konzept dernachhaltigen Entwicklung verankertenZielen konform sein und zu deren Ver-wirklichung beitragen müssen.■ Forschung am Institut nähert sich Um-weltfragen auch aus einer macht- undkonflikttheoretischen Perspektive. Res-sourcenkonflikte werden oft zu dengrößten Sicherheitsrisiken des 21. Jahr-hunderts gezählt. Auf Ansätze der politi-schen Ökologie und verschiedeneMachtkonzepte aufbauende Forschungs-

arbeiten (v. a. in Lateinamerika, Süd-und Westafrika) leuchten sowohl dieThese aus, dass RessourcenknappheitMarginalisierung und Verwundbarkeiterhöht und damit letztendlich zu Kon-flikten führt, wie auch die spiegelbildli-che These, dass gerade die reichliche Ver-fügbarkeit von Ressourcen (z. B. Öl,Diamanten oder Koka) Konflikte anheiztund „Neue Kriege“ provoziert, welchetraditionelle, an ideologischen Differen-zen ausgelöste Konflikte ablösen. Ergänztwerden diese Studien durch umwelthis-torische Forschungen, welche historischeund rezente Dynamiken gesellschaftli-cher Nutzungsinteressen und ‑konflikte(v. a. in den Sektoren Land- und Forst-wirtschaft sowie Bergbau und Energie)

abzubilden und zu erklären versuchen.■ Vor dem Hintergrund der oben be-schriebenen umweltpolitischen Konflikt-und Problemlagen widmen sich v. a. aufdiskurs- und praxistheoretische Ansätzesowie verschiedene Governance-Theo-rien aufbauende Forschungen der Fragenach neuen Steuerungsherausforderun-gen, die sich meist im Schnittfeld vonStaat, Markt und Zivilgesellschaft erge-ben. In Projekten zu nationalen und in-ternationalen Regimen in der Wald- undBiodiversitätspolitik werden die Ursa-chen für den hohen Grad an Politikfrag-mentierung analysiert und Instrumentezur erhöhten Umweltpolitikintegrationbewertet. Studien in der Klima- und Was-serpolitik setzen sich kritisch mit Fragen

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Gastredaktion

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der Effektivität und Legitimität neuerGovernance-Arrangements auseinander,wobei insbesondere solche Initiativenund Instrumente in den Blick genom-men werden, die partizipativ-deliberati-ve Ansätze verfolgen oder evidenz-ba-sierte Formen politischer Steuerungversprechen.■ Schließlich stehen auch Organisatio-nen, als die zentralen Adressaten vonNachhaltigkeitsstrategien bzw. maßgeb-liche Einheiten nachhaltigen Wirtschaf-tens, im Fokus der Forschung. Von Inte-resse ist in diesem Zusammenhang, wiesich organisatorisches Handeln und Ent-scheiden (z. B. in privaten und öffentli-chen Unternehmen oder Verwaltungen)vor dem Hintergrund eines tiefgreifen-den und raschen Wandels der Umwelt(z. B. Klimawandel) unter den Bedingun-gen von Unsicherheit und Risiko gestal-tet und welche spezifischen Wahrneh-mungs-, Kommunikations- und Hand-lungsweisen sich bei der langfristigenBewirtschaftung von Ökosystemen alsReaktion auf die Entwertung von etab-lierten Handlungsmustern oder Wissens-

beständen herausbilden. Unter demBlickwinkel verhaltenswissenschaftli-cher und organisationssoziologischer so-wie neoinstitutionalistischer Ansätzewird dabei der grundsätzlichen Fragenachgegangen, ob und wie organisatori-sche Eigenlogiken und übergeordneteNachhaltigkeitsstrategien bzw. -ziele inEinklang gebracht werden und welcheRolle Resilienz- und Adaptationskonzep-te dabei spielen können, langfristigeSteuerungsziele trotz der Probleme vonKomplexität, Risiken und fehlendemWissen zu verfolgen.

Fazit und AusblickFragen der nachhaltigen Nutzung natür-licher Ressourcen und Probleme der Ge-staltung des globalen Wandels und derdamit verbundenen gesellschaftlichenTransformation werden in Wirtschaft,Politik und Zivilgesellschaft mit großemInteresse aufgegriffen. In unterschiedli-chen raumbezogenen Kontexten werdendabei bestimmte Erwartungen, aber auchweitreichende Befürchtungen gegenüberkünftigen Entwicklungen geäußert. Wis-

senschaft trägt damit eine besondere ge-sellschaftliche Verantwortung, ihren Bei-trag zum Verständnis und zur Gestaltungeiner sich in raschem und tiefgreifendemWandel befindlichen Welt zu leisten.Um die problemorientierte Auseinander-setzung mit Nachhaltigkeit und gesell-schaftlicher Transformation in For-schung und Lehre zu befördern, ist dieintensive Vernetzung zwischen universi-tären und außeruniversitären Akteurenund Einrichtungen unverzichtbar – in-nerhalb des regionalen Umfelds und da-rüber hinaus. Das Freiburger Institut fürUmweltsozialwissenschaften und Geo-graphie zielt künftig deshalb darauf ab,seine disziplinäre Vielfalt, sein breitesSpektrum an konzeptionellen und theo-retischen Ansätzen sowie seine Zugängezu ganz verschiedenen thematischenKontexten gerade im Rahmen von Ko-operationen zu nutzen. Damit soll zurEntwicklung und Gestaltung von überge-ordneten strukturbildenden Prozessenund disziplinübergreifenden Diskursenin Wissenschaft und Öffentlichkeit bei-getragen werden. ■

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Umwelt & Energie

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Das Projekt „Build to satisfy“ wurde vomKlima- und Energiefonds gefördert undim Rahmen der Programmlinie „Hausder Zukunft plus“ durchgeführt. Das Pro-jekt wurde vom IFZ koordiniert und ge-meinsam mit dem Institut für Technik-folgenabschätzung der ÖsterreichischenAkademie der Wissenschaften als Pro-jektpartner und der ENERGYbase inWien, der Energie Steiermark in Grazund der Pilger Facility ManagementGmbH als Praxispartner durchgeführt. Beschäftigte in Dienstleistungsgebäudenbeeinflussen auf unterschiedliche Weiseden Gebäudebetrieb. Das subjektive Emp-finden und das daraus resultierende Ver-halten von NutzerInnen hängt dabei nichtnur von „objektiven“ Komfortparametern(Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Zugluft etc.)

ab, sondern ist in nicht unbeträchtlichemAusmaß auch ein Ergebnis sozialer Fakto-ren. Beispiele für solche Faktoren sind: ■ Persönliche Beeinflussbarkeit des Ge-bäudebetriebs, d. h., ist zumindest einegewisse Autonomie von NutzerInnen beieinzelnen Betriebsparametern möglich? ■ Beteiligung bei Entscheidungsprozessen,d. h., wieweit werden NutzerInnen beiEntscheidungen eingebunden und habensie das Gefühl, dass ihre Wünsche oder Be-schwerden ernst genommen werden? ■ Das (Vor-)Wissen und die Einstellun-gen der GebäudenutzerInnen bezüglichder Energieperformance von Niedrigst-und Plusenergiebauweisen.

