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Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG Projekt: Umbau der Wasserkraftanlage Bad Kösen Auftraggeber: Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG Fischereibiologisches Gutachten Auftragnehmer: Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH Regionalbereich Mitte Rießnerstraße 18 99427 Weimar Projektleitung: Dipl.-Ing. (FH) Tim Hofmann Fachliche Qualitätssicherung: Dipl.-Ing. Udo Link Bearbeitung: Dipl.-Biol. Dirk Böhme Weimar, 28.09.2012 Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH i.V. Tim Hofmann Dipl.-Biol. Dirk Böhme Fachgebietsleiter Umwelt Büro für Wasserwirtschaft und Umwelt

Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG...Ursprünglich handelte es sich um ein Steinkastenwehr aus Natursteinquadern mit einem Bretteraufsatz. Auf der Mühlenseite ist im Wehrkörper

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  • Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG

    Projekt: Umbau der Wasserkraftanlage Bad Kösen

    Auftraggeber: Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG

    Fischereibiologisches Gutachten

    Auftragnehmer: Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH Regionalbereich Mitte Rießnerstraße 18 99427 Weimar

    Projektleitung: Dipl.-Ing. (FH) Tim Hofmann

    Fachliche Qualitätssicherung: Dipl.-Ing. Udo Link

    Bearbeitung: Dipl.-Biol. Dirk Böhme

    Weimar, 28.09.2012

    Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH

    i.V. Tim Hofmann Dipl.-Biol. Dirk Böhme Fachgebietsleiter Umwelt Büro für Wasserwirtschaft und Umwelt

  • Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG

    Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH Regionalbereich Mitte Rießnerstraße 18 D-99427 Weimar Telefon +49 (0) 3643 746-401 Telefax +49 (0) 3643 746-435 E-Mail [email protected] www.hydroprojekt.de

    Umbau der Wasserkraftanlage Bad Kösen

    Fischereibiologisches Gutachten

    September 2012

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    WKA Bad Kösen Fischereibiologisches Gutachten

    120917_Fischereibiologie.doc

    Inhalt

    1 VERANLASSUNG................................................................................................................... 3 2 STANDORTVERHÄLTNISSE ................................................................................................ 3 3 GEWÄSSERCHARAKTERISTIK .......................................................................................... 5 4 FISCHBESTAND DER SAALE IM PROJEKTGEBIET ....................................................... 7

    4.1 POTENZIELLES NATÜRLICHES REFERENZARTENSPEKTRUM .............................................. 7 4.2 AKTUELLER FISCHBESTAND DER SAALE ............................................................................ 8 4.3 MAßGEBLICHER FISCHBESTAND FÜR BEMESSUNG DER FISCHWEGE .............................. 11 4.4 WANDERZEITRÄUME ........................................................................................................ 14

    4.4.1 Aalmigration ............................................................................................................ 14 4.4.2 Auf- und Abstieg anadromer Großsalmoniden sowie des Flussneunauges ..... 14 4.4.3 Auf- und Abstieg potamodromer Charakterarten ................................................. 16

    4.5 FISCHEREILICHE BEWIRTSCHAFTUNG .............................................................................. 16

    5 AUSWIRKUNGEN DES VORHABENS AUF DEN FISCHBESTAND ............................. 16 5.1 BAUBEDINGTE WIRKUNGEN ............................................................................................. 16

    5.1.1 Temporäre Flächenbelegung im Flussbett ........................................................... 17 5.1.2 Stoffliche Emissionen der Baustelle ..................................................................... 17 5.1.3 Lärm und Erschütterungen im Wasserkörper ...................................................... 18 5.1.4 Einschränkungen der fischereilichen Nutzung ..................................................... 18

    5.2 ANLAGEBEDINGTE WIRKUNGEN ....................................................................................... 18 5.2.1 Dauerhafte Flächenbelegung im Flussbett .......................................................... 18 5.2.2 Barrierewirkung für stromauf gerichtete Fischwanderungen .............................. 19

    5.3 BETRIEBSBEDINGTE WIRKUNGEN .................................................................................... 19 5.3.1 Fischschädigung durch Turbinenpassage ........................................................... 19 5.3.2 Veränderte Strömungsmuster im Unterwasser der WKA ................................... 26 5.3.3 Anteilig entfallende Belüftung am Wehrüberfall ................................................... 30

    6 MAßNAHMEN ZUM SCHUTZ DES FISCHBESTANDES UND ZUR HERSTELLUNG DER PASSIERBARKEIT ............................................................................................................. 30

    6.1 FACHTECHNISCHES REGELWERK .................................................................................... 31 6.2 FISCHAUFSTIEG................................................................................................................ 31 6.3 FISCHABSTIEG .................................................................................................................. 32 6.4 BETRIEBSREGIME DER ANLAGE ....................................................................................... 32 6.5 SONSTIGE MAßNAHMEN ................................................................................................... 32

    7 VERBLEIBENDE AUSWIRKUNGEN.................................................................................. 33 8 QUELLEN .............................................................................................................................. 34

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    WKA Bad Kösen Fischereibiologisches Gutachten

    120917_Fischereibiologie.doc

    Tabellen

    Tabelle 1: Referenzzönose und aktueller Fischbestand der Saale bei Bad Kösen (IfB 2006, Datenbestand LHW 2012) .......................................................................................................... 9

    Tabelle 2: Wanderverhalten ausgewählter Fischarten der Saale ....................................................... 13 Tabelle 3: Schätzung der Schädigungsrate für Aale bei Passage von Kaplanturbinen ....................... 19 Tabelle 4: Schätzung der Schädigungsrate für Smolts von Großsalmoniden bei Passage von

    Kaplanturbinen ......................................................................................................................... 19 Tabelle 5: Schädigungsraten für Aale und Smolts in den zum Einbau in der WKA Bad Kösen

    vorgesehenen Kaplanturbinen .................................................................................................. 21 Tabelle 6: Ermittlung der Rückhaltewirkung des Rechens für Aale und Smolts von Großsalmoniden 22 Tabelle 7: Abflussanteil der WKA und Relativgeschwindigkeit am geplanten Rechen ........................ 23 Tabelle 8: Ermittlung der Gesamtmortalität abwandernder Blankaale und Smolts an der WKA .......... 24 Tabelle 9: Gesamtmortalität Smolt .................................................................................................... 24 Tabelle 10: Gesamtmortalität Blankaal ............................................................................................. 24 Tabelle 11: Kriterien der Habitateignung für die Barbe ...................................................................... 28 Tabelle 12: Regelwerk zur Gestaltung und Bemessung von Fischwegen .......................................... 31

    Abbildungen Abbildung 1: Geschiebeablagerung am linken Saaleufer unterhalb des Wehres Bad Kösen

    (25.02.2009) ............................................................................................................................... 5 Abbildung 2: Relief von Gerinne und Vorland im Umfeld der Staustufe Bad Kösen ............................. 6 Abbildung 3: Monatsmittel der Abflüsse am Pegel Saaleck (Daten GLD, Reihe 1999-2008) ................ 7 Abbildung 4: Jahresgang der Wassertemperatur in der Saale ........................................................... 12 Abbildung 5: Intensität der Abwanderung von Blankaalen und Smolts anadromer Großsalmoniden im

    Jahresgang .............................................................................................................................. 20 Abbildung 6: Längenverteilung der absteigenden Blankaale und Smolts anadromer Großsalmoniden

    ................................................................................................................................................. 21 Abbildung 7: Benetzte Gerinnefläche und Anteil mit v ≥ 0,3 m/s ........................................................ 27 Abbildung 8: Flächenanteile mit Habitateignung für unterschiedliche Entwicklungsstadien der Barbe 28 Abbildung 9: Flächenanteile mit Eignung als Laichhabitat der Barbe ................................................. 29

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    WKA Bad Kösen Fischereibiologisches Gutachten

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    1 Veranlassung Die Wasserkraftwerke Ost-West Kurth GmbH & Co. KG (nachfolgend Antragstellerin ge-nannt) ist an der Staustufe Bad Kösen/Saale Eigentümerin einer alten Wasserkraftanlage (WKA) mit ca. 90-100 kW Leistung bei einer Ausbauwassermenge von 8 m3/s. Unter Beibe-haltung der derzeitigen Stauhöhen soll diese Anlage nunmehr durch eine leistungsfähigere Anlage mit maximal 40 m³/s Schluckvermögen erhöht werden. Die Antragstellerin wird die neue WKA bauen, betreiben und die gewonnene Energie an das öffentliche Netz abgege-ben. Das Planfeststellungsverfahren für dieses Vorhaben ruhte seit 1998. Ein nach Hinwei-sen des LVerwA - Obere Wasserbehörde - aktualisierter Planfeststellungsantrag wurde seitens der Antragstellerin im Frühjahr 2009 eingereicht, um eine Einstellung des Verfahrens zu vermeiden. Nach einer Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfung forderte die Obere Wasserbehörde mit Schreiben vom 21.09.2009 Ergänzungen der Antragsunterlagen an, da-runter auch das vorliegende Gutachten.

    2 Standortverhältnisse Die Staustufe liegt innerhalb der Stadt Bad Kösen bei Saale-km 171,473. Hier ist seit 1140 ein Wehr- und Mühlenstandort nachweisbar. 1825 und 1967 erfolgten grundhafte Erneue-rungen des Wehres. Die Staustufe ist eine Mehrzweckanlage. Sie diente bzw. dient:

    • zur Energiegewinnung am Wehrstandort, • zur Grundwasseranreicherung für Fassungsbrunnen der Wasserversorgung Bad Kö-

    sen ca. 500 m oberhalb des Wehres, • zur ganzjährigen Erhaltung der Schiffbarkeit des Oberwasserbereiches (kleine Aus-

    flugsschifffahrt), • zur Ausleitung in die "Kleine Saale" mit folgenden Nutzungen:

    o Grundwasseranreicherung in Pforta und Altenburg (Wiederinbetriebnahme ist möglich), für das Wasserwerk Altenburg bei Naumburg,

    o Antrieb zweier denkmalgeschützter Wasserräder in Bad Kösen ("Neue und Al-te Kunst"),

    o Antrieb der Mühle Almrich (Altenburg), o Wasserversorgung für eine Beregnungsanlage bei Pforta.

    Das Wehr ist als massives Schusswehr ausgebildet. Es ist bei einer Überfallbreite von 100 m schräg im Flussbett angeordnet. Der Wehrkörper ist ca. 20 m lang. Das Oberwasser wird um ca. 3 m aufgestaut. Die Wehrkrone liegt bei folgenden Höhen:

    OK Ufer rechts: 110,99 m ü. NHN OK Wehrmitte: 110,43 m ü. NHN OK Ufer links: 110,85 m ü. NHN Ursprünglich handelte es sich um ein Steinkastenwehr aus Natursteinquadern mit einem Bretteraufsatz. Auf der Mühlenseite ist im Wehrkörper das Gerinne eines Fischpasses vorhanden, der je-doch derzeit nicht funktionsfähig ist und nach Lage, Größe und Bauweise auch nie nach heutigen Kriterien funktionsfähig war. Die am Standort vorhandene alte WKA und das Wehr sind somit für aufwandernde Fische nicht passierbar (ARGE ELBE 2001).

