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24. September 2010 Forum VERA 1 Was ist natürliche und künstliche Radioaktivität? – Auswirkungen auf Umwelt und Leben Einführung zum Weiterbildungsseminar des Forum VERA Freitag, 24. September 2010 Urs Frick, Geochemiker a.D.

Was ist natürliche und künstliche Radioaktivität ...Urs Frick, Geochemiker a.D. 24. September 2010 Forum VERA 2 Warum herrscht verbreitete Angst (Radiophobie)? Wie entsteht radioaktiver

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24. September 2010 Forum VERA 1

Was ist natürliche undkünstliche Radioaktivität? –Auswirkungen auf Umwelt und Leben

Einführung zum Weiterbildungsseminar des Forum VERA

Freitag, 24. September 2010

Urs Frick, Geochemiker a.D.

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� Warum herrscht verbreitete Angst (Radiophobie)?

� Wie entsteht radioaktiver Abfall?

� Wie wirkt Strahlung?

� Wie kann man sich vor Strahlung – auch aus nuklearen Abfällen – schützen?

Alle fürchten sich vor Radioaktivität –mit Ausnahme der Experten.

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Man spricht und debattiert heute viel über Energie

� Vorteil – die Bevölkerung wird sensibilisiert zum Thema Energie1, weil wichtige Rohstoffe auf der Welt immer knapper werden.

� Nachteil – es wird zu einem Grossteil emotional diskutiert und es besteht die Gefahr, dass sachliche Argumente in emotional geführten Diskussionen untergehen. Energiethemen sind sehr komplex. Um nachhaltige2 Lösungenfinden zu können, braucht es etwas Grundwissen und einige technische Kenntnisse.

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Über was spricht man?

� Es werden häufig entweder nur die Vorteile oder nur die Schattenseiten einergewissen «Energie» diskutiert – die einen verteufeln, die andern beschönigen, während die «Wahrheit» irgendwo dazwischen liegt.

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Was wissen wir bereits über Radioaktivität? Eindrücke

� Wir alle kennen Berichte über Kernkraftwerke, Demonstrationen, das ungelöste Abfallproblem und die Atombomben....

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Was wissen wir über Radioaktivität?

� Wir alle wissen, dass es radioaktive Strahlung gibt;

� diese ist «ionisierend», das heisst, diese Strahlung kann Atome und Moleküle elektrisch aufladen 1.

� Wir unterscheiden 2 Zerfallsarten2:– Alphazerfall, sendet

energiereiche Alphateilchen (Heliumkerne) aus

– Betazerfall, sendet energiereiche Betateilchen (Elektronen) aus

� Bei beiden Zerfallsarten wird oft auch Gammastrahlung ausge-sandt, ein energiereiches, unsicht-bares, durchdringendes Licht («Photonen»), mit ähnlichen Eigen-schaften wie Röntgenstrahlung.

Es ist nicht gewiss, dass alles ungewiss sei.

Blaise Pascal

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Hat natürliche Radioaktivität einen Nutzen?

� Wenn es keine Radioaktivität gäbe, wären alle Planeten und unsere Erde kalte Himmelskörper, weil die innere Heizung fehlt 1,2.

� Es gäbe keine «Geologie», Vulkane, Erdbeben, Tsunamis, keine Plattentektonik oder Gesteinskreisläufe.

� Es gäbe auch kein Wasser, kaum eine Atmosphäre und damit kein Leben...

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Wo kommt Radioaktivität in der Natur vor?

� Radioaktivität ist eine natürliche Eigenschaft von Materie.

� Ein explodierender Stern (oben) – auch «Supernova1» genannt – hat unmittelbar vor dem Entstehen unseres Sonnensystems radioaktive Elemente in einen planetaren «Nebel» geschleudert

� Diese Radioaktivität wurde in Planeten, Kometen, Asteroiden und Meteoriten eingebaut.

� Die langlebigen «Überbleibsel» dieser Radioaktivität findet man heute noch in Gesteinen.

� Granite (unten links) enthalten mehr Radioaktivität als andere Gesteine.

� Vererzungen2 (unten rechts: Gestein mit schwarzen Uranmineralien) können aber sehr viel mehr Radioaktivität enthalten.

