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Web 2.0 / barrierefrei Eine Studie zur Nutzung von Web 2.0 Anwendungen durch Menschen mit Behinderung HERAUSGEBER: AUTOREN: ANDREA BERGER TOMAS CASPERS JUTTA CROLL JöRG HOFMANN HERBERT KUBICEK ULRIKE PETER DIANA RUTH-JANNECK THILO TRUMP

Web 2 - Start - Stiftung Digitale Chancen · 3 1 Ziel und aufbau der Studie Zur nutZung von Web 2.0 durch MenSchen Mit behinderung 9 2 KonZeptionelle grundlagen 12 1 . 2 Web 2.0 –

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Web 2.0/barrierefrei

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Eine Studie zur Nutzung von Web 2.0 Anwendungen durch Menschen mit Behinderung

Herausgeber:

autoren: AndREA BERgERToMAS CASPERS JUTTA CRollJöRg HofMAnn HERBERT KUBICEKUlRIKE PETER dIAnA RUTH-JAnnECKTHIlo TRUMP

1

GliederunG

Studie Web 2.0/barrierefrei

2

3

1 Ziel und aufbau der Studie Zur nutZung von Web 2.0 durch MenSchen Mit behinderung 9

2 KonZeptionelle grundlagen 12

2.1 Web 2.0 – von den nutzerinnen und nutzern generierte inhalte und die Zunahme interaktiver,

multimedialer angebote

StudieWeb2.0/barrierefrei/GliederunG

13

2.2 differenzierung der behinderungsarten 15

2.2.1 Sehbehinderungen 16

2.2.2 Blindheit 16

2.2.3 Schwerhörigkeit 17

2.2.4 Gehörlosigkeit 17

2. 2.5 MotorischeBeeinträchtigungen 18

2.2.6 Lese-Rechtschreibschwäche 18

2.2.7 Lern-undGeistigeBehinderungen 19

2.3 verschiedene arten von barrieren 20

2.3.1 AnwendungsbedingteBarrieren 20

2.3.2 BehinderungsbedingteBarrieren 20

2.3.3 IndividuelleBarrieren 21

2.4 Zusammenfassung 21

3 MethodiSche vorgehenSWeiSe 22

3.1 e xpertengespräche 23

3.2 g ruppeninterviews 24

3.3 barrierefreie onlinebefragung 28

3.3.1 DerFragebogen 28

3.3.2 DiebarrierefreieDurchführungderOnlinebefragung 31

4 StatiStiScher ÜberblicK 36

4.1 teilnehmer an den beiden qualitativen elementen der Studie 37

4.2 die teilnehmer der online-befragung 40

5 nutZungSprofile der befragten nutZergruppen 42

5.1 nutzerraten, Motivation und Wahrnehmung des internet 43

5.2 nutzungsprofile von gehörlosen internetnutzern 46

5.3 nutzungsprofile von sehbehinderten internetnutzern 48

5.4 nutzungsprofile von blinden internetnutzern 51

5.5 nutzungsprofile von schwerhörigen internetnutzern 53

5.6 nutzungsprofile von motorisch behinderten internetnutzern 55

5.7 nutzungsprofile von internetnutzern mit lese-rechtschreib-Schwäche (lrS) 57

5.8 nutzungsprofile von internetnutzern mit lernbehinderung oder geistiger behinderung (lb/gb) 59

5.9 Zusammenfassung 62

4

6 differenZierung der barrieren nach behinderungSarten 63

6.1 Überblick über die barrierearten 64

6.2 barrieren bei der nutzung von Wiki-anwendungen 66

6.3 barrieren bei der benutzerregistrierung und bearbeitung von nutzerprofilen 68

6.4 barrieren im umgang mit den Medien fotos, videos und podcasts 70

6.5 barrieren im umgang mit Kommentarfunktionen und Weblogs 74

6.6 barrieren im umgang mit Social bookmarking und Social networking Sites 76

6.7 barrieren beim verlinken und betreiben von Webseiten 78

6.8 Zusammenfassung 79

7 relevante teilaSpeKte 80

7.1 behinderungsspezifisches Kommunikationsverhalten und dazu genutzte Web-anwendungen 81

7.1.1 KommunikationsverhaltenimInternetvongehörlosenInternetnutzern 81

7.1.2 KommunikationsverhaltenimInternetvonschwerhörigenInternetnutzern 84

7.1.3 KommunikationsverhaltenimInternetvonblindenInternetnutzern 85

7.1.4 KommunikationsverhaltenimInternetvonsehbehindertenInternetnutzern 86

7.1.5 KommunikationsverhaltenimInternetvonmotorischbehindertenInternetnutzern 87

7.1.6 KommunikationsverhaltenimInternetvonInternetnutzernmitLRSundLernschwierig-

keiten

88

7.1.7 Zusammenfassung 90

7.2 Komplizierte Sprache schafft barrieren 91

7.2.1 VergleichderLeseranteilederjeweiligenBefragtengruppen 92

7.2.2 BekanntheitvonWikisimVergleichzurAnzahlvonWiki-Lesern 93

7.2.3 ProduktiveNutzungvonWikis:Wikisschreibenoderkommentieren 94

7.2.4 Zusammenfassung 96

7.3 benutzerregistrierung als voraussetzung zur nutzung 97

7.3.1 ErmittelteProblemquotenundNutzerratenvonBenutzerregistrierung 98

7.3.2 RegistrierungerforderndeFunktionenundAnwendungsbereiche 100

7.3.3 SchriftlicheBeiträge 101

7.3.4 MitgliedschaftinCommunities 102

7.3.5 SocialBookmarking 105

7.3.6 ErstellenundVerknüpfenmultimedialerInhalte 106

8 Strategien der nutZer iM uMgang Mit barrieren 110

8.1 Sehbehinderte nutzer 111

8.2 blinde nutzer 113

8.3 Schwerhörige nutzer 117

8.4 gehörlose nutzer 120

8.5 Motorisch beeinträchtigte nutzer 123

8.6 lese-rechtschreibschwache nutzer und nutzer mit lern- und geistiger behinderung 125

8.7 Strategien verschiedener nutzertypen unabhängig von deren behinderung 128

8.8 Zusammenfassung 130

5

StudieWeb2.0/barrierefrei/GliederunG

9 beSeitigung der barrieren 132

9.1 Klassifizierung der barrieren 133

9.2 bedeutung der barriereklassen für die verschiedenen benutzergruppen 134

9.3 bedeutung der barriereklassen in bezug auf verschiedenen nutzungsarten 136

9.4 beseitigung von barrieren 138

9.4.1 BeseitigungvonBarrierenbeiderNutzungvonWiki-Anwendungen 140

9.4.2 BeseitigungvonBarrierenbeiderBenutzerregistrierungundBearbeitungvonNutzer-

profilen

140

9.4.3 BeseitigungvonBarrierenimUmgangmitdenMedienFotos,VideosundPodcasts 140

9.4.4 BeseitigungvonBarrierenimUmgangmitKommentarfunktionenundWeblogs 141

9.4.5 BeseitigungvonBarrierenimUmgangmitSocialBookmarkingundSocialNetworking

Sites

141

10 KonSequenZen und SchluSSfolgerungen 142

10.1 die Weiterentwicklung des Kriterienkatalogs auf der basis der Studienergebnisse

143

10.1.1 Vorgehensweise

143

10.1.2 ResultatderKriterienüberarbeitung 144

10.1.3 Zusammenfassung 147

10.2 neue chancen, neue barrieren und neue relevanz alter barrieren 148

gloSSar 150

6

VonderHomepagezumWeb2.0/wohindieBIENEweiterfliegt

in den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich das

internetzueinemfastselbstverständlichenMedium

imalltagvielerMenschenentwickeltundeineähn-

liche bedeutung erlangtwie das bedruckte Papier,

dastelefonoderdasauto.eshatwiedieseanderen

technischeninnovationenlichtundSchattenseiten.

eseröffnetneueMöglichkeiten,aberauchneueri-

siken.

im vergleich zu den anderen genannten innovationen

haben sich die anwendungs- und nutzungsmöglich-

keiten des internet in dieser kurzen Zeit ständig und

massiv geändert, so dass die chancen und die risi-

ken immer wieder neu erfahren und bewertet werden

müssen. Zunächst wurde es im universitären bereich

zur Kommunikation mit einzelnen anderen in form von

elektronischer post (e-Mails) oder mehreren anderen in

form von Mailing-listen und news-groups sowie zum

austausch von nachrichten und Meinungen in form

von texten in sogenannten foren genutzt. bekannter

und weiter verbreitet in Wirtschaft, verwaltung und

den Medien wurden dann die informationsangebote im

World Wide Web, die sogenannten Web-Seiten. Waren

auch diese zunächst als überwiegend als mit bildern

ergänzte texte gestaltet, so wurden sie im laufe kur-

zer Zeit multimedialer und interaktiver. bilder können

blinken und von alleine wechseln, nachrichten können

gesprochen bzw. vorgelesen werden, videos das infor-

mationsangebot ergänzen. die interaktion bezog sich

bisher vor allem auf sogenannte transaktionen in form

des ausfüllens von formularen. So werden buchungen

von fahrkarten und reisen, bankgeschäfte, verwal-

tungsvorgänge und einkäufe immer häufiger online

erledigt. darüber hinaus haben in jüngster Zeit inter-

aktionen in form der anbahnung und pflege sozialer

Kontakte über sogenannte Soziale netzwerke gerade-

zu einen boom erlebt.

diese elektronischen interaktionen sind für Menschen

mit behinderung von besonderer bedeutung, weil sie

ihnen den Zugang zu angeboten ermöglichen, die auf-

grund bestehender barrieren in der realität zum bei-

spiel beim aufsuchen entsprechender geschäftsräume

schwer erreichbar sind. aber leider rufen die elektroni-

schen angebote neue barrieren hervor, die die nutze-

rinnen und nutzer bei der schnellen folge technischer

innovationen und ergänzungen immer wieder aufs

neue vor probleme stellen.

der von der aktion Mensch1 und der Stiftung digita-

le chancen2 ins leben gerufene biene-Wettbewerb

begleitet seit dem Jahr 2003 diese entwicklungen im

bereich des internet. inzwischen wurden mehr als

einhundert Webseiten mit dem begehrten preis aus-

1http://www.aktion-mensch.de

2http://www.digitale-chancen.de

7

StudieWeb2.0/barrierefrei/VorWort

gezeichnet. So ist es gelungen, immer wieder innova-

tive trends der Webentwicklung aufzuspüren und als

beispiele guter praxis für barrierefreie gestaltung von

informations-, Kommunikations- und transaktions-

angeboten in verschiedenen anwendungsbereichen

bekannt zu machen.

die jährlich ausgeschriebenen Kategorien für die ein-

reichungen und vorschläge von Webseiten wurden

jeweils der aktuellen entwicklung angepasst. Mit dem

aufkommen des sogenannten Web 2.0 stellte sich 2007

die frage, ob auch die bewertungskriterien aus dem

Jahr 2003 angepasst werden müssen. dazu erschien

es sinnvoll, zunächst Kenntnisse über die nutzung von

Web 2.0-anwendungen durch Menschen mit behinde-

rungen zu gewinnen.

Mit der vorliegenden Studie wurde sowohl auf natio-

naler als auch auf internationaler ebene neuland be-

treten. erstmals wurde der versuch unternommen, um-

fassende und praktisch relevante informationen über

das nutzungsverhalten dieser bevölkerungsgruppe

im internet zu gewinnen. besonders erwähnenswert

ist die wissenschaftliche fundierung, die Kombination

quantitativer und qualitativer erhebungsmethoden

und die aktive einbeziehung der betroffenen. die erhe-

bungen wurden zwar bereits 2007/2008 durchgeführt.

technisch hat sich an den funktionen des Web 2.0

seitdem jedoch nicht wesentlich etwas geändert. ex-

perten, die das Manuskript vor der veröffentlichung ei-

nem kritischen review unterzogen haben, bestätigen

ausdrücklich, dass die befunde heute noch als hoch

aktuell gelten. die innovativen entwicklungen des Web

2.0 in den letzten beiden Jahren liegen eher in der form

der aneignung der angebote durch die nutzerinnen

und nutzer und in der art ihres umgangs damit.

die teilweise überraschenden und auch für Web-ent-

wickler hochinteressanten ergebnisse zeigen, dass

Menschen mit behinderung bei dieser aneignung und

nutzung eine vorreiterrolle einnehmen. viele der an

den interviews beteiligten nutzerinnen und nutzer

bedienen sich der Web 2.0-anwendungen in einer so

nicht vom anbieter intendierten art und Weise. und

sie überwinden dabei durch kreative nutzungs- und

umnutzungsprozesse sowohl innerhalb als auch

außerhalb der anwendung liegende hindernisse und

barrieren.

Mit der veröffentlichung der ergebnisse wollen die

veranstalter des biene-Wettbewerbs dazu beitragen,

die festgestellten barrieren abzubauen und das inter-

net auch mit seinen neuesten anwendungen für alle

Menschen zugänglicher zu machen. diese ergebnisse

8

sind für Web-entwickler ebenso relevant wie für die-

jenigen, die Menschen mit behinderung beratend un-

terstützen und jene, die die rechtsverordnungen über

barrierefreie informationstechnik in bund und ländern

weiterentwickeln.

die publikation ist in insgesamt zehn Kapitel geglie-

dert. einleitend werden Ziel und aufbau der Studie er-

läutert. das zweite Kapitel ‚Konzeptionelle grundlagen‘

ist der definition des begriffs Web 2.0 sowie der un-

terscheidung der behinderungsarten und der beschrei-

bung möglicher barrieren gewidmet. anschließend

folgen die darstellung der methodischen vorgehens-

weise und ein statistischer Überblick. im hauptteil der

Studie finden sich in den Kapiteln 5 ‚nutzungsprofi-

le‘, 6 ‚differenzierung der barrieren‘ und 7 ‚relevante

teilaspekte‘ die wesentlichen ergebnisse. betrachtet

werden zuerst die verschiedenen nutzergruppen und

jeweils unterschiedliches nutzungs- und Kommunika-

tionsverhalten. anschließend werden die für die jewei-

lige behinderungsart festgestellten barrieren näher

untersucht, bevor besonders auffällige phänomene

im einzelnen behandelt werden. in Kapitel 8 werden

wiederum aus der Sicht der nutzer Strategien im um-

gang mit diesen barrieren erläutert. Kapitel 9 beleuch-

tet die Möglichkeiten verschiedener akteure, an der

beseitigung der barrieren mitzuwirken. in Kapitel 10

wird abschließend die Weiterentwicklung des biene-

Kriterienkatalogs auf der basis der Studienerkenntnis-

se dargelegt und ein ausblick auf die regelungen der

internationalen richtlinien zur gestaltung von Web-

inhalten (Web accessibility guidelines Wcag) und der

deutschen, in der verabschiedung befindlichen novel-

lierten barrierefreie informationstechnik verordnung

(bit-v 2.0) gegeben.

an der hier dokumentierten Studie haben viele Men-

schen in unterschiedlicher art und Weise mitgewirkt.

ihnen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich dan-

ken. den rohstoff für die gewonnnen erkenntnisse

haben mehr als sechzig interviewpartner und 671

teilnehmende an der onlinebefragung geliefert. Was

gefragt und diskutiert werden sollte und wie aus den

StudieWeb2.0/barrierefrei/VorWort

antworten erkenntnisse verdichtet werden, wurde in

konstruktiven gesprächsrunden mit den Koordina-

toren der Studie bei der aktion Mensch, iris cornels-

sen und christian Schmitz, gemeinsam geklärt. die

Strukturierung und formulierung dieser erkenntnisse

haben dann die autorinnen und autoren übernommen:

andrea berger, tomas caspers, Jutta croll, Jörg

hofmann, ulrike peter, diana ruth-Janneck und thi-

lo trump. ihnen möchte ich nach einigen konstruktiv-

kritischen runden der Überarbeitung nun für ihre fach-

lich fundierte und engagierte arbeit dank und aner-

kennung aussprechen. Schließlich gilt mein dank der

lektorin der aktion Mensch, eva girke labonté, für

ihre gründliche durchsicht des Manuskripts und die

erstellung des glossars.

im namen der veranstalter des Wettbewerbs und des

autorenteams wünsche ich den ergebnissen der Studie

eine weite verbreitung und eine rasche umsetzung der

erkenntnisse in der praxis. Sie können dazu beitragen,

indem Sie die Studie weiterschicken und auf eigenen

Web-Seiten auch zum herunterladen bereitstellen.

durch die veröffentlichung unter der creative com-

mons lizenz stehen dem keine urheberrechtsbarrieren

entgegen.

bremen, im Juni 2010

h erbert Kubicek

1Ziele und aufbau

StudieWeb2.0/barrierefrei/VorWort

10

Zieleundaufbau/derStudiezurNutzungvonWeb2.0

durchMenschenmitBehinderung

Seit dem Jahr 2003 schreiben die aktion Mensch1

unddieStiftungdigitaleChancen2 regelmäßigden

Wettbewerb für die besten barrierefrei gestalteten

internetseitenindeutscherSpracheaus.bienesteht

für „barrierefreies internet eröffnet neue einsich-

ten“ebensowie fürKommunikation,gemeinsames

HandelnundproduktivesMiteinander.indenJahren

2003bis2006wurdeninsgesamtrd.1.000Websei-

tenzumWettbewerbeingereichtundanhandeines

Kriterienkatalogs, der auf den Vorgaben der Wai-

Guidelinesundderbarrierefreieinformationstechnik-

Verordnung beruht, auf ihre benutzbarkeit durch

Menschenmitbehinderunggetestet.

Webseiten, die inhalte anbieten, welche zuvor durch

überwiegend professionelle inhalteproduzenten er-

stellt wurden, können – zumindest bedingt – durch

gesetzliche regelungen zur einhaltung von barriere-

freiheitsstandards verpflichtet werden. anders sieht

es beim sogenannten user generated content aus,

dem von nutzern selbst erstellten inhalt, sowie allen

stärker interaktiv und kommunikativ ausgerichteten

anwendungsformen. angesichts der schnellen ent-

wicklung des internet und der zunehmenden verbrei-

tung von Web-2.0-angeboten pausierte die biene im

Jahr 2007, und die vorliegende Studie wurde durchge-

führt mit dem Ziel, das nutzungsverhalten von Men-

schen mit behinderung bei derartigen anwendungen

zu erforschen und auf der basis der so gewonnenen er-

kenntnisse den Katalog der Kriterien für barrierefreie

Webgestaltung weiterzuentwickeln.

das testverfahren des biene-Wettbewerbs basier-

te zu beginn in weiten teilen auf den Web content

accessibility guidelines 1.0 des W3c (Wcag 1.0) bzw.

der bitv in der fassung vom 17.07.2002. es hatte so-

mit einen entsprechend starken fokus auf die klassi-

schen accessibility-fallen in statischen, strukturierten

hypertext-dokumenten. um auch solche Webseiten

testen zu können, die sich immer weiter in richtung

Web-basierter applikationen entwickelten, wurde das

prüfverfahren jährlich an neue entwicklungen im Web-

design angepasst.

diese bisherigen grenzbereiche rücken nun immer

mehr in den Mittelpunkt – Stichwort »Web 2.0« und

»rich internet applications« –, gleichzeitig fehlt es

aber an Wissen über die tatsächliche nutzung solcher

angebote durch Menschen mit behinderung. daher

wollte die aktion Mensch zusammen mit der Stiftung

digitale chancen herausfinden, wie Menschen mit be-

hinderung mit den neuen technischen Möglichkeiten

des Mitmach-Web umgehen und vor welchen neuen

barrieren sie dort stehen.

1http://www.aktion-mensch.de

2http://www.digitale-chancen.de

11

StudieWeb2.0/barrierefrei/Zieleundaufbau

die Studie war dreiteilig aufgebaut. in einem explora-

tiven ersten teil wurden expertengespräche geführt,

um grundkenntnisse über das internetnutzungsver-

halten und die jeweilige Kommunikationskultur der

verschiedenen behindertengruppen zu erlangen. in

einem zweiten Schritt wurden gruppeninterviews mit

betroffenen durchgeführt, in denen deren Motivation

zur internetnutzung, die beliebtesten Webseiten und

die onlinegewohnheiten erfragt wurden. basierend

auf den erkenntnissen aus diesen beiden qualitativen

erhebungsschritten, wurde ein fragebogen für die

durchführung einer barrierefreien onlinebefragung

entwickelt.

im folgenden werden zunächst die konzeptionellen

grundlagen der Studie Web 2.0 barrierefrei dargelegt

und anschließend das methodische vorgehen der un-

tersuchung beschrieben. ein statistischer Überblick

über die Stichprobe der qualitativen und quantitativen

erhebung in Kapitel vier leitet den auswertungsteil ein.

die Kapitel fünf und sechs dienen dazu, die nutzungs-

profile der beteiligten nutzergruppen zu beschreiben

und die erlebten barrieren hinsichtlich der verschie-

denen behinderungsarten zu differenzieren. in Kapi-

tel sieben werden relevante teilaspekte des festge-

stellten nutzungsverhaltens sowie der festgestellten

barrieren beschrieben. die Kapitel acht und neun sind

dem umgang mit den barrieren im Web 2.0 gewidmet,

hier werden die Strategien der nutzerinnen und nut-

zer analysiert und es wird versucht, verantwortungs-

bereiche hinsichtlich der beseitigung von barrieren zu

definieren. das abschließende zehnte Kapitel befasst

sich mit den Konsequenzen und Schlussfolgerungen,

die sich aus den durch die untersuchung gewonnenen

erkenntnissen ergeben.

die reihenfolge, in der die verschiedenen behinde-

rungsarten bei der auswertung der ergebnisse be-

handelt werden, folgt der logik und dem argumen-

tationsstrang der jeweiligen Kapitel. bei einigen der

betrachteten aspekte ist es naheliegend, behinder-

tengruppen mit ähnlichen problemen vergleichend

nacheinander zu betrachten, während andere aspek-

te eine stärkere abgrenzung erfordern. die gewählte

reihenfolge stellt somit keine form der priorisierung

der festgestellten probleme und barrieren für einzelne

behindertengruppen dar.

die texte dieser Studie berücksichtigen das Konzept

des gender Mainstreaming und verwenden soweit

möglich geschlechtsneutrale oder sowohl die weib-

lichen als auch die männlichen formen. Wo nur eine

der beiden formen verwendung findet, ist dies dem

bemühen um einfache Sprache und formulierungen

geschuldet.

2KonZeptionelle grundlagenimfolgendenKapitelwerdendiederStudiezugrundeliegendenbegrifflichkeitenunddefinitionendargelegt.Zunächst

wirderläutert,zuwelchenanwendungenundapplikationendesWeb2.0dienutzerinnenundnutzermitbehinderungen

imrahmenderquantitativenundqualitativenerhebungbefragtwurden.anschließendwerdendiebehinderungsarten

beschrieben,nachdenendieanderStudieteilnehmendenklassifiziertwurden,undschließlichwerdendieeinenutzung

einschränkendenfaktoren–hieralsbarrierenbezeichnet–nachihremursprungindreibarriereartendifferenziert.

13

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonZePtionelleGrundlaGen

2.1/Web2.0vondenNutzerinnenundNutzerngenerierteInhalteunddie

Zunahmeinteraktiver,multimedialerAngebote

SeitMittedeserstenJahrzehntsdiesesJahrhunderts

wird eine entwicklung von internetangeboten und

funktionalitäten innerhalb von Webseiten mit dem

begriff Web 2.0 bezeichnet. in anlehnung an die

VersionsbezeichnungenvonSoftwareproduktensoll

dieangabe2.0dieWeiterentwicklungdesbisdahin

bekannteninternetsignalisieren.

Web 2.0-anwendungen sind neue veränderte inter-

netangebote, die im Wesentlichen auf eine stärkere

einbeziehung der nutzerinnen und nutzer zielen. hier

sind an erster Stelle die sogenannten Weblogs oder

blogs zu nennen: onlinetagebücher, die mit hilfe von

im internet bereitgestellten programmen ohne jegliche

vorkenntnisse erstellt werden können und allen nut-

zerinnen und nutzern die Möglichkeit bieten, die im

Weblog veröffentlichten texte zu kommentieren und

diese Kommentare wiederum sofort zu veröffentlichen.

Zunehmend wandeln sich die blogs von privaten tage-

büchern zu instrumenten der unternehmenskommuni-

kation oder der politischen Meinungsäußerung.

das veröffentlichen von inhalten durch die internet-

nutzerinnen und nutzer ist ein charakteristikum nahe-

zu aller Web 2.0-anwendungen, besonders ausgeprägt

bei den sogenannten Wikis, von denen die online en-

zyklopädie Wikipedia, bei der die artikel durch die

internetgemeinde erstellt werden, das bekannteste

beispiel ist.

online bereitgestellte Kartenanwendungen und online

durchgeführte Meinungsumfragen sowie bewertungs-

ysteme, auch ratings genannt, die in echtzeit die Mei-

nung der nutzerinnen und nutzer online wiedergeben,

sowie sogenannte Mash-ups, bei denen der inhalt der

Website ausschließlich aus auf anderen Servern ver-

fügbaren inhalten je nach nutzeranfrage individuell

zusammengestellt wird, zählen ebenfalls zu den Web

2.0 - anwendungen. einen weiteren typus des Web 2.0

stellen die verschiedenen arten von online verfügba-

ren Spielen, sogenannte Multi-user-Spiele, und an-

wendungen der online-Zusammenarbeit dar. für beide

formen charakteristisch ist die räumlich verteilte und

entweder zeitgleich oder zeitversetzt stattfindende

beschäftigung mit den jeweiligen Spiel- oder arbeits-

inhalten.

viele der zuvor genannten elemente werden in den so-

genannten austauschplattformen vereinigt. Während

angebote wie flickr oder Youtube in erster linie dem

Zweck dienen, bilder oder videos schnell und unkom-

pliziert zu veröffentlichen und zum kostenlosen tausch

anzubieten, steht bei angeboten wie facebook oder

StudivZ die veröffentlichung eines eigenen profils und

das interesse an Kontakten zu anderen nutzerinnen

und nutzern im vordergrund. im hinblick auf die hier

zu behandelnden fragen der Zugänglichkeit für alle

nutzerinnen und nutzer unabhängig von deren körper-

lichen und geistigen voraussetzungen, sind derartige

Kontakt- und profilplattformen von besonderem inte-

resse.

für die nutzung von und die beteiligung an den ver-

schiedenen anwendungstypen des Web 2.0 benötigen

die nutzerinnen und nutzer nur wenige technische

vorkenntnisse. das publizieren eines artikels im Wiki

14

ist so einfach wie das Schreiben und versenden einer

e Mail. Selbst das einrichten und betreiben eines

blogs kann mit ein paar Klicks bewältigt werden. dies

führt dazu, dass der begriff des Web 2.0 im Wesentli-

chen mit dem begriff des sogenannten user generated

content, d. h. von den nutzern generierte inhalte, as-

soziiert wird. die niedrigschwelligkeit des generierens

von inhalten ist somit ein charakteristikum des Web

2.0. inwieweit diese grundsätzliche niedrigschwellig-

keit einhergeht mit geringen oder kaum vorhandenen

barrieren, sollte im rahmen der Studie Web 2.0 barri-

erefrei untersucht werden. Zugleich war die frage zu

beantworten, ob und wie die anbieter von plattformen,

auf denen die nutzerinnen und nutzer selbst inhalte

erstellen, diese dabei unterstützen, die barrierefreiheit

der so generierten inhalte sicherzustellen.

Abb.2-1:Web2.0Anwendungen

Web 2.0

• Inhalte• Themen• Vermittlung• Bewertung

• Lernmanagement-Systeme• Projektmanagement• Kalender• Chat• Forum• Remote Application

BehindertenparkplatzBlog von Christiane Link

wer weiss was

pointoo die lokale suche in deutschland

Multi-User Spiele

Mash-Ups

(We)Blogs

Online Zusammenarbeit

Kartenanwendungen

Wiki

Bewertungen,Meinungsumfragen

Austauschplattformen

die oben stehende grafische darstellung gibt einen

Überblick über die in der Studie Web 2.0 barrierefrei

behandelten anwendungen. in welcher form diese

anwendungen mit den teilnehmenden an der Studie

behandelt wurden, beziehungsweise wie die nutzung

dieser anwendungen im onlinefragebogen erfasst

wurde, wird im Kapitel 3 „Methodisches vorgehen“

beschrieben.

15

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonZePtionelleGrundlaGen

2.2/differenzierungderBehinderungsarten

Jededifferenzierungvonbehinderungsartenisteine

jeweilszweckgebundene,d.h.demuntersuchungs-

zweck und der untersuchungsperspektive ange-

passtebeschreibung, der eineunterscheidung von

beeinträchtigungen der Sinnesorgane von anderen

körperlichen,geistigenoderpsychischenbeeinträch-

tigungenzugrundeliegt.

für die vorliegende Studie wurden die barrieren im

Web 2.0 ermittelt anhand der beschreibung von nut-

zungsvorgängen und dabei erlebten hindernissen

durch Web 2.0-nutzerinnen und nutzer, die mit unter-

schiedlichen dauerhaften körperlichen und/oder geisti-

gen und psychischen funktionseinschränkungen, hier

behinderungen genannt, leben. die Zuordnung der be-

fragten zu den behinderungsgruppen erfolgte mittels

einer Selbsteinschätzung im fragebogen zu beginn der

online-befragung.

für die ermittlung der barrieren war es wichtig festzu-

stellen, welche bedürfnisse behinderter Menschen bei

der nutzung des internet sich aus ihren spezifischen

behinderungen ergeben und welche anforderungen

sie an das design von anwendungen richten. So kön-

nen die befragten nutzer der jeweiligen behinderungs-

gruppe barrieren für ihre nutzergruppe aufzeigen

und damit einen beitrag zur beschreibung von gestal-

tungserfordernissen eines „für alle einfachen internet“

leisten.

die Studie differenziert in der quantitativen befragung

zwischen folgenden behinderungsarten1:

-Blindheit

-Sehbehinderung

-Schwerhörigkeit

-Gehörlosigkeit

-MotorischeBeeinträchtigungen

-Lese-Rechtschreibschwäche

-Lern-undgeistigeBehinderungen

im bereich der Sinnesbeeinträchtigungen ist die diffe-

renzierung von blinden und gehörlosen einerseits ge-

genüber Menschen mit Sehbehinderungen und hörbe-

einträchtigungen geringeren ausmaßes andererseits

sinnvoll, da für diese gruppen jeweils von vergleichba-

ren behinderungsbedingten nutzereigenschaften aus-

zugehen ist. im folgenden werden die behinderungen

– im Wesentlichen gestützt auf die beschreibungen des

Wörterbuchs heilpädagogik – kurz definiert und bzgl.

ihrer voraussetzungen zur internetnutzung beschrie-

ben.

1Vgl.zuweiterenDifferenzierungendenArtikelvonJörgWolstein„WenndieWeltofflinebleibt.Barrieren imInternet“, in:„uni.vers.DasMagazinderOtto-Friedrich-UniversitätinBamberg“,Heft07November2004,hierS.42-46,unterhttp://www.uni-bamberg.de/uni-publikationen/univers/univers_7/,eingesehenzuletztam05.10.2009,sowieden„KurzüberblickzurBarrierefreiheit“nacheinem„VortragvonChristianGünthervonderForschungsstellezurRehabilitatonvonMenschenmitkommunikativenBehinderungen(FST)anderMartin-Luther-UniversitätHalle-WittenberganläßlicheinerPressesprechertagungimMai2007“,einzusehenunter:http://www.union.uni-halle.de/re-design/projektschwerpunkte/barrierefreiheit/zuletzteingesehenam05.10.2009.

16

2.2.1 SeHbeHinderunGen

als Sehbehinderungen gelten einschränkungen der

„Sehschärfe von 1/3 bis 1/50 auf dem besseren oder

beiden augen mit bestmöglicher Korrektur (…) oder/

und einer einschränkung des gesichtsfeldes oder an-

deren beeinträchtigungen des Sehvermögens von

vergleichbarem Schweregrad“. pädagogisch gesehen

grenzt sich eine Sehbehinderung von blindheit da-

durch ab, dass „die betroffene person sich (..) noch

visuell orientiert bzw. die relevanten informationen

vorwiegend visuell wahrnimmt“2 . Zu den Symptomen

können neben dem eingeschränkten Sehvermögen ge-

sichtsfeldausfälle (auch „lichtblitze“), blendempfind-

lichkeit, nachtblindheit, sog. Sehverlust bereits in der

dämmerung, farbenblindheit, Schwierigkeiten bei der

hell-dunkel-anpassung und umgekehrt und ein ver-

schwommenes bzw. verschleiertes bild treten.3

für einen teil der nutzergruppe Sehbehinderte sind

bereits die größe des bildschirms, „individuelle far-

beinstellungen und Schriftvergrößerungen im brow-

ser“ ausreichende hilfen.4 Stärker eingeschränkte

personen nutzen häufig auch vergrößerungssoftware.

diese wird „auch mit Sprachausgabe und braillezeile

kombiniert angeboten“5. in der Studie Web 2.0 barri-

erefrei gaben 56% der sehbehinderten befragten an,

vergrößerungssoftware zu nutzen. dies ist damit die

am häufigsten genutzte assistive technologie in der

gruppe der sehbehinderten befragten.

2.2.2 blindHeit

im „Wörterbuch heilpädagogik“ wird blindheit als

„völlige(r) verlust des Sehvermögens bzw. (…) eine

Sehschärfenminderung unter 1/50 der norm“ defi-

niert6. als assistive technologien dienen braille-Zeilen,

mit der textinhalte in punktschrift wiedergegeben wer-

den, sowie spezielle browser in Kombination mit einer

Sprachausgabe oder braillezeile, die die Wiedergabe

von inhalten einer Webseite ermöglichen. „Screen-

reader (bildschirmauslese-programme) zeigen neben

den internet-Seiten auch informationen des betriebs-

systems an“7. Wichtig für blinde nutzer ist außerdem,

dass alle angebote mit der tastatur bedient werden

können8.

dieses nutzungsverhalten bestätigen die angaben

der blinden befragten der Studie Web 2.0 barrierefrei.

91% der blinden befragten nutzen einen Screenreader

für die internetnutzung, 70% eine Sprachausgabe und

85% eine braillezeile.

2Vgl.„WörterbuchHeilpädagogik.EinNachschlagewerkfürStudiumundpädagogischePraxis“,hrsg.vonKonradBundschuh,Ulrich

HeimlichundRudiKrawitz,3.überarbeiteteAuflage,VerlagJuliusKlinkhardt,BadHeilbrunn,2007,S.239/240.Vgl.zurDefinitionvonSehbehinderungenauchdieHomepagedesDeutschenBlinden-undSehbehindertenverbande.V.(DBSV),imAbschnitt„Augenerkran-kungen“in:http://www.dbsv.org/infothek/augenerkrankungen/,undimAbschnitt„DefinitionenBlindheit/Sehbehinderung“in:http://

www.dbsv.org/infothek/zahlen-und-fakten/,eingesehenam08.04.09.

3DieInformationenzudenjeweiligenAugenkrankheitenentstammendervomAllgemeinerBlinden-undSehbehindertenvereinBerlin

e.V.aufihrerHomepage(www.absv.de)angebotenenSimulation,in:http://www.absv.de/sbs/sbs_intro.html,sowiederHomepagedesDBSV(DeutscherBlinden-undSehbehindertenverbande.V.,www.dbsv.org),eingesehenam08.04.09,sowieBeateSchulte(2005),zurHeterogenitätderSehbehinderungenundderSymptomatiken(S.406/407),in:BeateSchulte„ZielgruppenfürBarrierefreiesInternet,in:„Zeitschrift„Information–WissenschaftundPraxis“(IWP)derDGIDeutschenGesellschaftfürInformationswissenschaftundInfor-mationspraxis“,Sonderheft„BarrierefreiheitimInternet“,Nr.8/2005vomNovember/Dezember,unter:http://www.bit-informationsde-sign.de/iwp-8-2005/IWP-8-2005-Schulte.pdf,zuletzteingesehenam05.10.2009.

4ProjektgruppeE-GovernmentimBundesamtfürSicherheitinderInformationstechnik(BSI)„BarrierefreiesE-GovernmentLeitfadenfür

Entscheidungsträger,GrafikerundProgrammierer“im:„E-Government-Handbuch“desselbenHerausgebers,2005,unter:https://www.bsi.bund.de/cln_164/ContentBSI/Themen/Egovernment/EgovermentHandbuch/Onlineversion/onlineversion.html,zuletzteingesehenam05.10.09.

5Vgl.ebd.S.8.

6WörterbuchHeilpädagogik,S239/240.Vgl.ebensodenAbschnitt„DefintionenBlindheit/Sehbehinderung“in:http://www.dbsv.org/infothek/zahlen-und-fakten/ ,eingesehenam08.04.09.

7Vgl.„BarrierefreiesE-Government.LeitfadenfürEntscheidungsträger,GrafikerundProgrammierer“im„E-Government-Handbuch“,S.7/8.

8Vgl.BeateSchulteS.406

17

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonZePtionelleGrundlaGen

2.2.3 SCHWerHöriGKeit

als Schwerhörigkeit wird in abgrenzung zu vollstän-

dig ausgleichbaren hörschädigungen einerseits und

gehörlosigkeit andererseits die sensorische, neurale,

zentrale und kombinierte Schwerhörigkeit beschrie-

ben. damit einher gehen unterschiedliche phänomene

wie die verzerrung „des Schalleindrucks“, die „audi-

tive ermüdung“, und/oder die „verschlechterung des

Sprachverständnisses“. nach Schweregrad kann man

die leichte, mittlere, erhebliche und extreme Schwer-

hörigkeit unterscheiden9.

viele hochgradig und von geburt an schwerhörige per-

sonen nutzen zur Kommunikation mit anderen nach

auskunft des deutschen Schwerhörigenbundes (dSb)

die deutsche gebärdensprache (dgS). neben hörgerä-

ten und höranlagen zum verbesserten verständnis von

gesprächen sind schriftliche informationen hilfreich.

beim ablesen vom Mund kann nur jeweils bis zu ca.

30% des inhalts der Kommunikation anhand des able-

sens erkannt werden10. eine kleine gruppe von hörge-

schädigten nutzt begleitend zur Kommunikation auch

sogenannte lautsprachbegleitende gebärden, die die

lautsprachliche Kommunikation durch entsprechende

Zeichen/gebärden unterstützen11.

gemeinsam ist schwerhörigen internetnutzern je nach

Schwere der hörschädigung eine erschwerte Wahr-

nehmbarkeit gesprochener inhalte und akustischer

Signale im internet. bei längeren texten und kompli-

zierter Sprache können verständnisschwierigkeiten

auftreten.

2.2.4 GeHörloSiGKeit

als gehörlosigkeit „bezeichnet man hörschäden, bei

denen der hörverlust im hauptsprachbereich (zwi-

schen 500-4000 hz) über 90 db liegt“12. damit diffe-

renziert sich gehörlosigkeit von Schwerhörigkeit durch

die Schwere des hörverlustes.

gehörlose Menschen kommunizieren je nach Soziali-

sation und resthörvermögen in gebärdensprache und/

oder lautsprache13. das bSi gibt im e-government-

handbuch zur auskunft, dass „nach angaben von

Schwerhörigenverbänden insgesamt etwa 200.000

hörgeschädigte oder gehörlose Menschen die gebär-

densprache (benutzen)“14.

gehörlose internetnutzer benötigen genau wie schwer-

hörige internetnutzer keine spezifischen assistiven

technologien für den Zugang zum internet. gemein-

same anforderungen an die gestaltung von internet-

anwendungen beziehen sich auf die gestaltung von

gesprochenen inhalten, die vermeidung oder optische

ergänzung von akustischen Signalen sowie auf die

angemessene formulierung und strukturierte darstel-

lung schriftlicher inhalte. bei längeren texten und kom-

plizierter Sprache können verständnisschwierigkeiten

auftreten, da für von geburt an gehörlose Menschen

„das erlernen von lautsprache nur erschwert und be-

grenzt möglich ist“15. der einsatz von gebärdensprach-

videos gilt als Mittel, um verständnisproblemen zu be-

gegnen.

9Vgl.WörterbuchHeilpädagogik,S.128-130

10Vgl.dieInformationendesDeutschenSchwerhörigenbundesaufseinerHomepage,nachzusehenunterhttp://www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/schwerhoerig.asp?inhalt=broschuere14 ,eingesehenam08.04.09)

11VergleicheauchhierdieWebpagedesDSB,imAbschnitt„SachthemenKommunikationshilfen“(http://www.schwerhoerigennetz.de/MAIN/ratg.asp?inhalt=KOMMUNIKATION/uebersicht

),sowieunter„Sachthemen:Kommunikation–Schriftdolmetscher“imletztenAb-schnitt„WelcheKommunikationshelfergibtes?“(http://www.schwerhoerigen-netz.de/MAIN/ratg.asp?inhalt=KOMMUNIKATION/schriftd),eingesehenam08.04.09.

12WörterbuchHeilpädagogik,S.129

13VergleichezursprachlichenSozialisationBeateSchulte(2005),S.3,sowiedieDefinitionvonGehörlosigkeitaufderHomepagedes

deutschenGehörlosenbundeshttp://www.gehoerlosen-bund.de/,zufindenunterdemMenüpunkt„Gehörlosigkeit/Gebärdensprache“,zuletzteingesehenam06.10.09.

14E-Government-HandbuchS.9

15Vgl.ebd.,sowieBeateSchulte,S.407

18

2.2.5 MotoriSCHebeeinträCHtiGunGen

Motorische beeinträchtigungen werden auch als „Kör-

perbehinderungen“ bezeichnet. das Wörterbuch heil-

pädagogik definiert Körperbehinderungen nach art,

Schwere und dauer der beeinträchtigung, die hiernach

„wesentlich“ und „dauerhaft“ sein muss. von anderen

behinderungen unterscheidet sich eine motorische

beeinträchtigung als „angeborene oder erworbene be-

einträchtigung der bewegungsfähigkeit infolge einer

Schädigung des Stütz- und bewegungsapparates oder

einer schweren chronischen erkrankung“16.

Motorisch eingeschränkte personen nutzen pc und in-

ternet je nach art und Schwere der behinderung mit

unterschiedlichen eingabehilfen, wie z.b. Spezialtas-

taturen (größer/kleiner), Spezialsensoren- bzw. taster,

Spezialmäuse (z.b. eine Kopfmaus) und/oder mittels

tastenkombinationen17. in einigen fällen kommt auch

Spracherkennungssoftware zur Steuerung der compu-

terfunktionen zum einsatz.

2.2.6 leSe-reCHtSCHreibSCHWäCHe

als lese-rechtschreibschwäche werden nach dem

Wörterbuch heilpädagogik Schwierigkeiten beim er-

werb und der späteren nutzung des lesens und Schrei-

bens bezeichnet. es werden erstens probleme be-

schrieben, „die lautstruktur der Sprache zu erkennen“,

zweitens eine eingeschränkte fähigkeit, „buchstaben

in laute zu übersetzen“, drittens Schwierigkeiten mit

der ausreichenden Speicherung von „Schriftwörtern“

im gedächtnis, sowie viertens „probleme der visuellen

Wahrnehmung“. darüber hinaus können andere fak-

toren, wie das „lernverhalten“ und die „familiale und

schulische förderung“ einfluss auf den Kompetenzer-

werb nehmen18.

die vorliegende Studie betrachtet die lese-recht-

schreibschwäche als eigene von anderen lernschwie-

rigkeiten unabhängige behinderungsart, da die be-

troffenen eigene anforderungen an die gestaltung von

Webseiten richten. aufgrund der geringen anzahl von

teilnehmenden mit lese-rechtschreibschwäche an der

befragung sind die in den folgenden Kapiteln getroffe-

nen aussagen über das nutzungsverhalten der gruppe

nur als tendenzaussagen zu verstehen.

16WörterbuchHeilpädagogik,S.158

17Vgl.E-Government-Handbuch,S.9/10,BeateSchulte,S.406/407

18Vgl.ImWörterbuchHeilpädagogik,S.184-186,Definition.ZuUrsachenundAusprägungenvonLese-Rechtschreibschwächesieheauch

dieInformationenaufderHomepagedesBundesverbandesLegasthenieundDyskalkuliee.V.www.bvl-legasthenie.de/(undhttp://www.bvl-legasthenie.de/index.php5?p=/legasthenie/definition)eingesehenam08.04.09.

19

2.2.7 lern-undGeiStiGebeHinderunGen

als lernbehinderung werden Schwierigkeiten der

selbständigen Überwindung von lernproblemen be-

zeichnet. dabei sind „konkretes erscheinungsbild“,

„ursachen“ und einflussfaktoren auf die entwicklung

(„entwicklungsanregungen der umwelt“) zu unter-

scheiden. lernbehinderungen können sich als prob-

leme in „kognitiver“, „emotionaler“, „sozialer“ und

„sensomotorischer“ hinsicht darstellen19.

in bezug auf Menschen mit geistiger behinderung

stellt das Wörterbuch heilpädagogik fest, dass der

begriff „behinderung“ in der bezeichnung „geistige

behinderung“ „kein objektiver tatbestand, sondern

ein soziales Zuschreibekriterium“ sei20. außerdem

wird hier kritisiert, dass mit dem geläufigen begriff die

„Komplexität“ solcher behinderungen „aus dem blick

gerate“, da diese oft als „mehrfache beeinträchtigung

(kognitiv, sprachlich, motorisch, sensorisch, sozial)“

auftritt21. Menschen mit geistiger behinderung sind

besonders von eingeschränkten teilhabemöglichkei-

ten und Stigmatisierung betroffen. für betroffene defi-

niert dies die behinderung teilweise in hohem Maße22.

die definition als „Menschen mit lernschwierigkeiten“

von „Mensch Zuerst“ weicht die abgrenzung zwischen

lern- und geistigen behinderungen auf. die Selbst-

hilfeorganisation macht behinderungen dieser art

vorrangig am bedarf an leichter Sprache fest. diese

schaffe prinzipiell für alle adressaten von inhalten ei-

nen Mehrwert, besonders aber für Menschen, die von

lernschwierigkeiten betroffen sind23.

die behinderungsarten lernbehinderung und geistige

behinderung werden aufgrund der geringen befragten-

zahlen bei dieser Studie in der auswertung zusammen

betrachtet. an der online-befragung nahmen fünfund-

dreißig lernbehinderte befragte und dreizehn geistig

behinderte befragte teil. auch die ergebnisse für diese

gruppe sind aufgrund der niedrigen befragtenzahl als

tendenzaussagen zu verstehen.

die anforderungen von nutzern mit lernbehinderun-

gen oder geistiger behinderung an die gestaltung von

internetangeboten fangen bei der umsetzung von in-

halten in leicht verständlicher Sprache an. darüber hi-

naus ermöglicht eine einfache und intuitive bedienung

von anwendungen (aufbau, Struktur der anwendung)

einen besseren Zugang für diese nutzergruppe.

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonZePtionelleGrundlaGen

19Vgl.inebd.,S.182.

20Vgl.dasWörterbuchHeilpädagogik,S.94.

21WörterbuchHeilpädagogik,S.94.

22Vgl. hierzu die von „Mensch zuerst“ veröffentlichten „Forderungen an die Gesellschaft“ auf ihrer Homepagewww.people1.de (direktin:http://www.people1.de/wer_ziele.html),eingesehenam09.04.09.

23Vgl.dieHomepagedesMenschZuerst–NetzwerkPeopleFirstDeutschlande.V.,unter:http://www.people1.de/,zuletzteingesehenam 07.10.09.

20

2.3/Verschiedenearten vonBarrieren

im Hinblick auf die barrierefreie Gestaltung von

Webangeboten ist neben der unterscheidung von

behinderungsarten und den daraus resultierenden

unterschiedlichenanforderungenandieGestaltung

voninternetangeboteneinedifferenzierungvonbar-

rierennotwendig,umimfalledernichtnutzungoder

nurgeringennutzungeineranwendungdurcheine

bestimmtenutzergruppezunächstdieursachender

nichtnutzungfestlegenzukönnen. indenGruppen-

interviewswurdedeshalbnachanwendungsbeding-

tenbarrieren,behinderungsbedingtenbarrierenund

individuellenbarrierenunterschieden.

2.3.1 anWendunGSbedinGtebarrieren

als anwendungsbedingte barrieren werden hinder-

nisse bezeichnet, die aus der art und gestaltung der

anwendung resultieren. hier sind im Web 2.0 beson-

ders registrierungs und login vorgänge relevant, die

vielfach der interaktion zwischen dem nutzer und der

Webseite vorgeschaltet sind. derartige registrierungs-

vorgänge sind bereits seit längerem aus verschiede-

nen bereichen des internet – insbesondere bei trans-

aktionen im e-commerce und e-government – bekannt.

Mit der verbreitung von Web 2.0-anwendungen sind

registrierungs und login vorgänge sehr viel häufiger

vorzufinden, sie stellen quasi den Schlüssel zum Web

2.0 dar. für Menschen mit behinderungen ist dieser

Schlüssel nur nutzbar, wenn die entsprechende an-

wendung barrierefrei gestaltet wurde. die beseitigung

anwendungsbedingter barrieren ist daher in erster

linie in der verantwortung der anwendungsanbieter

zu sehen; eine nähere betrachtung dazu findet sich in

Kapitel 9.

2.3.2 beHinderunGSbedinGtebarrieren

hindernisse, die sich aus der behinderung der nut-

zerinnen und nutzer selbst ergeben, werden in der

Studie Web 2.0 barrierefrei als behinderungsbeding-

te barrieren bezeichnet. gerade das Web 2.0 bietet

eine vielzahl von anwendungen, die vorwiegend das

Kommunikationsverhalten bestimmter nutzergruppen

bedienen und dem anderer nutzergruppen allenfalls

bedingt entsprechen. So trifft zum beispiel die nut-

zung von videokonferenzen über das Web bei blinden

nutzern für die Kommunikation untereinander auf eher

geringes interesse, da deren Kommunikation auf den

auditiven Kanal ausgerichtet ist und die visuelle dar-

stellung der gesprächspartner für sie nicht wahrnehm-

bar und daher zumeist uninteressant ist. hier ist von

einer behinderungsbedingten barriere zu sprechen,

die der nutzung entgegen steht. auch bei einer barrie-

refreien gestaltung ist die nutzung der videokonferenz

durch blinde Menschen für die Kommunikation unterei-

nander nicht zu erwarten. charakteristisch für die so-

genannten behinderungsbedingten barrieren ist, dass

diese in der Kommunikation der betroffenen unterein-

ander eine höhere relevanz haben als in der Kommu-

nikation mit anderen nutzern, die nicht von der selben

behinderung betroffen sind. So kann die teilnahme an

einer barrierefrei gestalteten videokonferenz für blin-

de nutzer durchaus von interesse sein, wenn diese mit

sehenden nutzern kommunizieren, um sich selbst in

der runde der Konferenzteilnehmer visuell wahrnehm-

bar zu präsentieren. ebenso ist zum beispiel die nut-

zung der fotoplattform flickr für blinde zum austausch

untereinander kaum reizvoll, um allerdings eigene fo-

tos anderen sehenden nutzern zugänglich zu machen,

wird flickr auch von blinden Menschen genutzt.

