11
Wassermanagement im historischen Bergbau Marcus Dehler 1 1 Agricolastraße 16, 09599 Freiberg / Sachsen Abstract. Die bergmännische Wasserwirtschaft ist ein Beispiel für den gesetzmäßigen Übergang von der technischen Praxis zur Technikwissenschaft und deren Rückwirkung auf die Praxis. Eine Technikwissenschaft entsteht stets dort, wo die Technik so kompliziert wird, dass sie handwerklich-empirisch nicht mehr zu beschreiben ist. Daher ist der erste Schritt einer Technikwissenschaft die zu bewältigenden technischen Vorgänge und Probleme zu erfassen und anschlie- ßend messbar zu machen (Becke et. al. 1986). Das größte Problem des Bergbaus ist es, die zufließenden Grundwässer zu beseitigen um einen reibungslosen Erzabbau zu garantieren. Zur Lösung des Problems wurden anfänglich menschli- che bzw. tierische Arbeitskraft eingesetzt. Mit fortschreitender Entwicklung des Bergbauwesens konstruierte man ver- schiedene Wasserhaltungsmaschinen. Zum Antrieb dieser Maschinen bedurfte es großer Mengen an Aufschlagwasser, welches durch ein perfekt abgestimmtes wasserwirtschaftliches System, bestehend aus Kunstgräben und –teichen, be- reitgestellt werden konnte. Erste Methoden der Wasserhaltung Zu Beginn des Freiberger und Harzer Tiefbergbaus, also im 12. bzw. 13. Jahrhundert, wurde das Wasser per Hand aus den Schächten gehoben. Dabei standen Wasserknechte auf Leitern bzw. Fahrten und reichten sich Ledereimer, Töpfe oder Kannen zu. Mit dieser Methode konnten Schächte mit Tiefen von 20 bis 30 m (Markworth 2002) trocken gehalten werden. Diese Art der Wasserhaltung stieß jedoch schnell an ihre Grenzen, denn mit den immer tiefer vordringenden Schächten musste man auch mit immer größeren Wasserzuflüssen rechnen. Als Quelle der mit der Tiefe zunehmenden Wasserzuflüsse sind vorrangig zahlreiche wassererfüllte Grundwasserlei- ter zu nennen. Sie werden durch die bergmännische Bearbeitung des Gesteins künstlich angezapft, wodurch mehr und mehr Wasser den Schächten zufließen kann. Weiterhin können Wässer durch Spalten und Klüfte im Deckgebirge in die Grubenbaue vordringen. Handelte es sich dabei um kleinere Frakturen, konnte ein Zudringen von Wasser durch Ab- dämmung der Risse – dem sogenannten Verspünden – vermieden werden. Damit die Wasserhaltung garantiert werden konnte, stieg in der ersten Hauptperiode des Bergbaus der Bedarf an Wasserknechten deutlich an. Allerdings mussten die Arbeitskräfte bezahlt werden, wodurch der Reinerlös der geförder- ten Rohstoffe sank. Im Freiberger Revier wurden um 1600 bis zu 2000 Wasserknechte zur Wasserhebung eingesetzt, was teilweise auch ein organisatorisches Problem darstellte (Becke et. al. 1986). Aus dem Harzer Bergbau sind bereits seit dem 12. Jahrhundert künstlich angelegte Entwässerungsstollen bekannt. Dabei handelte es sich um einen nahezu horizontal verlaufenden Tunnel, welcher eine Verbindung zwischen den unter- tägigen Grubenbauen und den obertägigen benachbarten Tälern darstellte. Die Stollen besaßen ein sehr geringes Gefälle in Richtung ihres Mundloches, also dem Tagesausgang des Stollens. Alle Wässer oberhalb des Niveaus eines Entwässe- rungsstollens flossen selbstständig auf diesem ab und wurden in die Vorflut abgeleitet. Beim Bau solcher Entwässe- rungsstollen kam es darauf an sie möglichst nah am Fuß des Berges anzulegen, denn je tiefer der Stollen lag, desto we- niger hoch musste das Wasser in Zukunft gehoben werden. Die Anlage neuer Stollenansatzpunkte war abhängig von Geländefaktoren und vom Bergrecht. Drangen die Schächte in Tiefen unterhalb des Entwässerungsstollens vor, sammelte sich das Wasser in Schachtsen- ken und wurde auf die Wasserlösungsstollensohle gehoben. Dort erfolgte dann der Abfluss. Meistens zwangen die im- mer tiefer werdenden Schächte zur Anlage eines tieferen Entwässerungsstollens. Je tiefer die Stollen angelegt wurden, desto größer wurde logischerweise auch ihre Länge bis zum Mundloch. Der Bau dieser Anlagen war zwar äußerst kos- ten- und arbeitskräfteintensiv, lohnte sich aber trotzdem, da durch diese Neuerung das Wasser kontrolliert abfließen

Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

Wassermanagement im historischen Bergbau

Marcus Dehler1

1Agricolastraße 16, 09599 Freiberg / Sachsen

Abstract. Die bergmännische Wasserwirtschaft ist ein Beispiel für den gesetzmäßigen Übergang von der technischen

Praxis zur Technikwissenschaft und deren Rückwirkung auf die Praxis. Eine Technikwissenschaft entsteht stets dort,

wo die Technik so kompliziert wird, dass sie handwerklich-empirisch nicht mehr zu beschreiben ist. Daher ist der erste

Schritt einer Technikwissenschaft die zu bewältigenden technischen Vorgänge und Probleme zu erfassen und anschlie-

ßend messbar zu machen (Becke et. al. 1986). Das größte Problem des Bergbaus ist es, die zufließenden Grundwässer

zu beseitigen um einen reibungslosen Erzabbau zu garantieren. Zur Lösung des Problems wurden anfänglich menschli-

che bzw. tierische Arbeitskraft eingesetzt. Mit fortschreitender Entwicklung des Bergbauwesens konstruierte man ver-

schiedene Wasserhaltungsmaschinen. Zum Antrieb dieser Maschinen bedurfte es großer Mengen an Aufschlagwasser,

welches durch ein perfekt abgestimmtes wasserwirtschaftliches System, bestehend aus Kunstgräben und –teichen, be-

reitgestellt werden konnte.