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Pechblende – ein hochgradiges Uranerz

� Bild links: die pechschwarze Mineralisation im Schwarzwaldgranit ist fast reines Uranoxid.

� Bild rechts: praktische reines, hochgradiges Uranerz, aus Oklo (Gabun). In dieser Region wurden fossile – das heisst, fast zwei Milliarden Jahre alte –natürliche Reaktoren gefunden1.

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Wo kommt Radioaktivität in der Natur auch vor?

� Teilchen der kosmischen Strahlung (aus dem Weltraum (Bild oben; Schwarze Löcher sind kosmische Teilchenbeschleuniger...) und von der Sonne (aus Sonnenflecken, Bild unten) treffen auf die irdische Atmosphäre.

� Bei der Kollision mit Sauerstoff und Stickstoff entstehen in der Luft kleine Mengen radioaktiver Stoffe 1.

� Dabei entsteht auch sekundäre Strahlung, die etwa 5–20% zur jährlichen Strahlendosis der Bevölkerung beiträgt.

� Die Strahlendosis aus der kosmischen Strahlung nimmt mit der Höhe zu und wird für das Flugpersonal bei interkontinentalen Flügen «erheblich» (...).

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Woher stammt «künstliche» Radioaktivität?

� Der grösste Anteil künstlicher Radioaktivität entsteht bei der Kernspaltung in Reaktoren. Grosse Mengen der Spalt- und Aktivierungsprodukte1 bleiben im Brennstoff eingeschlossen = hochaktiver Abfall.

(schwach- und mittelaktive Abfälleentstehen durch (...) «Neutronen-aktivierung» in Reaktorinstallationen und Korrosionsmaterial)

� Teilchenbeschleuniger für die Kernforschung produzieren ebenfallserhebliche Mengen Radioaktivität. Die sehr energiereichen Teilchen können bei der Kollision mit Materie Atome«zerschlagen»2 – deren Bruchstücke sind fast immer radioaktiv.

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Wie kann man sich Kernspaltung vorstellen?

Uranatom235U Uranatom «236U»

spaltet nach Neutroneneinfangsofort «spontan» Radioaktives

Bariumatom 144Ba

RadioaktivesKryptonatom 89Kr

Neutron1n

1n

1n

1n

Wärme

Neutronen induzierte Kernspaltung führt zu einer kontrollierten Kettenreaktion im Reaktor; Wärme entsteht durch einen kleinen Massenverlust (Einstein) und den Rückstoss der Trümmerkerne (...)

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Was wissen wir über radioaktive Abfälle?

� Radioaktive Abfälle entstehen zum grossen Teil in Kernkraftwerken, stammen aber auch aus Medizin, Industrie und Forschung.

� Radioaktive Stoffe sind wie ein Gift. Deren Aktivität klingt teilweise nur langsam ab. Sie müssen deshalb sorgfältig und für sehr lange Zeiten eingeschlossen werden.

� Das Risiko aus den Abfällen wird stark vermindert, wenn diese zunächst in eine stabile, unlösliche Form verarbeitet, dann kontrolliert zwischengelagert und für die langfristig sichere Entsorgung in geologischen Tiefenlagern eingeschlossen werden.

Schwach- und mittelaktive Abfallfässer werden für die Endlagerung in Betoncontainer einzementiert

Verbrauchter Reaktorbrennstoff ist hochaktiver Abfall und wird in «Castoren» zwischengelagert

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Kann man Radioaktivität sehen, fühlen, riechen?

� Radioaktive Strahlung können wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen.

� Weil radioaktive Strahlen ionisieren, können sie in Materie Spuren1,2

hinterlassen und deshalb auf verschiedene Art und Weise – unter anderem auch in Messgeräten – schnell nachgewiesen werden.

� Radioaktive Strahlen bringen fluoreszierende Stoffe zum Leuchten3 und schwärzen Fotopapier4.

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Welche Einheiten werden im Zusammenhang mit Radioaktivität verwendet?

� Für die Mengenbezeichnung von Radioaktivität sind Volumen- oder Gewichtsangaben wenig praktisch. Eine fast unsichtbare Menge eines radioaktiven Stoffes kann unter Umständen sehr stark – und umgekehrt eine grosse Masse sehr wenig strahlen.