Methodische VorgehensweiseDas Projekt baute auf vier Elementen auf: ■ Im Rahmen von zwei Fallstudien wurdemittels qualitativen Interviews in zweiexemplarischen Gebäuden (Headquarterder Energie Steiermark in Graz und ENER-GYbase in Wien) ein dichtes Bild von Ver-haltensweisen von diversen NutzerInnenund deren Auswirkung auf den Gebäude-betrieb gezeichnet. Erfasst wurden Ein-flussfaktoren auf mehreren Ebenen, diedieses Verhalten und die Zufriedenheitder NutzerInnen beeinflussen.■ Durch eine standardisierte Online-Befra-gung in mehreren Niedrig- bzw. Plusener-giegebäuden in Österreich wurden Erfah-

Jürgen Suschek-Berger

studierte Philosophie und Soziologie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Seit 1989 wissen-schaftlicher Mitarbeiter des IFZ, seit 2004 Leiterdes Forschungsbereiches „Energie und Klima“, seit2007 stellvertretender Leiter des IFZ. Arbeits-schwerpunkte: Partizipative Technikforschung,sozialwissenschaftliche Begleitung ökologischer,technischer und sozialer Innovationen.

E-Mail: [email protected]

Das Projekt „Build to satisfy“ hatte zum Ziel, Auswirkungen des NutzerIn-nenverhaltens auf die energetische Performance von Dienstleistungsgebäu-den in Niedrigst- und Plusenergiebauweise zu erforschen. Die im Projekterarbeiteten Handlungsempfehlungen unterstützen Facility-ManagerInnenvon Dienstleistungsgebäuden in ihrer täglichen Arbeit und ihrem Umgangmit NutzerInnen.

Zufriedenheit von NutzerInnen in Niedrigst- und Plusenergiegebäuden

Build to satisfy

Magdalena Wicher

ist Absolventin der Psychologie an der Karl-Fran-zens-Universität Graz und Mitglied der am IFZ an-gebundenen AG Queer STS. Ihre Forschungsinte-ressen liegen in der Umweltpsychologie und inFragen zu Geschlecht in der Technikbildung.

E-Mail: [email protected]

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Umwelt & Energie

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rungen, Probleme und Wünsche der Nut-zerInnen mit anderen derartigen Gebäu-den in Österreich erhoben. ■ Mit einer agentenbasierten sozialen Si-mulation wurde der Einfluss von Einstel-lungen, Wissen, Entscheidungsstrukturenund die gegenseitige Beeinflussung vonNutzerInnen auf das resultierende kollek-tive Verhalten und seine Auswirkung aufden Gebäudebetrieb modelliert (diese Si-mulation wird aus Platzgründen in die-sem Artikel nicht genauer dargestellt).■ ExpertInnenworkshops mit FacilityManagerInnen und GebäudebetreiberIn-nen rundeten das Projekt ab.

ENERGYbaseDas Gebäude der ENERGYbase in Wienwurde zwischen 2007 und 2008 im Auftragder Wiener Wirtschaftsagentur errichtet.Als „Green Building“ von der Europäi-schen Kommission zertifiziert, verfügt dieENERGYbase über Passivhausstandard. Inder ENERGYbase wurden neun NutzerIn-nen interviewt, vier Frauen und fünf Män-ner. Die InterviewpartnerInnen waren indiesem Zeitraum MitarbeiterInnen unter-schiedlicher Einrichtungen, die in dieENERGYbase eingemietet sind.Die schriftliche Befragung erfolgte in derENERGYbase hauptsächlich online. Zusätz-lich wurden noch Papier-Bleistift-Versio-nen des Fragebogens vor Ort verteilt. Esnahmen insgesamt 23 Personen an derquantitativen Umfrage teil.Prinzipiell geht aus den qualitativen Inter-views und der schriftlichen Befragung inder ENERGYbase hervor, dass das Gebäudesehr gut funktioniert, die MieterInnen sichim Gebäude wohlfühlen und auch mit denvorhandenen Technologien zufrieden sind.Das Gebäude wird als Vorzeigegebäudewahrgenommen und auch stolz präsentiert.Die Informationspolitik zur Nutzung desGebäudes und der Technologien dürfte imGroßen und Ganzen zufriedenstellend sein.Sehr viel hat dies allerdings mit der Persondes Facilitymanagers zu tun, der das Ge-bäude betreut und die Wünsche der Nutze-rInnen sehr ernst nimmt und auf diese ein-geht. Auch hat er es geschafft, dass die Be-fragten zufrieden sind, obwohl sie selbst fastnichts im Gebäude selbst einstellen oder re-geln können, weil er Grundeinstellungen –in Absprache mit den MieterInnen – ge-wählt hat, die für diese sehr gut passen.In Abb. 1 wird eine zusammenfassende Be-wertung der Zufriedenheit mit den Umge-bungsparametern (Temperatur, Belüftung,Luftqualität, Lärm, Beleuchtung und Rück-

Abb. 2: Zufriedenheit mit Komfortparametern, Rückzugsmöglichkeiten undArbeitsplatz gesamt in der Energie Steiermark (in %)

Abb. 3: Zufriedenheit mit den Umgebungsparametern und Rückzugsmöglichkeiten in der österreichweiten Befragung (in %)

Abb. 1: Zufriedenheit mit Komfortparametern, Rückzugsmöglichkeiten und Arbeitsplatz gesamt in der ENERGYbase (in %)

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Umwelt & Energie

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zugsmöglichkeiten) aus der schriftlichenBefragung dargestellt. Hier zeigt sich größteZufriedenheit mit der Temperatur (60%sehr zufrieden und 40% zufrieden), bei derBelüftung sind ca. 55% zufrieden undknapp 40% sehr zufrieden, bei der Luftqua-lität 60% zufrieden und etwas mehr als30% sehr zufrieden. Bei den Parametern„Lärm“ und „Beleuchtung“ ist die Zufrie-denheit noch immer sehr hoch, bei diesentaucht nur vereinzelt Unzufriedenheit auf.Am wenigsten zufrieden sind die NutzerIn-nen mit den Rückzugsmöglichkeiten, hiergibt es fast keine sehr Zufriedenen, ca. 50%Zufriedene und einen Anteil von je 20%wenig Zufriedenen und Unzufriedenen.

Energie SteiermarkDas Hauptgebäude der Energie Steiermarkbefindet sich in Graz. Es handelt sich dabeium einen Bürobau aus den Sechzigerjah-ren, der komplett saniert, mit einem neuenZubau versehen (ca. ein Drittel der Flächeist neu entstanden) und neu bezogenwurde. Jetzt handelt es sich um ein Niedrig-energiegebäude mit einer Energiekennzahlvon ca. 23 kWh/m2 Nettogeschoßfläche proJahr Heizwärmebedarf.Auch im Hauptquartier der Energie Steier-mark wurde eine quantitative Online-Um-frage durchgeführt, 138 Personen beant-worteten den Fragebogen. Ergänzt wurdediese quantitative Befragung mit sechs Ex-pertInneninterviews und einer Fokus-gruppe mit acht Bediensteten.Aus der qualitativen Befragung im Head-quarter der Energie Steiermark geht hervor,dass die NutzerInnen im Großen und Gan-zen recht zufrieden sind und in der Um-bauphase und während und nach dem Um-zug in das sanierte und ausgebaute Ge-bäude auch mit ausreichend Informationenversorgt wurden. Diese Informationenreichten von Führungen durch die Bau-stelle über die Einrichtung eines Musterbü-ros, der Abhaltung von Informationsveran-staltungen, dem Erstellen eines Mitarbeite-rInnen-ABCs, welches über das Intranet derFirma abrufbar ist bis hin zu Informations-blättern und persönlichen Einschulungenin die neuen Regelungen vor Ort.Unzufriedenheit herrscht in erster Linieüber die Raumsituation, da viele Bediensteteihre Arbeitsplätze in Großraumbüros haben.Dies bedingt auch, dass Lärmprobleme beiden NutzerInnen an vorderer Stelle stehen,aber auch die fehlenden Rückzugsmöglich-keiten, die sich durch das Raumkonzept er-geben. Ein weiteres Problem, das inzwi-schen aber durch den nachträglichen Ein-