Erste Methoden der Wasserhaltung

Zu Beginn des Freiberger und Harzer Tiefbergbaus, also im 12. bzw. 13. Jahrhundert, wurde das Wasser per Hand aus den Schächten gehoben. Dabei standen Wasserknechte auf Leitern bzw. Fahrten und reichten sich Ledereimer, Töpfe oder Kannen zu. Mit dieser Methode konnten Schächte mit Tiefen von 20 bis 30 m (Markworth 2002) trocken gehalten werden. Diese Art der Wasserhaltung stieß jedoch schnell an ihre Grenzen, denn mit den immer tiefer vordringenden Schächten musste man auch mit immer größeren Wasserzuflüssen rechnen.

Als Quelle der mit der Tiefe zunehmenden Wasserzuflüsse sind vorrangig zahlreiche wassererfüllte Grundwasserlei-ter zu nennen. Sie werden durch die bergmännische Bearbeitung des Gesteins künstlich angezapft, wodurch mehr und mehr Wasser den Schächten zufließen kann. Weiterhin können Wässer durch Spalten und Klüfte im Deckgebirge in die Grubenbaue vordringen. Handelte es sich dabei um kleinere Frakturen, konnte ein Zudringen von Wasser durch Ab-dämmung der Risse – dem sogenannten Verspünden – vermieden werden.

Damit die Wasserhaltung garantiert werden konnte, stieg in der ersten Hauptperiode des Bergbaus der Bedarf an Wasserknechten deutlich an. Allerdings mussten die Arbeitskräfte bezahlt werden, wodurch der Reinerlös der geförder-ten Rohstoffe sank. Im Freiberger Revier wurden um 1600 bis zu 2000 Wasserknechte zur Wasserhebung eingesetzt, was teilweise auch ein organisatorisches Problem darstellte (Becke et. al. 1986).

Aus dem Harzer Bergbau sind bereits seit dem 12. Jahrhundert künstlich angelegte Entwässerungsstollen bekannt. Dabei handelte es sich um einen nahezu horizontal verlaufenden Tunnel, welcher eine Verbindung zwischen den unter-tägigen Grubenbauen und den obertägigen benachbarten Tälern darstellte. Die Stollen besaßen ein sehr geringes Gefälle in Richtung ihres Mundloches, also dem Tagesausgang des Stollens. Alle Wässer oberhalb des Niveaus eines Entwässe-rungsstollens flossen selbstständig auf diesem ab und wurden in die Vorflut abgeleitet. Beim Bau solcher Entwässe-rungsstollen kam es darauf an sie möglichst nah am Fuß des Berges anzulegen, denn je tiefer der Stollen lag, desto we-niger hoch musste das Wasser in Zukunft gehoben werden. Die Anlage neuer Stollenansatzpunkte war abhängig von Geländefaktoren und vom Bergrecht.

Drangen die Schächte in Tiefen unterhalb des Entwässerungsstollens vor, sammelte sich das Wasser in Schachtsen-ken und wurde auf die Wasserlösungsstollensohle gehoben. Dort erfolgte dann der Abfluss. Meistens zwangen die im-mer tiefer werdenden Schächte zur Anlage eines tieferen Entwässerungsstollens. Je tiefer die Stollen angelegt wurden, desto größer wurde logischerweise auch ihre Länge bis zum Mundloch. Der Bau dieser Anlagen war zwar äußerst kos-ten- und arbeitskräfteintensiv, lohnte sich aber trotzdem, da durch diese Neuerung das Wasser kontrolliert abfließen

Page 2: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

2 Marcus Dehler1

konnte. Der Querschnitt eines Wasserlösungsstollens betrug durchschnittlich 1,5 bis 2 m² (Ließmann 1997) (siehe Fig 1.). Der Vortrieb der Stollen erfolgte sehr mühsam mit menschlicher Arbeitskraft (siehe Fig. 2.). Im Oberharzer Revier wurden bis 1606 ca. 20 km Wasserlösungsstollen per Hand geschaffen (bis 1895 waren es bereits 95 km) (Ließmann 1997).

Fig. 1. Profile einiger Harzer Stollen Fig. 2. Vortrieb eines großen Wasserlösungsstollens mit a) geschrämtes Suchort Schlägel und Eisen im 16. Jahrhundert. Durch die b) geschrämter Wasserlösungsstollen stufenförmige Abbauweise konnten gleichzeitig 4 c) Bsp. für einen mit „Wetterscheider“ aufgefahrenen Hauer vor Ort arbeiten. Der horizontale „Wetter- langen Wasserlösungsstollen scheider“ bewirkte einen schwachen Wetterstrom. d) geschrämtes (linker Stoß) und nachgeschossenes Stollenort im Sieberstollen e) Bsp. für einen rein in Bohr- und Schießarbeit auf- gefahrenen Wasserlösungsstollen

Es gibt drei generelle Vorteile von Entwässerungsstollen: Erstens ist zwischen zwei Stollen keine Wasserhebung

notwendig, da das Wasser selbstständig auf dem tieferen Stollen abfließt. Zweitens muss das Wasser unterhalb des tiefsten Stollen nur bis zu diesem Niveau gehoben werden, und drittens kann der Höhenunterschied zwischen zwei Stol-len für die mit Wasserkraft angetriebenen Wasserhebemaschinen genutzt werden. Letzteres bedeutete eine Erhöhung der für den Bergbau verfügbaren Energie (siehe “Wasserhebemaschinen und deren Antriebe“).