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    Die Antragstellerin beabsichtigt am bisherigen Standort die Neuerrichtung der leistungsfähi-geren WKA. Dazu ist es zunächst notwendig, die alte WKA einschließlich Hochbauteil und „Fischpass“ abzubrechen. Auch der daran anschließende Wehrabschnitt ist auf ca. 4 m ab-zubrechen. Anstelle der vorhandenen Bauwerke wird in diesem Bereich ein überströmbares Deckelkraftwerk in die Staustufe integriert. Dessen Oberkante liegt mit 110,3 m NHN tiefer als die geringste Wehrkronenhöhe ohne Staubohlenaufsatz. Das Krafthaus ist über ein Hochbauteil zugänglich, welches landseitig neben dem Wehr errichtet wird. Die betonierten Ein- und Auslaufbereiche der Anlage werden - ebenso wie das Krafthaus- mit Bohrpfahl- und zum Teil mit Stahlspundwänden abgegrenzt. Als weitere Betriebseinrichtungen sind am Krafthaus ein Horizontalrechen mit automatischer Rechenreinigungsmaschine und Dammtafelverschlüsse für die Turbinenein- und Ausläufe vorgesehen. Der Rechen kann mit einem Abstreifer gereinigt werden, wobei das Rechengut aus ökologischen Gründen in der fließenden Welle verbleiben kann. Zur automatischen Stauregelung der Saale (min. Stauhaltung 111,11 m NHN, max. Be-triebsstau 111,20 m NHN) wird das vorhandene massive Wehr umgebaut. Das Wehr wird durch aufbetonierte Pfeiler in 5 Wehrfelder unterteilt und die Wehrkrone feldweise so ange-passt, dass die auf der neuen Wehrkrone befestigten Schlauchwehre den Staubohlenaufsatz ersetzen. Weiterhin werden auf dem überströmbaren Krafthaus zwei Stauklappen angeord-net. Damit ist es möglich, an ca. 240 Tagen im Jahr im Durchflussbereich bis ca. 35 m³/s den Oberwasserstand konstant zu halten und darüber hinaus bei höheren Durchflüssen die auch im Ist-Zustand vorhandenen Wasserstände anzusteuern. Am Wehr wird rechtsseitig die "Kleine Saale" ausgeleitet. Die derzeit bestehenden Wasser-rechte an diesem historischen Mühlenkanal stellen sich nach Auskunft der UWB des Burgen-landkreises wie folgt dar:

    • Entnahme von bis zu 3 m²/s zur Wasserkraftnutzung in Bad Kösen (Abschlag zur Stromsaale) unter Belassung einer Mindestwassermenge von 2 m³/s in der Kleinen Saale. Um die Wasserkraftnutzung hier mit der o.g. Menge zu ermöglichen, kann ein Wehr mit zwei Schützentafeln in der Kleinen Saale manuell reguliert werden.

    • 1,5 m³/s als Entnahme- und Wiedereinleitmenge für die Mühle Almrich

    Wird die Wasserkraftnutzung an der Kleinen Saale in Bad Kösen nicht ausgeübt, so wird der Abschlag zur Stromsaale mit einem geringen Durchfluss beaufschlagt (geschätzt nach Orts-begehungen ca. 0,05 - 0,1 m³/s). Weiterhin wird über ein seitlich angeordnetes Ausleitungs-schütz am östlichen Ortsrand von Bad Kösen der Scheitbach aus der Kleinen Saale beaufschlagt, welcher nach Nordosten zur Stromsaale führt. Das Schütz kann im Bedarfsfall manuell reguliert werden. Der Durchfluss im Scheitbach beträgt nach Ortsbegehungen ge-schätzt ca. 0,1 bis 0,2 m³/s. Ein planmäßiges Regelregime existiert nicht.

    Die bestehenden Wasserrechte und die Beaufschlagung des Scheitbaches sind also insge-samt mit einer Zuflussmenge von 5 m³/s aus der Stromsaale in die Kleine Saale zu bedie-nen. Ein entsprechender Zufluss aus der Stromsaale bei einem Stauziel von 111,20 m NN im Oberwasser des Wehres Bad Kösen ist nach Profilgröße und Generalgefälle der Kleinen Saale plausibel. Die exakte Zuflussmenge wird jedoch durch die manuelle Steuerung des Wehres in der Kleinen Saale und des Schützes zum Scheitgraben bestimmt, welche beide nicht dokumentiert werden.

    Bei Ansteuerung der Ist-Wasserstände im Oberwasser des Wehres und Fortführung der bis-herigen Betriebsweise der Anlagen an/in der Kleinen Saale können deshalb durch die ge-plante WKA keine betriebsbedingten Veränderungen an den Durchflussverhältnissen im Mühlgraben eintreten. Somit können sich die Betrachtungen im Rahmen dieses Gutachtens auf den WKA-Standort und die Stromsaale beschränken.

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    3 Gewässercharakteristik Das vom Vorhaben betroffene Oberflächengewässer ist die Saale. Rechtsseitig im Oberwas-ser des Wehres wird in einem künstlich geschaffenen Kanal von ca. 5,7 km Länge ("Kleine Saale") Wasser abgeleitet und der Saale bei Altenburg wieder zugeführt. Flussauf der hier betrachteten Wehranlage erstreckt sich die Stauhaltung Bad Kösen etwa 4 km bis Saaleck, während sich die Saale flussab nach ca. 10 km unbeeinflusster Fließstrecke im Naumburger Blütengrund mit der Unstrut vereinigt. Die Saale gehört in Sachsen-Anhalt zum LAWA-Gewässertyp 9.2 “Große Flüsse des Mittel-gebirges“ (POTTGIESSER et al. 2004). Sie erreicht in der Ortslage Bad Kösen bei Mittelwasser Breiten von 40-60 m und Maximaltiefen von bis zu 3 m, im Oberwasser des Wehres auch um 4 m. Die mittleren Fließgeschwindigkeiten liegen je nach Profil im Oberwasser meist zwi-schen 0,2 und 0,4 m/s und decken im Unterwasser des Wehres einen sehr breiten Bereich im Intervall von 0,2 m/s bis 1,2 m/s. ab. An der Sohle herrschen im Staubereich schlammige Ablagerungen vor, während in der freien Fließstrecke des Unterwassers Kiese und kiesige Sande das Sohlsubstrat bilden. Die typische Beschaffenheit des im Unterwasser des Wehres bei Hochwasser umgelagerten Materials zeigt Abbildung 1.

    Abbildung 1: Geschiebeablagerung am linken Saaleufer unterhalb des Wehres Bad Kösen (25.02.2009)

    Die Ufer der Saale sind im Bereich der Ortslage Bad Kösen oberhalb des Wehres teils mit Ufermauern, teils mit Steinschüttungen befestigt. Unterhalb der Wehranlage schließt sich ein naturnäherer Abschnitt an, der durch Weiden-Ufersäume, unregelmäßige sandige Uferberei-che und rezenten Hochwassereinfluss gekennzeichnet ist.

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    Ausgeprägte Kiesbänke, wie sie im Unterwasser der Wehre von Ausleitungskraftwerken an der Saale zu finden sind (z.B. Herrenmühle Weißenfels oder Wehr Alsleben), fehlen im Un-terwasser der Staustufe Bad Kösen. Derartige Strukturen treten erst weiter unterhalb im Abstrombereich der Pfeiler der Bahnbrücke auf. In Abbildung 2 sind die aktuellen Höhenver-hältnisse im Gewässerbett gut erkennbar.

    Abbildung 2: Relief von Ge-rinne und Vorland im Umfeld der Staustufe Bad Kösen

    Ein gegenüber den ober- und unterhalb anschließenden Bereichen um ca. 1-1,5 m erhöhter Sohlbereich liegt ca. 30 m stromab der Toszone des Wehres. Flachwasserzonen im Tiefen-intervall zwischen 0 m bis 0,5 m sind bei mittleren Abflüssen im Bereich zwischen Wehr und Straßenbrücke auf ufernahe Bereiche beschränkt; diese Zonen sind in der Abbildung gelb-grün angelegt. Die in Orange- und Rottönen gehaltenen tiefsten Bereiche des 2009 vermes-senen Gerinneabschnittes liegen ober- und unterhalb der Straßenbrücke (die Brückenpfeiler sind als längliche hellbraune Ovale sichtbar) sowie im Auslaufbereich der vorhandenen WKA am linken Ufer. Das Abflussregime der Saale war ursprünglich ein Schnee-Regen-Regime mit ausgedehnten Frühjahrshochwässern (Schneeschmelze in den Mittelgebirgslagen des EZG) und kurzen, aber häufigen Sommerhochwässern in Zeiten der jährlichen Niederschlagsmaxima. Dieses Grundmuster ist auch im aktuellen Abflussregime noch gut zu erkennen (Abbildung 3).

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    .

    Abbildung 3: Monatsmittel der Abflüsse am Pegel Saaleck (Daten GLD, Reihe 1999-2008)

    Fließverhalten und Gewässerdynamik der Saale im Oberwasser sind durch Aufstau, Ufersi-cherung und Talsperrensteuerung beeinflusst. Im Unterwasser des Wehres stellen sich je-doch wieder naturnähere Verhältnisse ein, da die lokalen Stauwirkungen und die durchgehenden Ufersicherungen entfallen. Der Saaleabschnitt zwischen der Landesgrenze zu Thüringen und Bad Kösen wird seit 2000 der saprobiologischen Gewässergüteklasse II (mäßig belastet) nach LAWA zugeordnet. Noch 5 Jahre zuvor musste die Saale in diesem Abschnitt als kritisch belastet (Gewässergü-teklasse II-III) eingestuft werden. In der sich flussab anschließenden Flussstrecke wird an den Messstellen Naumburg-Grochlitz und Bad Dürrenberg bereits seit 1993 die Güteklasse II erreicht.

    4 Fischbestand der Saale im Projektgebiet Die Saale ist im Planungsraum der Barbenregion zuzuordnen (Epipotamal). Diese ist im na-türlichen Zustand durch Vorkommen rheotoleranter (z.T. auch rheophiler) und eurythermer Arten geprägt, welche mosaikartig wechselnde lotische und lenitische Flussabschnitte besie-deln (ILLIES 1958). Bedingt durch die Stauhaltung haben sich die aktuellen hydrographischen Parameter im Oberwasser des Wehres den Verhältnissen der Bleiregion (Metapotamal) an-genähert. Erfreulicherweise unterblieben jedoch bisher größere Begradigungen und massive Ausbauten des Saalebettes oberhalb der Unstrutmündung bis in die Ortslage von Bad Kö-sen, so dass in den freifließenden Strecken ein relativ gutes Habitatangebot für die Icht-hyozönose vorhanden ist.

    4.1 Potenzielles natürliches Referenzartenspektrum Für den Messpunkt Bad Kösen wurde ein Referenzartenspektrum des potenziellen natürli-chen Fischbestandes auf Basis von historischen und aktuellen Daten erstellt (IfB 2006, siehe

    0

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    60

    80

    100

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    140

    160

    Nov Dez Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt

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    Spalte 4 in Tabelle 1). Es ist gekennzeichnet durch 36 Fischarten mit den quantitativ domi-nierenden Arten Plötze, Gründling, Hasel, Döbel, Ukelei, Barbe, Zährte und Aland. Zu den ursprünglich in der Saale heimischen, aber derzeit nicht anwesenden Wanderfischarten ge-hören Flussneunauge (1927 letzte Meldung aus der Saale), Lachs (1911 letzte Meldung aus der mittleren Saale) und Meerforelle (1909 letzte Meldung aus der mittleren Saale) (EBEL 2008a).

    4.2 Aktueller Fischbestand der Saale Zur Beschreibung und Bewertung des Saaleabschnittes bei Bad Kösen wurden primär Befi-schungen aus dem Jahr 2004 (Frühjahr, Herbst) herangezogen (IfB 2006). Um die vorherr-schenden Strukturen am Messpunkt Bad Kösen zu berücksichtigen, wurden Abschnitte unterhalb und oberhalb des Wehres befischt. Der Messpunkt Bad Kösen ist durch das nicht passierbare Wehr entscheidend geprägt, wes-halb entsprechend den Vorgaben des Bewertungssystems von IfB (2006) eine getrennte Bewertung der oberhalb und unterhalb liegenden beprobten Abschnitte erfolgte. Für die un-tersuchten Bereiche ergab sich folgende vorläufige Bewertung

    • oberhalb Wehr - 2,27 (mäßiger ökologischer Zustand) • unterhalb Wehr - 1,84 (unbefriedigender ökologischer Zustand)

    Die geforderte Mindestanzahl an Individuen wurde für den Bereich oberhalb des Wehres sehr deutlich unterschritten, weshalb das Bewertungsergebnis nur als Anhaltspunkt betrach-tet werden kann. Für den Bereich unterhalb des Wehres erscheint das Ergebnis nicht plausibel, denn die Saa-le unterhalb des Wehres macht einen noch recht naturnahen, weitgehend unverbauten Ein-druck und bietet gerade rheophilen Arten günstige Bedingungen. In dem ruhigen stauregulierten Abschnitt ist der Anteil von Jungfischen bei den Leitarten höher. Die Befi-schungsbedingungen unterhalb des Wehres (z.T. sehr starke Strömung) sind insgesamt schwieriger bzw. Jungfische etlicher Arten meiden die extrem stark überströmten Bereiche. In Bezug auf die Referenzarten fällt besonders das Fehlen der in anderen Abschnitten der Saale vorkommenden Zährten und Alande auf. Von den 19 im Jahr 2004 nachgewiesenen Fischarten weisen Gründling, Hasel, Döbel, Plöt-ze, Schmerle, Ukelei und Barbe die höchsten prozentualen Anteile im Gesamtfang auf. Bei 9 Fischarten (darunter 6 von 8 Leitarten) konnte eine natürliche Reproduktion (0+ bzw. einjäh-rige Fische) im Gewässer festgestellt werden. Zur Überprüfung der Repräsentativität der Ergebnisse aus IfB (2006) wurden die aktuell ver-fügbaren Befischungsergebnisse aus dem Datenbestand des LHW herangezogen. Diese beziehen sich auf die Messstellen Saaleck (ca. 5,2 km flussauf der Staustufe Bad Kösen, 2007 und 2009) sowie Naumburg-Grochlitz (ca. 13,4 km flussab der Staustufe, unterhalb der Unstrutmündung, 2009). Alle Befischungsergebnisse sind in Tabelle 1 auf der nächsten Seite zusammengestellt.