bau einer Befeuchtungsanlage gelöstscheint, war die Lufttrockenheit, die denNutzerInnen gesundheitliche Probleme be-reitete. Auch Zugluft war und ist ein Thema,wobei hier das Facility Management ständignachrüstet und verbessert. Die Temperaturist nicht so ein wichtiges Thema, hier gibt esrelativ große Zufriedenheit. Auch die Be-leuchtung stellt kein so großes Problem dar.Die Arbeit des Facility Managements wirdsehr positiv bewertet. Das Facility Manage-ment wird als sehr entgegenkommend, aufWünsche eingehend und fachlich höchstkompetent beschrieben.In der schriftlichen Befragung geben auf dieFrage, wie zufrieden die Personen mit ihremBüroarbeitsplatz gesamt sind, 20% an, sehrzufrieden zu sein, 55% sind zufrieden, 17%sind wenig zufrieden und 8% sind unzufrie-den. Abb. 2 zeigt, dass der Großteil der Per-sonen im Gesamten zufrieden mit allenUmgebungsparametern und den Rückzugs-möglichkeiten ist. Auffallend ist, dass in derKategorie „Rückzug“ ein Großteil der Perso-nen angibt, wenig zufrieden bzw. unzufrie-den zu sein. Der Parameter „Beleuchtung“ist jener mit der größten Zufriedenheit.

Österreich-UmfrageUm neben den beiden Projektpartner-Ge-bäuden eine möglichst große Anzahl an Bü-rogebäuden in Passiv- und Niedrigenergie-bauweise in ganz Österreich zu erreichen,wurden verschiedene Maßnahmen gesetzt.Einerseits wurden aus der Broschüre „Tech-nical Guide – Innovative Gebäude in Öster-reich“ alle relevanten Dienstleistungs- bezie-hungsweise Bürogebäude ausgewählt. In dervom Bundesministerium für Verkehr, Inno-vation und Technologie (BMVIT) 2012 he-rausgegebenen Publikation finden sich Neu-bauten und Sanierungen, die im Rahmendes Forschungsprogramms „Haus der Zu-kunft“ errichtet wurden. Als weitere Quellewurde die klima:aktiv-Datenbank herange-zogen. Die Datenbank des Lebensministeri-ums umfasst eine Zusammenschau vonWohn- und Dienstleistungsgebäuden, die alsPraxisbeispiele dienen und den klima:aktiv-Kriterien entsprechen müssen. Weiters wur-den 30 Unternehmen in sechs Bürogebäu-den in Passiv- und Niedrigenergiebauweisedurch zusätzliche Recherche identifiziert.Trotz der umfassenden Recherche und derintensiven Kontaktarbeit resultierte ledig-lich eine Stichprobe von 70 verwertbarenBeantwortungen in der österreichweitenUmfrage. Obwohl die Personen das Ge-bäude, in dem sie arbeiten, angeben soll-ten, war bei einem Großteil der NutzerIn-

nen keine Zuordnung zu einem spezifi-schen Bürogebäude möglich.Im Gesamten betrachtet zeigt sich auch inder online-Österreichumfrage eine relativhohe Zufriedenheit der Befragten mit denKomfortparametern Temperatur, Belüf-tung, Luftqualität, Beleuchtung, Lärm und– mit Einschränkungen – Rückzugsmög-lichkeiten in ihren divergierenden Büroge-bäuden, wenn diese im Vergleich auchnicht ganz so hoch ist wie in den beidenPraxisgebäuden des Projekts (vgl. Abb. 3).

Die ExpertInnenworkshopsBei den beiden Workshops in Wien undGraz wurden einerseits Ergebnisse aus demForschungsprojekt präsentiert, der wichti-gere Teil war aber die Präsentation und Dis-kussion erster Empfehlungen, die das Pro-jektteam aus den bisherigen Resultaten ab-geleitet und vorbereitet hatte. Da beide Workshops sowohl mit ExpertIn-nen aus den Praxisgebäuden als auch mitexternen GebäudeplanerInnen und Facili-tymanagerInnen besetzt waren, ergab sicheine interessante und sehr fruchtbringendeDiskussion, die in die weitere Ausarbeitungder Empfehlungen eingeflossen ist.

Ergebnisse und EmpfehlungenAls Hauptergebnis des Projekts wurdenEmpfehlungen für GebäudeplanerInnen,Bauträger, HaustechnikerInnen und Faci-lity ManagerInnen in Form eines digitalenInformationsfolders mit praxisrelevantenRatschlägen und ein Webtool mit der Be-schreibung der im Projekt durchgeführtenagentenbasierten Simulation erarbeitet.Die Empfehlungen bieten■ Optionen auf der Ebene der techni-schen Gebäudeausstattung, um diverseNutzerInnenbedürfnisse besser einzube-ziehen, ■ Optionen für Entscheidungs- und Ma-nagementstrukturen zur effektiverenEinbindung von NutzerInnen in das Ge-bäudemanagement,■ Optionen für Informations- und Be-wusstseinsbildung sowie■ eine Tauglichkeitsprüfung des entwickel-ten Modells agentenbasierter sozialer Si-mulation von NutzerInnenverhalten undEntscheidungsprozessen als „Tool“ zur Un-terstützung von GebäudeplanerInnen undFacility ManagerInnen.Der Informationsfolder und das Webtoolkönnen über die Website des IFZ abgerufenwerden: www.ifz.aau.at/Forschung/Energie-und-Klima/Aktuelle-Projekte/Build-to-satisfy ■

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Frauen & Technik

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HintergrundNeue Zahlen des statistischen Bundesam-tes zeigen einen Frauenanteil von 30% imersten Semester in MINT-Fachbereichen andeutschen Hochschulen (Statistisches Bun-desamt 2014). In der Informatik lag ihr An-teil im Studienjahr 2012 bei ca. 20% (Kom-petenzzentrum 2014). Gleichzeitig erfor-dert der prognostizierte Fachkräftemangelsowie die Erkenntnis, nach welcher ge-schlechtlich heterogene Teams innovati-vere Lösungen hervorbringen (Diaz-Garciaet al 2013), dass mehr Frauen sowie weiterebislang unterrepräsentierte GruppenMINT-Fächer studieren, anschließend indiesen Bereichen arbeiten und so zu tech-nisch innovativen Lösungen für Umweltund Gesellschaft beitragen.

ErhebungenIm Rahmen des Projektes wurde nach einerumfangreichen Literaturanalyse und derSichtung bereits erfolgreicher Maßnah-men3 ein Indikatorenkatalog4 entwickelt,welcher Faktoren für eine gender- und di-versity-gerechte Studienganggestaltung aufunterschiedlichen Ebenen darstellt. DesWeiteren wurden Daten mit Hilfe von Fra-gebögen, teilnehmender Beobachtung, Sta-tusgruppeninterviews und einer Doku-mentenanalyse erhoben und ausgewertet.Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Erhe-bungen werden im Folgenden dargestellt.