21

2.3.3 indiViduellebarrieren

als individuelle barrieren wurden in der Studie Web

2.0 barrierefrei barrieren bezeichnet, die sich aus der

person des befragten nutzers unabhängig von seiner

behinderung ergeben. hier sind zum beispiel ungenü-

gende technische ausstattung, mangelnde vorkennt-

nisse oder mangelndes interesse am thema und feh-

lende Medienkompetenz zu nennen, die dazu führen

können, dass eine anwendung nicht bedient werden

kann und daher nicht genutzt wird.

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonZePtionelleGrundlaGen

2.4/Zusammenfassung

im hinblick auf die barrierefreie gestaltung von

Webangeboten ist die differenzierung der drei

arten von barrieren relevant, um im falle der

nichtnutzung oder nur geringen nutzung einer

anwendung durch eine bestimmte nutzergrup-

pe die ursachen dafür feststellen zu können. be-

hinderungsbedingte und individuelle barrieren

können dazu führen, dass eine anwendung auch

dann nicht durch die betreffende gruppe genutzt

wird, wenn sie barrierefrei gestaltet ist und somit

keine anwendungsbedingten barrieren aufweist.

im folgenden Kapitel wird im abschnitt 3.2 näher

wie die Suche nach den ursachen für

die nutzung oder nichtnutzung der ausgewählten

Web 2.0-anwendungen durch die befragten nut-

zergruppen in den gruppeninterviews erfolgte.

der differenzierte blick auf die ursachen der nicht-

nutzung dient letztlich dazu, die bemühungen

um die beseitigung der barrieren jeweils dort zu

konzentrieren, wo dadurch eine größtmögliche Zu-

gänglichkeit der in frage stehenden Webangebote

und anwendungen erreicht werden kann. ein ver-

such der Zuweisung von verantwortungsbereichen

für die beseitigung der zuvor als anwendungsbe-

dingt identifizierten barrieren wird in Kapitel 9 die-

ser Studie unternommen.

dargelegt,

3MethodiSche vorgehenSWeiSe

im folgenden Kapitel wird diemethodische Vorge-

hensweisederStudieWeb2.0barrierefreibeschrie-

ben1.MitdieserStudiewurdeerstmalsderVersuch

unternommen, ein umfassendes bild von der nut-

zungbestimmterinternetangebotedurchMenschen,

dievonverschiedenenbehinderungenbetroffensind,

zugewinnen.dazuwareserforderlich,fürdiedrei

verschiedeneninKapitel2beschriebenenelemente

dererhebungeinejeweilseigeneVorgehensweisezu

entwickeln, die insbesondere die bedarfe der Ziel-

gruppeberücksichtigt.

derqualitativeteilderStudieumfasstezweiaufei-

nanderaufbauendeelemente.imerstenSchrittwur-

denexplorativeGesprächemitexpertenfürdiever-

schiedenen behinderungsarten geführt. im zweiten

SchrittwurdenaufderGrundlageder erkenntnisse

aus diesen expertengesprächen Gruppeninterviews

mitbetroffenenMenschendurchgeführt.

denquantitativendrittenteilderStudiebildeteeine

barrierefreidurchgeführteonlinebefragung.derfra-

gebogendazuwurdebasierendaufdenerkenntnis-

senausdemqualitativenteilentwickelt.

1ImRahmenderStudiewerdendiefolgendenBegriffebenutzt:Angebote,Anwendungen,AnwendungsbereicheundFunktionen.Die VerwendungderBegriffeerfolgtinAnlehnungandenSprachgebrauchderARD/ZDF-Onlinestudie.DerenErgebnissesindunterande- remimArtikelvonMartinFisch/ChristophGescheidle„MitmachnetzWeb2.0:RegeBeteiligungnurinCommunitys“inderZeitschrift MediaPerspektiven(7/2008,S.356-364)veröffentlichtworden.MitdemBegriffdesAngebotsoderderAnwendungwerdenimInternet verfügbareWebangebotebezeichnet,zumBeispielVideocommunitiesoderSocialNetworkingSites.InnerhalbdieserAngebotekönnen durchdieNutzerverschiedeneFunktionenoderAnwendungsbereichegenutztwerden.FürAngebote,deneneingemeinsamesMuster vonähnlichenFunktionenundAnwendungsbereichenzugrundeliegt,wirdderBegriffdesAnwendungstypsverwendet.

23

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

3.1/expertengespräche

dieexpertengesprächederStudieWeb2.0barriere-

freiwurdenimZeitraumMitteJulibisMitteaugust

2007durchgeführt.insgesamtfandensechsGesprä-

chestatt,andenenzehnexpertinnenundexperten

teilgenommen haben. Jedes der Gespräche wurde

von zwei Wissenschaftlerinnen geführt und hatte

eine dauer von zweieinhalb bis drei Stunden. die

Gesprächspartner wurden aufgrund ihrer expertise

für die folgenden behinderungsarten eingeladen:

blindheit, Sehbeeinträchtigung, Schwerhörigkeit,

Gehörlosigkeit, Motorische beeinträchtigung, lern-

schwierigkeiten, Geistige behinderung. einige der

GesprächspartnerwarenselbstvonderimGespräch

behandelten behinderung betroffen. ein Überblick

überdieGesprächspartner,diesichalsexpertenzur

Verfügung stellten, ist in Kapitel 4, „Statistischer

Überblick“zufinden.

die expertengespräche dienten zunächst der erschlie-

ßung des forschungsgegenstandes und dem erkennt-

nisgewinn hinsichtlich der internetnutzung von Men-

schen mit behinderungen sowie mit blick auf deren

– möglicherweise behinderungsspezifisches – Kommu-

nikationsverhalten.

die gespräche folgten teilstandardisiert einem leit-

faden mit wenigen vorgaben und wurden so offen

geführt, dass die experten jeweils eigene impulse

einbringen konnten. Ziel war es zunächst, allgemeine

informationen zur nutzung des internet, insbesondere

hinsichtlich anwendungen des Web 2.0 und dabei auf-

tretende Schwierigkeiten für die jeweilige nutzergrup-

pe zu erfragen. darüber hinaus gaben die experten

auch weiterführende auskünfte z. b. zum Kommunika-

tionsverhalten, zu genutzten assistiven technologien

(online und offline), zu lebenslagen und zur berufli-

chen Situation von betroffenen. Schließlich waren die

auskünfte der expertinnen und experten für die orga-

nisatorische gestaltung und den ablauf der gruppen-

interviews wertvoll.

als wesentliche erkenntnisse für den weiteren verlauf

der erhebung und die durchführung der gruppeninter-

views wurden folgende punkte aus den expertenge-

sprächen festgehalten:

• FürdieAnalysedesNutzungsverhaltensvon

Internet und Web 2.0-Anwendungen durch

Menschenmit Behinderungen ist eswichtig,

derenallgemeinesKommunikationsverhalten

in Situationen nicht-technisch vermittelter

Kommunikationzuberücksichtigen.

• UmvergleichbareErgebnisseüberalleBehin-

dertengruppenhinwegzuerzielen,bedarfes

dervorherigenDefinitionderAnwendungsty-

pendesWeb2.0undderNutzungskontexte.

• EineweitereVoraussetzungfürdieGewinnung

vergleichbarerErkenntnisseistdieFestlegung

eineseinheitlichenmethodischenVorgehens,

das mit allen Behinderungsgruppen Anwen-

dungfindenkann.

die inhaltliche auswertung der expertengespräche er-

folgt in den Kapiteln fünf bis sieben.

24

3.2/Gruppeninterviews

die gruppeninterviews der Studie Web 2.0 barrierefrei

wurden im Zeitraum vom 6. September bis 16. oktober

2007 durchgeführt. voraussetzung für die teilnahme

an den gruppeninterviews war eine hohe internetaffi-

nität und nutzungskompetenz der probanden. die Zu-

sammensetzung der interviewgruppen war daher nicht

repräsentativ für die jeweilige behinderungsgruppe.

insgesamt fanden dreizehn interviews statt, an denen

57 interviewpartnerinnen und partner teilnahmen.

Zwölf der teilnehmenden personen waren weiblich,

fünfundvierzig personen männlich, die altersspan-

ne reichte von siebzehn bis dreiundfünfzig Jahren. Je

gruppe wurden zwei interviews geführt, für die grup-

pe der Sehbehinderten fand ein außerdem ein pilotin-

terview statt, in dem die methodische vorgehensweise

erprobt werden konnte2.

2EinedetaillierteDarstellungderGruppeninterviewsfindetsichimKapitel4StatistischerÜberblick

die interviewsituation stellte hohe anforderungen so-

wohl an die interviewerinnen als auch an die proban-

den. Zum einen war es notwendig, die erforderliche

strikte gesprächsführung einzuhalten und zugleich

den Überblick über die gruppensituation zu wahren

sowie alle teilnehmenden zu berücksichtigen. Seitens

der interviewten wurde die bereitschaft erwartet, sich

auf die interviewsituation in der gruppe einzulassen

und auskunft über persönliche nutzungsgewohnhei-

ten zu geben, zudem war eine ausdauernde Konzentra-

tionsleistung zu erbringen. für die gruppeninterviews

mit gehörlosen wurden gebärdensprachdolmetscher

einbezogen, die die gesprächsführung durch Über-

setzung unterstützten. für die gruppeninterviews

mit blinden und Sehbehinderten musste das gewähl-

te verfahren der visualisierung durch ein Schaubild

sprachlich umgesetzt und erläutert werden. Schließ-

lich bestand eine weitere herausforderung darin, sich

zunächst über die bedeutung der im interview ver-

wendeten begriffe, anwendungstypen und nutzungs-

szenarien zu verständigen. in der regel dauerten die

gruppeninterviews zweieinhalb bis drei Stunden. für

alle interviews erfolgte eine tonaufzeichnung des ge-

sprochenen Wortes.

Ziel der gruppeninterviews war der erkenntnisgewinn

über die nutzung von Web 2.0-anwendungen durch

Menschen mit behinderungen sowie über barrieren

bei der nutzung. darüber hinaus sollten anhand der

gruppeninterviews ausreichende erkenntnisse gewon-

nen werden für die sowohl inhaltlich als auch tech-

nisch barrierefreie durchführung der als dritter Schritt

der Studie geplanten onlinebefragung von Menschen

mit behinderungen.

Zur erreichung dieses Ziel wurde eine vorgehensweise

entwickelt, die im folgenden näher beschrieben wird.

die entscheidung zur durchführung von gruppeninter-

views basierte auf der annahme, dass das weite feld

der verschiedenen anwendungstypen des Web 2.0

nicht allen nutzerinnen und nutzern gleichermaßen

bekannt ist und insbesondere spezifische begrifflich-

keiten und bezeichnungen bisher nur wenig verbreitet

sind. diese annahme wurde durch die aussagen der

experten gestützt, die insbesondere darauf hinwie-

sen, dass der begriff Web 2.0 selbst kaum bekannt

sei und es schwierig werden könne, probandinnen und

probanden zu finden, wenn die Kenntnis von Web 2.0

als voraussetzung für die teilnahme an den gruppen-

25

interviews formuliert werde. in der folge wurden daher,

teilweise mit unterstützung durch die zuvor befragten

expertinnen und experten, Menschen mit behinde-

rungen zur teilnahme an den gruppeninterviews ein-

geladen, die über mehrjährige erfahrung im umgang

mit dem internet verfügen. in der atmosphäre eines

gruppeninterviews – so die weitere annahme – kön-

ne es gelingen, über anwendungstypen des Web 2.0

zu sprechen, die zwar von einzelnen nutzerinnen und

nutzern gelegentlich genutzt werden, aber nicht unter

ihrer eigentlichen bezeichnung bekannt sind.

für die behandlung in den gruppeninterviews wurden

die folgenden anwendungstypen definiert:

•Blogs/Vlogs

•Multi-User-Spiele

•Foren

•Chat

•Videokonferenzen

•Profil-undKontaktplattformen

•Webmail

•Wissensbörsen

•MedienspezifischeAustauschplattformen

•Podcasts(audioundvideo)

•Wikis

•Onlineoffice

•Kartenanwendungen/Routenplaner

•Info-WebseitenundPortale

•SocialBookmarking

•Mash-Ups

•E-Commerce

•Bewertungen/Ratings

da zu erwarten war, dass bei der fülle der zu behan-

delnden gegenstände die verfolgung eines leitfadens

durch das interview schwierig werden würde, wurde

entschieden, mit einer grafischen visualisierung der

anwendungstypen zu arbeiten und so schrittweise die

behandelten typen und ihre nutzung in der gruppe in

einem Schaubild festzuhalten, das in anlehnung an

das prinzip der MindMap gestaltet war. die nutzung

der oben genannten anwendungstypen wurde für die

folgenden drei nutzungsszenarien erfragt: interessen

verfolgen; Kontakte knüpfen und pflegen; handel, ge-

schäfte abschließen.

die anwendungstypen wurden in großer Schrifttype

und mit leicht wiedererkennbaren Symbolen oder bei-

spielhaften Markennamen – wie studivZ oder Wikipe-

dia – versehen im din a4-format ausgedruckt und den

probandinnen und probanden ausgehändigt. in den

gruppeninterviews mit blinden Menschen wurden die

anwendungstypen vorgelesen und anhand von bei-

spielen vorgestellt. anschließend wurden die proban-

den gebeten, jeweils pro nutzungskontext auskunft

zu geben zu den bekannten und genutzten anwen-

dungstypen, zu der art und Weise der nutzung und zu

Schwierigkeiten, die sie bei der nutzung erleben. die

antworten wurden inhaltlich entsprechend der nut-

zungskontexte und anwendungstypen geordnet. Wäh-

rend der befragung erstellte eine der interviewerinnen

das Schaubild, in dem nutzungslinien, barrieren und

nicht-nutzung festgehalten wurden. dies diente der

einhaltung der frage-abfolge und hielt gleichzeitig

die aufmerksamkeit der probanden am jeweils aktu-

ellen punkt der befragung. anwendungstypen, die der

gruppe nicht bekannt waren oder nicht genutzt wur-

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

26

KartenanwendungenRoutenplaner

Kontakte knüpfenund pflegen

Interessen verfolgen Handel; Geschäfteabschließen

MedienspezifischeAustauschplattformen

Audio Podcasts

Social Bookmarking

Online Office

Wikis Foren Web-Mail ChatBewertungen

RatingsE-Business

(Mulit-User)-Spiele

Blogs / Vlogs

Profil- undKontaktplattformen

Videokonferenzen

Mashups

Audio Podcasts

Video Podcasts

Wissensbörsen

Social Bookmarking

Social BookmarkingSocial BookmarkingSocial Bookmarking

Legende Anwendungsbedingte Barriere

Behinderungsbedingte Barriere

Individuelle Barriere

Nutzung

Nichtnutzung aufgrund bestehender Barrieren

Unbekannt und daher nicht besprochen

Nichtgenutzter Anwendungstyp(aufgrund von Barrieren)

ohne Linie

27

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

Abb.3-1:MindMapAachen,Gruppe1gehörloseNutzerinnenundNutzer–Fotodokumentation

Abb.3-2:MindMapAachen,Gruppe1gehörloseNutzerinnenundNutzer–grafischeDarstellung

den, wurden zunächst beiseite gelegt und nur dann

wieder berücksichtigt, wenn im verlauf des gesprächs

ein hinweis darauf erfolgte, dass der anwendungstyp

doch schon einmal von einem der probanden genutzt

worden war. dies war eher der fall bei unbekannten

anwendungen, die nur gelegentlich eine rolle bei der

Web 2.0 nutzung spielen oder als nebennutzung einer

anderen hauptanwendung in erscheinung treten (bsp.

Mash-ups).

für die in den gruppeninterviews behandelten nut-

zungsszenarien wurde mit den probanden erarbeitet,

welche der Web 2.0-anwendungen dabei zum einsatz

kommen. genutzte anwendungen wurden mit einer

durchgezogenen schwarzen linie markiert, aufgrund

bestehender barrieren nicht genutzte anwendungen

mit einer gepunkteten linie. diese linien wurden durch

farbige balken gekennzeichnet, um anwendungsbe-

dingte, behinderungsbedingte und individuelle bar-

rieren zu dokumentieren; die Stärke der querbalken

entspricht dabei der Massivität der barriere als hinde-

rungsgrund der nutzung.

das Schaubild wurde am ende des interviews foto-

grafisch festgehalten und zur auswertung grafisch

nachgebildet. So war es möglich, den verlauf des in-

terviews sowohl akustisch anhand der audiodatei der

tonaufzeichnung als auch optisch anhand des Schau-

bildes zu dokumentieren.

die erste auswertung der gruppeninterviews erfolgte

mittels eines codierverfahrens. dabei wurden die in-

haltlichen aussagen tabellarisch erfasst und entlang

der codierungen strukturiert. hierbei erfolgte gleich-

zeitig eine bewertung der anwendungstypen durch die

aussagen der gruppen entlang der codierungen nütz-

lichkeit, nutzungsverhalten (nutzung/nichtnutzung),

benutzbarkeit, Stimulation und Medienkompetenz

(hohe anforderungen/niedrige anforderungen). an-

schließend wurden vorläufige hypothesen formuliert,

die der vorbereitung der online-befragung dienten

und die basis bildeten für die verwendung von begrif-

fen und formulierung sowie die Struktur des fragen-

katalogs.

28

3.3/barrierefreie onlinebefragung

um das ausmaß von nutzungsbarrieren für behinderte

bei Web-2.0-angeboten zu messen, wurde eine online-

befragung durchgeführt. bei den expertengesprächen

und gruppeninterviews ging es zunächst um eine be-

schreibung der barrieren in der internetnutzung behin-

derter nutzer. Mit der onlinebefragung sollte der um-

fang dieser barrieren genauer gemessen werden.

3.3.1 derfraGeboGen

grundlage für den verwendeten fragebogen waren

die expertengespräche und gruppeninterviews. dort

wurde deutlich, dass sich die erlebten barrieren un-

terscheiden, je nachdem, welche art der behinderung

vorliegt, um welche art von Webangeboten es sich

handelt und mit welchem Ziel sie genutzt werden (Was

möchte man auf der Website machen?). ebenso lassen

sich unterschiede in der art der barrieren, die erfah-

ren werden, ausmachen (bedienungsschwierigkeiten,

Wahrnehmungs- und orientierungsprobleme, ver-

ständnisschwierigkeiten). Schließlich werden bei der

Webnutzung nicht nur barrieren erlebt, sondern auch

vorteile speziell für Menschen mit behinderungen.

auch diese sollten mit dem fragebogen erfasst werden.

in der befragung wurde als erstes die art der behin-

derung erfasst, hier waren Mehrfachnennungen für

mehrfach behinderte nutzer möglich. dann wurde

nach der häufigkeit der privaten und beruflichen inter-

netnutzung gefragt. nicht-behinderte Menschen und

sehr unregelmäßige internetnutzer („nutze das inter-

net so gut wie nie“) wurden von der befragung ausge-

schlossen, denn um behinderungsbedingte barrieren

aus eigener erfahrung schildern zu können, ist es nötig,

eine behinderung zu haben und über eine gute inter-

netkompetenz zu verfügen.

anschließend wurde erhoben, inwiefern assistive

technologien oder die hilfe anderer personen bei der

internetnutzung beansprucht werden. außerdem wur-

den erfasst: die bandbreite der genutzten internetver-

bindung und die einschätzung der leistungsfähigkeit

des verwendeten computers. So kann man sicherstel-

len, dass nutzungsbarrieren nicht auf gründe zurück-

zuführen sind, die nichts mit einer behinderung zu tun

haben (mangelnde leistungsfähigkeit des computers,

langsame internetverbindung).

um ein von konkreten fragen unverfälschtes bild von

den persönlich erlebten treibern und barrieren der in-

ternetnutzung zu erhalten, wurden den teilnehmenden

zunächst zwei offene fragen gestellt: „bitte denken

Sie einmal ganz grundsätzlich an das internet. Was

ist für Sie persönlich das beste am internet?“, „und

umgekehrt? Was ärgert oder stört Sie am internet am

meisten?“.

ebenso wurden die am häufigsten genutzten Websites

zunächst mit einer offenen frage erfasst. anschlie-

ßend wurde gezielt die nutzungshäufigkeit „des Web

2.0“ erfasst. dazu standen zwei unterschiedliche an-

sätze zur verfügung.

betrachtet man Web 2.0 als eine art und Weise, das

internet zu nutzen, stellt sich die frage, ob die teilneh-

mer aktiv am austausch im Web teilnehmen und ob sie

eigene inhalte veröffentlichen. dafür wurde das nut-

zungsverhalten im Web über eine liste von aussagen

(über passive, kommunizierende und aktiv partizipie-

rende nutzung3) des internets erfasst.

3StudieWeb2.0vonresultundSWR

29

Zur auswahl standen folgende aussagen:

1. AufWebseitensucheichnachAngebotenund

InformationenzumeinerBehinderung

2. AufWebseitensucheichInformationenzuan-

deren persönlichen Interessen, z.B. meinen

Hobbys

3. AufWebseitensucheichnachallgemeinenIn-

formationen

4. IchnutzeWebseiten,umFragenananderezu

stellen

5. IchnutzeWebseiten,umselberetwaszuver-

öffentlichen,z.B.Texte,FotosoderVideos

6. IchnutzeWebseiten,ummeineMeinungmit-

zuteilen,z.B.inKommentarfeldernoderForen

7. IchnutzeWebseiten,ummichmitLeutendie

ichkenne,auszutauschen

8. IchnutzeWebseiten,umneueLeutekennen-

zulernen

9. IchnutzeWebseitenzumEinkaufen

10. IchnutzeWebseitenzumSpielen

11. IchnutzeWebseiteneinfachzumZeitvertreib

undeherziellos

12. IchnutzeWebseitenfürdenBeruf

in einem zweiten ansatz kann man Web 2.0 auch über

bestimmte arten von Websites definieren, die dem be-

griff Web 2.0 zugeordnet werden.

Zur auswahl in diesem Sinne standen folgende Weban-

gebote:

1. Webseiten,aufdenenmanVideoclipshochla-

den,ansehenundsichmitanderendarüber

austauschenkann,wiez.B.YouTube,MyVideo

oderSevenload(sog.Videocommunitys)

2. Webseiten,aufdenenmanFotoshochladen,

ansehen und sichmit anderen darüber aus-

tauschenkann,wiez.B.flickroderPhotocase

(sog.Fotocommunitys)

3. Webseiten,aufdenenmaneineigenesProfil

anlegtundsichmitanderenNutzernaustau-

schenkann,wiez.B.MySpace,XingoderStu-

diVZ(sog.SocialNetworkingSites)

4. WeblogsoderBlogs

5. Podcasts

6. Foren

7. Chat

8. Internetversandhäuser,wiez.B.Amazon

9. Internetauktionshäuser,wiez.B.eBay

10. WikipediaoderandereWiki-Webseiten

11. Messenger,wiez.B.ICQ,MSN-Messenger

12. Kontakt- undDatingportale,wie z.B. neu.de

oderparship.de

um auszuschließen, dass die nutzer über unbekannte

Websitetypen befragt werden, wurde zunächst nach

der bekanntheit verschiedener Webangebote gefragt

und die folgenden fragen nur gestellt, wenn das ent-

sprechende angebot bekannt war.

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

30

für alle Webangebote, die bekannt waren, wurde nach

verschiedenen arten der nutzung gefragt (Web2.0-op-

tionen). hier wurde zunächst gefragt, ob die entspre-

chende tätigkeit bekannt ist. Zur auswahl standen

folgende tätigkeiten:

1. Webseitenansehen

2. Weblogslesen

3. Weblogeinträgeschreiben

4. WikipediaoderandereWiki-Webseitenlesen

5. Bei Wikipedia oder anderen Wiki-Webseiten

etwasschreibenoderkommentieren

6. VideosoderVideoclipsansehen

7. EigeneVideoshochladen/veröffentlichen

8. Videos von einer Videocommunity wie z.B.

YouTube oder Sevenload in einer Webseite

einbetten

9. Fotosansehen

10. EigeneBilderhochladen/veröffentlichen

11. FotosvoneinerFotocommunity,wiez.B.flickr

oderPhotocaseineinerWebseiteeinbetten

12. Podcastsherunterladen/anhören

13. Podcastsproduzieren/veröffentlichen

14. KommentareinKommentarfelderschreiben

15. SichalsBenutzeraufeinerWebseiteregistrie-

ren

16. Ein eigenes Nutzerprofil auf einer Webseite

anlegenundbearbeiten

17. Eine eigene Webseite betreiben/veröffentli-

chen

18. AndereWebseitenverlinken

19. SocialBookmarkssetzen,z.B.beidel.icio.us

oderMr.Wong

20. Freunde und Kontakte auf Seiten wie XING,

MySpace oder StudiVZ (sog. Social Networ-

kingSites)hinzufügen

anschließend wurde gefragt, ob zumindest schon ein-

mal versucht wurde, die bekannte funktion zu nutzen.

(„bitte geben Sie nun an, welche dieser dinge Sie tun

oder zumindest schon einmal versucht haben, zu tun.“).

der einmalige nutzungsversuch war ausreichend für

eine weitere frage nach erlebten barrieren in diesem

Zusammenhang. dazu wurde folgende fragestellung

verwendet: „bitte kreuzen Sie nun an, bei welchen

dieser tätigkeiten im Zusammenhang mit ihrer behin-

derung probleme aufgetreten sind.“

Jede genannte barriere wurde dann genauer untersucht.

neben einer offenen frage („Können Sie die probleme

bitte näher erläutern?“) sollte jede nutzungsbarriere

nach folgendem Schema spezifiziert werden: „Welche

behinderungsbedingten Schwierigkeiten haben Sie bei

dieser tätigkeit erlebt?“

1. nichtbedienbar

2. nichtwahrnehmbar

3. nichtverständlich

4. konntemichnichtorientieren

um neben den barrieren der Web-2.0-nutzung gegen-

überstellend auch besondere vorteile in der nutzung

von Web 2.0 für behinderte zu erfassen, konnten die

befragten folgenden aussagen abgestuft zustimmen

oder sie ablehnen:

• „Das Internet gleicht behinderungsbedingte

Beeinträchtigungenaus.“

• „MitdemInternetkannichmicheinfachermit

anderenaustauschen.“

• „MitdemInternetkannichmichintensivermit

anderenaustauschen.“

• „MitdemInternetkannichmichoffener/ehrli-

chermitanderenaustauschen.“

• „MitdemInternetkannichmichmitmehreren

Leutengleichzeitigaustauschenundnichtnur

miteinerPerson.“

• „ImInterneterlebeichwenigerVorurteile.“

• „MitdemInternetkannichmeineInformatio-

nenbesondersvielenMenschenzurVerfügung

stellen.“

• „MitdemInternetkannichPersonenerreichen,

dieichsonstnichterreichenkönnte.“

• „MitdemInternetkannichandereDinge(In-

halte)vermitteln,dieichsonstnichtvermitteln

könnte.“

abschließend wurde konkret nach bekanntheit und

verständnis des begriffes „Web 2.0“ gefragt.

31

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

Abb.3-3:ScreenshotderbarrierefreienOnlinebefragung–Vorschaltseite

angesichts der unterschiedlich starken beteiligung der

verschiedenen nutzergruppen an der befragung und

dem jeweils unterschiedlichem verhalten hinsichtlich

der nutzung der im fragebogen behandelten anwen-

dungen bestand eine Schwierigkeit bei der auswer-

tung der onlinebefragung darin, einen vergleich hin-

sichtlich des umfangs der barrieren für die einzelnen

behindertengruppen zu ermöglichen. dazu war es er-

forderlich, aus den angaben zur nutzung bzw. versuch-

ten nutzung und den angaben zu erlebten barrieren

einen Wert zu bilden, der als vergleichmaßstab dienen

kann. die sogenannte problemquote ermöglicht einen

derartigen vergleich. die problemquote stellt den quo-

tienten aus problemen und nutzung/versuchter nut-

zung dar. es handelt sich dabei um die berechnung der

zu erwartenden problemhäufigkeit bei der nutzung

der jeweiligen anwendung. die anwendung der prob-

lemquote für die ermittlung der barrieren im vergleich

der behindertengruppen erfolgt detailliert in den Kapi-

teln sechs bis neun.

3.3.2 die barrierefreie durCHfÜHrunG der

onlinebefraGunG

um in einer onlinebefragung unter Menschen mit be-

hinderungen deren barrieren der Web-2.0-nutzung er-

fassen zu können, muss die befragung selber barriere-

frei realisiert werden.

die für die befragung benötigten formulare sollten

für alle behinderungsgruppen in ihrer natürlichen

Wahrnehmungs- und ausdrucksform nutzbar sein. um

dieses Ziel zu erreichen, musste die umfrage so konzi-

piert werden, dass teilnehmer mit unterschiedlichsten

behinderungen und mit hilfe verschiedener hilfsmittel

in der lage waren, die umfrage wahrzunehmen, zu

bedienen und zu verstehen. dazu gehörte auch, dass

sämtliche inhalte sowohl in deutscher gebärdenspra-

che (dgS) als auch in leichter Sprache (lS) in die

umfrageseiten integriert waren. die aktion Mensch

startete somit die erste wirklich barrierefreie online-

umfrage unter Menschen mit behinderungen.

32

neben den ergebnissen, die in die neufassung der

biene-Kriterien für 2008 eingearbeitet wurden, hat die

befragung schon während ihrer erarbeitung eine viel-

zahl von hinweisen gegeben. Sie zeigte, wie behinder-

te nutzer mit komplexen formularen umgehen und wo

barrieren in der praktischen anwendung bestehen, die

durch keine richtlinie abgedeckt sind. Sie zeigte aber

auch, dass barrierefreie formulare weiterhin pionierar-

beit sind, da die Marktforschung nicht auf die anforde-

rungen an barrierefreie umfragen vorbereitet ist und

die auf dem Markt verfügbaren Werkzeuge teilweise

unbrauchbaren code produzieren.

Konzeptionelle Schwierigkeiten einer barrierefreien

umfrage

lange bearbeitungszeiten: Weil anzunehmen war,

dass die bearbeitungszeit des fragebogens durch die

verwendung assistiver technologien wie Screenreader

oder braillezeile sowie durch kognitive beeinträchti-

gungen der teilnehmer stark erhöht sein würde, war

es notwendig, dass die teilnehmer die befragung

unterbrechen und wieder aufnehmen konnten. daher

begann der fragebogen mit einer vorschaltseite mit

der Möglichkeit, sich einen automatisiert erstellten in-

dividuellen Zugangslink anzufordern. Über diesen link

konnte die befragung unterbrochen und wieder aufge-

nommen werden.

einfacheSprache: um für Menschen mit lese-/ recht-

schreibschwächen, lernbehinderung und geistiger

behinderung verwendbar zu sein, mussten alle fra-

gen möglichst einfach formuliert werden. bei einem

fragebogen, in dem es um internet und Web 2.0 geht,

stößt man hier bei der verwendung sachlich korrekter

begriffe schnell an die grenzen der vorgabe, fremd-

worte zu vermeiden. Wo möglich wurde versucht, um-

schreibungen und erläuterungen zu verwenden. der

fragebogen wurde zur Überprüfung der verständlich-

keit vom fachlichen beirat des biene-Wettbewerbs

kontrolliert und freigegeben.

eine weitere Übersetzung in die sog. leichte Sprache4

war aus Sicht der Marktforscher nicht möglich: die

antworten wären aufgrund der nötigen vereinfachung

nicht mehr mit den antworten aus der allgemeinen be-

fragung zusammenzuführen gewesen – der nachweis,

dass alle nutzer tatsächlich auch dieselben fragen

gestellt bekamen und beantwortet haben, wäre also

unmöglich gewesen.

um Menschen mit kognitiven behinderungen und le-

seschwächen trotzdem die teilnahme an der umfrage

zu erleichtern, wurden sämtliche fragen und antwor-

ten mittels einer Sprachsynthese in audio-dateien um-

gewandelt, die in die befragung integriert wurden. So

konnten sich nutzer nach entsprechender vorauswahl

den gesamten text der umfrage im browserfenster

vorlesen lassen. der aufwand für die erstellung der

insgesamt 174 audio-dateien ist zu vernachlässigen,

da sich dies mit einer geeigneten Software für die

Sprachsynthese weitestgehend automatisieren lässt.

der eigentliche aufwand bestand eher in der hierdurch

notwendig gewordenen erweiterung des verwendeten

umfrage-Systems, dass diese funktionalität nicht vor-

gesehen hatte.

ansprache von verschiedenen Sinnesmodalitäten:

dies ist eine ganz zentrale anforderung, wenn die

befragung für Menschen mit unterschiedlichen arten

sensorischer behinderungen (Sehbehinderungen, hör-

behinderungen) zugänglich sein soll. die fragen- und

antwort-texte des fragebogens wurden dafür in ge-

bärdensprache übersetzt und als videos hinterlegt,

die den fragen und antworten unmittelbar zugeordnet

waren. hierbei ergab sich das problem, dass aus me-

thodischen gründen keine festgelegte abfolge der fra-

gen definierbar war, da je nach vorherigen antworten

eine filterung der folgenden fragestellungen notwen-

dig war (z.b. wurden benutzer nicht weiter zu angebo-

ten befragt, die sie vorher mit “kenne ich nicht“ beant-

wortet hatten). hinzu kam, dass die antwort-optionen

rotiert werden sollten, da bei solchen umfragen zu be-

obachten ist, dass in längeren listen von optionen die

ersten drei sowie die letzten drei am häufigsten aus-

gewählt werden. da somit keine feste choreographie

des ablaufes definierbar war, musste für jede einzelne

frage und sämtliche antwortoptionen ein eigener kur-

zer film erstellt werden.4http://www.inclusion-europe.org/documents/101.pdf

33

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

Abb.3-4:ScreenshotderbarrierefreienOnlinebefragung–SelbständigeNutzung

Abb.3-5:ScreenshotderbarrierefreienOnlinebefragung–Gebärdensprachvideo

im gegensatz zu den o.g. audio-dateien wurde wegen

zu erwartender akzeptanz-probleme auf die syntheti-

sche darstellung der gebärden mittels avatar verzich-

tet, stattdessen wurden die gebärdensprach-videos

mit gehörlosen Muttersprachlern der gebärdenspra-

che im Studio aufgenommen. bei einer anzahl von

174 filmen bedeutete dies einen erheblichen aufwand,

zumal redaktionelle Änderungen in letzter Minute be-

deuteten, dass ganze filme neu aufgenommen werden

mussten.

34

Abb.3-6:ScreenshotderbarrierefreienOnlinebefragung–TabellarischeAntwortauswahl

nutzbarkeit des fragebogens mit Hilfsmitteln: eine

weitere wichtige anforderung für die barrierefreie

gestaltung einer Website ist die Möglichkeit, sie mit

assistiven technologien wie z.b. Screenreadern aus-

zulesen. dies betrifft in erster linie die einhaltung

von Konventionen im Markup der anwendung (htMl),

es hat aber auch unmittelbare auswirkungen auf die

inhaltliche gestaltung des fragebogens. bei langen

itembatterien werden bei onlinebefragungen üblicher-

weise Matrix-fragen verwendet: tabellen, bei denen in

Zeilen die einzelnen antwort-items (z.b. verschiedene

typen von Websites) stehen und in den Spalten die ant-

wortmöglichkeiten (z.b. eine Skala mit ausprägungen

von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“). diese kompakte

darstellung hat für sehende nutzer den vorteil, dass

man einen schnellen Überblick über die frage erhält

und redundanzen spart (immer wieder dieselbe frage

stellen, immer wieder die gleiche Skala nennen).

Wie sich in pre-tests mit blinden nutzern anhand eines

Musters herausstellte, sind tabellarische Matrixfragen

für die orientierung mittels Screenreader ab einer ge-

wissen Komplexität ungeeignet. So stellte sich in den

tests heraus, dass Screenreader-nutzer teils mehr als

45 Minuten für die umfrage brauchten (zum vergleich:

die nutzer einer nicht-sehbehinderten Kontrollgruppe

bewältigten die aufgabe im Schnitt nach ca. 20 Minu-

ten).

die umsetzung war demnach zwar auf der rein techni-

schen ebene zugänglich, da alle testpersonen die auf-

gabe, wenn auch mit unzumutbarer dauer, zumindest

theoretisch bewältigen konnten. eine Strukturierung,

mit der Screenreader-nutzer aufgrund der komplexen

anforderungen an die orientierung mehr als doppelt

so lange brauchen, kann jedoch als unzumutbar und

damit als nicht barrierefrei angesehen werden. Man

kann sicher davon ausgehen, dass dieser umfang un-

nötig viele abbrüche provoziert hätte; verwertbare

aussagen bekommt man aber nur aus fragebögen, die

möglichst vollständig ausgefüllt sind.

daher musste bereits in der Konzeption des fragebo-

gens auf eine spätere umsetzung der fragen als ein-

zelfragen geachtet und die Matrix in einzelne fragen

aufgelöst werden, die nacheinander abzuarbeiten sind.

auch wenn dies in der anzahl mehr bildschirmseiten

bedeutete, so pendelte sich die gemessene Zeit bei

den Screenreader-nutzern nach der umstrukturierung

bei ca. einer halben Stunde ein.

abbildunGdererKenntniSSeauSdeMPre-teSt

das größte problem in der umsetzung der barriere-

freien online-umfrage entstand, als alle diese zuvor

genannten bedürfnisse in Konzeption, design und

technischer umsetzung zusammengeführt und gleich-

rangig berücksichtigt werden mussten. hier zeigte sich

35

StudieWeb2.0/barrierefrei/MetHodiSCHeVorGeHenSWeiSe

schnell, dass das grundlegende prinzip der barriere-

freiheit, allen nutzern gleichberechtigt den Zugang zu

ein und demselben inhalt zu ermöglichen, in fällen wie

diesem an seine grenzen stößt.

Abb.3-7:ScreenshotderbarrierefreienOnlinebefragung–AuswahlderverschiedenenNutzungsmöglichkeiten

an einem konkreten beispiel lassen sich diese Schwie-

rigkeiten gut illustrieren: die audio- und video-dateien

wurden mit einem verbreiteten Medien-player auf ba-

sis von flash in die Seiten eingebettet. um den nut-

zern die Zuordnung zu ermöglichen, mussten diese in

unmittelbarer nähe der betreffenden fragen und ant-

worten platziert werden. da diese zum überwiegenden

teil htMl-formularelemente beinhalteten (textfelder,

radiobuttons, checkboxen etc.), wurden flash-datei-

en von verbreiteten Screenreadern wie bestandteile

des formulars behandelt und dementsprechend mit

vorgelesen.

die dgS-filme und audio-dateien sollten zudem auch

für tastaturnutzer (z.b. mit motorischer behinderung)

zugänglich sein – womit sie automatisch auch für

Screenreader »vorhanden« sind, da sich Screenreader-

nutzer in der regel ebenfalls per tastatur durch eine

Seite bzw. durch ein formular bewegen. neben der

ohnehin schon schwierigen orientierung in komplexen

formularen kam hierdurch für Screenreader-nutzer

noch der erschwerende umstand hinzu, dass viele un-

sinnige oder redundante informationen mehrfach aus-

gegeben wurden, weil man solche flash-files nicht ef-

fektiv vor Screenreadern verstecken kann, ohne dass

sie für alle nutzer unbedienbar oder sogar unsichtbar

sind. die einzige Möglichkeit für ein gemeinsames

angebot ohne unterschiedliche handlungsstränge für

blinde, gehörlose und lernbehinderte nutzer wäre ge-

wesen, die gesamte umfrage als einen einzigen flash-

film zu implementieren – in diesem falle hätte das ver-

stecken von audio- und video-daten vor den nutzern

von Screenreadern funktioniert.

allerdings hätte die umfrage dann vor einem akzep-

tanzproblem gestanden: insbesondere Screenreader-

nutzer lernen tagtäglich im netz, das flash-dateien

unzugänglich für die verwendeten hilfsmittel sind,

wenn von den anbietern (und das ist die regel) nicht

auf barrierefreiheit geachtet wird. es ist anzunehmen,

dass eine rein flash-basierte umfrage in der Summe

sicher weniger verwertbare ergebnisse produziert

hätte. daher blieb als einzige Möglichkeit, separate

umfragen für gehörlose, blinde, Menschen mit lese-

schwächen und alle anderen anzubieten – was dem

grundgedanken der barrierefreiheit – ein gemeinsam

nutzbares angebot für alle – diametral zuwiderläuft.

in absprache mit dem fachlichen beirat des biene-

Wettbewerbs wurde nach intensiver diskussion be-

schlossen, von diesem grundsatz abzuweichen und

die umfrage so aufzuteilen, dass unterschiedlichste

nutzer-bedürfnisse abgefangen werden konnten, ohne

dass diese sich konterkarierten.

4StatiStiScher ÜberblicKderGesamterhebungszeitraumderStudieWeb2.0barrierefreierstrecktesichvonMitteJuli2007bisfebruar2008.

37

StudieWeb2.0/barrierefrei/StatiStiSCHerÜberbliCK

4.1/teilnehmerandenbeidenqualitativenElementenderStudie

im Zeitraum Mitte Juli bis Mitte august 2007 wurden sechs expertengespräche der Studie Web 2.0 barrierefrei

durchgeführt. insgesamt nahmen zehn expertinnen und experten teil, die über die folgenden behinderungsarten

auskunft geben konnten: blindheit, Sehbeeinträchtigung, Schwerhörigkeit, gehörlosigkeit, Motorische beein-

trächtigung, lernschwierigkeiten, geistige behinderung.

die folgende tabelle gibt einen Überblick über die expertinnen und experten, die befragt wurden.

Tab.4-1:ExpertenfürInternetnutzungundBehinderungnachBehinderungsart

NameundFunktionenderExpertenundBehinderungsart Expertin/ExperteineigenerSache

Sehbehinderung

Karsten Warnke, projektkoordinator biK (barrierefrei informieren und

kommunizieren, ein gemeinschaftsprojekt des dbSv, dvbS und der diaS

gmbh)

Ja

thomas Mayer, zuständig für beratung und prüfung, testentwicklung beim

projekt biK (barrierefrei informieren und kommunizieren)

nein

Blindheit

carsten albrecht, zuständig für die entwicklung und durchführung von

hilfsmitteltests, Zusammenarbeit mit testpartnern und die Zusammenar-

beit mit anwendern bei incobS (- informationspool computerhilfsmittel

für blinde und Sehbehinderte), und Mitglied der fachgruppe für elektroni-

sche hilfsmittel (dbSv)

Ja

thomas Mayer, zuständig für beratung und prüfung, testentwicklung beim

projekt biK (barrierefrei informieren und kommunizieren)

Gehörlosigkeit

ralph raule, gebärdenwerk Ja

Schwerhörigkeit

Matthias Schröder, informatiker Ja

andré Munk-Wendland, deutscher Schwerhörigenbund e. v. (dSb), referat

Öffentlichkeitsarbeit und internet

Ja

MotorischeBeeinträchtigung

christian bayerlein, http://thalon.de/freier Web- und Software-entwickler

und berater im Zentrum für selbstbestimmtes leben behinderter Menschen

Mainz e.v. (für Koblenz), seit november 2009 behindertenbeauftragter in

Koblenz.

Ja

Lernschwierigkeiten

dr. Katja de bragança, redaktion der Zeitung „ohrenkuss“ nein

Simon brukner, Schulungsleiter computerkurse beim Martinsclub bremen

e.v.

nein

nina Marquardt, Schulungsleiterin computerkurse beim Martinsclub bre-

men e.v.

nein

38

vom 6. September bis 16. oktober 2007 wurden die gruppeninterviews der Studie Web 2.0 barrierefrei durchge-führt, an denen insgesamt 57 probanden teilnahmen. nach einem pilotinterview mit einer gruppe von sehbehin-derten Schülern einer handelsschule wurden jeweils zwei interviews mit betroffenen folgender behinderungsar-ten durchgeführt: blindheit, Sehbeeinträchtigung, Schwerhörigkeit, gehörlosigkeit, Motorische beeinträchtigung, lernschwierigkeiten.

einen detaillierten Überblick über alterstruktur und geschlecht, interneterfahrung, art der behinderung und ggf. genutzte assistive technologien sowie die größe der gruppen, geben die folgenden tabellarischen Übersichten.

Tab.4-2:ÜberblicküberdiestatistischenDatenderProbandenunddieInterviewsituation

derGruppeninterviews0bis5.

Interview0(Pilot) Interview1 Interview2 Interview3 Interview4 Interview5

AnzahlN 4 5 4 13 6 4

Geschlecht 4 M 4 M1 W

4 M 2 W11 M

2 W4 M

4 M

Alter 3: 19/20 Jahre1: n.b.1

28-52 Jahre 3: 19-26 Jahre1: n.b.

9: 17-20 Jahre4: n.b.

5: 27-41 Jahre1: n.b.

4: 20-35 Jahre

Beruf/Bildung 4 Schüler handels-schule

1 Student/in4 berufstätige

3 auszubildende1: n.b.

13 Schüler handels-schule

5 berufstätige1 Student/in

2 auszubildende z. informatikkaufmann1 berufstätig; 1: n.b.

Behinderungseit.. 2 seit geburt1 später; 1: n.b.

3 seit geburt1 später1: n.b.

3 seit geburt1: n.b.

4 seit geburt5 später; 4: n.b.

3 seit geburt2 später; 1: n.b.

2 seit geburt2 später

AssistiveTechnologi-en/Hilfen2

2 vergrößerungssoft-waretw. handlupe

tw.Handlupe 1 vergrößerungs-software

1 vergrößerungssoft-ware

1 Screenreader2 Spracheingabe1 Spezialtastatur1 Spezialmaus1 Kopfmaussteuerung

3 vergrößerungssoft-ware2 Screenreader1 Spezialtastatur

1 Spracheingabe1 Spezialtastatur1 Spezialmaus

3 vergrößerungssoft-ware

Interneterfahrung 2 täglich1 wöchentl. 1: n.b.

5 täglich 3 täglich1: eigene homepage

8 täglich1 wöchentl. 4: n.b.

5 täglich1:n.b.

4 täglich

Behinderung Sehbehinderung1 = quasi nicht (mehr) beeinträchtigt

5 gehörlosigkeit 1 Sehbehinderung

4 motorische beein-trächtigungen

13 Sehbehinderung2 zusätzl. nystagmus

6 gehörlosigkeit 4 Sehbehinderung1 zusätzl. nystagmus

OrtundZeit 06.09.07 hamburg 11.09.07 aachen 19.09.07 bremen 20.09.07 hamburg 21.09.07 hamburg 26.09.07 Marburg

39

StudieWeb2.0/barrierefrei/StatiStiSCHerÜberbliCK

Tab.4-3:ÜberblicküberdiestatistischenDatenderProbandenunddieInterviewsituation

derGruppeninterviews6bis12

Interview6 Interview7 Interview8 Interview9 Interview10 Interview11 Interview12

AnzahlN 5 2 4 3 1 1 4

Geschlecht 4 M1 W

1 M1 W

2 M2 W

2 M1 W

1 M 1 M 2 M2 W

Alter 20-33 Jahre 41-47 Jahre 18-21 Jahre 25-36 Jahre 53 Jahre 43 Jahre 4: n.b.

Beruf/Bildung 5 auszubildende 2 berufstätige (geschützt)3

4 auszubildende 2 Student/in1 berufstätig

1 berufstätig / 4: n.b.

Behinderungseit.. 3 seit geburt2 später

2 seit geburt 2 seit geburt2 später

1 seit geburt2 später

1 seit geburt 1 seit geburt 4: n.b.

AssistiveTechnolo-gien/Hilfen

5 Screenreader4 braillezeile

1 Spezialtastatur, 1 trackball zur Mauseingabe

/ / ScreenreaderbraillezeileSpracheingabe

ScreenreaderSpracheingabe

4: n.b.

Interneterfahrung 5 täglich 2 täglich 1 täglich1 wöchentlich1 monatlich1 seltener

3 täglich täglich täglich 3 computer-anfänger(kurs)1 fortgeschrit-tenenkurs 1 eigener pc2 Kurs-pc 1 internetcafé

Behinderung 5 blindheit 2 lernschwierig-keiten1 motorische beeinträchtigung

4 Schwerhörigkeit 3 Schwerhörigkeit blindheit motorische beein-trächtigung

4 lernschwierig-keiten1 gehörlosigkeit

OrtundZeit 26.09.07 Marburg 27.09.07 Kassel 01.10.07 husum 11.10. berlin 12.10.07 berlin 19.10.07 bremen 19.10.07 bremen

1Nichtbekannt2AufzählungnachNennung,MehrfachnennungeneinerPersonmöglich3DiehieraufgeführtenBefragtenarbeitenineinersogenannten„geschütztenWerkstatt“.

40

4.2/teilnehmerder onlinebefragung

an der onlinebefragung nahmen insgesamt n=671

Menschen teil, davon waren 293 weiblich und 378

männlich. die verteilung hinsichtlich der altersgrup-

pen weist einen deutlichen Schwerpunkt der teilneh-

menden zwischen 20 und 49 Jahren auf. dies entspricht

der erwartung, da im Wesentlichen nutzerinnen und

nutzer mit einer hohen internetaffinität und nach

Möglichkeit mehrjährigen erfahrungen im umgang mit

computer und internet als probanden in frage kamen.

die folgende tabelle gibt einen vollständigen Über-

blick über die altersverteilung.

