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ABB. 1 SCHEMATISCHE DARSTELLUNG EINES INFLUENZA-A-VIRUS Am 27. April 2009 berichtete die WHO von 26 Fällen einer humanen Infektion mit einem Schweine-Influ- enza-Virus vom Typ H1N1. Weitere Fälle wurden zunächst in den USA, Kanada und Spanien bekannt; heute ist dieses neue H1N1-Influenza-Virus auf der ganzen Welt verbreitet – die WHO hat mittlerweile die höchste Pandemie-Warnstufe ausgerufen. Kor- rekter als die Bezeichnung „Schwei- negrippe“ (es handelte sich dann um eine Erkrankung von Schweinen!) ist die Bezeichnung, die auch vom Robert-Koch-Institut bevorzugt wird: „Neue Influenza A/H1N1“. Das neue Influenza-A/H1N1-Virus wird als die größte Gefahr für eine Pandemie der humanen Influenza seit dem erstmaligen Auftreten des H3N2-Virus in Jahr 1968 angesehen. Um was für ein Virus handelt es sich bei dem neuen H1N1-Typ? Ist es ein Schweinegrippe-Virus? Influenza-Viren werden serolo- gisch in drei Typen unterschieden: A, B und C. Während Influenza-B- und C- Viren humanspezifisch sind, kommen Influenza-A-Viren endemisch auch in Tieren wie Vögeln (hauptsächlich Wasservögeln) und Säugetieren (z.B. Schweinen und Menschen) vor. Influenza-Viren gehören zu den RNA-Viren, ihre Genome sind in acht RNA-Fragmente aufgeteilt, die für Hä- magglutinin (HA), Neuraminidase (NA), das Hüllprotein M1, das Poren- protein M2, die regulatorischen Pro- teine NS1 und NS2, sowie die RNA- Polymerase-Untereinheiten PB1, PB2 und PA codieren (Abb. 1). Influenza- Viren können in 16 HA-Gruppen (H1- H16) und 9 NA-Gruppen (N1-N9) un- terschieden werden. Alle diese Sub- typen kommen in allen denkbaren Kombinationen in Vögeln vor, während beim Menschen die Subty- pen H1N1 und H3N2 vorherrschen TREFFPUNKT FORSCHUNG | wortlich, dass das Chloroquin in der sauren Vakuole durch Protonierung des basischen Stickstoffs gefangen bleibt. Eine solche Diethylamino- gruppe wurde über einen Ethoxy- Spacer an das Acridinon gebaut. Eine Diethylaminoethylkette, die direkt am Stickstoff des Ringgerüstes sitzt, ist ein Wasserstoffbrückenakzeptor, der für die Chemosensitizer-Eigen- schaften wichtig ist, wie in früheren Studien aufgefallen war. Damit hat das hier entwickelte Acridinon, [3-(Chlor-6-(2-diethylamino-ethoxy)- 10-(2-diethylamino-ethyl)-acridinon] (Abb. 1) einen dualen Wirkmechanis- mus und ist gegen Chloroquin- empfindliche und –resistente Plasmo- dien wirksam [2]. Die Substanz ist in der Lage, Plas- modien quantitativ zu töten; der ED 90 -Wert liegt zwischen 56 und 88 mg/kg und Tag, was noch deut- lich verbesserungswürdig ist. Bemer- kenswert ist die Synergie mit ande- ren „Quinen“, wie Chloroquin, Amo- diaquin, Chinin oder Piperaquin, je- doch nicht mit Mefloquin. Sie sorgt für eine Reduktion des ED 90 -Wertes um den Faktor 4. Die Substanz scheint wenig to- xisch zu sein und interagiert trotz ih- rer Ähnlichkeit zu Antidepressiva nicht mit Serotonin-, Dopamin- oder Noradrenalin-Transportern. Sicher ist das hier präsentierte Acridinon noch nicht die Substanz, die in die klinischen Studien gehen wird, jedoch stellt es ein interessan- tes Konzept zur Entwicklung von dual wirkenden Antimalariamitteln dar. Es sei allerdings angemerkt, dass für Primaquin und Tafenoquin ein ähnliches Wirkprofil diskutiert wird. [1] Kelly, J.X., Smilkstein, M.J., Cooper, R.A., et al.: Design, synthesis, and evaluation of 10-N-substituted acridinones as novel che- mosensitizer in Plasmodium Falciparum. Antimicrob. Agents Chemother. 51 (2007), 4133-4140. [2] Kelly, J.X., Smilkstein, M.J., Brun, R., et al.: Discovery of dual function acridinones a new antimalarial chemotype. Nature 459 (2009), 270-273. Ulrike Holzgrabe, Würzburg 488 | Pharm. Unserer Zeit | 6/2009 (38) www.pharmuz.de © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim MEDIZIN | Was ist das Besondere am neuen Schweinegrippe-Virus? Seit April 2009 – seit Bekanntwerden der ersten Fälle der so genannten Mexikanischen Grippe – schürt ein von Mensch zu Mensch übertrag- bares „Schweinegrippe“-Virus Angst vor einer Influenza-Pandemie beim Menschen. Was ist das für ein Virus? Nucleoprotein (NP) M1-Protein Polymerase PB2 PB1 PA 3' 5' M2-Tetramer HA-Trimer NA-Tetramer (–)-RNA Nucleocapsid- Segment (8) PB1 = katalytische Untereinheit der Polymerase PB2 = 5'-Cap-Bindungsstelle und Endonukleaseaktivität der Polymerase PA = vRNA-Synthese-aktive Untereinheit der Polymerase M1 = Matrix-Protein M2 = Ionen-Kanal HA = Hämagglutinin zur Rezeptorbindung NA = Neuraminidase Influenza-Viren sind von einem Membran umhüllt, die von der Cytoplasmamembran der infizierten Wirtszelle stammt. In die Membran sind verschiedene virusspezifische Proteine eingelagert. Insgesamt 8 RNA-Fragmente enthalten die gene- tische Information eines Influenza-A-Virus.