Drang der Erzabbau tiefer als die Stollensohle vor, stand man wieder, wie oben bereits erwähnt, vor dem Problem der Wasserhebung. Im 16. Jahrhundert erreichten viele Schächte des Freiberger Reviers bereits Tiefen von 100 bis 200 m unterhalb des Niveaus des Wasserlösungsstollens (Becke et. al. 1986). Je tiefer der Erzabbau vordrang, desto schwie-riger gestaltete sich das manuelle Schöpfen. Daher wurde der Einsatz von Wasserhebemaschinen immer häufiger.

Zunächst brachte der Einsatz von Handhaspeln eine Verbesserung der Arbeitsleistung. Eine Haspel besteht im We-sentlichen aus einer Rolle mit zwei Kurbeln. Auf der Rolle ist ein Seil aufgewickelt. An diesem Seil hingen Schöpfge-fäße, mit welchen das Grubenwasser aus dem Schachtsumpf gehoben wurde (siehe Fig. 3. c)). Mit dieser Methode konnte eine Förderhöhe von 45 m erreicht werden. Die Förderleistung betrug zwischen 2 bis 3 m³ Wasser pro Stunde (Markworth 2002).

Wasserhebemaschinen und deren Antriebe

Aus dem Harzer Bergbau sind erste Schachtmechanisierungen bereits seit dem 14. Jahrhundert bekannt (Förderverein Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar/Harz e. V. 2006). Im Erzgebirge kam es hingegen erst ab dem 16. Jahrhundert zu einem entscheidenden Sprung in der technischen Entwicklung (Becke et. al 1986).

In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen. Das sind: Die einfache Wasserhebung mit Kübeln, angetrieben von einer Handhaspel bzw. einem Wasserrad (siehe Fig. 3. c)), die Bulgenkunst (siehe Fig. 3. a)) , die Heinzenkunst (siehe Fig. 3. b) und Fig. 4.) und schließlich das „Ehrenfriedersdorfer Kunstgezeug“ mit seinen Pumpenkünsten (siehe Fig. 3. d)).

Page 3: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

Wassermanagement im historischen Bergbau 3

Fig. 4. Detailansicht der Heinzenkunst. Wasserhebung durch Lederbälle im Rohr und der Ausguss auf dem Stollenniveau sind schematisch dargestellt

Fig. 3. Schematische Darstellung der a) Bulgenkunst b) Heinzenkunst c) einfache Wasserhebung m. Kübel d) Pumpenkünste

Die Schächte in denen Wasserhebemaschinen installiert wurden, nennt man Kunstschächte, bzw. wenn im selben Schacht auch die Erzförderung erfolgte, Kunst- und Treibschächte. Im Erzbergbau wurden neue Techniken vorrangig auf ihre Fähigkeit der Wasserhaltung geprüft, weil dies das Hauptproblem darstellte.

Eine Bulge ist ein Wassereimer, welcher aus dem Leder mehrerer Ochsen gefertigt wurde. An einer Kette wurden in gleichmäßigen Abständen die Bulgen befestigt. Man verwendete Haspelwinden mit zwei auf- und zwei niedergehenden Bulgen. Nachdem die Bulgen das Wasser aus dem Schachtsumpf geschöpft hatten, brauchte man die Bulgen nur noch bis zum Niveau des Entwässerungsstollens zu heben und dort auszuleeren. Leider erwies sich diese Methode als relativ unproduktiv, insbesondere zur Trockenhaltung von tieferen Schächten.

Daher ersann man neue Antriebsmöglichkeiten: 1535 wurde erstmals die Nutzung der Pferdekraft in Pferdegöpeln als Antriebsquelle für die Bulgenkunst erwähnt („Rosskünste“) (Markworth 2002). Ein Pferdegöpel ist eine Förderma-schine, bei der im Kreis laufende Tiere (meist Pferde) ein Seil auf einen Seilkorb aufwickeln um damit die Wasserhe-bung zu bewirken. Die Anlage befand sich in einem kegelförmigen, mit Holzschindeln bedeckten Huthaus (Gaipel).

Eine weitere, schon frühzeitig eingesetzte Antriebsmöglichkeit war die Nutzung der Wasserkraft. Aus anderen Indus-triezweigen war das Wasserrad als Antriebsmodul bekannt. (zu Beginn noch mit einseitigem Schaufelkranz). Das zum Betrieb des Wasserrades nötige Aufschlagwasser wurde über Kunstgräben und Röschen herangeführt (siehe „Wasser-wirtschaftliches System für den Bergbau“). Das verbrauchte Antriebswasser und das gehobene Grubenwasser flossen zusammen über einen gemeinsamen Entwässerungsstollen nach übertage ins Tal unterhalb der Grubenanlagen ab. Zu Anfangs waren noch keine Kehrräder bekannt. Das heißt, die Wasserräder besaßen nur eine Drehrichtung. Nach der Hebung der wassergefüllten Bulge erfolgte die Entleerung. Jedoch musste die leere Bulge ohne Antrieb in den Schacht zurückgelassen werden.