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    Tabelle 1: Referenzzönose und aktueller Fischbestand der Saale bei Bad Kösen (IfB 2006, Datenbestand LHW 2012) RL-LSA – Rote Liste Sachsen-Anhalt (KAMMERAD et al. 2004); RL-D – Rote Liste Deutschland (FREYHOF 2009)

    Art Wiss. Artname Gefährdung Referenz, Häufigkeit %

    2004 Bad Kösen 2007

    Saaleck 2009

    Saaleck

    2009 Naumburg-Grochlitz

    Häufigkeit gesamt (%)

    davon Jungfisch (%)

    Häufigkeit gesamt (%)

    Häufigkeit gesamt (%)

    Häufigkeit gesamt (%)

    Rotauge, Plötze Rutilus rutilus 15,3 15,7 4,1 7,3 10,8 12,3

    Gründling Gobio gobio 12 27,4 15,4 30,0 28,9 11,0

    Hasel Leuciscus leuciscus 12 21,2 9,1 19,1 6,0 4,6

    Ukelei Alburnus alburnus 10 4,5 1,2 1,7 3,8 11,8

    Döbel Leuciscus cephalus 9 17,5 48,8 28,8 18,2 47,1

    Barbe Barbus barbus RL-LSA 2 8 3,4 21,9 3,8 3,1 9,4

    Zährte Vimba vimba RL-LSA 2, RL-D 3 6 - - - - 0,1

    Aland, Nerfling Leuciscus idus 5 - - - - -

    Brachse, Blei Abramis brama 3 0,1 0 - - -

    Güster Blicca björkna 3 - - 0,2 0,1 -

    Schmerle Neomacheilus barbatulus 3 5,9 44,5 7,3 23,8 0,4

    Barsch Percea fluviatilis 2 0,1 0 - 1,3 0,2

    Hecht Esox lucius 1,5 0,2 0 0,5 - 1,0

    Schneider Alburnoides bipunctatus RL-LSA 0, RL-D V 1 - - - - -

    Aal Anguilla anguilla RL-LSA 3 1 0,2 0 0,1 - 1,2

    Rapfen Aspius aspius RL-LSA 2 1 - - - - -

    Nase Chondrostoma nasus RL-LSA 1, RL-D V 1 - - - - -

    Steinbeißer Cobitis taenia RL-LSA 2 1 - - - - -

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    Art Wiss. Artname Gefährdung Referenz, Häufigkeit %

    2004 Bad Kösen 2007

    Saaleck 2009

    Saaleck

    2009 Naumburg-Grochlitz

    Häufigkeit gesamt (%)

    davon Jungfisch (%)

    Häufigkeit gesamt (%)

    Häufigkeit gesamt (%)

    Häufigkeit gesamt (%)

    Quappe, Rutte Lota lota RL-LSA 2, RL-D V 1 0,1 0 - - -

    Äsche Thymallus thymallus RL-LSA 2, RL-D 2 1 0,6 0 0,1 0,3 -

    Kaulbarsch Gymnocephalus cernua 0,5 - - - - -

    Bachneunauge Lampetra planeri RL-LSA 2 0,5 - - - - -

    Bachforelle Salmo trutta f. fario RL-LSA 3 0,5 0,3 20,0 0,2 1,4 0,1

    Flussneunauge Lampetra fluviatilis RL-LSA 1, RL-D 3 0,2 - - - - -

    Elritze Phoxinus phoxinus RL-LSA 2 0,2 0,1 0 - 0,3 -

    Atlantischer Lachs Salmo salar RL-LSA 0, RL-D 1 0,2 - - - - -

    Meerforelle Salmo trutta RL-LSA 0 0,2 - - - - -

    Karausche Carassius carassius RL-LSA 3, RL-D 2 0,1 - - - - -

    Dreist. Stichling Gasterosteus aculeatus 0,1 2,5 34,8 0,3 2,0 0,4

    Moderlieschen Leucaspius delineatus RL-LSA 3, RL-D V 0,1 0,1 0 - - -

    Schlammpeitzger Misgurnus fossilis RL-LSA 2, RL-D 2 0,1 - - - - -

    Zwergstichling Pungitius pungitius 0,1 - - - - -

    Bitterling Rhodeus amarus RL-LSA 2 0,1 - - - - 0,1

    Zander Sander lucioperca 0,1 - - - - -

    Rotfeder Scardinius erythrophthalmus 0,1 - - - - -

    Schleie Tinca tinca 0,1 0,1 0 - - 0,2

    Karpfen Cyprinus carpio - 0,2 0 - - -

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    Die Ergebnisse dieser aktuelleren Befischungen bestätigen im Wesentlichen die bereits an-hand der Befunde aus 2004 beschriebene Struktur des Fischbestandes. Eine Identität der qualitativen und quantitativen Befischungsergebnisse kann aber bereits aus methodischen Gründen (unterschiedliche Befischungstermine und –strecken) nicht erwartet werden. Nach wie vor liegen keine rezenten Nachweise der anadromen Langdistanz-Wanderfischarten Flussneunauge, Meerforelle und Lachs vor. Die für 2004 in der Tabelle aufgeführten Arten Moderlieschen und Quappe wurden damals nur in wenigen Einzelexemp-laren gefangen und 2007/2009 nicht wieder erfasst. In 2009 neu hinzugekommene Einzel-nachweise von Zährte und Bitterling beziehen sich auf die entfernt liegende Untersuchungsstelle Naumburg-Grochlitz und strahlen offensichtlich aus den unterliegenden Saaleabschnitten ein, aus denen zahlreiche Fangmeldungen vorliegen.

    4.3 Maßgeblicher Fischbestand für Bemessung der Fischwege Die einzige derzeit im Eingriffsbereich vorkommende fernwandernde Fischart ist der Aal, die typische potamodrome Art mit ausgeprägten Laichwanderungen die Barbe. Daneben sind auch für die noch aus der unteren Salmonidenregion einstrahlenden Arten Bachforelle und Äsche Laichaufstiege, z.B. in rhithrale Nebengewässer, zu erwarten. Zu den aktuell in der Saale vorkommenden Fischarten ohne typischen Wanderfischcharakter, jedoch mit lokalen Laichzügen, zählen Döbel, Blei und Plötze. Als potenziell vorkommende Wanderfischarten müssen Arten bezeichnet werden, die histo-risch belegt sind (z.B. ZUPPKE 1993) und deren Aufstieg über die Elbe in die kleineren Flüsse bei künftiger Verbesserung der biologischen Durchgängigkeit und Zugänglichkeit von Repro-duktionshabitaten wieder denkbar sein könnte. Dies ist im Planungsraum für das Flussneun-auge, Meerforelle und Lachs der Fall.

    "..von alters, da noch keine Wehre an der Saale hinüber gebauet gewesen, [ist] der Lachs aus der Elbe den Saal-Strohm hinauf gekommen... so daß sich auch das Gesinde gefallen lassen müssen, die Woche zwey biß dreymal Lachs zu essen" (WIEDENBURG 1785 in CASPER & SCHÖNBORN 1976).

    Zusammenfassend lassen sich die in Tabelle 2 zusammengestellten wertgebenden Arten und deren reproduktions- und populationsbiologisch bedeutsame Wanderbewegungen als maßgeblich für die Auslegung von Fischwanderhilfen am Standort Bad Kösen herausarbei-ten. Die Angaben zu den Längen und Wanderzeiträumen wurden nach KAMMERAD et al. (1997), BRÄMICK et al. (1999, 2005), EBEL (2002) sowie MANN (1996) nach Abgleich mit dem typischen Jahresgang der Wassertemperatur an der Gütemessstelle Bad Kösen des Gewäs-serkundlichen Landesdienstes im LHW zusammengestellt.

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    Abbildung 4: Jahresgang der Wassertemperatur in der Saale

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    Tabelle 2: Wanderverhalten ausgewählter Fischarten der Saale

    Art Wanderverhalten Entwicklungsstadium Länge Richtung Zeitraum Anwesenheit der Art im Mittelauf der Saale

    Flussneunauge katadromer Lang-distanzwanderer

    laichreife Alttiere 30-40 cm flussauf Oktober - Januar potenziell

    Jungtiere nach Metamorphose 8-15 cm flussab Sommerhalbjahr bis zum Winterbeginn

    Lachs anadromer Lang-distanzwanderer laichreife Alttiere 50-120 cm flussauf März-Oktober

    potenziell Smolts 12-15 cm flussab Februar-April

    Meerforelle anadromer Lang-distanzwanderer

    laichreife Alttiere 35-100 cm flussauf und flussab Juli-Dezember potenziell

    Smolts 10-20 cm flussab (März-) April-Mai (-Juni), Herbst?

    Aal katadromer Langdistan-zwanderer Blankaal 45-90 (-120) cm flussab

    August-November, beson-ders bei Abflusserhöhung anwesend

    Steigaal 15-30 cm flussauf Mai-Oktober

    Quappe potamodromer Lang- bis Kurz-distanzwanderer laichreife Alttiere 25-60 cm flussauf Dezember bis Januar anwesend

    Barbe potamodromer Kurzdis-tanzwanderer laichreife Alttiere 25-70 cm flussauf (April-) Mai-Juni anwesend

    Äsche potamodromer Kurzdis-tanzwanderer laichreife Alttiere 25-50 cm flussauf März-April anwesend

    Bachforelle potamodromer Kurzdis-tanzwanderer laichreife Alttiere 20-70 cm flussauf Oktober-Dezember anwesend

    Zährte, Nase, Aland potamodrome Kurzdis-tanzwanderer laichreife Alttiere 15-50 cm flussauf April-Juni Nase potenziell, alle anderen an-wesend Barbe, Zährte, Nase, Aland, Äsche, Quap-

    pe, Bachforelle

    potamodrome Kurzdis-tanzwanderer

    Jungfische: Abwanderung von den Juvenilhabitaten, Bewegung von/zu den Wintereinständen

    5-10(-15) cm überwiegend flussab ganzjährig

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    4.4 Wanderzeiträume 4.4.1 Aalmigration Das Maximum des Blankaalabstieges ist in der Regel im Spätsommer und Herbst zu erwarten. Als exogene Auslöser einzelner Abwanderungsschübe können Mondphase, ansteigende Durchflüsse und der Verlauf der Wassertemperaturen in Frage kommen. Eine verlässliche Vorhersage der Wanderaktivität aus diesen Größen gelingt jedoch nicht, zumal kein belastbares Datenmaterial aus der oberen und mittleren Saale verfügbar ist. Die Intensität der Blankaalabwanderung im Jahres-verlauf wird daher für die Berechnung der Gesamtmortalität (Kap. 5.3.1) in Anlehnung an TESCH (1999, S. 193, Abb. 3-26) angesetzt (siehe Abbildung 5). Die zugrunde liegenden Daten entstam-men Beobachtungen aus der europäischen Berufsfischerei. Eine für mitteleuropäische Binnenge-wässer plausible Längenverteilung der Blankaale (Abbildung 6) entstammt den umfangreichen Fangdaten von HOLZNER (2000, Staustufe Dettelbach/Main).

