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10 Die neue WOCHE Nr. 48 2. Dezember 2014 Australien Als die beiden das Gesamtwerk ihrer Gemeinschaftsarbeit vor sich sahen, entstand die Idee, die Ma- terialien auch für eine Ausstellung zu verwenden. „Ich fand es zu scha- de, die schönen Portraits einzig in dem Buch zu verstecken“, sagt Nielsen. Sie sollten für eine breite- re Öffentlichkeit zugänglich sein und damit mehr Aufmerksamkeit auf die Geschichte deutscher Migranten in Australien lenken. Die Idee für die Ausstellung war geboren. Nielsen und Rugel schlossen sich mit dem Designer David Wong zusammen und die Idee für „Memo- ries in my Luggage – German Migrants 1935 – 1956“ war gebo- ren. Nun galt es, Sponsoren und Teilnehmer zu suchen. Nach einem Jahr mühevoller Recherche und Organisation ist es nun soweit: Am Freitag, den 19. Dezember, wird die Ausstellung um 10.30 Uhr von dem deutschen Honorarkonsul in Victoria, Michael Pearce, offiziell im Wanderausstellung „Memories in my Luggage – German Migrants 1935 – 1956“ wird eröffnet „Heimat“ am anderen Ende der Welt: ein Reisegepäck voller Erinnerungen und Wurzeln Sydney – Übers Meer, durch die Lüfte, per Schiff, Flugzeug oder Fahrrad: Viele Wege führen nach Australien – und viele Deutsche ha- ben diese in den vergangenen 180 Jahren beschritten. Was Deutsche zwischen den Jahren 1935 und 1956 auf den Fünften Kontinent zog, hat die Schriftstellerin Sabine Nielsen, die selbst 1972 nach Melbourne ausgewandert ist, in ihrem 2014 veröffentlichten Buch „Ein bisschen Heimat im Gepäck“ anhand von 13 Einzelschicksalen dargestellt. Die ebenfalls in Victorias Metropole lebende deutsche Photographin Eva Maria Rugel hatte sich für das Buch bereit erklärt, Portraitaufnahmen dieser Migranten anzufertigen. George Dreyfus vor seiner Biblio- thek: Der in Wuppertal geborene Musiker und Komponist kam als Kind nach Australien. Bonegilla Migrant Reception Cent- re eröffnet. Anschließend durch- wandert sie bis zum Oktober 2015 verschiedene Orte in Victoria. Die Ausstellung veranschau- licht mit Bildaufnahmen, Erinnerun- gen und Geschichten die abenteu- erlichen Reisen und das neue Le- ben der Migranten vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg am an- deren Ende der Welt. Neben Photo- graphien und Texten werden eine di- gitale Präsentation sowie Informatio- nen über verschiedene Organisatio- nen, die den Migranten behilflich wa- ren und sie unterstützten – wie auch heute noch – geboten. „Alle sind ih- rer neuen Welt mutig begegnet, aber ein Stück Heimat ist mit ihnen ge- reist“, erläutert Nielsen. Bei „Heimat“ handele es sich dabei um weitaus mehr als ein „home“ oder „homeland“. Es beinhalte all das, was die Auswan- derer in sich tragen: die Erinnerun- gen, Verbindungen zu einem Ort und zu Menschen, denen sie sich zuge- hörig fühlen, ihre Wurzeln. Eine Vielfalt an Beweggründen wird präsentiert. „Memories in my Luggage“ zeigt, was Deutschsprachige dazu verleitet hat, ihre „Heimat“ hinter sich zu lassen und Koffer und Ta- schen für einen Neuanfang in der Fremde zu packen. Präsentiert wird eine Vielfalt an Beweggründen: Da sind zum Einen Vertriebene, Flücht- linge, aber auch Menschen, die schlichtweg das Reisefieber ge- packt hat. Demonstriert wird, wie das Land Down Under diese auf- nahm, erzählt wird von Warmher- zigkeit, aber auch über Hürden, von Distanz und Reserviertheit. „Ich wurde oft gefragt, weshalb ich aus- gerechnet diese Zeitspanne ausge- wählt habe“, sagt Organisatorin Nielsen. Aufgrund der beiden Welt- kriege sowie der unterschiedlichen Lebensweisen in Europa und Aus- tralien zeichne sich in diesen Jah- ren ein außergewöhnlicher Ein- schnitt im Denken der Deutschspra- chigen und der Australier ab. „Nicht alle Deutschsprachigen wurden unbedingt freundlich von den Aus- traliern aufgenommen“, betont sie. Zudem hätten viele damals keine Vorstellung davon gehabt, was sie am anderen Ende der Welt erwarte. „Sie kamen mitten im Nirgendwo an, untergebracht beispielsweise in spärlichen Wellblechhütten“, es sei häufig schwierig gewesen, sich ein- zuleben, unter anderem aufgrund des Klimas und der Sprachbarrie- ren. „Viele Auswanderer sind glück- lich, darüber zu sprechen.