Die eingesetzten Wasserräder hatten eine Breite von 0,6 bis 1,0 m und besaßen einen Durchmesser von 5 bis 13 m. Je größer der Durchmesser eines Kunstrades, desto leistungsstärker war es auch. Die Anlage von Wasserrädern erfolgte untertage in extra dafür geschaffenen Hohlräumen (= Radstuben), war aber auch übertage möglich. Zum Bau der Kun-sträder benutzte man Holz. Dieses ist allerdings sehr verwitterungsanfällig (v. a. gegenüber Frost und Eis), und musste deshalb ständig gewartet werden. Generell war ab dem 16. Jahrhundert der Antrieb der Wasserhebemaschinen mit Kun-strädern typisch, denn die neuen Wasserhebemaschinen (siehe unten) erforderten eine entsprechende Antriebsleistung, welche durch menschliche oder tierische Kraft nicht mehr aufzubringen war. Zum Beispiel konnten mit einer Rosskunst maximal 8 PS erreicht werden, wohingegen ein durchschnittliches Wasserrad bis maximal 40 PS erzielte (Becke et. al.

Page 4: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

4 Marcus Dehler1

1986). In der Praxis gab es oftmals Reibungsverluste, wodurch die Antriebsleistung gemindert wurde. Deshalb wurden zur optimalen Ausnutzung der Aufschlagwässer gleich 2 bis 3 Kunsträder untereinander gesetzt.

Die technischen Grundlagen der Heinzenkunst (auch Kettenkunst genannt) (siehe Fig. 4.) stammen aus dem säch-sisch – böhmischen Erzgebirge.

Diese Wasserhebungsmaschine besteht aus einer „endlosen“ umlaufenden Kette. Zwischen bzw. auf den Kettenglie-dern waren Lederbälle oder Lederscheiben (=Püschel) im gleichen Abstand zueinander angebracht – meist betrug der Abstand 1 bis 2 m. Weiterhin bestand die Anlage aus einer senkrechten hölzernen Rohrtour. Das untere Ende des Roh-res stand dabei im Pumpen- bzw. Schachtsumpf unter Wasser. Das obere Ende des Rohres reichte bis zum vorgesehe-nen Wasserabflussniveau. Die „endlose“ Kette mit den Püscheln wurde durch die Rohrtour und über den Kettenkorb ei-ner horizontalen Welle, welche sich oberhalb des Schachtes befindet, geführt. Zu beachten ist, dass der Durchmesser der Püschel auf den Rohrdurchmesser abgestimmt sein musste. Trieb man nun die Kette an (meistens durch Tret- oder Wasserräder), hob jeder Ball bzw. Scheibe auf seinem Weg durch das Rohr eine gewisse Menge Wasser mit nach oben bis zum Rohrende. Dort erfolgte dann der Ausguss und der Abfluss des Wassers. Nach Agricola konnte mit der Hein-zenkunst eine Förderhöhe von 60 bis 70 m erreicht werden (Ließmann 1997). Die Förderleistung betrug etwa 4 m³ Wasser pro Stunde (Markworth 2002). Allerdings besaß diese Fördermethode einen geringen Wirkungsgrad: Bei großer Dichtung gab es große Reibungskräfte zwischen Püschel und Holzrohrwandung bzw. bei zu geringer Dichtung floss das gehobene Wasser im Rohr z. T. wieder nach unten.

1550 entwickelte Heinrich Eschenbach die „Kunst mit den krummen Zapfen“ (siehe Fig. 5.). Diese Maschine stellte den Vorläufer der Pumpenkünste dar. Als Antrieb fungierte ein einfaches oberschlächtiges Wasserrad mit einer Kur-belwelle (= „krummer Zapfen“). Dadurch konnte erstmals die Drehbewegung der Achse in eine geradlinige Hubbewe-gung des im Schacht hängenden Pumpengestänges umgewandelt werden.

Fig. 5. Die „Kunst mit den krummen Zapfen“ ist der Vorgänger der später überall im Bergbau gebräuchlichen Pumpensätze. Oben links ist das Wasserrad zu sehen, welche die Gestänge mit den Pumpen antrieb. In der Bildmitte sind exemplarisch 2 Pumpen mit ihren zugehörigen hölzernen Wasserbecken dargestellt. Die Pumpen heben sich gegenseitig das Wasser zu.

Zeitgleich erfand man die sogenannten Pumpsätze. Diese bestanden aus kombinierten Saug- und Druckpumpen, wel-

che oftmals nur eine Förderhöhe von jeweils 10 m besaßen. Über das hölzerne Pumpengestänge waren die einzelnen Pumpsätze durch Hebelarme verbunden. Die Zylinder der Saugpumpen waren aus aufgebohrten Baumstämmen (allge-mein als Piepen bezeichnet) gefertigt. Das zum Antrieb notwendige Wasserrad hatte einen Durchmesser von 8 bis 12 m und Zellenweiten von 60 bis 80 cm. Die Förderleistung betrug 4 bis 7 m³ Wasser pro Stunde. Das Verhältnis von nöti-gem Aufschlagwasser zum Pumpwasser betrug 18:1 (Ließmann 1997). Damit das Aufschlagwasser mehrmals genutzt werden konnte, setzte man mehrere Wasserräder übereinander. Die Wasserräder wurden in sogenannten Radstuben, also Kammern in unmittelbarer Nähe zum Kunstschacht aufgebaut.