Tab.4-4: Altersstruktur der Teilnehmenden an der

Onlinebefragung

Altersgruppe AnzahlderProbanden

14bis19Jahre 26

20bis29Jahre 159

30bis39Jahre 191

40bis49Jahre 151

50bis59Jahre 95

60bis69Jahre 42

70Jahreundälter 7

von den befragten gaben 82 personen an, durch eine

Mehrfachbehinderung eingeschränkt zu sein, 589 per-

sonen nannten eine art der behinderung. die Zugehö-

rigkeit zu den behinderungsarten ist wie folgt aufzu-

schlüsseln:

Tab.4-5: BehinderungsartenderTeilnehmendenan

derOnlinebefragung

ArtderBehinderung* AnzahlderProbanden

Sehbehinderte 133

Blinde 124

Hörgeschädigte 96

Gehörlose 260

MotorischBehinderte 75

Lese-Rechtschreib-Schwäche(LRS) 41

Lernbehinderung(LB) 35

GeistigeBehinderung(GB) 13

* WegenmöglicherMehrfachbehinderungenwarenMehrfachnen-

nungenmöglich.

für die Stichprobenziehung stand keine datenbasis zur

verfügung, die man als „grundgesamtheit der deut-

schen behinderten“ bezeichnen könnte. die rekrutie-

rung erfolgte über banner auf Webseiten für behinder-

te oder im bereich der Wohlfahrtspflege und sozialer

organisationen (z. b. www.taubenschlag.de, www.

dbsv.de, www.der-paritaetische.de, www.familienrat-

geber.de), über informationen auf Mailinglisten und

über pressemeldungen, so dass die Stichprobe nicht

als repräsentativ für die grundgesamtheit der behin-

derten deutschen internetnutzer angesehen werden kann.

41

tatsächlich weist die gesamtstichprobe mit n=260

befragten einen sehr großen anteil an gehörlosen

personen auf. eine pauschale aussage im Sinne von

„behinderte erfahren folgende barrieren im Web 2.0“

ist also auf basis dieser befragung nicht möglich. da-

rüber hinaus weist die Stichprobe als folge der rek-

rutierungsart und der Steuerung der onlinebefragung

einen überdurchschnittlich hohen anteil von technisch

gut ausgestatteten, regelmäßigen internetnutzern auf.

folgerichtig werden die ergebnisse für unterschiedli-

che behinderungsarten getrennt betrachtet.

Mit einer nutzungsintensität von durchschnittlich 6,5

tagen je Woche weisen die probandinnen und proban-

den eine hohe internetaffinität auf. Zugleich sind die

technische ausstattung und der von den befragten

genutzte internetanschluss als überdurchschnittlich

gut einzuschätzen. 89 % der befragten verfügen über

einen dSl-Zugang, 85 prozent äußerten sich zufrieden

mit der leistungsfähigkeit des eigenen computers.

Sowohl die gute ausstattung als auch die hohe nut-

zungsintensität galten bereits im vorfeld der Studie

als voraussetzung für den angestrebten erkenntnisge-

winn hinsichtlich der barrieren im Web 2.0. es wurde

daher bewusst in Kauf genommen, dass die gewählte

Stichprobe weder als repräsentativ für die behinder-

ten internetnutzer in deutschland gelten kann, noch

ein vergleich mit der grundgesamtheit der deutschen

internetnutzer, wie sie z. b. der ard/Zdf-onlinestudie

zugrunde liegt, zulässig ist. die erwünschte hohe

Webaffinität und technisch gute ausstattung der be-

fragten verhindert, dass hindernisse als barrieren be-

schrieben werden, die auf unerfahrenheit im umgang

mit dem internet oder technische Mängel zurückzufüh-

ren sind. die tatsächlich identifizierten barrieren erhal-

ten so ein noch höheres gewicht.

in den folgenden Kapiteln werden die ergebnisse aus

den qualitativen teilen der Studie (expertengesprä-

che und gruppeninterviews) in beziehung gesetzt zu

den ergebnissen aus dem quantitativen erhebungsteil.

aussagen aus den expertengesprächen und grup-

peninterviews werden überwiegend nicht wörtlich,

sondern zusammenfassend und sinngemäß wieder-

gegeben. Zitate aus dem quantitativen teil der Studie

werden unbearbeitet so wiedergegeben, wie sie im on-

linefragebogen erfasst wurden.

StudieWeb2.0/barrierefrei/StatiStiSCHerÜberbliCK

5nutZungSprofile derbefragten nutZergruppenindiesemKapitelwirdzunächsteinÜberblicküberdieinderquantitativenbefragungderStudieWeb2.0barrierefrei

erfasstennutzergruppenundderennutzungsprofilegegeben.ausdenhohenbzw.niedrigennutzerratenbezogenaufdie

erfragtennutzungstypenwirdjeweilsderStellenwerteineranwendungfürdienutzergruppeabgeleitet.darüberhinaus

werdenaberauchbesondersgeringenutzerratendiskutiert,sodassfürjededererfasstenundbefragtennutzergruppen

eineZusammenfassungderbesonderheiteniminternetumgangangegebenwird.

indennachfolgendenKapitelnwerdendannbesonders interessantePhänomene,diebeiderauswertungderStudie

beobachtetwurden,diskutiert.

43

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

5.1/nutzerraten,MotivationundWahrnehmungdesInternet

die folgende tabelle stellt die nutzerraten pro anwendungsbereich und funktion für die einzelnen nutzergruppen

gegenüber, um im folgenden die auffälligkeiten und besonderheiten in den einzelnen nutzergruppen beleuchten

zu können.

Tab.5-1:GegenüberstellungderNutzerraten

Funktion/Anwen-dungsbereich

AngabenzurNutzungjeNutzergruppe(totaln=6711)

Sehbehin-dertn=133

blindn=124

Schwerhörign=96

gehörlosn=260

Motorisch behindertn=75

lrSn=41

lb/gbn=46

Wikislesen 79% 85% 68% 61% 84% 59% 63%

AlsBenutzerregis-trieren

75% 80% 53% 36% 71% 34% 41%

Fotosansehen 70% 8% 60% 60% 65% 68% 57%

Videosansehen 61% 32% 55% 47% 57% 56% 35%

Kommentareschrei-ben

59% 60% 44% 28% 57% 32% 37%

Weblogslesen 51% 41% 35% 32% 47% 37% 37%

Fotosveröffentli-chen

49% 19% 45% 40% 36% 29% 30%

Nutzerprofilbear-beiten

56% 48% 31% 23% 45% 27% 28%

Webseitenverlin-ken

42% 35% 34% 30% 41% 29% 30%

EigeneWebseitebetreiben

41% 30% 28% 23% 35% 24% 30%

Podcastshören 42% 60% 18% 3% 28% 20% 22%

FreundeinSNShinzufügen

29% 15% 23% 17% 24% 24% 20%

Weblogeinträgeschreiben

26% 17% 25% 13% 21% 20% 20%

Wikisschreibenoderkommentieren

32% 17% 18% 12% 21% 24% 17%

Videosveröffentli-chen

17% 2% 19% 18% 9% 10% 13%

Fotoseinbetten 16% 1% 11% 13% 9% 10% 13%

Videoseinbetten 16% 4% 16% 12% 7% 10% 9%

SocialBookmar-king

12% 2% 9% 5% 5% 10% 7%

Podcastsveröffent-lichen

7% 6% 5% 1% 3% 2% 2%

1Die

Ges

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44

die gründe für die nutzung des internet sind vielfältig. einige behindertengruppen weisen Ähnlichkeiten hinsicht-

lich der Motivation zur nutzung auf; gleichzeitig sind deutliche unterschiede auch bei den behindertengruppen

festzustellen, deren behinderungsart zunächst eine ähnliche Motivationslage vermuten lässt, wie zum beispiel

am vergleich der Motivationsmuster von blinden und Sehbehinderten deutlich wird.

Abb.5-1:Motivationsmustersehbehinderter,blinder,schwerhörigerundgehörloserNutzer

Abb.5-2: Motivationsmustermotorischbeeinträchtigter,lese-rechtschreibschwacherundlernbehinderter/

geistigbehinderterNutzer

45

auch die Wahrnehmung des internet als Kommunikationsmittel und instrument zur selbständigen bewältigung

des alltags ist von der art der behinderung der nutzerinnen und nutzer geprägt. erstaunlich sind hier die relativ

parallel verlaufenden linien der blinden und gehörlosen nutzer, während es wiederum große unterschiede zwi-

schen blinden und sehbehinderten nutzen bei der Wahrnehmung des internet als instrument der alltagsbewäl-

tigung gibt.

Abb.5-3: WahrnehmungdesInternetalsInstrumentderAlltagsbewältigungdurchsehbehinderte,blinde,

schwerhörigeundgehörloseNutzer

Abb.5-4:WahrnehmungdesInternetalsInstrumentderAlltagsbewältigungdurchmotorischbeeinträchtigte,

lese-rechtschreibschwacheundlernbehinderte/geistigbehinderteNutzer

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

46

5.2/nutzungsprofilevongehörlosenInternetnutzern

die gruppe der gehörlosen internetnutzer ist in der

Studie Web 2.0 barrierefrei mit einen anteil von 39%

aller befragten stark repräsentiert, wobei sowohl die

interneterfahrung (85% seit mehr als 4 Jahren) als

auch die häufigkeit der internetnutzung (bei 82% täg-

liche nutzung) stark ausgeprägt sind.

die befragten gehörlosen nutzer finden sich größten-

teils selbständig (78%) im internet zurecht, wobei aber

trotzdem 18% „ab und zu“ und 2% „grundsätzlich“ auf

hilfe angewiesen sind. diese nutzergruppe weist da-

bei auffällig niedrige nutzeranteile für assistive tech-

nologien auf, da z.b. im gegensatz zu blinden nutzern

weniger angemessene unterstützende technologien

für gehörlose nutzer vorhanden sind. die Webcam

als ein technisches instrument, welches für die un-

terstützung der Kommunikation in deutscher gebär-

densprache (dgS) geeignet ist, wird aber trotzdem er-

staunlich wenig von nur 3% der gehörlosen befragten

eingesetzt. dieser überraschend niedrige Wert kann

auch mit technischen ursachen begründet werden.

dies wird mit einer aussage des experten für gehör-

losigkeit unterstrichen. Seiner ansicht nach benötigen

gehörlose sowohl hohe download- als auch upload-

Möglichkeiten. aufgrund mangelnder nachfrage, so

der experte, würden nur asynchrone verbindungen

angeboten und nicht parallele, die einen gleichzeitigen

up- und download ermöglichen. bisherige verbindun-

gen für videokonferenzen haben seiner ansicht nach

eine unzureichende bildqualität, die sich nicht für die

Übertragung von gebärden eignet2.

26% der befragten dieser nutzergruppe geben an, dass

sie „insgesamt auf barrieren“ im umgang mit dem in-

ternet stoßen. als barrieren werden dabei am ehesten

„fehlende untertitel bzw. gebärdenvideos“ (10% nen-

nung als barriere) wahrgenommen und führen damit

auch zu „verständnisproblemen“ (6%). einen wesent-

lichen beitrag zur barrierefreiheit für gehörlose nutzer

würden demzufolge gebärdenvideo-alternativen zur

darstellung der inhalte leisten3. als besonders störend

werden „nervende inhalte“ (52%) und Werbung (44%)

empfunden.

die bekanntesten internetangebote in dieser nut-

zergruppe sind Wikipedia (79%), Messenger- (77%)

und chat-anwendungen (70%) sowie versandhäuser

(70%). die am häufigsten benutzten anwendungen in

dieser nutzergruppe sind:

1. Wikislesen(61%)

2. Fotosansehen(60%)

3. Videosansehen(47%).

auffallend viele aktivitäten dieser nutzergruppe im

vergleich zur gesamtheit der in der Studie Web 2.0

barrierefrei erfassten nutzergruppen betreffen den

umgang mit fotos und videos, wie ansehen, veröffent-

lichen und einbetten.

2DasExpertengesprächerfolgteimHerbst2007.DieEinschätzungdesExpertenerfolgtevordemHintergrundderzudemZeitpunktbestehendentechnischenMöglichkeitenundihrerVerbreitung.

3AusführlicheDiskussionderZugangsbarriere„Sprache“erfolgtimKapitel4.2.4

demgegenüber sind geringere nutzerraten z.b. beim

lesen von Wikis und bei benutzerregistrierungen

(36%) festzustellen. auch in der zugehörigen bearbei-

tung des nutzerprofils (23%) und in den produktiven

nutzungen von internetanwendungen sind für die be-

47

fragten gehörlosen nutzer die niedrigsten nutzerantei-

le festzustellen. die niedrigsten nutzerraten in dieser

nutzergruppe sind im bereich podcasts zu verzeich-

nen: nur 3% nutzen diese und nur 1% veröffentlichen

auch welche, so dass das interesse an audiopodcasts

bei gehörlosen internetnutzern wahrscheinlich nicht

ausgeprägt ist. dafür spricht auch die angabe eines

befragten X im gruppeninterview. podcasts werden

seiner aussage nach als rein auditive Medien nicht

genutzt. X kennt aber gehörlose, die einen i-pod für

video-podcasts nutzen. auf die nachfrage, was es für

video-podcasts gebe, verwies X auf vlogs.

in dieser nutzergruppe treten also eher rezeptive nut-

zungen in den vordergrund, welche sich z.b. auch da-

rin zeigen, dass befragte dieser gruppe hauptsächlich

den informationsaspekt des internet (62%) insbeson-

dere für „hilfe bei der behinderung insgesamt“ (41%)

sowie die bedeutung von „behinderungsspezifischen

informationen“ hervorheben (7%). die Kompensation

von behinderungsspezifischen nachteilen (56%) sowie

die vermittlung von inhalten mittels anwendungen im

internet (62%) heben die gehörlosen befragten aus-

drücklich hervor. danach werden z.b. auch foren stark

interessengerichtet genutzt, sowohl was fragen der

behinderung oder generell gehörlosenrelevante the-

men angeht, als auch für spezielle fachgebiete, z.b.

bei technischen problemen.

in der produktiven nutzung von Web 2.0-anwendun-

gen, wie z.b. „Weblogeinträge schreiben“ (13%) oder

„Wikis schreiben und kommentieren“ (12%) ist diese

nutzergruppe weniger vertreten, wobei hier die benut-

zerregistrierung und ein höherer aufwand für schrift-

sprachliche Kommentierungen als wahrscheinliche

barrieren identifiziert werden konnten4. hier spiegeln

sich sowohl die gehörlosenspezifische Kommunikati-

onskultur als auch die Schwierigkeiten mit der deut-

schen Schriftsprache wider (vgl. Kapitel 4.2.4). die

besondere Kommunikationskultur bestätigt auch der

experte für gehörlosigkeit. Seiner ansicht nach ist in

der gehörlosenkultur eine diskussionskultur, wie sie

z.b. über blogs stattfindet, eher unbekannt. litera-

rische veröffentlichungen, Meinungsaustausch und

diskussionen seien nicht teil einer gehörlosenkultur,

gab er zur auskunft. daher würden diese formen der

auseinandersetzung mit einem thema von gehörlosen

tendenziell wenig genutzt.

die vorteile des internet als Kommunikationsmittel

werden von den gehörlosen befragten aber trotzdem

besonders betont, so dass zum einen 33% meinen,

Kommunikation insgesamt sei „das beste am inter-

net“, und zum anderen zu den meist genannten nut-

zungszielen z.b. die „einfachere Kommunikation mit

anderen“ (69%) und auch „mit mehreren teilnehmern

gleichzeitig“ (68%) gehören. dabei werden insbeson-

dere e-Mails (18%) und chats (11%) genutzt. beliebt

sind auch die video-Mail-funktionen von einigen Web-

mail-anbietern oder video-austauschplattformen.

insgesamt scheinen also die Kommunikationsmöglich-

keiten des internet für gehörlose internetnutzer einer

der wichtigsten nutzungsgründe zu sein, insbesondere

da über die damit verbundene schriftliche Kommunika-

tion auch mit nicht-gehörlosen nutzern kommuniziert

werden kann und damit die Kompensationsfunktion

des internet ebenfalls gestärkt wird.

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

4AusführlicheDiskussionenderZugangsbarrieren„Sprache“und„Benutzerregistrierung“erfolgenimKapitel7,7.2KomplizierteSprache schafftBarrierenund7.3BenutzerregistrierungalsVoraussetzungzurNutzung.

48

5.3/nutzungsprofilevonsehbehindertenInternetnutzern

Mit einem anteil von 20% der insgesamt in der Stu-

die Web 2.0 barrierefrei befragten sind die sehbehin-

derten internetnutzer die zweitstärkste nutzergruppe.

auch in dieser gruppe sind die befragten überwiegend

langjährige internetnutzer (88% mehr als 4 Jahre) und

nutzen das internet fast täglich (81%).

die befragten sehbehinderten nutzer können das in-

ternet überwiegend selbständig nutzen (79%), wobei

aber auch 21% der befragten angeben, „ab und zu“

auf hilfe angewiesen zu sein. in dieser nutzergrup-

pe benötigen über die hälfte der befragten assistive

technologien für den Zugang zu den informations- und

interaktionsmöglichkeiten des internet. die wich-

tigsten assistiven technologien sind vergrößerungs-

software (56%), Sprachausgaben (22%) und Screen-

reader (21%). Screenreader ist eine bezeichnung für

vorlese-Software. die Software erfüllt die funktion,

blinden und sehbehinderten nutzern eine „alternati-

ve benutzerschnittstelle anstelle des textmodus oder

anstelle einer grafischen benutzeroberfläche“ anzu-

bieten. die ausgabe der inhalte erfolgt dann entweder

über eine Sprachausgabe, d.h. durch „die erzeugung

synthetischer Sprache“, oder über die braillezeile5.

Sehbehinderte nutzer verwenden dabei zunehmend

vergrößerungen in verbindung mit Sprachausgaben,

insbesondere weil vergrößerungssoftware oft weniger

bedienkomfort als Screenreader aufweist, da weniger

Strukturinformationen wie z.b. linklisten und Über-

schriftenlisten angeboten werden.

48% der sehbehinderten befragten ärgern sich über

„barrieren insgesamt“ im internet, wobei diese sich

hauptsächlich auf „orientierungsprobleme“ (15%),

„allgemeine barrieren“ (13%) und „informationsüber-

flutung“ (9%) beziehen. durch die genutzte vergrö-

ßerung sehen sehbehinderte nutzer jeweils nur einen

ausschnitt der Webseite, so dass der usability der

Website mehr bedeutung beikommt als der barriere-

freiheit. die sehbehinderten experten äußerten dazu,

sehbehinderte nutzer würden im allgemeinen im ver-

gleich zu blinden nutzern alles auf einer Webseite fin-

den. Jede Seite müsse jedoch vom nutzer neu erkundet

werden: usability werde wichtiger gewertet als barri-

erefreiheit.

insbesondere werden dynamische veränderungen auf

der Website z.t. nicht wahrgenommen, da sie außer-

halb des Sichtfensters angezeigt werden oder der fo-

kus/cursor „nicht mitgenommen“ wird. als besonders

störend werden „nervende inhalte“ (46%) und Wer-

bung (36%) empfunden.

die bekanntesten internetangebote in dieser nutzer-

gruppe sind Wikipedia (91%), versandhäuser (87%),

auktionshäuser (85%) und foren-anwendungen (77%).

die am häufigsten benutzten anwendungstypen in die-

ser nutzergruppe sind:

1. Wikislesen(79%)

2. alsBenutzerregistrieren(75%)

3. Fotosansehen(70%).

5Vgl.hierzudenArtikelzu„Screenreader“(inklusivedesAbschnitts„Sprachausgabe“)inWikipedia,in:http://de.wikipedia.org/wiki/Screenreader ,eingesehenam08.04.09.

496AusführlicheDiskussionenderZugangsbarrieren„Sprache“und„Benutzerregistrierung“erfolgenimKapitel7,7.2KomplizierteSprache schafftBarrierenund7.3BenutzerregistrierungalsVoraussetzungzurNutzung.

auffällig sind für alle anwendungen die nutzerraten in

der gruppe der sehbehinderten befragten: Sie weisen

mit drei ausnahmen bei jeder nutzerrate die höchsten

Werte auf, d.h. anteilig nutzen sie im vergleich mit den

anderen gruppen Web 2.0-angebote sowohl produk-

tiv als auch rezeptiv in hohem Maße. bezogen auf die

gesamtheit der befragten sind in dieser nutzergruppe

u.a. höchste nutzerraten für folgende anwendungen

zu verzeichnen:

1. Fotosansehen(70%)

2. Videosansehen(61%)

3. Nutzerprofilbearbeiten(56%)

4. Weblogslesen(51%)

5. Fotosveröffentlichen(49%)

6. Webseitenverlinken(42%)

7. EigeneWebseitebetreiben(41%).

neben „podcasts veröffentlichen“ mit 7% nennungen

sind „Social bookmarking“-anwendungen mit 12%

nennungen die anwendungen mit den niedrigsten nut-

zerraten, wobei aber selbst hier eine im vergleich zu

allen befragten nutzergruppen häufige nutzung fest-

zustellen ist.

der Zugang zu informationen ist für die sehbehinder-

ten befragten mit abstand das Wichtigste im internet,

denn 80% stimmen der aussage „informationen insge-

samt“ sind „das beste am internet“ zu. dabei schät-

zen sie den Zugang zu informationen nur teilweise

als schnell (25 %) und umfangreich (34%) ein. die ex-

perten für Sehbehinderung wiesen ebenfalls auf den

prinzipiellen Mehrwert der internetnutzung hin. allge-

mein gebe es einen Zuwachs an informationsmöglich-

keiten, die ohne assistenz nutzbar sind. informationen

können online selbständig recherchiert werden, z. b.

im vergleich zum aufsuchen einer bibliothek, wofür

assistenz benötigt wird. durch das abonnement von

feeds ist außerdem eine hohe aktualität der informati-

onen für den nutzer erreichbar, so einer der experten.

die online-bahnauskunft gelte als eine der wichtigs-

ten Seiten für blinde/sehbehinderte nutzer, die ihrer

ansicht nach jedoch vergleichsweise wenig genutzt

werde. Weiterhin empfinden die experten die Mög-

lichkeit, informationen im audioformat gleichwertig

nutzen zu können, wie z. b. die Zeitung zu lesen, als

großen Mehrwert.

die wichtigsten nutzungsziele für diese nutzergrup-

pe sind „informationen allgemein“ (90%) und „infor-

mationen zu den hobbys“ (70%) sowie die berufliche

nutzung des internet (60%). dagegen sind die Mög-

lichkeiten der Kommunikation mit 38% Zustimmung

nur für deutlich weniger nutzer relevant. allerdings

sagen 82% der sehbehinderten befragten „(m)it dem

internet kann ich (…) personen erreichen, die sonst

nicht erreichbar wären“, 79% finden für sich zutref-

fend, dass man sich im internet„…(..) mit mehreren

leuten gleichzeitig unterhalten (kann) (…)“ und 66%

stimmen zu, man könne im internet generell „…einfa-

cher mit anderen kommunizieren“ (66%). auffallend

gering sind allerdings die Werte der sehbehinderten

befragten in bezug auf die mögliche Kompensations-

funktion des internet bzgl. Wahrnehmungsdefiziten

oder anderen einschränkungen. hier geben nur 12%

der befragten an, das internet zur „hilfe bei der be-

hinderung insgesamt“ zu nutzen, nur 1% schreibt dem

internet eine „Kompensationsfunktion des Wahrneh-

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

50

mungsdefizits“ zu, und sogar gar keine rolle spielen

„behinderungsspezifische informationen“. auffallend

wenig Zustimmung ist dementsprechend auch bei der

frage nach der „Kompensation von behinderungsspe-

zifischen beeinträchtigungen“ durch die nutzung des

internet festzustellen, da hier mit 27% mit abstand die

niedrigsten Zustimmungswerte gegenüber allen ande-

ren nutzergruppen mit Werten von über 40% zu ver-

zeichnen sind7. dieser möglichen funktion des internet

kommt in dieser nutzergruppe also am wenigsten be-

deutung zu, was vermutlich daran liegt, dass es für die

vergleichsweise besser Sehenden dieser gruppe weni-

ger zu kompensieren gibt.

eine intensive nutzung von Web 2.0-angeboten ist im

falle der sehbehinderten internetnutzer auf die Moti-

vation der informationsbeschaffung und -weitergabe

zurückzuführen, die online besser und einfacher reali-

sierbar ist als offline. barrieren sind für Sehbehinder-

te zwar vorhanden und werden auch wahrgenommen,

diese sind aber nicht so ausschließend wie für andere

gruppen, so dass sie mehr von der schnellen und um-

fangreichen informationsbeschaffung profitieren.

7KompensationmeinthierdendurchdasInternetprinzipiellein-

fachenundschnellenZugangzuInformationunddenZuwachsan Kommunikationsmöglichkeiten für Menschen mit Behinde-rungen.Sokompensierenbspw.nachAuskunftderExpertenfürSchwerhörigkeit schwerhörige Internetnutzer Kommunikations-schwierigkeiten,dieausHintergrundgeräuschenbeiGesprächenoder der geringen Verbreitung von Bildtelefonen resultieren,durchdieNutzungvonChat-undMailanwendungen.

an der Studie Web 2.0 barrierefrei beteiligten sich

insgesamt 124 blinde internetnutzer, die damit einen

anteil von 19% der befragten darstellen. auch diese

nutzergruppe zeigt sich deutlich internetaffin: 93%

der befragten haben einen breitbandigen internetan-

schluss und 88% sind mit der leistungsfähigkeit ihres

rechners zufrieden; 83% nutzen das internet seit mehr

als 4 Jahren, weitere 13% seit 3-4 Jahren, und 84% der

blinden befragten nutzen das internet täglich.

auch wenn der blindheit unterschiedliche Krankhei-

ten zugrunde liegen und sich bzgl. des Sehrestes die

restwahrnehmung zwischen den betroffenen unter-

scheidet, ist die gruppe der in der Studie Web 2.0 bar-

rierefrei befragten blinden personen wesentlich ho-

mogener in bezug auf die genutzten assistiven hilfen

und die Wahrnehmung von barrieren als die anderen

befragtengruppen.

Mit nur 54% können bezogen auf die gesamtheit der

befragten auffallend wenige der blinden befragten

personen das internet völlig selbständig nutzen. 45%

der befragten dieser nutzergruppe benötigen „ab und

zu“ und 1% benötigt grundsätzlich hilfe bei der nut-

zung, so dass hier ein ausgeprägter bedarf an unter-

stützung zur nutzung des visuellen Mediums internet

festzustellen ist. erwartungsgemäß werden in dieser

nutzergruppe auch am häufigsten assistive technolo-

gien benötigt. dabei werden hauptsächlich Screenrea-

der (91%) und braillezeilen ( 85%) sowie Sprachausga-

ben (70%) eingesetzt. nach auskunft eines experten

für blindheit ist die internetnutzung für blinde nutzer

im vergleich zu sehenden usern wesentlich anspruchs-

voller, da sie neben der Webseite den Screenreader be-

51

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

5.4/nutzungsprofilevonblindenInternetnutzern

dienen müssen. die beschäftigung mit neuen anwen-

dungen setze ein dementsprechend hohes interesse

am internet voraus. häufig sind seiner ansicht nach

blinden nutzern ausschließlich die grundfunktionen

der Screenreader bekannt. nur profis schöpften die

Screenreaderfunktionalitäten voll aus.

aufgrund der visuellen ausprägung des untersuchten

Mediums ist es nachvollziehbar, dass trotz der assis-

tiven technologien 82% der blinden befragten „insge-

samt barrieren“ bei der nutzung erleben. am proble-

matischsten sind dabei „allgemeine barrieren“ (42%)

sowie „fehlende tags und der einsatz von captchas“

(39%) (nicht-maschinenlesbare grafikcodes), aber

auch die „informationsüberflutung“ (9%) und „pro-

bleme mit flash“ (8%) werden als problem genannt.

das bestätigt auch ein experte für blindheit. Seiner er-

fahrung nach sind captchas nur bei audio-alternative

oder einer alternativen rechenaufgabe zugänglich.

für die blinden befragten sind Wikis (93%), versand-

(92%) und auktionshäuser (78%) sowie foren (76%)

die bekanntesten internetangebote. die häufigsten

nutzungsarten sind:

1. Wikislesen(85%)

2. AlsBenutzerregistrieren(80%)

3. Kommentareschreiben(60%)sowie

4. Podcastshören(60%).

dabei sind bei den vier genannten nutzungsarten so-

gar die höchsten nutzerraten in bezug auf die gesamt-

heit der befragten ermittelt worden. auffallend hohe

nutzerraten sind bei „nutzerprofil bearbeiten“ (48%),

„Weblogs lesen“ (41%), „Webseiten verlinken“ (35%)

und „podcasts veröffentlichen“ (6%) zu verzeichnen.

geringe nutzerraten sind für das „Schreiben von Web-

logs“ (17%) und in Wikis (17%) festzustellen, wobei

hier vermutlich die gestaltung der Wikis und blogs mit

grafischen editoren und Spam-abwehrmechanismen

wie z.b. captchas als Zugangsbarrieren auftreten. ei-

ner der experten für blindheit wies darauf hin, dass die

nutzung von Wikis teilweise wegen der captchas un-

zugänglich ist, und für blinde nutzer das editieren im

Wiki nicht möglich, da. der editor grafisch basiert ist.

niedrigste nutzerraten im umgang mit videos (anse-

hen 32%, einbetten 4%, veröffentlichen 2%) und fotos

(veröffentlichen 19%, ansehen 8%, einbetten 1%) sind

aufgrund der behinderungsspezifischen einschrän-

kungen erwartungsgemäß. daneben fallen aber auch

das „hinzufügen von freunden in SnS“ (15%) und die

benutzung von „Social bookmarking“ (2%) in den be-

reich der niedrigsten nutzungen über die gesamtheit

der befragten gesehen. diese nutzungsarten scheinen

damit für die gruppe der blinden internetnutzer ent-

weder nicht sonderlich interessant oder zu sehr barri-

erebehaftet aufgrund des einsatzes von z.b. captchas

bei der erforderlichen benutzerregistrierung (vgl. Ka-

pitel 7.3) und fehlender Zugangsalternativen. die mit

Screenreadern nicht wahrnehmbaren und damit auch

nicht bedienbaren captchas bedeuten damit für blin-

de internetnutzer entweder den ausschluss von vielen

aktiven Web 2.0-anwendungen zur selbständigen nut-

zung oder den Zugang nur mit sehenden begleitper-

sonen.

52

insgesamt scheinen die blinden befragten das internet

aber sowohl rezeptiv und dabei vordergründig zur infor-

mationsbeschaffung als auch produktiv über Kommen-

tare, verlinkungen und den betrieb eigener Webseiten

zu nutzen. die bereitstellung von „informationen ins-

gesamt“ (76%) sowie deren umfangreiche verfügbar-

keit (38%) werden von den blinden befragten als „das

beste am internet“ genannt. dies wird auch durch die

häufige nutzung von google (32%) unterstrichen. be-

sonders hervorgehoben wird auch die „hilfe bei der be-

hinderung insgesamt“ durch das internet (38%), wobei

hier im vergleich zu allen befragten besonders stark

die Selbständigkeit der blinden nutzer (26%) sowie

die „Kompensation des Wahrnehmungsdefizits“ (11%)

durch das internet betont wird. dies spiegelt sich auch

in den relativ hohen Zustimmungen zum „ecommer-

ce insgesamt“ (23%), zum „online-einkaufen“ (19%)

und in der bedeutung des „online-bankings“ (7%) als

„das beste am internet“ wider: dies sind im vergleich

mit den angaben der anderen befragtengruppen die

höchsten Zustimmungswerte. von den anderen grup-

pen geben bspw. nur zwischen 6% und 14% der be-

fragten an, „e-commerce insgesamt“ sei „das beste

am internet“. das internet stellt damit zumindest für

einen teil der befragten eine wichtige Säule der Selb-

ständigkeit für blinde nutzer dar.

die wichtigsten und häufig genannten nutzungsziele

der blinden befragten sind dabei:

1. SuchenachallgemeinenInformationen

(92%),

2. SuchenachInformationenzumeinen

Hobbys(82%),

3. WebseitennutzungzumEinkaufen(70%),

4. SuchenachInformationenzumeiner

Behinderung(63%),

5. dieberuflicheWebseitennutzung(61%).

der Kommunikationsaspekt des internet wird von

den blinden befragten nur gering bewertet, nur 28%

rücken diese nutzungsart in den vordergrund. dies

zeigt sich auch an den wenigen angaben zu den kom-

munikativen nutzungszielen im internet wie z.b. der

„austausch mit bekannten“ (31%) oder zum „Kennen-

lernen neuer leute“ (15%). insbesondere die von den

sehbehinderten und hörgeschädigten nutzern hervor-

gehobenen nutzungsmöglichkeiten der „einfacheren

Kommunikation“ (56%), „gleichzeitigen Kommunika-

tion mit mehreren“ (61%) sowie die „vermittlung von

inhalten“ (41%) und die „offenere/ehrlichere Kommu-

nikation“ (21%) werden auffallend wenig genannt. die

schriftliche Kommunikation bildet im falle der blinden

internetnutzer offenbar einen geringen anreiz.

53

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

5.5/nutzungsprofilevonschwerhörigenInternetnutzern

an der onlinebefragung der Studie Web 2.0 barrierefrei

haben 96 schwerhörige internetnutzer teilgenommen,

welche damit einen anteil von 14% der befragten dar-

stellen. im vergleich zu den anderen befragtengrup-

pen gab es in dieser gruppe mehr weibliche (58%) als

männliche auskunftspersonen. die interneterfahrung

ist mit 87% täglicher nutzung und überwiegend lang-

jähriger nutzung (80% seit mehr als 4 Jahren) ebenso

deutlich ausgeprägt wie in der gesamtheit der befrag-

ten, was auch durch die angaben zur Zufriedenheit

mit der leistungsstärke der genutzten pcs (87%) und

mit der überwiegend breitbandigen internetanbindung

(87%) gestützt wird.

Mit einem anteil von 74% können die schwerhörigen

befragten das internet vorwiegend selbständig nutzen,

wobei aber trotzdem 20% der nutzer zumindest „ab

und zu“ und immerhin noch 2% „grundsätzlich“ hilfe

benötigen. Ähnlich wie in der gehörlosen nutzergrup-

pe verwenden deutlich weniger schwerhörige befrag-

te assistive technologien für den internetzugang als

in den anderen nutzergruppen: 16% benutzen die

Sprachausgabe, 13% vergrößerungssoftware und

10% Screenreader, wobei Mehrfachnennungen und

Kombinationen von hilfsmitteln vermutlich auf Mehr-

fachbehinderungen hindeuten.

21% der schwerhörigen befragten erfahren barrieren

bei der internetnutzung. am ehesten gibt es „allge-

meine barrieren“ (5%), „fehlende untertitel/dgS“ (5%)

und „verständnisprobleme“ (5%). in diesem Zusam-

menhang geben die experten für Schwerhörigkeit an,

dass textversionen nur als begleitende textfassungen

von audioinhalten bei liedertexten von Mehrwert sei-

en. untertitel würden bei video- und audiopodcasts

bevorzugt, da sie zeitgleich eingeblendet werden. un-

tertitel bei filmen und nachrichten seien wichtig, um

die inhalte zu verstehen. nach erfahrung der experten

haben sie für Schwerhörige in der aufbereitung von

Medieninhalten höchste priorität, um verständlichkeit

zu gewährleisten.

etwa jeder zweite schwerhörige befragte fühlt sich

durch Werbung (40%) und allgemein „nervende inhal-

te“ (49%) gestört.

die bei den befragten schwerhörigen nutzern bekann-

testen internetangebote sind Wikis (77%), Messenger

(74%) sowie foren (73%) und chats (73%), wobei in

dieser nutzergruppe der höchste bekanntheitswert für

chats erreicht wird. die am meisten genutzten interne-

tangebote sind in dieser nutzergruppe:

1. Wikislesen(68%)

2. Fotosansehen(60%)

3. Videosansehen(55%).

die nutzungsart „Wikis lesen“ wird dabei über die

gesamtheit der befragten gesehen weniger, die nut-

zungsarten „fotos und videos ansehen“ aber häufiger

genannt. die höchsten nutzerraten verzeichnen die

schwerhörigen befragten im umgang mit videos (ver-

öffentlichen 19%, einbetten 16%), d.h. keine andere

befragte nutzergruppe nutzt dieses audio-visuelle Me-

dium so häufig wie die schwerhörigen nutzer. Weitere

hohe nutzerraten sind außerdem u.a. bei „fotos veröf-

fentlichen“ (45%), „in Weblogs schreiben“ (25%) und

„freunde in SnS hinzufügen“ (23%) festzustellen.

54

bemerkenswert ist auch die relativ häufige produktive

nutzung des internet, wie z.b. auch das veröffentlichen

von fotos oder podcasts (5%) oder auch das „Social

bookmarking“ (9%). beim Schreiben von Weblogein-

trägen werden von dieser nutzergruppe nach den seh-

behinderten befragten die zweithöchsten nutzerraten

erreicht. rezeptive nutzungsarten wie z.b. Wikis oder

Weblogs lesen sind bei den befragten schwerhörigen

nutzern weniger vertreten als über die gesamtheit der

befragten gesehen.

die wichtigsten Webseiten für die schwerhörigen be-

fragten sind ebenso wie bei den gehörlosen befragten

die behindertenwebseiten (26%) und danach google

(15%). außergewöhnlich ist hier, dass die schwerhö-

rigen nutzer als einzige der befragten nutzergruppen

keinerlei nennungen für Wikipedia aufweisen. dies

spiegelt sich auch z.t. darin wider, dass „informa-

tionen insgesamt“ von nur 66% der schwerhörigen

befragten als „das beste am internet“ genannt wur-

de. „hilfe zur behinderung insgesamt“ nimmt bei den

schwerhörigen befragten mit nur 23% ebenso einen

niedrigen Stellenwert ein wie „behinderungsspezifi-

sche informationen“ mit nur 1% nennungen.

demgegenüber weist diese nutzergruppe starkes in-

teresse an den Kommunikationsmöglichkeiten des in-

ternet auf, denn für 47% der befragten ist dies „das

beste am internet“. hier finden sich analog zu den

obigen bekanntheitswerten die mit abstand häufigs-

ten nutzungen von chats (21%), insbesondere auch

für die berufliche nutzung. dieser aspekt wird auch

in den erfragten nutzungszielen der schwerhörigen

nutzer deutlich: hier treten die Kommunikationsmög-

lichkeiten in den vordergrund, so dass auffallend viele

der schwerhörigen befragten Webseiten z.b. für den

„austausch mit bekannten“ (60%) oder um „neue leu-

te kennenzulernen“ (36%) nutzen. Wichtige nutzungs-

ziele sind außerdem „personen zu erreichen, die man

sonst nicht erreichen kann“ (72%), die „gleichzeitige

Kommunikation mit mehreren“ (76%) und die „einfa-

chere Kommunikation“ (72%). interessant ist außer-

dem der mit 20% höchste Zustimmungswert für die

Webseitennutzung von Spielen über alle befragten

gruppen.

analog zu den gehörlosen nutzern sind auch bei den

schwerhörigen nutzern die Möglichkeiten des ecom-

merce weniger beliebt: nur 8% geben an, dies sei für

sie das „beste am internet“, und nur 6% der schwerhö-

rigen befragten finden, „online einkaufen“ sei für sie

das beste am internet. 44% der schwerhörigen befrag-

ten besuchen Webseiten, um einzukaufen. unter blin-

den und sehbehinderten, und motorisch beeinträchtig-

ten befragten ist diese nutzungsmotivation deutlich

häufiger verbreitet, ca. 65% bis 70% der befragten

dieser gruppen besuchen Webseiten, um einzukaufen.

insgesamt erscheint bei den schwerhörigen befragten

die Kommunikation über das internet wichtiger als

der informationszugang. besonders wichtig sind die

(schriftlichen) Kommunikationsmittel im internet, da

schwerhörige personen in realen gesprächsgruppen

oder Situationen häufig verständnisschwierigkeiten

haben, so dass der schriftlichen Kommunikation eine

besondere bedeutung zukommt. die experten für

Schwerhörigkeit berichteten, dass Schwerhörige in

gesprächsgruppen häufig verständnisschwierigkeiten

erleben. die Situation erfordere von ihnen eine hohe

Konzentration. als beispiel nannten die experten, dass

bei treffen in bars die hintergrundgeräusche die auf-

nahme des gesagten stören. Schriftliche Kommunika-

tion im internet dagegen sei problemlos möglich.

vor allem die Kommunikation mit normal hörenden

kann davon profitieren. So bieten z.b. chats eine Mög-

lichkeit, die erschwerte lautsprachliche Kommunikati-

on schriftlich zu kompensieren und sich schnell und

unkompliziert zu verständigen und auszutauschen.

um die einfache Kommunikation über das internet zu

unterstützen, wären für schwerhörige nutzer z.b. Mul-

ti-user-videokonferenzen denkbar, die optimalerweise

sogar über eine gleichzeitige automatische Spracher-

kennung und live-untertitelung verfügen und in denen

hintergrundgeräusche abgeschaltet werden könnten.

55

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

5.6/nutzungsprofilevonmotorischbehindertenInternetnutzern

an der onlinebefragung der Studie Web 2.0 barriere-

frei nahmen auch 75 motorisch behinderte internetnut-

zer teil, die damit 11% der befragten umfassen. auch

in dieser nutzergruppe überwiegen die langjährige

interneterfahrung (83% mehr als 4 Jahre) und die täg-

liche nutzung (89%) des internet.

von den befragten motorisch behinderten internetnut-

zern können 69% das internet vorwiegend selbstän-

dig nutzen, 29% der befragten benötigen „ab und zu“

hilfe. am häufigsten werden assistive technologien

von dieser nutzergruppe für spezielle ein- und aus-

gabegeräte eingesetzt. So nutzen 20% der befragten

eine Spezialmaus und 17% eine Spezialtastatur bzw.

bildschirmtastatur. Weiterhin werden noch technologi-

en zur Spracheingabe (16%) und für die vergrößerung

(15%) genutzt.

gut ein drittel der befragten motorisch behinderten in-

ternetnutzer (34%) ärgert sich über „barrieren im inter-

net insgesamt“. ein jeweils kleiner anteil der befragten

stört sich hierbei am meisten an* „barrieren allgemein“

(8%), „informationsüberflutung“ (8%), „verständ-

nisproblemen“ (6%) und „orientierungsproblemen“

(6%). Über die hälfte der motorisch beeinträchtigten

befragten (56%) nennen „nervende inhalte“ als das

größte Ärgernis im internet, dies ist der höchste anteil

an befragten im vergleich der befragtengruppen. ein

deutlich kleinerer teil der befragten personen dieser

gruppe fühlt sich gestört durch Werbung (38%) oder

Spam (30%).

auch in dieser nutzergruppe sind Wikis (87%) sowie

foren (77%), versandhäuser (76%) und auktionshäu-

ser (73%) die bekanntesten internetangebote. die am

meisten genutzten nutzungsarten sind

1. Wikislesen(84%)

2. AlsBenutzerregistrieren(71%)

3. Fotosansehen(65%).

im vergleich zu allen in dieser Studie befragten sind

dabei die häufigen nennungen der motorisch behin-

derten internetnutzer für „Wikis lesen“ und „als be-

nutzer registrieren“, aber auch bei den nutzungen

„fotos (65%)“ und „videos ansehen“ (57%) und beim

„Kommentare schreiben“ (57%) auffällig. außerdem

wurden andere vorwiegend produktive nutzungen, wie

z.b. „fotos veröffentlichen“ (36%), „Webseiten verlin-

ken“ (41%) oder „eigene Webseiten betreiben“ (35%)

relativ oft genannt.

vergleichsweise selten sind in dieser gruppe die nut-

zungen „videos veröffentlichen“ (9%), „fotos und

videos einbetten“ (9% bzw. 7%) sowie „Social book-

marking“ (5%) und beim „veröffentlichen von pod-

casts“ (3%). dies wird ebenfalls in der frage nach den

nutzungszielen der befragten unterstrichen: ca. 27%

nutzen „Webseiten, um etwas (texte, videos, fotos)

zu veröffentlichen“.

die befragten motorisch behinderten internetnutzer

betonen sehr stark den informationsaspekt des inter-

net, so dass es für 73% dieser nutzergruppe „das bes-

te am internet“ ist. Je ein viertel stimmt hierbei den

vorzügen der schnellen (27%) und allgemeinen infor-

56

mationen (26%) zu. dabei spielen sowohl behinderten-

webseiten (20%) als auch google (19%) und portale

(11%) eine große rolle in der besuchshäufigkeit.

auch in den nutzungszielen von Webseiten findet sich

der wichtige informationsaspekt des internet wieder:

91% suchen „allgemeine informationen“, 65% „infor-

mationen zu ihren hobbys“ und ebenso 65% „informa-

tionen zu ihrer behinderung“. auch für die „Kompensa-

tion der behinderungsbedingten beeinträchtigungen“

wird das internet von 53% der befragten motorisch

behinderten internetnutzer eingesetzt, was in dieser

Studie nach den befragten gehörlosen nutzern den

zweithöchsten Wert darstellt.

besonders geschätzt werden von motorisch behin-

derten internetnutzern aber auch die Kommunikati-

onsmöglichkeiten im internet (für 47% „das beste am

internet“), wobei hier die „allgemeine Kommunikation“

mit 21% nennungen und e-Mails mit 14% nennungen

im vordergrund stehen. 6% dieser befragten betonen

den „austausch mit betroffenen“. die frage nach den

nutzungszielen von Webseiten bekräftigt diese erhe-

bung ebenfalls: 56% benutzen Webseiten zum „aus-

tausch mit bekannten“ und 54%, um „ihre Meinung

mitzuteilen“. dabei sind ebenfalls die vielen Zustim-

mungen zu den Kommunikationsmöglichkeiten im

internet auffällig, denn 76% der befragten motorisch

behinderten internetnutzer „erreichen mit dem inter-

net personen, die man sonst nicht erreichen könnte“,

und 79% meinen, über das internet „einfacher kom-

munizieren zu können“. auch die Möglichkeiten der

„gleichzeitigen unterhaltung mit mehreren personen“

(69%) sowie die „intensivere Kommunikation“ (58%)

scheinen für die befragten dieser nutzergruppe wich-

tig zu sein. der erfahrung des befragten experten für

motorische beeinträchtigung nach ist ein Kontakt mit

nichtbehinderten während der internetnutzung einfa-

cher möglich. in der virtuellen Welt sei die behinde-

rung nicht von bedeutung für die Kontaktaufnahme

und für die Kommunikation. er führte aus, dass die

behinderung bei einer asynchronen und schriftlich

verlaufenden Kommunikation nicht ersichtlich ist. im

internet sei daher ein outing nicht nötig, damit blieben

berührungsängste in der Kommunikation außen vor.

die internetnutzung biete für motorisch beeinträch-

tigte nutzerinnen allgemein den vorteil, unbefangener

mit nichtbehinderten in Kontakt treten zu können.

21% der motorisch behinderten befragten stimmen

der aussage zu, dass das internet eine „hilfe bei der

behinderung insgesamt“ ist. betont werden aber die

Möglichkeiten des ecommerce (14%), des online-ein-

kaufens (11%) und des onlinebankings (4%). So finden

sich z.b. auch auffällig hohe Werte für die „nutzung

von Webseiten zum einkaufen“ (60%).

insgesamt scheinen die befragten motorisch behin-

derten internetnutzer eher die Kommunikationsmög-

lichkeiten des internet zu nutzen, wobei aber auch der

informationsaspekt immer im vordergrund steht. die

größte Zustimmung erzielen die Möglichkeiten, ande-

re personen einfacher erreichen und behinderungsbe-

dingte beeinträchtigungen kompensieren zu können.

57

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

5.7/nutzungsprofilevonInternetnutzernmitLese-Rechtschreib-Schwäche(LRS)

als eine der kleinsten unterscheidbaren nutzergruppen

in der Studie Web 2.0 barrierefrei konnten 41 teilneh-

mer mit lese-rechtschreib-Schwäche (lrS) gewonnen

werden, welche damit 6% der gesamtheit der befrag-

ten darstellen und mit 71% den höchsten männlichen

anteil aufweisen. aufgrund des geringen anteils bzgl.

der gesamtheit der befragten sind die folgenden aus-

sagen eher als tendenzaussagen zu verstehen, und bei

den ergebnissen muss von erhöhten fehlerraten aus-

gegangen werden.

auch in dieser nutzergruppe sind die erfahrungswer-

te der befragten in bezug auf das internet als hoch

einzuschätzen. So nutzen 80% das internet seit mehr

als 4 Jahren und 81% das internet täglich. niedrigere

Zufriedenheitswerte im vergleich zu den anderen in

dieser Studie befragten nutzergruppen sind bei der

leistungsfähigkeit des computers (78%) und bei der

ausstattung mit einem breitbandanschluss (73%) zu

vermerken. dies hängt vermutlich mit dem relativ ho-

hen anteil an iSdn/Modem-basierten Zugängen (15%)

zusammen, so dass damit einhergehend die Zufrieden-

heit mit der performance des eigenen rechners sinkt.

von den befragten internetnutzern mit lrS geben

73% an, das internet vorwiegend selbständig nutzen

zu können, immerhin 20% der befragten benötigen

„ab und zu“ hilfe. auffällig ist hier der mit 5% der be-

fragten relativ hohe anteil derer, die grundsätzlich auf

hilfe bei der benutzung des internet angewiesen sind.

nur die befragten mit lern- bzw. geistigen behinde-

rungen weisen dabei einen höheren Wert auf.

bei den befragten mit lrS kommen assistive tech-

nologien in form von vergrößerungssoftware (32%),

Sprachausgaben (24%) und -eingaben (20%) sowie

Spezial- bzw. bildschirmtastaturen und Screenreadern

(je 17%) zum einsatz, wobei auch hier Mehrfachbe-

hinderungen vermutet werden können. barrieren wer-

den von den befragten nutzern mit lrS eher weniger

wahrgenommen. Zwar geben 23% der befragten an,

sich an „barrieren insgesamt“ zu stören und das sind

im wesentlichen „orientierungsprobleme“ (10%) und

„informationsüberflutung“ (10%), aber im vergleich

zu allen befragten nutzergruppen ist dies nach den

schwerhörigen internetnutzern der zweitniedrigste

Wert. entgegen der erwartung benennt keiner der be-

fragten mit lese-rechtschreibschwäche die barriere

„verständnis“.

es überrascht nicht, dass auch in dieser befragten

nutzergruppe Wikis mit 68% nennungen am bekann-

testen sind. darüber hinaus sind foren (61%) sowie

versandhäuser (54%) und Messenger (54%) populäre

internetangebote für internetnutzer mit lrS. diese

bekanntheitswerte sind aber im vergleich zu allen be-

fragten nutzergruppen auffallend gering. erstaunlich

hoch allerdings ist der Zustimmungswert 12% für die

antwortalternative „nichts von alledem bekannt“, da

in den anderen erfassten nutzergruppen Werte zwi-

schen 2 und 4% und nur bei den nutzern mit lern- oder

geistigen behinderungen 9% ermittelt worden sind.