    4.4.2 Auf- und Abstieg anadromer Großsalmoniden sowie des Flussneunauges Die autochthonen Populationen von Lachs, Meerforelle und Flussneunauge sind in der mittleren und oberen Saale seit langem erloschen. Detaillierte quantitative Daten zur Abwanderung von Lachs- und Meerforellen-Smolts und zur Reproduktion des Flussneunauges in diesem Abschnitt der Saale sind in den Zeiten noch reproduzierender Populationen nicht publiziert und wahrschein-lich nie erhoben worden. Für das potenzielle Wanderverhalten dieser Arten müssen deshalb An-nahmen aufgrund von Literaturdaten und Analogieschlüssen getroffen werden. Natürliche Laichplätze der Lachse lagen in der Saale zwischen Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt) und Hirschberg (Thüringen), insbesondere aber unterhalb von Jena (KAMMERAD 1995) bis Saalfeld (TASCHENBERG 1909). WITTMACK (1875) berichtete über den Laichaufstieg der Lachse bis in das oberfränkische Fichtelgebirge bei Hof. Gegen Ende des 19. Jhd. erfolgte in Bad Kösen auch Lachsbesatz zur Stützung der bereits damals schwindenden Bestände. Weitere Besatzmaßnah-men erfolgten zumeist in der thüringischen Saale und den dortigen Zuflüssen, so auch in der Ilm (ZAHN et al. 2007). Nach FRITSCH (1883 und 1894) und BAUCH (1957) wurden im Elbegebiet beim Lachs 4 Aufstiegsphasen beobachtet: Januar-März (Silberlachse), April-Juni (Mailachse), August (Bartholomäuslachse) und September-November (Volllachse). Die Abwanderung der Smolts von Lachs und Meerforelle in das Meer erfolgt allgemein im Spät-frühling bis in den Frühsommer, ausgelöst u.a. durch die Photoperiode (MCCORMICK et al. 1998, WHALEN et al. 1999) und die kumulative Entwicklung der Wassertemperatur (ZYDLEWDSKI ET AL. 2005) sowie mit gesteigerter Intensität während der Frühjahrshochwässer (KAMMERAD et al. 1997, LfU 2005) bzw. nach Überschreiten gewisser gewässerspezifischer Schwellenwerte der Wasser-temperatur (u.a. CHELKOVSKI et al. 1994, WHALEN et al. 1999). Für Lachs-Smolts erwähnen MCCORMICK et al. (1998) eine Synchronisierung der Migration, die in den meisten Populationen auf einen Zeitraum von 3-6 Wochen beschränkt sei. Am Itchen in Eng-land beobachtete RILEY (2007) hingegen einen langen Migrationszeitraum der Lachs-Smolts von Mitte März bis Mitte Mai. In den kontinentaleren bzw. borealen Zonen Europas scheinen die dorti-gen Lachsstämme - der verzögerten Erwärmung im Frühjahr folgend – mit ihrer Smolt-Migration etwas später einzusetzen. Für die Meerforelle wie für den Lachs gibt es auch Belege für eine herbstliche Abwanderung jüngerer Tiere (0+, Parr), über deren Quantität und ökologische bzw. populationsbiologische Bedeutung weitgehende Unklarheit herrscht (CRISP 2000, MATTHEWS et al. 1997, PINDER et al. 2007). Das zeitliche Muster der Abwanderung von Smolts von Lachs und Meerforelle wird für die Berech-nung der Gesamtmortalität (Kap. 5.3.1) analog CHELKOVSKI et al. (1994) angenommen, deren Da-ten (Tab.1 und 2 sowie Abb. 2 der Originalarbeit) aus Beobachtungen einer vitalen Meerforellen-

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    Population im Flussgebiet der Weichsel stammen (Abbildung 5). Das zeitliche Muster der Migration passt zu den o.g. allgemeinen Angaben zur Abwanderung mitteleuropäischer Lachs-Smolts. Die Längenverteilung der Meerforellensmolts aus der o.g. Population ist in CHELKOVSKI & CHELKOVSKA (1995) dokumentiert. Im gleichen Längenbereich liegen auch die Smolts europäischer Lachspopu-lationen, z.B. im Severn (CLADRIDGE & POTTER 1994). Darauf basieren die Annahmen zur mögli-chen Längenverteilung eines künftigen Smolt-Bestandes in der Saale (Abbildung 6). Somit wird für die Smolts beider Arten ein plausibles gemeinsames zeitliches Migrationsgeschehen und eine gemeinsame Längenverteilung unterstellt. Die obigen Ausführungen zur Heterogenität des Wanderverhaltens von Lachs und Meerforelle zeigen aber klar, dass die Ergebnisse einer sol-chen Herangehensweise beim tatsächlichen Erscheinen der abwandernder Smolts von der geplan-ten WKA einer Überprüfung und Bestätigung bzw. Korrektur bedürfen. Der regelmäßige Wiederabstieg von abgelaichten Meerforellen und die gelegentlich vorkommende Rückwanderung einzelner Lachse, die das Laichgeschäft überleben (Kelts), ist aufgrund der Größe dieser Tiere für die Betrachtung der Rückhalteeffizienz des Rechens und der potenziellen Mortalität bei Turbinen-passage irrelevant. Am wenigsten fassbar ist der potenzielle Abwanderungszeitraum für die Jungtiere des Flussneun-auges nach Metamorphose der Querder. Die erwachsenen Neunaugen steigen aus dem Elbe-ästuar im Herbst (ab September bis November) auf und überwintern im Süßwasser, um dann nach Erwärmung im Frühjahr und Frühsommer bei Anstieg der Wassertemperaturen über 10°C (HAR-DISTY 1986a) bzw. auf 15-16°C (KAMMERAD et al. 1997) abzulaichen. Anschließend sterben sie innerhalb weniger Wochen ab. Die wurmähnlichen Larven (Querder) benötigen nach dem Schlupf 3-5 Jahre Entwicklungszeit, ehe sie sich im letzten Sommer ihrer Jugendphase in freischwimmen-de Neunaugen umwandeln. Diese wandern dann flussab bis zum Winterbeginn über die Elbe in die Küstengewässer der Nordsee. Allerdings kann sich diese Abwanderung auch bis in das nächs-te Frühjahr bzw. bis in den nächsten Sommer hinziehen. Erhöhte Wasserstände und –bei Verlage-rung der Migration bis in das folgende Frühjahr – ansteigende Temperaturen werden als Faktoren genannt, die mit der Abwanderung assoziiert sind. Auch bei dieser Art variiert das zeitliche Muster der Wanderungen deutlich zwischen den unterschiedlichen Gewässern und Populationen (HAR-DISTY 1986 a, b). Die Länge der abwandernden Jungtiere werden mit ca. 7–16 cm (THIEL & SALEWSKI 2003), 9-12 cm (MAITLAND 2003), 8–13 cm (HARDISTY 1986a) bzw. 15 cm Länge (KAMERAD et al. 1997) ange-geben. Zur Schwimmleistung abwandernder Flussneunaugen liegen keine Messdaten vor. Die maximale Schwimmgeschwindigkeit abwandernder Jungtiere des nahe verwandten Meerneunau-ges wird von BEAMISH (1975) mit 0,35 m/s bei einer Dauer von 15 min angegeben. Aus der Tatsa-che, dass sich an den Rechenreinigungsanlagen von Kühlwasserentnahmen am Rhein regelmäßig Flussneunaugen in größerer Zahl finden (PELZ & BRENNER 2000, 2003), muss auf eine einge-schränkte physiologische Leistungsfähigkeit in Bezug auf das aktive Entkommen vom Rechen geschlossen werden. In der Literatur fanden sich einige Angaben zur speziellen Turbinengefährdung, bzw. zu Schädi-gungsraten des Flussneunauges an Wasserkraftanlagen. Einschlägige Untersuchungen an der Wasserkraftanlage Stanley Mills (UK) erfassten die Turbinenpassage von 3 Flussneunaugen-Transformern (alle unbeschädigt) und 273 Lampetra-Ammocoeten (Schädigungsrate1,8%) (LUCAS et al. 2007). Auch zeigen Laborversuche am physiologisch ähnlich leistungsfähigen Pazifischen Neunauge (Lampetra tridentata), dass diese Tiere nicht durch die simulierten Druck- und Scher-kräfte einer Kaplan-Turbinenpassage verletzt wurden (MOURSUND et al. 2000 und NEITZEL et al. 2000 zit. in MOURSUND et al. 2001, MOURSUND et al. 2003). Deshalb ist für das Flussneunauge von einer wesentlich geringeren Gefährdung durch Turbinenpassage auszugehen als für die abwan-dernden Aale oder Smolts von Großsalmoniden.

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    4.4.3 Auf- und Abstieg potamodromer Charakterarten Die potamodromen Cypriniden des Epipotamals unternehmen im Frühjahr Laichwanderungen, die zumeist bei Überschreiten einer arttypischen Wassertemperatur innerhalb des Bereiches von 11°C-15°C einsetzen, so z.B. bei Barbe Nase, Zährte, Aland, Blei und Plötze (EBEL 2002, MANN 1996, KAMMERAD et al. 1997). Im Abgleich mit dem Jahresgang der Wassertemperatur in der Saa-le ergibt sich daraus ein Zeitraum zwischen 11. und 15. Dekade bzw. (ca.) 15.04. und 31.05. eines jeden Jahres, in dem bei normalem Witterungsverlauf mit besonders intensiven Laichwanderungen der potamodromen Cypriniden zu rechnen ist. Dies bestätigen auch die Reusenfänge im Zusam-menhang mit Funktionskontrollen von Fischaufstiegen an Saale und Unstrut (BRÄUNIG & GLUCH 1999). Jedoch belegen neuere Untersuchungen aus der Barbenregion der Elbe, dass Fischaufstiege nach der schwerpunktmäßigen Laichaufstieg adulter potamodromer Cypriniden im Frühjahr auch im Spätsommer und Herbst von den jüngeren Altersklassen dieser Arten (0+...2+) zahlreich ge-nutzt werden. (PRCHALOVÁ et al. 2006). Dies deutet auf intensiven Individuenaustausch innerhalb des von der Stauanlage zerschnittenen Gewässerabschnittes hin, dessen quantitative Bedeutung unbekannt ist. Funktional können nach KOLBINGER (2002), der ähnliche Wanderbewegungen auch im Donaugebiet registrierte, z.B. Kompensationswanderungen für die Abdrift in früheren Jugend-stadien, Nahrungswanderungen oder im Herbst auch Wanderungen zu Wintereinständen zur Er-klärung herangezogen werden. Abweichende Migrationszeiträume sind bei Äsche, Bachforelle und Quappe zu beachten. Während die Äsche ihre Laichplätze nach kurzer lokaler Wanderung bereits ab 8° Wassertemperatur, also ab der letzten Märzdekade, erreicht (EBEL 2000), steigen Bachforelle und Quappe erst nach Ab-kühlung der Wassertemperaturen im Herbst bzw. im Frühwinter auf und legen dabei auch wesent-lich weitere Strecken zurück. Die Bachforelle nutzt dabei einen Temperaturkorridor zwischen 10°C und 5°C und die Quappe den Bereich unter 4°C (MANN 1996). Über das Verhalten und die Aufent-haltsorte der Jungquappen in freien Gewässern ist wenig bekannt (HOLZER 2000). Auch die Rückwanderung der abgelaichten Alttiere geht relativ unauffällig vonstatten. Da es sich hierbei um adulte Tiere mit überwiegenden Körperlängen > 15 cm handelt, sind diese Absteiger bei der Effizienzbeurteilung des Leitrechens (0) auf der sicheren Seite liegend durch das Längen-spektrum der Smolts mit abgedeckt.

    4.5 Fischereiliche Bewirtschaftung Die Fischereirechte am vom Vorhaben betroffenen Saaleabschnitt gehören dem Land Sachsen-Anhalt. Die Strecke ist zur Sportfischerei verpachtet und wird im Gewässerfonds des DAV als All-gemeines Angelgewässer bewirtschaftet.

    5 Auswirkungen des Vorhabens auf den Fischbestand Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf den Fischbestand der Stromsaale. Die Wasser-führung der Kleinen Saale ist vom Oberwasserstand am Wehr Bad Kösen und von der Regulie-rung der Staueinrichtungen bzw. Abschläge in der Kleinen Saale durch Dritte im ihrer Wasserrechte abhängig. Da in der Bau- und Betriebsphase mit dem Vorhaben die Oberwasser-stände wie im Ist-Zustand angesteuert werden sollen, ist die Wasserführung der Kleinen Saale und damit auch der hier vorhandene Fischbestand nicht vom Vorhaben betroffen.