Page 5: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

Wassermanagement im historischen Bergbau 5

Wenn durch die Morphologie bedingt das Aufschlagwasser nicht direkt bis zum Schacht geleitet werden konnte, ver-legte man das Kunstrad nach übertage und weiter hangabwärts. Die Kraftübertragung zwischen Rad und Schachtge-stänge (untertage) wurde durch Zwischenschalten eines Feld- bzw. Streckengestänges (übertage) realisiert. Die Umlen-kung der Übertragungsrichtung (von „hin und her“ in „auf und ab“) erfolgte über „halbe“ oder „ganze“ Kunstkreuze. Diese Übertragungsmethode bot die Möglichkeit mechanische Bewegungsenergie über Distanzen von bis zu 1000 m zu transportieren (Ließmann 1997), wobei allerdings große Reibungsverluste auftraten. Das System wurde erstmals 1564 am Rammelsberg im Harz erfolgreich eingesetzt (siehe Fig. 6.).

Fig. 6. Das Kunstrad (rechts) treibt über ein Pleuelgestänge ein Feldgestänge und ein Kunstkreuz die Pumpen in einem oben auf

dem Berg gelegen Schacht an. Im Vordergrund ist eine Handpumpe dargestellt, wie sie in kleineren Gesenken und Nebenschächten Verwendung fand.

Das „Ehrenfriedersdorfer Kunstgezeug“ wurde von Agricola erfunden. Es bestand aus mehreren untereinander ge-schalteten Kolbenpumpen. Diese wurden von einem gemeinsamen Gestänge angetrieben. Die jeweils tiefere Kolben-pumpe hob das Wasser in ein hölzernes Becken der nächsthöheren Kolbenpumpe. Die unterste Kolbenpumpe saugte das Wasser aus dem Schachtsumpf an und die oberste Kolbenpumpe goss es dann auf dem Niveau des Entwässerungs-stollens aus.

1556 bildete Agricola schon Kunstgezeuge mit 3 Kolbenpumpen untereinander ab. Zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden bei Tiefen von 100 bis 200 m unterhalb des Stollenniveaus 10 bis 20 Pumpen untereinander geschaltet. Jede Pumpe besaß eine Saughöhe von 7 m und eine Hubhöhe von 3 bis 13 m. Das mit Kolbenpumpen ausgestattete Kunstge-zeug wurde im 18. bis 19. Jahrhundert bis 1913 in Tiefen bis zu 400 m unterhalb des Stollenniveaus eingesetzt. Hier waren bis zu 40 Pumpen in Betrieb (Becke et. al. 1986). Andere Quellen sprechen davon, dass schon Ende des 18. Jahr-hunderts bis zu 5 Kunstgezeugen untereinander geschalten werden konnten und dadurch ein Abbau bis 770 m Tiefe möglich war (Markworth 2002).

Bei größeren Wasserzuflüssen wurden bis zu 3 Pumpen nebeneinander angeordnet. Im 19. bis 20. Jahrhundert ver-wendete man als Material für die Pumpen Eisen statt Holz, weil Eisen den erhöhten Drücken von mehreren Atmosphä-ren in der Druckpumpen–Steigleitung besser standhalten konnte (Becke et. al. 1986). Außerdem ließ sich dadurch die

Page 6: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

6 Marcus Dehler1

Anzahl der verwendeten Druckpumpen reduzieren. Das Kunstgezeug mit den Pumpenkünsten war die wichtigste Was-serhebungsmaschine im Freiberger Revier.

Im Jahre 1749/50 wurde die sogenannte Wassersäulenmaschine erstmals im Oberharz erfolgreich eingesetzt, nach-dem diese Maschine 1748 durch Winterschmidt für den Bergbau weiterentwickelt wurde (Ließmann 1997). Die Haupt-bestandteile waren eine Einfallröhre, Zylinder mit Kolben, die Steuerung und das Fundament. Die Wirkungsweise der Wassersäulenmaschine ist wie folgt zu beschreiben: Die Einfallröhre erhält eine definierte Menge an Aufschlagwasser. Durch den Druck der Wassersäule wird der Kolben eines Arbeitszylinders, sowie ein schweres Gewicht angehoben. Im Scheitelpunkt fällt dieses Gewicht durch seine eigene Masse wieder herab. Durch diesen Zugkettenmechanismus erfolgt die Öffnung eines Ventils. Das Wasser aus dem Zylinder kann entweichen und der Kolben geht in seine Ausgangsstel-lung zurück. Der Kolben steht mit dem Pumpengestänge in Verbindung.

Der Vorteil dieser Anlage war, das – im Verhältnis zur Förderleistung – bedeutend weniger Aufschlagwasser ge-braucht wurde. Daher war es sinnvoll die Wassersäulenmaschinen untertage auf Schächten im Niveau des tiefsten Was-serlösungsstollen einzubauen, weil dadurch das gesamte Gefälle von der Tagesoberfläche aus bis zum Stollenniveau genutzt werden konnte. Die Wassersäulenmaschinen standen stets in unmittelbarer Nähe über dem wasserabführenden Stollen. Die Anzahl der Spiele (ca. 7 pro Minute) stimmt bei der Wassersäulenmaschine und dem Kunstgezeug gut ü-berein. Ein Anschließen war direkt und ohne Zwischengetriebe möglich. Der Nachteil bestand in den größeren Wasser-verlusten an den Ventilen. Theoretisch wären zur Hebung von 1 m³ Grubenwasser lediglich 4 m³ Aufschlagwasser nö-tig. Durch die Verluste bedurfte es in der Praxis aber 9 m³ Aufschlagwasser zur Hebung von 1 m³ Grubenwasser. Im Vergleich: Ein Wasserrad würde 18 m³ Aufschlagwasser für die gleiche Förderleitung brauchen (Ließmann 1997).