58

die am häufigsten genutzten internetangebote in die-

ser nutzergruppe sind

1. Fotosansehen(68%)

2. Wikislesen(59%)

3. Videosansehen(56%).

Mit dem ansehen von fotos und videos werden ver-

mutlich eher multimediale anstelle von textbasierten

informationen aufgenommen, da hier diese nutzer-

gruppe auffallend hohe Zustimmungswerte aufweist.

nur die befragten sehbehinderten internetnutzer errei-

chen für beide nutzungen höhere nutzerraten.

auffallend niedrige nutzerraten werden für die nut-

zungsarten „Wikis lesen“ und „als benutzer registrie-

ren“ (34%) erfasst. der Zusammenhang zwischen der

benutzerregistrierung und den dahinterliegenden nut-

zungsmöglichkeiten ist ebenso wie bei den befragten

gehörlosen nutzern an weiteren ermittelten nutzerra-

ten abzulesen8. So werden auffallend niedrige Werte

für typischerweise nachgelagerte nutzungsarten wie

z.b. „Kommentare schreiben“ (37%), „fotos veröffent-

lichen“ (29%) oder „nutzerprofil bearbeiten“ (27%)

ermittelt.

auffallend gering sind auch die Zustimmungswerte

von nutzern mit lrS zu vorteilen und nutzungszielen

im internet. diese befragten sind eher zurückhaltend

in der benennung von vorteilen, so dass nur 53% an-

geben, „informationen insgesamt“ sind das „beste am

internet“. dabei werden aber trotzdem die umfangrei-

chen (24%) und „allgemeinen informationen“ (18%)

geschätzt. auch die Kompensationsfunktion des inter-

net bzgl. der behinderungsbedingten beeinträchtigun-

gen scheint in der gruppe der internetnutzer mit lrS

wenig beachtet zu werden, denn nur 12% geben an,

das „beste im internet“ sei die „hilfe bei der behin-

derung insgesamt“. 3% der befragten nutzen das in-

ternet für die Suche nach „behinderungsspezifischen

informationen“, aber keiner der befragten nutzer mit

lrS sieht im internet eine Stütze zur Selbständigkeit.

auch der frage, ob man mit dem internet „behinde-

rungsspezifischen beeinträchtigungen kompensieren“

könne, stimmen nur 42% der befragten dieser nutzer-

gruppe zu.

Keine Zustimmungen wurden zum gebrauch von

ecommerce-angeboten, online einkaufen oder online

banking erfasst, so dass auch der über alle befragten

gesehen niedrigste Wert für die nutzung von „Websei-

ten zum einkaufen“ (39%) nicht überrascht. aus den

gruppeninterviews ergeben sich hinweise, dass die

anwender aus angst vor betrug oder zu hohen Kosten

diese Möglichkeiten nicht nutzen.

die erkennbare Zurückhaltung der internetnutzer mit

lrS findet sich zugleich in den erfragten nutzungszie-

len wieder. Über alle erfassten nutzergruppen gese-

hen werden u.a. bei den folgenden nutzungszielen die

niedrigsten Zustimmungswerte verzeichnet:

1. SuchenachInformationenzumeinen

Hobbys(56%)

2. SuchenachInformationenzumeiner

Behinderung(42%)

3. NutzeWebseitenzumEinkaufen(39%)

4. NutzeWebseiten,ummeineMeinung

mitzuteilen(32%).

dem gegenüber konnte aber der nach den befragten

sehbehinderten nutzern zweithöchste Zustimmungs-

wert für die nutzung „nutze Webseiten, um etwas zu

veröffentlichen (texte, fotos, videos)“ (43%) verzeich-

net werden.

auch die Möglichkeiten der Kommunikation über das

internet sind bekannt und werden von 32% der befrag-

ten internetnutzer mit lrS als das „beste am internet“

bezeichnet. dabei wird die e-Mail-Kommunikation von

15% der nutzer genannt. auffallend sind hier die aus-

bleibenden nennungen bei den antworten „austausch

mit anderen“, „Kontakte halten“ und „austausch mit

betroffenen“. 66% der befragten dieser nutzergruppe

stimmen zu, dass man „einfacher mit anderen kommu-

nizieren“ kann. der höchste Zustimmungswert über

alle befragten nutzergruppen gesehen ergibt sich bei

der frage, ob man „offener/ehrlicher mit anderen kom-

munizieren“ kann (56%).

8AusführlicheDiskussionderZugangsbarriere„Benutzerregistrie- rung“erfolgtimKapitel4.2.5

59

insgesamt zeigt sich bei den ermittelten nutzerraten

und -zielen für internetnutzer mit lrS Zurückhaltung,

was die nutzung des Mediums internet betrifft. dies

könnte mit einer relativen unsicherheit im umgang mit

Sprache zusammenhängen, wobei die Sprache als eine

barriere im umgang mit diesem Medium ausführlicher

im Kapitel 7.2 besprochen wird. der austausch mit be-

kannten über das internet scheint für die befragten mit

lrS ebenso wie für die blinden befragten ein weniger

wichtiges nutzungsziel. hier könnte ebenso die über-

wiegend schriftliche Kommunikation die barriere dar-

stellen und daher wenig nutzungsanreize bieten.

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

5.8/nutzungsprofilevonInternetnutzernmitLernbehinderungenoder

geistigenBehinderungen(LB/GB)

die gruppe der lernbehinderten (lb) ist mit nur 35

teilnehmern ebenso wie die gruppe der geistigbehin-

derten (gb) mit 13 befragten zu gering besetzt, um ei-

genständig betrachtet zu werden. die berechnung von

prozentwerten unterhalb einer Stichprobengröße von

n=30 ist statistisch nicht zuverlässig. folglich wurden

die gruppen lb und gb zusammengefasst, was mit

dem blick auf die fließenden grenzen zwischen beiden

behinderungsarten vertretbar erscheint (vgl. zur defi-

nition der behinderungsarten auch Kap. 2.2). Zusam-

mengefasst setzt sich diese gruppe aus 48 personen

zusammen, so dass zumindest tendenzaussagen ge-

troffen werden können.

für diese zusammengefasste nutzergruppe sind zu-

nächst einmal zwei fakten auffällig: in der nutzer-

gruppe der lern- und geistigbehinderten befragten (im

folgenden kurz lb/gb) ist der anteil der 20- bis 29-Jäh-

rigen mit 39% am höchsten. und der anteil derer, die

einen dSl- bzw. breitbandanschluss besitzen, ist mit

63% am niedrigsten bzw. ist der iSdn/Modem-anteil

mit 20% über alle befragten dieser Studie gesehen

am höchsten. diese angaben sind u.a. durch die le-

benssituationen der teilnehmer mit lb/gb bedingt,

wie die experten für lernschwierigkeiten beschreiben.

ihrer ansicht nach mangelt es den teilnehmenden an

finanziellen Mitteln, um sich einen eigenen computer

anschaffen zu können, und für regelmäßige besuche

in internetcafés. den meisten der teilnehmenden der

computerkurse steht ihrer erfahrung nach zu hause/

im Wohnheim kein computer zur verfügung.

in dieser gruppe ist die interneterfahrung nicht so

stark ausgeprägt wie in den anderen betrachteten

nutzergruppen: 68% nutzen das internet seit mehr als

4 Jahren, 13% seit 3 bis 4 Jahren und 15% seit 1 bis 2

Jahren. Ähnlich verhält es sich mit der häufigkeit der

internetnutzung, denn nur 68% der befragten geben

eine tägliche nutzung an.

60

Mit einem anteil von nur 57% vorwiegend selbstän-

diger nutzung des internet benötigen auffallend viele

internetnutzer mit lb/gb unterstützung bei der benut-

zung dieses Mediums. So geben 28% an, „ab und zu“

auf hilfe angewiesen zu sein, 11% brauchen „grund-

sätzlich“ hilfe von anderen. assistive technologien

kommen dabei in form von vergrößerungssoftware

(22%), Sprachausgaben (20%) und Screenreadern

(13%) zum einsatz, wobei hier ebenfalls Mehrfachbe-

hinderungen vermutet werden können.

44% der nutzer mit lb/gb nehmen „barrieren insge-

samt“ wahr. „orientierungsprobleme“ (12%) sowie

„informationsüberflutung“ (9%) und „barrieren allge-

mein“ (9%) werden dabei von einem teil der befrag-

ten als „am meisten ärgerlich“ bezeichnet. „nervende

inhalte“ (32%) und Werbung (27%) werden aber im

vergleich mit den anteilen an befragten der anderen

gruppen9 von wenigen befragten mit lb/gb als stö-

rend empfunden. in dieser nutzergruppe sind die an-

gebote von Wikipedia (71%), versandhäusern (65%)

und chats (56%) am bekanntesten. die am häufigsten

genutzten anwendungen sind

1. Wikislesen(63%)

2. Fotosansehen(57%)

3. AlsBenutzerregistrieren(41%).

hierbei ist festzuhalten, dass diese anwendungsberei-

che in bezug zur gesamtheit der befragten aber auf-

fallend wenig genutzt werden. deutlich seltener sind

u.a. auch bei „videos ansehen“ (35%), „nutzerprofil

bearbeiten“ (28%), „Kommentare schreiben“ (37%)

und „fotos veröffentlichen“ (30%) in dieser gruppe

nutzer zu finden. ein grund für die zurückhaltenden

aktivitäten könnte im umgang mit der Schriftsprache

liegen, denn laut den expertenaussagen erschweren

die durchschnittlich mangelhaften lese- und recht-

schreibkenntnisse den umgang mit computer und in-

ternet erheblich.

9MitAusnahmederblinden(21%)BefragtenundderBefragten

mitLRS(37%)gebenzwischen46%und56%derBefragtenderübrigenGruppenan,nervendeInhaltewürdensie„ammeistenamInternetstören“.

trotzdem scheint das interesse an der computer- und

internetnutzung, die dabei nicht nur rezeptiv, sondern

auch produktiv erfolgen kann, ausgeprägt zu sein.

die experten für lernschwierigkeiten berichteten von

einer hohen Motivation von teilnehmenden mit lern-

schwierigkeiten (im computerkurs), die kompetente

nutzung von computer und internet zu erlernen. com-

puternutzung sei in der community von Menschen mit

lernschwierigkeiten sehr angesehen. Sie wird nach

einschätzung der experten von den betroffenen als

teil einer erwachsenen- und arbeitswelt angesehen.

der erfahrung der experten nach fühlen Menschen

mit lernschwierigkeiten sich in dieser hinsicht oft aus-

gegrenzt und in eine nicht ernstgenommene „Kinder-

ecke“ gedrängt. das feedback zu den computerkursen

von Seiten der teilnehmenden sei sehr positiv. in den

Kursen wurde von den teilnehmenden der Wunsch ge-

äußert, eine eigene Webseite zu gestalten.

in der bisherigen internetnutzung sind „informationen

insgesamt“ für 67% der befragten mit lb/gb „das

beste am internet“. dabei werden vor allem „informa-

tionen allgemein“ (36%) und umfangreiche informati-

onen (24%) geschätzt. 19% der befragten mit lb/gb

geben an, dass das internet eine „hilfe bei der behin-

derung insgesamt“ sein kann. „behinderungsspezifi-

sche informationen“ sind aber nur für 2% der befrag-

ten dieser nutzergruppe interessant. demgegenüber

geben 15% der befragten an, am häufigsten behinder-

tenwebseiten zu nutzen. außerdem scheinen nachrich-

tenseiten und portale mit jeweils 7% Zustimmungen

interessant. diese angaben werden durch die erfrag-

ten nutzungsziele gestützt, denn hier geben 87% der

nutzer mit lb/gb an, auf der „Suche nach allgemeinen

informationen“ zu sein. ebenso werden „informati-

onen zu den hobbies“ (64%) und „informationen zur

behinderung“ (48%) gesucht.

für 7% der befragten mit lb/gb ist „ecommerce insge-

samt“ „das beste am internet“, für 5% der befragten

ist dies konkret der online-einkauf und für 2% das on-

linebanking. 48% der befragten mit lb/gb geben an,

„Webseiten zum einkaufen“ zu nutzen.

die Kommunikation über das internet wird von 29%

der befragten mit lb/gb als „das beste am internet“

bezeichnet. dabei scheint wiederum die e-Mail-Kom-

61

munikation mit 14% Zustimmung und „Kommunika-

tion allgemein“ mit 7% interessant zu sein. 52% der

befragten nutzen „Webseiten, um sich mit bekannten

auszutauschen“ und 37% „um fragen an andere zu

stellen“. in bezug zu allen befragten nutzergruppen

stellen die nutzer mit lb/gb die erleichterten Kommu-

nikationsmöglichkeiten aber nicht so klar heraus. das

wichtigste scheint hier zu sein, dass man „dinge ver-

mitteln kann, die man sonst nicht vermitteln könnte“

(62%) sowie die Möglichkeiten „vorurteilsfreier mit

anderen Menschen zu kommunizieren“ (46%) und „of-

fener/ehrlicher mit anderen zu kommunizieren“ (52%).

die vernetzung mit anderen betroffenen hingegen

scheint nicht so wichtig, vermuten die befragten ex-

perten für lernschwierigkeit. da die ausprägungen der

beeinträchtigungen sehr unterschiedlich sind, gebe es

wenig Solidarisierung. eher komme es zu abgrenzun-

gen gegenüber anderen betroffenen. ihrer erfahrung

nach gibt es wenig gemeinschaftliche verbundenheit

über gemeinsame interessen, daher besteht auch kein

Wunsch zur vernetzung.

insgesamt ähneln sich die einschätzungen des internet

durch personen mit lb/gb und mit lrS dahingehend,

dass eher zurückhaltende Äußerungen und aktivitäten

aufgenommen wurden. aufgrund der aussagen aus

den expertengesprächen wird vor allem deutlich, dass

das interesse an einer kompetenten Medien- und com-

puternutzung bei den betroffenen besteht, die ent-

sprechenden lernmaterialien und weitere ressourcen

aber nicht ausreichend sind.

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

62

5.9/Zusammenfassung

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

die in der Studie Web 2.0 barrierefrei befragten sind

im vergleich zu der durch die repräsentative ard/

Zdf-onlinestudie aus dem Jahr 2007 abgebildeten

gesamtbevölkerung außergewöhnlich internet- und

Web-2.0-affin: Sowohl was die bandbreite der inter-

netverbindung, die häufigkeit der internetnutzung als

auch die verwendeten Web 2.0-angebote angeht, un-

terscheiden sich die hier befragten nutzer vom durch-

schnitt der Web-nutzer in deutschland10. aufgrund der

hohen nutzungsfrequenzen und erfahrungswerte der

befragten müssen die aufgenommenen nutzungsprofi-

le und barrieren nicht durch faktoren der unsicherheit

oder mangelnder erfahrung relativiert werden. damit

geben die ergebnisse der Studie zwar kein reprä-

sentatives bild der internetnutzung von behinderten

Menschen in deutschland, zeigen aber deutliche ten-

denzen der internetnutzung und damit verbundener

probleme auf.

insgesamt scheint Sprache im weitesten Sinne eine

der häufigsten barrieren im internet darzustellen, so

dass anzunehmen ist, dass von der aufbereitung von

informationen in einfacher Sprache besonders behin-

derte Menschen und sicher auch die gesamtheit der

internetnutzer profitieren würden (vgl. auch Kapitel

4.2.4). die behinderungsgruppen, deren lese- und

rechtschreibkenntnisse aufgrund der behinderung

eingeschränkt sind, nehmen auf der einen Seite zwar

weniger „barrieren insgesamt“ wahr, auf der anderen

Seite weisen sie aber besonders geringe nutzerraten

bei eher sprachlastigen nutzungen auf. insbesondere

im hinblick auf die Zunahme von e-government-ange-

boten und den damit z.t. verbundenen Zwängen, das

internet kompetent nutzen und verstehen zu können,

wird die bedeutung von gut aufbereiteten informatio-

nen auch mit verschiedenen alternativen, z.b. in po-

dcasts, videos oder gebärdenvideos, deutlich. damit

könnten auch verbesserte und effektivere behörden-

kontakte zur einholung von informationen und zur ver-

waltung des persönlichen budgets einhergehen.

Speziell für die befragten dieser Studie bildet die

„Kompensation behinderungsbedingter nachteile“ den

drittwichtigsten vorteil des internet. unterschiede zei-

gen sich hier aber zwischen den einzelnen behinder-

tengruppen: insbesondere Wahrnehmungs-behinderte

kompensieren Schwierigkeiten im täglichen leben. So

stellt das internet für sehbehinderte und blinde nut-

zer eine besonders wichtige informationsquelle dar.

Schwerhörige und gehörlose befragte betonen die

vorteile des internet als Kommunikationsmittel, eben-

so wie die befragten mit motorischen behinderungen.

Über alle gruppen gesehen scheint die Kompensation

der behinderungsbedingten nachteile mit dem internet

für die gehörlosen internetnutzer am wichtigsten zu

sein. dabei eröffnet das internet für viele der befrag-

ten behinderten die Möglichkeit, andere personen er-

reichen zu können, die man sonst nicht erreichen kann.

10NachzuleseninMartinFisch/ChristophGescheidle„Mitmachnetz

Web2.0:RegeBeteiligungnurinCommunitys“,inMediaPers-pektiven7/2008,S.356-364.

6differenZierungder barrierennach behinderungSarten

barrierefreiheitiminternetistfürdiebefragtender

StudieWeb2.0barrierefreieinewichtigeVorausset-

zungzurkomfortablen,vollständigenundvorallem

selbständigen nutzung und rezeption der inhalte.

besonderswichtigistdiebarrierefreiheitfürdiebe-

fragtenblinden(88%)undgehörlosen(70%)nutzer

sowie fürnutzermitlern-odergeistigenbehinde-

rungen(70%).Währenderstereaufgrunddervisuel-

lenausrichtungdesinternetfehlendebarrierefreiheit

alszentralesProblembenennenunddadurchinsge-

samtimZugangzudeninformationenbehindertwer-

den,bestehendiebarrierenfürgehörlosenutzerund

nutzermit lb/Gb insbesondere imVerständnis der

angeboteneninformationen.

StudieWeb2.0/barrierefrei/nutZunGSProfile

64

6.1/ÜberblicküberdieBarrierearten

die folgende tabelle gibt einen einblick, welche barrierearten für jede behinderungsgruppe in welchem Maße

probleme in der nutzung erzeugen.

Tab.6-1:WasärgertoderstörtSieamInternetammeisten?ErgebnissederquantitativenUmfrage(n=671)

Sehbehindertn=133

blindn=124

Schwerhörign=96

gehörlosn=260

Motorisch behindert n=75

lrSn=41

lb/gbn=46

Barriereninsgesamt

48% 82% 21% 26% 34% 23% 44%

Barrierenallgemein

13% 42% 5% 8% 8% 3% 9%

FehlendeTags/Captchas

5% 39% 1% - - - 3%

Orientie-rungsproble-me

15% 8% - 2% 6% 10% 12%

Informa-tions-über-flutung

9% 9% 3% 3% 8% 10% 9%

FehlendeUntertitel/DGS

2% - 5% 10% - - -

Verständnis-probleme

2% 1% 5% 6% 6% - 3%

ProblememitFlash

3% 8% 3% - 3% - 3%

bevor die konkret formulierten barrieren genauer be-

trachtet werden können, erscheinen einige vorüberle-

gungen sinnvoll: die in der Studie befragten personen

sind hoch kompetent und aktiv in der nutzung des

internet und verfügen über eine gute technische aus-

stattung und internetanbindung, so dass die angaben

über barrieren und deren höhe als zuverlässig gelten

können und nicht auf mangelnde Möglichkeiten oder

technische defizite zurückzuführen sind. diese Stich-

probe enthält kaum fälle, bei denen allgemein als

niedrig einzuschätzende barrieren in großer Zahl zum

problem werden.

darüber hinaus existieren barrieren, die unausgespro-

chen bleiben, da sie sich nur in ausbleibender nutzung

manifestieren. So sehen sich z.b. 70% der sehbehin-

derten befragten fotos an, aber nur 8% der blinden

befragten tun das. hierbei handelt es sich sowohl um

65

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

behinderungsbedingte als auch um anwendungsbe-

dingte barrieren, die zu ausbleibender nutzung führen.

einerseits bieten auditive Medien wie bspw. podcasts

für blinde nutzer naturgemäß einen höheren Mehrwert

als rein visuelle Medien wie fotos, andererseits sollte

der Zugang zum visuellen inhalt aber durch entspre-

chende Maßnahmen, wie z.b. alternativtexte oder un-

tertitel, ermöglicht werden.

in den folgenden abschnitten werden die einzelnen

nutzungsarten und darin vorkommende barrieren be-

trachtet. dabei werden zunächst die problemquoten

für die einzelnen anwendungen beleuchtet. die pro-

blemquote stellt den quotienten aus problemen und

nutzung/versuchter nutzung dar. es handelt sich dabei

um die berechnung der zu erwartenden problemhäu-

figkeit bei der nutzung der jeweiligen anwendung. Mit

der errechnung der problemquote kann ein vergleich

der bei der jeweiligen anwendung zu erwartenden nut-

zungsprobleme für die verschiedenen behinderungsar-

ten gezogen werden.

für alle nutzungsarten können aufgrund der geringen

datenbasis für die nutzergruppen „nutzer mit lern-

schwierigkeiten (lrS)“ und „nutzer mit lern- und geis-

tigen behinderungen (lb/gb)“ keine problemquoten

angegeben werden, auf spezielle barrieren für diese

betroffenen wird aber dennoch verwiesen. außerdem

ist in den fällen, in denen die Zahl der nutzer mit er-

folgten oder versuchten nutzungen für erfragte an-

wendungen geringer als 30 war, keine problemquote

angegeben, um statistische unzuverlässigkeiten aus-

zuschließen.

die folgenden abschnitte behandeln ausgehend von

den im Web 2.0 auftretenden anwendungsbereichen,

angeboten und funktionen die für die jeweiligen be-

hinderungsgruppen auftretenden barrieren. dabei

werden die jeweiligen barrieren für die gruppen be-

nannt, den anwendungsbereichen, in denen sie auftre-

ten, zugeordnet und nach barrieren bezogen auf ver-

ständlichkeit, bedienbarkeit, Wahrnehmbarkeit und

orientierung klassifiziert.

66

6.2/barrierenbeiderNutzungvonWiki-Anwendungen

Wikipedia wurde in allen befragten nutzergruppen als bekanntestes angebot im internet genannt (vgl. Kap. 5),

so dass dort barrierefreiheit als voraussetzung zum gleichberechtigten Zugang und umgang mit diesem umfang-

reichen informationssystem besonders wichtig ist. in der Studie Web 2.0 barrierefrei wurden barrieren sowohl für

den rezeptiven umgang als auch für die produktive nutzung von Wiki-anwendungen erfragt. die folgende tabelle

gibt die problemquoten für beide nutzungsarten für alle befragten nutzergruppen an.

Tab.6-2:ProblemquotenbeiWiki-Nutzungen

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

Sehbehindert (n = 133)

blind(n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

Wikislesen np 10%=pq 13%nu 79 %

np 8%=pq 9%nu 85%

np 9 % = pq 13%nu 68%

np 16% =pq 26%nu 61%

np 5%= pq 6%nu 84%

np 20%nu 59%

np 20%nu 32%

Wikisschreibenoderkomment.

np 3%= pq 9%nu 32%

- - np 2%= pq 17%nu 12%

- np 10% nu 24%

-

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

67

diese problemquoten belegen, dass rund ein drittel

der befragten der nutzergruppen mit einschränkun-

gen in der Schriftsprache, wie nutzer mit lrS (lese-

rechtschreibschwäche), nutzer mit lernschwierig-

keiten (in der quantitativen befragung lern- und

geistigbehinderte (kurz: lb/gb)) und gehörlose nutzer,

probleme beim lesen von Wikiseiten haben. dabei ste-

hen verständnis- und orientierungsprobleme, wie z.b.

schwierige Sprache und fehlende videos in deutscher

gebärdensprache (dgS), im vordergrund. Motorisch

behinderte befragte geben probleme mit der naviga-

tion und ansteuerung des Suchfeldes über die Sprach-

steuerung an. die folgenden Zitate sind angaben der

befragten im quantitativen teil der Studie Web 2.0 bar-

rierefrei zu problemen mit den anwendungen:

„SehrunübersichtlicheSeiten.EineOrientierungund

die Suche nach Informationen ist schwierig.“ „Zu

langeunstrukturierteTexte(ohneAbsätze).“

„Einige Texte sind kompliziert und für mich wäre

toll,miteinfacheSätzeoderGebärdenvideodazu.“

„Kompliziert.“„VieleFremdwörterundFachbegriffe.“

„PDF-Dateien, die nicht gescannt, sondern abfoto-

grafiert sind, lassen sichausschließlichmit einem

‚Finereader‘mitHilfeeinesScreenreaderslesen.“

„ZuvieleLinksimInformationstexteingebettet.Die

Links werden vom Screenreader auch immer mit

dem Wort ‚Link‘ vorgelesen/kommentiert - bei In-

formationstexten,indenenalle4-5Wörterverlinkt

sind,gehtbeimLesenderSinndadurchverloren!“

beim „Schreiben oder Kommentieren“ von Wikisei-

ten erleben insbesondere nutzer mit lrS und blinde

nutzer probleme, wobei letztere aufgrund von tech-

nischen barrieren im Zugang zu und umgang mit den

eingabeformularen probleme in der nutzung wahrneh-

men. diese probleme wurden von den befragten fol-

gendermaßen formuliert:

„Manche Felder sind einfach zu kompliziert zum

finden, bisher habe ich es nur einmal geschafft

eine Änderung auchwirklich ganz durchzuführen.“

„xhtml-Einfügung vermittels Buttons, die nicht gut

wahrnehmbarsind.“

„GrafischeZugangs-Codes,zwarnichtbeiWikipedia,

aber bei anderenWikis, können vonmeinenHilfs-

mittelnnichtübersetztwerden.“

„Schriftgröße müsste einstellbar sein oder größer

dargestelltwerdenbeiderEingabe.“

NutzermitLRSundgehörloseNutzerscheineneher

durch den Umgang mit Schriftsprache in der pro-

duktivenNutzungvonWikiseitengehemmtzusein,

wiedieAngabenderBefragtenverdeutlichen:

„SchreibeschlechtinDeutsch,möchtegerneschrei-

ben,abertraumichnicht.“

„WunschanWikipedia:EssolltedieMöglichkeitbe-

stehen,Gebärdensprach-Filmehochladenzukönnen,

dannwürdensichGehörloseauchanderCommuni-

tybeteiligen.“

die fehlenden nennungen der motorisch behinderten

nutzer und nutzer mit lb/gb für die nutzungsart „Sch-

reiben oder Kommentieren von Wikis“ bedeutet in die-

sem fall, dass keiner der nutzer, die schon mal eine

nutzung oder einen nutzungsversuch unternommen

haben, probleme aufgrund ihrer behinderung erleben.

befragte in den gruppeninterviews gaben aber proble-

me aufgrund ihrer assistiven technologien an, z.b. bei

der ansteuerung des editors und der Schaltflächen.

die meisten barrieren liegen also zum einen in der ver-

ständlichkeit und orientierung in der gesamten ober-

fläche der Wikis und zum anderen in der bedienung

der zumeist grafischen editoren und formulare zum

Schreiben oder Kommentieren von inhalten. des Wei-

teren können z.t. bilder aufgrund ihrer qualität oder

darstellung nicht wahrgenommen und texte aufgrund

ihrer sprachlichen aufbereitung nicht verstanden wer-

den. der lesefluss wird für Screenreader z.t. durch die

große anzahl an verlinkungen im text gestört, da die-

se immer besonders angekündigt werden.

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

68

6.3/barrierenbeiderBenutzerregistrierungundBearbeitung

vonNutzerprofilen

die benutzerregistrierung ist bei vielen internetangeboten die voraussetzung zur produktiven nutzung der an-

gebote und sollte daher besonders gründlich hinsichtlich ihrer barrierefreiheit untersucht und angepasst werden.

eine ausführlichere betrachtung der rolle der benutzerregistrierung wird in Kapitel 7.3 vorgenommen. an dieser

Stelle soll aber ein Überblick über die wesentlichen barrieren gegeben werden. Zunächst werden die problem-

quoten für das registrieren als benutzer und die bearbeitung von nutzerprofilen, welche mit der registrierung

angelegt werden, betrachtet.

Tab.6-3:ProblemquotenbeiderBenutzerregistrierungundNutzerprofilen

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

Sehbehindert (n = 133)

blind (n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

Benutzer-registrierung

np 31%=pq 41%nu 75%

np 55%=pq 69%nu 80%

np 10%= pq 19%nu 53%

np 36% =pq 14%nu 5%

np 11%= pq 15%nu 71%

np 10%nu 34%

np 9%nu 41%

Nutzerprofilbearbeiten

np 17%= pq 30%nu 56%

np 28%= pq 58%nu 48%

np 2%= pq 6%nu 31%

np 2%= pq 9%nu 23%

np 9%= pq 20%nu 45%

np 2% nu 27%

np 4% nu 28%

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

69

aus der obigen tabelle ist abzulesen, dass insbeson-

dere blinde und sehbehinderte nutzer bei der benut-

zerregistrierung auf massive barrieren stoßen und die

größten Schwierigkeiten zu bewältigen haben. So deu-

tet eine problemquote von 69% darauf hin, dass nur

ein drittel der blinden internetnutzer weitestgehend

selbständig und ohne probleme eine benutzerregist-

rierung vornehmen kann, die anderen zwei drittel aber

probleme bekommen – und vermutlich z.t. den vor-

gang abbrechen und die anwendung verlassen.

die häufigsten probleme entstehen dabei aufgrund

der Sicherheits- und Spamabwehr-Maßnahmen durch

captchas, die weder von Screenreadern noch durch

vergrößerung ausreichend wahrnehmbar sind. prob-

lematisch werden diese Zugangsbarrieren besonders,

wenn nutzer dadurch von wichtigen funktionen und

Möglichkeiten, z.b. online-einkauf oder e-government-

funktionen ausgeschlossen werden. die angaben der

befragten im quantitativen teil der Studie Web 2.0

barrierefrei veranschaulichen die wahrgenommenen

barrieren:

„Captchas (Spamschutz) sind für Sehbehinderte

meistnurschwerlesbarundwennsienichtalsAu-

diofileangebotenwerden,sindsie fürblindeMen-

schennichtnutzbar.“

„IchmussoftdieMeldungenvomSystemumständ-

lichsuchen,dasieamSeitenanfangoderamSeite-

nendestehen.OftwerdendieEingabendiegemacht

werden sollen nicht richtig erläutert, besonders

beim downloaden vonUpdates oder der Nutzerre-

gistrierung.“

„Häufigweißmannicht,wasindieFeldereingege-

benwerdenmuss.AlsokeinesaubereVerknüpfung

von Feldname und Eingabefeld (z. B. Name oder

Vorname).“

„JavaScript lief im Browser nicht, Cookie-Problem

ohneaussagekräftigeFehlermeldungaufgelaufenes

oderfalschesSSL-Zertifikat.“

besonders zu betrachten sind auch die problemquoten

der gehörlosen nutzer für die benutzerregistrierung,

die vermutlich kaum technische barrieren erleben,

sondern eher von verständnisproblemen berichten. im

vergleich mit der gruppe der blinden befragten ist die

niedrige nutzerrate der gehörlosen nutzer bei der be-

nutzerregistrierung mit nur 36% bei gleichzeitig nied-

riger problemquote mit 14% auffällig. im vergleich zu

allen befragten nutzergruppen haben nur die nutzer

mit lrS noch weniger nutzungsversuche unternom-

men als die gehörlosen befragten. dabei kann nicht

davon ausgegangen werden, dass ein niedrigeres

nutzungsinteresse bei gehörlosen internetnutzern be-

steht, denn für die produktive nutzung von Web2.0-

angeboten liegen für diese nutzergruppe relativ hohe

nutzerraten vor, und meist ist eine benutzerregistrie-

rung einer aktiven nutzung vorgeschaltet. einige Zitate

aus der quantitativen befragung deuten auf probleme

mit umfangreichen erläuterungstexten und einem all-

gemeinen unbehagen bzw. auch unverständnis gegen-

über dem registriervorgang, der damit verbundenen

datenverarbeitung und dem nutzen des vorgangs hin:

„Pflichteingabe von Telefonnummer. Bei einigen

Homepages wie Online- Versandhäusern etc. oder

beiderRegistrierungisteinePflichtangabevonTe-

lefonnummer erforderlich, aber auf Grund meiner

Gehörlosigkeit ist dies nicht möglich, da ich kein

Telefonbesitze.“

in einem gruppeninterview mit gehörlosen internetnut-

zern im qualitativen teil der Studie waren profil- und

Kontaktplattformen allen bekannt, werden aber nicht

genutzt. es bestehen vorbehalte gegenüber einer re-

gistrierung, gaben die befragten an, außerdem sei es

nötig, dafür viel text zu lesen. grundsätzlich sei aber

auch unklar, was das Ziel/ der Mehrwert ist, vor allem

dann, wenn man nicht eingeladen wurde, das heißt,

erst mal niemanden kennt. Wünschenswert fanden die

teilnehmenden befragten im gruppeninterview eine

demo / guided tour, die Sinn, vorteile und mögliche

einsatzszenarien zeigt. da die informationen überwie-

gend schriftsprachlich sind, würde sich die nutzung

nicht von selbst erschließen. learning bei doing sei

zeitaufwendig. bevorzugt würde eine schnellere, ›kna-

ckigere‹ nutzung.

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

70

bei der bearbeitung von nutzerprofilen nehmen au-

ßerdem besonders blinde und sehbehinderte nutzer

barrieren wahr, wobei hier vorhandene captchas, aber

auch orientierungsschwierigkeiten und probleme mit

Screenreadern genannt werden. auch hier ist die pro-

blemquote von 58% bei den blinden befragten auffal-

lend, denn damit stoßen über die hälfte derjenigen,

die ihre persönlichen nutzerdaten bearbeiten möchten,

auf probleme und sind damit womöglich auf hilfe an-

gewiesen. die orientierungsschwierigkeiten scheinen

dabei z.t. schon vor der bearbeitung des profils aufzu-

treten, nämlich bei der Suche nach dieser funktion. die

barrieren wurden von den befragten behinderten im

onlinefragebogen folgendermaßen beschrieben:

„Beieiner falschenEingabewerdenFelder ineiner

Farbe markiert, die noch zu korrigieren sind. Das

kannichalsblinderNutzergarnichtwahrnehmen.“

„Die Formulare sind teilweise sehr unübersichtlich

undunverständlichdargestellt.“„Vielzukompliziert

undunübersichtlich,zuvieleDatenaufeinmalund

wenndieWebseitezusammenbricht,geb‘ichnicht

allesnochmalsein.“

„Einige Webseiten haben Flashanimationen, oder

habeneinfachzuvieleLinkswiezumBeispielWer-

bungwomansichgarnichtsozurechtfindet,wenn

manseinProfilbearbeitenwill.“

„ErneuterZugriffnachAnlegendesProfiles.Oftfinde

ichnicht,wo‚meinProfil‘stehtundscannedengan-

zenBildschirmdanachab.ManchmalsindButtons

nichteindeutigbetitelt,manchmalsinddieKästchen

versetzt,esisteineweitereReihevonAngaben,die

ichübersehe,derAbsenderbutton.“

6.4/barrierenimUmgangmitdenMedienFotos,VideosundPodcasts

viele inhalte im internet sind multimedial, was zu behinderungsspezifischen barrieren bei sehbehinderten und

blinden nutzern beim visuellen anteil sowie bei schwerhörigen und gehörlosen nutzern beim auditiven anteil

der angebote führt. anders als bei rein textbasierten Webseiten können Screenreader nur bei entsprechender

gestaltung der inhalte eine lösung für blinde nutzer bieten. Sehbehinderten nutzern sind die angebote teilweise

zu klein und zu schlecht aufgelöst. untertitel und dgS-videos, welche die barrieren für auditiv beeinträchtigte

nutzer aufheben könnten, sind bei vielen angeboten nicht vorhanden. die problemquoten aus der folgenden

tabelle für den umgang mit multimedialen inhalten zeigen die verschieden ausgeprägten problemanteile je nut-

zergruppen auf.

71

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

Tab.6-4:ProblemquotenimUmgangmitdenMedienFotos,VideosundPodcasts

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

Sehbehindert (n = 133)

blind (n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

Fotosansehen np 16%=pq 23%nu 17 %

np 5%nu 8%

np 6%= pq 10%nu 60%

np 9% =pq 15%nu 60%

np 7%= pq 11%nu 65%

np 12%nu 68%

np 13%nu 57%

Fotosveröffentlichen

np 8%= pq 16%nu 49%

np 5%nu 19%

np 5%= pq 11%nu 45%

np 4%= pq 10%nu 40%

np 7%nu 36%

np 7% nu 29%

np 7% nu 30%

Fotoseinbetten np 5 %nu 16%

np 0 %nu 1%

np 1%nu 11%

np 1%= pq 8%nu 13%

np 1%nu 9%

np 2%nu 10%

np 2%nu 13%

Videosansehen np 17%= pq 28%nu 61%

np 10%= pq 31%nu 32%

np 18%= pq 33%nu 55%

np 11%= pq 23%nu 47%

np 3%= pq 5%nu 57%

np 12%nu 56%

np 9%nu 35%

Videosveröffentlichen

np 2%nu 17%

np 1%nu 2%

np 1%nu 19%

np 2%= pq 11%nu 18%

np -nu 9%

np -nu 10%

np -nu 13%

Videoseinbetten np 2%nu 16%

np 2%nu 4%

np 0%nu 16%

np 2%= pq 17%nu 12%

np 1%nu 7%

np 0%nu 10%

np 0%nu 9%

Podcastshören np 9%= pq 21%nu 42%

np 10%= pq 17%nu 60%

np 4%nu 18%

np 1%nu 3%

np 3%= pq 11%nu 28%

np 2%nu 20%

np 4%nu 22%

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

besonders auffallend sind die problemquoten der blin-

den befragten für die visuellen nutzungsarten fotos

und videos ansehen und veröffentlichen. dies ist auf

der einen Seite behinderungsbedingt zu erklären, auf

der anderen Seite aber auch mit unzureichenden be-

schreibungen und auszeichnungen der Medien und

daraus resultierenden barrieren zu begründen. da der

Zugang zum zu vermittelnden inhalt im vordergrund

stehen sollte, könnten die problemquoten teilweise

z.b. durch aussagekräftige beschreibungen der inhalte

der Medien verringert werden, was folgende aussage

eines befragten benennt:

„DieBilderhattenkeineBeschreibung,sog.‚alttext‘“

für die befragten sehbehinderten nutzer wurden für

das ansehen von fotos und videos problemquoten

von über 20% ermittelt, welche hauptsächlich durch

die mangelnde qualität, zu kleine oder kontrastschwa-

che fotos bzw. videos bedingt sind. die Zitate aus der

quantitativen befragung der Studie Web 2.0 barriere-

frei unterstreichen diese probleme:

„ZukleineBilderoderzuwenigkontrastreich.“„Kei-

neFarbunterschiedeerkennbar,zugeringeKontras-

tebeirotenundgrünenFarbtönen.“

„BeiEinsatzvonVergrößerungssoftwaresinddieBil-

derundeutlich.“

„Bilderunscharf.“

„FindedieFotosnicht.“

beim ansehen von videos zeigen sich vordergründig

wahrnehmungsbedingte einschränkungen, sowohl im

72

visuellen als auch im auditiven anteil. So erschweren

fehlende untertitel und gebärdenvideos schwerhöri-

gen und gehörlosen nutzern oder zu kleine videofens-

ter sehbehinderten oder blinden nutzern die aufnahme

des inhalts, was durch ausführungen der befragten

unterlegt wird:

„Ich bin taub, brauche die Gebärdensprache oder

UntertitelbeiVideos.“

„Untertitelsindwichtig,umdieInhaltezuverstehen.

FürSchwerhörigehabensieinderAufbereitungvon

Medieninhalten höchste Priorität, um Verständlich-

keitzugewährleisten.“

„Ich bin vollblind, da ist es mit Videos ansehen,

wennmanalleineistsoeineSache.“

„FindedasVideonicht,findeSeitenicht.Wennich

es gefunden habe - keine Probleme Video anzu-

schauen.“

„Größe der Videofenster nicht skalierbar. Wenige

Video-Plattformen bieten es an, Videos zu skalie-

ren(ok,esgibtVollbildmodus,derabernichtimmer

stabilgehtundmanchmalkeinVideolädt).Dadurch

sind die Videos im Fenster etwas klein und nur

durchSoftware-Lupegutzuerkennen.“

„Manchmal lassensichdieVideoclipsnichtvergrö-

ßernoderdieBedienungdesPlayersistnichtnach-

vollziehbar.“

Technische Barrieren entstehen durch eingesetzte

TechnikenwieJava-ScriptoderFlashunddendamit

verbundenen und teilweise nicht erreichbaren Be-

dienelementendurchdieNotwendigkeitzurInstalla-

tionvon(Flash-)Playern.

„VonWebseitengenutztePluginssindoftnichtbe-

dienbar.“

„Flash-PlayersindmitScreenreadernichtbedienbar.“

„DerScreenreaderklinktsichausundmusswieder

neugestartetwerden.“

beim hochladen und einbetten von fotos, videos oder

podcasts sind eher die formulare zum hochladen pro-

blematisch, die z.b. nicht übersichtlich und eindeutig

gestaltet oder nicht ausreichend ausgezeichnet sind.

verdeutlicht wird dies durch folgende aussagen in der

quantitativen befragung:

„Auf manchen Webseiten kommt es vor, dass die

Schalter, wo man das Bild hochladen kann, nicht

mitAlternativtextenversehensindundesdeswegen

erschwertwirddieBilderhochzuladen.“

„Esistfürmichnichtklar,obeinhochgeladenesBild

nunwirklichsichtbarist,odernicht.“

„SehedieBilderleidernicht,kennenurdenFilena-

me,dieGrößeunddieAnzahlPixel.“

bei sehbehinderten nutzern kann es zu orientierungs-

schwierigkeiten auf der Webseite kommen, da z.b. der

eingeschränkte Sichtbereich durch die vergrößerungs-

software die Zuordnung erschwert oder die vorschau

der bilder nicht erkennbar ist, was durch folgende be-

schreibungen nachvollziehbar wird:

„Problemmit Koordination: Zuerst die Info suchen,

welche Größe/Format gewünscht/erlaubt sind und

schließlichdasBedienenderrichtigenKnöpfe.“

„DieÜbersichtwirdsehrkleindargestellt-Eingabe-

zeile/FeldDateisuchen/HochladenzukleineSchrift

- schwer erkennbar, obman jetzt das richtige hat

odernicht.“

bei podcasts stehen neben den spezifischen Wahrneh-

mungsproblemen von schwerhörigen und gehörlosen

nutzern orientierungsschwierigkeiten auf dem Weg

zum download im vordergrund. So sind download-

Schaltflächen z.b. nicht eindeutig gekennzeichnet, der

vorgang und die nutzung der angebotenen dateien

nicht verständlich, und Java-Scripts behindern das rei-

bungslose aufrufen mit assistiven technologien. dabei

können besonders visuell beeinträchtigte internetnut-

zer von podcasts und den damit verbundenen Mög-

lichkeiten profitieren, informationen im audioformat

73

gleichwertig nutzen zu können, z.b. um die Zeitung zu

lesen. die barrieren werden durch Zitate aus der quan-

titativen befragung untermauert:

„ManchePodcastssindqualitativminderwertig,so-

dasssievonMenschenmitHörbehinderungschwer

zuverstehensind.“

„Es istschwerdiePodcastszufinden,weilsiesel-

ten direkt auf der Startseite zu finden sind, son-

dern meistens muss man erst irgendwelche Kata-

logedurchsuchen.ManchmalwerdendiePodcasts

auchmit Javascript oder Flash gestartet/gesteuert

welches nicht über ein Vorlese-Programm gelesen

werdenkann.“

„Grafiken behindern oft den Weg zu Podcasts.“

„GrafischeZugangs-Codes,JAVA-Script-Menüs,Flash-

Elemente.ErsteresindvonmeinenHilfsmittelnnicht

darstellbar; JAVA-Script-Links bestehen nur aus

kryptischenZeichen,wennüberhaupt,sodassman

auf gut Glück etwas anklickt oder man bekommt

erstgarnichtszusehenmitdenHilfsmitteln.“

„DownloadenmachtmirProbleme.Findemanchmal

den Downloadbereich nicht wirklich. Weiß manch-

malnicht,wieichbeimDownloadenvorgehenmuss.“

für die nutzung „podcasts veröffentlichen“ sind kei-

ne problemquoten angegeben, da deren berechnung

aufgrund der geringen ausgangsbasis (n<30 personen)

nicht sinnvoll ist. die wenigen nutzer, die angeben,

dieses angebot schon mal genutzt zu haben, geben

keine probleme an. es ist anzunehmen, dass einerseits

die barrieren bereits vor der produktiven nutzung lie-

gen (z.b. durch registrierung) und andererseits die-

jenigen nutzer, die sich vornehmen produktiv zu sein,

eine hohe Motivation haben und z.b. durch vorherige

häufige nutzung der anwendung auch in der lage sind,

die auftretenden barrieren zu bewältigen.

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

74

6.5/barrierenimUmgangmitKommentarfunktionenundWeblogs

Über Kommentarfunktionen und Weblogs können sich internetnutzer aktiv beteiligen, ihre Meinung oder Wissen

teilen und sich mit anderen austauschen. für diese produktiven tätigkeiten sollten barrieren für die gleichberech-

tigte teilnahme an diskussionen und Meinungsbildung abgebaut werden.

Tab.6-5:ProblemquotenimUmgangmitWeblogsundKommentarfunktionen

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

Sehbehindert (n = 133)

blind (n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

Kommentarechreiben

np 15%=pq 25%nu 59%

np 18%=pq 30%nu 60%

np 8% = pq 18%nu 44%

np 6% =pq 21%nu 28%

np 16%= pq 28%nu 57%

np 15%nu 32%

np 9%nu 37%

Weblogslesen np 13%= pq 25%nu 51%

np 6%= pq 15%nu 41%

np 4%= pq 11%nu 35%

np 5%= pq 16%nu 32%

np 3%nu 47%

np 12% nu 37%

nu 7%nu 37%

Weblogeinträgeschreiben

np 3%= pq 12%nu 26%

np 6%nu 17%

np 1%nu 25%

np 2%= pq 15%nu 13%

np 3%nu 21%

np 10%nu 20%

np 0%nu 20%

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

beim Schreiben von Kommentaren sind vor allem für

nutzer assistiver technologien die bedienung der

Kommentarfelder und eingesetzte captchas problema-

tisch. außerdem ergeben sich orientierungsschwierig-

keiten im umgang mit den Kommentarfunktionen, da

die Seiten z.t. unübersichtlich sind und eingaben im

editorfeld nicht immer eindeutig gelesen oder wahrge-

nommen werden können. die angaben der befragten

zum umgang mit Kommentaren zeigen die probleme auf:

„Alleszuumständlich!DasÜberblick-Verschaffenist

dasHauptproblem,danachdieEingabemöglichkei-

tenfindenundschließlichdasEingebensindeinfach

soaufwändig.“

„DerScreenreaderliestdeneingegebenenTextnicht

vor und der Text wird auch nicht auf der Braille-

zeile ausgegeben.“ „Eingabefelderwarenoft nicht

eindeutigidentifizierbar.Außerdemfunktionierteoft

die Cursorverfolgung nicht. Werden die Zeilen zu

lang,lässtsichderTextnichtmehrlesen.“

75

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

„Die Eingabetaste löst manchmal eine Zeilenschal-

tungaus,manchmaljedocheinenSchalterwiez.B.

absenden.“

„Manchmal schwierig, wenn Code erlaubt ist. Die

zuverwendendenCode-Schnipselsindnicht immer

gleich;manmusssichmitder jeweiligenSeiteau-

ßerhalbdesFormularsbefassenundeinschnelles

Kommentieren istnurmitStandardtext,aberohne

Betonung,StrukturenoderLinksmöglich.“

nutzer mit lernschwierigkeiten und geistigen behinde-

rungen erleben behinderungsspezifische barrieren im

umgang mit der Schriftsprache beim ausfüllen der fel-

der, was durch die aussage eines befragten verdeut-

licht wird:

„Dasindoftimmerwelche,diesagen‚dubistdoof‘.“

beim Schreiben von Weblogs zeigen sich ebenfalls so-

wohl technische als auch sprachliche barrieren. blinde

und sehbehinderte befragte berichten von problemen,

das backend und die formatierungs- und darstellungs-

optionen nicht vollständig überblicken und das ergeb-

nis optisch nicht kontrollieren zu können. die benutz-

barkeit der editoren hängt dabei von den eingesetzten

technologien und deren bedienbarkeit mit assistiven

technologien ab, wie die aussagen der befragten zei-

gen:

„Beim Erstellen eines Blogeintrages, kann es vor-

kommen,dassunbeabsichtigt‚Speicher/weiter‘aus-

gelöstwird.“

„DasBackendvonBlog-Softwaremüssteofterstein

wenig angepasst werden, um für mehr Übersicht-

lichkeitzusorgen.MitScreenReaderngibtesauch

oftProblememitOnclicks.ErhöhterLernaufwandist

gegeben.“

„Eingabefelder für Texterkennungssoftware nicht

lesbar.“

„Ich hatte vor allem Probleme mit den Formatie-

rungsmöglichkeitenund indenAnleitungenwaren

meistnurgrafischdargestellteBeispielevorhanden,

so dass ich nicht wirklich nachvollziehen konnte,

wiemanbeimschreibendesEintrageswelchesEr-

gebniserreicht.“

„Schnelligkeit: Bei längeren Einträgen oder auch

Kommentarenkannes schnellpassieren,dassdie

Anmeldezeitabgelaufen istundmanvordemPos-

tenschonwiederausgeloggtist.Beiträgeschreibe

ichinzwischenvor,aberbeirelativspontanenKom-

mentarengrößerenUmfangskanndieganzeArbeit

zunichtesein.“

nutzer mit lrS und gehörlose nutzer stehen vor der

sprachlichen barriere, wobei z.b. wie bei Wikis die up-

load-Möglichkeit für videos diese barriere zumindest

für gehörlose nutzer minimieren könnte.