    5.1 Baubedingte Wirkungen Diese Wirkungen sind auf die Bauzeit von insgesamt ca. 1,5 Jahren beschränkt.

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    5.1.1 Temporäre Flächenbelegung im Flussbett Die baubedingte Flächenbelegung im Gewässerbett umfasst die Baugrube und den Wehrkörper einschließlich Abspundung und mobile Abdämmung. Hier ist eine bauzeitliche Wasserhaltung und damit eine Trockenlegung der Gewässersohle erforderlich. Im Umfeld des eigentlichen Baukörpers der WKA wird die Wasserhaltung bis zur Fertigstellung der Anlage und Montage der Turbinen- und Betriebstechnik trockengehalten. Der Wehraufsatz wird abschnittsweise gebaut, so dass hier zeit-lich versetzt zwei Abschnitte über kürzere Zeiträume trockenzulegen sind. Betroffen hiervon sind insgesamt ca. 2.700 m² des vorhandenen überströmten Wehrkörpers. Die bauzeitliche Aufteilung dieser Fläche ist im Detail von der noch nicht spezifizierten Ausführungstechnologie abhängig. Aus der Logik des Bauablaufes unter Beachtung des bauzeitlichen Hochwasserschutzes ergibt sich jedoch, dass stets ein Teil des Abflussquerschnittes frei zu halten ist. Somit steht für die Arbeiten am Wehr in jedem Abschnitt nur ein kurzer Teil der Gesamtbauzeit zur Verfügung. Dazu sollte die Periode niedriger Abflüsse zwischen Juli und Oktober genutzt werden. Der ausschließlich bauzeitliche Flächenbedarf umfasst 241 m² nicht mit bestehenden Anlagentei-len belegte Gewässerfläche im Unterwasser und 378 m² Gewässerfläche im Oberwasser des Wehres. Diese Bereiche sind in den o.g. Zeiträumen für den Fischbestand nicht nutzbar. Ausge-prägte Kiesbänke (Reproduktionshabitate) und sonstige essentiell notwendige Habitatstrukturen für das Referenzartenspektrum sind hier – soweit aufgrund von Einsehbarkeit, Wassertiefe und Trübung erkennbar - nicht betroffen und nach den hydraulischen Verhältnissen auch nicht zu er-warten. Nach Abschluss der Bauarbeiten stehen diese Flächen wieder einer sofortigen Besiedlung durch Gewässerorganismen zur Verfügung. Dieser temporäre Effekt ist für die an ein dynamisches Umfeld angepasste Lebensgemeinschaft des Fließgewässers weder erheblich noch nachhaltig.

    5.1.2 Stoffliche Emissionen der Baustelle Die stofflichen Emissionen der Baustelle in die Saale umfassen:

    - Wassertrübungen und Sauerstoffzehrungen durch Einschwemmen von Aushubfraktionen mit anaerobem Abbau organischer Substanz (durch Schachtarbeit innerhalb des Baugru-benverbaus und Sedimentation der Feststoffe bei Passage eines bauzeitlich genutzten Ab-setzbeckens minimierbar; Zwischenschalten einer Belüftungsstrecke zwischen Absetz-Beckenablauf und Saale z.B. durch Ablaufkaskade aus bauzeitlicher Steinschüttung);

    - Wassertrübungen durch Schlammfraktionen vom Boden der Pumpensümpfe bei Betrieb

    der Wasserhaltung (durch Sedimentation der Feststoffe bei Passage eines bauzeitlich ge-nutzten Absetzbeckens minimierbar);

    - Eintrag baustellentypischer Rückstände von Treib- und Schmierstoffen, Reinigungs-, Frost-

    schutzmitteln (durch sorgfältigen Umgang mit den genannten Stoffen und Durchsetzung der fachrechtlichen Vorschriften weitgehend minimierbar);

    - Abgabe von ablaufendem Betonierwasser mit hohem pH-Wert aus dem Baufeld und der

    Wasserhaltung in die Saale, dadurch lokal nachteilige Wirkungen für die Gewässerfauna (durch sorgfältiges Arbeiten, pH-Kontrollen und ggf. Neutralisierung bei Passage eines bauzeitlich genutzten Absetzbeckens minimierbar).

    Die prognostizierten zeitweiligen Wassertrübungen durch Abschwemmung von Feinmaterial kön-nen zwar zu temporären Verhaltensänderungen von Fischen und Individuen der Benthosfauna (z.B. aktives Meideverhalten, verlagerte Nahrungssuche, Driftaktivität) führen. Sie können jedoch Struktur und Funktion der Biozönose nicht beeinträchtigen, da gleiche Effekte bei jedem natürli-chen Starkregen an einmündenden temporären Rinnsalen auftreten. Die natürliche elastische Re-aktion der Fließgewässerbiozönose auf derartige zeitweilige Milieuveränderungen ist die

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    Grundlage für ihre Entwicklung und ihren Fortbestand. Unter Berücksichtigung der o.g. Minimie-rungsmöglichkeiten im Maßnahmenkonzept des LBP sind Schäden am Fischbestand sehr un-wahrscheinlich und können nur bei grob fahrlässiger bzw. vorsätzlicher Pflichtverletzung der Bau-Bauausführenden eintreten.

    5.1.3 Lärm und Erschütterungen im Wasserkörper Beim Bau der WKA ist der Einsatz von Spundwänden vorgesehen. Der Einsatz einer lärm- und erschütterungsarmen Rütteltechnologie wird im Rahmen der detaillierten Ausführungsplanung ge-prüft; bis dahin ist auf der sicheren Seite liegend von unvermeidbare Rammarbeiten auszugehen. Da sich Schall und Erschütterungen unter Wasser sehr gut fortsetzen, ist von einer temporären Störung der bei Einsetzen dieser Arbeiten am Baubereich befindlichen Fische auszugehen. Diese haben die Möglichkeit, den gestörten Bereich im Unterwasser des Wehres stromab bzw. im Ober-wasser des Wehres stromauf zu verlassen. Wegen der technisch günstigen Ausführung der Arbei-ten an der Baugrubensicherung und am Wehr in der abflussarmen Periode zwischen Juli und Oktober ist eine Überlagerung der temporären Störung mit dem Laichgeschehen und den laichsubstratgebundenen Juvenilphasen des wertgebenden rheo-lithophilen Fischartenspektrums unwahrscheinlich. 5.1.4 Einschränkungen der fischereilichen Nutzung Zur Gewährleistung von Sicherheit und Unfallschutz muss das Baufeld land- und wasserseitig ge-gen Begehen, Befahren und Bootsbewegungen abgesperrt werden. Am linken Saaleufer ist der Anlagestandort ohnehin nicht öffentlich zugänglich, so dass hier auch im Ist-Zustand die Angelfi-scherei nicht ausgeübt werden kann. Am rechten Saaleufer ist das Wehrwiderlager öffentlich zu-gänglich. Hier kann es während der Errichtung des Wehraufsatzes zur Absperrungen kommen, so dass punktuell die Fischereiausübung an dieser Stelle zeitweilig nicht möglich. Eine solche Ein-schränkung ist bei Baustellen am bzw. im Gewässer praxisüblich und zumutbar.

    5.2 Anlagebedingte Wirkungen Der Zeithorizont dieser Wirkungen entspricht der technischen Lebensdauer der wasserbaulichen Anlage insgesamt (> 100 Jahre). Die Wirkungen sind unabhängig von Betrieb oder Stillstand der WKA.

    5.2.1 Dauerhafte Flächenbelegung im Flussbett Barbe, Hasel und Schmerle sind typische rheophile Kieslaicher. Bestimmend für ihre Reproduktion im Gewässer ist neben der hinreichenden Wasserqualität vor allem das Angebot und die Zugäng-lichkeit von Laich- und Juvenilhabitaten (relativ flach überströmte Kiesbänke mit homogener Kör-nung bzw. flach ansteigende Uferzonen mit kiesig-sandigem Substrat). Maßgeblich für den Laicherbestand der relativ großwüchsigen Barbe ist zudem das Angebot an Nahrungshabitaten (z.B. Rauschen und tiefliegende Bänke mit heterogener Substratkörnung) und gedeckten Einstän-den (EBEL 2002). Der mögliche Verlust derartiger Strukturen durch Überbau ist ein geeigneter Indi-kator für die Beurteilung der Vorhabenswirkungen auf den Fischbestand. Ausgeprägte Kiesbänke (Reproduktionshabitate) und sonstige essentiell notwendige Habitatstrukturen für das Referenzar-tenspektrum sind –soweit aufgrund von Einsehbarkeit, Wassertiefe und Trübung erkennbar- in dem dauerhaft durch die neue WKA überbauten Bereich nicht vorhanden und nach den lokalen hydraulischen Verhältnissen auch nicht zu erwarten. Der Überbau von 137 m² Gewässersohle im Unterwasser und 436 m² Gewässersohle im Oberwasser wird daher keine erheblichen oder nach-haltigen Beeinträchtigungen des Fischbestandes nach sich ziehen. Die besiedelbare Fläche für das Makrozoobenthos als Fischnahrung verringert sich um den o.g. Betrag. Quantitativ betrifft dies eine Größenordnung von < 0,001% der flussab bzw. flussauf vorhandenen Gewässerfläche

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    bis zum jeweils nächsten Wehr1. Eine solche Größenordnung ist für die fischereiliche Produktivität im Ober- und Unterwasser der Staustufe absolut irrelevant.

    5.2.2 Barrierewirkung für stromauf gerichtete Fischwanderungen Die Stauanlage ist in ihrer derzeitigen Form durch aufsteigende Fische kaum überwindbar. Der vorhandene Fischpass ist unterdimensioniert und augenscheinlich nicht funktionsfähig. Die Errich-tung eines funktionsfähigen Fischaufstieges entsprechend dem aktuellen Regelwerk ist Bestandteil des Vorhabens. Bei Zugrundelegung des aktuellen Fischbestandes profitieren davon insbesondere potamodrome Kurzstreckenwanderer (z.B. Barbe, Quappe) und der Aal. Perspektivisch werden auch anadrome Großsalmoniden (Lachs, Meerforelle) und Flussneunaugen des Fischaufstieg nut-zen können, wenn ihre Wiederansiedlung im Flussgebiet der Saale gelingt. Damit ergibt sich eine positive Vorhabenswirkung für den Fischbestand.

    5.3 Betriebsbedingte Wirkungen Diese Wirkungen sind direkt vom Betrieb der Turbinen abhängig und können alljährlich in Abhän-gigkeit von Durchfluss und Anlagensteuerung wiederkehrend auftreten.

    5.3.1 Fischschädigung durch Turbinenpassage Individuen verschiedener Altersstadien der vorkommenden Fischarten können beim Passieren der Staustufe in Fließrichtung in die Turbine gelangen und bei der Passage Verletzungen mit oft leta-len Folgen erleiden. Dies betrifft insbesondere den zum Laichen abwandernden Aalbestand, mit Blick auf künftige Entwicklungen aber auch die zur Referenzzönose gehörenden Smolts von Lachs und Meerforelle sowie zum Meer abwandernden Flussneunaugen. Die Schädigungsraten für abwandernde Blankaale und Smolts bei der Turbinenpassage lassen sich nach EBEL (2008b) bzw. LARINIER & TRAVADE (2002) anhand der technischen Parameter der zum Einsatz kommenden Kaplanturbinen und der Körperlänge der eindringenden Fische schätzen (Tabelle 3, Tabelle 4). Tabelle 3: Schätzung der Schädigungsrate für Aale bei Passage von Kaplanturbinen

    Modell EBEL (2008b)

    Schädigungsrate p p(Aal) = (-(-44,6-13,65*Sabs, max+2,7*umax+1,09*L))/100

    Eingangsparameter

    Körperlänge des Fisches Lt Lt = 0,35/0,45/0,55/0,65/0,75/0,85 m

    Radius des Laufrades incl. Schaufel r 2,2 m

    Schaufelabstand am äußeren Laufradrand Sabs, max 0,5 m

    Drehzahl n 36 min-1

    Umfanggeschwindigkeit am größten Laufraddurchmesser umax = 2*π*r*n/60 8,3 m/s

    Tabelle 4: Schätzung der Schädigungsrate für Smolts von Großsalmoniden bei Passage von Kaplan-turbinen

    Modell LARINIER & TRAVADE (2002)

    1 19,7 km flussauf: Wehr Groß-Heringen, mittlere Gewässerbreite ≈ 30 m, A ≈ 59,1 ha 19,9 km flussab: Stauhaltung Öblitzmühle, mittlere Gewässerbreite ≈ 45 m, A ≈ 89,6 ha

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    Schädigungsrate p p(Smolt) = [sin(13,14+42,8(L/esp))]²

    Eingangsparameter

    Körperlänge des Fisches Lt Lt = 0,10/0,15/0,2/0,25 m

    Abstand der Schaufelblätter, bezogen auf deren Mitte esp esp=π*D1m/Np

    Zahl der Schaufelblätter Np 4

    Laufraddurchmesser in Höhe der Mitte der Schaufelblätter D1m 2,64 m

    Nach Kenntnis des Verfassers ist derzeit noch kein gesichertes Datenmaterial verfügbar, das die exakte Quantifizierung der Auf- und Abwanderung potamodromer und katadromer Fischarten im Saalesystem insgesamt ermöglicht. Auch zu den Individuenverlusten an den bestehenden WKA und zur Effizienz der beiden bereits nach aktuellem Kenntnisstand konzipierten Fischabstiegsanla-gen an den WKA Rothenburg und Planena ist noch kein Datenmaterial veröffentlicht. Detaillierte historische Daten zum Lachs (und der früher fast nie separat registrierten Meerforelle) liegen nur als kommerzielle Fang- und Besatzstatistiken vor (eine Zusammenstellung siehe u.a. ZAHN et al. 2007), während bei eventuell zu erwartendem Neubesatz im Voraus auch nicht die Herkunft und damit die Wachstums- und Migrationsparameter der Ursprungspopulation als Orien-tierung zu Rate gezogen werden können. Für das Flussneunauge ist die Datenlage noch spärli-cher. Deshalb sind im Folgenden sowohl für das zeitliche Muster als auch für die Längenverteilung der Absteiger plausible Annahmen aufgrund von Literaturdaten zu treffen. Diese Annahmen sind in Abbildung 5 und Abbildung 6 zusammengestellt.