� Man gibt deshalb die Aktivitäteines Stoffes in der Einheit «Becquerel»1 an:

– ein «Becquerel» (Bq) bedeutet, dass ein Atom pro Sekunde zerfällt.

� Das Becquerel ist eine sehr kleine Einheit, wie die Angaben auf der Tabelle links zeigen.

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Welche Einheiten werden im Zusammenhang mit Radioaktivität verwendet? (für Interessierte)

� Das «Abbremsen» radioaktiver Strahlen – das heisst, die Absorption von Strahlenenergie –hinterlässt in Materie Schäden.

� Die Wirkung radioaktiver Strahlung auf den lebenden Organismus wird Strahlendosis genannt.

� Die Einheit für Strahlendosen wird in «Sievert» oder «Millisievert»angegeben (1 Sv1 = 1000 mSv)

– verschiedene Organe reagieren sehr unterschiedlich auf radioaktive Strahlung

– die Wirkung hängt stark von der Art oder Energie der Strahlung und von biologischen Faktoren ab

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Wie kann man Radioaktivität messen?

� Es gibt einfache Messgeräte – zum Beispiel Geigerzähler1 oder Dosimeter –welche Strahlung schnell registrieren, die von aussen wirkt. Mit solchen Geräten lassen sich meistens auch Strahlenarten unterscheiden, nicht aber die strahlenden Atomarten (Isotopen, Radionuklide) identifizieren.

� Für Lebensmittel sind aufwändigere und sehr viel empfindlichere Apparate notwendig, weil damit sehr viel kleinere Mengen radioaktiver Stoff aufgespürt werden müssen. Solchen Geräte können die Strahlenenergien messen und Radionuklide identifizieren.

Verschiedene digitale Geigerzähler (links) und Messeinrichtung eines Kantonslabors (rechts)

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Man sollte alles so einfach wie möglich sehen –aber auch nicht einfacher.

Albert Einstein

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Wie stellen wir uns Atome vor?1

� Atome sind die kleinsten «Bausteine» der Materie, die auf chemischen Weg nicht weiter teilbar sind 2.

� Atome enthalten einen Kern und eine Hülle aus Elektronen , wobei die Hülle rund 100'000-mal grösser ist als der Kern

� Atomkerne sind aus zwei verschiedenen Kernbausteinen3 aufgebaut: Protonen Neutronen 4

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Atome, Moleküle, Verbindungen, Ionen und «ionisieren

� Atome können Verbindungen eingehen und Moleküle bilden. Elektrisch geladene Moleküle oder Atome werden «Ionen» genannt1.

� Treffen radioaktive Strahlen auf Materie, reicht deren Energie aus, um Elektronen aus den Atomhüllen wegzuschleudern; Atome oder Moleküle werden «ionisiert».

� Das verbleibende 4He-Atom (Bild2) bleibt für eine Weile positiv geladen («ionisiert»), bis es wieder ein Elektron einfängt.

� Andere Strahlen (Mikrowellen, elektromagnetische Handystrahlung, Ultraviolett usw.) haben zu wenig Energie, um Materie zu ionisieren – also elektrisch aufzuladen.

Elektronenhülle1-fach negativ geladen

Atomkern 2-fach positiv geladen

weg geschleudertes Elektron(negativ geladen)

radioaktive Strahlung

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Die einfachsten Atome

� Hier gezeigt die verschiedenen Atomarten des Elementes Wasserstoff(1 Proton; 0, 1 oder 2 Neutronen) und Helium (2 Protonen; 1 oder 2 Neutronen)

� Je mehr Protonen, umso mehr Neutronen sind notwendig, um einen Kern zusammen zu halten. Schwere Atomkerne enthalten immer mehr Neutronen als Protonen.

� Die Anzahl der Protonen (positiv geladen) entspricht der Anzahl Elektronen(negativ geladen) und bestimmt das chemische Element.