„IchmanchmalAngsthabe,deutscheSätzezuschrei-

ben,ichwürdelieberFilmeinDeutscherGebärden-

spracheveröffentlichen.OftkeinLinkfürVideos.“

barrieren beim lesen von Weblogs werden vor allem

von sehbehinderten nutzern in form von zu kleinen

oder kontrastarmen Schriftarten und von nutzern

mit lrS und lb/gb in form von schwer verständlicher

Sprache wahrgenommen, wie die aussagen zu dieser

anwendung verdeutlichen:

„MancheschreibenschwerinDeutschoderModein

Deutschwasichmanchesnichtkenne.“

„CSS-Stylesheets setzten die Seitenbreite aufmehr

als800Pixelbzw.dieSeitenhöheaufmehrals600

PixelunddeaktiviertengleichzeitigdieScrollbalken.

DasichmeinverwendeterBrowserandieseAnwei-

sungengehaltenhatte,wareinLesenallerInhalte

nichtmöglich.“

„DerKontrastistaufmanchenSeitensehrschlecht,

weileinschlechtesFarbprofildargestelltwird.“„Zu

kleine,nichtvergrößerbareSchrift.“

außerdem führt die fülle an links in einem Weblog zu

orientierungsschwierigkeiten und navigationsproble-

men mit assistiven technologien, wie es diese befrag-

ten formulierten:

„BeimehrerenHundertLinksaufderSeitedauertes

eineWeile,bisdieLink-Listeangezeigtwird-wenn

die Links nur ‚mehr‘ heißen oder mit ‚http‘ oder

‚wennMausdarauf‘beginnen,mussmanzuande-

renNavigationstechnikengreifen.“

„Manche dieser Seiten haben scheinbar ein Ja-

vascript oder ähnliches eingebautwas dazu führt,

dassScreenreadersehrverzögertodergarnichtauf

Tastenbefehlereagieren.DiesesProblemtrittdurch-

ausauchaufanderenWebseitenundnichtnur in

Blogsauf.“

76

6.6/barrierenimUmgangmitSocialBookmarkingund

SocialNetworkingSites

aufgrund der verschiedenen ausprägungen von Social networking Sites (z.b. Kontakt- oder partnerbörsen, re-

gional, communityspezifisch oder geschäftlich) und der damit verbundenen unterschiede in den nutzungsin-

tentionen und im nutzungsverhalten werden derartige angebote in unterschiedlichem Maße genutzt. immerhin

nutzen bisher zwischen 15% und 29% der in dieser Studie befragten Social networking Sites (SnS), die dabei

nur wenige probleme nennen.

Tab.6-6:ProblemquotenimUmgangmitSocialNetworkingSites–SNS

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

Sehbehindert (n = 133)

blind (n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

SNS np 7%=pq 24%nu 29%

np 6%nu 15%

np -nu 23%

np 2%= pq 12%nu 17%

np -nu 24%

np 2%nu 24%

np 2%nu 20%

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

die meisten genannten barrieren sind demnach in der

Wahrnehmbarkeit und bedienbarkeit der funktionen

und in der orientierung auf den Seiten aufgetreten.

Schwierigkeiten zeigen sich in bedien- und orientie-

rungsproblemen durch die vielzahl an funktionen, in-

formationen und Werbebannern mit assistiven techno-

logien sowie nicht ausgezeichnete formularfelder und

grafische Menüs und buttons. die folgenden Zitate der

befragten verdeutlichen diese probleme:

„Esistschwer,andereBenutzerzufindenundsich

mitihnenzuverbinden.DieOrientierungistaufdie-

senSeitennichtleicht.“

„GeradeXingistunübersichtlich.DieFunktionen,die

manbraucht,sindoftnichtbeiderInformationund

dieTastaturbedienungistrelativmüßig.Außerdem

könnteeinwenigmehrLogik imSeitenaufbauein-

fließen.“

„HäufigfindetmanCAPTCHAs,beideneneskeine

zusätzlicheAudio-UnterstützungwieetwabeiWiki-

pediagibt.HiermussmanimmereinesehendePer-

sonzuRateziehen.BeiStudiVZmüssenz.B.beim

HinzufügenvonFreundendieseBildcodeseingege-

benwerden.“„WennbeiMyspaceCaptchasausge-

wähltist,gehtfürmichnichtsmehr.“

77

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

„ZuvielDrumherum, vieleUserbeiMyspacehaben

Musik in den Profilen, das verträgt sich nichtmit

Vorlese-Programmen. Außerdem weiß man immer

nicht,obeinklickauf‚zumfreundmachen‘erfolg-

reich war, weil keine neue Seite kommt, sondern

überAjaxdievorhandeneSeiteaktualisiertwird.“

für Social bookmarking können aufgrund der geringen

nutzungswerte weder problemquoten noch aussagen

zur benutzbarkeit angegeben werden. die tatsache,

dass die wenigen nutzer von Social bookmarking an-

teilig probleme angeben, weist auf vereinzelte bis stär-

kere Schwierigkeiten hin, deren grad jedoch so nicht

zu messen ist. Zumindest lässt sich festhalten, dass

die gruppen mit den niedrigsten nutzungswerten im

vergleich probleme angeben, die anderen gruppen ge-

ben jedoch keine probleme an. befragte in den grup-

peninterviews gaben mehrfach an, dass sie den um-

gang mit profilplattformen ausprobiert haben, es als

schwierig empfanden und es mit mehr nutzerfahrung

einfacher gehen könnte. die unmittelbare orientierung

jedoch ging wie in anderen komplexen anwendungen

auch erstmal verloren. eine befragte person im grup-

peninterview mit gehörlosen internetnutzern gab zur

auskunft, dass es eine firefox-erweiterung für visu-

al bookmarking gibt, wo Screenshots gebookmarkt

werden. dies sei für gehörlose besser/intuitiver zu

bedienen. die bookmarks könnten so auch an ande-

re weiterempfohlen werden. allgemein wurde Social

bookmarking von den befragten dieses interviews

nicht genutzt, weil der anwendungstyp nicht bekannt

ist. eine befragte person frequentiert den anwen-

dungstyp regelmäßig zur informationsfindung, eine

intensive nutzung unterbleibt nach ihren angaben auf-

grund der zeitaufwendigen bedienbarkeit.

78

6.7/barrierenbeimVerlinkenundBetreibenvonWebseiten

eine höhere Stufe der aktiven beteiligung am internet ist das bereitstellen von eigenen Webseiten und damit

auch das verlinken von Webseiten. die meisten barrieren, die dabei wahrgenommen werden, bestehen auch in

den oben besprochenen nutzungen, wie z.b. das bedienen von formularfeldern und backend-lösungen für die

redaktion sowie sprachliche einschränkungen. dabei wurden hauptsächlich orientierungsschwierigkeiten und

bedienprobleme gemeldet.

Tab.6-7:ProblemquotenbeimVerlinkenundBetreibenvonWebseiten

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

Sehbehindert (n = 133)

blind (n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

Websiteverlinken np 5%=pq 12%nu 42%

np 4%= pq 11%nu 35%

np 4%= pq 12%nu 34%

np 5%= pq 17%nu 30%

np 7%= pq 17%nu 41%

np 2%nu 29%

np 4%nu 30%

EigeneWebseitebetreiben

np 6%= pq 15%nu 41%

np 5%= pq 17%nu 30%

np 2%nu 28%

np 3%= pq 13%nu 23%

np 1%nu 35%

np 5%nu 24%

np 4%nu 30%

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

bei der auswertung der problemquoten kann wieder

das phänomen der produzierenden tätigkeiten ange-

nommen werden. die nutzer, die z.b. eine eigene Web-

seite betreiben wollen, sind so internet-affin, dass sie

mögliche barrieren durch alternative und individuelle

vorgehensweisen bewältigen können. dabei spielt

die art der behinderung scheinbar eine geringe rolle,

denn über alle befragten nutzergruppen hinweg wer-

den ähnliche nutzungsanteile und probleme erfasst.

die einzige ausnahme dabei bilden die befragten

schwerhörigen und motorisch behinderten nutzer für

die nutzung „eigene Webseite betreiben“, die schein-

bar weniger probleme beim erstellen und betreiben

von Webseiten haben.

6.8/Zusammenfassung

die in der quantitativen befragung der Studie Web

2.0 barrierefrei erfassten barrieren sind jeweils

spezifisch hinsichtlich ihrer auswirkungen auf be-

stimmte nutzergruppen und genutzten assistiven

technologien. das vorliegende Kapitel verdeut-

licht die barrieren anhand von problemquoten und

anschaulichen aussagen der befragten, so dass

einschränkungen bei der nutzung von Web2.0-

anwendungen durch behinderungsbedingt beein-

trächtigte internetnutzer erkennbar werden. in Ka-

pitel 9 der Studie werden die barrieren hinsichtlich

ihrer entstehung und der betroffenen nutzergrup-

pen klassifiziert, so dass daraus lösungsvorschlä-

ge für weitgehend barrierefreie Webanwendungen

abgeleitet werden können.

79

StudieWeb2.0/barrierefrei/differenZierunG

7relevante teilaSpeKteimfolgendenKapitelwerdenrelevanteteilaspektedernutzungvonWeb2.0-anwendungendurchMenschenmitbe-

hinderungenbeleuchtet.dabeistehtzunächstdieÜberlegungimVordergrund, inwelcherWeiseeinfürdiejeweilige

behindertengruppe typisches Kommunikationsverhalten zur nutzung oder nichtnutzung einzelner Web-anwendungen

führt,sowiediefrage,welchederWeb-anwendungen–barrierefreieGestaltungvorausgesetzt–dazugeeignetsind,ein

spezifischesKommunikationsverhalteninbesonderemMaßezuunterstützen.

indendarauffolgendenbeidenabschnittenwerdenmitderVerständlichkeitderSpracheundVorgängenderbenutzer-

registrierungzweiaspektederGestaltungvonWeb-anwendungenbetrachtet,diesichaufgrundderuntersuchungser-

gebnissealsbesonderswesentlicheVoraussetzungdernutzungdurchMenschenmitbehinderungenerwiesenhaben.

81

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

7.1/behinderungsspezifischesKommunikationsverhalten

unddazugenutzteWeb-Anwendungen

in Kapitel 5 wurden die nutzerprofile der einzelnen in

der Studie Web 2.0 barrierefrei befragten nutzergrup-

pen zusammengefasst dargestellt. da die Kommuni-

kationsmöglichkeiten des internet von den einzelnen

behinderungsgruppen unterschiedlich bewertet und

genutzt werden, scheint es sinnvoll, das behinderungs-

spezifische Kommunikationsverhalten mit der auswahl

bestimmter Kommunikationsmedien und situationen

in verbindung zu setzen. im folgenden sollen dazu

Kommunikationsmöglichkeiten und ihre nutzerraten

beleuchtet werden.

in allen befragten behinderungsgruppen stimmt unge-

fähr ein drittel der befragten der aussage zu „Kommu-

nikation sei das beste am internet“. besonders stark

betont dies die gruppe der Schwerhörigen mit 47%

und die gruppe der Motorisch-behinderten mit eben-

falls 47% Zustimmung. dabei ist das Medium e-Mail

die beliebteste Möglichkeit, über das internet zu kom-

munizieren.

als besonders wichtig eingestuft werden außerdem

sowohl die Möglichkeiten, sich über Webseiten mit

bekannten auszutauschen als auch Webseiten zu nut-

zen, um die Meinung mitzuteilen oder fragen zu stellen.

des Weiteren betonen alle befragten, dass sie mit hilfe

des internet einfacher und intensiver kommunizieren

können und personen erreichen können, die man sonst

nicht erreichen kann. da diese nutzungen und vortei-

le aber je nach behinderungsgruppe unterschiedlich

stark ausgeprägt sind, sollen diese nun differenziert

betrachtet werden. insgesamt scheinen besonders

Menschen mit sichtbaren behinderungen die Kontakt-

aufnahme in der virtuellen Welt als unbefangener zu

erleben, da sie nicht unmittelbar auf hemmschwellen

und berührungsängste von nicht behinderten Men-

schen treffen.

7.1.1 KoMMuniKationSVerHalteniMinternet

VonGeHörloSeninternetnutZern

viele gehörlose haben aufgrund der visuell geprägten

gebärdensprache ein eigenes Kommunikationsverhal-

ten, welches sich auch im internet wiederfindet. Wie

bereits in Kapitel 2.2 dargelegt ist dabei zunächst fest-

zuhalten, dass für Menschen, die schon mit starken

hörbeeinträchtigungen geboren wurden, die deutsche

gebärdensprache (dgS) die Muttersprache ist und

diese sich wesentlich von der deutschen lautsprache

unterscheidet. die deutsche gebärdensprache ist eine

vollwertige Sprache1, genau wie deutsch oder eng-

lisch. Sie bedient sich einer eigenen grammatik und ei-

gener linguistischer Strukturen. daher werden schrift-

liche texte von hörenden für gehörlose Menschen wie

texte in einer fremdsprache rezipiert, und der Zugang

zum inhalt wird erschwert. deshalb erleben gehörlose

nutzer eher weniger technische barrieren bei der be-

dienung von Webseiten, sondern nennen verständnis-

probleme und fehlende untertitel bzw. videos in dgS

als größtes problem im internet.

in den gruppeninterviews mit gehörlosen nutzern wur-

de angegeben, dass viele gehörlose sich traditionell

regelmäßig und oft in clubheimen, vereinen oder auf

partys treffen. diese sind meist anlassgebunden, z.b.

Wandern, rommé oder Sportgemeinschaften. eine

1Vergleichehierzuz.B.auchdieAusführungenzumPunkt„SchnupperkursGebärdensprache“zurBeschaffenheitderSprache,unter:http://www.visuelles-denken.de/,sowiedenMenüpunkt„Gebärdensprache“inderHomepagedes„Gebärdenwerks“,unter:http://www.dgs-filme.de/GWHomepage/gebaerdensprache.htm

82

befragte person wies außerdem in den gruppeninter-

views darauf hin, dass gehörlose im privatleben fast

ausschließlich mit gehörlosen kommunizieren, im be-

rufsleben ist es meist umgekehrt. die meisten gehör-

losen würden in einem überwiegend hörenden umfeld

arbeiten. laut dem befragten gehörlosen experten bil-

den gehörlose Menschen aufgrund der gebärdenspra-

che schon im realen leben eigene gemeinschaften, so

dass es nicht erstaunt, dass sie auch im internet be-

sondere Kommunikationsräume suchen und benutzen

und ihr Kommunikationsverhalten durch entsprechen-

de Mittel unterstützen. durch neue Kommunikations-

möglichkeiten (z.b. SMS und chat) sinkt laut aussage

des experten zunehmend die bedeutung der clubhei-

me als versammlungsort, und er stellt sich die frage,

ob über die Möglichkeiten des internet und Web 2.0

neue virtuelle clubräume geöffnet und genutzt wer-

den. als tendenz dahin kann zumindest die verbrei-

tung von chats und Messengern gelten, die mit 70%

bzw. 77% nennungen bei den gehörlosen nutzern den

dritthöchsten bzw. höchsten bekanntheitswert über

alle befragtengruppen erreichen.

den gehörlosen internetnutzern kommen z.b. auch

video-chats entgegen, die alternativen zu den sonst

textbasierten chatanwendungen bieten, wie z.b. die

Webseite camfrog, welche von gehörlosen nutzern

laut aussage des experten gern und viel genutzt wird.

Zum teil werden sogar über camfrog geschlossene

Kontakte auf realen partys und treffen fortgesetzt,

wobei auf der Webseite die Möglichkeit, private räu-

me zu bilden und zu betreten, nicht bekannt zu sein

scheint. nach einschätzung des experten nutzen ge-

hörlose videochat vorrangig für längere und persönli-

chere gespräche. die gefahr von Missverständnissen

sei hier geringer, der Kontakt verbindlicher, und Mimik

und gestik mit sehen zu können sei von besonderem

Wert.

Ähnliches community-building könnte auch über die

video-plattform Youtube oder die Kontaktplattform

Myspace gelingen, indem sich dort Menschen mit ähn-

lichen interessen vernetzen. auf Youtube sind viele

videos in gebärdensprache zu finden, wobei diese zu-

meist selbsterstellten videos z. t. sogar ratgeber-cha-

rakter aufweisen oder nachrichten und interviews mit

politikern in gebärdensprache übersetzen. laut aus-

sagen im gruppeninterview wird Youtube dabei zum

informationsaustausch und Kontakte halten und zum

teil wie ein video-blog genutzt, d.h. einzelne nutzer

haben unter ihrem profil videos, die z.b. ihren alltag

protokollieren. die community bildet sich durch das

taggen (auszeichnen/Markieren) der filme mit dem

Wort „deaf“, dem bewerten der videos und dem ge-

genseitigen vernetzen und verschicken der links.

die hard- und Software für video-chats und die bild-

übertragung von Skype2 ist laut aussagen des exper-

ten für video-Konferenzen in gebärdensprache aber

meist qualitativ unzureichend. als grundlage für die

weitere verbreitung von video-telefonie und -chats

sieht der experte außerdem eine flächendeckende ver-

sorgung mit breitbandinternetanschlüssen sowie die

Möglichkeit von synchronen up- und downloadraten,

die die qualitativ hochwertige bildübertragung von ge-

bärden ermöglicht. Ähnliche einschätzungen zu qua-

lität und technischen problemen sowie zur nutzungs-

absicht sind in den gruppeninterviews mit gehörlosen

geäußert worden. die befragten gaben an, dass vi-

deokonferenzen sowohl beruflich, wie privat und auch

für die vereinsarbeit genutzt werden. Skype wird ihrer

erfahrung nach eher im Kontakt mit hörenden genutzt,

weil die Software diesen bekannt ist. unter gehörlo-

sen würde auch oovoo und camfrog genutzt.

Mit hilfe dieser und ähnlicher techniken können gehör-

lose internetnutzer auch „personen erreichen, die man

sonst nicht erreichen könnte“ (69% Zustimmung), sich

„mit mehreren leuten gleichzeitig unterhalten und nicht

nur mit einer person“ (68%) und „einfacher mit ande-

ren kommunizieren“ (69%). außerdem stimmten die

gehörlosen befragten im vergleich zu allen befragten

am stärksten der Möglichkeit zu, dass man mit dem

internet die „behinderungsbedingten beeinträchtigun-

gen kompensieren“ kann (56%). deswegen werden

behindertenwebseiten von den gehörlosen befragten

am häufigsten besucht (40%), und es wird nach be-

hinderungsspezifischen informationen gesucht (7%,

jeweils höchster Wert über alle gruppen). aufgrund

der aussagen in der qualitativen befragung ist anzu-

2SkypeisteineunentgeltlicherhältlicheVoIP-SoftwaremitInstantMessaging-Funktion,DateiübertragungundVideotelefonie,dieeinproprietäresProtokollverwendet.SieermöglichtdaskostenloseTelefonierenviaInternetvonComputerzuComputersowiedasgebührenpflichtigeTelefoniereninsFestnetzundzuMobiltelefonen(SkypeOut).(Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Skype,eingesehenam10.04.09)

83

nehmen, dass dabei eher der austausch von informa-

tionen innerhalb einer eng vernetzten community so-

wie anwendungen, die eine entsprechende technische

ausstattung bereitstellen, im vordergrund stehen (wie

z.b. camfrog.de und gehörlosen-cafe.de). außerdem

besteht über das internet die Möglichkeit, auch gehör-

losenrelevante informationen zu konsumieren, denn

entsprechende Zeitungen gibt es nicht, der bedarf an

diesen informationen ist aber groß. laut den aussagen

in den gruppeninterviews wird das Sprachniveau von

Zeitungen oft als zu hoch angesehen, sie sind damit für

gehörlose schwer verständlich.

die gehörlosen befragten der beiden gruppeninter-

views nutzen auch Wikipedia zur recherche. dies

scheint einerseits diesen befragten eine gute Mög-

lichkeit zu bieten, sich zu informieren. andererseits

gingen auch beim lesen laut einer befragten person

einige inhalte, je nach sprachlichem ausdruck für sie

verloren. die höchste problemquote für gehörlose

nutzer von 26% für „Wikis lesen“ bestätigt dies: es

ist anzunehmen, dass ein viertel aller gehörlosen nut-

zer Schwierigkeiten beim lesen von Wikis erfährt (vgl.

hierzu Kapitel 7.2).

in einem gruppeninterview gaben die befragten an, die

aktive nutzung von Wikis unterbleibe z.t. auch deshalb, da die

texte verschriftlicht werden müssen. bei einer aufbe-

reitung für eine darstellung mit dgS über videos wäre

auch eine aktive nutzung für sie vorstellbar. auch im

zweiten gruppeninterview schlugen die befragten vor,

z.b. bei Wikipedia Möglichkeiten zum upload eigener

dgS-videos zu den artikeln oder eine eigene Seite mit

einem verzeichnis der dgS-videos anzubieten, um so

auch mehr gehörlose zum produzieren von videos zu

motivieren und das verständnis der inhalte für gehör-

lose zu erhöhen. von den gehörlosen befragten eines

gruppeninterviews werden Wikis teilweise zum planen

von Konferenzen oder zum wissenschaftlichen aus-

tausch eingesetzt, an dem sich dann auch gehörlose

produktiv beteiligen. die anderen aussagen in den

gruppeninterviews sprechen sonst von hemmnissen

aufgrund der sprachlichen ausdrucksfähigkeit beim

Schreiben in Wikis (vgl. dazu auch Kapitel 7.2).

neue Möglichkeiten ergeben sich z.b. auch durch

blogs und vlogs (video-blogs)3, wobei dabei ebenfalls

überwiegend eigene Meinungen vertreten und veröf-

fentlicht werden. Mit den textbasierten blogs haben

gehörlose nutzer laut den ergebnissen der Studie

Web 2.0 barrierefrei vor allem probleme im verständ-

nis. außerdem nutzen die gehörlosen befragten diese

Möglichkeit des Web2.0 auffallend wenig, nämlich mit

der geringsten nutzerrate über alle befragten gesehen

und das sowohl für das lesen von Weblogs (32%) als

auch für das Schreiben von Weblogeinträgen (13%).

dies könnte sich für beide nutzungsarten z.b. mit

vlogs ändern, zumal es schon spezielle gehörlosen-

vlogs4 gibt.

auch andere Möglichkeiten der aktiven teilnahme, z.b.

über Kommentarfunktionen oder foren, werden von

gehörlosen internetnutzern auffallend wenig genutzt

(niedrigste nutzerrate mit 28%), was zum einen mit

der Kommunikationskultur der gehörlosen5 zu erklä-

ren ist und zum anderen erschweren diese textlastigen

anwendungen das lesen und verstehen der inhalte

für gehörlose nutzer. dass sich dies vielleicht mit der

ausbreitung von vlogs ändert, kann auch aussagen

aus den gruppeninterviews entnommen werden, in

denen die gehörlosen teilnehmer betonen, dass ge-

hörlose ihre Kommunikation und informationen nicht

verschriftlichen, sondern eher über videos aufnehmen

wollen. daher wünschen sie sich an vielen Stellen, z.b.

in Wikis und blogs oder auch für nutzerprofile in So-

cial networking Sites upload-Möglichkeiten für eigene

dgS-videos.

in der gruppe der gehörlosen können also spezifische

Kommunikationsformen erkannt werden, welche teil-

weise dazu führen, dass bestimmte Web 2.0-angebo-

te nur in geringem umfang genutzt werden, obwohl

der nutzung keine anwendungsbedingten barrieren

entgegenstehen. andererseits werden bestimmte an-

wendungen des Web 2.0, die dem Kommunikationsver-

halten in der community der gehörlosen entsprechen,

bevorzugt genutzt. für die gruppe der gehörlosen

kann von einer online-vernetzung gesprochen werden,

was sich auch in der hohen Zahl der teilnehmenden

an der onlinebefragung (260 personen) widerspiegelt.

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

3EinVlog ist–gleicheinemBlog–eineWebsite,dieperiodischneueEinträge(mehrheitlichoderausschließlich)alsVideoenthält. (Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Vlog,eingesehenam10.04.09)4EinBeispielfüreinenspeziellenGehörlosen-Vlogist„Bob´sVlog“(http://aaweb.gallaudet.edu/bv_2009-04-09.xml)aufderWebpage derGaullaudetUniversity(www.gallaudet.edu)(eingesehenam10.04.09).5VergleicheauchKapitel5und6.

84

7.1.2 KoMMuniKationSVerHalteniMinternet

VonSCHWerHöriGeninternetnutZern

neben den befragten motorisch behinderten nutzern

betonen die schwerhörigen befragten die Kommu-

nikationsfunktion des internet am stärksten, indem

47% der befragten zustimmen, „Kommunikation sei

das beste am internet“. laut expertenaussagen ist

die schriftliche Kommunikation sehr bedeutend für

schwerhörige internetnutzer, zum einen da die Kom-

munikation damit erleichtert wird, verständnisschwie-

rigkeiten mit normal hörenden überwunden und mehr

Kommunikationsteilnehmer erreicht werden können

und zum anderen, da z.b. bildtelefone im vergleich

zum internetanschluss nicht so stark verbreitet sind.

der Zuwachs an schriftlicher Kommunikation ist dabei

für schwerhörige nutzer, besonders auch im berufli-

chen umfeld, von vorteil, da telefongespräche ohne

bildtelefon oft nur schwer zu verstehen sind. laut ex-

pertenaussagen kann Skype als video-telefoniesoft-

ware nicht als ersatz benutzt werden, da die bildliche

Übertragung oft zum ton zeitversetzt ist und daher

z.b. lautsprachbegleitende gebärden (lbg) oder lip-

penlesen nicht möglich wird, die bildübertragung über

bildtelefonsoftware allerdings funktioniere gut.

laut aussage der experten sind Schwerhörige nicht

so stark in vereinen oder communitys engagiert wie

gehörlose, da die notwendigkeit zum Sich-bekennen

nicht so stark erforderlich ist. viele Schwerhörige fin-

den oder suchen keinen Kontakt zu anderen Schwer-

hörigen. die gruppe der betroffenen ist außerdem

stark heterogen in bezug auf das erscheinungsbild der

Schwerhörigkeit und die genutzten technischen hilfen,

wobei die betroffenen oft je nach Situation verschiede-

ne techniken, wie lautsprache, geräuschverstärkung,

lbg oder dgS kombinieren.

in der täglichen Kommunikation haben Schwerhöri-

ge besonders in gesprächsrunden und räumen mit

vielen hintergrundgeräuschen (Kantine, büro, bars)

verständnisschwierigkeiten und müssen sich stark

konzentrieren, um dem gesprächsverlauf vollständig

folgen zu können. chats können diesen nachteil aus-

gleichen, da hier auch eine Kommunikation „mit meh-

reren leuten gleichzeitig“ möglich ist, was 76% der

befragten Schwerhörigen als vorteil des internet be-

nennen. außerdem ist eine hohe Zustimmung zu den

Möglichkeiten „einfacher mit anderen kommunizieren“

(73%) und „intensiver mit anderen kommunizieren“

(54%) zu verzeichnen, ebenso wie zu den aussagen,

man kann „vorurteilsfreier mit anderen Menschen

kommunizieren“ (42%) und „offener/ehrlicher mit an-

deren kommunizieren“ (39%). die bedeutung der Kom-

munikation über das internet wird außerdem durch die

auffallend starke nutzung von „Webseiten, um mich

mit bekannten auszutauschen“ (60%), nutzung von

„Webseiten, um meine Meinung mitzuteilen“ (47%) und

nutzung von „Webseiten, um neue leute kennenzuler-

nen“ (37%) unterstrichen. die zugehörigen anwendun-

gen, wie z.b. chats und Messenger, werden von den

schwerhörigen befragten auch stark genutzt, so dass

der höchste bekanntheitswert für chats mit 73% und

für Messenger der zweithöchste Wert mit 74% ermittelt

wurde, wobei sogar 21% der befragten schwerhörigen

nutzer chats für „das beste am internet“ halten. chats

werden laut aussagen in den gruppeninterviews dabei

privat, beruflich und für die vereinsarbeit, oft auch als

telefonersatz genutzt und können Missverständnis-

sen vorbeugen, die in der mündlichen Kommunikation

manchmal auftreten. die experten für Schwerhörigkeit

befanden, chat sei für Schwerhörige, die nicht tele-

fonieren können, von großem Mehrwert, jedoch kein

ersatz für persönliche gespräche.

laut aussagen in den gruppeninterviews werden fo-

ren und blogs gern und interessenspezifisch genutzt,

welches sich auch in den nutzerraten für „Kommen-

tare schreiben“ (44%), „Weblogeinträge schreiben“

(25%, zweithöchster Wert) und „Weblogs lesen“ (35%)

ablesen lässt. dabei werden in foren zum teil spezielle

probleme oder themen diskutiert, die z.b. durch ver-

ständnisschwierigkeiten in der realen Welt entstehen,

was durch die anonymität und räumliche entfernung

zur realen Welt z.t. gefördert wird. für die befragten

experten ist diese anonymität in foren oder chats und

in speziellen foren, z.b. der Seelsorge, für schwer-

hörige nutzer von vorteil, denn die telefonseelsorge

konnte bisher von schwerhörigen nutzern aufgrund

der verständnisprobleme am telefon kaum in an-

85

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

spruch genommen werden. Sie sagen auch, dass sich

schwerhörige internetnutzer in chats kommunikativ

anders verhalten, da ihnen zum einen das gespräch

mit mehreren teilnehmern möglich ist und zum an-

deren die lautsprachliche Kommunikation schriftlich

kompensiert wird und sie sich dadurch schneller und

unkomplizierter ausdrücken können. in manchen com-

munitys, wie z.b. StudivZ gibt es sogar eine eigene

Schwerhörigen-community.

Web 2.0-anwendungen sind für schwerhörige inter-

netnutzer besonders dann sehr vorteilhaft, wenn Me-

dieninhalte klassischer Medien alternativ aufbereitet

werden, z.b. in dgS-videos, begleitende textfassun-

gen von liedertexten und untertitel bei video- und au-

diopodcasts oder filmen und nachrichten, da dadurch

eine höhere verständlichkeit gewährleistet werden

kann. hintergrundgeräusche oder qualitativ minder-

wertige produktionen sowie fehlende oder mangelhaf-

te untertitelung von audio- oder video-podcasts und

videos erschweren ebenso den Zugang zum gespro-

chenen inhalt wie aufnahmen von mehreren personen

oder diskussionen. barrieren können außerdem durch

ausschließlich auditiv aufbereitete inhalte entstehen,

die ohne untertitel kaum zugänglich sind. laut dem

expertengespräch können verständnisschwierigkei-

ten bei komplizierten texten aufgrund von z.t. unzu-

reichenden lese- und rechtschreibkenntnissen durch

mangelnde förderung dieser fähigkeiten im Schulalter

entstehen. daher sind schwerhörige internetnutzer

ebenfalls auf textaufbereitungen in einfacher Sprache

angewiesen.

außerdem würden auch schwerhörige nutzer von einer

schnelleren bildübertragung im internet profitieren,

so dass z.b. auch Multi-user-videokonferenzen oder

der optimale einsatz von videotelefonie möglich wä-

ren. Wünschenswert wären auch live-untertitelungen

durch eine zeitnahe und automatische Spracherken-

nung oder die filterung von nebengeräuschen in au-

dio- oder videoproduktionen.

7.1.3 KoMMuniKationSVerHalteniMinternet

VonblindeninternetnutZern

die in der Studie Web 2.0 barrierefrei befragten blin-

den personen betonten überwiegend den vorteil der

informationsbeschaffung und Selbständigkeit durch

das internet. die schriftliche Kommunikation zum bei-

spiel für den austausch mit bekannten über Webseiten

ist ein auffallend wenig genutzter Kanal (31% Zustim-

mung) und bietet scheinbar wenig anreize, was zum

teil durch die bedienbarkeit der assistiven technologi-

en oder durch wahrgenommene barrieren im umgang

mit den Webseiten bedingt sein könnte. die allgemei-

nen Kommunikationsfunktionen werden nur von 28%

der blinden befragten als das „beste am internet“ be-

zeichnet, was den niedrigsten Wert im vergleich zu al-

len befragten gruppen darstellt.

laut aussagen der experten sind eher die älteren be-

troffenen stark in vereinen organisiert, Jüngere oft nur

bei Schwer- oder Mehrfachbehinderungen. es stellt

sich die frage, ob die jüngeren betroffenen sich eher

im internet zu communitys zusammenfinden oder

durch die anonymität im internet eine vernetzung von

betroffenen kaum oder nur zu speziellen themen oder

anlässen stattfindet. laut den experten sind z.b. chats

und andere internet-Kommunikationsformen wegen ih-

rer anonymität beliebt, so dass ein outing nicht nötig

ist, berührungsängste nicht aufkommen und daher vor

allem von jüngeren blinden nutzern der vorteil einer

gleichberechtigten Kommunikation geschätzt wird.

die Kommunikationsvorteile, die befragte anderer be-

hinderungsgruppen stark betonen, wie z.b. einfacher,

intensiver oder vorurteilsfreier zu kommunizieren,

wurden von den befragten blinden nutzern aber über

die gesamtheit der befragten am wenigsten genannt.

chats werden laut den gruppeninterviews von blin-

den nutzern entweder über eine client-Software auf

dem eigenen rechner oder nur themenspezifisch auf

Webseiten, z.b. bei chats mit öffentlichen personen

genutzt. generell weisen die befragten auf probleme

im Zusammenhang mit ihren assistiven technologien

hin, da der gesprächsfaden z.b. durch mehrere per-

sonen im gespräch ständig gestört und es damit für

86

die nutzer zu unübersichtlich wird. häufig stört auch

die Werbung auf den Webseiten. für eine persönliche

eins-zu-eins-Kommunikation werden chats aber gern

genutzt, u. a. auch um den Kontakt mit personen im

ausland aufrecht zu erhalten. dazu wird z.b. auch Sky-

pe benutzt, um das telefonieren mit dem chatten zu

verbinden. Manchmal schalten auch blinde dazu die

video-Konferenz ein, damit der gesprächsteilnehmer

sie sehen kann.

audio-podcasts sind für blinde nutzer aufgrund der

aufbereiteten auditiven information generell vorteil-

haft, da der text oft akzentuierter und freundlicher

gesprochen wird als vom Screenreader. außerdem

können sie zeitlich versetzt rezipiert werden. diese

vorteile ergeben erwartungsgemäß den höchsten

nutzungsanteil von blinden nutzern für podcasts von

60%. Über austauschplattformen von podcasts kön-

nen auch interessengemeinschaften gefunden oder

hergestellt werden, ähnlich wie es bei video-plattfor-

men für gehörlose nutzer passiert. der vorteil von po-

dcasts ist nach aussagen der interviewteilnehmer die

Möglichkeit, beiträge aus dem archiv zu hören und die

hörgeschwindigkeit anzupassen.

auch blogs und foren werden relativ stark von blinden

nutzern aufgesucht, so dass hier z.b. nutzerraten von

60% für „Kommentare schreiben“, 41% für „Weblogs

lesen“ und 17% für „Weblogeinträge schreiben“ sowie

76% bekanntheit für foren ermittelt wurden, obwohl

hier auch hohe problemquoten in allen genannten

funktionen aufgrund von orientierungs- und bedien-

problemen oder captchas aufgezeichnet wurden. in

den gruppeninterviews wurde mehrfach ausgesagt,

dass blogs und foren besonders interessenbezogen,

z.b. technische blogs und foren oder von bekannten

über eine reise, gelesen werden, aber nur, wenn diese

weitgehend barrierefrei zu bedienen sind. Sowohl für

blogs als auch für podcasts gibt es bekannte blinde

produzenten.

aufgrund von Schwierigkeiten bei der benutzung der

Webseite der deutschen bahn und bei manchen Web-

seiten von Öpnvs wird noch oft die telefonauskunft

der anbieter oder die mobile pda-version der Webseite

genutzt, um die erforderlichen informationen zu erhal-

ten. dies trifft auch auf sehbehinderte internetnutzer

zu, für die die experten ebenfalls angeben, dass die

telefonauskunft noch bekannt sei und genutzt werde,

da sie schneller und komfortabler zum ergebnis führt

als die Webseite, bei der hohe Änderungsraten und

störende Werbung in Kauf zu nehmen seien.

das nutzungsinteresse von blinden nutzern scheint

damit hauptsächlich in der recherche und in der, im

vergleich zur gesamtheit der befragten, auffallend

starken nutzung von e commerce-angeboten zu beste-

hen. e-commerce wird von 23% der blinden befragten

als das „beste am internet“ bezeichnet und auch die

weiteren Zustimmungen von 19% zum online-einkau-

fen und 7% zum online-banking unterstreichen diese

wichtige funktion für blinde nutzer.

7.1.4 KoMMuniKationSVerHalteniMinternet

VonSeHbeHinderteninternetnutZern

neben dem informationsaspekt ist der Kommunikati-

onsaspekt des internet für sehbehinderte nutzer ein

wichtiger nutzungsanreiz, so dass 38% zustimmen,

Kommunikation sei „das beste am internet“, wobei

sie mit 18% vorrangig das Medium e-Mail bevorzugen.

auffallend ist, dass die sehbehinderten befragten die

höchsten Zustimmungswerte für die Möglichkeiten,

über das internet „personen zu erreichen, die man

sonst nicht erreichen könnte“ (82%) und „sich mit

mehreren leuten gleichzeitig zu unterhalten“ (79%)

aufweisen, aber am wenigsten die „behinderungsbe-

dingten beeinträchtigungen kompensieren“ (27%).

dieses nutzungsverhalten spiegelt sich auch in ande-

ren antworten wider, so dass z.b. nur 49% der befrag-

ten zustimmen, „informationen zu ihrer behinderung“

zu suchen (drittniedrigster Wert) und 56% der befrag-

ten Webseiten nutzen, „um sich mit bekannten aus-

zutauschen“ (zweithöchster Wert). das internet wird

von sehbehinderten nutzern also eher kommunikativ

und nicht zur Kompensation von beeinträchtigungen

genutzt. die vorurteilsfreie Kommunikation wird dabei

von 34% und die offenere/ehrlichere Kommunikation

von 33% der befragten geschätzt. der vorteil, vor al-

lem für junge Menschen, besteht nach einschätzung

87

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

der experten in der gleichberechtigten Kommunikati-

on. berührungsängste bleiben außen vor, da eine be-

hinderung im chat und Skype unsichtbar ist. ein ou-

ting ist so nicht nötig.

laut aussage der experten sind Sehbehinderte nicht

so stark in vereinen oder verbänden organisiert wie

z.b. blinde. es ist praktisch keine protestkultur hin-

sichtlich barrieren wie bei den blinden nutzern vorhan-

den, so dass auch von Seiten der verbände weniger

aktivitäten angeboten werden. damit einher geht auch

die annahme der experten, dass sehbehinderte inter-

netnutzer mehr probleme bei der internetnutzung und

bedienung von assistiven technologien erleben, was

zum einen mit der heterogenität der art der Sehbehin-

derungen und zum anderen mit der damit einhergehen-

den heterogenen verbreitung von hilfsmitteln unter

sehbehinderten nutzern zu erklären ist.

besonders stark wird der Möglichkeit zugestimmt,

Webseiten zu nutzen, „um etwas zu veröffentlichen“

(44%), was mit den höchsten nutzerraten für die pro-

duktiven nutzungen, wie z.b. fotos oder videos ver-

öffentlichen, korreliert6. außerdem sind mit abstand

höchste nutzerraten auch für community-anwendun-

gen zu verzeichnen, wie z.b. „freunde in Social net-

working Sites hinzufügen“ (29%) und „Social book-

marking“ (12%), aber auch für die produktive nutzung

in sozialen netzwerken, wie z.b. „fotos einbetten“ und

„videos einbetten“ (je 16%). des Weiteren werden auch

blogs sowohl rezeptiv, also lesend von 51% der befrag-

ten, als auch produktiv zum Schreiben von 26% der

befragten genutzt, was ebenfalls höchste nutzerraten

darstellt. laut den aussagen in den gruppeninterviews

werden dabei thematisch interessante oder blogs von

freunden gelesen und als Ko-autoren mitbearbeitet.

chats werden wie bei den anderen befragten nutzer-

gruppen zum Kontakte halten, privat und beruflich

genutzt. bei mehreren teilnehmern oder gesprächen

kann aufgrund der vergrößerung und dem damit ein-

geschränkten bildausschnitt schnell die Übersicht ver-

loren gehen. teilweise werden die integrierten video-

funktionen der chat-Software genutzt, wobei die oft

schlechte auflösung als problem genannt wird. auf

Kontaktplattformen werden chats auch zum Kontakte

knüpfen eingesetzt.

die teilnehmer in den gruppeninterviews nutzen e-

Mails für ausführlichere informationen und den datei-

austausch. podcasts oder videos verschicken sie z.t.

untereinander, oder es wird darauf wechselseitig hinge-

wiesen. dabei werden dann auch die Kommentarfunk-

tionen und bewertungsfunktionen der plattformen ge-

nutzt. laut den aussagen im gruppeninterview ergibt

sich für sehbehinderte nutzer ähnlich wie bei blinden

internetnutzern ein vorteil durch audio-podcasts. dort

gaben befragte an, podcasts im vergleich zum lesen

von texten als bequemer zu empfinden. gut sei auch,

dass man zeitversetzt und über tragbare player auch

lokal ungebunden hören kann, z.b. in der bahn. Über

Kontaktplattformen werden thematisch relevante oder

lokale Kontakte gefunden und gepflegt, zum teil auch

andere anwendungen, wie z.b. blogs oder Medienbör-

sen, angeboten und aktiv betrieben. blogs und foren

werden überwiegend für die recherche und zum infor-

mationsaustausch über bestimmte themen genutzt.

7.1.5 KoMMuniKationSVerHalteniMinternetVon

MotoriSCHbeHinderteninternetnutZern

die befragten motorisch behinderten internetnutzer

betonen die Kommunikationsmöglichkeiten des inter-

net neben den schwerhörigen befragten als „das beste

am internet“ am stärksten mit 47% Zustimmung. laut

dem befragten experten sind motorisch behinderte

Menschen im allgemeinen in ihrem Kommunikations-

verhalten nicht wesentlich eingeschränkt, vorbehalte

oder probleme entstehen nur durch berührungsängs-

te und befangenheit seitens nicht behinderter Men-

schen oder aufgrund von unzugänglichen orten, wie

z.b. Kneipen und cafés. So kann auch hier die Kom-

munikation über das internet Kontaktschwierigkeiten

minimieren, da in der virtuellen Welt die behinderung

für die Kontaktaufnahme und Kommunikation nicht

von bedeutung ist. So stimmen 44% der motorisch

behinderten befragten der aussage zu, über das inter-

6VergleicheweitereAuffälligkeiteninderInternetnutzungimzugehörigenAbschnittinKapitel5

88

net könne man „vorurteilsfreier mit anderen Menschen

kommunizieren“ und sogar 79% stimmen zu, man

könne „einfacher mit anderen kommunizieren“. auch

die einfachere erreichbarkeit von personen über das

internet (76%) und die nutzung von Webseiten, „um

sich mit bekannten auszutauschen“ (56%) werden von

dieser nutzergruppe hoch geschätzt, insbesondere da

sie sich im internet freier und ohne assistenz bewe-

gen können. auch der experte für motorische beein-

trächtigung berichtete, das internet biete leuten ohne

assistenz die Möglichkeit, einen einfachen Kontakt zur

außenwelt herzustellen.

daher nutzen 60% der befragten Webseiten zum ein-

kaufen, e-commerce ist für 14% und online-einkaufen

für 11% der befragten dieser nutzergruppe das „beste

am internet“. online-banking ist durch die elektroni-

schen formulare laut den aussagen motorisch behin-

derter nutzer bequem und zeitsparend.

die vernetzung mit anderen betroffenen über das in-

ternet scheint laut aussage der experten ebenso eine

wichtige Möglichkeit der Kommunikation und für den

erfahrungsaustausch zu sein, insbesondere da sich

über die netzwerke die reichweite der Kontakte erhöht

und auch überregionale informationen und erfahrun-

gen geteilt werden können. laut dem experten werden

über Kontaktplattformen interessen- oder ortsbezo-

gen Kontakte und netzwerke geknüpft, die sich z.t.

auch in der realen Welt fortsetzen. trotzdem bestehen

weiterhin Stammtische zu verschiedenen themenge-

bieten, die von betroffenen auch genutzt werden. der

experte betont hier auch den aspekt der heterogenität

der beeinträchtigungen und damit die vielzahl an ver-

schiedenen hilfsmitteln zur computer-bedienung, so

dass sich in beiden Szenarien verschiedene gruppen

ausbilden. der befragte experte sieht die Möglichkei-

ten der online- und offline-vernetzung aber nicht als

konkurrierend an, sondern betont eher die jeweiligen

spezifischen vorteile.

chats werden in dieser befragtengruppe auch genutzt,

allerdings weniger als bei den anderen befragten grup-

pen. der experte und teilnehmer in gruppeninterviews

sagten dazu, dass es für motorisch beeinträchtigte

nutzer auf chat-plattformen schwierig ist, dem ge-

schehen zu folgen und auch schnell mit dem Schreiben

zu reagieren. daher bevorzugen sie z.b. irc7 oder e-

Mails für die private Kommunikation, da sie asynchron

bearbeitet werden können. dabei werden sowohl pri-

vate als auch berufliche Kontakte gehalten und z.b.

abstimmungen mit den assistenten getroffen.

die interessengerichtete information und Kommunika-

tion zeigt sich auch im umgang mit foren und blogs.

Sowohl im lesen von blogs (47%) als auch im Schrei-

ben von Kommentaren (57%) und Weblogeinträgen

(21%) sind im vergleich zur gesamtheit der befragten

hohe nutzerraten ermittelt worden. laut angaben von

befragten der gruppeninterviews werden die beiträge

dann meistens offline in einem textverarbeitungspro-

gramm, wie z.b. Word, vorgeschrieben, auf recht-

schreibung kontrolliert und dann erst veröffentlicht.

insgesamt sind also sowohl die informationsverfüg-

barkeit und die Kommunikationsmöglichkeiten als

auch die Möglichkeiten des einfacheren einkaufs über

e commerce-angebote wichtige funktionen im inter-

net für motorisch behinderte nutzer, da sie damit viele

Wege einfacher, unkomplizierter und ohne assistenz

erledigen können. die Kompensation der behinde-

rungsbedingten beeinträchtigungen (53%) und infor-

mationen über die behinderung (65%) ist für die moto-

risch beeinträchtigten befragten ein sehr wesentliches

nutzungsmotiv für das internet.

7.1.6 KoMMuniKationSVerHalteniMinternet

VoninternetnutZernMitlrS

undlernSCHWieriGKeiten

die Kommunikation wird von ca. einem drittel der be-

fragten mit lrS und lern- oder geistigen behinderun-

gen (lb/gb) als das „beste am internet“ genannt, dies

ist im vergleich mit den anderen befragtengruppen der

zweithöchste anteil an befragten. die hälfte der be-

fragten mit lrS schätzt „information insgesamt“ als

„das beste am internet“, dies ist der niedrigste Wert

im vergleich der gruppen. Kommunikation hat somit

7InternetRelayChat,kurzIRC,bezeichneteinetabliertes,reintextbasiertesChat-System.EsermöglichtGesprächsrundenmiteinerbeliebigenAnzahlvonTeilnehmerninsogenanntenChannels(Gesprächskanälen),aberauchGesprächezwischenzweiTeilnehmern(Query).(Quelle:http://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Relay_Chat,eingesehenam10.04.09)

89

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

einen hohen Stellenwert in der befragtengruppe lrS

im vergleich zu den anderen gruppen. ca. zwei drit-

tel der befragten mit lb/gb finden „information ins-

gesamt“ sei „das beste am internet“. das interesse

der betroffenen an einer kompetenten nutzung der

Möglichkeiten des internet wird von den experten

für lernschwierigkeiten8 als sehr hoch eingeschätzt,

da damit auch ein Zugang zu der Welt außerhalb ih-

rer gewohnten umgebung geschaffen werden kann.

internetkompetenz wird in der community hoch ge-

schätzt. da viele Menschen mit lernschwierigkeiten

stark durch ihre umwelt und die Mediennutzung ihrer

engsten vertrauten, z.b. die eltern, geprägt sind, kann

vermutet werden, dass sich z.b. Multiplikationseffek-

te durch jüngere geschwister in Zukunft bemerkbar

machen. [ in diesem Zusammenhang berichteten die

experten für lernschwierigkeiten, dass die Motivation,

die kompetente nutzung von computer und internet zu

erlernen, bei den teilnehmenden von computerkursen

sehr hoch sei. computernutzung ist ihrer einschätzung

nach in der community von Menschen mit lernschwie-

rigkeiten sehr angesehen (vgl. Kap. 5.8)

das problem sind in erster linie fehlende Schulungs-

und lernmaterialien für diese Zielgruppe. von den

experten wurde berichtet, dass eine vermittlung der

internetkompetenz durch andere betroffene als vorbil-

der sehr hilfreich und wichtig ist, da sie die vorgänge

einfacher erklären können. die Motivation der teil-

nehmer steigt stark an, da ihnen gezeigt wird, dass

es für sie ebenfalls möglich und realistisch ist, diese

fähigkeiten zu erlernen. aufgrund der oft mangelhaf-

ten lese- und rechtschreibkenntnisse kann also auch

besonders diese nutzergruppe von inhalten in einfa-

cher Sprache, aber auch in multimedialer aufbereitung

profitieren, insbesondere da sie sich laut den experten

in der Mediennutzung wie z.b. im umgang mit einer

digital- oder videokamera kompetent zeigen. dieses

verhalten findet sich auch in den nutzerraten für z.b.