Studierendenbefragung■Die Gruppe der befragten Informatik-Stu-dierenden an der RWTH Aachen (n=227) be-stand zum Großteil aus Männern (86,3%),hatte einen deutschen Familienhintergrund(79,7%), war zwischen 19 und 21 Jahren alt(74,5%) und hatte in der Schule die Leis-tungskurse Mathematik (72,6%) und Physik(25,5%) belegt. Die bezüglich der genanntenMerkmale relativ homogene Zusammenset-zung entspricht in etwa den Ergebnissen vo-rangegangener Studien.■ Die Studentinnen erwarteten im Ver-gleich zu ihren Kommilitonen deutlich we-niger Probleme im Studium (w=44,8%,m=7,2%). Ein solch hohes Niveau anSelbstvertrauen seitens der Studentinnenkonnte in bisherigen Studien nicht nach-gewiesen werden.■ Eine Beurteilung der eigenen Kenntnissevon verschiedenen Programmiersprachenzeigte, dass weibliche wie männliche Stu-dierende ein ähnliches Maß an Vorkennt-nissen5 besaßen, diese aber in unterschied-lichen Programmiersprachen.6

Teilnehmende Beobachtung■ Die teilnehmende Beobachtung einigerausgewählter Informatikveranstaltungenan der RWTH Aachen zeigte, dass es zwarschon vielfältige Ansätze gibt, Gender- undDiversity-Aspekte in die Lehre einzubezie-hen, diese aber oft noch nicht konsequentumgesetzt werden, wie beispielsweise dernoch nicht kohärente Einsatz gender-neu-traler Sprache oder überwiegend männlichkonnotierte Anwendungsbeispiele.Statusgruppeninterviews■ Ein zentrales Ergebnis der Statusgrup-peninterviews ist, dass die Informatik ander RWTH Aachen generell eine großeOffenheit und Engagement in Bezug aufdie Belange der Studierenden aufweist.■ In den Bereichen gender-gerechteSprache, Anwendungs- und Gesell-schaftsbezüge, Interdisziplinarität sowieTechnologiefolgenabschätzung bestehtaus Sicht der Studierenden noch ein Be-darf an Sensibilisierung und Vermittlungdes notwendigen „Know-hows“.■ Als weiteres Hauptproblem der Hoch-schulinformatik wurde die häufig unzu-treffende Vorstellung der Studierenden

Fachkulturen im Wandel

Vor dem Hintergrund des weiterhin geringen Frauenanteils und der hohenStudienabbruchquoten in der Informatik und anderen MINT-Fächern1 wurdeim Rahmen des vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung(BMBF) geförderten Projektes IGaDtools4MINT2 drei Jahre geforscht, um mitneuen Lösungsansätzen diesem Trend entgegenzuwirken. Bei dem Projekthandelt es sich um ein interdisziplinäres Kooperationsvorhaben mit dem Ziel,über die Entwicklung und Erprobung eines Maßnahmenpaketes zur Erhöhungdes Frauenanteils zusätzlich auch eine Öffnung der Fachkultur für vielfältigeStudierende voranzubringen.

IGaDtools4MINT – ein Forschungsprojekt für mehr Diversität in MINT-Studiengängen am Beispiel der Informatik

Rebecca Apel

studierte Kommunikationswissenschaften, Politik-wissenschaften und Psychologie an der RWTH Aa-chen. Zwischen 2012 und 2014 war sie wissen-schaftliche Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungs-gebiet Gender und Diversity in den Ingenieurwis-senschaften an der RWTH Aachen, wo sie im For-schungsprojekt „IGaDtools4MINT“ tätig war.

E-Mail: [email protected]

Tobias Berg

studierte anglistische Literaturwissenschaft, Sozio-logie und Sprachwissenschaft an der RWTH Aa-chen. Seit Januar 2012 ist er wissenschaftlicherMitarbeiter des Lehr- und Forschungsgebietes Gen-der und Diversity in den Ingenieurwissenschaftenan der RWTH Aachen und in den Forschungspro-jekten „IGaDtools4MINT“ und „Building Bridges –Integration von Gender- und Diversity-Perspekti-ven in Elektromobilitätsforschung und Lehre“ tätig.

E-Mail: [email protected]

Carmen Leicht-Scholten

leitet das Institut „Gender und Diversity in den In-genieurwissenschaften“ an der RWTH Aachen. SeitMai 2012 ist sie Studiendekanin der Fakultät fürBauingenieurwesen der RWTH Aachen. Sie ist alsExpertin und Gutachterin in zahlreichen interna-tionalen und nationalen Gremien tätig und Jury-mitglied des Deutschen Diversity Preises.

E-Mail: [email protected]

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und der Öffentlichkeit über die Inhalte desInformatikstudiums benannt, aber auchdie zum Teil eklatanten Erfahrungslückender Studierenden bei Studienantritt.Analyse der herausgegebenen Doku-mente des Fachbereichs Informatik■ Die adressatengerechte Formulierungvon Inhalten bezogen auf die jeweiligeZielgruppe ist zu empfehlen. Standard-mäßig sollte ebenfalls die Verfügbarkeitvon Informationen in deutscher undenglischer Sprache gesichert werden.■ Die Analyse hat gezeigt, dass eine ver-stärkte Abstimmung und Verzahnung vonpapierbasierten Angeboten (z. B. Flyer,Broschüren) mit weiterführenden detail-lierteren Internetseiten zu einem Mehr-wert führen könnte. Das webbasierte An-gebot ist an der RWTH Aachen bereits gutaufgestellt, könnte jedoch kontinuierlichweiter ausgebaut werden. Hierbei ist be-sonders die Sichtbarmachung bestehenderAngebote durch Verlinkungen auf zentraleInformationsseiten ein ressourcenscho-nendes Mittel, um die Recherche und Na-vigation zu erleichtern.

FörderkonzeptAls Ergebnis der Auswertungen wurde imRahmen des Projektes ein vierstufiges För-derkonzept entwickelt. Stufe 1: Schülerlabor InformatikZiel dieser Stufe ist es, frühzeitig ein realis-tisches Bild der Informatik zu vermitteln,um so Studienabbrüchen entgegenzuwir-ken (Heublein et al. 2006; Maaß, Wiesner2006; Schinzel et al. 1999). Außerdem wer-den hier die Vernetzung und die Koopera-tion zwischen Schulen und Hochschulengestärkt und eine große Zahl von Schüle-rinnen und Schülern spielerisch mit infor-matischen Inhalten vertraut gemacht. AmSchülerlabor InfoSphere der RWTH Aachenwurden bis Oktober 2013 bereits 144Workshops zu verschiedensten Themenge-bieten der Informatik durchgeführt undinsgesamt 1.922 Schülerinnen (35%) undSchüler (65%) erreicht. Zurzeit umfasst dasAngebot des Schülerlabors 26 verschiedenehalbtägige bis mehrtägige Module, die fürSchülerinnen und Schüler von der Grund-schule (Klasse 3) bis zur Oberstufe (Q2) an-geboten werden.7

Stufe 2: Vorkurs InformatikDer Vorkurs Informatik dient v. a. dazu,den fachlichen Einstieg in die Universitätzu erleichtern, da der Übergang zwischenSchule und Hochschule von Studierendenhäufig als schwierig empfunden wird.Durch positive und motivierende Erfah-

rungen soll hier entgegengewirkt, aberauch das Interesse an Informatik gefestigtwerden (Schulte, Knobelsdorf 2010). Zu-dem werden die Studierenden zeitnah aufeinen möglichst einheitlichen Wissens-stand gebracht (Pedroni et al. 2009; Berges,Hubwieser 2010). Der im Rahmen des Pro-jektes umgestaltete Vorkurs behandelt ne-ben fachlichen Inhalten auch Lern- undArbeitstechniken für den Studienalltag.Der Vorkurs wurde evaluiert und erhielt imletzten Durchgang von 80,6% der Studie-renden (n=177) die Note 1 oder 2.8