“ Schnell sprach sich das Projekt herum... Das erfuhr sie während der Ar- beiten an dem Buch: Schnell sprach sich herum, was die Schriftstellerin plante und im Schneeballeffekt ent- standen immer wieder neue Kon- takte – viel zu viele, um sie in einem einzigen Band darzustellen. In „Ein bisschen Heimat im Gepäck“ wer- den unter anderem das Schicksal des Musikers und Komponisten George Dreyfus, der gemeinsam mit seinem Bruder mit einem jüdischen Kindertransport 1938 in Australien ankam, geschildert. Interviewt hat Nielsen darin Karin Koeppen, die nach drei Versuchen aus der ehe- maligen DDR in den Westen fliehen konnte und bei einem Besuch in Melbourne anlässlich der olympi- schen Spiele im Jahre 1956 ihren zu- künftigen Ehemann kennenlernte und in Australien blieb. Über die Kriegs- wirren in Berlin erzählt hier der in die- sem Jahr verstorbene Fritz Schwab, der sich auch knapp sechs Jahrzehn- te nach seiner Ankunft in Australien weder als Australier, noch als Deut- scher definiert hatte: „Ich bin Berli- ner. (...) Berlin ist Berlin. Davon kommt man nicht los.“ Den außergewöhnli- chen Weg nach Down Under auf ei- nem Drahtesel portraitiert Nielsen mit der Geschichte von Fred Glas- brenner, der 1955 von Baden-Würt- temberg bis Melbourne radelte. All diese spannenden Geschich- ten aus dem Buch werden in der Ausstellung nun ausgeweitet. Sie bietet neben den Erinnerungen ver- schiedener Migranten auch Ein- blick in diverse Institutionen, die von Deutschsprachigen gegründet und gefördert wurden und anderen Deutschsprachigen wiederum hal- fen – und dies bis heute. Die Ausstellung solle dazu anre- gen, darüber nachzudenken, wie man sich selbst in dieser Situation wohl verhalten würde und wie die eigene Kultur und Sprache in der Fremde aufrecht erhalten werden kann, erklärt Nielsen. Damit sei sie von großer Aktualität, denn das Thema Migrati- on und Integration spielt in der Poli- tik heute sowohl in Europa als auch in Australien mehr denn je eine be- deutende Rolle. Die Ausstellung ist zudem nicht nur für Deutschsprachi- ge zugänglich, sondern auch Aus- traliern und Einwohnern oder Tou- risten jeder Nation. Aus diesem Grund eignet sie sich auch für Schulklassen gut, um einen Geschichtsunterricht der anderen Art zu erleben. Ein au- ßergewöhnlicher Unterricht ist vor allem auch bei den Gesprächen mit Zeitzeugen möglich. „Eine Unterhal- tung mit Zeitzeugen kann viel ein- prägsamer sein, als ein Geschichts- buch zu lesen“, betont Nielsen. Gemeinsamkeiten zu Migranten heute Letztendlich unterscheiden sich einige der Erfahrungen auch nicht unbedingt von denen, die junge Auswanderer heute machen. Wie werden Auswanderer willkommen geheißen, wie gewöhnen sie sich ein und wie fügen sie sich in die neuen Regeln, ein neues politisches und juristisches System ein? Wie funktioniert die multikulturelle Ge- sellschaft Down Under? All diese Fragen beschäftigen Neuankömm- linge heute nicht weniger als vor sechs oder mehr Jahrzehnten. Sol- che Fragen und Themen werden bei „Memories in my Luggage – Ger- man Migrants 1935 – 1956“ auch durch Foren, Gastredner und De- batten diskutiert. Zudem werden die Eröffnungsabenden stets mit Mu- sikprogramm untermalt, kündigen die Organisatoren Nielsen, Rugel und Wong an. Das jeweilige Vier- tel, in welchem die Ausstellung prä- sentiert wird, soll auch stets indivi- duell einbezogen werden: So wird sie beispielsweise von einer schwei- zerischen Bäckerei in Glen Waverley und einem deutschen Metzger un- terstützt. Die Schirmherrschaft hat der deutsch-australische Hilfsverein Melbourne (AGWS) übernommen und gesponsert wird das Projekt von Henkell Brothers Australia sowie von der Victorian Multicul- tural Commission. Ein ganzes Jahr lang ist die Aus- stellung an verschiedenen Orten in Melbourne zu sehen: Nach Bone- gilla geht es in die Glen Waverley Library, anschließend in die Brigh- ton Library, ins Goethe-Institut Melbourne, zur Chapel on Station in Box Hill, dem Tabulam und Temp- ler Homes in Bayswater, das West- vale Community Centre in St Alb- ans, ins Osborne House and Diver- sitat in Geelong, und schließlich wird sie im Oktober 2015 im deut- schen Club Tivoli enden. In diesem Zeitraum erscheint das Buch „Ein bisschen Heimat im Gepäck“ auch auf Englisch. Somit können sich eben- falls Nicht-Deutschsprachige neben der Ausstellung noch weiter mit der Geschichte deutscher Migranten in Australien beschäftigen. Nadine Halberkann Für Daten und Orte sehen Sie bitte die Anzeige auf Seite 12 Bilder v.l.: Konrad Fischer (v.l.), Fritz Glasbrenner und Theo Guth im Alter von 13 Jahren: Der Drahtesel war Glasbrenners Reisegefährte auf dem Weg von Deutschland nach Australien. Das Quamby Cafe ist das Original des heutigen Cuckoo Restaurants in den Dandenongs – eine beliebte Lokalität bei den Deutschsprachigen in Melbourne und Umgebung. Paul Anders und sein Goliath, 1961: Dreimal kehrte der Auswanderer in seine alte Heimat Deutschland zurück – doch jedes Mal zog es ihn wieder nach Australien. „Wer einmal Honig geschleckt hat, dem schmeckt die saure Milch nicht mehr“, war der Kommentar seines Melbourner Chefs dazu. Fotos: Privat Die meisten der Migranten, die in Melbourne ankamen, lebten in ihrer ersten Zeit in Australien in dem Migrantenlager Bonegilla. Foto: Sabine Nielsen