Was ist das Besondere am neuen Schweinegrippe-Virus?

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A B B . 1 S C H E M AT I S C H E DA R S T E L LU N G

E I N E S I N F LU E N Z A - A -V I R U S

Am 27. April 2009 berichtete dieWHO von 26 Fällen einer humanenInfektion mit einem Schweine-Influ-enza-Virus vom Typ H1N1. WeitereFälle wurden zunächst in den USA,Kanada und Spanien bekannt; heuteist dieses neue H1N1-Influenza-Virusauf der ganzen Welt verbreitet – dieWHO hat mittlerweile die höchstePandemie-Warnstufe ausgerufen. Kor-rekter als die Bezeichnung „Schwei-negrippe“ (es handelte sich dann umeine Erkrankung von Schweinen!) istdie Bezeichnung, die auch vomRobert-Koch-Institut bevorzugt wird:„Neue Influenza A/H1N1“.

Das neue Influenza-A/H1N1-Viruswird als die größte Gefahr für einePandemie der humanen Influenzaseit dem erstmaligen Auftreten desH3N2-Virus in Jahr 1968 angesehen.Um was für ein Virus handelt es sichbei dem neuen H1N1-Typ? Ist es einSchweinegrippe-Virus?

Influenza-Viren werden serolo-gisch in drei Typen unterschieden: A,B und C. Während Influenza-B- und C-Viren humanspezifisch sind, kommenInfluenza-A-Viren endemisch auch inTieren wie Vögeln (hauptsächlichWasservögeln) und Säugetieren (z.B.Schweinen und Menschen) vor.

