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Walter Scott Ivanhoe Historischer Roman Aus dem Englischen von Elise von Hohenhausen Anaconda

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Walter Scott

IvanhoeHistorischer Roman

Aus dem Englischen von Elise von Hohenhausen

Anaconda

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Titel der englischen Originalausgabe: Ivanhoe (Edinburgh: Constable 1820).Die Übersetzung folgt der Ausgabe Halle a. S.: Paalzow o. J. [um 1913].Orthografie und Interpunktion wurden den Regeln der neuen deutschenRechtschreibung angepasst.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind imInternet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: August Spieß (1841–1923), »Parzival challenges the King ofCumberland, who makes fun of him, to a duel«, from the Parzival cycle,Singers’ Hall, um 1883–1884 (Wandgemälde), Schloss Neuschwanstein /De Agostini Picture Library / A. Dagli Orti / bridgemanart.comUmschlaggestaltung: www.katjaholst.deSatz und Layout: Andreas Paqué, www.paque.dePrinted in Czech Republic 2014ISBN [email protected]

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Erstes Kapitel

So lebten sie, als abends nach der HütteDie Schweine kehrten, statt nach ihrer SitteSich heftig sträubend, lärmend, heulend, trägeUnd doch bezwungen durch die Macht der Schläge.

Homer, »Odyssee«

n der anmutigen Provinz des glücklichen England, dieder Fluss Don durchströmt, breitete sich in alter Zeit ein

großer Wald aus und bedeckte die reizenden Hügel und Tä-ler, die zwischen Sheffield und der freundlichen Stadt Don-caster liegen. Die Überreste dieser ausgedehnten Waldunggewahrt man noch rings um die Rittersitze Wentworth,Warncliffe Park und bei Rotherham. Hier hauste einst derfabelhafte Drache von Wantley, hier wurde manche ver-zweiflungsvolle Schlacht im Bürgerkrieg der weißen und ro-ten Rose geschlagen und hier lebten in alten Zeiten jeneBanden tapfrer Räuber, deren Taten durch englische Volks-lieder überall verbreitet wurden.

Hier ist der Hauptschauplatz unserer Erzählung; ihreZeit geht bis gegen das Ende der Regierung Richards I. zu-rück, wo dessen Rückkehr aus langer Gefangenschaft vonseinen verzweifelnden Untertanen, die jeder Art Bedrü-ckung ausgesetzt waren, mehr gewünscht als gehofft wurde.Der Adel, dessen Macht während Stephans Regierung unbe-grenzt geworden war und den nur die Klugheit Heinrichs II.der Krone unterwürfig gemacht, überließ sich jetzt wiederseiner Willkür, er verwarf den ohnmächtigen Einspruch desenglischen Staatsrats, befestigte seine Schlösser, verstärktedie Zahl seiner Hörigen, brachte alles in einen Stand der Va-sallenschaft, und strengte alle Kräfte an, um sich, jeder inseinem Kreis, an die Spitze einer Macht zu stellen, die einegroße Rolle in den bevorstehenden Staatserschütterungenspielen könnte.

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Die Lage des niederen Adels oder der Franklins, wie mansie nannte, die durch Gesetz und Geist der englischen Kons -titution berechtigt waren, sich unabhängig vom hohen Adelzu erhalten, wurde schwankend. Wenn er, was am öftestengeschah, sich unter den Schutz eines der kleinen Könige derNachbarschaft begab, in dessen Haus Lehnsdienste annahm,oder sich durch Bündnis verpflichtete, ihm in seinen Unter-nehmungen beizustehen, so konnte er damit eine augen-blickliche Sicherheit erkaufen, aber dann wurde jene Unab-hängigkeit geopfert, die jedem englischen Herzen teuer ist,und er war gewiss, als Partei in irgendein unbesonnenesUnternehmen verwickelt zu werden, zu dem der Ehrgeizseinen Schutzherrn verleitete. Auf der anderen Seite warendie Mittel der großen Barone zur Unterdrückung und Plageso vielfältig, dass es ihnen nie an einem Vorwand und seltenan dem Willen fehlte, bis zum Äußersten diejenigen ihrerweniger mächtigen Nachbarn zu verfolgen und zu quälen,die es wagten, sich von ihrer Oberherrschaft zu trennen undin diesen gefahrvollen Zeiten allein auf ihr tadelloses Betra-gen und die Gesetze des Landes vertrauten.

Ein Umstand, der sehr dazu beitrug, die Tyrannei desAdels, und die Bedrängnis der niederen Klassen desselbenzu erhöhen, entsprang aus den Folgen der Eroberung desHerzogs Wilhelm von der Normandie. Vier Generationenhatten das feindliche Blut der Normannen und Angelsach-sen nicht vermischen, noch durch gleiche Sprache und glei-che Interessen zwei feindliche Stämme miteinander verei-nigen können. Der eine fühlte stets den Stolz des Siegers,während der andere unter den Folgen der Niederlageschmachtete. Durch die Schlacht von Hastings kam dieMacht ganz in die Hand des normännischen Adels, und die-ser machte, wie unsere Geschichtsschreiber berichten, da-von keinen milden Gebrauch. Das ganze Geschlecht dersächsischen Fürsten und Edeln wurde entweder ausgerottetoder, mit wenigen Ausnahmen, ihres Erbteils beraubt; dieZahl derjenigen, die in dem Land ihrer Väter als Eigentümer

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Land besaßen, war darum nicht groß. Die königliche Gewalthatte sich lange bemüht, durch jedes gesetzliche und unge-setzliche Mittel die Macht desjenigen Teils der Bevölkerungzu schwächen, der, wie man mit Recht glaubte, tief einge-wurzelte Abneigung gegen seine Besieger nährte. Alle Köni-ge aus normannischem Stamm zeigten beständig Vorliebefür ihre normännischen Untertanen. Harte Gesetze, diedem milden, freien Geist der sächsischen Verfassung unbe-kannt, wurden dem Nacken der unterjochten Einwohneraufgebürdet, bei Hof und in den Schlössern der Großen, dieden Glanz und die Pracht des Hofes nachahmten, wurde nurnormännisch-französisch gesprochen, in den Gerichtshöfenerfolgten die Urteile und Klagen in dieser Sprache, kurz,Französisch war die Sprache der Vornehmen, der Ritter-schaft, und selbst der Gerechtigkeit, während das aus-drucksvolle Angelsächsische allein den Landleuten undKnechten überlassen blieb, die keine andere Sprache kann-ten. Die notwendige Gemeinschaft zwischen dem Herrn desGrundes und seinem Bebauer verursachte indes die allmäh-liche Bildung einer Mundart, aus dem Französischen undAngelsächsischen zusammengesetzt, in welcher sie sich ei-nander verständlich machen konnten; aus dieser Notwen-digkeit entstand nach und nach unsere englische Sprache,in welcher sich die Sprachen der Sieger und der Besiegtenglücklich vermischten, und die seitdem durch Worte ausden klassischen Sprachen und denen der Südländer Europasbereichert worden ist.

Ich fand es für notwendig, diesen Zustand der Dinge derMehrzahl meiner Leser bekannt zu machen, damit sie nichtvergessen, dass, obgleich keine großen geschichtlichen Er-eignisse, wie Krieg oder Aufstand, die Existenz der Angel-sachsen als eines besonderen Volkes während der RegierungWilhelm des Zweiten bezeichneten, dennoch eine National-verschiedenheit zwischen ihnen und ihren Siegern, so wiedie Erinnerung dessen, was sie waren, im Vergleich dessen,wozu man sie gebracht hatte, fortdauernd bis zur Regierung

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