Wanderausstellung „Memories in my Luggage – German ......Kindertransport 1938 in Australien ankam, geschildert. Interviewt hat Nielsen darin Karin Koeppen, die nach drei Versuchen

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Page 1: Wanderausstellung „Memories in my Luggage – German ......Kindertransport 1938 in Australien ankam, geschildert. Interviewt hat Nielsen darin Karin Koeppen, die nach drei Versuchen

10 Die neue WOCHE Nr. 48 2. Dezember 2014Australien

Als die beiden das Gesamtwerkihrer Gemeinschaftsarbeit vor sichsahen, entstand die Idee, die Ma-terialien auch für eine Ausstellungzu verwenden. „Ich fand es zu scha-de, die schönen Portraits einzig indem Buch zu verstecken“, sagtNielsen. Sie sollten für eine breite-re Öffentlichkeit zugänglich seinund damit mehr Aufmerksamkeitauf die Geschichte deutscherMigranten in Australien lenken.

Die Idee für dieAusstellung war geboren.

Nielsen und Rugel schlossensich mit dem Designer David Wongzusammen und die Idee für „Memo-ries in my Luggage – GermanMigrants 1935 – 1956“ war gebo-ren. Nun galt es, Sponsoren undTeilnehmer zu suchen. Nach einemJahr mühevoller Recherche undOrganisation ist es nun soweit: AmFreitag, den 19. Dezember, wird dieAusstellung um 10.30 Uhr von demdeutschen Honorarkonsul inVictoria, Michael Pearce, offiziell im

Wanderausstellung „Memories in my Luggage – German Migrants 1935 – 1956“ wird eröffnet

„Heimat“ am anderen Ende der Welt: einReisegepäck voller Erinnerungen und WurzelnSydney – Übers Meer, durch die Lüfte, per Schiff, Flugzeug oder

Fahrrad: Viele Wege führen nach Australien – und viele Deutsche ha-ben diese in den vergangenen 180 Jahren beschritten. Was Deutschezwischen den Jahren 1935 und 1956 auf den Fünften Kontinent zog,hat die Schriftstellerin Sabine Nielsen, die selbst 1972 nach Melbourneausgewandert ist, in ihrem 2014 veröffentlichten Buch „Ein bisschenHeimat im Gepäck“ anhand von 13 Einzelschicksalen dargestellt. Dieebenfalls in Victorias Metropole lebende deutsche Photographin EvaMaria Rugel hatte sich für das Buch bereit erklärt, Portraitaufnahmendieser Migranten anzufertigen.