    Abbildung 5: Intensität der Abwanderung von Blankaalen und Smolts anadromer Großsalmoniden im Jahresgang

    Intensität der Abwanderung

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

    Lachs-/ MeFo-Smolts Blankaal

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    Abbildung 6: Längenverteilung der absteigenden Blankaale und Smolts anadromer Großsalmoniden

    Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind in Tabelle 5 zusammengestellt. Tabelle 5: Schädigungsraten für Aale und Smolts in den zum Einbau in der WKA Bad Kösen vorge-sehenen Kaplanturbinen

    Art Längenklasse LT [cm] Klassenmittel [m] Schädigungsrate p bei

    Turbinenpassage

    Smolts Lachs/Meerforelle

    7,5 < LT ≤ 12,5 0,10 0,071

    12,5 < LT ≤ 17,5 0,15 0,081

    17,5 < LT ≤ 22.5 0,20 0,091

    22.5 < LT ≤ 25,0 0,25 0,101

    Blankaal

    30 < LT ≤ 40 0,35 0,287

    40 < LT ≤ 50 0,45 0,285

    50 < LT ≤ 60 0,55 0,284

    60 < LT ≤ 70 0,65 0,283

    70 < LT ≤ 80 0,75 0,282

    80 < LT ≤ 90 0,85 0,281

    Die voraussichtlichen Schädigungsraten liegen bei Smolts von Großsalmoniden zwischen 7% und 10%. Für Blankaale ist eine turbinenbedingte Schädigung um 28%-29% zu erwarten. Diese Schä-digungsrate liegt im unteren Viertel der Verluste, die bei den von EBEL (2008b) ausgewerteten Un-tersuchungen festgestellt wurden. Um die Vorgabe der EU-Aal-VO – die Sicherung einer Abstiegsrate von mindestens 40% des po-tenziell natürlichen Blankaalaufkommens in den europäischen Flussgebieten - auch nur annähernd erfüllen zu können, ist die Vermeidung bzw. weitestgehende Minimierung von Turbinenverlusten

    Längenverteilung der Absteiger

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    60%

    70%

    80%

    10 15 20 25 35 45 55 65 75 85

    Klassenmittel TL [cm]

    Lachs-/MeFo-Smolts Blankaal

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    eine unverzichtbare Maßnahme (BRÄMICK et al. 2007). Der Aal-Managementplan für das Einzugs-gebiet der Elbe (BRÄMICK et al. 2008) setzt den Rahmen für die notwendigen Bewirtschaftungs-maßnahmen und Restriktionen zur Sicherung und Entwicklung des Aalbestandes. Das im Zusam-Zusammenhang mit dem Managementplan entwickelte Aalbestandsmodell GEM II ist in seiner Struktur zwar frei zugänglich dokumentiert (OEBERST & FLADUNG 2012), nicht jedoch die umfang-reichen bisher eingestellten Eingangsdatensätze. Darüber hinaus wird im Managementplan aus-drücklich festgestellt, dass die „vollständige Erfassung relevanter Kraftwerksanlagen mit Informationen zur Aalsterblichkeit bzw. mit Angaben, die eine realistische Abschätzung der Aals-terblichkeit gestatten“ noch zu den Datenlücken gehört, die im laufenden Berichtszeitraum (bis einschließlich 2012) zu schließen sind (BRÄMICK et al. 2008 S. 40). Deshalb ist auch eine quantita-tive Bewertung der geplanten Anlage vor dem Hintergrund der nach EU-Aal-VO letztendlich durch das Land nachzuweisenden Gesamtquantifizierung der Verluste derzeit noch nicht möglich. Somit kann hier nur die Einhaltung einer möglichst geringen Mortalität bei der Passage des einzelnen Wasserkraftstandortes nachgewiesen werden. Um dem Mortalitätsfaktor „Turbinenpassage“ zu minimieren, wird eine Fischabstiegsanlage mit horizontalem Feinrechen und Bypass vorgesehen. Das Verfahren zur Ermittlung der Rückhaltewir-kung dieses Rechens für Aale und Smolts von Großsalmoniden ist in Tabelle 6 zusammengefasst. Die standortspezifischen Parameter von Rechen und Anströmung sind ebenfalls angegeben. Die Rückhalteeffizienz wird hier nur als binare Entscheidung berücksichtigt (wirksam E = 1, unwirksam E = 2). Tabelle 6: Ermittlung der Rückhaltewirkung des Rechens für Aale und Smolts von Großsalmoniden

    Modell PAVLOW (1989), ATV-DVWK (2004)

    Entscheidungsregel für Rückhalteeffizienz E WENN vrelativ < vkrit DANN E=1 SONST E=0

    Eingangsparameter

    Relativgeschwindigkeit vor dem Rechen vrelativ v relativ = vN /(sin(β+γ))

    Normalgeschwindigkeit am Rechen vN vn = Q/A

    Entnahmemenge Wasserkraftanlage Q 0 m³/s ≤ Q ≤ 40 m³/s

    Effektive Anströmfläche des Rechens A 80,2 m²

    Winkel des Rechens zur Strömung β 35°

    Winkel des Fisches zur Strömung γ 25° (PAVLOV 1989)

    Kritische Geschwindigkeit für abwandernde Fische der Körperlänge Lt [m] vkrit

    Aal: vkrit = 1,9 * Lt * 0,45 (ATV-DVWK 2004, Tab. 2.8, Formel am Ende der Tabelle unter Nutzung der Angabe zur Sprintge-schwindigkeit des Aal nach BLAXTER & DICKSON (1959) Smolts: vkrit = 0,94 * ln(Lt ) + 2,4175 (ATV-DVWK 2004, Formel aus Abb. 2-16)

    Sicher führt eine geringe Überschreitung der kritischen Geschwindigkeit für abwandernde Fische durch die Relativgeschwindigkeit am schräg angeordneten Rechen nicht zum Einsaugen von 100% der Absteiger, wie diese Vorgehensweise auf der sicheren Seite liegend unterstellt. Dies ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil auch die physiologische Kondition der Individuen einer Grö-ßenklasse variiert. Die in Nähe des Bypasses auf den Rechen treffenden Tiere haben zudem noch die Chance, mit einer zwischen der kritischen und der Sprintgeschwindigkeit liegenden Bewegung dem Rechenbereich zu entkommen, da hier der Weg kürzer ist, über den die höhere Geschwindig-

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    keit durchzuhalten ist. Jedoch wäre es unsinnig, das bereits auf angenommenen Längenverteilun-gen und Abstiegszeiträumen beruhende Berechnungsverfahren durch weitere Annahmen zum Kontaktort von Fisch und Rechen noch weiter zu verkomplizieren. Die trotz Rechen verbleibende Mortalität abwandernder Blankaale und Smolts ergibt sich aus grö-ßenabhängiger Rechenpassierbarkeit, größenabhängiger Turbinenmortalität, Anteil der WKA-Beaufschlagung am Gesamtdurchfluss und Anteil der Abwanderer im jeweils betrachteten Zeitin-tervall an der Jahressumme der Abwanderer. Als Zeitintervall wird hier der Kalendermonat gewählt und jeweils das Monats-MQ nach Abbildung 3 angesetzt. Die Abflussanteile, welche die WKA pas-sieren, ergeben sich aus dem jeweiligen Monatsdurchfluss abzüglich der für Fischwege, Wehr-überfall und Kleine Saale zu gewährleistenden Abgabe sowie aus der Auslegung der Turbinen, deren Schluckvermögen jeweils auf das Intervall zwischen 3,3 m³/s und 20 m³/s begrenzt ist. Der Abflussanteil der WKA bei mittleren Monatsdurchflüssen und die sich bei den jeweiligen Betriebssi-tuationen ergebenden Relativgeschwindigkeiten am Rechen sind in Tabelle 7 zusammengestellt. Tabelle 7: Abflussanteil der WKA und Relativgeschwindigkeit am geplanten Rechen

    Monat Abflussanteil

    WKA v relativ [m/s] Abflussanteil

    WKA v relativ [m/s] Abflussanteil

    WKA v relativ [m/s]

    MNQ MQ MHQ

    Januar 64,4% 0,23 84,2% 0,58 92,0% 0,58

    Februar 75,6% 0,40 86,3% 0,58 92,4% 0,58

    März 75,6% 0,40 87,0% 0,58 93,3% 0,58

    April 64,0% 0,23 79,8% 0,51 88,9% 0,58

    Mai 51,6% 0,14 68,1% 0,28 82,6% 0,58

    Juni 37,1% 0,08 58,1% 0,18 78,8% 0,48

    Juli 37,5% 0,08 54,3% 0,15 77,3% 0,44

    August 30,8% 0,06 50,8% 0,13 71,6% 0,29

    September 34,8% 0,07 52,1% 0,14 80,6% 0,54

    Oktober 37,5% 0,08 61,9% 0,21 81,3% 0,56

    November 56,3% 0,17 73,3% 0,29 85,6% 0,58

    Dezember 63,9% 0,23 80,7% 0,54 89,3% 0,58

    Die Gesamtmortalität, bezogen auf ein Jahr, ist daher die Summe der Einzelmortalitäten über alle Monate und Größenklassen der betrachteten Art (Tabelle 8). Ergänzend werden die einzelnen Rechengänge auch die monatliche MNQ und MHQ durchgeführt, um die Verhältnisse bei Eintreten von temporären Durchflussextrema würdigen zu können.

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    Tabelle 8: Ermittlung der Gesamtmortalität abwandernder Blankaale und Smolts an der WKA

    Modell

    Gesamtmortalität Mges. Mges.= ΣMonate ΣGrößenklassen (MMG)

    Mortalität MMG (Monat; Größenklasse) MMG =p*(1-E)*Absteigeranteil [Monat] * Anteil Größenklasse * Durchflussan-teil WKA [%]

    Eingangsparameter

    Längenverteilung Blankaal Abbildung 6 nach HOLZNER (2000), Abb. 38

    Jahreszeitliches Muster Aalabstieg Abbildung 5 in Anlehnung an TESCH (1999), S. 193, Abb. 3-26

    Längenverteilung Smolts Abbildung 6 in Anlehnung an CLADRIGE & POTTER (1994, Lachs) sowie CHELKOVSKI & CHELKOVSKA (1995, Meerforelle)

    Jahreszeitliches Muster Abstieg Smolts Abbildung 5 In Anlehnung AN CHELKOVSKI et al. (1994) sowie nach Jahresgang Wassertemperatur Saale

    Die Ergebnisse der Ermittlung der Gesamtmortalität sind in Tabelle 9 für Lachs- und Meerforel-lensmolt sowie in Tabelle 10 für Blankaal dargestellt. Tabelle 9: Gesamtmortalität Smolt

    Monat Gesamtmortalität Smolt Lachs/Meerforelle (Bezugsgröße: Jahressumme potenzieller Abwanderer)

    MNQ MQ MHQ

    Januar 0,0% 0,0% 0,0%

    Februar 0,0% 0,0% 0,0%

    März 0,0% 0,0% 0,0%

    April 0,0% 0,1% 0,1%

    Mai 0,0% 0,1% 0,1%

    Juni 0,0% 0,0% 0,0%

    Juli 0,0% 0,0% 0,0%

    August 0,0% 0,0% 0,0%

    September 0,0% 0,0% 0,0%

    Oktober 0,0% 0,0% 0,0%

    November 0,0% 0,0% 0,0%

    Dezember 0,0% 0,0% 0,0%

    Summe 0,0% 0,2% 0,2%

    Tabelle 10: Gesamtmortalität Blankaal

    Monat Gesamtmortalität Blankaal (Bezugsgröße: Jahressumme potenzieller Abwanderer)