Stufe 3: Handlungsfelder in den erstenSemesternDie Maßnahmenkonzeption in dieser Stufebezieht sich unter anderem auf die Strukturder Grundvorlesungen in den ersten beidenSemestern. Hierbei werden Inhalte punktu-ell aufgegriffen, inter- und intradisziplinärverknüpft und in einen praxisnahen An-wendungskontext gestellt.9 Dabei wird un-mittelbar an den Vorkurs Informatik ange-schlossen und so auf eine kontinuierlicheFörderung in der Studieneingangsphase ab-gezielt. Interessierte Studierende haben ak-tuell in vier verschiedenen Workshops dieMöglichkeit, theoretische oder problemati-sche Themengebiete in einen leicht nach-zuvollziehenden Praxisbezug zu setzen. Da-bei werden Aufgaben rund um die Entwick-lung von mobilen Applikationen (Android)erstellt, die jeweils ein Thema der jeweili-gen Vorlesung aufgreifen.10

Eine weitere Maßnahme ist das an derRWTH Aachen im Informatikbereich ver-pflichtende Mentoring für Erstsemester.Die primären Ziele des Mentoring-Pro-grammes sind die Senkung der Studienab-bruchquoten, eine Verkürzung des Zeitrau-mes bis zu einem „unvermeidbaren“ Studi-

enabbruch sowie generelle Hilfestellungen(auch bei Abbruch des Studiums). Das Pro-gramm wird durch drei Mitarbeitende undeine Vielzahl von im Vorfeld geschultenTutorinnen und Tutoren gestaltet. Wäh-rend des Semesters finden 15 Treffen inKleingruppen statt, die organisatorischeThemen, z. B. das Zurechtfinden am Studi-enort, aber auch Lerntrainings, Klausurvor-bereitungen und Lehrstuhlvorstellungenumfassen. Für Studierende des ersten Se-mesters ist dieses Programm eine Zugangs-voraussetzung für eine Pflichtvorlesung.Der erste Durchgang des Mentoring-Pro-grammes konnte zeigen, dass mindestenszwei Drittel der Studierenden das erste Se-mester erfolgreich bestreiten konnten –eine signifikante Steigerung zu den Erfolgs-quoten der Vorjahre (Nagl et al. 2012). Stufe 4: Verstetigung von Gender- und Di-versity-Aspekten in der HochschullehreDer Fokus dieser Stufe liegt auf den Lehren-den. Durch Schulung der Gender- und Di-versity-Kompetenzen soll ein Bewusstseinfür Verbesserungen und Anknüpfungs-punkte in diesem Bereich geschaffen wer-den (Blum, Frieze 2005). Auf lange Sichtsollen so Gender- und Diversity-Aspekte alsSelbstverständlichkeit in die Fachkultur derInformatik einfließen. Durch die Einbin-dung von Lehramtsstudierenden in die Be-treuung des Schülerlabors InfoSphere wer-den zusätzlich Multiplikatoren geschaffen,die für Gender- und Diversity-Aspekte sen-sibilisiert werden und praktisch lernen, In-formatikinhalte motivierend und anwen-dungsorientiert zu vermitteln.

AusblickDie im Rahmen des Projektes durchgeführ-ten und angestoßenen Maßnahmen wer-

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Frauen & Technik

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den aufgrund ihres sich gegenseitig ergän-zenden und verstärkenden Charakters alseffektiver Weg zur Umsetzung gender- unddiversity-gerechter Strukturen an Hoch-schulen verstanden. Hierbei wurde – wie inder wissenschaftlichen Literatur zumThema beschrieben – ein erfolgverspre-chendes Maßnahmenbündel für den Ein-satz an Hochschulen geschnürt. Eine Über-tragung an weitere Universitäten11 undeine Verstetigung der praktizierten Maß-nahmen wird angestrebt.

Anmerkungen1 Mathematik, Informatik, Naturwissen-schaften, Technik.2 IGaDtools4MINT steht für Integrationvon Gender und Diversity in MINT-Studi-engängen an Hochschulen.3 Siehe hierzu beispielsweise Fisher, Margo-lis 2002.4 Siehe hierzu Berg et al. 2014.5 Die Studentinnen verfügten im Vergleichzu ihren Kommilitonen häufiger überKenntnisse in den ProgrammiersprachenObjective C, Delphi, Pascal, Ruby, Phythonund Java Script, während die Studentenhäufiger Vorkenntnisse in PHP, C#, Java,C++, C und HTML aufwiesen (vgl. Apel etal. 2012b).6 Für eine ausführlichere Darstellung derMethodik siehe Apel et al. 2011. Für weitereErgebnisse siehe Berg et al. 2014.7 Weitere Informationen auf http://schue-lerlabor.informatik.rwth-aachen.de/.8 Für eine ausführlichere Darstellung sieheBerg et al. 2014.9 Bei den Veranstaltungen handelt es sichum Programmierung (1. Semester), Daten-

strukturen und Algorithmen (2. Semester),Formale Systeme, Automaten, Prozesse (2.Semester) und Lineare Algebra für Informa-tiker (2. Semester)10 Zum Beispiel Rekursion, Transformati-onsmatrizen oder Datenstrukturen in derSpieltheorie.11 Aktuell werden einzelne Maßnahmendes Toolkits an der TU Berlin erprobt.

Literatur• Berg, T., R. Apel, H. Thüs, U. Schroeder, C.

Leicht-Scholten: Vielfalt in der Informatik –

Ergebnisse des Forschungsprojektes IGaD-

tools4MINT. In: C. Leicht-Scholten, U. Schroe-

der (Hg.): Informatikkultur neu denken –

Konzepte für Studium und Lehre. Integration

von Gender und Diversity in MINT-Studien-

gängen. Heidelberg: Springer 2014, S. 5-38.

• Berges, M., P. Hubwieser: Vorkurse in ob-

jektorientierter Programmierung: Lösungsan-

satz für ein Problem der Einführungsveran-

staltungen. In: D. Engbring, R. Keil, J. Magen-

heim, H. Selke (Hg.): Proceedings of HDI

2010. Potsdam: Universitätsverlag Potsdam

2010, S. 13-22.

• Diaz-Garcia, C., A. Gonzales-Moreno, F. J.

Saez-Martinez: Gender diversity within R&D

teams: Its impact on radicalness of innova-

tion. In: Innovation: Management, Policy &

Practice 2/2013, pp. 149-160.

• Fisher, A., J. Margolis: Unlocking the Club-

house: The Carnegie Mellon Experience. In:

SIGCSE Bulletin 34, 2/2002, pp. 79-83.

• Heublein, U., C. Hutzsch, J. Schreiber, D.

Sommer, G. Besuch: Ursachen des Studienab-

bruchs in Bachelor- und in herkömmlichen

Studiengängen. Ergebnisse einer bundeswei-

ten Befragung von Exmatrikulierten des Stu-

dienjahres 2007/08. Hannover: HIS: Forum

Hochschule 2010.

• Kompetenzzentrum. www.kompetenzz.de/

Daten-Fakten/Studium

#astudienanfaengerinnen_und_

studienanfaenger_1_der_faechergruppe_

mathematik_naturwissenschaften_im_

studienjahr_2012_2

[Letzter Zugriff: 30.01.2014]

• Maaß, S., H. Wiesner: Programmieren, Ma-

the und ein bisschen Hardware ... Wen lockt

dies Bild der Informatik? In: Informatik-Spek-

trum 2/2006, S. 125-132.

• Nagl, M., M. Akbari, T. Leonhardt, M. Fri-

ckenschmidt, S. Schalthöfer: Mentoring in

der Studieneingangsphase – Erfahrungen aus

der Informatik der RWTH Aachen, 2012,

www.informatik.rwth-aachen.de/

Downloads/Mentoring/Mentoring22.2.pdf.

• Pedroni, M., B. Meyer, M. Oriol: What Do

Beginning CS Majors Know? Zürich: Swiss

Federal Institute of Technology 2009,

http://se.ethz.ch/~meyer/publications/

teaching/background.pdf.