Die Wasserkünste durften niemals ausfallen, da sonst die Grubenbaue bis zum Niveau des tiefsten Entwässerungs-stollens abgesoffen wären. Deshalb wurden extra sogenannte Kunstwarte eingesetzt. Sie überprüften, ob die Maschinen reibungslos arbeiteten (Markworth 2002).

Wasserwirtschaftliches System für den Bergbau

Die Kehr-, und Kunsträder, die Pochwerke und Erzwäschen, die Hüttengebläse und im 18./19. Jahrhundert auch die Wassersäulenmaschinen hatten einen großen Bedarf an Aufschlagwasser, damit sie ordnungsgemäß funktionierten. „Wasser hebt Wasser“, war die Devise. Der Wasserbedarf war bedeutend größer als der Bedarf, den eine durchschnittli-che Mühle hatte.

Für nahezu alle Gruben war die Verfügbarkeit von Aufschlagwasser eine Existenzfrage. In den trockenen Sommern von 1575 bis 1580 soffen die meisten Freiberger Gruben ab, da die Aufschlaggräben zu wenig oder kein Wasser mehr brachten (Becke et. al. 1986). Die Kunsträder, und somit auch die Pumpen standen still. Die untertage zufließenden Grundwässer konnten nicht gehoben werden und stiegen dadurch bis zum Stollenniveau auf.

Es war der Oberbergmeister Martin Planer, der ab 1557 im größeren Umfang Kunstgezeuge in den Freiberger Gru-ben installieren ließ (38 Kunstgezeuge v.a. in den Gruben des Thurmhof Gangzuges). Gleichzeitig musste er aber auch die Bereitstellung der dafür notwendigen Aufschlagwässer garantieren. Planer begann daher mit dem Bau eines was-serwirtschaftlichen Systems unter der Nutzung bereits vorhandener Teiche und Gräben, welche für die Wasserversor-gung von Pochwerken, Erzwäschen und Schmelzhütten bereits angelegt worden waren (Becke et. al. 1986).

Die Anlagen bergmännischer Wasserwirtschaft bestehen aus Kunstgräben, Röschen und Kunstteichen (siehe Fig. 7.).

Page 7: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

Wassermanagement im historischen Bergbau 7

Fig. 7. Elemente der bergmännischen Wasserwirtschaft in einem schematischen Blockbild K = Kunstgräben R = Rösche K1 = Kunstgraben zum Kunstteich K2, K3 = Kunstgräben vom Kunstteich zum Schacht S1, verbunden durch eine Rösche K4 = Kunstgraben vom Schacht S1 zum Schacht S2, an den Schächten Mundlöcher der Aufschlagsröschen A und Abzugsröschen A’ K5 = Kunstgraben zur Erzwäsche W

Die Kunstgräben (siehe Fig. 8.) wurden nur mit dem unbedingt notwendigen Gefälle oben am Hang angelegt, damit ein möglichst geringer Verlust an Fallhöhe des Wassers für die Grube bestand. Die Seitenwände eines Kunstgrabens be-standen aus einem Trockenmauerwerk (z.B. ein Bruchsteinmauerwerk mit Lehm ohne Kalkmörtel). Oftmals mussten die Gräben durch Moraste, entlag von Klippen oder über Blockmeere geführt werden. Damit dieses unwegsame Gelän-de passiert werden konnte, legte man teilweise hölzerne Gerenne (Gefluder) an. Um Verschmutzungen des Wassers durch Windeintrag von Sedimenten und Wasserverlust durch Verdunstung zu vermindern bzw. zu vermeiden, deckte man die Kunstgräben mit Holzbrettern zu (siehe Fig. 9.). Auf diese Weise konnte außerdem Unfällen vorgebeugt wer-den.

Fig. 8. Der Rote Graben diente der Zuführung von Aufschlagwasser für die Bergbauanlagen und die Hütte in Halsbrücke.

Page 8: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

8 Marcus Dehler1

Fig. 9. Der Müdisdorfer Kunstgraben gehört zur Unteren Wasserversorgung für das Frei- berger Revier. Hier als Bsp. für das Abdecken der Kunstgräben mit Holzbrettern.

Als Röschen bezeichnet man untertägige, also im Gelände nicht sichtbare, Teile des Grabensystems. An den meis-

tens sorgfältig gemauerten Mundlöchern erfolgte der Übergang des Wassers von der Rösche zum Kunstgraben bzw. umgekehrt.

Ein Problem des bergmännischen Wasserhaushalts stellen die jahreszeitlich bedingten schwankenden Niederschläge dar: In regenreichen Herbstmonaten und nach der frühjährlichen Schneeschmelze war mehr Wasser vorhanden, als ge-nutzt werden konnte. Dagegen herrschte in frostigen Wintern und trockenen Sommern ein großer Wassermangel.

Wasser lässt sich speichern und somit auch die Wasserenergie. Diese Erkenntnis führte zur Anlage von Kunsttei-chen. Sie wurden im wasserbaulichen System überall dort angelegt, wo die Morphologie den Bau einer Staumauer er-laubte.

