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„Der Unterschied?“ „Einfach die Behinderung, mehr nicht…“ So trocken und sachlich antwortete mir „Doña Nary“, die Stellvertreterin Tarijas der „Special Olympics“ und gleichzeitig Mutter von Ana-Paula einer Teilnehmerin, auf die Frage, welche Unterschiede sie zwischen den „Olympischen Spielen“ und den „Special Olympics“ sieht. Natürlich ist die Antwort offensichtlich und für einen kurzen Moment, war es mir ein bisschen peinlich, diese Frage gestellt zu haben. Aber was ist mit den vielen feinen Unterschieden, die ich während meinen Aufenthalt vor und hinter den Kulissen der „Special Olympics“ (für Menschen mit vorwiegend geistiger Behinderungen) in La Paz bemerkt habe? Ich war noch nicht live bei den „Olympischen Spielen“ dabei, aber schlafen denn zum Beispiel alle Teilnehmer aus den verschiedenen (Bundes-)Ländern während den „Spielen“ gemeinsam in einem Schlafsaal? Essen sie gemeinsam zu Mittag und lachen, plaudern vor- und nach dem Wettkampf ohne Skrupel mit ihren Gegnern? Hallt der Austragungsort aufgrund der wenigen Zuschauer auch so? Schimmeln die Gymnastikmatten vor Feuchtigkeit schon? Fangen die Disziplinen um Stunden später an oder fallen gar kurzfristig aus? Aber steht gleichzeitig auch der Spaß am Sport im Vordergrund und nicht nur der Sieg? Ich glaube es gibt Unterschiede… Aber vielleicht ist es auch nicht wichtig zu unterscheiden und man sollte die Spiele einfach so wie sie sind mit ihrem eigenen Charme, mit ihren Vor- und Nachteilen annehmen und genießen. Die ca. 600 Teilnehmer aus den acht Departamentos (Bundesländern) Boliviens: Beni, Pando, Santa Cruz, Chuquisaca, Tarija, La Paz, Potosí und Oruro haben sich in zehn verschiedensten Disziplinen gemessen. Von Basketball, Schwimmen, Tennis, Fußball, Kugelstoßen bis hin zu Leichtathletik und rhythmische Sportgymnastik. Diese „Olympiadas especiales“ dienen gleichzeitig zur Auswahl der Teilnehmer die 2011 in Griechenland an den weltweiten „Special Olympics“ für Bolivien antreten werden.

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„Der Unterschied?“ „Einfach die Behinderung, mehr nicht…“So trocken und sachlich antwortete mir „Doña Nary“, die Stellvertreterin Tarijas der „Special Olympics“ und gleichzeitig Mutter von Ana-Paula einer Teilnehmerin, auf die Frage, welche Unterschiede sie zwischen den „Olympischen Spielen“ und den „Special Olympics“ sieht. Natürlich ist die Antwort offensichtlich und für einen kurzen Moment, war es mir ein bisschen peinlich, diese Frage gestellt zu haben. Aber was ist mit den vielen feinen Unterschieden, die ich während meinen Aufenthalt vor und hinter den Kulissen der „Special Olympics“ (für Menschen mit vorwiegend geistiger Behinderungen) in La Paz bemerkt habe? Ich war noch nicht live bei den „Olympischen Spielen“ dabei, aber schlafen denn zum Beispiel alle Teilnehmer aus den verschiedenen (Bundes-)Ländern während den „Spielen“ gemeinsam in einem Schlafsaal? Essen sie gemeinsam zu Mittag und lachen, plaudern vor- und nach dem Wettkampf ohne Skrupel mit ihren Gegnern? Hallt der Austragungsort aufgrund der wenigen Zuschauer auch so? Schimmeln die Gymnastikmatten vor Feuchtigkeit schon? Fangen die Disziplinen um Stunden später an oder fallen gar kurzfristig aus? Aber steht gleichzeitig auch der Spaß am Sport im Vordergrund und nicht nur der Sieg? Ich glaube es gibt Unterschiede… Aber vielleicht ist es auch nicht wichtig zu unterscheiden und man sollte die Spiele einfach so wie sie sind mit ihrem eigenen Charme, mit ihren Vor- und Nachteilen annehmen und genießen.

Die ca. 600 Teilnehmer aus den acht Departamentos (Bundesländern) Boliviens: Beni, Pando, Santa Cruz, Chuquisaca, Tarija, La Paz, Potosí und Oruro haben sich in zehn verschiedensten Disziplinen gemessen. Von Basketball, Schwimmen, Tennis, Fußball, Kugelstoßen bis hin zu Leichtathletik und rhythmische Sportgymnastik.Diese „Olympiadas especiales“ dienen gleichzeitig zur Auswahl der Teilnehmer die 2011 in Griechenland an den weltweiten „Special Olympics“ für Bolivien antreten werden.