Influenza-Viren gehören zu denRNA-Viren, ihre Genome sind in achtRNA-Fragmente aufgeteilt, die für Hä-magglutinin (HA), Neuraminidase(NA), das Hüllprotein M1, das Poren-protein M2, die regulatorischen Pro-teine NS1 und NS2, sowie die RNA-Polymerase-Untereinheiten PB1, PB2und PA codieren (Abb. 1). Influenza-Viren können in 16 HA-Gruppen (H1-H16) und 9 NA-Gruppen (N1-N9) un-terschieden werden. Alle diese Sub-typen kommen in allen denkbarenKombinationen in Vögeln vor,während beim Menschen die Subty-pen H1N1 und H3N2 vorherrschen

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wortlich, dass das Chloroquin in dersauren Vakuole durch Protonierungdes basischen Stickstoffs gefangenbleibt. Eine solche Diethylamino-gruppe wurde über einen Ethoxy-Spacer an das Acridinon gebaut. EineDiethylaminoethylkette, die direktam Stickstoff des Ringgerüstes sitzt,ist ein Wasserstoffbrückenakzeptor,der für die Chemosensitizer-Eigen-schaften wichtig ist, wie in früherenStudien aufgefallen war. Damit hatdas hier entwickelte Acridinon, [3-(Chlor-6-(2-diethylamino-ethoxy)-10-(2-diethylamino-ethyl)-acridinon](Abb. 1) einen dualen Wirkmechanis-mus und ist gegen Chloroquin-empfindliche und –resistente Plasmo-dien wirksam [2].

Die Substanz ist in der Lage, Plas-modien quantitativ zu töten; derED90-Wert liegt zwischen 56 und 88 mg/kg und Tag, was noch deut-lich verbesserungswürdig ist. Bemer-kenswert ist die Synergie mit ande-ren „Quinen“, wie Chloroquin, Amo-diaquin, Chinin oder Piperaquin, je-doch nicht mit Mefloquin. Sie sorgtfür eine Reduktion des ED90-Wertesum den Faktor 4.

Die Substanz scheint wenig to-xisch zu sein und interagiert trotz ih-rer Ähnlichkeit zu Antidepressivanicht mit Serotonin-, Dopamin- oderNoradrenalin-Transportern.

Sicher ist das hier präsentierteAcridinon noch nicht die Substanz,die in die klinischen Studien gehen

wird, jedoch stellt es ein interessan-tes Konzept zur Entwicklung vondual wirkenden Antimalariamittelndar. Es sei allerdings angemerkt,dass für Primaquin und Tafenoquinein ähnliches Wirkprofil diskutiertwird.

[1] Kelly, J.X., Smilkstein, M.J., Cooper, R.A., et al.: Design, synthesis, and evaluation of10-N-substituted acridinones as novel che-mosensitizer in Plasmodium Falciparum.Antimicrob. Agents Chemother. 51(2007), 4133-4140.

[2] Kelly, J.X., Smilkstein, M.J., Brun, R., et al.:Discovery of dual function acridinones anew antimalarial chemotype. Nature 459(2009), 270-273.

Ulrike Holzgrabe, Würzburg

488 | Pharm. Unserer Zeit | 6/2009 (38) www.pharmuz.de © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

M E D IZ I N|Was ist das Besondere am neuenSchweinegrippe-Virus?Seit April 2009 – seit Bekanntwerden der ersten Fälle der so genanntenMexikanischen Grippe – schürt ein von Mensch zu Mensch übertrag-bares „Schweinegrippe“-Virus Angst vor einer Influenza-Pandemie beimMenschen. Was ist das für ein Virus?