„fotos oder videos veröffentlichen“ (30% bzw. 13%)

wieder.

laut aussage der experten ist der vernetzungsgrad der

betroffenen schon im realen leben ebenfalls aufgrund

der vielfältigen ausprägungen der beeinträchtigungen

relativ niedrig, es findet sogar eher eine abgrenzung

zu anderen betroffenen statt. eine verbundenheit über

gemeinsame interessen besteht wenig, daher findet

auch kaum eine vernetzung statt. allerdings scheint

der Wunsch nach Kontakten außerhalb von institutio-

nen groß zu sein. Ähnlich berichtet auch die expertin

für Menschen mit down-Syndrom vom Wunsch der be-

troffenen nach mehr sozialen Kontakten auch mit nicht

behinderten Menschen. auf der anderen Seite trennen

offensichtlich gerade Menschen mit down-Syndrom

berufliche und private Kontakte voneinander.

laut den befragten experten kann die überwiegend

schriftliche Kommunikation im internet für Menschen

mit lrS oder lb/gb problematisch werden. beim Sch-

reiben in foren z.b. besteht die angst, aufgrund der un-

zureichenden schriftlichen Äußerungsform von ande-

ren nutzern sanktioniert zu werden (vgl. Kapitel 4.2.2).

e-Mail-Kommunikation wird aber z.b. in Schulungen

gelehrt und wird für die teilnehmer einleuchtend, wenn

sie direkt eine antwort erhalten. um den umgang mit

text zu erleichtern, wäre es laut auskunft der experten

für diese Zielgruppe hilfreich, eigene beiträge, e-Mails

etc. sprechen und als audiodatei verschicken zu kön-

nen. demnach könnte voicemail9 für die nutzergruppe

ein nützlicher und interessanter anwendungstyp sein.

außerdem könnte es nach einschätzung der experten

hilfreich sein, Spracherkennungssoftware als alterna-

tive zur eingabe per tastatur zu nutzen.

in blogs entstehen verständnis- und orientierungs-

probleme, trotzdem werden immerhin von 37% der

befragten Kommentare und von 20% der befragten

Weblogeinträge geschrieben. foren werden zu ver-

schiedenen Zwecken genutzt, z.b. auch auf Webseiten

von interessengemeinschaften und behindertenver-

bänden.

8FürdieGruppederMenschenmitLernschwierigkeitenwurdennurGesprächemitExpertinnenundExpertengeführt,dienichtselbstvon derBehinderungbetroffensind.9Voice-mailmeintindiesemZusammenhang„dasÜbermittelnvonSprachnotizen(digitalisierteSpracheineinerDatei)perE-Mail(…)“.

(Quelle:LexikonderWebpagewww.at-mix.de,„VoiceMail“,unterhttp://www.at-mix.de/voice_mail.htm,eingesehenam10.04.09)

90

chats werden von einigen befragten sowohl über das

internet als auch über handys genutzt. Skype könnte

hier z.b. durch den Wegfall der textbasierten Kommu-

nikation eine erleichterung in der Kommunikation brin-

gen. außerdem stimmen auch diese betroffenen den

allgemeinen vorzügen des internet, einfacher (66%

bzw. 59%) und vorurteilsfreier (32% bzw. 47%) mit

anderen kommunizieren zu können, stark zu. der Zeit-

druck durch die synchrone Kommunikation in öffentli-

chen chats kann aber zu missverständlichen Kommen-

taren und aufregung führen.

allerdings wird z.b. von der expertin für Menschen mit

down-Syndrom berichtet, dass kaum diskussionen

oder dialoge ohne anleitung geführt werden. Sie er-

lebt, dass Menschen mit down-Syndrom im gespräch

nicht gleichzeitig zuhören und direkt ein feedback ge-

ben können. Sie konzentrieren sich stark auf das Zu-

hören, so dass die expertin als nicht-betroffene sich

oftmals in der rolle einer alleinunterhalterin wieder-

findet. außerdem beobachtet sie, dass die betroffenen

viel Zeit zum formulieren und Schreiben benötigen, da

scheinbar viele assoziationen verbunden werden müs-

sen. daher sind auch eher asynchrone Kommunikati-

onsmittel, wie z.b. e-Mail geeignet, da die nutzer nicht

in Zeitdruck geraten und ihre gedanken ausformulie-

ren können.

die insgesamt eher zurückhaltende internetnutzung

von Menschen mit lrS und lb/gb zeichnet sich auch

im gebrauch von e-commerce-angeboten ab, so dass

nur 7% der befragten mit lb/gb diese funktionen als

„das beste am internet“ bezeichnen. auch Webseiten

zum einkaufen werden nur von 39% der nutzer mit lrS

und von 48% der nutzer mit lb/gb aufgesucht, was

auch damit zusammenhängt, dass die erforderlichen

Zahlungsmittel im internet, wie z.b. Kreditkarten nicht

zur verfügung stehen. aus den gruppeninterviews

geht allerdings auch hervor, dass viele betroffene

ebay zum einkaufen und vergleichen nutzen.

laut den experten werden online-Spiele von den be-

troffenen gern gespielt, die einfach zu benutzen sind

und keine anmeldung benötigen. dabei kann auch der

umgang mit Maus und tastatur geübt werden. die teil-

nehmer in den gruppeninterviews sagen, dass Multi-

user-Spiele wegen der angst vor versteckten Kosten

und der Überforderung, mehrere teilnehmer identifi-

zieren zu müssen, gemieden werden.

probleme bestehen laut aussagen der experten vor

allem darin, dass es nutzern mit lernschwierigkeiten

schwer fällt, die gefahren im internet zu erkennen

und die texte, z.b. nutzungsbedingungen, richtig zu

deuten. hier kommen auch fragen der haftung hinzu,

wenn z.b. computer in Wohnheimen oder Wohnge-

meinschaften genutzt werden und abo-verträge ge-

schlossen werden. dort ist die computer-nutzung z.t.

an die anwesenheit von assistenz gebunden. dadurch

kann es zu verletzungen in der privat- und intimsphäre

kommen, so dass die assistenz eine vertrauensperson

ohne pädagogische interessen sein sollte. betroffene

finden es problematisch, sich z.b. in Kontaktplattfor-

men anzumelden und zu integrieren, wenn dies im bei-

sein der oftmals notwendigen assistenz geschieht.

7.1.7 ZuSaMMenfaSSunG

unterschiedliche behinderungsbedingte einschrän-

kungen führen dazu, dass von den in der Studie Web

2.0 barrierefrei befragten nutzern unterschiedliche

internetangebote bevorzugt werden, die ihren jewei-

ligen bedürfnissen entgegenkommen. neben den in-

formationsangeboten und e-commerce-Möglichkeiten,

die einen wesentlichen beitrag zur unterstützung der

Selbstbestimmung von Menschen mit behinderungen

leisten können, spielen Kommunikationsangebote und

communitys eine wichtige rolle.

Mittlerweile ist eine vielfalt an Kommunikations-

möglichkeiten vorhanden, die dem natürlichen Kom-

munikationsverhalten für verschiedene bedürfnisse

entgegenkommt, so dass besonders Menschen mit be-

hinderungen davon profitieren können. der Kommuni-

kationskreis kann durch Kontaktplattformen erweitert

werden.

91

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

7.2/KomplizierteSprache schafftBarrieren

Sprache beeinflusst die Mediennutzung ebenso wie

formale bildungsunterschiede, das soziale Milieu und

andere faktoren10. unterschiede im Sprachverhalten

spiegeln sich folglich – zunächst unabhängig vom vor-

liegen einer behinderung – in der Mediennutzung wi-

der. der im folgenden Kapitel hergestellte kausale Zu-

sammenhang zwischen unterschieden in der nutzung

von Wikis und behinderungsbedingtem Sprachverhal-

ten ist daher vor dem hintergrund vielfältig bedingter

Sprachunterschiede zu sehen.

Wikis, als beispiel sei hier Wikipedia genannt, weisen

einen hohen anteil überwiegend textbasierter informa-

tionen in form von artikeln zu bestimmten Stichwör-

tern auf. nach einschätzung der im februar 2007 vom

Marktforschungsinstitut result veröffentlichten Web

2.0- Studie11 liegt ein vorteil von Wikipedia in „der

verständlichen Sprache“12. Weiterhin gelten die bereit

gestellten informationen als umfangreich13. um artikel

der anwendung Wikipedia zu lesen, ist keine registrie-

rung erforderlich. beschrieben werden Wikis hier (vgl.

ebd.) als Medium der recherche, welches ähnliche

bedürfnisse wie die klassischen informationsmedien

abdeckt. Wikis sind populäre Web-2.0-anwendungen,

die von vielen internetnutzern in anspruch genommen

werden14. dies bestätigt auch die quantitative befra-

gung im rahmen Studie Web 2.0 barrierefrei für alle

befragten gruppen (vgl. Kapitel 5).

inwieweit sich die verständlichkeit der Wikipediatex-

te für die hier befragten bestätigt, ist gegenstand der

folgenden betrachtungen, die auch auf die unterschie-

de zwischen den befragten behinderungsgruppen in

der nutzung von Wikis eingehen. auf der basis der

ergebnisse der qualitativen befragung kann die hypo-

these aufgestellt werden, dass gehörlose, schwerhöri-

ge (ggf.) und nutzer mit lernschwierigkeiten probleme

beim lesen von Webseiten mit hohem textanteil und

komplizierten formulierungen erfahren. in den exper-

tengesprächen verwiesen die schwerhörigen experten

auf unterschiede hinsichtlich bildung und förderung

von schwerhörigen Kindern. durch unzureichende

(früh-) förderungen träten lese-rechtschreibschwä-

chen unter Schwerhörigen vergleichsweise öfter auf

als im bevölkerungsdurchschnitt. für viele von geburt

an gehörlose Menschen gilt die deutsche gebärden-

sprache (dgS) als Muttersprache. Schriftliche texte in

deutscher Sprache sind für die betroffenen etwa ver-

gleichbar mit texten in fremdsprache für Menschen,

die die deutsche Sprache als Muttersprache sprechen

und schreiben (vgl. hierzu Kapitel 2.2). ein experte für

gehörlosigkeit gab die auskunft, dass es für gehörlose

nutzer eine erschwernis sei, in foren die texte zu lesen

und zu verstehen.

10Vgl.hierzuStefanHradil:„DieHäufigkeitz.B.desFernsehens,desLesensvonBüchernundTageszeitungensowiedesSurfensimInternet isteineFragedesBildungsgrades,derMilieuzugehörigkeitunddersprachlichenSozialisation.“ (S.454, in:StefanHradil,„SozialeUngleichheit inDeutschland“,8.Auflage,2001,NachdruckNovember2005,VSVerlagfürSozialwissenschaften/GWVFach-verlageGmbH,Wiesbaden2005)

11„Web2.0“–EineBegriffsdefinitionundeineAnalysederAuswirkungenaufdasallgemeineMediennutzungsverhalten“,result,200712DieStudiefindetsichimInternetveröffentlichtaufderHomepagederresultGmbH,www.result.de,bereitgestelltunter:http://www.

result.de/assets/public/doc/web-2.0-studie_result_swr_februar_2007.pdf,hierS.22(eingesehenam13.04.09)13Vgl.ebd.14Vgl.ebd.

92

in den expertengesprächen „lernschwierigkeit“ wur-

de auf die oft mangelhaften lese- und rechtschreib-

kenntnisse hingewiesen, die nach einschätzung der

experten den umgang mit computer und internet

erschweren. Wikis waren in den gruppeninterviews

der Studie Web 2.0 barrierefrei mit Menschen mit

lernschwierigkeiten teilweise bekannt und wurden

vereinzelt genutzt. Zur nutzung von Wikis hieß es in

einem gruppeninterview mit nutzungserfahrenen in-

ternetnutzern mit lernschwierigkeiten, die bedienung

sei grundsätzlich einfach, aber oft müsse man lange

Scrollen, um die entsprechenden „fragen“ zu finden:

dies müsse man ein paar Mal benutzt haben. einer be-

fragten person war Wikipedia zwar bekannt, sie nutzt

es jedoch nicht: „da muss man ja auch arbeiten und

was reinschreiben“. laut dem gruppeninterview mit

gehörlosen internetnutzern im rahmen der qualita-

tiven befragung der Studie Web 2.0 barrierefrei ver-

fassten teilnehmer z.t. deshalb keine artikel, weil sie

verschriftlicht werden müssten. bei einer aufbereitung

für eine darstellung mit dgS über videos wäre auch

eine aktive nutzung vorstellbar, hieß es. auch beim le-

sen gehen – laut einer person – einige inhalte, je nach

sprachlichem ausdruck, für sie verloren.

die oben genannten aussagen unterscheiden nut-

zungsverhalten in „lesen“ und „Schreiben“. rezeptive

nutzung meint im folgenden „Wikis lesen“ und pro-

duktive nutzung „Wikis schreiben oder kommentieren“.

es ist anzunehmen, dass es den meisten behinderten

(und nichtbehinderten) nutzern mehr Schwierigkeiten

bereitet, „Wikis zu bearbeiten oder zu kommentieren“,

da der aufwand im vergleich zum lesen der inhalte im

allgemeinen als höher eingestuft werden kann.

7.2.1 VerGleiCHderleSeranteilederJeWeiliGenbefraGtenGruPPen

die zuvor formulierte hypothese der Schwierigkeiten mit einem hohen umfang schriftlicher informationen in

„nicht-leichter Sprache“15 scheint sich für die rezeptive nutzung zu bestätigen: in den gruppen der gehörlosen,

schwerhörigen, lese-rechtschreibschwachen (lrS) und lern-und geistigbehinderten befragten (kurz lb/gb) fin-

den sich weniger Wiki-leser im vergleich zu den sehbehinderten, blinden und motorisch beeinträchtigten be-

fragtengruppen (vgl. tabelle 7-1). vergleichsweise viele gehörlose nutzer erfahren zudem häufig probleme. die

problemquote liegt in dieser gruppe bei 26 %.

15DerBegriff„Nicht-leichteSprache“dienthierderDarstellungeinessprachlichenSchwierigkeitsgrades,welchersichandenformuliertenForderungenvonMenschenmitLernschwierigkeitennach„leichterSprache“anlehnt.Damitbezeichnet„nicht-leichteSprache“Ab-weichungenvondergeforderten„leichtenSprache“.

Tab.7-1:RezeptiveNutzungvonWikisundProblemebeim„Wikislesen“

behinderungsgruppen, nach nutzer-anteilen in aufsteigender folge

nutzung von„Wikis lesen“

probleme bei„Wikis lesen“

problemquote je gruppe

LRS(Lese-RechtschreibschwacheBefr.) 59% 20% **

Gehörlose 61% 16% 26%

LB/GB(Lern-u.geistigbeh.Befragte) 63% 20% **

Schwerhörige 68% 9% 13%

Sehbehinderte 79% 10% 13%

MotorischBeeinträchtigte 84% 5% 6%

Blinde 85% 8% 9%

**DieProblemquotenderLese-Rechtschreib-SchwachenundLern-undGeistigbehindertensindgeringfügighöher.

AufgrundderzugeringenBerechnungsbasisderNutzer(n<30) istdieBerechnungderProblemquote

hierjedochnichtsinnvoll.

93

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

Mit einer ausnahme gehen geringe leseranteile mit

hohen problemquoten einher und umgekehrt. in den

gruppen der motorisch beeinträchtigten und blinden

befragten gibt es die meisten Wiki-leser (84% und

85%), und für diese gruppen errechnen sich die nied-

rigsten problemquoten (6% und 9%)16. demgegenüber

lesen wenige gehörlose befragte Wikis (61%), die pro-

blemquote für gehörlose nutzer ist mit 26 % relativ

hoch. 59% der lese-rechtschreib-schwachen befrag-

ten lesen Wikis, 20% aller befragten dieser gruppe

geben probleme an ebenso wie die lern-und geistigbe-

hinderten befragten, von denen 63% Wikis lesen (vgl.

tabelle 7-1). auch ohne die betrachtung der problem-

quoten zeigt sich hier ein verhältnis zwischen relativ

seltener nutzung und vergleichsweise häufiger nen-

nung von problemen seitens der leser. eine ausnahme

bilden die schwerhörigen befragten: 68% lesen Wikis,

das sind deutlich weniger befragte als die ca. 80% der

sehbehinderten, blinden und motorisch beeinträchtig-

ten befragten, die Wikis lesen. es geben jedoch nur

9% aller schwerhörigen befragten probleme an. da-

mit errechnet sich für diese gruppe eine problemquo-

te von 13%, ebenso wie für die der Sehbehinderten

(13%) (vgl. ebd.).

auffällig ist auch, dass die nutzerraten der gehörlosen

befragten für weitere schriftsprachliche funktionen

niedrig sind. im vergleich mit den anderen gruppen

sind die nutzerraten dieser gruppe für „Kommentare

schreiben, Weblogs lesen, Weblogeinträge schreiben,

Wikis schreiben oder kommentieren“ die niedrigsten

(vgl. hierzu Kapitel 5). gehörlose befragte nutzen je-

doch visuelle Medien rezeptiv und produktiv ähnlich

häufig wie die anderen befragtengruppen, einige

funktionen und anwendungsbereiche sogar häufiger:

für „videos einbetten (12%), fotos einbetten (13%),

fotos ansehen (60%), fotos veröffentlichen (40%),

videos veröffentlichen (18%)“ sind die Zustimmungs-

werte der gehörlosen befragten vergleichsweise hoch.

in der quantitativen befragung der Studie Web 2.0

barrierefrei wird unzureichende „verständlichkeit“ au-

ßerdem auf die frage nach behinderungsbedingten

Schwierigkeiten von 48% der Wiki-leser genannt. als

„nicht-bedienbar“ bezeichnen im vergleich nur 20%

aller befragten Wiki-leser die anwendung17. auch bei

den offenen nennungen von Schwierigkeiten gibt es

mit 14 nennungen am häufigsten hinweise auf schwie-

rige Sprache. folgende probleme bzgl. der verständ-

lichkeit beim lesen von Wikis werden genannt:

„EinigeTextesindkompliziertundfürmichwäretoll,

miteinfacheSätzeoderGebärdenvideodazu.“

„Kompliziert.“

„VieleFremdwörterundFachbegriffe.“

die geringen nutzerzahlen in den gehörlosen, lese-

rechtschreibschwachen, lern- und geistigbehinderten

und schwerhörigen befragtengruppen sowie die häu-

fige nennung von Schwierigkeiten bzgl. der Sprache

stützen die annahme, dass ein Zusammenhang zwi-

schen den geringeren anteilen an Wiki-lesern in die-

sen gruppen und dem empfinden schwieriger Sprache

besteht.

7.2.2 beKanntHeitVonWiKiSiMVerGleiCH

ZuranZaHlVonWiKi-leSern

der bekanntheitsgrad von Wikis ist in allen gruppen

höher als der anteil der Wiki-leser in jeder gruppe. in

der gruppe der gehörlosen ist die differenz am höchs-

ten: 79% aller gehörlosen befragten kennen „Wikis,

z.b. Wikipedia“, 61% lesen diese. das ergibt eine diffe-

renz von 18% gehörloser befragter, welche Wikis ken-

nen, jedoch nicht lesen. im vergleich dazu kennen 87%

der motorisch beeinträchtigten befragten Wikis, und

84% lesen Wikis, so dass die gruppe Wiki-kennender

nichtnutzer hier vergleichsweise gering ist (vgl. tabel-

le 7-2). in den übrigen gruppen liegen die differenzen

zwischen Kennenden und nichtlesenden bei ca. 10%

der befragten (vgl. ebd.).

16DieNamenderNutzungenwurdenübernommenausdenErgebnissenderquantitativenBefragungimRahmenderStudiezurNutzungvonWeb-2.0AngebotendurchMenschenmitBehinderungen.

17InderBeschreibungerlebterSchwierigkeitensindausschließlichdieZustimmungswerteallernutzendenbefragtenBehindertenverfüg-bar.VerzerrungendurchüberproportionaleZustimmungenbzw.BeteiligungeneinzelnerGruppensindmöglich,jedochnichtsichtbar.

94

Tab.7-2:BekanntheitvonWikisimVerhältniszudenLesern

behinderungsgruppen, in aufsteigender fol-ge nach bekanntheit von „Wikis“

bekanntheit von „Wikis“

Wiki-leser (mind. 1 nutzungsversuch)

differenz:Wiki-kennende nichtleser

LRS(Lese-RechtschreibschwacheBefr.) 68% 59% 9%

Gehörlose 71% 63% 8%

LB/GB(Lern-u.geistigbeh.Befragte) 77% 68% 9%

Schwerhörige 79% 61% 18%

Sehbehinderte 87% 84% 3%

MotorischBeeinträchtigte 91% 79% 12%

Blinde 93% 85% 8%

abschließend ist für diejenigen, die Wikis kennen, je-

doch nicht lesen, zu vermuten, dass sie keinen anreiz

sehen, Wikis zu lesen, oder vorbehalte gegenüber dem

lesen der inhalte haben. aufgrund des befragungsde-

signs wurden nur die nutzer einer anwendung um die

nennung von problemen und qualitativen Kommen-

taren gebeten. daher konnten nichtnutzer keine aus-

künfte zu problemen, die sie erwarten oder vermuten,

geben. dennoch gibt die vergleichsweise hohe Zahl

gehörloser Wiki-Kenner, welche Wikis nicht lesen (und

vermutlich auch produktiv nicht nutzen) einen hinweis

darauf, dass sie sich bewusst gegen eine nutzung ent-

schieden haben.

7.2.3 ProduKtiVenutZunGVonWiKiS:

WiKiSSCHreibenoderKoMMentieren

für die produktive nutzung, d. h. „Wikis schreiben oder

kommentieren“ stellt sich im vergleich der nutzungen

von „Wikis lesen“ ein anderes nutzungsbild dar (vgl.

tabelle 7-3):

Zunächst sind die nutzerzahlen insgesamt niedriger

als in der rezeptiven nutzung. Zwischen 59% und 85%

aller befragten je gruppe lesen Wikis. die Werte für

„Wikis schreiben und kommentieren“ liegen mit 12%

bis zu 32% wesentlich niedriger. auch hier gibt es un-

terschiede bzgl. der nutzeranteile zwischen den be-

hinderungsgruppen. die lese-rechtschreib-schwachen

befragten zeigen sich hier im verhältnis zur rezeptiven

nutzerstärke (59%) und im vergleich zu den anderen

gruppen als nutzungsstark, mit 24% aktiven Wiki-

nutzern liegen sie auf rang 2. dagegen schreiben und

kommentieren nur 17% der blinden befragten Wikis im

verhältnis zu 85% blinder befragter, die „Wikis lesen“.

die sehbehinderten befragten zeigen sich produktiv:

im vergleich mit den anderen gruppen haben sie mit

32% befragten, die „Wikis schreiben oder kommentie-

ren“ den höchsten anteil produktiver nutzer. die prob-

lemquote für sehbehinderte nutzer liegt bei 9%.

die problemquote der rezeptiven nutzung von Wikis

für sehbehinderte nutzer ist mit 13% höher als die für

die produktive nutzung (9%). Somit lesen mehr seh-

behinderte befragte Wikis als „Wikis schreiben oder

kommentieren“, obwohl Sehbehinderte beim lesen

häufiger auf probleme stoßen18. für die gruppe der ge-

hörlosen lässt sich dies ebenfalls feststellen: die pro-

blemquote gehörloser Wiki-leser ist mit 26% höher

als die produktiver gehörloser nutzer (17%). dagegen

geben immerhin 10% der lese-rechtschreibschwachen

befragten probleme bei der produktiven nutzung von

Wikis an.

nutzer, die sich eine produktive nutzung zutrauen, zei-

gen sich den Schwierigkeiten demnach in den meisten

fällen gewachsen und geben vergleichsweise selten

probleme an (vgl. Kapitel 4.2.6). demgegenüber er-

warten die nichtnutzer möglicherweise einen hohen

aufwand, den sie sich nicht zutrauen oder sind weni-

ger interessiert am erstellen eines Wikis selbst bzw.

eines artikels oder Kommentars. die geringsten nutz-

erzahlen der gehörlosen befragten (12%) und die ge-

ringen der blinden befragten (17%) für die produktive

18FürdieanderenGruppenzeigtsicheineähnlicheTendenz.AufgrundderinsgesamtniedrigenNutzungswertefürdieproduktiveNutzung sinddieProblemquotenwertefürdieseGruppenjedochnurbedingtaussagefähig.

95

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

nutzung im vergleich zu der höchsten nutzerrate der

blinden befragten für „Kommentare schreiben“ (60%)

zeigen an, dass diese nichtnutzer im vergleich mit den

anderen gruppen ein geringeres nutzungsinteresse

haben, oder (im letzten fall) den aufwand im vergleich

zum „Kommentare schreiben“ höher einschätzen (vgl.

hierzu auch Kapitel 4.2.5).

Tab.7-3:ProduktiveNutzungvonWikisundProbleme

behinderungsgruppen, in aufsteigender fol-ge der nutzung von „Wikis schreiben u. kom-mentieren“

nutzungen /versuchte nutzun-gen von „Wikis schreien und kom-mentieren“

probleme bei„Wikis schreiben und kommentieren“

problemquote:quotient aus problemen u. nutzung /versuchter nutzung

LRS(Lese-RechtschreibschwacheBefr.) 12% 2% 17%

Gehörlose 17% - -

LB/GB(Lern-u.geistigbeh.Befragte) 17% 4% **

Schwerhörige 18% 1% **

Sehbehinderte 21% - -

MotorischBeeinträchtigte 24% 10% **

Blinde 32% 3% 9%

trotz niedriger problemquote ist auch davon auszuge-

hen, dass gehörlose, lese-rechtschreibschwache, lern-

und geistigbehinderte und ggf. auch schwerhörige in-

ternetnutzer auch beim Kommentieren und Schreiben

von Wikis zunächst verständnisschwierigkeiten erle-

ben würden. neben dem verfassen der texte selbst

setzt die produktive nutzung voraus, dass die schrift-

lichen anweisungen und erklärungen zum verfassen

eines artikels den nutzern klar verständlich sind. in

der quantitativen befragung gab es folgende hinweise

von befragten, die diese einschätzung unterstreichen.

Sie weisen außerdem darauf hin, dass auch negative

reaktionen auf eine veröffentlichung durch andere

nutzer die erfahrung kennzeichnen.

„Schreibe schlecht deutsch, möchte gerne schreiben,

aber trau mich nicht.“

„angepöbelt werden.“

„Manche felder sind einfach zu kompliziert zum finden,

bisher habe ich es nur einmal geschafft eine Änderung

auch wirklich ganz durchzuführen.“

96

7.2.4 ZuSaMMenfaSSunG

die eingangs formulierte hypothese, dass komplizierte

Sprache barrieren schafft, bestätigt sich für die stark

textbasierten Wiki-anwendungen. die hohe differenz

zwischen Wiki-Kennern und Wiki-lesern unter den ge-

hörlosen befragten gibt anlass zu der vermutung, hier

bestünden mehr vorbehalte gegenüber einer nutzung

oder weniger anreize für eine nutzung als für befragte

der anderen gruppen. Zusätzlich zeigt die hohe prob-

lemquote, dass gehörlose Wiki-leser vergleichsweise

häufiger probleme bei der rezeptiven nutzung von Wi-

kis erfahren als andere behinderte nutzer.

Weiterhin gelten die informationen in textformat in

Wikis auch den lese-rechtschreibschwachen, lern- und

geistigbehinderten, ggf. auch schwerhörigen nutzern

und anderen hier nicht untersuchten nutzergruppen

zumindest teilweise als benutzerunfreundlich. anbie-

ter und produktive nutzer von Wikis können die at-

traktivität der angebote für die hier genannten (und

vermutlich weitere) nutzergruppen dadurch steigern,

dass die sprachlichen inhalte verständlicher und ein-

facher formuliert, fremdworte expliziert erklärt und

abkürzungen aufgelöst werden.

die Motivation zur produktiven nutzung von Wikis

kann durch die bereitstellung einfacher erklärungen

zur handhabung der nutzung und die unterstützung

durch technische tools wie z. b. rechtschreibkontrol-

le gerade in den genannten nutzergruppen gesteigert

werden.

Mehr aufbereitungen von inhalten in dgS-videos

könnten außerdem dazu beitragen, diese sprachlichen

barrieren zu beseitigen. im hinblick auf Wikis ist aller-

dings die frage zu stellen, inwieweit eine umfassende

aufbereitung von inhalten, die durch die nutzer selbst

erstellt werden, durch dgS-videos technisch und fi-

nanziell überhaupt realisierbar wäre.

97

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

7.3/benutzerregistrierungalsVoraussetzungzurNutzung

die ergebnisse der qualitativen befragung der Studie

Web 2.0 barrierefrei geben hinweise darauf, dass sich

die verschiedenen nutzergruppen in ungleichen Ma-

ßen als benutzer registrieren. gehörlose auskunfts-

personen äußerten sich in den gruppeninterviews

zurückhaltend gegenüber registriervorgängen. in

verbindung mit der nutzung von Social networking Si-

tes und Kontaktplattformen gaben befragte an, diese

anwendungsfelder auch aufgrund von vorbehalten ge-

genüber einer benutzerregistrierung nicht zu nutzen.

einzelne personen befanden darüber hinaus, dass der

Mehrwert unklar sei, wenn man „niemanden kenne“,

d. h. zunächst keine Kontakte zu Mitgliedern der Soci-

al networking Site bestehen. Weiterhin wurde aufge-

führt, keine daten eingeben zu wollen für die regist-

rierung. die nutzung erschließe sich nicht von selbst

und sei zeitaufwendig, wenn die informationen zum

Zweck und ablauf der anwendung schriftsprachlich

ausgeführt seien. eine blinde auskunftsperson wies

im gruppeninterview der qualitativen befragung bei

„Social bookmarking“ auf einen hohen aufwand für die

registrierung aufgrund der schlechten benutzbarkeit

für die verwendeten endgeräte dieser nutzergruppe

hin. deshalb beschränkt sich ihr nutzungsverhalten

auf eine rezeptive nutzung der anwendung:

„ich gucke immer mal wieder rein aus interesse, hab

selber da auch noch nichts veröffentlicht drin groß,

weil das, weiß ich nicht…ich hab mir das nicht angetan,

diese registriergeschichten, weil das ja wirklich auch

meistens dann mit captchas und so ein Kram ist. aber

so nutzen tu ich das schon, also mal reinzugucken,

weil da sind ja immer mal wieder nette infos drin oder

auch tiny url habe ich genutzt ‚ne Weile.“

diesen hinweisen zufolge kann angenommen wer-

den, dass die entscheidung zur produktiven nutzung

einer anwendung, die in den meisten fällen eine re-

gistrierung voraussetzt, von dem erwarteten aufwand

der registrierung und dem Mehrwert der anwendung

abhängt. außerdem wird deutlich, dass bei unklarem

Mehrwert der anwendung möglicherweise von einer

nutzerregistrierung abgesehen wird. im folgenden ab-

schnitt werden daher die im rahmen der quantitativen

befragung erhobenen nutzerraten der benutzerregist-

rierung untersucht. anschließend erfolgt eine auswer-

tung der nutzerraten und problemquoten von funkti-

onen und anwendungsbereichen, die für gewöhnlich

eine registrierung erfordern. es ist anzunehmen, dass

sich vorbehalte gegenüber einer registrierung und un-

terschiedliche nutzungsintentionen anhand der nut-

zungs- und problemraten der befragten behinderungs-

gruppen zeigen lassen.

in diesem Kontext ist die benutzerregistrierung19 ein

vorgang innerhalb einer anwendung, welcher aus

Sicht der nutzer einen späteren Zugang zu bestimm-

ten (oder allen) anwendungsbereichen ermöglicht. oft

sind damit voreinstellungen für aktionen verbunden.

Weiterhin können nutzer und nutzerinnen über die

registrierung nutzungsrechte erwerben, wie z.b. rol-

len-, Zugriffs-, Schreib- und leserechte. Webseiten

können somit auch personalisiert dargestellt werden,

wie z.b. bei amazon: „guten tag herr/frau X! unsere

empfehlungen für Sie...“. durch die registrierung wer-

den die nutzer als solche anhand der von ihnen einge-

gebenen daten erkannt. gebunden an eine benutzer-

registrierung ist meistens die über eine Zustimmung

zu den agb s erfolgte aufklärung über rechte und

19DefinitiondesGlossarsdesWebangebotes“ISM3Consortium”:“UserRegistration(:)Processthatlinksuseraccountsandcertificatestoidentifiableusers,andmanagesthelifecycleofuseraccounts,certificatesandaccessrights”,zitiertaus:http://www.ism3.com/index.php?option=com_content&task=view&id=10&Itemid=13(eingesehenam13.04.09)

98

pflichten von nutzern und anbietern. der registrier-

vorgang schließt üblicherweise mit der eingabe eines

grafischen Sicherheitscodes (captcha) oder anderen

Mechanismen zum Schutz vor Spam und Missbrauch

ab. im Zuge der registrierung erhalten die nutzer im

austausch die für das login erforderlichen Zugangs-

daten. die benutzerregistrierung kann sich auf die

anwendung als solche beziehen und der nutzung vor-

geschaltet sein, wie z. b. bei vielen Social networking

Sites, oder auf einen teilbereich bzw. funktionen der

anwendung beziehen, wie z. b. die Kommentierungs-

funktion in foren oder Wikis.

7.3.1 erMittelteProbleMquotenundnutZerratenVonbenutZerreGiStrierunG

die nutzerraten der benutzerregistrierung unterscheiden sich deutlich zwischen den untersuchten nutzergruppen.

nutzungsraten

Tab.7-4:NutzerratenderBenutzerregistrierungunddahinterliegenderFunktionensowieAnwendungsbereiche

behinde- rungsgrup-pen

nutzer-regis-trierung

Kom-ment.schr.

Wikis schr./komment.

nutzer-profil bearb.

freunde in SnS hinzuf.

Social book-marking

fotos hochlad./ veröf.

fotos einb.

videos hochl./veröf.

videos einb.

podcasts veröf.

B.mitLRS 34% 32% 24% 27% 24% 10% 29% 10% 10% 10% 2%

Gehörl.B. 36% 28% 12% 23% 17% 5% 40% 13% 18% 12% 1%

B.m.LB/GB.

41% 37% 17% 28% 20% 7% 30% 13% 13% 9% 2%

Schwerh.B. 53% 44% 18% 31% 23% 9% 45% 11% 19% 16% 5%

Motorischbeeintr.B.

71% 57% 21% 45% 24% 5% 36% 9% 9% 7% 6%

Sehbehin.Befragte

75% 59% 32% 56% 29% 12% 49% 16% 17% 16% 7%

BlindeBefragte

80% 60% 17% 48% 15% 2% 19% 1% 2% 4% 6%

die nutzerraten (vgl. tabelle 7-4) der gehörlosen (36

%), lern- und geistigbehinderten (41%) und der lese-

rechtschreibschwachen (34%) befragten bei der be-

nutzerregistrierung sind im vergleich mit der gruppe

der blinden nutzer (80%) niedrig. auffällig ist hier die

verglichen mit den anderen gruppen niedrigste prob-

lemquote der gehörlosen befragten von 14% (vgl. ta-

belle 7-5), da somit von den vergleichsweise wenigen

gehörlosen befragten, die sich schon einmal regist-

riert haben, ein geringer anteil probleme benennt. hier

wäre zu erwarten, dass mehr gehörlose befragte eine

funktion nutzen, bei der wenige gehörlose nutzer auf

probleme treffen. Wie in Kapitel 7.2 beschrieben wur-

de, schätzen vermutlich lese-rechtschreibschwache,

gehörlose und lern- und geistigbehinderte befragte

den aufwand der registrierung aufgrund des hohen

anteils an schriftsprachlichen informationen als hoch

ein. diese einschätzung erfolgt unabhängig von eige-

nen nutzungserfahrungen mit registriervorgängen,

da wenige nutzer aus der gruppe der gehörlosen be-

fragten probleme angeben (5%). So errechnet sich

für gehörlose nutzer eine niedrige problemquote von

14%. problematisch für gehörlose nutzer sind auch an-

dere Zugangsvoraussetzungen, wie sie von befragten

personen in der quantitativen befragung beschrieben

werden:

„Pflichteingabe von Telefonnummern. Bei einigen

Homepages wie Online-Versandhäusern etc. oder

beiderRegistrierungisteinePflichteingabevonTe-

lefonnummernerforderlich,aberaufGrundmeiner

Gehörlosigkeit ist dies nicht möglich, da ich kein

Telefonbesitze.“

daneben können die niedrigen nutzerraten auch an-

zeichen eines geringeren nutzungsinteresses sein. an-

wendungen und funktionen, die eine registrierung er-

fordern, sind einigen nutzergruppen weniger bekannt

oder für sie weniger attraktiv.

99

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

Tab.7-5:ProblemquotenfürBenutzerregistrierungunddahinterliegendeFunktionenundAnwendungsbereiche

Sehbehindert (n = 133)

blind (n = 124)

Schwerhörig(n = 96)

gehörlos (n = 260)

Motorisch behindert (n = 75)

lrS(n = 41)

lb/gb(n= 46)

Benutzerregistrie-rung

np 31%= pq 41%nu 75%

np 55%= pq 69%nu 80%

np 10%= pq 19%nu 53%

np 36%= pq 14%nu 5%

np 11%= pq 15%nu 71%

np 10%nu 34%

np 9%nu 41%

Nutzerprofilbearbeiten

np 17%= pq 30%nu 56%

np 28%= pq 58%nu 48%

np 2%= pq 6%nu 31%

np 2%= pq 9%nu 23%

np 9%= pq 20%nu 45%

np 2%nu 27%

np 4%nu 28%

FreundeinSNShinzufügen

np 7%= pq 24%nu 29%

np 6%nu 15%

np -nu 23%

np 2%= pq 12%nu 17%

np -nu 24%

np 2%nu 24%

np 2%nu 20%

Fotosveröffentli-chen

np 8%= pq 16%nu 49%

np 5%nu 19%

np 5%= pq 11%nu 45%

np 4%= pq 10%nu 40%

np 7%nu 36%

np 7%nu 29%

np 7%nu 30%

Fotoseinbetten np 5%nu 16%

np 0%nu 1%

np 1%nu 11%

np 1%= pq 8%nu 13%

np 1%nu 9%

np 2%nu 10%

np 2%nu 13%

Videosveröffentli-chen

np 2%nu 17%

np 1%nu 2%

np 1%nu 19%

np 2%= pq 11%nu 18%

np -nu 9%

np -nu 10%

np -nu 13%

Videoseinbetten np 2%nu 16%

np 2%nu 4%

np 0%nu 16%

np 2%= pq 17%nu 12%

np 1%nu 7%

np 0%nu 10%

np 0%nu 9%

Kommentareschreiben

np 15%= pq 25%nu 59%

np 18%= pq 30%nu 60%

np 8%= pq 18%nu 44%

np 6%= pq 21%nu 28%

np 16%= pq 28%nu 57%

np 15%nu 32%

np 9%nu 37%

Wikisschreibenoderkommentieren

np 3%= pq 9%nu 32%

- - np 2%= pq 17%nu 12%

- np 10%nu 24%

-

funktion /anwendung

problemquote = quotient aus problemen und nutzung/versuchter nutzung

legende: nutzer mit problemen (np) = problemquote (pq)nutzung/nutzungsversuch (nu)

Sehbehinderte und blinde nutzer erleben von diesen

problemquoten ausgehend besonders häufig Schwie-

rigkeiten bei der registrierung. für sehbehinderte

nutzer liegt die problemquote bei registriervorgän-

gen bei 41%, für blinde nutzer bei 69% (vgl. tabelle

7-5). befragte der quantitativen befragung der Studie

Web 2.0 barrierefrei gaben neben beschwerden über

die pflichteingabe von captchas folgende hinweise zur

registrierung20:

„Häufigweißmannicht,wasindieFeldereingege-

benwerdenmuss.AlsokeinesaubereVerknüpfung

vonFeldnameundEingabefeld(z.B.NameoderVor-

name).“

„IchmussoftdieMeldungenvomSystemumständ-

lichsuchen,dasieamSeitenanfangoderamSeite-

nendestehen.OftwerdendieEingabendiegemacht

werden sollen nicht richtig erläutert, besonders

beim downloaden vonUpdates oder der Nutzerre-

gistrierung.“

die nutzerrate in der gruppe der blinden befragten

ist mit 80% die höchste (vgl.tabelle 7-4). die hohen

nutzerraten der motorisch beeinträchtigten (71%),

sehbehinderten (75%) und blinden (80%) befragten

verdeutlichen ein stark verbreitetes interesse dieser

gruppen für anwendungen bzw. funktionen, die eine

registrierung erfordern.

20SchriftlicheAngabenvonBefragtenderquantitativenBefragungzuSchwierigkeitenbei„AlsBenutzerregistrieren“

100

7.3.2 reGiStrierunGerforderndefunKtionen

undanWendunGSbereiCHe

in der quantitativen befragung wurden nutzungsver-

suche und Schwierigkeiten für insgesamt 19 funkti-

onen bzw. anwendungsbereiche untersucht. für die

folgenden zehn ist davon auszugehen, dass eine be-

nutzerregistrierung im allgemeinen erforderlich ist

(vgl. tabelle 7 5):

• Kommentare schreiben

• fotos veröffentlichen

• nutzerprofil bearbeiten

• freunde in SnS (Social networking Sites)

hinzufügen

• Wikis schreiben oder kommentieren

• videos veröffentlichen

• fotos einbetten

• videos einbetten

• Social bookmarking

• podcasts veröffentlichen

die benutzbarkeit und nützlichkeit dieser funktionen

und anwendungsbereiche, für die eine benutzerregis-

trierung gefordert wird bzw. erfolgen muss, sowie ggf.

bestehende optionen im falle der verweigerung einer

registrierung müssen bei der analyse von akzeptanz

und barrieren für den vorgang der benutzerregistrie-

rung mitbedacht werden.

die abhängigkeit der zuvor genannten funktionen und

anwendungsbereiche von der benutzerregistrierung

bedingt, dass die nutzerrate einer befragtengruppe

für eine dieser funktionen theoretisch nicht höher sein

kann als die nutzerrate der gleichen befragtengruppe

für die funktion „als benutzer registrieren“. dies trifft,

wie tabelle 7-5 zeigt, für alle befragtengruppen zu.

lediglich die nutzerrate der gehörlosen befragten für

„fotos veröffentlichen“ bildet eine ausnahme: Während

nur 36% der gehörlosen befragten angeben, zumin-

dest einmalig eine benutzerregistrierung versucht zu

haben, geben 40% der befragten an, sich zumindest

einmalig an der veröffentlichung von fotos versucht zu

haben. demnach veröffentlicht ein anteil der gehörlo-

sen befragten fotos außerhalb von foto- oder anderen

communitys, z.b. auf einer eigenen Webseite, wo ein

registriervorgang nicht erforderlich ist.

um zu prüfen, inwieweit auffälligkeiten der nutzer-

raten und problemquoten auf Schwierigkeiten bzw.

vorbehalte gegenüber einer benutzerregistrierung zu-

rückzuführen sind, werden im folgenden erwartungs-

gemäße von überraschenden auffälligkeiten unter-

schieden und erläutert. dabei dienen aussagen aus der

qualitativen befragung der Studie Web 2.0 barrierefrei

der erklärung erwartungsgemäßer auffälligkeiten.

außerdem sind aussagen der ard/Zdf-onlinestudie

200821 an dieser Stelle hilfreich, um allgemeine auffäl-

ligkeiten in der onlinenutzung 2008 darzulegen.

allen untersuchten funktionen und anwendungsbe-

reichen gemein ist die öffentliche Sichtbarkeit der tä-

tigkeiten innerhalb einer bestimmten community und/

oder in der onlinecommunity insgesamt. die interes-

sen an öffentlicher gestaltung und bereitstellung von

inhalten sind allgemein weniger verbreitet als das inte-

resse an der aufnahme von inhalten. deshalb sind die

vergleichsweise niedrigen nutzerraten für produktive

nutzungen zunächst unauffällig. theoretisch ist mög-

lich, dass der aufwand der benutzerregistrierung in

einigen fällen die entscheidung gegen eine produkti-

ve nutzung beeinflusst. bislang gibt es jedoch keine

quellen, die einen solchen Zusammenhang belegen.

die nutzerraten der lese-rechtschreibschwachen und

lern-und geistigbehinderten befragten liegen für die

produktiven nutzungen insgesamt (vgl. tabelle 7-5)

fast durchgängig im unteren bis mittleren bereich im

vergleich mit den anderen gruppen22 (vgl. hierzu auch

Kapitel 5). hier ist als grund sicher die tendenziell

schlechtere technische ausstattung der Menschen mit

lernschwierigkeiten zu nennen. Zugleich ist aufgrund

der behinderung „lernschwierigkeiten“ von einem er-

höhten aufwand und Schwierigkeitsgrad bei der nut-

zung und beim lernen des umgangs mit den verschie-

denen anwendungen, die eine produktive nutzung

21Vgl.hierdenArtikelvonFisch/Gscheidle„MitmachnetzWeb2.0:RegeBeteiligungnurinCommunitys“in:MediaPerspektiven7/2008, S.356-364.22MitAusnahmederrelativhohenNutzerratenderlese-rechtschreibschwachenBefragtenvon10%für„SocialBookmarking“und24%für „FreundeinSNShinzufügen“und„Wikisschreibeno.kommentieren“(vgl.Tab.7-4).

101

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

ermöglichen, auszugehen. die Medien- und internet-

kompetenz ist in dieser gruppe aufgrund der angaben

dieser befragten als weniger ausgeprägt einzuschät-

zen. produktive nutzungen erfordern gemeinhin eine

höhere Medienkompetenz als rezeptive nutzungen,

wodurch die geringeren nutzerraten dieser gruppen

ebenfalls erklärt werden können. Je nach funktion und

anwendung kann hier ebenso von individuellen barri-

eren wie von anwendungsbedingten barrieren gespro-

chen werden, da viele der Webanwendungen, die eine

produktive nutzung ermöglichen, das potential der

einfachheit der bedienung noch nicht ausschöpfen.

die nutzerraten dieser produktiven nutzungen ver-

deutlichen darüber hinaus, dass sich das interesse

an der nutzung der anwendung vor allem abhängig

von den genutzten Medien text, audio und video un-

terscheidet. relativ unabhängig von der behinderung

sinken dagegen die nutzerraten von schriftlichen

Kommentierungen (allgemein) mit der reichweite der

veröffentlichung und dem steigenden aufwand eines

eintrages bei „Wikis schreiben o. kommentieren“ (vgl.

tabelle 7-4).

7.3.3 SCHriftliCHebeiträGe

die in tabelle 7-4 vorgestellten funktionen „Kommen-

tare schreiben“ und „Wikis schreiben oder kommentie-

ren“ basieren gewöhnlich auf dem einsatz von Schrift-

sprache. die interessen der nutzer bzw. nutzerinnen

liegen hier wahrscheinlich überwiegend in der öffent-

lich sichtbaren gestaltung und information und spe-

ziell für „Kommentare schreiben“ in der öffentlichen

Kommunikation. für die dargestellten nutzerraten ist

deshalb anzunehmen, dass befragte erstens abhängig

von ihren einstellungen und Kompetenzen gegenüber

schriftlichen veröffentlichungen die funktionen „Kom-

mentare schreiben“ und „Wikis schreiben oder kom-

mentieren“ nutzen und zweitens abhängig von ihrem

interesse an öffentlicher Kommunikation, gestaltung

und information.

die niedrigeren nutzerraten der lese-rechtschreib-

schwachen (s. o.), lern- und geistigbehinderten, ge-

hörlosen und schwerhörigen befragten gegenüber den

höheren nutzerraten von sehbehinderten, motorisch

beeinträchtigten und blinden befragten für „Kommen-

tare schreiben“ bestätigen ein erwartetes nutzungs-

bild23 dieser gruppen. gehörlosen nutzern ist nach

aussage des befragten experten der qualitativen be-

fragung der Studie Web 2.0 barrierefrei eine diskussi-

onskultur, wie sie über schriftliche Kommentierungen

und blogs stattfindet, eher fremd. literarische veröf-

fentlichungen, Meinungsaustausch und diskussionen

sind seiner ansicht nach nicht teil einer gehörlosen-

kultur (vgl. auch Kapitel 5). die nutzerrate der blinden

befragten ist mit 60% die höchste, ebenfalls stellt die

für blinde nutzer errechnete problemquote mit 30%

den höchstwert dar.

die unterschiede in den nutzerraten zwischen den be-

fragten nutzergruppen für „Wikis schreiben und kom-

mentieren“ sind geringer. Zudem sind die nutzerraten

für die funktion insgesamt niedriger. die höchste nut-

zerrate verzeichnen die sehbehinderten befragten mit

32% (vgl. tabelle 7-4). die niedrigeren nutzerraten für

„Wikis schreiben und kommentieren“ im vergleich zu

„Kommentare schreiben“ erklären sich durch den höhe-

ren aufwand im vergleich mit bspw. Kommentierungen

in foren. Zusätzlich ist anzunehmen, dass der höhere

grad an Öffentlichkeit bedingt durch die reichweite

der veröffentlichung, z.b. eines Wikipedia-eintrages,

eine hohe Schwelle für die entscheidung zur produkti-

ven nutzung darstellt (s. o.).

auffällig ist hier die geringe nutzerrate der blinden

befragten bei „Wikis schreiben und kommentieren“

von nur 17% im vergleich zur hohen nutzerrate bei

„Kommentare schreiben“ (60%) (vgl. tabelle 7-4). für

die blinden befragten scheinen die anreize, artikel

oder Kommentare in Wikis zu schreiben, gegenüber

Kommentierungsfunktionen anderer anwendungen

deutlich geringer zu sein. probleme geben nur 4% der

befragten blinden an, 17% haben diese funktionen

zumindest einmalig genutzt (oder versucht zu nutzen).

die geringe prozentzahl blinder befragter, die proble-

me angibt, täuscht über eine möglicherweise schwie-

rige benutzbarkeit hinweg. So gibt eine person in der

quantitativen befragung diesen hinweis: 23Vgl.hierzudieErgebnisseinKapitel5und6,diegehörlosenund schwerhörigenBefragtenbetreffend.

102

„GrafischeZugangs-Codes,zwarnichtbeiWikipedia,

aber bei anderenWikis, können vonmeinenHilfs-

mittelnnichtübersetztwerden.“

die befragten experten wiesen in der qualitativen

befragung darauf hin, die nutzung von Wikis sei teil-

weise wegen der captchas unzugänglich und editieren

für blinde nutzer nicht möglich, da der editor grafisch

basiert sei (vgl. zur Übersicht der barrieren für die nut-

zergruppen Kapitel 5). der editor sei „gewöhnungsbe-

dürftig“ wurde auch im ersten gruppeninterview mit

blinden auskunftspersonen geäußert. andererseits

gäbe es extra-tools zum verfassen von texten, die an-

schließend hochgeladen werden.

