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journal club
30 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2012; 14 (12)
Fragestellung: Unterscheiden sich die Effektivitäten der kog-nitiven Verhaltenstherapie (KVT) und der psychodynamischen Psychotherapie (PDT) in der Routineversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Langzeitverlauf?
Hintergrund: Die Debatte zu Wirksamkeitsunterschieden von KVT und PDT wird von Fachkreisen, den Leistungsträgern im Gesundheitssystem und der Öffentlichkeit mit Interesse ver-folgt. Vor dem Hintergrund teils inkonsistenter Einzelergebnis-se zeigen aktuelle Metaanalysen keine eindeutige Überlegenheit für eines der Verfahren.
Patienten und Methodik: Im Rahmen einer größeren Studie [1] wurden 189 stationäre Patienten (ohne schwere körperliche Erkrankungen oder psychotische Störungen) in einem rando-misierten und kontrollierten Design einer KVT oder PDT zu-geordnet (Gruppentherapie über sechs Wochen, drei bis vier Sitzungen pro Woche, nicht manualisierte Routinetherapie). Der Haupt-Outcome-Parameter war die mithilfe der Symp-tom-Checklist-14 bestimmte Schwere der Symptome (GSI-SCL-14).
Ergebnisse: Die 189 randomi-sierten Patienten beendeten die Akutbehandlung (21 bis 84 Tage); 147 wurden in die 6-Mo-nats-Katamnese eingeschlos-sen. Diagnostische Hauptkate-gorien: Depression (42,2%), Anpassungsstörung (25,2%) und Angststörungen (12,2%).
Kognitive Verhaltens- und psychodynamische Psychotherapie
Was ist im Alltag effektiver?
−Kommentar von PD Dr. Christoph Nissen
Relevante Daten für die RoutineversorgungDie gut durchgeführte Untersuchung spricht gegen das Äqui-valenzparadoxon, das eine Gleichwertigkeit verschiedener Verfahren mit unterschiedlichem theoretischem Hintergrund und unterschiedlichem therapeutischem Vorgehen postuliert. Bei der Ergebnisinterpretation muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Kurzzeitformat und der Fokus auf Achse-I-Störungen möglicherweise die Wirksamkeit der KVT favorisie-ren. Fragen zur Wirksamkeit von Einzelpsychotherapie, Lang-zeitpsychotherapie und zur Wirk samkeit bei anderen psychischen Störungen können nicht beantwortet werden. In einem zuvor publizierten Studienteil mit systematischer Zu-ordnung zum Therapieverfahren unter Berücksichtigung von Patientencharakteristika erzielte die PDP vergleichbare Effek-te wie die KVT [1]. Vor dem Hintergrund dieser Einschränkun-gen legt diese Studie aber überzeugende Daten vor, dass in einer Routineversorgung mit begrenzten Ressourcen die KVT-der PDT überlegen ist. Die Daten sind relevant für die Auswahl
geeigneter Therapieverfahren und für die Allokation von Res-sourcen im Gesundheitssystem.
Referenz1. Watzke B et al. Brit J Psychiatry 2010; 197: 96 – 105
PD Dr. med. Christoph Nissen, Freiburg i. Br.
Oberarzt; Leitung der AG Neurophysiologie, Universitätsklinikum FreiburgE-Mail: [email protected]
Watzke B, Rüddel H, Jürgen-sen R et al. Longer term out-come of cognitive-behavioural and psychodynamic psycho-therapy in routine mental health care: Randomised con-trolled trial. Behav Res Ther 2012; 50: 580 – 7
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1 Effektstärken von PDT und KVT von Baseline bis zum Ende des Follow-up-Zeitraums für die Symptomschwere (GSI), die gesundheits-bezogene Lebensqualität (MCS) und interpersonellen Störungen (IIP).
55,4% der Patienten in der KVT- und 57,4% in der PDT-Gruppe führten die ambulante Psychotherapie der jeweiligen Ausrichtung bis zum Katamne sezeitpunkt fort. Demografische und klinische Parameter bei Baseline sowie die Drop-out-Raten zeigten keine signifikanten Gruppenunterschiede. Als Hauptergebnis wiesen Patienten der KVT-Gruppe eine signifikant geringere globale Symptomschwere (SCL-14) zum Katamnesezeitpunkt auf, als Pa-tienten der PDT-Gruppe (▶Abb. 1). Auch bei den sekundären Outcome-Parametern war die KVT-Gruppe überlegen.
Schlussfolgerung: Die Studie zeigt eine Überlegenheit von KVT versus PDT bei verschiedenen psychischen Erkrankungen in der stationären Routineversorgung im Langzeitverlauf.