Nucleoprotein(NP)

M1-Protein

Polymerase

PB2PB1PA

3' 5'M2-Tetramer

HA-Trimer

NA-Tetramer

(–)-RNANucleocapsid-

Segment(8)

PB1 = katalytische Untereinheit der PolymerasePB2 = 5'-Cap-Bindungsstelle und Endonukleaseaktivität der PolymerasePA = vRNA-Synthese-aktive Untereinheit der PolymeraseM1 = Matrix-ProteinM2 = Ionen-KanalHA = Hämagglutinin zur RezeptorbindungNA = Neuraminidase

Influenza-Viren sind von einem Membran umhüllt, die vonder Cytoplasmamembran der infizierten Wirtszelle stammt.In die Membran sind verschiedene virusspezifische Proteineeingelagert. Insgesamt 8 RNA-Fragmente enthalten die gene-tische Information eines Influenza-A-Virus.

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breitung von H1N1-Influenza-Virenbereits seit den 1930er Jahren be-kannt. Sporadisch wurde immer wie-der über Fälle einer Infektion vonMenschen mit klassischen Schweine-Influenza-Viren berichtet, wobei al-lerdings immer ein direkter Kontaktder Patienten mit Schweinen als Ur-sache der Infektion ermittelt werdenkonnte. Dabei ist die Symptomatikder „Schweinegrippe“ beim Men-schen der saisonalen humanen Influ-enza sehr ähnlich, auch von Todesfäl-len – gerade bei Patienten mit Risiko-faktoren – wurde berichtet. Aller-dings wurden keine Mensch-zu-Mensch-Übertragungen festgestellt.

Scheinbar wurde die vorherr-schende Population von H1N1-Virenin Schweinen in den letzten zehn

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(Abb. 2). Bei Schweinen dominierendie Subtypen H1N1, H3N2 undH1N2.

Innerhalb eines Virus-Subtypswie z.B. H1N1 können sich dieserologischen Eigenschaften der Vi-ren stark auseinander entwickeln, sodass unter Umständen Viren ent-stehen, die auf immunologisch naiveBevölkerungsgruppen treffen undsich dort stark durchsetzen. SolcheViren haben generell das Potenzial,eine Pandemie auszulösen. Die gra-duelle Veränderung der serologi-schen Antigene beruht auf Mutati-onen, die im wesentlichen durch Ko-pierfehler der viralen RNA-Polymera-se entstehen (man spricht von Anti-gen-Drift). Sie sind die Ursache dafür,dass der Impfstoff gegen die saisona-le Influenza in jedem Jahr an die je-weils zirkulierenden Virus-Stämmeangepasst werden muss.

Aufgrund der segmentalen Auftei-lung der Influenza-Virusgenome istes möglich, dass bei gleichzeitiger In-fektion derselben Zellen mit mehre-ren Viren neue Virus-Subtypen mitkombinatorisch durchmischten Ge-nomen entstehen (man spricht vonReassortment und von Antigen-Shift). Solche Viren haben ein nochgrößeres Potenzial zur pandemischenAusbreitung, da nun nicht nur antige-ne Eigenschaften starken Veränderun-gen unterliegen, sondern auch dieVirulenz der Viren in einem bestimm-ten Wirt stark erhöht sein kann.

Um eine für den Menschengefährliche Pandemie auslösen zukönnen, müssen die Viren zusätzlichnoch die Fähigkeit haben oder er-werben, von Mensch zu Menschübertragen werden zu können.

Schweine sind schon lange als„Schmelztiegel“ für die Generierungneuer Influenza-Virus-Subtypendurch Reassortment bekannt. Dashat etwas mit der Bindung der Influ-enza-Viren an die infizierten Zellenzu tun: Auf den Zellen des menschli-chen Bronchialepithels kommenZuckerketten vor, die bevorzugt mitterminalen Sialinsäureresten enden,die α(2,6)-glycosidisch mit Galactoseverbunden sind. Im Bronchialepithel

von Vögeln dagegen kommen haupt-sächlich α(2,3)-verknüpfte Sialin-säurereste vor. Die Influenza-Virenbinden über das HA-Protein an Sia-linsäure und sind an die verschie-denen Verknüpfungstypen angepasst.Aus diesem Grund kann ein aviäresInfluenza-Virus wie das berüchtigteH5N1 einen Menschen relativschlecht infizieren. Im Bronchial-epithel von Schweinen allerdingskommen α(2,3)- und α(2,6)-ver-knüpfte Sialinsäurereste nebeneinan-der vor, so dass sowohl humane alsauch aviäre Influenza-Viren Schweineleicht superinfizieren können – guteVoraussetzungen also für die Bildungneuer Reassortanten (vgl. Abb. 2).