7.3.4 MitGliedSCHaftinCoMMunitieS

unter dem begriff „online-communities“ werden

verschiedene arten von gemeinschaftsplattformen

im internet erfasst, wie Social networking Sites (z.b.

„MySpace“, „studivZ“), videocommunities (z.b. „you-

tube“) oder fotocommunities (z.b. „flickr“). Sie er-

möglichen den nutzern und nutzerinnen vernetzung,

veröffentlichung von inhalten innerhalb (und außer-

halb) der community, informationsfindung und bieten

unterhaltung24. die in der quantitativen befragung un-

tersuchten funktionen „nutzerprofil bearbeiten“ und

„freunde in SnS hinzufügen“ beziehen sich auf com-

munitynutzung im allgemeinen und auf die nutzung

von Social networking Sites im Speziellen („freunde

in SnS hinzufügen“). Medien wie fotos, ggf. auch vi-

deos oder audiopodcasts können die darstellung des

eigenen profils ergänzen25.

die nutzerraten für „nutzerprofil bearbeiten“ sind ins-

gesamt höher als die nutzerraten für „freunde in SnS

hinzufügen“(vgl. tabelle 7-4). die höchsten nutzerra-

ten unterscheiden sich deutlich: Während die nutzer-

raten der motorisch beeinträchtigten, sehbehinderten

und blinden befragten für „nutzerprofil bearbeiten“

zwischen 45% und 56% liegen, variieren sie in den

gleichen befragtengruppen für „freunde in SnS hinzu-

fügen“ zwischen 15% und 29%.

die erstellung und ggf. bearbeitung eines nutzerpro-

fils ist eine voraussetzung der produktiven nutzungen

vieler online-communities. demgegenüber bezieht

sich „freunde in SnS hinzufügen“ ausschließlich auf

die nutzung von Social networking Sites. Mehr be-

fragte insgesamt nennen daher die profilbearbeitung

im vergleich zu „freunde in SnS hinzufügen“. einige

auffälligkeiten bedürfen jedoch weiterer erklärungen:

auffällig bleibt, dass die niedrigste nutzerrate der blin-

den befragten für „freunde in SnS hinzufügen“ von nur

15% der im vergleich mit den anderen gruppen zweit-

höchsten bekanntheitsrate von 47% für Social networ-

king Sites entgegensteht (vgl. tabelle 7-6). bei einem

so gesehen bekannten angebot liegt es nahe, dass es

von vielen blinden befragten auch genutzt wird.

24„CommunityserfüllenihrenNutzernebenfallsdenWunsch,sichzu präsentieren und zu vernetzen“,(ebd.) heißt es bei Fisch/Gscheidle „Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur inCommunitys“ (in:Media Perspektiven 7/2008, S. S. 363). DieIntensivierung und Pflege von Kontakten, die bereits in derOffline-Weltbestehen, scheintnachdenErgebnissenderARD/ZDF- Studie ein wesentliches Nutzungsinteresse darzustellen:Das„StöberninProfilenandererMitglieder“,diemitdemNut-zerbekanntsind,sowiedas„SchreibenvonBeiträgenundKom-mentaren innerhalb der Community gehör(en) zu den wichtig-sten Funktionen“ (ebd. S. 362, und vgl. hierzu auch S. 363,1. Abs.). Vgl. hierzu auch die „Web-2.0“ –Studie von Result,S.9-15.

25EinNutzerprofilkanndarüberhinausinweiterenAnwendungen

erstelltwerden,wiez.B.inFormeinesKundenkontosinAuktions-oderVersandhäusern.EineBearbeitungbzw.AktualisierungdesNutzerprofilsistinCommunityanwendungenallerdingswichtiger,da es als Visitenkarte fungiert und innerhalb der Communityveröffentlichtwird.

103

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

Tab.7-6:NutzungundBekanntheitvonCommunities

bekanntheit u. nutzung von SnS je gruppe

blinde b. Sehb. b. Motorisch b. b.

Schwerh. b.

gehörl. b. lrS-b. lb/gb-b.

FreundeinSNShinzufügen

15% 29% 24% 23% 17% 24% 20%

Nutzerprofilbearbeiten

48% 56% 45% 31% 23% 27% 28%

BekanntheitSNS 47% 55% 44% 37% 25% 34% 22%

BekanntheitKontaktportale

32% 46% 44% 31% 18% 27% 22%

BekanntheitFoto-communities

73% 62% 43% 21% 8% 29% 24%

BekanntheitVideo-communities

45% 68% 59% 52% 48% 46% 48%

BekanntheitChat 66% 66% 71% 73% 70% 46% 56%

BekanntheitMessenger

68% 69% 71% 74% 77% 54% 41%

eine erklärung für die niedrige nutzerrate der blinden

befragten liegt im starken informationsinteresse die-

ser gruppe (vgl. Kapitel 4.2.1). Möglicherweise liegt

hier ein nutzungsverhalten von Social networking

Sites vor, das weniger auf vernetzung von Kontakten

(„freunde in SnS hinzufügen“) ausgerichtet ist, son-

dern mehr auf informationsgewinn durch das Stöbern

in profilen anderer Mitglieder. Zwei blinde befragte be-

schreiben in den gruppeninterviews den hauptnutzen

darin, dass eine gezielte informationsweitergabe und

recherche möglich sei, wie auch einfach mal „stöbern“

nach interessanten inhalten26. eine auskunftsperson

nutzt in SnS auch hinweise auf andere profile und fo-

ren, die sich von Suchergebnissen der Suchmaschinen

unterscheiden. diese lieferten ihrer aussage nach im-

mer die gleichen ergebnisse. andere blinde auskunfts-

personen gaben im gruppeninterview an, SnS ebenso

für die Kontaktpflege zu nutzen.

außerdem bestehen für blinde nutzer barrieren beim

hinzufügen von freunden in SnS. in dem gruppenin-

terview erfolgten einige hinweise auf bedienschwie-

rigkeiten von Social networking Sites. es hieß bspw.,

Social networking Sites seien häufig „zugemüllt“ mit

Werbung, bannern oder elementen, die sich bewegen.

Weiterhin wurde aufgeführt:

• orientierung schwierig z.b. (auf ezboard.com)

• falsch oder nicht gelabelte eingabefelder,

besonders bei komplexen eingaben

• eingabefelder in tabellen, die schlecht

linearisiert sind

• bei der nutzung sei allgemein „Mitdenken…

angesagt.“ (o-ton)

auch in der quantitativen befragung wiesen befragte

auf folgende konkrete bedienschwierigkeiten beim

hinzufügen von freunden hin:

„(…)BeiStudiVZmüssenz.B.beimHinzufügenvon

FreundendieseBildcodeseingegebenwerden.“

„(…)Außerdemweißmanimmernicht,obeinklick

auf`zumFreundmachen´erfolgreichwar,weilkeine

neueSeitekommt,sondernüberAjaxdievorhande-

neSeiteaktualisiertwird.“

die barrieren, die blinde nutzer bei dieser funktion er-

leben, sind jedoch nicht die primäre ursache für die

geringen nutzerraten27. Wahrscheinlich brechen viele

blinde nutzer schon vor dem hinzufügen von Kontak-

ten die nutzung der anwendung ab. die hohen prob-

lemquoten für blinde nutzer von 55% für die benut-

26InderAuswertungderARD/ZDF-OnlinestudiestanddiesesNutzerverhaltenfürdieNennung„täglich“anersterStelle:16%allerNutzervonSocialNetworkingSitesstöberntäglichinProfilenandererMitgliederund38%wöchentlich.3%allerNutzeraktualisierentäglichihrProfil,nur17%nie(21%wöchentlich;27%monatlich;31%seltener)(vgl.Fisch/Gscheidle„MitmachnetzWeb2.0:RegeBeteiligungnurinCommunitys“in:MediaPerspektiven7/2008,S.363)

27DieNutzerratenzeigenauchNutzungsversuchean.GezähltwurdenEingabenaufdieFrage:„HabenSie….schongetanoderversucht

zutun?“

104c

zerregistrierung und 58% bei der profilbearbeitung

zeigen barrieren zu beginn der nutzung der anwen-

dung an. auch für sehbehinderte nutzer liegen barrie-

ren vor der nutzung: die relativ hohen problemquoten

von 41% für die benutzerregistrierung und 30% für die

profilbearbeitung weisen darauf hin. immerhin 29%

der sehbehinderten befragten fügen dennoch in So-

cial networking Sites freunde hinzu. dies zeigt, dass

blinde nutzer stärker von barrieren betroffen sind und

ggf. weniger interessiert sind an Kontakten auf Social

networking Sites (s. o.).

in der gruppe der motorisch beeinträchtigten befrag-

ten sind vergleichsweise wenig jüngere auskunfts-

personen vertreten. nur 15% aller motorisch beein-

trächtigten befragten sind zwischen zwanzig und

neunundzwanzig Jahre alt, unter zwanzig ist keine be-

fragte person mit dieser beeinträchtigung28. da nach

angaben der ard/Zdf-onlinestudie 2008 vorrangig

jüngere onliner bis zum 29. lebensjahr Jahre Social

networking Sites nutzen29, wäre somit eine geringere

beteiligung dieser „älteren“ befragtengruppe im ver-

gleich zu den anderen befragtengruppen und zu der

gesamtheit deutscher onliner zu erwarten. dass den-

noch mindestens 24% der motorisch beeinträchtigten

befragten Social networking Sites nutzen, spricht für

ein altersunabhängig hohes nutzungsinteresse dieser

gruppe am anwendungstyp.

auffällig ist auch die niedrige nutzerrate der gehörlo-

sen befragten (17%) für „freunde in SnS hinzufügen“.

Sie knüpft an den zweitniedrigsten bekanntheitsgrad

dieser gruppe von 25% für Social networking Sites

an. Social networking Sites sind in der gruppe der ge-

hörlosen befragten damit wenig bekannt und werden

nicht von vielen genutzt.

profile werden in vielen arten von communities und

auch in e-commerce-anwendungen erstellt, beziehen

sich also nicht nur auf einen anwendungstyp. bei der

betrachtung der nutzerraten der befragtengruppen

für „nutzerprofil bearbeiten“ ist die differenz zwi-

schen höchster nutzerrate (56% der sehbehinderten

befragten) und niedrigster nutzerrate (23% der gehör-

losen befragten) auffällig und nicht erwartungsgemäß

(vgl. tabelle 7-4). für die befragtengruppen gehörlose,

lese-rechtschreibschwache, lern- und geistigbehin-

derte und Schwerhörige ist zunächst nicht von einem

niedrigeren nutzungsinteresse auszugehen.

in den gruppen der motorisch beeinträchtigten, sehbe-

hinderten, und blinden befragten, welche für „nutzer-

profil bearbeiten“ vergleichsweise hohe nutzerraten

verzeichnen (vgl. tabelle 7-6), sind Social networking

Sites, fotocommunities und auch Kontaktportale ver-

gleichsweise vielen befragten bekannt (vgl. tabelle

7-6). die gruppen der gehörlosen-, lese-rechtschreib-

schwachen-, lern- und geistigbehinderten-, und

schwerhörigen befragten geben mit Werten zwischen

23% und 31% niedrigere nutzerraten für „nutzerprofil

bearbeiten“ an. befragten dieser gruppen sind com-

munities und Kontaktportale vergleichsweise seltener

bekannt30. trotz der geringen bekanntheit von foto-

communities in den gruppen der gehörlosen (8%) und

schwerhörigen befragten (21%) liegen die nutzerraten

dieser befragtengruppen für „fotos veröffentlichen“

bei 40% und 45% (vgl. tabelle 7-4). demnach werden

fotos von diesen nutzergruppen vorrangig außerhalb

von communities veröffentlicht.

nach informationsfindung ist die Kommunikation ein

wichtiges nutzungsziel für die befragten nutzergrup-

pen (vgl. Kapitel 4.2.1), dem communities in form von

vernetzung, veröffentlichung von inhalten und allge-

28ImVergleichsindzusammengerechnet30%derdeutschenOnliner(2007)zwischen14(12%)und29(18%)Jahrenalt.2008nutztennachAngabenderARD/ZDF-Online-Studie25%derOnlinenutzerprivateund6%beruflicheSocialNetworkingSites,unddiesesindgrößtenteilsunter30Jahren:„BeidenTeenagernisteineeigenePräsenzineinschlägigenCommunitysschonsoselbstverständlich

(61%)wie die eigene Playstation. Auch die Twens sindmehrheitlich (53%) registriert. Ältere sind dagegen selten vertreten (…).“Zusammengenommensind29%derüber30Jährigeninprivatenund18%inberuflichenNetzwerkenregistriert.(vgl.vgl.hierzuFisch/Gscheidle„MitmachnetzWeb2.0:RegeBeteiligungnur inCommunitys“ in:MediaPerspektiven7/2008,S.356-364,S.362sowieTabelle5„Web-2.0-Nutzung2008nachGeschlechtundAlter“,S.359)

29vgl.ebd.30Eine Ausnahme bilden die Bekanntheitsgrade für „Videocommunities“. Fast die Hälfte aller Befragten jeder Gruppe kennt Video-

ommunities(zwischen45%(bl.B.)und69%(sehb.B.)(vgl.Tab.7-6)

105

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

mein Kontaktpflege rechnung tragen. Kommunikation

und Mitgliedschaft wird in dieser form von den hier be-

fragten gehörlosen, schwerhörigen, lese-rechtschreib-

schwachen und lern-und geistigbehinderten Menschen

weniger angenommen, als in den gruppen der sehbe-

hinderten, motorisch beeinträchtigten und blinden be-

fragten. nach ansicht der befragten schwerhörigen ex-

perten der qualitativen befragung bietet insbesondere

chat eine Möglichkeit, die erschwerte lautsprachliche

Kommunikation schriftlich zu kompensieren und sich

schnell und unkompliziert zu verständigen und auszu-

tauschen. Sie würden der erfahrung nach von schwer-

hörigen usern viel genutzt, sowohl beruflich wie privat.

gehörlose auskunftspersonen gaben in den gruppen-

interviews an, chat werde gerne und viel genutzt, so-

wohl schriftlich als auch mit Webcam (videochat). als

anwendungsbeispiele wurden hier camfrog, oovoo,

MSn und aiM geannt. Schriftlicher, textbasierter chat

würde dabei zum schnellen informationsaustausch

genutzt und videochat für längere und persönlichere

gespräche. Zu näheren informationen bzgl. des Kom-

munikationsverhaltens gibt Kapitel 4.2.3 auskunft

auskunft. aufgrund der bekanntheitsgrade von chat

und Messengern31 (vgl. tabelle 7-6) in den gruppen

der gehörlosen und schwerhörigen befragten ist an-

zunehmen, dass gehörlose und schwerhörige nutzer

eher chat- und Messengeranwendungen zu Kommuni-

kationszwecken nutzen als communities, auch wenn

diese teilweise bereits chat-funktionen in die angebo-

te integrieren32.

7.3.5 SoCialbooKMarKinG

„Social bookmarking“ bietet über das tagging-Konzept

(gemeinschaftliches indexieren) einen Mehrwert zur

vernetzung von informationen und personen, da jeder

nutzer bzw. jede nutzerin etwas zur verschlagwor-

tung der bookmarks (lesezeichen) beitragen kann. Mit

der vernetzung kommt es folgerichtig auch zu einem

Zuwachs an information und ggf. auch Kommunikation,

da z.b. bessere Suchergebnisse, neue Kategorienzu-

weisungen, Sichtweisen und Zusammenhänge erzeugt

werden können.

in der betrachtung der nutzerraten für Social book-

marking sind die niedrigen nutzerraten insgesamt

auffällig. im vergleich zu anderen Web 2.0- angeboten

ist der aufwand für die erschließung des Mehrwertes

der anwendung höher. das Konzept ist zudem meis-

tens auf den informationsaustausch begrenzt, das

funktionsspektrum also im vergleich zu anderen Web

2.0-angeboten (z.b. networkingsites) schmal. einzel-

ne aussagen in den gruppeninterviews der qualitati-

ven befragung lieferten einerseits hinweise auf einen

prinzipiellen Mehrwert des anwendungstyps, anderer-

seits ist vielen befragten der anwendungstyp generell

unbekannt. auch in der „Web-2.0“- Studie (2007) von

result wird der anwendungstyp nicht zu den „wich-

tigsten „Web 2.0“ – angebote(n)“ gezählt33.

der relativ deutliche unterschied zwischen der nutzer-

rate der sehbehinderten befragten (12%) und der der

blinden befragten (2%) (vgl. tabelle 7-4) resultiert ne-

ben der unbekanntheit des angebots und des schwer

einzuschätzendes Mehrwertes vermutlich auch aus

den im registriervorgang enthaltenen barrieren für

blinde nutzer (vgl. auch Kapitel 6).

31NutzerratenliegenfürdieseAnwendungenleidernichtvor.32Vgl. Fisch/Gscheidle inMedia Perspektiven7/2008 (S.356): „Diemeisten dieser virtuellen Gemeinschaften, zumBeispiel StudiVZ

oderWer-kennt-wen?,habenE-Mail-undChat-FunktionalitätinihreAngebotebereitsintegriert(…).“33„Web2.0“–EineBegriffsdefinitionundeineAnalysederAuswirkungenaufdasallgemeineMediennutzungsverhalten“,Result,Köln1.Februar2007,S.21ff.

106

7.3.6 erStellenundVerKnÜPfen

MultiMedialerinHalte

im folgenden abschnitt wird die produktive nutzung

von funktionen, die multimediale formate einbinden

(vgl. tabelle 7-4), auf überraschende und erwartungs-

gemäße auffälligkeiten hin untersucht. auch diese

funktionen setzen in den meisten fällen eine benut-

zerregistrierung voraus. häufig werden sie in der an-

wendungsform einer community angeboten, wie z.b.

die fotocommunity „flickr“ oder die videocommunity

„youtube“34.

als vorannahme gilt, dass der Zuwachs multimedialer

inhalte sowohl vorteile als auch nachteile für behin-

derte nutzer bzw. nutzerinnen mit sich bringt. inhalte,

welche von nutzern für andere nutzer erstellt werden

(sog. „user generated content“), genügen in der regel

in geringerem Maße den anforderungen an barriere-

freiheit als inhalte professioneller anbieter, da bei den

meisten nicht behinderten nutzern nicht vorausgesetzt

werden kann, dass sie von der notwendigkeit z. b. be-

schreibender alternativtexte für bilder Kenntnis haben.

es ist denkbar, dass der Zuwachs multimedialer inhalte

im internet speziell die barrieren für Wahrnehmungs-

behinderte erhöht, sofern entsprechende aufbereitun-

gen fehlen. andererseits bieten diese entwicklungen

auch einen Zuwachs an Kompensationsmöglichkei-

ten für Wahrnehmungsbehinderte. offline-barrieren

können ggf. online überwunden werden. dies können

z.b. videofunktionen für die Kommunikation per dgS-

videos für die gehörlosen sein oder für blinde und

Sehbehinderte der Zuwachs auditiver Medienformate

im internet (vgl. hierzu zum nutzungsverhalten insge-

samt Kapitel 5).

für „eigene fotos hochladen/veröffentlichen“ ver-

zeichnen die sehbehinderten befragten mit 49% die

höchste nutzerrate (vgl. tabelle 7-4). auch die hohen

nutzerraten der sehbehinderten befragten von 16%

für „videos einbetten“ und 16% für „fotos einbetten“

(vgl. ebd.) sind im vergleich zu den anderen befragten-

gruppen hoch. eine besondere affinität sehbehinder-

ter befragter zu auditiven gestaltungsmöglichkeiten

kann zwar angenommen werden, ist aber vor dem hin-

tergrund insgesamt hoher nutzerraten der sehbehin-

derten befragten für alle anwendungen nicht eindeutig

zu belegen. die in tabelle 7-4) vorgestellten nutzerra-

ten zeigen, dass die sehbehinderten befragten funkti-

onen und anwendungsbereiche, die eine registrierung

erfordern, nicht in größerem umfang meiden.

nach den sehbehinderten befragten weisen die ge-

hörlosen und schwerhörigen befragten ebenfalls im

vergleich mit 40% und 45% hohe nutzerraten für die

veröffentlichung eigener fotos auf (vgl. tabelle 7-4).

dies erscheint aufgrund der annahme einer hohen

visuellen orientierung gehörloser und schwerhöriger

befragter naheliegend. die nutzerraten für „fotos aus

communitys einbetten“ liegen gegenüber „eigene fo-

tos veröffentlichen“ insgesamt deutlich niedriger. für

„videos veröffentlichen“ sind die nutzerraten von 18%

der gehörlosen befragten und 19% der schwerhörigen

befragten erwartungsgemäß im vergleich mit den an-

deren gruppen die höchsten Werte. in einem gruppen-

interview mit gehörlosen personen gaben befragte zur

auskunft, „Youtube“ sei eine für gehörlose nutzer und

nutzerinnen wertvolle Webseite („Meine Seite!“), auf

der videos angesehen, aber auch eingestellt und ver-

knüpft werden.

die niedrigen nutzerraten der gehörlosen befragten

für die veröffentlichung von podcasts sind erwartungs-

gemäß, geht man überwiegend von der nutzung von

audiopodcasts aus. in der quantitativen befragung

war die antwort „podcasts hören“ für die rezeptive

nutzung vorgegeben. insofern ist davon auszugehen,

dass sich die nutzerraten für die produktive nutzung

auf die veröffentlichung von audiopodcasts beziehen.

die veröffentlichung von audiopodcasts (1%) liegt ge-

hörlosen nutzer bzw. nutzerinnen ferner als die ver-

34Vgl.zudenFunktioneninFotocommunitiesundVideocommunitiesdie„Web-2.0“-StudievonResult:„AufFotocommunitieswiezumBeispielFlickroderPhotobucketkönnenNutzerBildereinstellen,mitSchlagworten(„Tags“)versehenundPoolsfürbestimmteThemeneinrichten.AuchaufdieseWeisekönnenwiebeiVideocommunitiesBilderbewertetundkommentiertwerden,undNutzerkönnensichinProfilendarstellen.“(S.5)WeiterheißteszumAnsehen,Einstellen,VerknüpfenundVeröffentlichenvonVideosinVideocommunities:„AufVideocommunitieswiezumBeispielYou-TubeoderMy-VideokönnenalleNutzerVideosonlinestellen.AndereNutzerkönnendieseVideosansehen,kommentierenundbewerten.DarüberhinauskönnenNutzersichinNutzergruppenorganisieren,VideosmitSchlag-wortenversehenundBenutzerprofileerstellen.EinigeVideocommunitieswiezumBeispielYou-TubeermöglichenesaufeinfacheArtundWeise,VideosindieeigeneWebpageeinzubauen.“(ebd.)

107

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

öffentlichung von videos (18%) oder fotos (40%) (vgl.

tabelle 7-4). demgegenüber haben immerhin 5% aller

schwerhörigen befragten einen mindestens einma-

ligen versuch unternommen, selbst podcasts zu ver-

öffentlichen. im vergleich zu den anderen gruppen ist

dies ein mittlerer Wert35 (vgl. tabelle 7-4).

die blinden befragten geben mit 1% für „fotos einbet-

ten“, 4% für „videos einbetten“ und 2% für „eigene vi-

deos veröffentlichen“(vgl. tabelle 7-4) die niedrigsten

nutzerraten für diese funktionen an. die produktive

nutzung von foto-communities bietet laut ergebnis-

sen der ard/Zdf-onlinestudie folgenden Mehrwert:

„der Mehrwert dieser angebote liegt im individuellen

nutzen, zum beispiel dem präsentieren eigener ur-

laubsfotos für freunde und bekannte oder dem gegen-

seitigen bewerten von bildern unter fotografen.“36

die schwachen nutzerraten sind für blinde nutzer er-

wartungskonform, da die ergebnisse der veröffentli-

chung für blinde nutzer schwieriger überprüfbar sind

und der Mehrwert sich somit verringert. vor diesem

hintergrund ist allerdings die im vergleich zu den an-

deren gruppen niedrigste nutzerrate von 19% für „ei-

gene fotos hochladen/veröffentlichen“ für die blinden

befragten überraschend hoch. für „fotos ansehen“

liegt die nutzerrate der blinden befragten im vergleich

bei nur 8%. folgende hinweise blinder befragter der

quantitativen befragung verdeutlichen die sowohl be-

hinderungsbedingten als auch anwendungsbedingten

Schwierigkeiten:

„Auf manchen Webseiten kommt es vor, dass die

Schalter, wo man das Bild hochladen kann, nicht

mitAlternativtextenversehensindundesdeswegen

erschwertwirddieBilderhochzuladen.“

„Esistfürmichnichtklar,obeinhochgeladenesBild

nunwirklichsichtbarist,odernicht.“

„MankanndasResultatalsblindePersonnichtdi-

rektsehen.“

„SehedieBilderleidernicht,kennenurFilename,die

GrößeunddieAnzahlderPixel.“

das mit 19% vergleichsweise große interesse der blin-

den befragten, fotos zu veröffentlichen, unterstreicht

hier die bedeutung einer barrierefreien gestaltung der

uploadformulare für blinde nutzer.

für alle befragten sind die nutzerraten für „eigene

videos veröffentlichen“ deutlich niedriger als für „ei-

gene bilder veröffentlichen“. das veröffentlichen von

eigenen bildern wird mindestens doppelt so oft, in ei-

nigen gruppen bis zu viermal so häufig ausgeübt. le-

diglich für die gruppe der blinden befragten beträgt

das verhältnis bei einem generell niedrigen interesse

an beiden funktionen 1:10. hierfür sind auch generelle

barrieren beim erstellen eigener videos für blinde als

grund anzunehmen.

die mittlere nutzerrate von 6% der blinden befragten

für die veröffentlichung von podcasts (vgl. tabelle 7-4)

bleibt überraschend. auch wenn produktive nutzungen

insgesamt seltener sind als rezeptive nutzungen einer

anwendung (s. o.), wäre zu erwarten, dass sich die

hohe nutzerrate der blinden befragten für die rezep-

tive nutzung von podcasts (60%) in einer im vergleich

mit den anderen gruppen ebenfalls höheren nutzerra-

te für die produktive nutzung widerspiegelt. Mit 6%

unterscheidet sich der anteil blinder nutzer von ver-

öffentlichungen nicht in hervorzuhebendem Maße von

den nutzerraten der sehbehinderten (7%), motorisch

beeinträchtigten (6%) und schwerhörigen (5%) befrag-

ten. die veröffentlichung von audiopodcasts ist dem-

nach unter den blinden befragten wesentlich weniger

gefragt als schriftsprachliche Kommentarfunktionen

(60%). es gab einen hinweis auf benutzungsschwie-

rigkeiten beim produktiven podcasting im gruppenin-

terview mit blinden auskunftspersonen. beim erstel-

lungsprogramm flatcast lasse sich die bedienfläche

nur mit JaWS-cursor bedienen. eine person gab an,

schon einmal einen podcast zu einem besonderen an-

lass veröffentlicht zu haben, normalerweise aber von

35Ein Beispiel zur Integration von DGS-Sprechenden nannten schwerhörige Befragte in einem Gruppeninterview im Rahmen derqualitativenBefragung.GenanntwurdedieDGS-UmsetzungderRadiosendung„DerkleineNils“,einzusehenunter:http://blog.chip.de/deafhood-blog/der-kleine-nils-fuer-gehoerlose-und-hoerende-20070629/

(zuletzteingesehenam13.04.09)

36MartinFisch/ChristophGscheidle:„Mitmach-NetzWeb2.0:RegeBeteiligungnurinCommunitys“,in:MediaPerspektiven,7/2008,S.361

108

eigenen produktionen aufgrund „fehlender Zeit“ abzu-

sehen. vorstellbar ist, dass ähnlich der produktion von

videos der hohe aufwand im vorfeld der veröffentli-

chung nur wenigen nutzern zusagt (vgl. Kap. 8).

die nutzerraten der motorisch beeinträchtigten, lese-

rechtschreibschwachen und lern- und geistigbehinder-

ten befragten (vgl. tabelle 7-4) liegen in den meisten

fällen der in diesem abschnitt vorgestellten funktio-

nen etwas niedriger als die der wahrnehmungsbehin-

derten befragten. immerhin 36% der motorisch be-

einträchtigten befragten veröffentlichen jedoch fotos.

da die befragten nicht wahrnehmungsbehindert sind,

haben nutzungen mit eingebunden Medienformaten

für diese befragten keine besondere Kompensations-

funktion. bedienschwierigkeiten ergeben sich des-

halb weniger durch Medienformate, sondern auch hier

wahrscheinlich schon im vorfeld der veröffentlichung

bei der produktion, die eine hohe Medienkompetenz

verlangt. auch beim upload von fotos ergeben sich

dieser aussage nach probleme:

„Problemmit Koordination: Zuerst die Info suchen,

welche Größe/Format gewünscht/erlaubt sind und

schließlichdasBedienenderrichtigenKnöpfe.“

vor allem für die wahrnehmungsbehinderten befrag-

tengruppen bieten multimediale inhalte im internet

Kompensationsmöglichkeiten. daher weisen diese

gruppen (mit ausnahme der blinden befragten) höhe-

re nutzerraten auf. entgegen pauschaler erwartungen

zeigt sich anhand der nutzerrate der blinden befragten

von 19% für „eigene fotos veröffentlichen“, dass die

produktive nutzung des visuellen Mediums für einen

teil der befragten einen beachtlichen Mehrwert dar-

stellt.

109

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

7.3.6 ZuSaMMenfaSSunG

der Stellenwert der benutzerregistrierung für die

entscheidung zum nutzungsversuch kann für die ver-

schiedenen befragtengruppen nur unter berücksichti-

gung weiterer einflussfaktoren als zumeist unbekann-

te größe beurteilt werden. eine gute bzw. schlechte

benutzbarkeit des registriervorgangs ist nicht allein

ausschlaggebend für die entscheidung der nutzer bzw.

nutzerinnen zum nutzungsversuch. dass eine regis-

trierung erfolgt, weist zunächst unabhängig von der

benutzbarkeit auf ein profundes nutzungsinteresse für

die jeweilige anwendung hin. vorbehalte gegenüber

der datenweitergabe und befürchtungen hinsichtlich

der Wahrung der anonymität im internet sowie man-

gelndes vertrauen zum anbieter und der erwartete

aufwand einer registrierung lassen die befragten von

dem vorgang absehen, wenn es nur darum geht, die

anwendung ‚mal auszuprobieren‘.

die unterschiedlichen nutzerraten der befragtengrup-

pen verweisen nach der differenzierung von erwar-

tungsgemäßen und überraschenden auffälligkeiten

auf unterschiedliche interessenlagen der behinderten

befragten für die funktionen und anwendungsbereiche,

welche eine registrierung erfordern. bei gleicher inte-

ressenlage stellt sich der aufwand der registrierung

für die gruppen unterschiedlich hoch dar. für benutzer,

die verständnisschwierigkeiten bei komplizierten und

langen textabschnitten haben (vgl. Kapitel 7.2) be-

deutet die registrierung einen höheren aufwand. die

registrierung stellt demnach eine Zugangsschwelle

dar. dies gilt auch für blinde und sehbehinderte nutzer,

die durch die oft unzugänglichen grafischen Zugangs-

codes in den meisten fällen eine registrierung nicht

selbständig durchführen können.

für die gestaltung des registriervorganges ist deshalb

abschließend festzuhalten, dass anbieter auf eine in-

tuitive verständlichkeit und die verwendung leichter

Sprache achten sollten. Zusätzlich sind kurze und an-

schauliche informationen über die erweiterten funkti-

onsweisen und Möglichkeiten des angebots, zu dem

die registrierung Zugang gewährt, hilfreich, um Klar-

heit über den Mehrwert des angebotes zu schaffen.

dies gilt speziell für die nutzung von community-an-

geboten. insbesondere gehörlose internetnutzer wür-

den sich ggf. häufiger für eine nutzung von angeboten

entscheiden, die eine registrierung erfordern, wenn

die für sie wichtigen informationen klar verständlich,

einfacher und schneller einzusehen wären (z.b. in

form einer „guided tour“) und wenn die informatio-

nen der agb s zusätzlich in dgS-videos bereitstünden.

abgesehen von der aufbereitung in dgS gelten diese

anforderungen für lese-rechtschreibschwache sowie

lern- und geistigbehinderte nutzer ebenso. für blin-

de und sehbehinderte nutzer liegt die bekannte Mi-

nimalanforderung an die benutzbarkeit der registrie-

rung in der bereitstellung qualitativ guter alternativen

zu captchas, wie z.b. über audioformate oder simple

rechenaufgaben.

8Strategien der nutZeriM uMgang Mit barrieren

im folgendenwird das nutzungsverhalten der be-

fragtengruppen dahingehend untersucht, welche

barrieren von den verschiedenen betroffenengrup-

penbenanntunddurchwelcheStrategiendieseggf.

zuüberwindenversuchtwerden.dieaussagen,die

dafürherangezogenwerden,stützensichaufanga-

ben von befragten in den Gruppeninterviews oder

äußerungen indenexpertengesprächenderStudie

Web2.0barrierefrei.

für jede hier befragtenutzergruppewird zunächst

dargestellt, wie hoch die Problemquote für die je-

weiligenfunktioneninsgesamtimVergleichmitden

anderenGruppenliegt.Weiterhinwerdenfunktionen

undanwendungsbereichemithohenProblemquoten

undggf. niedrigenutzerraten alsHinweis auf bar-

rierebehaftete funktionen für die jeweilige nutzer-

gruppe festgestellt undwesentlichebarrieren (vgl.

Kapitel 6) kurz benannt. nutzungs- und aussage-

verhaltenjederGruppebzgl.dieserfunktionenund

anwendungenwerdenimanschlussanhandqualita-

tiverHinweiseuntersucht.

im letzten abschnitt dieses Kapitels werden ab-

schließendzweispezifischefällevonStrategienzur

Überwindungvonbarrierenvorgestellt.

111

StudieWeb2.0/barrierefrei/StrateGien

8.1/Sehbehindertenutzer

die erfahrung von barrieren und das nutzungsverhalten ihnen gegenüber wird geprägt durch die behinderung

und auch die Möglichkeiten und grenzen, die die genutzten assistiven technologien bieten (vgl. hierzu Kapitel

5). für die sehbehinderten befragten ist anzunehmen, dass grad und ausprägung der Sehbehinderungen jeweils

sehr unterschiedlich sind (vgl. ebd.).

für die sehbehinderten befragten liegt die problemquote bei sechs verschiedenen funktionen und anwendungs-

bereichen bei durchschnittlich 26% (23% - 30%), für „als benutzer registrieren“ sogar bei 41%. diese Werte

sind im vergleich mit den anderen nutzergruppen nach den höchstwerten der blinden nutzer, die im nächsten

abschnitt behandelt werden, hoch.

Tab.8-1:Nutzerraten,ProblemedersehbehindertenBefragtenundProblemquotendererfragtenFunktionen

undAnwendungsbereiche

anwendung Sehb. (n=133) nutzung nutzer mit problemen (n=133) problemquoten

Wikislesen 79% 10% 13%

AlsBenutzerregistrieren 75% 31% 41%

Fotosansehen 70% 16% 23%

Videosansehen 61% 17% 28%

Kommentareschreiben 59% 15% 25%

Weblogslesen 51% 13% 25%

Fotosveröffentlichen 49% 8% 16%

Nutzerprofilbearbeiten 56% 17% 30%

Webseitenverlinken 42% 5% 12%

EigeneWebseitebetrei-ben

41% 6% 15%

Podcastshören 42% 9% 21%

FreundeinSNShinzufü-gen

29% 7% 24%

Weblogeinträgeschrei-ben

26% 3% 12%

Wikisschreibenoderkommentieren

32% 3% 9%

Videosveröffentlichen 17% 2% **

Fotoseinbetten 16% 5% **

Videoseinbetten 16% 2% **

SocialBookmarking 12% k. a. k. a.

Podcastsveröffentlichen 7% k. a. k. a.

**DieNutzerzahlenliegenuntereinerBasisvonn<30.EserfolgtdahermangelsAussagekraftkeineBerechnungderProblemquote.

112

es ist anzunehmen, dass nach den hier angegebenen

nutzungsversuchen aufgrund von aufgetretenen pro-

blemen eine weitere nutzung in vielen fällen ausblieb.

die hohen nutzerraten der sehbehinderten befragten

für funktionen wie Kommentare schreiben (59%) und

nutzerprofil bearbeiten (56%), die in der regel eine

registrierung voraussetzen, zeigen, dass der von 75 %

der Sehbehinderten unternommene versuch der regis-

trierung in vielen fällen gelungen sein muss.

für folgende funktionen errechnen sich aus dem ver-

hältnis von nutzern und angaben von problemen die

höchsten problemquoten für sehbehinderte nutzer

(vgl. tabelle 8-1):

• als benutzer registrieren (41%)

• nutzerprofil bearbeiten (30%)

• videos ansehen (28%)

• Weblogs lesen (25%)

• Kommentare schreiben (25%)

• fotos ansehen (23%)

trotz der für sehbehinderte nutzer im vergleich zu

anderen nutzergruppen hohen problemquoten für be-

nutzerregistrierung (41%) kommen offensichtlich Stra-

tegien zur Überwindung dieser barriere zum einsatz,

so dass dahinterliegende funktionen genutzt werden

(s.o.). die nutzerrate der sehbehinderten befragten für

fotos ansehen (70%) ist die höchste im vergleich mit

allen anderen befragtengruppen. gleichzeitig ist die

problemquote sehbehinderter nutzer für diese anwen-

dung ebenso die höchste mit 23%. rund ein viertel

aller Sehbehinderten erlebt demnach Schwierigkeiten

beim ansehen von fotos.

barrieren scheinen für die gruppe der Sehbehinderten

im vergleich zu blinden nutzern weniger massiv, d.h.

abhängig von der verbleibenden Sehfähigkeit (s.o.) ge-

lingt eine selbständige nutzung in vielen fällen.

die in der qualitativen befragung zu rate gezogenen

experten wiesen darauf hin, dass sehbehinderte nut-

zer im allgemeinen im vergleich zu blinden nutzern

alles auf einer Webseite finden, wenn der registrier-

vorgang erst einmal bewältigt ist.

„captchas (Spamschutz) sind für Sehbehinderte meist

nur schwer lesbar [...].“

Jede Seite muss jedoch vom sehbehinderten nutzer

neu erkundet werden. nach aussage eines sehbehin-

derten befragten im gruppeninterview gibt es kaum

etwas, was mit der vergrößerungssoftware nicht zu

bewältigen sei. andere befragte stimmten dieser aus-

sage zu, die allerdings sehr abhängig vom grad und

der art der Sehbehinderung zu sehen ist.

in einem gruppeninterview mit sehbehinderten be-

fragten gaben einige abhängig von der jeweiligen be-

einträchtigung unterschiedliche umgangsweisen mit

barrieren bei foren und Multi-user-Spielen an. eine

befragte person Y gab an, keine Spiele zu nutzen, da

Y aufgrund des nystagmus visuell basierte Spiele

schwer erkennen könne. andere befragte spielten re-

gelmäßig online-Spiele. unproblematisch seien text-

basierte games und icq-games, die gut mit Zoomtext1

funktionieren würden. flash-/ Java-games funktionier-

ten oft nicht mit Zoomtext. das bild würde nicht oder

verzerrt dargestellt. X schalte dann die vergrößerung

ab und spiele ohne, so die aussage. X könne auch ohne

vergrößerung arbeiten, beim lesen sei X die vergröße-

rung angenehmer. Second life lasse sich im vollbild-

modus mit einer auflösung von 1024x 768 an einem

großen Monitor für die interviewten nutzen. Schwierig

sei allerdings, dass der chat sich nicht vergrößern las-

se. außerdem sei es ressourcenfressend und ruckele

daher ab und an. X nutze da seine handlupe.

diese hinweise verdeutlichen, dass die umgangswei-

sen mit barrieren erstens abhängig von der techni-

schen ausstattung (wie die größe des Monitors) und

der art und Schwere der beeinträchtigung verlaufen

können. Sicherlich ist auch die individuelle einschät-

zung des unterhaltungs- bzw. informationswertes von

bedeutung, wenn befragte verschiedene einstellungen

und hilfen ausprobieren. im einzelfall unterbleibt die

nutzung.

die heterogenität der assistiven hilfen (vgl. Kapitel 5)

und der beeinträchtigungen selbst führen vermutlich

1ZoomtextisteinespezielleVergrößerungssoftware,teilweise(jenachVersion)auchmitintegrierterSprachausgabe.

113

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

zu vermehrt individuellen lösungswegen der betroffe-

nen gegenüber barrieren im internet. die in der Stu-

die Web 2.0 barrierefrei befragten experten gaben zur

auskunft, dass Sehbehinderte wenig in verbänden or-

ganisiert seien. im vergleich zu blinden nutzern gäbe

es keine protestkultur im hinblick auf barrieren und

daher auch weniger angebote von verbandsseite. Seh-

behinderte nutzer hätten nach ansicht der experten

deshalb allgemein mehr Schwierigkeiten in der inter-

netnutzung und im umgang mit assistiven technolo-

gien als die stärker organisierten blinden nutzer. die

sehbehinderten befragten schätzen den aufwand der

nutzung in nahezu allen nutzungsfällen überwiegend

als überwindbar ein, dies zeigen die hohen und höchs-

ten nutzerraten (vgl. Kapitel 5). das interesse der be-

fragten an den hier vorgestellten anwendungen und

funktionen ist im vergleich mit den anderen gruppen

sehr hoch.

8.2/blindenutzer

die problemquote für blinde nutzer ist in sieben fällen

die höchste aller nutzergruppen, wobei zu beachten

ist, dass die Werte bei „fotos veröffentlichen“ (26%),

„Weblogeinträge schreiben“ (35%) und „Wikis schrei-

ben oder kommentieren“ (24%) auf den angaben von

nur je ca. 20 blinden befragten beruhen. blinde nutzer

geben bei der benutzerregistrierung und profilbearbei-

tung vergleichsweise häufig probleme an, die sie beim

nutzungsversuch erlebten. die problemquoten liegen

hier bei 58% und 69%, so dass davon auszugehen ist,

dass rund 2/3 aller blinden nutzer dieser funktionen

und anwendungsbereiche Schwierigkeiten haben. die

nutzerraten für benutzerregistrierung (80%) und die

bearbeitung des nutzerprofils (48%) sind im vergleich

mit den anderen gruppen mit ausnahme der gruppe

der sehbehinderten befragten jeweils die höchsten.

folgende funktionen und anwendungsbereiche sind

der problemquote nach zu urteilen für blinde nutzer

besonders problembehaftet:

• als benutzer registrieren (69%)

• nutzerprofil bearbeiten (58%)

• videos ansehen (31%)

• Kommentare schreiben (30%)

die hohen problemquoten für die ersten beiden fälle

weisen einerseits auf mögliche abbrüche hin. da die

blinden befragten für „nutzerprofil bearbeiten“ (48%)

und „Kommentare schreiben“ (60%) hohe nutzerra-

ten verzeichnen, ist davon auszugehen, dass in vielen

fällen trotz der großen Schwierigkeiten nicht von der

registrierung abgesehen wird. die hohen nutzerraten

zeugen davon, dass die nutzer die Schwierigkeiten

in Kauf nehmen, da das interesse an der nutzung der

funktion überwiegt.

114

Tab.8-2:Nutzerraten,ProblemeblinderNutzerundProblemquotendererfragtenFunktionenundAnwen-

dungsbereiche

anwendung blinde nutzer (n = 124) nutzer mit problemen (n=124) problemquote

Wikislesen 85% 8% 9%

AlsBenutzerregistrieren 80% 55% 69%

Fotosansehen 8% 5% **

Videosansehen 32% 10% 31%

Kommentareschreiben 60% 18% 30%

Weblogslesen 41% 6% 15%

Fotosveröffentlichen 19% 5% 26%

Nutzerprofilbearbeiten 48% 28% 58%

Webseitenverlinken 35% 4% 11%

EigeneWebseitebetrei-ben

30% 5% 17%

Podcastshören 60% 10% 17%

FreundeinSNShinzufü-gen

15% 6% 40%

Weblogeinträgeschreiben 17% 6% 35%

Wikisschreibenoderkom-mentieren

17% 4% 24%

Videosveröffentlichen 2% 1% **

Fotoseinbetten 1% 0% k. a.

Videoseinbetten 4% 2% **

SocialBookmarking 2% 1% **

Podcastsveröffentlichen 6% k. a. k. a.

**DieNutzerzahlenliegenuntereinerBasisvonn<30.EserfolgtdahermangelsAussagekraftkeineBerechnungderProblemquote.

82% der blinden befragten sagen, barrieren seien

insgesamt das, was sie am meisten am internet stö-

re, deutlich vor nervenden inhalten (21%) und verbin-

dungsproblemen (3%). nach ihnen stimmen mit gro-

ßem abstand 48% der Sehbehinderten der aussage

zu, barrieren insgesamt störten sie am meisten am

internet.

barrierefreiheit ist in der gruppe der blinden nutzer

deutlich mehr befragten wichtig als in den anderen

gruppen. 88% geben an, ein barrierefreies internet

sei ihnen sehr wichtig. 70% der gehörlosen befragten

stimmen dem zu, dies ist der zweithöchste Wert. Wie

diese nachzeichnung des nutzungsverhaltens blinder

befragter eines gruppeninterviews der Studie Web 2.0

barrierefrei zeigt, sind blinde nutzer in der nutzung

aller hier dargestellten anwendungstypen von anwen-

dungsbedingten barrieren betroffen. einzelne oder

alle befragten gaben für die hier mit einem querstrich

markierten anwendungstypen barrieren an. hierbei

sind die rot markierten barrieren „anwendungsbeding-

te“, d.h. durch die gestaltung der anwendung bedingt.

die dunkel unterlegten anwendungstypen werden von

den befragten nicht genutzt, während andere anwen-

dungstypen trotz einfachen (dünne linie) oder massi-

veren (dicke linie) barrieren genutzt werden.

für blinde nutzer sind – gegebenenfalls individuelle –

Strategien im umgang mit den vorhandenen barrieren

demnach eine nutzungsvoraussetzung. noch sind nur

wenige angebote so gestaltet, dass sie mittels Screen-

reader genutzt werden können. nach „barrieren allge-

mein“ (42%) stören 39% der blinden befragten „feh-

lende tags, captchas“. außerdem geben im vergleich

mit den anderen gruppen viele blinde befragte (8%)

an, probleme mit flash würden sie am meisten stören.

115

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

Abb.8-1:NutzungsbildeinerBefragtengruppeimRahmenderGruppeninterviews

KartenanwendungenRoutenplaner

Kontakte knüpfenund pflegen

Interessen verfolgen Handel; Geschäfteabschließen

MedienspezifischeAustauschplattformen

PodcastsAudio-, Video-

Online Office

Wikis Foren Web-Mail ChatBewertungen

RatingsE-Business

(Mulit-User)-Spiele

Blogs / Vlogs

Profil- undKontaktplattformen

Videokonferenzen

Mashups

Videokonferenzen

Webmail

Wissensbörsen

Online Office

KartenanwendungenRoutenplaner

Social Bookmarking

Legende Anwendungsbedingte Barriere

Behinderungsbedingte Barriere

Individuelle Barriere

Nutzung

Nichtnutzung aufgrund bestehender Barrieren

Unbekannt und daher nicht besprochen

Nichtgenutzter Anwendungstyp(aufgrund von Barrieren)

ohne Linie

deutlich höher ist die toleranz der blinden befrag-

ten gegenüber nervenden inhalten (21%), Werbung

(16%), Spam (10%) und popups (3%) im vergleich mit

den anderen gruppen. beispielsweise geben 49% der

schwerhörigen befragten an, nervende inhalte würden

sie am meisten am internet ärgern. auch von risiken

und verbindungsproblemen zeigen sich viele blinde

befragte vergleichsweise unbeeindruckt: nur 8% der

blinden befragten stören am meisten schädliche in-

halte, 6% viren, 3% betrugsversuche und 3 % verbin-

dungsprobleme.

folgende aussagen befragter personen der gruppen-

interviews geben rückschlüsse über mögliche um-

gangsweisen blinder nutzer mit barrieren:

Zu google-Mail gab eine person den hinweis, es gebe

erweiterte einstellungen und htMl-ansicht, beide an-

sichten seien nicht optimal und erforderten vom nutzer

ein ständiges ausprobieren und Wechseln; viele links

müssten mit dem virtuellen cursor gesucht werden.

downloads auf chip.de ließen sich nur über die Su-

chen-funktion von JaWS finden, weil die Seite so über-

laden ist. auch allgemein zur nutzung von medienspe-

zifischen plattformen hieß es laut einer person, diese

seien überladen und daher nur über Suchfunktion

(Strgf) navigierbar.

Zur nutzung von Social networking Sites gab eine per-

son an, den weiteren Kontakt nach dem auffinden ei-

nes bekannten lasse sie dann über die e-Mail-adresse

laufen. Mehrere aussagen gab es dahingehend, zur

nutzung einer neuen anwendung sei anfangs eine ge-

wisse Übungszeit erforderlich. So gab eine person zur

nutzung von SnS an, nach einer Übungszeit könne sie

116

die Seite nutzen, solange sie nicht mehr umstruktu-

riert würde.

Zur chat-nutzung gab eine person an, es erfordere

eine zeitaufwendige einstellung der assistiven tech-

nik, um den chat angenehm nutzen zu können und in-

halte zu filtern. chat wurde von den befragten dieser

gruppe zu besonderen gelegenheiten, auf der eigenen

Webseite (bereits angepasst) und auf gut bedienbaren

anwendungen mit gut angepasstem text und voice-

chat2 sowie mittels chat-Software genutzt. eine per-

son gab außerdem an, beim online-Spielen in Mud s

auch websitebasierte chats zu nutzen, was sie sonst

jedoch ungern tue.