• Schinzel, B., N. Parpart, T. Westermayer: In-

formatik und Geschlechterdifferenz. In: S.

Rizvi, H. Klaeren (Hg.): Tübinger Studientexte.

Informatik und Gesellschaft. Dozentenhand-

buch. Tübingen: Universität Tübingen 1999.

• Schulte, C., M. Knobelsdorf: „Jungen kön-

nen das eben besser“ – Wie Computernut-

zungserfahrungen Vorstellungen über Infor-

matik prägen. In: M. Koreuber (Hg.): Ge-

schlechterforschung in Mathematik und In-

formatik. Eine (inter)disziplinäre Herausforde-

rung. Baden-Baden: Nomos 2010, S. 87-110.

• Statistisches Bundesamt. Bildung und Kul-

tur. Studierende an Hochschulen. Fachserie

11, Reihe 4.1. Wiesbaden 2013. ■

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Aus dem STS/IFZ

Soziale Technik 2/2014 21

Critical Issues in Science and Technology Studies

Die diesjährige Konferenz wurde erstmalsals gemeinsame Konferenz des IAS-STS, desIFZ und des STS – Institut für Technik- undWissenschaftsforschung der AAU veran-staltet. Es nahmen ca. 120 Personen aus 25Nationen sowie eine große Zahl an Studie-renden aus IFZ-Lehrveranstaltungen teil.Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnenpräsentierten ihre Forschungsergebnisse inüber 90 Vorträgen und Postern. Zudemwurde mit dem Meerscheinschlössl einneuer und ideal geeigneter Veranstal-tungsort erstmals erschlossen.Der erste Tag wurde von Roberta Sonnino(Cardiff University) mit ihrer Keynote„The New Geography of Food (In-)Securi-ty: Exploring the Potential of Urban Inno-vations” eröffnet. Sigrid Schmitz (Univer-

sität Wien) schloss den ersten Tag mit ei-ner Keynote zum Thema „Bodily agen-cies: Materialities, Technologies, and Mea-nings from a feminist STS perspective“.Der zweite Tag begann mit einem Vor-trag von Angelika Tisch und SteffenWirth (IFZ/STS Graz) zu „Strategic PublicProcurement – Rationales and Realities“.Thomas Berker (NTNU Trondheim) been-dete die Konferenz mit seiner Keynote“Rethinking energy efficiency in thebuilt environment as dynamic relationbetween moving targets”.Heuer wurden insgesamt neun thema-tisch fokussierte Special Sessions durchge-führt, die die Kernpunkte des Program-mes bildeten. Themen wie „SocialJustice“, „Sustainable Food Systems“, „Bo-dies-Technologies-Gender“, „Energy sys-tems in transition“ etc. wurden somit ver-tiefend diskutiert. Ergänzend zu diesenSessions wurden ebenso die langjährigenForschungsschwerpunkte der veranstal-tenden Institute ausführlich behandelt. ■

Michaela Jahrbacher ver-tritt am STS-Standort Grazseit 1. April 2014 als ad-ministrative Assistenz Monika Trinkaus, die bisEnde 2014 karenziert ist.

Armin Spök ist, nach Abschluss seinerQualifikationsvereinbarung, seit 1. April2014 Assistenz-Professor am GrazerStandort des STS.

Joachim Allgaier ist seitJuni 2014 Senior Scientistam STS-Standort Klagen-furt. Der Soziologe, Me-dien- und Kommunikati-onsforscher war zuletzt am

Forschungszentrum Jülich in Deutsch-land, am Institut für Wissenschafts- undTechnikforschung der Universität Wienund an der Open University in Großbri-tannien tätig. Arbeitsschwerpunkte u. a.:Sozialwissenschaftliche Wissenschafts-und Technikforschung; Wissenschaftund Öffentlichkeit; Wissenschafts- undTechnikkommunikation; Internet, so-ziale Medien und Online-Videos; Wis-senschaftsjournalismus; Wissenschaftund Populärkultur.

Mehr Informationen: www.sts.aau.at

Personalia

STS Conference Graz 2014, 5. und 6. Mai 2014, Graz

Im April 2014 startete am Grazer Standortdes Instituts für Technik- und Wissen-schaftsforschung das auf vier Jahre ausge-legte FP7-Projekt G-TwYST, in welchem to-xikologische Langzeitwirkungen von gene-tisch verändertem Mais an Tieren unter-sucht werden sollen. Im Zentrum steht abernicht die Frage nach den gesundheitlichenAuswirkungen der im Projekt untersuchtenMaissorten, sondern die nach der geeigne-ten Durchführung und Interpretation sol-cher Studien sowie deren genereller Aussa-gekraft und Rolle im Kontext der Risikoab-schätzung von genetisch veränderten Orga-nismen (GVO). Weil Tierstudien in derGVO-Risikoabschätzung in der Vergangen-heit Anlass und Zentrum zahlreicher Kon-troversen innerhalb und außerhalb der Wis-

senschaft waren, wird ein typischerweiserein naturwissenschaftliches Unterfangenpartizipativ geöffnet und werden Planungs-dokumente und Rohdaten für alle Interes-sierten verfügbar gemacht und externe Ex-pertInnen und Stakeholder in Planung undInterpretation dieser Studien miteinbezo-gen. Darüber hinaus wird die Rolle von nor-mativen Aspekten in diesen Konflikten un-tersucht und werden diese Erkenntnisse inden Partizipationsprozess eingespeist. Das Projekt wird gemeinsam mit 7 Partnernaus sechs EU-Mitgliedstaaten durchgeführtund von der Tierärztlichen Hochschule Han-nover koordiniert. Das IFZ/STS leitet einWork Package zum Partizipationsprozess so-wie die Untersuchung des Konflikts zu Tier-studien.

G-TwYST steht in inhaltlichem und orga-nisatorischem Zusammenhang mit zweiweiteren FP7-Projekten, die aktuell amStandort Graz zum Thema laufen. InGRACE (www.grace-fp7.eu) werden u. a.ebenfalls in einem partizipativen SettingTierstudien im Kontext der GVO Risikoab-schätzung durchgeführt, während PreSto(www.sts.aau.at/Forschung/Neue-Biotechnologien/Aktuelle-Projekte/PreSto-GMO-ERA-NET) in partizipativerForm eine Agenda und einen Implementie-rungsplan für ein multinationales For-schungsprogramm zu GVO-Risikoabschät-zung entwickelt, welches im Rahmen vonHorizon 2020 als ERA-Net implementiertwerden soll. Kontakt: [email protected]

Zur Aussagekraft und Rolle von Tierstudien im Kontext derRisikoabschätzung von genetisch veränderten Organismen

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Magazin

Soziale Technik 2/2014 22

Zweiter Umweltzeichen-Tag am Weltumwelttag, 5. Juni 2014Seit über vierzig Jahren findet am 5. Juniweltweit der Weltumwelttag der VereintenNationen statt. An diesem Aktionstag wirdrund um den Globus auf unterschied-lichste Weise ein Zeichen für den Umwelt-schutz gesetzt. Anlässlich dieses Tages setz-ten in Österreich auch heuer wieder die Be-triebe und Handelspartner des Österrei-chischen Umweltzeichens und des EU-Um-weltzeichens besondere Aktionen für nach-haltigen Konsum. Unter dem Motto „TueGutes für die Umwelt und spare Geld“wurde auf Umweltzeichen-Produkte auf-merksam gemacht. So gab es am Umwelt-zeichen-Tag etwa Rabatte bei dem Kaufumweltfreundlicher Lacke, Heizkessel, um-weltfreundlichen Büro- und Schulmateri-als, bei der Erstellung von Druckwerkenoder Ermäßigungen bei der Buchung vonUmweltzeichen-Urlaubsangeboten. VieleBetriebe luden am Weltumwelttag auchzum persönlichen Kennenlernen ein.