In nordamerikanischen Schweine-Beständen ist die endemische Ver-

Genetische Neukombination("Shift") eines Virus aus

2 Vorgängerviren

"normales"menschlichesGrippevirus

Vogelgrippe-virus

aviär-humanreassortiertes

Virus

H1-H16N1-N9

H1N1H3N2

SA-α2,6-Gal

SA-α2,3-Gal

SA-α2,6-GalSA-α2,3-Gal

H1N1H3N2H1N2

Angegeben sind dieverschiedenen, inden jeweiligenSpezies vorkom-menden Influenza-A-Subtypen.Außerdem sind dievorherrschendenVerknüpfungsty-pen von Sialinsäure(SA) mit Galactose(Gal) gezeigt. Auseiner Neukombina-tion von Virus-Ge-nomfragmentenaus an Mensch,Vogel und Schweinadaptierten Virenist u.a. auch dasneue Schweine-grippe-Virus S-OIVhervorgegangen.

A B B . 2 R E A S S O R T M E N T AV I Ä R E R U N D H U M A N E R I N F LU E N Z A -

G E N O M E I M S C H W E I N

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

Jahren zunehmend durch Dreifach-Reassortanten der H1N1-, H3N2- undH1N2-Subtypen verdrängt. Bei einemdieser Viren, einem InfluenzaA/H1N1-Subtyp, besteht das Genomaus fünf Segmenten eines „klassi-schen“ Schweine-Influenza-Virus dernordamerikanischen Schweine-Popu-lation, zwei Segmenten aus Vogel-In-fluenza-Viren und einem Segmentaus dem saisonalen humanen Influ-enza-Virus (Abb. 3) [1]. Auch bei spo-radischen Infektionen von Menschenmit dieser Reassortante wurdenzunächst keine nachfolgendenMensch-zu-Mensch-Übertragungenbeobachtet.

Diese Situation hat sich geändert,seit die ersten Fälle einer „neuen hu-manen Influenza“ berichtet wurden,die offensichtlich auch von Menschzu Mensch übertragen werden kann.Eine detaillierte Analyse von Virus-Isolaten der ersten 642 Fälle eines

Ausbruches in den USA belegen, dasssich die oben erwähnten Dreifach-Reassortanten der H1N1-Schweine-Influenza-Viren erneut durch Anti-gen-Shift verändert haben [2]. Dieseneue Virus-Variante wird in der Lite-ratur nun als „swine-origin influen-za A (H1N1) virus“, abgekürzt S-OIV, bezeichnet [2]. Wie in Abbil-dung 3 zu erkennen ist, handelt essich möglicherweise um die „Reas-sortante einer Reassortante“, was ein-drucksvoll das Potenzial zur Bildungneuer Virus-Subtypen durch Antigen-Shift in Schweinen unterstreicht.

Obwohl der Krankheitsverlaufder Neuen Influenza A/H1N1 relativmilde verläuft, ist die Ansteckungs-gefahr recht hoch, und was beson-ders besorgt ist, dass eine bestehen-de Impfung gegen die saisonale hu-mane Influenza wahrscheinlich nichtvor S-OIV schützen kann. Schließlichist die „Neue Grippe“ sogar erst da-

durch identifiziert worden, dass Vi-rus-Isolate von Infizierten mit serolo-gischen Methoden zwar als „Influ-enza A“, nicht aber als einer der der-zeit vorherrschenden H1N1- oderH3N2-Subtypen identifiziert werdenkonnte.