    MNQ MQ MHQ

    Januar 0,0% 0,0% 0,0%

    Februar 0,0% 0,0% 0,0%

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    Monat Gesamtmortalität Blankaal (Bezugsgröße: Jahressumme potenzieller Abwanderer)

    MNQ MQ MHQ

    März 0,0% 0,0% 0,0%

    April 0,0% 0,0% 0.0%

    Mai 0,0% 0,0% 0,0%

    Juni 0,0% 0,0% 0,0%

    Juli 0,0% 0,0% 0,0%

    August 0,0% 0,0% 0,0%

    September 0,0% 0,0% 9,0%

    Oktober 0,0% 0,0% 9,9%

    November 0,0% 0,2% 0,9%

    Dezember 0,0% 0,0% 0,0%

    Summe 0,0% 0,2% 19,8%

    Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die voraussichtliche Gesamtmortalität für Smolts von Großsalmoniden wie auch für absteigende Blankaale an der geplanten WKA unter den getroffenen Annahmen zu Wanderzeitraum und Längenverteilung bei Mittel- und Niedrigwasser-verhältnissen vernachlässigbar gering ist. Im August und September, d.h. in der Wanderperiode der Blankaale, werden bei MHQ Verlustraten auftreten, die in Summe ≤ 19,8% des Jahresauf-kommens betreffen können. Da der schnelle Anstieg des Durchflusses bei einsetzenden Hoch-wässern als Auslöser eines Abwanderungsschubes wirken kann (HOLZNER 2000, BEHRMANN-GODEL & ECKMANN 2003, GOSSET et al. 2005, ATV-DVWK 2004), sind von der an sich seltenen spätsommerlichen Hochwassersituation überdurchschnittlich viele Abwanderer gefährdet. Die be-rechneten Mortalitäten werden überwiegend durch Aale < 60 cm bestimmt. So berichten BEHR-MANN-GODEL & ECKMANN (2003), dass besenderte Blankaale von 70 bis 100 cm Länge im Anstrombereich einer WKA zu Kreisbewegungen übergingen, wenn bei Annäherung an den Re-chen in ca. 20 m Entfernung Fließgeschwindigkeiten < 0,5 m/s gegeben waren. Die Aale nahmen das Hindernis wahr und flüchteten schräg gegen die Fließrichtung, um sich dann wieder mit dem Stromstrich flussab zu bewegen. Diese Tiere können einen schadlosen Weg in das Unterwasser finden, wenn sie kreisend eine Strombahn finden, die am Rechen vorbeiführt. Im Falle der WKA Bad Kösen sind im Durchflussbereich dem MHQ August/September (37,4 bzw. 39 m³/s) 20 m vor dem Rechen mittlere Fließgeschwindigkeiten im Intervall um 0,2 m/s bis 0,4 m/s zu erwarten (sie-he Anlage 1.3 - Hydraulische Berechnung, dort Zeichnung 2.6). Damit sind - auch unter in Bezug auf den Aalschutz ungünstigen Betriebsverhältnissen der WKA - die Voraussetzungen für das o.g. Meideverhalten gegeben. Um auch im Falle kurzer HW-Spitzen in der insgesamt relativ abflussarmen Periode der Blankaal-Wanderung eine möglichst geringe Mortalität zu erreichen, kann unter den gegebenen Umständen nur durch zeitlich begrenzte Leistungsreduzierung reagiert werden. Die notwendige Leistungsre-duzierung zur Begrenzung der theoretischen Gesamtmortalität der Blankaale auf ≤ 1% wurde für die in Tabelle 7 und in Tabelle 8 dargestellten Verhältnisse bei MHQ August/September rückge-rechnet. Im Ergebnis können Aalverluste weitestgehend ausgeschlossen werden, wenn während des Durchlaufes von Hochwässern im August/September der Betrieb der WKA auf eine Turbine und damit auf maximal 20 m³/s beschränkt bleibt.

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    5.3.2 Veränderte Strömungsmuster im Unterwasser der WKA Unterhalb der Saalewehre sind in der Regel geeignete Habitate für die Reproduktion lithophiler Charakterarten des Epipotamals vorhanden. Durch die Vielfalt der in den einzelnen Lebensphasen benötigten Habitate mit ihren spezifischen hydraulischen und Substratmustern eignet sich insbe-sondere die Barbe hervorragend als Schirm-Art im Sinne von SIMBERLOFF (1998). Die laichhabitatgebundene Periode der Individualentwicklung vom befruchteten Ei bis zum Verlas-sen des Laichhabitats kann bei der Barbe in Abhängigkeit von der Wassertemperatur bis zu 28 Tage andauern (EBEL 2002), beginnt Anfang Mai und endet typischerweise Ende Mai bis in den Juni (FREYHOF 1999). Danach verlassen die Jungfische das Lückensystem des Laichsubstrates und suchen in strömungsberuhigten Bereichen aktiv nach Nahrung. Mit zunehmendem Wachstum können dabei in den folgenden Monaten immer stärker überströmtere Bereiche genutzt werden (BISCHOFF & FREYHOF 1999). Bei Sommerhochwässern ist ein Abdriften großer Teile des Jung-fischbestandes aus den bis dahin genutzten Habitaten möglich. Für Alttiere führen Hochwasserer-eignisse teilweise zum Abdriften aber auch zu flussaufwärts gerichteten Wanderungen (ZEH 1993). Durch den Schutz der Habitate der Barbe wird ein Großteil der epipotamalen Referenzzönose mit abgedeckt. Im Umkehrschluss gibt die Beurteilung der Habitateignung für die Barbe auch Auf-schluss über die Lebensraumqualität für die gesamte Lebensgemeinschaft. Deshalb ist hier eine entsprechende bioindikatorische Vorgehensweise am Beispiel dieser Art als Grundlage der Kon-fliktanalyse und Wirkungsprognose geeignet. Als Indikatorgrößen werden bei dieser Vorgehens-weise die bevorzugten hydraulischen Habitatanforderungen verschiedener Entwicklungsstadien der Barbe genutzt. Die Eignung eines Gewässerbereiches für die unterschiedlichen Entwicklungs- und Altersstadien lässt sich anhand von mittlerer Fließgeschwindigkeit, Wassertiefe und Substrat-beschaffenheit beschreiben. Zu letzterer können aufgrund der hydraulischen Verhältnisse und der Sichttiefe der Saale im Unterwasser der Staustufe Bad Kösen bei normalen hydrologischen Ver-hältnissen keine flächendeckenden Daten erhoben werden. Daher wird die potenzielle quantitative Ausprägung der einzelnen von dieser Art genutzten Habitattypen durch die räumliche Variation der hydraulischen Parameter Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit im Ist- und Planzustand beschrie-ben. Dabei wird das gleichmäßige Vorhandensein von kiesigen Sanden und Kiesen als dominie-rende Sohlsubstrate unterstellt. Anthropogen eingebrachte Materialien, z.B. alte und inzwischen auch umgelagerte Steinschüttungen, sind mit Sicherheit punktuell vorhanden und bieten kleinräu-mig als Einstand nutzbare Strukturen. Im Ist-Zustand werden bis 8 m³/s (max. Schluckvermögen der alten WKA) an der linken Seite des Wehres in das Unterwasser der Staustufe abgegeben. Der verbleibende Abfluss überströmt das Wehr vor allem an der rechten Seite, wo der Bretteraufsatz fehlt. Im Planfall werden bis 40 m³/s konzentriert an der linken Seite des Wehres den Auslaufbereich der neuen WKA verlassen. Somit wird die Hauptströmung von der rechten Flussseite im Unterwasser des Wehres auf die linke Flussseite verschoben. Die daraus resultierenden Strömungsmuster wurden detailliert im Rahmen der hydraulischen 2D-Modellierung (HPI 2010; Akte 1, Teil 1 – Technische Planung, lAnlage 1.3) untersucht. Die Ergebnisse dieser Modellierung bilden die Grundlage der folgenden Darstellungen. Die drei gewählten Durchflüsse von 16 m³/s, 29 m³/s und 49 m³/s entsprechen größenordnungs-mäßig dem MNQ, MQ und MHQ im Zeitraum Mai/Juni, d.h. in der Laich- und frühen Juvenilphase der Leitfischart Barbe. Weiterhin bilden diese Durchflüsse markante Punkte für den Anlagenbe-trieb. Bei 12 m³/s beginnt der Anlagenbetrieb mit einer Turbine (min. 3 m³/s), d.h. bei niedrigeren Durchflüssen in der Saale ruht der Betrieb der WKA. Ab 29 m³/s kann eine Turbine voll beauf-schlagt werden (max. 20 m³/s), und ab 49 m³/s ist der volle Betrieb beider Turbinen möglich (2 x 20 m³/s). Bei allen drei Durchflüssen stellt sich das jeweils größtmögliche und somit ungünstigste Verhältnis zwischen Turbinendurchfluss und verbleibenden Abgaben an Fischwege, Wehr sowie Kleine Saale ein. Für die beiden kleineren Durchflüsse sind die Verhältnisse bei Beaufschlagung der linken Turbine in der geplanten WKA dargestellt. Auch die Beaufschlagung der rechten Turbine

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    wurde untersucht; die Unterschiede beider Varianten in Bezug auf die hier relevanten Parameter sind jedoch vernachlässigbar gering (bei 16 m³/s je nach Parameter ≤ 0,6%, bei 29 m³/s ≤ 1,8 %) und für die zu treffenden Aussagen irrelevant. Zunächst wird geprüft, in wieweit die Fließgewässercharakteristik im Einflussbereich der geplanten WKA erhalten bleibt. Maßgeblich für eine typische epipotamale Biozönose ist beim Makro-zoobenthos, d.h. für die wesentliche Nahrungsgrundlage der Fischgemeinschaft, eine mittlere Fließgeschwindigkeit von 0,3 m/s (BANNING 1998).

    Abbildung 7: Benetzte Gerinnefläche und Anteil mit v ≥ 0,3 m/s

    Im Ist-Zustand nimmt der Anteil schnell überströmter Gewässerfläche im Unterwasser des Wehres ab, wenn der Durchfluss ansteigt. Im Planfall ist der mit v ≥ 0,3 m/s überströmte Bereich bei 16 m³/s geringfügig größer und bei 29 m³/s geringfügig kleiner als im Ist-Zustand; die Größenord-nung der Flächenanteile im Wesentlichen gleich. Bei hohen Abflüssen, d.h. bei Betrieb beider Tur-binen ab 49 m³/s, ist der mit v ≥ 0,3 m/s überströmte Bereich hingegen im Plan-Zustand deutlich größer als im Ist-Zustand. Da in beiden Fällen der gleiche Durchfluss vorhanden ist und damit die mittlere Fließgeschwindigkeit über den gesamten Abschnitt dieselbe sein muss, kann dieses Er-gebnis nur durch Verringerung der Fläche mit sehr niedrigen und sehr hohen Fließgeschwindigkei-ten zustande kommen. Letztere werden in Abbildung 7 durch die Datenreihe v ≥ 1,0 m/s repräsentiert. Die Vorhabenswirkung besteht hier also in der Verschiebung des Fließgeschwindig-keitsspektrums bei Einsatz beider Turbinen in den Bereich mittlerer Fließgeschwindigkeiten, bei dem keine Beeinträchtigungen der fließgewässertypischen Lebensgemeinschaft zu erwarten sind. Die Verhältnisse im Unterwasser werden sich darüber hinaus im Laufe der Zeit tendenziell wieder dem Ist-Zustand annähern, da durch die Änderung des Strömungsmusters auch lokale gewässer-interne Umlagerungen der Sohlsubstrate eintreten werden, die den veränderten Strömungsvekto-ren folgen. Damit sind in künftig weniger intensiv überströmten Gerinneteilen Sohlaufhöhungen zu erwarten, während es im Abstrombereich der neuen WKA zu Eintiefungen kommen kann. Nachtei-lige Auswirkungen auf den Fischbestand sind daraus nicht ableitbar. Zur Absicherung dieser aus der Betrachtung allgemeiner hydraulischer Zusammenhänge abgelei-teten Aussage werden nun die möglichen Änderungen der Strömungsverhältnisse im Unterwasser des Wehres in Bezug auf die Barbe als ausgewählte Schirm- und Leitfischart untersucht. In Tabel-le 11 sind Kriterien der Habitateignung für die Barbe zusammengestellt.