Alle Aktionen finden Sie unter www.umweltzeichen.at

Umweltschutz in die Tasche packen – superleicht

Die Initiative„Clever einkaufenfür die Schule“ isteine Initiative desLebensministeri-ums in Koopera-tion mit demösterreichischen

Papierfachhandel. Mittlerweile gibt es über3.800 Produkte, die von der Initiative alsumweltfreundlich empfohlen werden.Vom 1. Juni bis 30. September 2014 findetdie nächste Aktion UmweltTipp! statt. DiePartnerbetriebe machen in diesem Zeit-raum auf qualitativ hochwertige und um-weltfreundliche Schulartikel in ihren Ge-schäften und Filialen aufmerksam. An derAktion beteiligen sich Papierfachgeschäfteim Einzelhandel, Skribo HändlerInnen so-

wie die Filialen der KooperationspartnerLibro, Pagro Diskont, Thalia und Interspar.

Alle Materialien stehen als Downloadauf www.schuleinkauf.at

Faire Computer – Zukunftsmusik?Die sozialen Missstände bei der Produktionvon IT-Geräten sind spätestens seit den Be-richten zu den Arbeitsbedingungen in Elek-tronikkonzernen wie Foxconn bekannt.Auch wenn BeschaffungsverantwortlicheWert auf fair produzierte Geräte legen, ist esbislang aufgrund der Komplexität und geo-grafischen Lage der Herstellungskette (etwader Rohstoffgewinnung und Fertigung dervielen Bauteile) kaum möglich, die Erfüllungetwaiger Forderungen nach Einhaltung derKernarbeitsnormen der Internationalen Ar-beitsorganisation (ILO) nachzuprüfen.Südwind setzt sich für faire Arbeitsbedin-gungen in der globalen IT-Produktion ein.Südwind baut derzeit mit mehreren euro-päischen Partnern das Konsortium „Electro-nics Watch“ auf. „Electronics Watch“ sollöffentliche Auftraggeber und lokale Moni-toring-Organisationen zusammenbringenund so einen Beitrag leisten, die Arbeitsbe-dingungen in der globalen Elektronikindus-trie zu verbessern. Es soll bis Mitte 2015operationsfähig sein, bestehend u. a. aus 50öffentlichen Auftraggebern aus Europa.

Weitere Informationen:Mag.a Andrea Ben LassouedMail: [email protected]://electronicswatch.org/de

Ab 1. Januar 2015 kein Strom unbekannter Herkunft mehr in Österreich – zumindest auf dem PapierAuf der jährlichen Stromrechnung ist darge-stellt, aus welchen Energieträgern (wie Was-serkraft und Kohle) sich der Strom des Ener-gieversorgers zusammensetzt. Bislang fandsich in dieser Aufstellung bei einem Teil derEnergieversorger auch Strom unbekannterHerkunft. Dabei handelt es sich meist um

Strom von der Strombörse. Für den Stromunbekannter Herkunft wurde angenommen,dass er in seiner Zusammensetzung demStrom aus dem europäischen Übertragungs -netz entspricht, der zu etwa einem Drittelaus Atomenergie gewonnen wird. Ab 1. Januar 2015 ändert sich das. Die No-velle des Elektrizitätswirtschafts- und -or-ganisationsgesetzes legt fest, dass ab die-sem Zeitpunkt in Österreich kein Strommehr verkauft werden darf, dessen Her-kunft nicht belegt ist. Das ist grundsätzlicheine sinnvolle Bestimmung, gäbe es in derEU nicht die Möglichkeit, mit Herkunfts-nachweisen zu handeln. Das heißt, dasssich ab dem 1. Januar 2015 bei den Ener-gieversorgern, die bislang Strom unbe-kannter Herkunft einkaufen, nicht viel än-dern muss. Sie müssen lediglich zusätzli-che Herkunftsnachweise einkaufen, umdamit ihren Strom aus unbekannter Her-kunft „neu einzukleiden“. Laut einer Stu-die des deutschen Umweltbundesamtessind Herkunftsnachweise für Strom ausskandinavischer Wasserkraft für Preise zwi-schen 0,02-0,03 ct/kWh auf dem Markt er-hältlich (siehe Marktanalyse Ökostrom,Umwelt bundesamt, Texte 04/2014).Wer sichergehen möchte, dass sein Geld anUnternehmen fließt, die ausschließlichStrom aus erneuerbaren Energien produ-zieren, sollte einen Energieversorger wäh-len, dessen Produkte mit dem Österrei-chischen Umweltzeichen zertifiziert sind

Eine Liste der „Grüner Strom“-Anbieterfinden Sie auf www.umweltzeichen.at/cms/home/produkte/content.html ■

Informationen zur ökologischen Beschaffung und Produktbewertung

Green Products

BeschaffungsS e r v i c eA u s t r i a

Tel.: +43/664/88796975E-mail: [email protected]

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Magazin

Soziale Technik 2/2014 23

Neue BücherEnergy Justice in a changing climateKaren Bickerstaff, Gordon Walker & Har-riet Bulkeley (eds.): Energy Justice in achanging climate. Social equity & lowcarbon energy. London: Zed Books 2013,256 pp., € 26,30Energy justice is one of the most critical,and yet least developed, concepts associ-ated with sustainability. Much has beenwritten about the sustainability of low car-bon energy systems and policies – with anemphasis on environmental, economic andgeopolitical issues. However, less attentionhas been directed at the social and equityimplications of these dynamic relations be-tween energy and low carbon objectives –the complexity of injustice associated withwhole energy systems (from extractive in-dustries, through to consumption andwaste) that transcend national boundariesand the social, political-economic and ma-terial processes driving the experience ofenergy injustice and vulnerability. Drawingon a substantial body of original researchfrom an international collaboration of ex-perts this unique collection addresses energy poverty, just innovation, aestheticjustice, and the justice implications of “lowcarbon” energy systems and technologies.The book offers new thinking on how in-teractions between climate change, energypolicy and equity and social justice can beunderstood and develops a critical agendafor energy justice research.

Citizen SciencePeter Finke: Citizen Science. Das unter-schätzte Wissen der Laien. München: oekom 2014, 240 S., € 20,60Charles Darwin und Gregor Mendel geltenzu Recht als herausragende Figuren der Wis-senschaftsgeschichte. Sie waren auf ihrenGebieten Amateure, keine Berufsforscher imheutigen Sinne. Was sie antrieb, war eineunstillbare Neugier, die auch heute noch vie-len Laien zu eigen ist und in leidenschaftlichgepflegten Hobbys und ehrenamtlicher For-schung in vielen Problemfeldern der Zivilge-sellschaft ihren Ausdruck findet. Doch Wis-senschaft und Forschung gelten mittlerweileals Privileg der Profis, das oftmals lebensnä-here Wirken der Laien als zweitklassig. Dabeisind ihre Leistungen bedeutsamer denn je:

das Jahrhundertprojekt Wikipedia wäreohne Citizen Science undenkbar und aucherfolgreiches bürgerschaftliches Engagementkommt ohne fundierte Sachkenntnissenicht aus. Peter Finke legt die erste Einfüh-rung in die Ideenwelt von Citizen Sciencevor und lädt ein, die unterschätzte Welt derWissensbürgerInnen zu entdecken.