Disziplin Fußball der Frauen- Disziplin Basketball, eine schnelle Partie- Disziplin Kugelstoßen-Cochabamba hat gewonnen mit lautstarken Fans aus Potosí mit leeren Rängen

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Zum letzteren genannten der „Rhythmischen Sportgymnastik“ hatte ich einen besonderen Zugang, da zwei Mädchen aus meinem Projekt in dieser Disziplin teilgenommen haben. Sie haben sich ca. für einen Monat dafür alle zwei Tage getroffen und mi t einer Studentin trainiert. Da Tarija nicht wie andere Departamentos ausgebildete Trainer für die „Olympiadas especiales“ hat, haben sie gemeinsam mit der jungen Studentin und Videos die aus La Paz geschickt wurden, die Choreografie der rhythmischen Sportgymnastik eingeübt. Durch diese Umstände gab es am Ende leider einen großen Eklat, da die Gruppe aus Chuquisaca die falschen Videos erhalten hatte und so komplett andere Tänze trainiert hatte. Deshalb gewannen sie trotz sehr guten Leistungen am Ende gar nichts und wurden disqualifiziert. Es gab viele Tränen und enttäuschte Gesichter nicht nur bei den Teilnehmern auch die Trainerin konnte ihre Wut über diesen Fehler der Verantwortlichen in La Paz nicht unterdrücken und es kam während der Zeremonie der Siegerehrung zu hitzigen Wortwechseln. Letzten Endes bekam das Team aus Chuquisaca jedoch die Möglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt, bis sie die anderen Choreografien einstudiert haben, nochmal vor der Jury zu tanzen. Jedoch ohne der Atmosphäre der „Special Olympics“ und in diesem Moment war das wohl eher nur ein kleiner Trost.

Die anderen Mannschaften haben sich dagegen in verschieden Levels mit unterschiedlichen Geräten, wie dem Reifen, Seil, Ball, mit Keulen oder eine Art Tuch gemessen. Bei der Darbietung wurden von der Jury verschiedene Schwierigkeiten genau unter die Lupe genommen und es kam zum Beispiel darauf an, die einzelnen Passagen möglichst flüssig zu verbinden, im Takt der Musik zu bleiben und die Tanzschritte natürlich technisch korrekt auszuführen und sich dabei graziös zu bewegen.

Es war sehr unterschiedlich wie meine Mädels den Wettkampf aufgenommen haben. Die etwas jüngere, Carola zum Beispiel wollte am Ende der Vorbereitungszeit nicht mehr richtig trainieren und war ein bisschen faul sich zu bewegen. Als es in La Paz jedoch darauf ankam hat sie die Aufregung der anderen Leute kalt gelassen und sie hat, so schien es mir, ohne jegliches Lampenfieber und in aller Ruhe ihre Präsentation abgeliefert. Dieses „lässige“ Verhalten kann auch durch Merkmale ihrer Behinderung (Trisomie 21/ Down Syndrom) verstärkt werden. So sind typische Eigenschaften zum Beispiel Charakterstärke, das heißt sie sind oft auf sich, ihren Willen und ihre Bedürfnisse fixiert, möchten diese dann auch durchsetzten und lassen sich nicht sehr von außenstehenden Personen beeinflussen. So fällt es ihr, Carola, vielleicht einfacher die Menschen um sich herum mit ihren Wünschen und Erwartungen einfach auszublenden, sich nicht groß von ihrem Weg ablenken zu lassen und so ihr „Ding“ zu machen, wenn sie das denn will.

So gab es zum Beispiel noch eine andere sehr impulsive Teilnehmerin ebenfalls mit Trisomi 21,welche so viel Spaß an der Präsentation vor der Jury hatte, dass sie auch als die Musik schon längst aus war, mit voller Leidenschaft noch weiter getanzt hatte und ihre Trainerin sie regelrech einfangen musste um für die nächste Teilnehmerin die Bühne frei zu machen.

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Die „Special Olympics“ sind sicher nicht nur ein sportlicher Wettkampf. Es ist eine Möglichkeit für die Teilnehmer sich zu präsentieren, zu zeigen was sie können und endlich aus ihrem meist von Eintönigkeit und Einschränkungen geprägten Alltag heraus zu kommen und sich auszudrücken. Und wer ist nicht Stolz auf sich, wenn er seinen Namen für den ersten Platz hörend, das Gewicht der Medaille um den Hals spürend und die Zurufe seiner jubelnden Familie sehend auf einem Siegertreppchen steht!

Es war eine interessante und spannende Zeit auf den „Special Olympics“ und ich bin der Meinung, auf keiner anderen Veranstaltung mehr Überraschungen über die sportlichen Leistungen und gleichzeitig so viel Spaß und Leidenschaft in den einzelnen Disziplinen zu finden!

Die Mädels für Tarijamit ihren extra für die „Special Olympics“ angefertigten Dress

Leere um und in den Veranstaltungsorten