Die Kunstteiche wurden aber auch vor einzelnen Gruben angelegt um dort eine gewisse Wasserreserve zu gewähr-leisten, insbesondere dann wenn die Wasserhaltung eine konstante Menge Aufschlagwasser zum Antrieb der Kunstge-zeuge und Pumpenkünste erforderte. Die Kunstteiche konnten über den sogenannten Striegelzapfen (= Ablassvorrich-tung), welcher sich im Striegelhäuschen befand je nach Bedarf entleert werden. Das Striegelhäuschen befand sich auf Pfählen stehend im Teich selbst. Vor allem im Winter bestand das Problem, dass die Gräben und Teiche zufroren, und daher die Ablassvorrichtung nicht einwandfrei funktionieren konnte. Deshalb integrierte man später das Striegelhäu-schen in den Staudamm.

Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhundert wurden der Obersaidaer Kunstteich (1728 – 1734), der Dörnthaler Kunst-teich (1787 – 1790), sowie der Dittmannsdorfer Kunstteich (1826) angelegt. Der Kunstteich von Obersaida war mit ei-nem Fassungsvermögen von 130 000 m³ der kleinste Kunstteich im Freiberger Revier. Den größten Kunstteich im Re-vier stellt der Große/Untere Großhartmannsdorfer Teich dar. Er besitzt ein Fassungsvermögen von 1 700 000 m³ (Becke et. al. 1986).

Auch die Entwässerungsstollen gehören zum bergmännischen Wassersystem, weil über diese der Abfluss des geho-benen Wassers und des verbrauchten Antriebswassers erfolgte. Je tiefer der Stollen ist, desto größer ist die Fallhöhe und desto größer die potentielle Energie des über die Röschen und Kunstgräben herangeführten Wassers. Das aus den Schachtsümpfen geförderte Grubenwasser stand dem wasserwirtschaftlichen System zusätzlich zur Verfügung. Defi-nierte Mengen konnten als Reserve in Kunstteichen gespeichert werden.

Aus Kostengründen wurde meistens eine zentrale Schachtanlage errichtet. Hier konnten alle Wässer der umliegenden Gruben zufließen und wurden gesammelt. Anschließend erfolgte eine zentrale Wasserhebung bis auf den Entwässe-rungsstollen. Oftmals war die Wasserhaltung von mehreren Gruben mit nur einem Entwässerungsstollen möglich. Der älteste Entwässerungstollen im Freiberger Revier ist der (alte) Fürstenstollen von Tuttendorf zur Reichen Zeche. Der

Page 9: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

Wassermanagement im historischen Bergbau 9

Bau erfolgte schon vor 1384 (Becke et. al 1896). Der bereits schon 1140 erwähnte Rathstiefster Stollen hatte eine Ge-samtlänge von 1000 m und gilt als der älteste Entwässerungsstollen des Harz (Ließmann 1997).

Der Bau von Gräben, Röschen und Kunstteichen begann im Freiberger Revier mit der Nutzung des Münzbachwas-sers. 1684 wurde die Stollen- und Röschenadministration gegründet um die Überwachung, die Kontrolle und die Pla-nung der Wasserbautechnik zu übernehmen. Es folgten Arbeiten im oberen bzw. südlichen Teil des Reviers. Bis zum 19. Jahrhundert schritt der Bau wasserwirtschaftlicher Anlagen immer weiter gebirgswärts fort. Die Gräben und Rö-schen wurden also rückwärtig verlängert, sodass immer weitere Bäche angezapft werden konnten. Somit stieg die für den Bergbau verfügbare Wassermenge an. Planers Bauten (angelegt bis 1582) lagen nur im Einzugsbereich der Mulde. Bereits 1590 wurde mit dem Bau einer Rösche unter der Wasserscheide zwischen Flöha und Mulde der Saidenbach an-gezapft, welcher eigentlich ein Zufluss der Flöha ist.

1860 wurde die Flöha bei Neuwernsdorf selbst angezapft, nachdem verschiedene Kunstteiche und die zugehörigen Gräben angelegt worden waren. Zuvor gab es jedoch einen jahrelangen Wasserrechtsprozess zwischen den Gruben-betreibern und den an der Flöha ansässigen Produktionsbetrieben, denn die Betriebe wollten sich das Wasser nicht ein-fach so abgraben lassen, zumal sie es selber für ihren Maschinenantrieb brauchten. Der Prozess endete mit einem Ver-gleich: Den Betrieben mussten 34 m³/min Wasser zugesichert werden. Alles was darüber hinaus ging wurde ins Kunstgrabensystem eingespeist. Der Bergbau bekam im Wesentlichen zwar nur das Wasser der Schneeschmelze, trotz-dem war es ein Gewinn, da man das überschüssige Wasser ja in Kunstteichen zu speichern wusste. Zur Realisierung des Vergleichs wurde 1882 der Neuwernsdorfer Wasserteiler gebaut (siehe Fig. 10.).

Fig. 10. Schematisches Raumbild des Neuwernsdorfer Wasserteilers. A = Wasser der Flöha B = Wehr mit Ausschnitt für die den Flöha-Anliegern zustehende Wassermenge C = Kunstgrabensystem mit Überlaufschwelle D, über die Wasser erst in den Kunstgraben tritt, wenn die den Anliegern der Flöha im Vergleich garantierte Wassermenge über B fließt (D = 25 cm höher als B) M = oberes Mundloch der Flöha-Rösche

Im 19. Jahrhundert standen dem Freiberger Revier mit ca. 5 Millionen m³ Speichervolumen eine Wasserreserve für ¼ Jahr zur Verfügung (Becke et. al. 1986).