George Dreyfus vor seiner Biblio-thek: Der in Wuppertal geboreneMusiker und Komponist kam alsKind nach Australien.

Bonegilla Migrant Reception Cent-re eröffnet. Anschließend durch-wandert sie bis zum Oktober 2015verschiedene Orte in Victoria.

Die Ausstellung veranschau-licht mit Bildaufnahmen, Erinnerun-gen und Geschichten die abenteu-erlichen Reisen und das neue Le-ben der Migranten vor, während undnach dem Zweiten Weltkrieg am an-deren Ende der Welt. Neben Photo-graphien und Texten werden eine di-gitale Präsentation sowie Informatio-nen über verschiedene Organisatio-nen, die den Migranten behilflich wa-ren und sie unterstützten – wie auchheute noch – geboten. „Alle sind ih-rer neuen Welt mutig begegnet, aberein Stück Heimat ist mit ihnen ge-reist“, erläutert Nielsen. Bei „Heimat“handele es sich dabei um weitausmehr als ein „home“ oder „homeland“.Es beinhalte all das, was die Auswan-derer in sich tragen: die Erinnerun-gen, Verbindungen zu einem Ort undzu Menschen, denen sie sich zuge-hörig fühlen, ihre Wurzeln.

Eine Vielfalt anBeweggründen wird präsentiert.

„Memories in my Luggage“zeigt, was Deutschsprachige dazuverleitet hat, ihre „Heimat“ hintersich zu lassen und Koffer und Ta-schen für einen Neuanfang in derFremde zu packen. Präsentiert wirdeine Vielfalt an Beweggründen: Dasind zum Einen Vertriebene, Flücht-linge, aber auch Menschen, dieschlichtweg das Reisefieber ge-packt hat. Demonstriert wird, wiedas Land Down Under diese auf-nahm, erzählt wird von Warmher-zigkeit, aber auch über Hürden, vonDistanz und Reserviertheit. „Ichwurde oft gefragt, weshalb ich aus-gerechnet diese Zeitspanne ausge-wählt habe“, sagt OrganisatorinNielsen. Aufgrund der beiden Welt-kriege sowie der unterschiedlichenLebensweisen in Europa und Aus-tralien zeichne sich in diesen Jah-ren ein außergewöhnlicher Ein-schnitt im Denken der Deutschspra-

chigen und der Australier ab. „Nichtalle Deutschsprachigen wurdenunbedingt freundlich von den Aus-traliern aufgenommen“, betont sie.Zudem hätten viele damals keineVorstellung davon gehabt, was sieam anderen Ende der Welt erwarte.„Sie kamen mitten im Nirgendwo an,untergebracht beispielsweise inspärlichen Wellblechhütten“, es seihäufig schwierig gewesen, sich ein-zuleben, unter anderem aufgrunddes Klimas und der Sprachbarrie-ren. „Viele Auswanderer sind glück-lich, darüber zu sprechen.“

Schnell sprachsich das Projekt herum...

Das erfuhr sie während der Ar-beiten an dem Buch: Schnell sprachsich herum, was die Schriftstellerinplante und im Schneeballeffekt ent-standen immer wieder neue Kon-takte – viel zu viele, um sie in einemeinzigen Band darzustellen. In „Einbisschen Heimat im Gepäck“ wer-den unter anderem das Schicksaldes Musikers und KomponistenGeorge Dreyfus, der gemeinsam mitseinem Bruder mit einem jüdischenKindertransport 1938 in Australienankam, geschildert. Interviewt hatNielsen darin Karin Koeppen, dienach drei Versuchen aus der ehe-maligen DDR in den Westen fliehenkonnte und bei einem Besuch inMelbourne anlässlich der olympi-schen Spiele im Jahre 1956 ihren zu-künftigen Ehemann kennenlernte undin Australien blieb. Über die Kriegs-wirren in Berlin erzählt hier der in die-sem Jahr verstorbene Fritz Schwab,der sich auch knapp sechs Jahrzehn-te nach seiner Ankunft in Australienweder als Australier, noch als Deut-scher definiert hatte: „Ich bin Berli-ner. (...) Berlin ist Berlin. Davon kommtman nicht los.“ Den außergewöhnli-chen Weg nach Down Under auf ei-nem Drahtesel portraitiert Nielsen mitder Geschichte von Fred Glas-brenner, der 1955 von Baden-Würt-temberg bis Melbourne radelte.