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    Tabelle 11: Kriterien der Habitateignung für die Barbe

    Quelle BARAS (1992) in EBEL (2002) BANARESCU & BOGUTSKAYA

    (2003) LFU (2005) BISCHOFF & FREYHOF (1999)

    POULLY & SOU-CHON (1994), BANARESCU & BOGUTSKAYA

    (2003)

    Kriterien Laichplatz Laichplatz Laichplatz L + J1 J2A + J2B Ad.

    v min (0,21) 0,16 (0,3…) 0,5 0,3 0 0 0,3

    v max (0,60) 0,50 0,7 (...1,2) 0,5 0,4 0,4 1,6

    t min 0,11 (0,5..) 1,0 0,1 0,05 0,1 0,3

    t max 0,33 1,5 (...3) 0,4 0,9 0,9 6

    Altersklassen nach KRUPKA (1988): L = Larven, J1: TL ≤ 29 mm, J2A: TL = 30-39 mm , J2B: TL = 40-49 mm Ad. = adulte Tiere. Die Angaben von BARAS (1992) beschreiben den Bereich, innerhalb dessen 90% aller Laichvorgänge beobachtet wur-den. Um die Vergleichbarkeit der Werte von BARAS mit den Ergebnissen der hydraulischen 2D-Berechnung herzustellen, wurden die Originalwerte durch annähernde tiefengemittelte Fließgeschwindigkeiten ersetzt. Eine solche näherungswei-se Umrechnung ist möglich für breite Gerinne mit Grobkies als Sohlsubstrat, mit bekannter Wassertiefe und unter An-nahme eines logarithmischen Geschwindigkeitsprofils (Gl. 2.26, 2.29 und 2.34 b in DITTRICH 1998). Die in Spalte 2 in Klammern angegeben Fließgeschwindigkeiten sind Messwerte in 1 dm Höhe über dem Gewässergrund. Die Angaben der anderen Autoren sind in dieser Hinsicht nicht näher spezifiziert, daher werden mittlere Fließgeschwindigkeiten unter-stellt. Angaben für den Laichplatz von BANARESCU & BOGUTSKAYA (2003) in Spalte 3: in Klammern Hüllwerte und ohne Klam-mern bevorzugter Wertebereich im Ergebnis einer Sichtung vorwiegend ost- und südosteuropäischer Originalquellen. Letztere sind Grundlage der weiteren Auswertung in diesem Gutachten. Die Ergebnisse des hydraulischen 2D-Modells für den Saaleabschnitt zwischen Unterwasser des Wehres und Straßenbrücke wurden anhand der Werte aus Tabelle 11 auf Veränderungen der Ha-bitateignung im Vergleich Ist- und Planzustand untersucht. Die Ergebnisse sind in Abbildung 8 und Abbildung 9 zusammengestellt.

    Abbildung 8: Flächenanteile mit Habitateignung für unterschiedliche Entwicklungsstadien der Barbe

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    Im Ist-Zustand nimmt der Anteil der für Jungbarben geeigneten Gewässerfläche im Unterwasser des Wehres sowohl bei größerem als auch bei kleinerem Durchfluss im Vergleich zu Q = 29 m³/s ab. Der von Alttieren bevorzugte Geschwindigkeits- und Tiefenbereich nimmt mit dem Durchfluss zu. Im Planfall verhält sich der von Jungbarben nutzbare Bereich 16 m³/s und bei 29 m³/s annä-hernd gleich, während der von Altbarben präferierte Tiefen- und Geschwindigkeitsbereich bei 29 m³/s etwas größer und bei 49 m³/s wesentlich kleiner als im Ist-Zustand ist. Aufgrund der Mobili-tät von Barben bei Habitatwahl und Homing-Verhalten sollte der bei höheren Abflüssen festgestell-te Effekt kein Problem für den Barbenbestand sein, denn der insgesamt von Alttieren eines Flussabschnittes genutzte Flussabschnitt mit Rückkehrmöglichkeit zum eigentlichen Einstand ist wesentlich größer als der hier betrachtete Gerinneabschnitt (0,2 - 2,4 bzw. 2,6 km, BARAS 1997, De VOCHT & BARAS 2005). Praktisch relevant ist hingegen der Effekt, dass bei höheren Abflüssen im Planfall der für Jungbar-ben nutzbare Bereich wieder leicht zunimmt. In den Erläuterungen zum Befischungsergebnis des IfB (2006) wird hervorgehoben, dass die hydraulischen Verhältnisse im Unterwasser des Wehres die Nutzung dieses Bereiches durch Jungfische des Referenzartenspektrums einschränken. Die-sem Effekt wirkt das Strömungsmuster im Planfall tendenziell entgegen.

    Abbildung 9: Flächenanteile mit Eignung als Laichhabitat der Barbe

    Die als potenzielle Laichhabitate nach den Kriterien von BARAS (1992) und LfU (2005) dargestell-ten Flächen sind quantitativ bei niedrigem Abfluss im Plan-Zustand ähnlich wie im Ist-Zustand ausgeprägt. Bei 29 m³/s ergibt sich im Ist-Zustand eine Zunahme und im Plan-Zustand eine Ab-nahme der geeigneten Flächen. Bei 49 m³/s geht der nutzbare Gerinnebereich im Ist-Zustand we-niger stark zurück als im Planzustand. Da die Attributierung dieser Flächen nur über Fließ-geschwindigkeit und Wassertiefe erfolgen konnte, sind die Unterschiede zwischen Istzustand und Planfall primär der bei Leistungsbetrieb der WKA erhöhten Fließgeschwindigkeit über den Flach-wasserzonen am linken Saaleufer zuzurechnen, deren Struktur kaum den typischen, bei EBEL (2002) anschaulich beschriebenen Laichplätzen entspricht. Würde man den als Reproduktionsha-bitat potenziell nutzbaren Tiefen- und Geschwindigkeitsbereich durch die von BANARESCU & BOGUTSKAYA (2003) genannten Werte (Spalte 2 in Tabelle 11) definieren, dann nähme dessen Flächenanteil im Ist-Zustand mit steigendem Durchfluss stark zu. Im Planfall würde ein Maximum ähnlicher Größenordnung im mittleren Abflussbereich liegen (29 m³/s).

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    WKA Bad Kösen Fischereibiologisches Gutachten

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    Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist zu beachten, dass die nach BANARESCU & BOGUTSKAYA (2003) tatsächlich nutzbaren Habitatausprägungen (wenn sie im untersuchten Gewässer tatsäch-lich vorhanden sind) einen deutlich breiteren Bereich abdecken als die Habitatpräferenzen, die in LfU (2005), BARAS (1992) oder EBEL (1992) beschrieben werden und die in Mitteleuropa in der Regel aus Untersuchungen an kleinen bis mittelgroßen Flüssen beruhen. Auch hier muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Ausdehnung der durch Tiefen- und Geschwindigkeitsintervalle definierten Präferenzbereiche im Laufe der Zeit durch die zu erwartenden gewässerinternen Umla-gerungen der Sohlsubstrate tendenziell wieder dem Ist-Zustand annähern. Somit sind für das oh-nehin fragliche Laichplatzangebot im Wirkbereich des veränderten Strömungsmusters ebenfalls keine Auswirkungen auf den Fischbestand ableitbar. Der oben beschriebene Wirkmechanismus aus Änderung des Strömungsmusters und nachfolgen-der Sohlumformung ist ebenfalls und in noch intensiverem Maße für das Oberwasser der Staustufe zu erwarten. Hier stellt sich in den Planfällen Q = 29 ... 49 m³/s eine sehr langsame Drehströmung in der rechten Gerinnehälfte ein (siehe Akte 1, Teil 1 - Technische Planung, Anlage 1.3 - Hydrauli-sche Berechnung, dort Zeichnungen 2.4 bis 2.7). Dieser Bereich wird sicher der Sedimentation unterliegen, bis durch Sohlaufhöhung in Kombination mit der Entwicklung von Strömungsrinnen zur WKA und zum rechten Wehrwiderlage bzw. zur Kleinen Saale ein neues Gleichgewicht erreicht ist. Im Oberwasser führt dies zu einem breiteren Spektrum der Fließgeschwindigkeiten als im Ist-Zustand. Nachteilige Auswirkungen auf den Fischbestand sind aus den beschriebenen Wirkungen auch für das Oberwasser nicht ableitbar.

    5.3.3 Anteilig entfallende Belüftung am Wehrüberfall Beurteilungskriterien für diesen Wirkpfad bieten

    • die gewässertypbezogenen Hintergrund- und Orientierungswerte der LAWA (2007) für die Einhaltung des guten ökologischen Zustandes,

    • die Vorgaben der Süßwasserschutz-RL der EU bzw. der FischVO LSA für Cyprinidenge-wässer.

    Kritische Sauerstoffdefizite im Unterwasser aufgrund fehlender Belüftung am Wehrüberfall können im Ergebnis der Sauerstoff-Bilanzbetrachtung als sehr seltene und unwahrscheinliche Extremfälle beurteilt werden. In den bilanzierten Situationen der Messreihen 2003-2008 traten keine Sauer-stoffkonzentrationen ≤ 6 mg/l auf. Der Orientierungswert nach LAWA (2007) für den Gewässertyp 9.2 (6 mg/l) sowie die Vorgaben der FischGew-RL zum Schutz von Cyprinidengewässern (50 % > 8 mg/l, 100 % > 5 mg/l) werden damit nicht unterschritten. Somit sind normalerweise keine Ge-fährdungen der potamalen Gewässerfauna zu erwarten. Trophie und organische Gesamtfracht der Saale sind jedoch derzeit noch so hoch, dass für den Fall hydrometeorologischer Extremsituatio-nen die Möglichkeit des temporären Gegensteuerns offengehalten werden sollte (z.B. durch einen Auflagenvorbehalt im Planfeststellungsbeschluss zur befristeten Anordnung stunden- bis tagewei-se erhöhter Mindestabgaben an den Wehrüberfall).

    6 Maßnahmen zum Schutz des Fischbestandes und zur Herstellung der Passier-barkeit

    Der Wasserkraftunternehmer hat nach § 38 FischG LSA auf seine Kosten das Eindringen von Fi-schen in die WKA durch geeignete Vorrichtungen zu verhindern und für die schadlose Ableitung der Fische in das Unterwasser zu sorgen. Die bei vergleichbaren Verfahren durch die Obere Fi-schereibehörde festgesetzten Mindestanforderungen und Bemessungsgrundsätze für den Schutz stromab wandernder Fische werden bei der Planung berücksichtigt. Für unvermeidbares Entste-hen solcher Schädigungen hätte der Wasserkraftbetreiber dem betroffenen Fischereiausübungs-

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    WKA Bad Kösen Fischereibiologisches Gutachten

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    berechtigten Ersatz zu leisten. Dies soll nach Möglichkeit durch ein voll funktionsfähiges Fisch-schutz- und –ableitungskonzept ausgeschlossen werden. Bei bestehenden Anlagen, die den Fischwechsel verhindern, kann gemäß § 45 FischG LSA die Errichtung von Fischwegen nachträglich von der oberen Fischereibehörde im Einvernehmen mit der oberen Wasserbehörde gefordert werden. Da der Wasserkraftunternehmer bei wesentlicher ökologischer Verbesserung eines Standortes einen beachtlichen Nutzen aus der Anlage ziehen kann (erhöhte Vergütung nach EEG 2009), erfolgt die Errichtung der Fischwege durch ihn.

    6.1 Fachtechnisches Regelwerk Derzeit werden Fischauf- und Abstiegsanlagen nach fachtechnischen Richtlinien und Regelwerken konzipiert, bemessen und betrieben, die in unterschiedlichem Maße den aktuellen Erfahrungsstand berücksichtigen. Die einzelnen maßgeblichen Werke sind in Tabelle 12 zusammengestellt und wurden bei der Planung der Fischwege berücksichtigt. Tabelle 12: Regelwerk zur Gestaltung und Bemessung von Fischwegen

    Quelle genutzte Inhalte

    ATV-DVWK (2004) Bemessung Rechen

    PAVLOV (1989) Bemessung Rechen

    DWA-M 509 (Gelbdruck; 2010) Bemessung Fischaufstieg

    DVWK (1996) Bemessung Fischaufstieg

    MUNLV NRW (2005) [Handbuch Querbauwerke] Optimale Einordnung von Fischaufstieg und -abstieg im Anlagenumfeld

    6.2 Fischaufstieg Der Fischaufstieg wird als Schlitzpass (Vertical-Slot-Pass) am linken Ufer landseitig der WKA mit einem Schlitz je Zwischenwand geplant und in der Größe der Becke