Nach Angaben der WHO warenmit Stand 27. Juli 2009 134.503 Fälleder neuen „pandemic (H1N1)“ regis-triert worden. Davon endeten 816Krankheitsverläufe tödlich. Mittler-weile hat die WHO die Fall-Zählungeneingestellt, um die Referenzlabors an-gesichts der nächsten saisonalen hu-manen Grippe zu entlasten. InDeutschland listet das Robert-Koch-Institut 19.015 Fälle (Stand 17. Sep-tember 2009). Angesichts der hohenZahl von Infektionen mit der saisona-len Influenza – in der Saison 2007/08wurden 446.000 Fälle von akuten re-spiratorischen Erkrankungen (ARE)registriert und 46 % der nach Falldefi-nition von Sentinel-Ärzten an das Na-tionale Referenzzentrum eingesand-ten Proben als Influenza-positiv getes-tet [4] – scheint das Problem„Schweine-Grippe“ nicht besondersgroß zu sein. Was Sorge bereitet istdie Fähigkeit der Viren, in kurzer Zeitimmer neue Varianten hervor-zubringen. Wir stehen zurzeit vor dernächsten Influenza-Saison. Nicht aus-zudenken wäre, wenn sich aus den S-OIV und den sowieso zirkulierendenhumanen H1N1- oder H3N2-Subty-pen ein noch besser an den Men-schen angepasster Stamm mit hoherVirulenz und bisher nicht aufge-tretenen antigenen Eigenschaften ent-wickeln würde. Ein Impfstoff gegenS-OIV soll im Herbst bereitstehen.

[1] Shine, V., et al.: Triple-reassortant swineinfluenza A (H1) in humans in the unitedstates, 2005-2009. N. Engl. J. Med. 360(2009), 2616-2625.

[2] Novel Swine-Origin Influenza A (H1N1) Virus Investigation Team: Emergence of a novel swine-origin influenza A (H1N1) virus in humans. N. Engl. J. Med. 360(2009), 2605-2615.

[3] http://www.who.int/csr/don/2009_07_27/en/index.html

[4] http://influenza.rki.de/agi/GetBericht?id=215

Thomas Winckler, Jena

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MNA

HA

NSNP

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Mensch,saisonales H3N2

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HA

NSNP

PA

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MNA

HA

NSNP

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Klassisches H1N1-Schweine-Virus(Nordamerika-Linie)

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MNA

HA

NSNP

PA

Eurasisches H1N1-Schweine-Virus

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PB2

MNA

HA

NSNP

PA

Vogel(Nordamerika-Linie)

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MNA

HA

NSNP

PA

Schwein, H3N2

Schwein, H3N2Tripel-Reassortante

PB1

PB2

MNA

HA

NSNP

PA

Schwein, H1N1Tripel-Reassortante

PB1

PB2

MNA

HA

NSNP

PA

"swine-origininfluenza A (H1N1)virus", S-OIV

A B B . 3 | E N T W I C K LU N G D E S S - O I V

Ausgangspunkt waren zunächst das saisonale, humane Virus des Typs H3N2, dasmit einem H1N1-Virus aus der nordamerikanische Schweine-Linie eine neue Reas-sortante bildete, die danach mit einem aviären Virus der Nordamerika-Linie die er-ste Tripel-Reassortante des Typs H3N2 im Schwein bildete. Die zweite Tripel-Reas-sortante bildete sich, als erneut das klassische H1N1-Virus aus dem Schwein mit-mischte und das Gensegment für Hämagglutinin lieferte. Schließlich kam noch daseurasische H1N1-Schweine-Virus dazu. Die neue Reassortante ist das S-OIV. DieGensegmente des Influenza-Virus sind der Einfachheit halber als farbige Rechteckegezeichnet und mit den Kürzeln der Genprodukte versehen, für die sie codieren (vgl. Abb. 1).