Twitter and SocietyKatrin Weller, Merja Mahrt, Jean Burgess,Axel Bruns (eds.): Twitter and Society. NewYork: Peter Lang 2013, 447 pp., € 36,40Since its launch in 2006, Twitter hasevolved from a niche service to a mass phe-nomenon; it has become instrumental foreveryday communication as well as for po-litical debates, crisis communication, mar-keting, and cultural participation. But thebasic idea behind it has stayed the same:users may post short messages (tweets) ofup to 140 characters and follow the updatesposted by other users. Drawing on the ex-perience of leading international Twitter re-searchers from a variety of disciplines andcontexts, this is the first book to documentthe various notions and concepts of Twittercommunication, providing a detailed andcomprehensive overview of current re-search into the uses of Twitter. It also pre-sents methods for analyzing Twitter dataand outlines their practical application indifferent research contexts.

Handbuch zur Organisations- und GeschlechterforschungMaria Funder (Hg.): Gender Cage – Revisited. Handbuch zur Organisations-und Geschlechterforschung. Baden-Baden: Nomos 2014, 452 S., € 59,70Lösen sich Geschlechterungleichheiten all-mählich auf oder verändern sie nur ihr Er-scheinungsbild? Welche Rolle kommt Orga-nisationen dabei zu? Das Handbuch vermit-telt einen Überblick über klassische und ak-tuelle sozialwissenschaftliche Theorieange-bote, Analysen und Debatten zur Organisa-tions- und Geschlechterforschung. Die Kate-gorie Geschlecht spielt bis heute in derdeutschsprachigen Organisationsforschungkaum eine Rolle. Ziel des Handbuchs ist es,diese Lücke zu schließen und einen längstfälligen Dialog zwischen Organisations- und

Geschlechterforschung zu eröffnen. Vorge-stellt werden einschlägige Studien der femi-nistischen Organisationsforschung sowieausgewählte zeitgenössische Theoriekon-zepte (u. a. Systemtheorie, Strukturations-theorie, Neo-Institutionalismus), um Auf-schluss über Prozesse der Reproduktion, Ero-sion und Neukonfiguration der Geschlech-terverhältnisse in Organisationen zu gewin-nen. Darüber hinaus wird ein Einblick inden aktuellen Diskurs über Diversity Ma-nagement und Intersektionalität gegeben.

Kolumbus‘ ErbeCharles C. Mann: Kolumbus‘ Erbe. WieMenschen, Tiere, Pflanzen die Ozeaneüberquerten und die Welt von heute schu-fen. Reinbek: Rowohlt 2013, 816 S., € 36,- Die Entdeckung Amerikas war für das Lebenauf unserem Planeten das folgenreichste Er-eignis seit dem Aussterben der Dinosaurier.Denn: Millionen Jahre waren die Hemisphä-ren weitgehend voneinander isoliert gewe-sen. Mit Kolumbus traten sie in einen Aus-tausch. Menschen und Pflanzen, Tiere undKrankheiten gelangten per Schiff in neueLebensräume und schufen eine Welt, in dernichts blieb, wie es einmal gewesen war. Dashatte auch gravierende politische Konse-quenzen: Der „kolumbische Austausch“ trugmehr als alles andere dazu bei, dass Europazur Weltmacht aufstieg und China ver-drängte. Charles C. Mann zeichnet einspannendes Panorama dieser Vorgänge, dasKontinente und Jahrhunderte umfasst.

Geschichte unserer UmweltVerena Winiwarter, Hans-Rudolf Bork:Geschichte unserer Umwelt. Sechzig Rei-sen durch die Zeit. Darmstadt: Primus2014, 192 S., € 41,10In sechzig Zeitreisen erzählen Verena Wini-warter und Hans-Rudolf Bork von denWechselwirkungen zwischen Mensch undNatur. Sie zeigen eindrücklich, wie wir ausder Geschichte für eine nachhaltigere Zu-kunft lernen können. Von der Steinmul-chung der verborgenen Gärten der Osterin-sel über die Bewässerungskanäle der grön-ländischen Wikinger bis zum Streit um denQuakfisch im Gelben Meer führt die Reise.Aber auch an die Küsten der Niederlandeund Norddeutschlands. ■

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SOZIALE TECHNIK Nummer 2 – Juni 2014, 24. Jg., Einzelpreis € 7,- / SFr 10,-

P.b.b. Verlagspostamt 8010; GZ 02Z032468M – Erscheinungsort Graz

Das IFZ ist der Grazer Standort des STS – Institut für Technik- und Wissen-schaftsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt | Wien | Graz

2/14

Aktuell:

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INHALT

Technologie & Politik

Weert Canzler, Andreas KnieDie Energie- und Verkehrswende in „Schlauen Netzen“. Der Wandel des Staatsverständnisses in der postfossilen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Renate Hübner Geplante Obsoleszenz zwischen Wunsch und Ärgernis.Das Obsoleszenzspiel, Spielregeln und Spielverderber . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Christina Schachtner Leben im Plural. Entwicklungstrends im Zuge des Medienumbruchs der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Gastredaktion

Tim Freytag, Michael Pregernig, Roderich von Detten Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie. Disziplinoffene Perspektiven für Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . 11

Umwelt & Energie

Jürgen Suschek-Berger, Magdalena WicherBuild to satisfy. Zufriedenheit von NutzerInnen in Niedrigst- und Plusenergiegebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Frauen & Technik

Rebecca Apel, Tobias Berg, Carmen Leicht-ScholtenFachkulturen im Wandel.IGaDtools4MINT – ein Forschungsprojekt für mehr Diversität in MINT-Studiengängen am Beispiel der Informatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Aus dem STS/IFZ

Critical Issues in Science and Technology Studies.STS Conference Graz 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Zur Aussagekraft und Rolle von Tierstudien im Kontext derRisikoabschätzung von genetisch veränderten Organismen . . . . . . . . . . 21Personalia: Michaela Jahrbacher, Armin Spök, Joachim Allgaier . . . . . 21

Magazin

Green Products . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Neue Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Fotos: Franz PacherGeboren 1946 in Linz, aufgewachsen in Graz. 1956erste fotografische Gehversuche. Ab 1963 Mitglied,später einige Jahre Obmann im Club der Amateur-fotografen in Graz (CDA). Zahlreiche nationaleund internationale Hängungen bei Ausstellungensowie Annahmen, Preise und Medaillen bei Foto-wettbewerben, u. a. Verleihung des Titels „AFIAP“1973, danach „EFIAP“ 1977 (Excellence de la Fe-

deration internationale de l’art fotografique). Aufnahme in das „Whois Who“ (Sparte Fotografie). – „Mein Anliegen in der Fotografie ist es,die Poesie und Schönheit des Augenblicks festzuhalten. Diese beson-deren Momente möchte ich mit meinen Fotos auch anderen Men-schen zugänglich machen. Die Kamera dient mir dabei als Werkzeug,wie ein Pinsel und Zeichenstift dem Maler.“Kontakt: [email protected]

Eigentümer, Herausgeber, Verleger:IFZ, A-8010 Graz, Schlögelgasse 2Tel.: +43/316/813909-0, Fax: +43/316/813909-11E-Mail: [email protected], http://www.ifz.aau.at

Redaktion: Peter WildingAboverwaltung: Reinhard WächterISSN 1022-6893 DVR 0637955

Gefördert durch die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria).

Fotos: Franz PacherBasisdesign & typographisches Konzept: RoRo + Zec, Satz: www.koco.at.Druck: Druckerei Bachernegg, Kapfenberg. Gedruckt auf Cyclus Print 90g(Recyclingpapier aus 100% Altpapier), Umschlag: Magno matt 115g,chlorfrei gebleicht.

Als Dankeschön stehen drei Bücher zur Auswahl!

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