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Das Atommodell – konventionell oder mal anders

� Im Bild links die «übliche» Darstellung des Kohlenstoffatoms 12C. Der Atomkern besteht aus 6 Protonen und 6 Neutronen;

� der Atomkern (links) lässt sich bei grösseren Atomen kaum mehr übersichtlich darstellen, weil immer einzelne Kernbausteine verdeckt sind.

� Man könnte sich einen solchen Kern unüblicherweise aber auch als Ring (rechts) vorstellen. Damit liessen sich alle Kernbausteine übersichtlich darstellen.

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Der «Zerfall» ist eigentlich eine Umwandlung

� Links ist die radioaktive Atomart von Kohlenstoff gezeigt. Der Atomkern heisst 14C und hat 6 Protonen, wie das stabile 12C (Massenzahl 12), hingegen hat 14C 8 statt 6 Neutronen (6+8 ergibt Massenzahl 14).

� Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wandelt sich in einem instabilen Atomkern ein Neutron in ein Proton um (Mitte). Dabei entsteht «Strahlung»1. Der neue Kern heisst 14N (Stickstoff)

� Da sich im gezeigten Fall ein neutraler Baustein in einen positiven umwandelt, entsteht zum Erhalt der Ladung ein negativ geladenes Elektron. Dieses wird als Betateilchen mit unterschiedlich hoher Energie weggeschleudert2.

� In vielen Fällen – nicht aber beim Zerfall von 14C – bleibt noch überschüssige Energie im Atomkern, die als Gammastrahlung ausgesandt wird.

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Die Zerfallsarten

� Betazerfall1 – häufigste Zerfallsart; Aussenden von Betateilchen (Elektronen) ist häufig begleitet von Gammastrahlung aus dem Kern.

� Alphazerfall2 – nur schwere Atomkerne können Alphateilchen («Heliumkerne)» aussenden. Häufig begleitet von Gammastrahlung aus dem Kern.

� Gammastrahlen – ein unsichtbares, sehr kurzwelliges, energiereiches und durchdringendes Licht («Photonen»), werden bei den meisten Alpha- und Betazerfällen gleichzeitig – manchmal aber auch verzögert 3 – ausgesandt.

α−Teilchen

β−Teilchen

γ−Strahlung

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Schemata des Betazerfalls1 für Wissbegierige

� Modelldarstellung des «Beta-minus-Zerfalls»:

das β– -Teilchen entsteht, wenn sich im Kern ein Neutron in ein Proton und ein negativ geladenes

Elektron umwandelt.

� Modelldarstellung des «Beta-plus-Zerfalls»:

das β+ -Teilchen entsteht, wenn sich im Kern ein Proton in ein Neutron und dabei ein positiv

geladenes Elektron («Positron») umwandelt.

� Modell des Elektroneneinfangs – ein Elektron

der innersten Schale der Hülle kann sich mit

einem Proton des Kerns zu einem Neutron

vereinigen. Im Kern ergibt sich dasselbe

Ergebnis wie beim Beta+-Zerfall, es wird aber

kein Betateilchen ausgesandt2!

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Eigenschaften der drei Strahlenarten

� Alphateilchen bleiben in einem Blatt Papier oder in wenigen cm Luft stecken.

� Betateilchen haben verschiedene Energien, werden immer in 1 – 2 mm Glas oder Aluminium völlig blockiert. Die Reichweite in Luft beträgt wenige Meter

� Gammastrahlen («Photonen») haben ebenfalls unterschiedliche Energien, typische Strahlen werden in 7 mm Blei, 30 mm Stein oder 80 mm Wasser auf die Hälfte abgeschwächt und dabei gestreut. Je nach Energie durchdringen Gammastrahlen bis zu mehreren hundert Meter Luft.

� Röntgenstrahlen («Photonen») verhalten sich ähnlich, haben aber meist weniger Energie, damit geringere Reichweiten und werden beim «Abbremsen« ebenfalls gestreut.

Die drei Strahlenarten haben in Materie

sehr unterschiedliche Reichweiten.

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Strahlenwirkung auf Körpergewebe

� Alphateilchen vermögen die Hornschicht1 der Haut nicht zu durchdringen.

� Betateilchen dringen wenige mm tief in Körpergewebe ein2.