All diese spannenden Geschich-ten aus dem Buch werden in derAusstellung nun ausgeweitet. Siebietet neben den Erinnerungen ver-schiedener Migranten auch Ein-blick in diverse Institutionen, dievon Deutschsprachigen gegründetund gefördert wurden und anderenDeutschsprachigen wiederum hal-fen – und dies bis heute.

Die Ausstellung solle dazu anre-gen, darüber nachzudenken, wie man

sich selbst in dieser Situation wohlverhalten würde und wie die eigeneKultur und Sprache in der Fremdeaufrecht erhalten werden kann, erklärtNielsen. Damit sei sie von großerAktualität, denn das Thema Migrati-on und Integration spielt in der Poli-tik heute sowohl in Europa als auchin Australien mehr denn je eine be-deutende Rolle. Die Ausstellung istzudem nicht nur für Deutschsprachi-ge zugänglich, sondern auch Aus-traliern und Einwohnern oder Tou-risten jeder Nation. Aus diesem Grundeignet sie sich auch für Schulklassengut, um einen Geschichtsunterrichtder anderen Art zu erleben. Ein au-ßergewöhnlicher Unterricht ist vorallem auch bei den Gesprächen mitZeitzeugen möglich. „Eine Unterhal-tung mit Zeitzeugen kann viel ein-prägsamer sein, als ein Geschichts-buch zu lesen“, betont Nielsen.

Gemeinsamkeitenzu Migranten heute

Letztendlich unterscheiden sicheinige der Erfahrungen auch nichtunbedingt von denen, die jungeAuswanderer heute machen. Wiewerden Auswanderer willkommengeheißen, wie gewöhnen sie sichein und wie fügen sie sich in dieneuen Regeln, ein neues politischesund juristisches System ein? Wiefunktioniert die multikulturelle Ge-sellschaft Down Under? All dieseFragen beschäftigen Neuankömm-linge heute nicht weniger als vorsechs oder mehr Jahrzehnten. Sol-che Fragen und Themen werden bei„Memories in my Luggage – Ger-man Migrants 1935 – 1956“ auch

durch Foren, Gastredner und De-batten diskutiert. Zudem werden dieEröffnungsabenden stets mit Mu-sikprogramm untermalt, kündigendie Organisatoren Nielsen, Rugelund Wong an. Das jeweilige Vier-tel, in welchem die Ausstellung prä-sentiert wird, soll auch stets indivi-duell einbezogen werden: So wirdsie beispielsweise von einer schwei-zerischen Bäckerei in Glen Waverleyund einem deutschen Metzger un-terstützt. Die Schirmherrschaft hatder deutsch-australische HilfsvereinMelbourne (AGWS) übernommenund gesponsert wird das Projektvon Henkell Brothers Australiasowie von der Victorian Multicul-tural Commission.

Ein ganzes Jahr lang ist die Aus-stellung an verschiedenen Orten inMelbourne zu sehen: Nach Bone-gilla geht es in die Glen WaverleyLibrary, anschließend in die Brigh-ton Library, ins Goethe-InstitutMelbourne, zur Chapel on Stationin Box Hill, dem Tabulam und Temp-ler Homes in Bayswater, das West-vale Community Centre in St Alb-ans, ins Osborne House and Diver-sitat in Geelong, und schließlichwird sie im Oktober 2015 im deut-schen Club Tivoli enden. In diesemZeitraum erscheint das Buch „Einbisschen Heimat im Gepäck“ auch aufEnglisch. Somit können sich eben-falls Nicht-Deutschsprachige nebender Ausstellung noch weiter mit derGeschichte deutscher Migranten inAustralien beschäftigen.

Nadine Halberkann

Für Daten und Orte sehen Siebitte die Anzeige auf Seite 12

Bilder v.l.: Konrad Fischer (v.l.), Fritz Glasbrenner und Theo Guth im Alter von 13 Jahren: Der Drahtesel war Glasbrenners Reisegefährte auf dem Weg von Deutschland nachAustralien. Das Quamby Cafe ist das Original des heutigen Cuckoo Restaurants in den Dandenongs – eine beliebte Lokalität bei den Deutschsprachigen in Melbourne und Umgebung.Paul Anders und sein Goliath, 1961: Dreimal kehrte der Auswanderer in seine alte Heimat Deutschland zurück – doch jedes Mal zog es ihn wieder nach Australien. „Wer einmal Honiggeschleckt hat, dem schmeckt die saure Milch nicht mehr“, war der Kommentar seines Melbourner Chefs dazu. Fotos: Privat

Die meisten der Migranten, die in Melbourne ankamen, lebten in ihrerersten Zeit in Australien in dem Migrantenlager Bonegilla.

Foto: Sabine Nielsen