Aber nicht nur die Gruben selber brauchten zur Wasserhebung entsprechende Mengen an Aufschlagwasser, sondern auch die verarbeitende Erzindustrie, welche meist in unmittelbarer Nähe zu den Gruben angesiedelt war: Die Erze mussten in den Pochwerken zerkleinert werden. Als Antrieb der Pochsätze dienten Wasserräder, welche das Wasser aus dem wasserwirtschaftlichen System bezogen. Weiterhin mussten die zerkleinerten Erze gewaschen und sortiert werden. Diese Arbeitschritte wurden in speziell angelegten Gräben durchgeführt. Solche Schlämmgräben bestanden aus wasser-durchströmten und leicht geneigten hölzernen Kästen. Die schweren Partikel sanken zu Boden und die leichteren Parti-

Page 10: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

10 Marcus Dehler1

kel flossen mit dem Wasser ab. Die Poch- und Waschwässer führten also große Mengen an Erzschlämmen mit sich. Diese verunreinigten Wässer konnten aber für den Wasserkreislauf schlecht genutzt werden. Daher wurden sie aus dem System entfernt. Das bedeutet, die größten Wasserverluste resultierten aus den Schlämmgräben der Waschwasser- und Erzsortieranlagen.

Im Freiberger Revier wuchs der Energiebedarf schneller als die Zuführung weiteren Aufschlagwassers durch die Er-weiterung des Kunstgrabensystems. Die Verteilung der verfügbaren Wasserkraft auf die Gruben im Gesamtsystem musste optimiert werden. Dazu musste die Wassermenge für bergbautechnische Anwendungen messbar gemacht wer-den. Als Maßeinheit führte man Wassermenge pro Zeit ein. Eine Wassermenge von 37,85 L/s entspricht der daraus ab-geleiteten Einheit 1 Rad Wasser. Das entsprach der mittleren Wassermenge, durch welche ein normalgroßes Wasserrad in Bewegung gehalten wurde. Beim Bau eines neuen Wasserrades oder einer Wassersäulenmaschine in einer Grube er-hielt diese dann eine vorher genau bestimmte Menge an Aufschlagwasser. Auch wurde diese Einheit zur Volumenanga-be der Stauteiche genutzt (Becke et. al. 1986).

Das Aufschlagwasser wurde von Grube zu Grube über Röschen und Kunstgräben weitergeleitet. Typisch für die bergmännische Wasserwirtschaft war schon seit jeher die Mehrfachnutzung des selben Wassers. Folgendes Beispiel aus dem Freiberger Revier verdeutlicht diese Tatsache recht gut: Zunächst wurde das Wasser in den Erzwäschen bei Zug genutzt. Von dort aus floss es weiter und brachte Aufschlagwasser für den Betrieb zweier Kunsträder am Krönerschacht bei Zug. Anschließend wurde das Wasser weitergeleitet um die Wasserräder der Grube Junge Hohe Birke bei Langen-rinne anzutreiben. Nachdem die Räder mehrerer Schächte und Aufbereitungsanlagen der Himmelfahrt Fundgrube mit Aufschlagwasser versorgt worden waren, trat das Wasser im Muldental wieder zu Tage. Ab hier erfolgte der Abfluss im Roten Graben (siehe Fig. 8.) in Richtung Halsbrücke und von dort zur Grube Churprinz bei Großschirma. Von Groß-schirma floss das Wasser zu den Gruben Christbescherung bei Großvoigtsberg, Alte Hoffnung Gottes bei Kleinvoigts-berg und Gesegnete Bergmannshoffnung bei Obergruna. Jetzt leitete man das Wasser durch den Treue Sachsens- und den Adolph-Stollen in den Zellwald und anschließend in das Kunstgrabensystem. Zum Schluss erhielten die Räder der Grube Segen Gottes in Gersdorf bei Rosswein ihre Aufschlagwässer. Von dort aus wurde das Wasser endgültig zurück in die Mulde entlassen (Becke et. al. 1896).

Fig. 11. Wasserhebung in Kunstschächten mit untertägigen Wasserrädern auf das Niveau des tiefsten Wasserlösungsstollens

Das in Fig. 11. abgebildete Blockbild stellt noch einmal schematisch einen Ausschnitt des oben beschriebenen Bei-

spiels dar. Es zeigt sehr gut das funktionierende Zusammenspiel aus Kunstgräben, Röschen und Wasserlösungsstollen, auf welchem das zuvor vom Wasserrad genutzte Antriebswasser abfloss und in den nächsten Gruben wiederbenutzt werden konnte.

Nach dem Ende der dritten Hauptperiode des Freiberger Bergbaus 1913 wurde das vorhandene wasserbauliche Sys-tem sowohl zur Erzeugung von Elektroenergie, als auch für die Trink- und Brauchwasserversorgung der Umgebung ge-nutzt.

Page 11: Wassermanagement im historischen Bergbau · In seinem Buch „De re metallica“ von 1556 beschreibt Georgius Agricola die bis dahin wichtigsten und am häufigsten eingesetzten Wasserhebemaschinen

Wassermanagement im historischen Bergbau 11

References

Becke A. et. al. (1986) Der Freiberger Bergbau – Technische Denkmale und Geschichte 44-45, 51, 53, 56-57, 59, 62-63, 70-71 Förderverein Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar/Harz e. V. Schächte des Rammelsbergs (2006) 15-19, 21-25, 33, 35, 38, 41,43 Jobst W. et. al. (2001) Bergwerke im Freiberger Land 224-225 Ließmann W. (1997) Historischer Bergbau im Harz 81-86, 88-89, 96-97 Ließmann W. (2002) Der Bergbau am Beerberg bei Sankt Andreasberg 32-34, 38, 40, 44 Markworth L. (2002) Verschlossen und versiegelt. 80-82, 86-87