� Gamma- wie auch Röntgenstrahlung wird von Körperteilen teilweise absorbiert3 und

gestreut.

Die Strahlenwirkung («Dosis»)hängt sehr stark ab von der

Strahlenenergie, der Strahlenart, derArt der Exposition (externe Strahlung,

Körperaufnahme durch Ingestion oder Inhalation) und den biologischen

Faktoren der einzelnen Nuklide4.

Eine gewisse Aktivitätsmenge hat nach Körperaufnahme

immer eine wesentlichgrössere Dosis5 zur Folge, als wenn die Strahlung von aussen

auf den Körper wirkt.

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Wie schützen wir uns vor Strahlung?

� Markieren, Abschirmen und Einschliessen von radioaktiven Stoffen

� Körperaufnahme von radioaktiv kontaminierten Stoffen mit der Nahrung oder über die Atemwege (Staub) vermeiden

� Kurzfristige Massnahmen bei der Handhabung:

– Aufenthaltszeit im Strahlenfeld möglichst einschränken

– Abstand einhalten, Dosiskontrollen

� Langfristige Massnahmen1 falls entsorgt werden muss:

– geologische Tiefenlagerung in genügend stabilen Gesteinsschichten.

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Wann darf man hochaktive Abfälle berühren?

� Gemäss Strahlenschutzverordnung nie, aber...

� nach wenigen hundert Jahren hätten kurze Aufenthaltszeiten in der Nähe von hochaktivem Abfall keine gesundheitlichen Auswirkungen.

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Expositionsarten und Radiotoxizität einiger Nuklide

� In der Grafik sind für ausgewählte natürliche und künstliche Radionuklide die Folgedosen für je 100'000 Bq gerechnet1:

– externe Bestrahlung

– Ingestion

– Inhalation� Beachten Sie die fehlenden

Unterschiede zwischen natürlichen und künstlichen Radionukliden und

� Beachten Sie die grosse grosse Giftigkeit der alpha Strahler (Uran, Thorium, Americium) im Falle von Inhalation2

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Zusammenfassung I

� Es ist heute unwahrscheinlich geworden, dass jemand unwissentlich radioaktiver Strahlung ausgesetzt ist, weil alltägliche radioaktive Gegenstände1 vollständig wegreguliert sind.

� Gegen direkte Strahlung kann man sich einfach schützen2.� Direkte Strahlung – vor allem die durchdringende Gammastrahlung – ist

biologisch sehr viel weniger wirksam als wenn die strahlenden Nuklide in Körperorganen eingelagert sind, wo Alpha- oder Betastrahlen Zellen schädigen können.

� Radioaktive Stoffe, welche die Strahlung mit der geringsten Eindringtiefe aussenden, sind die weitaus giftigsten... (Alphastrahler3)

� direkte Strahlung von radioaktiv kontaminierten Böden – zum Beispiel beim Erzabbau oder Kernunfällen4 – ist immer mit sehr viel weniger Risiken verbunden, als wenn geringste Mengen solcher Kontaminationen in den Körper gelangen (...)

Unbedingt jegliche Körperaufnahme radioaktiver Stoffevia Nahrungsmittel oder Einatmen verhindern!

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«Tiefenlager» sind international (IAEA etc.) als einzige Massnahmezur langfristig sicheren Entsorgung radioaktiver Abfälle empfohlen.

Zusammenfassung II

� Es gibt verschiedene Möglichkeiten sich vor radioaktiver Strahlung zu schützen. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen hängt weitgehend vom Menschen und der gesellschaftlichen «Qualität» des Umfeldes ab1.

� Einzelne radioaktive Abfallstoffe sind aber weit über den Zeitrahmen hinaus «giftig», um einer menschlichen Zivilisation die Kontrolle zu überlassen2. Denn selbst langfristig dürfen radioaktive Abfallstoffe nicht in den Nahrungsmittelkreislauf gelangen.

� Eine wissenschaftlich gut begründete Entsorgung in tiefen Endlagern sorgt für den langfristig sicheren Schutz. Eine richtig ausgewählte Geologie ist die beste Hüterin der Abfälle und technische Barrieren (Behälter, Verfüllung usw.) reduzieren die Risiken weiter.