Zur nutzung von Mud s wies eine person später auf

den besonderen Mehrwert für sich hin. Mud s seien

eine gute Möglichkeit, mit Sehenden in Kontakt zu

kommen, da diese selten textbasierte Spiele spielen,

daher finde X es so sehr gut. Y knüpft beim Spielen

bei gelegenheit Kontakte und gab folgende aussage:

„Richtigbarrierefreiistesnicht“

Zusammenfassend lässt sich nach den aussagen der

befragten der gruppeninterviews festhalten, dass die

befragten bei für sie wichtigen und/oder besonders

reizvollen anwendungen wie z. b. bei Spielen einen

höheren aufwand akzeptieren. auch gewisse Übungs-

zeiten werden demnach unter umständen in Kauf ge-

nommen. demgemäß erscheint es logisch, dass eini-

ge befragte bevorzugt ihnen bekannte anwendungen

nutzen. eine person gab andererseits an, häufig schei-

tere die aktive teilnahme an foren an unzugänglichen

captchas. die bedienkompetenz des Screenreaders

beeinflusst außerdem die handhabung anwendungs-

bedingter barrieren. Zur nutzung von Wikis erklärte

eine person X, die hypertextstruktur würde beim vor-

lesen (JaWS) als nervig empfunden. andere befragte

machten dies aber an der geringeren bedienkompe-

tenz der person für JaWS fest, weil sich in JaWS fle-

xibel einstellen lasse, ob links als solche vorgelesen

werden. da gingen dann andererseits informationen

möglicherweise verloren, wandte X wiederum ein. laut

einer befragten person ist mit der Web 2.0-entwick-

lung die bedienungsmöglichkeit stärker abhängig ge-

worden von der nutzerkompetenz. außerdem werden

als sehr unzugänglich bezeichnete anwendungstypen

wie Webmail eher gemieden. So gaben einige befragte

eines gruppeninterviews an, dass sie selbst an frem-

den rechnern lieber ein Konto in einem lokalen client

einrichten würden, um ihre Mails abzurufen, und die-

sen später löschen würden.

2AlsBeispielenanntendieBefragtendenChataufwww.sehbehinderung.de (http://www.sehbehinderung.de/chat/chat.php )unddie ChatroomsaufderAustauschplattform„Forthepeople“(www.for-the-people.com)(zuletzteingesehenam14.04.09)

117

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

8.3/Schwerhörigenutzer

den problemquoten nach zu urteilen, stellt sich das internet für schwerhörige nutzer weniger problembehaftet

dar als für andere gruppen. der großteil der problemquoten liegt unter 15%. die meisten probleme erfahren

schwerhörige nutzer bei folgenden funktionen:

• videos ansehen (33%)

• Kommentare schreiben (18%)

der problemquote von 33 % zufolge ist davon auszugehen, dass ein drittel aller schwerhörigen nutzer probleme

beim ansehen von videos erfährt. 55% aller schwerhörigen befragten haben schon einmal versucht, videos an-

zusehen. dies ist ein mittlerer Wert im vergleich mit den anderen befragtengruppen.

Tab.8-3:Nutzerraten,ProblemederschwerhörigenBefragtenundProblemquotenfürdieFunktionenund

Anwendungsbereiche

anwendung Schwerh. (n= 96) nutzung

Schwerh. nutzer mit problemen (n=96)

problemquote

Wikislesen 68% 9% 13%

AlsBenutzerregistrieren 53% 10% 14%

Fotosansehen 60% 6% 10%

Videosansehen 55% 18% 33%

Kommentareschreiben 44% 8% 18%

Weblogslesen 35% 4% 11%

Fotosveröffentlichen 45% 5% 11%

Nutzerprofilbearbeiten 31% 2% 6%

Webseitenverlinken 34% 4% 12%

EigeneWebseitebetreiben 28% 2% **

Podcastshören 18% 4% **

FreundeinSNShinzufügen 23% k. a. k. a.

Weblogeinträgeschreiben 25% 1% **

Wikisschreibenoderkom-mentieren

18% 1% **

Videosveröffentlichen 19% 1% **

Fotoseinbetten 11% 1% **

Videoseinbetten 16% 0% k. a.

SocialBookmarking 9% k. a. k. a.

Podcastsveröffentlichen 5% k. a. k. a.

**DieNutzerzahlenliegenuntereinerBasisvonn<30.EserfolgtdahermangelsAussagekraftkeineBerechnungderProblemquote.

118

die gruppe der Schwerhörigen weist im vergleich mit

anderen gruppen für keine der erfragten funktionen

die niedrigste nutzerrate auf. bei der nutzung folgen-

der funktionen und anwendungsbereiche liegt die nut-

zerrate der Schwerhörigen geringfügig unter der ande-

rer gruppen, wie blinde, Sehbehinderte und motorisch

beeinträchtigte (vgl. auch Kapitel 5):

• Wikis lesen 68%

• als benutzer registrieren 53%

• Weblogs lesen 35%

• nutzerprofil bearbeiten 31%

• eigene Webseite betreiben 30%

• podcasts hören 18%

in einem gruppeninterview mit schwerhörigen befrag-

ten wurden vor allem hinweise zur qualität von videos

und podcasts gegeben. eine barrierefreie und adäqua-

te Übertragung von inhalten der klassischen Medien

tv und rundfunk bietet schwerhörigen nutzern einen

Mehrwert. So gab eine person im gruppeninterview

die auskunft, sie nutze das internet zu recherche-

zwecken, gerade auch von aktuellen nachrichten, weil

diese im tv aufgrund der hintergrundgeräusche in

filmbeiträgen oft schlecht zu verstehen seien. Ärger-

lich sei, wenn die inhalte im internet nicht vollständig

wiedergegeben werden, sondern nur in auszügen bzw.

als Zusammenfassung (bsp.: beiträge von spiegel.tv).

folgende in den gruppeninterviews genannte verhal-

tensweisen und Wünsche zeigen, wie diese befragten

mit behinderungsbedingten und anwendungsbeding-

ten barrieren umgehen und eigene Strategien zur ver-

besserung des hörverstehens einsetzen:

• Wichtig bei der bedienung von liveStreams

und seiteninternen playern sei, dass

Stoppen und Wiederholung möglich ist.

• grundsätzlich sei es immer besser, wenn

sich audiodateien abspeichern lassen und

man sie mit einem gut navigierbaren player

abspielen kann.

eine person Y sagte im gruppeninterview aus, alles

sei gut nutzbar, da Y im Zweifelsfall den ton über die

anlage (+verstärker) abspielt und die rauschunterdrü-

ckung einschalte. fazit:

„Solangeeslautgenuggeht,gehtes.“

andere befragte eines zweiten interviews wiesen dar-

auf hin, die maximale lautstärke bei audiodateien sei

oft zu leise.

Schwerhörige profitieren vor allem von der erleichter-

ten schriftsprachlichen Kommunikation im internet,

die es ihnen erlaubt, schwierige Kommunikationssitu-

ationen aus der realität zu einem gewissen grad ins

internet zu verlagern (vgl. hierzu Kapitel 7.1).

der umfang der anwendungen und funktionen, bei de-

nen schwerhörige nutzer auf Schwierigkeiten treffen,

stellt sich zunächst begrenzter dar als bspw. für blinde

nutzer. neben primären Schwierigkeiten gegenüber

video- und audiodateien werden sekundäre Schwierig-

keiten mit Schriftsprache, auf die die experten in der

qualitativen befragung der Studie Web 2.0 barrierefrei

hinwiesen (vgl. auch Kapitel 7.1), in der geringeren

rezeptiven nutzung von schriftsprachlich basierten

angeboten deutlich (vgl. hier auch Kapitel 7.2), nicht

aber in den problemquoten. Weniger schwerhörige be-

fragte im vergleich mit den blinden, sehbehinderten

und motorisch beeinträchtigten befragten lesen Web-

logs (35%) und Wikis (68%). die problemquoten liegen

mit 13% und 11% (für Weblogs lesen) vergleichswei-

se niedrig, d. h. die leser geben relativ selten prob-

leme an. vergleichsweise viele schwerhörige befragte

sehen von vornherein von der rezeptiven nutzung ab

oder kennen diese angebote nicht. gegenüber der pro-

duktiven nutzung von Weblogs bestehen weniger vor-

behalte (25% nutzung). der eindruck einer befragten

person in den gruppeninterviews bestätigt dies auch

für die nutzung von foren. So merkt X an, dass die

hemmschwelle, in foren auch rechtschreibfehler zu

machen, sehr gering sei. alle hätten die Möglichkeit

mitzuschreiben und würden diese auch nutzen.

119

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

die insgesamt gesehen niedrigen problemquoten

der schwerhörigen befragten zeigen einerseits, dass

schwerhörige nutzer vor allem vom internet und den

Kommunikationsmöglichkeiten profitieren, und ver-

einzelte Schwierigkeiten eher tolerieren und diese

möglicherweise auf verschiedene Weise umgehen. im

internet zeigen sich für die schwerhörigen befragten

keine zusätzlichen Schwierigkeiten, sondern vorran-

gig zusätzliche Möglichkeiten. Schwierigkeiten mit

audio- und videodateien, wie fehlende untertitelung,

schlechte aufnahmen, zu geringe lautstärke und un-

günstige bildausschnitte sind teilweise schon aus den

klassischen Medien bekannt.

barrierefreiheit ist daher auch im vergleich mit den

anderen gruppen „nur“ 63% aller schwerhörigen be-

fragten wichtig, und barrieren stören nur 21% dieser

befragten am meisten am internet. andererseits be-

schneidet schlechte qualität und gestaltung von audio-

und videodateien den online-gewinn für schwerhörige

nutzer gegenüber klassischen Medien. außerdem ist

vorstellbar, dass die unterschiede im Kommunikati-

onsverhalten Schwerhöriger, bedingt durch die abstu-

fungen des hörvermögens sowie den Zeitpunkt des

beginns der Schwerhörigkeit (von geburt an o. spä-

ter), dazu führen, dass die betroffenen eher individuell

nach lösungen suchen.

120

8.4/Gehörlosenutzer

Schriftsprachliche inhalte werden vergleichsweise von diesen befragten weniger rezeptiv und produktiv genutzt

(vgl. hierzu Kapitel 7.2 und 7.3) und video und fotospezifische funktionen und anwendungsbereiche vergleichs-

weise häufig.

Tab.8-4:Nutzerraten,ProblemedergehörlosenBefragtenundProblemquotenfürdieFunktionenundAn-

wendungsbereiche

anwendung gehl. nutzerraten (n=260) gehörlose nutzer mit prob-lemen (n=260)

problemquoten

Wikislesen 61% 16% 26%

AlsBenutzerregistrieren 36% 5% 14%

Fotosansehen 60% 9% 15%

Videosansehen 47% 11% 23%

Kommentareschreiben 28% 6% 21%

Weblogslesen 32% 5% 16%

Fotosveröffentlichen 40% 4% 10%

Nutzerprofilbearbeiten 23% 2% 9%

Webseitenverlinken 30% 5% 17%

EigeneWebseitebetrei-ben

23% 3% 13%

Podcastshören 3% 1% **

FreundeinSNShinzufü-gen

17% 2% 12%

Weblogeinträgeschreiben 13% 2% 15%

Wikisschreibenoderkom-mentieren

12% 2% 17%

Videosveröffentlichen 18% 2% 11%

Fotoseinbetten 13% 1% 8%

Videoseinbetten 12% 2% 17%

SocialBookmarking 5% 2% **

Podcastsveröffentlichen 1% k. a. k. a.

**DieNutzerzahlenliegenuntereinerBasisvonn<30.EserfolgtdahermangelsAussagekraftkeineBerechnungderProblemquote.

121

technische barrieren treten nach der in Kapitel 6 darge-

stellten differenzierung in folge fehlender uploadmög-

lichkeiten für eigene dgS-videos und beim download

und der Steuerung von podcasts auf. als organisatori-

sche barrieren werden außerdem bezeichnet fehlende

dgS-videos zur erläuterung, untertitel, verständlich-

keit von pflichtangaben und die qualität von podcasts.

auch bei der bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit von

playern können Schwierigkeiten auftreten.

die höchste problemquote für gehörlose nutzer er-

rechnet sich mit 26% für „Wikis lesen“. die übrigen

problemquoten liegen durchgehend unter 25%, d.h. für

weniger als ein viertel aller gehörlosen nutzer sind bei

diesen funktionen und anwendungsbereichen proble-

me zu erwarten. die gehörlosen befragten zeigen sich

in der benennung von problemen sehr zurückhaltend.

die barrieren liegen im falle der gehörlosen befragten

überwiegend bereits vor dem nutzungsversuch: für

acht von insgesamt neunzehn erfragten funktionen

und anwendungsbereichen weist diese befragten-

gruppe die niedrigsten nutzerraten auf.

• Weblogs lesen (32%)

• Kommentare schreiben (28%)

• nutzerprofil bearbeiten (23%)

• eigene Webseite betreiben (23%)

• Weblogeinträge schreiben (13%)

• Wikis schreiben oder kommentieren (12%)

• podcasts hören (3%)

• podcasts veröffentlichen (1%)

für weitere vier funktionen die jeweils im vergleich

zweitniedrigsten nutzerraten:

• Wikis lesen (61%)

• als benutzer registrieren (36%)

• Webseiten verlinken (30%)

• freunde in SnS hinzufügen (17%)

Weniger gehörlose befragte als befragte anderer

gruppen nutzen demnach ein breites Spektrum an

funktionen und anwendungsbereichen. „barrieren

insgesamt“ stören weniger gehörlose befragte (26%)

als sehbehinderte (48%), blinde (82%), motorisch be-

einträchtigte (34%) und lern-und geistigbehinderte

(44%) befragte, sondern vor allem „nervende inhalte“

stören „am meisten am internet“ (52%). 10% aller ge-

hörlosen befragten ärgern sich über „fehlende unter-

titel/dgS“. dennoch ist 70% der gehörlosen befragten

„sehr wichtig“, „dass das internet barrierefrei ist“(vgl.

hierzu auch Kapitel 6).

im allgemeinen zeigen die gehörlosen befragten sich

vergleichsweise wenig kritisch gegenüber inhalten in

komplizierter Sprache und fehlenden uploadmöglich-

keiten für dgS-videos und nehmen diese barrieren in

Kauf, wie die wenigen nennungen von problemen zei-

gen. ebenso wie für schwerhörige nutzer ergeben sich

wenig neue barrieren im neuen Medium, sondern eher

bereits bekannte Schwierigkeiten mit schriftsprachli-

chen inhalten, aber auch das potential, inhalte auf al-

ternativen Wegen zu erschließen. den gehörlosen nut-

zern ist vor allem wichtig, miteinander kommunizieren

zu können und inhalte in dgS wahrnehmen zu können,

was einen großen vorteil gegenüber klassischen Me-

dien bedeutet (vgl. Kapitel 7.1). ersteres gelingt vor-

rangig über chat (und videochat) und letzteres über

videos (vgl. ebd.). die höchsten problemquoten dieser

nutzergruppe für „Wikis lesen“ (26%) und „videos

ansehen“ (23%) erklären sich durch mangelnde ver-

ständlichkeit der texte und den damit einhergehenden

Wunsch nach visuell wahrnehmbaren informationen

sowie durch die häufig unzureichende qualität der vi-

deos und fehlende untertitel oder dgS-umsetzung.

einerseits zeigten sich gehörlose befragte in diesen

fällen gewillt, die für sie wichtigen anwendungen trotz

technischer Mängel zu nutzen. So gab es bspw. in ei-

nem gruppeninterview mit gehörlosen befragten eini-

ge hinweise zu bedienschwierigkeiten von videomail.

einer aussage zufolge werden zur umgehung der

Schwierigkeiten mit verschiedenen formaten der an-

bieter von videomail mittlerweile von vielen nutzern

links zu hochgeladenen videos versendet. Wenn vi-

deochat wegen der Übertragungsqualität mühsam sei,

würde manchmal zu schriftlichem chat gewechselt

werden. befragte gaben außerdem an, bei einer an-

wendung sei die qualität allgemein durch die Mitarbeit

eines gehörlosen gesichert, auch wenn die anwen-

dung über linux nicht bedienbar sei.

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

122

andererseits wurden probleme und Wünsche für dieses

anwendungsfeld benannt. den befragten war eine bar-

rierefreie umsetzung und technische Weiterentwick-

lung wichtig. auch für die nutzung schriftsprachlicher

inhalte gaben die befragten der gruppeninterviews

hinweise zur schwierigen benutzbarkeit für gehörlo-

se nutzer und verdeutlichten damit im gegensatz zu

ausbleibender nutzung (vgl. Kapitel 7.2 und 7.3), wie

sie in der quantitativen befragung festgestellt wurde,

ein interesse an den inhalten. einige befragte gaben

in einem gruppeninterview die auskunft, weil es keine

spezifischen Zeitschriften für gehörlose gebe, sei das

internet mit seinen info-Webseiten zu gehörlosenrele-

vanten themen ein guter ersatz. allgemein wirken lan-

ge texte, z.b. die agbs bei ebay, eher abschreckend

und vermindern den anreiz zur nutzung. Wünschens-

wert wäre zur verständlichkeit von online-Zeitungen

eine easy faculties-rubrik, wo man schnell und leicht

verständlich einen Überblick über die zentralen the-

men gewinnen könnte. abstracts würden helfen, Zeit

zu sparen und einen schnellen Überblick zu gewinnen.

Sie sollten einfach formuliert sein. dgS-filme seien

dieser aussage nach für abstracts/Zusammenfassun-

gen nicht sinnvoll, sondern sollten besser für die aus-

führliche darstellung eingesetzt werden. hier manifes-

tiert sich die bereitschaft der gehörlosen befragten, im

einzelfall anstelle von dgS-videos sich mittels kurzer

schriftlicher texte über den inhalt zu orientieren.

toleranz gegenüber unterschiedlichen Schriftsprach-

kompetenzen ist nach auskunft der befragten zweier

gruppeninterviews auch thema innerhalb der gehör-

losencommunity. nach aussage von befragten werden

foren viel genutzt. als problem wurde beschrieben,

dass es zu einer Spaltung der gehörlosen-Szene käme

in gehörlose mit guten Schriftsprachkompetenzen

und andere mit geringeren Kompetenzen. da die Szene

eher klein und man auch schnell bekannt sei, gibt es

vorbehalte, sich mit seinen eher geringeren Kompeten-

zen zu outen.

im Zusammenhang mit foren wurden folgende um-

gangsweisen mit der schriftsprachlichen barriere auf-

gezeigt:

erstens gäbe es die Möglichkeit, seine identität über

nicknames anonym zu halten. Zweitens würde manch-

mal auch bei unsicherheiten um hilfe in formulierungs-

fragen gebeten. im allgemeinen würde viel mehr gele-

sen, als sich selbst aktiv zu beteiligen. eine befragte

person gab zu diesem punkt einen weiteren hinweis:

beim chat, z.b. auf taubenschlag sei die hemmschwel-

le der beteiligung geringer, weil die beiträge nicht ar-

chiviert würden. toll wäre außerdem, wenn es einen

Service gäbe, dass man per Kamera die beiträge ge-

bärden könnte und dann ein dolmetscher die beiträge

in Schriftform ins forum stellen könnte.

Wünsche und beschwerden geben gehörlose befragte

der gruppeninterviews besonders für videoanwendun-

gen an. hier sehen sie noch einen weiteren entwick-

lungsbedarf, was die technische ausgestaltung angeht,

wie auch die Kompatibilität verschiedener anwendun-

gen. genutzt werden videos (veröffentlichen; anse-

hen) von den befragten größtenteils auch mit kleine-

ren oder größeren Mängeln sowohl rezeptiv (47%) als

auch insbesondere produktiv vergleichsweise häufig

(18%). der vorteil der visuellen Kommunikation und

information überwiegt. für die schriftsprachlichen in-

formationen gilt dies nicht. Zwar geben die befragten

der gruppeninterviews auch hier z.b. für die nutzung

von Wikipedia oder online-Zeitungen Wünsche und

beschwerden an, diese anwendungen werden gemäß

der quantitativen befragung im vergleich mit den

anderen gruppen von weniger gehörlosen befragten

genutzt (vgl. Kapitel 5 und 6 und 7.2). auch innerhalb

von gehörlosenspezifischen online-foren scheint nach

aussage gehörloser befragter in den gruppeninter-

views, die unterschiedliche akzeptanz gegenüber dem

schriftsprachlichem ausdruck die community zu spal-

ten oder zumindest zu Konflikten zu führen.

123

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

8.5/Motorisch beeinträchtigtenutzer

Knapp ein drittel der teilnehmenden an der onlinebefragung benötigt zumindest ab und zu hilfe bei der inter-

netnutzung. Über die genutzten hilfen gibt Kapitel 5 einen Überblick. den dort aufgeführten Werten zufolge ist

es möglich, dass ein großer anteil der befragten keine assistive technologie für die internetnutzung verwendet,

mindestens jedoch 20% eine Spezialmaus, 17% eine Spezialtastatur etc.

die heterogenität der befragtengruppe bzgl. der beeinträchtigungen und assistiven technologien legt nahe, dass

ein gemeinsamer austausch über barrieren oder ähnliche umgangsweisen seltener stattfindet als z. b. bei blin-

den nutzern oder sich ggf. kleinere gruppen entlang der genutzten technologien finden. dem befragten experten

für motorische beeinträchtigung sind Mailinglisten unter betroffenen nicht bekannt (anders als z.b. bei den blin-

den mit blind-Shopping). der experte vermutet, die eingesetzten hilfsmittel motorisch beeinträchtigter nutzer

seien zu unterschiedlich. Über diese komme es nicht zur bildung einer interessengemeinschaft.

Tab.8-5:Nutzerraten,ProblemedermotorischbehindertenBefragtenundProblemquotenfürdieerfragten

FunktionenundAnwendungsbereiche

anwendung Motorisch behinderte nutzer (n=75)

nutzer mit problemen (n=75)

problemquoten

Wikislesen 84% 5% 6%

AlsBenutzerregistrieren 71% 11% 15%

Fotosansehen 65% 7% 11%

Videosansehen 57% 3% 5%

Kommentareschreiben 57% 16% 28%

Weblogslesen 47% 3% 6%

Fotosveröffentlichen 36% 7% **

Nutzerprofilbearbeiten 45% 9% 20%

Webseitenverlinken 41% 7% 17%

EigeneWebseitebetreiben 35% 1% **

Podcastshören 28% 3% **

FreundeinSNShinzufügen 24% k. a. k. a.

Weblogeinträgeschreiben 21% 3% **

Wikisschreibenoderkom-mentieren

21% k. a. k. a.

Videosveröffentlichen 9% k. a. k. a.

Fotoseinbetten 9% 1% **

Videoseinbetten 7% 1% **

SocialBookmarking 5% 3% **

Podcastsveröffentlichen 3% k. a. k. a.

**DieNutzerzahlenliegenuntereinerBasisvonn<30.EserfolgtdahermangelsAussagekraftkeineBerechnungderProblemquote.

124

die wenigen aussagekräftigen problemquoten liegen

in keinem fall bei 30%. auch für die funktionen, bei

denen die berechnung der problemquote aufgrund

geringer nutzerzahlen keine aussagekräftigen Wer-

te liefern würde, geben wenig befragte probleme an.

insgesamt treffen demnach motorisch beeinträchtigte

nutzer vergleichsweise selten auf probleme oder mer-

ken diese selten an. folgende funktionen und anwen-

dungsbereiche sind entsprechend der für diese gruppe

höchsten problemquoten besonders problembehaftet

(vgl. tabelle 8-5):

• Kommentare schreiben (28%)

• nutzerprofil bearbeiten (20%)

• Webseiten verlinken (17%)

die nutzerraten liegen für die nutzung dieser funk-

tionen und anwendungsbereiche zwischen 41% und

57% der motorisch beeinträchtigten befragten. die

problemquoten geben an, dass 17% bzw. bis zu 20%

und 28% (siehe oben) motorisch beeinträchtigter nut-

zer probleme erfahren. neben allgemeinen barrieren

treffen motorisch beeinträchtigte nutzer vorrangig auf

folgende technische barrieren (vgl. Kapitel 6):

• bedienbarkeit der formulare und Schaltflächen

• bedienbarkeit von aufklappmenüs

• bedienbarkeit der player

• ansteuerung von links mit assistiven

technologien

• bedienbarkeit von anwendungen ohne Maus

die motorisch beeinträchtigen befragten nutzen häu-

fig funktionen und anwendungsbereiche, die auch bei

anderen gruppen hohe nutzerraten verzeichnen. nur

wenige motorisch beeinträchtigte befragte nutzen

funktionen, die insgesamt auch bei den anderen grup-

pen niedrige Werte erfahren, wie z.b. videos veröffent-

lichen (9%); fotos einbetten (9%),videos einbetten

(7%) Social bookmarking (5%), podcasts veröffentli-

chen (3%). Somit scheint zunächst die beliebtheit und

bekanntheit von anwendungen ein entscheidendes

Kriterium zur nutzung zu sein. für die relativ wenig

genutzten produktiven funktionen und anwendungs-

bereiche wie z. b. foto- und videoformate einbinden,

liegen die probleme bzw. vorbehalte vermutlich schon

vor dem nutzungsversuch, z.b. beim erstellen eines

podcasts oder videos zur veröffentlichung. die ins-

gesamt wenigen nutzer dieser anwendungsbereiche

bewältigen scheinbar die aufgaben und geben keine

probleme an. anders bei Social bookmarking, fotos

einbetten und videos einbetten, für diese funktionen

und anwendungsbereiche sind ebenfalls nur wenige

nutzer verzeichnet; zumindest einige davon benennen

probleme.

Motorisch beeinträchtigte nutzer haben nach aussage

des befragten experten meist mehrere alternative be-

dienmöglichkeiten: der experte nutze selbst vorrangig

die Spracheingabe und greife bei barrieren aber auch

auf tastatur- oder Maus-nutzung zurück, so seine

aussage. die Maus nutze er ansonsten über das Maus-

raster der Spracheingabe. am komfortabelsten sei die

ausschließliche bedienung über Sprache – über die an-

deren Wege dauere es länger. für den experten seien

Webseiten dann auch bedienbar, wenn sie allgemein

bedienbar seien. barrieren entstehen für ihn über den

Zeitfaktor, weil die bedienung mit Spracheingabe und

Mausraster im vergleich zur tastaturnutzung langsa-

mer sei.

eine befragte person gab im gruppeninterview zur

auskunft, sie nutze chat nur mit bekannten, da sie

in öffentlichen chats mit der eingabe nicht hinterher

komme. drei von vier befragten eines gruppeninter-

views gaben für die nutzung von Webmail an, vorran-

gig outlook und kaum Webmail-anwendungen zu nut-

zen, weil outlook komfortabler in der bedienung sei.

eine person habe einen Web-Mail-anbieter, bevorzu-

ge jedoch outlook, da die oberfläche im vergleich zu

den verschiedenen Web-Mail-anbietern immer gleich

bleibe. eine andere person nutzt Web-Mail nach eige-

nen angaben auch, wenn sie links aus Mails öffnen

will. Mit outlook sei dies manchmal nicht möglich. un-

abhängig von der Mail-funktion beschrieb X in dem

gruppeninterview das problem, dass Mails von der

Spracheingabe manchmal spontan abgesendet oder

ausgedruckt würden, weil die entsprechenden einga-

bebefehle falsch verstanden werden. das sei v. a. bei

geschäfts-Mails sehr ärgerlich. deshalb arbeite X bei

outlook lieber mit der tastatur.

125

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

Zur nutzung von medienspezifischen plattformen gab

eine befragte person an, dass sie keine lust habe, an-

dere player o. ä. herunterzuladen. dies sei zuviel auf-

wand. in einem fall gab eine person an, da links auf

einer Seite zu eng beieinander lägen und die buttons

und grafikartigen Schaltflächen schwierig zu bedienen

seien, bevorzuge sie die tastatur anstelle der Sprach-

eingabe.

die insgesamt niedrigen problemquoten für motorisch

beeinträchtigte nutzer sind kennzeichnend für eine

nutzergruppe, die zur umgehung oder Überwindung

von barrieren individuelle Strategien einsetzt. im ver-

gleich mit blinden aber auch sehbehinderten nutzern

verfügen nutzer mit motorischen beeinträchtigungen

abhängig von der behinderung und den genutzten

assistiven technologien teilweise über ein größeres

Spektrum an alternativen, um barrieren zu überwin-

den. für teilgruppen mit schweren beeinträchtigungen

ist dies zu überprüfen.

8.6/lese-rechtschreib-schwachenutzerundnutzermitlern-undgeistigerbehinderung

für die betrachtung der nutzergruppen lrS (nutzer

mit lese-rechtschreibschwäche) und lb/gb (lern-und

geistigbehinderte nutzer) wird überwiegend auf aus-

sagen aus den gruppeninterviews und expertenge-

sprächen zurückgegriffen. problemquoten für diese

gruppen sind aufgrund der geringen beteiligung dieser

befragten und dementsprechend geringen nutzerzah-

len kaum aussagekräftig.

neben allgemeinen barrieren entstehen barrieren für

diese befragtengruppen in der internetnutzung vor-

rangig über inhaltliche/redaktionelle und organisatori-

sche barrieren und weniger über technische barrieren

(vgl. Kapitel 6). Zu nennen sind hier:

• verständlichkeit von inhalten (Schwierige

Sprache; fremdwörter und fachsprache)

• verständlichkeit von erläuterungstexten,

erwarteten eingaben und fehlermeldungen

(ebenso)

• fehlende oder unzweckmäßige hilfen bei

Sprachproblemen

126

Tab.8-6:NutzerratenundProblemederlese-rechtschreibschwachenundlern-undgeistigbehindertenBe-

fragtenfürdieerfragtenFunktionenundAnwendungsbereiche

anwendung nutzerraten lrS (n=41)

nutzer m. problemen (n=41)

nutzerraten lb/gb (n=46)

nutzer mit problemen (n=46)

Wikislesen 59% 20% 63% 20%

AlsBenutzerregistrieren 34% 10% 41% 9%

Fotosansehen 68% 12% 57% 13%

Videosansehen 56% 12% 35% 9%

Kommentareschreiben 32% 15% 37% 9%

Weblogslesen 37% 12% 37% 7%

Fotosveröffentlichen 29% 7% 30% 7%

Nutzerprofilbearbeiten 27% 2% 28% 4%

Webseitenverlinken 29% 2% 30% 4%

EigeneWebseitebetrei-ben

24% 5% 30% 4%

Podcastshören 20% 2% 22% 4%

FreundeinSNShinzufü-gen

24% 2% 20% 2%

Weblogeinträgeschreiben 20% 10% 20% 0%

Wikisschreibenoderkom-mentieren

24% 10% 17% k. a.

Videosveröffentlichen 10% k. a. 13% k. a.

Fotoseinbetten 10% 2% 13% 2%

Videoseinbetten 10% 0% 9% 0%

SocialBookmarking 10% k. a. 7% k. a.

Podcastsveröffentlichen 2% k. a. 2% k. a.

die befragtengruppe lrS verzeichnet für die nutzung

folgender funktionen und anwendungsbereiche die

niedrigsten nutzerraten:

• Wikis lesen (59%)

• als benutzer registrieren (34%)

am meisten probleme geben die lrS-befragten für Wi-

kis lesen an (20%) und Kommentare schreiben (15%).

hohe nutzerraten im vergleich mit den anderen grup-

pen geben die lrS befragten für folgende funktions-

bereiche an:

• fotos ansehen (68%)

• videos ansehen (56%)

• freunde in SnS hinzufügen (24%)

• Wikis schreiben oder kommentieren (24%)

besonders bei der nutzung von Social networking

Sites und der produktiven nutzung von Wikis zeigen

die häufigen nutzungsversuche von lrS-befragten

die bereitschaft, sich mit erwarteten barrieren ausei-

nanderzusetzen. die nutzer von „Wikis schreiben und

kommentieren“ überwinden sowohl die behinderungs-

bedingte barriere mit dem öffentlichen Schreiben als

auch anwendungsbedingte barrieren im verständnis,

letzteres gilt genauso bei „freunde in SnS hinzufü-

gen“. Während nur 2% aller befragten beim hinzufü-

gen von freunden auf SnS probleme benennen, sind

es für „ Wikis schreiben und kommentieren“ immerhin

10%. hier ist zu vermuten, dass viele nutzer mit lrS es

beim nutzungsversuch belassen haben.

auffällig sind für die befragtengruppen lrS und lb/

gb die jeweils niedrigen nutzerraten für die benut-

zerregistrierung (vgl. tabelle 8-6). hier scheinen die

vorbehalte gegenüber der nutzung der funktion hoch

zu sein (vgl. auch Kapitel 7.3). die insgesamt überwie-

gend niedrigeren nutzerraten der befragtengruppe lb/

gb lassen darauf schließen, dass der erwartete auf-

127

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

wand bei der nutzung und nutzungsrisiken eher zu Zu-

rückhaltung anstelle von ausprobieren von funktionen

und anwendungen führen. dies kann mit der niedrige-

ren nutzungserfahrung und -intensität dieser befrag-

tengruppe in verbindung stehen.

in den gruppeninterviews und expertengesprächen

der Studie Web 2.0 barrierefrei erfolgten auch hinwei-

se, wie die befragten bzw. die nutzergruppe im allge-

meinen mit barrieren umgeht. im gruppeninterview

mit befragten mit lernschwierigkeiten gab eine per-

son an, sie nutze chatrooms mit mehreren nicknames,

um bei Schwierigkeiten, wenn „etwas schlecht läuft“,

namen löschen zu können. eine ähnliche verfahrens-

weise wandte die person in der nutzung von Webmail

an, um für verschiedene nutzungssituationen risiken

zu vermeiden. So gab die person an, neue accounts

anzulegen, da z.b. ihr freenet-postfach manchmal

überfüllt sei und sie ihre Mails erhalten möchte. auf

Web.de sammelten sich ihre Spam-Mails, so dass sie

dort gar nicht regelmäßig nachschaue. X gebe je nach

anlass verschiedene adressen an, z.b. wenn sie kei-

ne privaten angaben machen möchte, kontaktiere sie

nach eigenen angaben über ihre Yahoo-adresse oder

gMX.

„DawissenSie ja immernochnichtdeineHausad-

resse,odersonstwie(..)“

DiesmacheX z.B.wennsieüberE-BayGeschäfte

abschließt,umSicherheitzugewährleisten.

Wenn texte und inhalte schwer verständlich seien,

berichtete X, würde sie den Site-anbieter über das

Kontaktformular darüber informieren. person Y gab

im gruppeninterview an, zur erstellung von beiträgen

schreibe Y diese zuerst in Word und kopiere sie dann

in das forum. dieses vorgehen sei Y so gewohnt und

habe dabei größere ruhe. außerdem ließe Y sich das

passwort zuschicken, wenn sie dies vergessen habe,

dies „komme schon mal vor.“ Y gab zum nutzungsver-

halten von Wikis an, sie komme mittels google-Suche

zu Wikipedia und gebe da dann noch mal den speziel-

len Suchbegriff ein. person X gab weiterhin an, sich

podcasts anzuhören, diese aber aus Sicherheitsbeden-

ken nicht herunterzuladen.

bei diesen beschriebenen nutzungsweisen wurden

Schwierigkeiten seitens der befragten umgangen oder

bestimmte lösungen gesucht. die befragten eines

gruppeninterviews nannten auch fälle, in denen sie

aus bestimmten gründen anwendungen nicht nutzen

würden. So gaben befragte an, Multi-user-Spiele nicht

zu nutzen, weil sie teilweise kompliziert seien oder

Kosten verursachen würden, von denen man anfangs

nichts wüsste („[...] im Kleingedruckten“).

nach auskunft der zu lernschwierigkeiten befragten

experten sei die Motivation vieler Menschen mit lern-

schwierigkeiten hoch, die kompetente nutzung von

computer und internet zu erlernen, da computernut-

zung in der community von Menschen mit lernschwie-

rigkeiten sehr angesehen sei. Sie werde nach ein-

schätzung der experten von den betroffenen als teil

einer erwachsenen- und arbeitswelt angesehen. dem-

nach ist zu vermuten, dass die bereitschaft, sich mit

Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, vorhanden ist.

Speziell anwendungen zur herstellung neuer Kontak-

te und zur Kontaktpflege dürften voraussichtlich auch

bei höherem aufwand versucht werden. So äußerten

die experten für lernschwierigkeiten für die gruppe

lb/gb den eindruck, der Wunsch nach Kontakten auch

zu nichtbehinderten sei groß.

128

8.7/StrategienverschiedenerNutzertypenunabhängigvon

derenBehinderung

produktive nutzer zeigen behinderungsunabhängig eine höhere Motivation, barrieren zu überwinden. dies ist da-

mit zu begründen, dass produktive nutzer, wie z. b. solche, die videos oder podcast veröffentlichen, wahrschein-

lich sehr medienkompetent sind. für die produktiven anwendungsbereiche zeigen sich geringe problemquoten

und geringe nutzerraten für alle befragtengruppen. die barrieren liegen hier für die meisten der behinderten

befragten vor dem nutzungsversuch in der erwartung eines hohen aufwandes:

Tab.8-7:ProblemquotenfürproduktiveFunktionenundAnwendungsbereiche

Sehb. problem-quote

blind problem-quote

Schwh. problem-quote

gehl. problem-quote

Mot. b. problem-quote

Kommentareschreiben 25% 30% 18% 21% 28%

Fotosveröffentlichen 16% 26% 11% 10% **

Webseitenverlinken 12% 11% 12% 17% 17%

EigeneWebseiteb. 15% 17% ** 13% **

Weblogeinträgeschreiben 12% 35% ** 15% **

Wikisschreibenoderkom-mentieren

9% 24% ** 17% k. a.

Videosveröffentlichen ** ** ** 11% k. a.

Fotoseinbetten ** k. a. ** 8% **

Videoseinbetten ** ** k. a. 17% **

SocialBookmarking k. a. ** k. a. ** **

Podcastsveröffentlichen k. a. k. a. k. a. k. a. k. a.

**DieNutzerzahlenliegenuntereinerBasisvonn<30.EserfolgtdahermangelsAussagekraftkeineBerechnungderProblemquote.

129

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

die in tabelle 8-7 aufgeführten problemquoten liegen

überwiegend unter 30%, d. h. für mehr als zwei drittel

aller behinderten nutzer treten voraussichtlich keine

probleme bei der nutzung dieser funktionen auf. So

liegen die problemquoten für „Kommentare schreiben“

zwischen 18% und 30%. für „eigene Webseite betrei-

ben“ sind für ca. 15% der nutzer probleme zu erwarten.

die problemquoten für „Webseiten verlinken“ liegen in

ähnlichen bereichen. pro befragtengruppe produzie-

ren und veröffentlichen nur sehr wenige nutzer pod-

casts (vgl. tabelle 8-7). Keiner der befragten, die pod-

casts veröffentlichen, gibt probleme an. Je höher das

niveau der produktivität, desto weniger werden diese

funktion und anwendungsbereiche genutzt und bar-

rieren bemängelt. produktive nutzer sind erstens als

besonders kompetent in der nutzung ihrer assistiven

technologien und der anwendungen einzuschätzen,

und sie zeigen eine höhere bereitschaft, barrieren zu

überwinden. höhere problemquoten als die übrigen

befragtengruppen ergeben sich nach erfahrung der

blinden befragten für die schriftlichen Kommentar-

funktionen. für „Wikis schreiben oder kommentie-

ren“, „Weblogeinträge schreiben“ und „Kommentare

schreiben“ ergeben sich problemquoten um ca. 30%.

die basis blinder befragter, die Weblogeinträge sch-

reiben und Wikis schreiben bzw. kommentieren, ist mit

ca. 21 nutzern zu gering, um sichere aussagen treffen

zu können. folgende aussagen aus den gruppeninter-

views untermauern jedoch die prozentualen angaben

(vgl. hierzu auch Kapitel 6)3:

„das backend von blog-Software müsste oft erst ein

wenig angepasst werden, um für mehr Übersichtlich-

keit zu sorgen. Mit Screen readern gibt es auch oft

probleme mit onclicks. erhöhter lernaufwand ist ge-

geben.“

„eingabefelder für texterkennungssoftware nicht les-

bar.“

„ich hatte vor allem probleme mit den formatierungs-

möglichkeiten, und in den anleitungen waren meist nur

grafisch dargestellte beispiele vorhanden, so dass ich

nicht wirklich nachvollziehen konnte, wie man beim

Schreiben des eintrages welches ergebnis erreicht.“

Weiterhin kann anhand von aussagen der qualitativen

befragung im rahmen der Studie Web 2.0 barriere-

frei vermutet werden, dass behinderte nutzer gegen-

über von anderen nutzern erstellten inhalten etwas

toleranter sind. So wurde die technische qualität

von privat produzierten produkten auf medienspezi-

fischen plattformen in der tendenz als unzureichend

bezeichnet, nahezu alle beteiligten an den gruppen-

interviews zeigten sich durch diesen anwendungstyp

jedoch sehr stimuliert. in einem gruppeninterview mit

sehbehinderten befragten schauten bspw. die befrag-

ten regelmäßig videos z.b. auf clipfish an, unter an-

derem auch „lustige filme“. eine person gab an, gut

sei, wenn man im fullscreen das video ansehen könne,

oft sei die qualität der filme aber schlecht, so dass sie

dann pixelig würden. Zur nutzung von podcasts gab

eine schwerhörige person im gruppeninterview an, sie

finde es grundsätzlich gut, dass sich podcasts sehr

einfach produzieren lassen, was aber häufig zur Kon-

sequenz hätte, dass die tonqualität schlecht sei. die

annahme einer höheren toleranz bei anwendungen

mit einem hohen Stimulanzfaktor bedarf der weiteren

Überprüfung.

3DaherwerdendieerrechnetenProblemquotenandieserStellegezeigt.

130

8.8/Zusammenfassung

bindungen an eine anwendung oder einen anbieter

können zunächst durch eine gute benutzbarkeit für

den jeweiligen nutzer erklärt werden. eine geringe ak-

zeptanz zeigen die befragten vorrangig dort, wo bes-

ser bedienbare alternativen vorhanden sind. Wo meh-

rere angebote mit vergleichbarem funktionsspektrum

und ähnlichem nutzergebnis miteinander konkurrieren,

werden besser bedienbare angebote bevorzugt und

sind in der community bekannt. dies trifft insbesonde-

re für Mail- und chatanwendungen zu.

Strategien zur Überwindung von barrieren werden vor-

rangig dann eingesetzt, wenn eine anwendung oder

der jeweilige anwendungsbereich die individuellen be-

dürfnisse eines nutzers in so hohem Maße zufrieden-

stellt, dass er oder sie dafür einen höheren aufwand

akzeptiert. bei bestimmten anwendungen ist von einer

eher erzwungenen akzeptanz von barrieren zu spre-

chen, wenn z.b. nutzer aufgrund bestehender sozialer

Kontakte an eine bestimmte Social networking Site

gebunden sind. ein besonderer nutzwert und soziale

Kontakte machen selbst schlecht bedienbare anwen-

dungen attraktiv. gleiches gilt für anwendungen, die

über einen alleinstellenden Mehrwert verfügen, wie z.

b. das online-angebot der deutschen bahn oder ande-

rer verkehrsbetriebe, sofern die offline-alternative als

„noch schlechter“ bewertet wird. die nutzer zeigen sich

in diesen fällen bereit, einen hohen aufwand zu erbrin-

gen, eine anwendung nicht vollständig zu nutzen (z.b.

nur rezeptiv) oder hilfe in anspruch zu nehmen.

Somit ist die barrierefreiheit einer anwendung nicht

grundsätzlich das vorrangige auswahlkriterium be-

hinderter nutzer für ein angebot. das bedürfnis der

nutzer nach einer einfachen bedienbarkeit kann durch

eine barrierefreie und nutzerorientierte gestaltung

des angebotes erfüllt werden. neben dieses bedürf-

nis treten jedoch andere anforderungen der nutzer an

die angebote, wie z.b. die Übereinstimmung der po-

litischen orientierung von informationsangeboten mit

eigenen einstellungen oder die erfüllung der eigenen

unterhaltungserwartung durch den speziellen unter-

haltungswert eines angebots. der anfang der 1960er

Jahre von elihu Katz geprägte begriff der „uses and

gratifications“4, zu deutsch „nutzen- und belohnungs-

ansatz“, kann zur erläuterung des nutzerverhaltens

in auswahl und umgang mit Medien herangezogen

werden. nach an die aktuell verfügbaren medialen

angebote angepassten ansätzen des “uses and gra-

tifications approachs“5 sind die individuellen Wünsche

von Mediennutzern an angebote beeinflusst von so-

ziologischen und psychologischen faktoren, wie z.b.

alter, Milieuzugehörigkeit und/oder eltern/Kind-be-

ziehung. diesem ansatz zufolge übt der Mediennutzer

seine (publikums-) rolle insofern aktiv aus, als dass

er anhand der Zufriedenstellung seiner unterhaltungs-,

vernetzungs-, und informationsbedürfnisse Medienart,

-angebot und nutzungssituation individuell auswählt.6

die zuvor beschriebene bereitschaft, barrieren durch

jeweils individuelle Strategien zu umgehen oder zu

überwinden, kann gemäß des nutzen- und beloh-

nungsansatzes mit der aus der nutzung resultierenden

belohnung erklärt werden. umgeht oder überwindet

der behinderte nutzer eine in der anwendung liegende

barriere, so dass es zur nutzung kommt, wird er durch

die befriedigung seiner individuellen bedürfnisse

durch das Medienangebot belohnt.

131

StudieWeb2.0/barrierefrei/teilaSPeKte

bei Schwierigkeiten, die durch fehlende verständlich-

keit bedingt sind, überwiegen jedoch die vorbehalte

der betroffenen nutzer und es kommt bereits zu we-

niger nutzungsversuchen. dies zeigen die geringeren

nutzerraten von gehörlosen, lrS, und lb/gb, sowie

schwerhörigen befragtengruppen in der quantitativen

befragung für stark textbasierte anwendungen und

funktionsbereiche. Wenige beschwerden über proble-

me sind somit nicht per se ein anzeichen für eine barri-

erefreie nutzbarkeit durch alle nutzergruppen.

Weiterhin hat die Medienkompetenz einfluss auf die

Wahrnehmung und den umgang mit barrieren. Wer

sehr medienkompetent ist, ist nicht nur in der lage,

barrieren eher zu umschiffen, sondern traut sich dies

auch eher zu, da bereits positive erfahrungen gemacht

wurden. dies zeigen auch die geringen problemquoten

produktiver nutzer. dennoch gibt es auch für medien-

kompetente nutzer „Schmerzgrenzen“ bzw. völlig un-

zugängliche anwendungsbereiche.

um anwendungen barrierefrei zu gestalten, ist es ne-

ben der beachtung bestehender Kriterien weiterhin

wichtig, behinderte nutzer am gestaltungsprozess zu

beteiligen. Mittels testverfahren und einbeziehung

von behinderten nutzern oder anwendern in die Kons-

truktion einer anwendung kann dies realisiert werden.

damit wäre ein rechtzeitiges feedback gesichert und

die anwender könnten auch hinsichtlich der bereit-

schaft der nutzer, kleinere oder größere Schwierigkei-

ten zu überwinden, einen einblick gewinnen. Weiterhin

ist es wichtig, dass innerhalb der Webseiten gegebene

rückmeldungen seitens der nutzer bearbeitet werden,

da diese deutlich anzeigen, wo die nutzer Schwierig-

keiten erfahren. dies bietet zusätzlich zu den forma-

len Kriterien einen praktischen eindruck, wo und wie

Schwierigkeiten auftreten. der teilweise hohe auf-

wand, den behinderte nutzer für die nutzung von an-

geboten investieren, sollte den anbietern als ansporn

dienen, den nutzern mit anstrengungen für eine gute

bedienbarkeit entgegenzukommen

4Vgl. hierzu den Wikipedia-Beitrag („Nutzen- und Belohnungsansatz“): „Der Nutzen- und Belohnungsansatz (auch Uses andGratificationsApproach,Uses-and-Gratifications-AnsatzoderTheoriederselektivenZuwendung)isteinModellderMediennutzungs-forschungundwidersprichtdemWirkungsansatzdesälterenStimulus-Response-Modells.InAbsetzungbzw.ErgänzungderMedien-wirkungsforschunguntersuchtderAnsatzdieaktiveRollederRezipientenimUmgangmitMassenmedien.“(eingesehenam14.04.09unter:http://de.wikipedia.org/wiki/Uses_and_Gratifications_Approach)

5ThomasE.RuggieroformuliertdieerstenAnsätzedes„Nutzen-undBelohnungsansatzes“folgendermaßen:„Earlyinthehistoryof

communicationsresearch,anapproachwasdevelopedtostudythegratificationsthatattractandholdaudiencestothekindsofmediaand the types of content that satisfy their social and psychological needs (Cantril,1942)“. Sein Anliegen ist es, den „Uses andGratification Approach“ als sinnvollen Ansatz zur Erforschung desMediennutzungsverhaltens entgegen von Kritik zu befürworten,besondersinVerknüpfungmitderaktuellenEntwicklungder„neuenMedien“.(vgl.ThomasE.Ruggiero,CommunicationsDepartmentUniversityofTexasatElPaso,„UsesandGratificationsTheoryinthe21stCentury“,in:„MassCommunication&Society“,2000,3(1),p.3-37.)

6NachRuggierosollteder„NutzenundBelohnungsansatz“zurErforschungvonNutzungsmotivationundAuswahlkriterieninderInter-

netnutzungweitereKonzepteintegrierenbwz.beachten,diesichspeziellmitderBeschaffenheitdesneuenMediumsauseinandersetzen:“Althoughwearelikelytocontinueusingtraditionaltoolsandtypologiestoanswerthesequestions,wemustalsobepreparedtoexpandourcurrenttheoreticalmodelsofU&Gtoincludeconceptssuchasinteractivity,demassification,hypertextuality,asynchronity,andinterpersonalaspectsofmediatedcommunication.”(Ruggiero,p.29)

9beSeitigung der barrieren

dieimKapitel6differenziertenbarrierenkönnenzu-

sammenfassend in eine beziehungsmatrix von be-

troffenerbehinderungsartundVerantwortungsberei-

chenunddarüberhinausineineGegenüberstellung

von nutzungsarten und Verantwortungsbereichen

eingeordnetwerden,sodassfürbeideSichtweisen

einÜberblicküberbarrierenundVerantwortungsbe-

reiche gegebenwerden kann. als Verantwortungs-

bereichwerdendabeidiemöglichenZuständigkeiten

fürdieMinimierungoderbeseitigungderbarrieren

definiert.dabei kannesaufgrundvonnicht immer

klar abzugrenzenden Verantwortlichkeiten auch zu

Überschneidungen oder Mehrfachnennungen zwi-

schendeneinzelnenKlassenkommen.Soliegtz.b.

dieVerantwortungfürdierichtigeaufbereitungvon

fotos für Webseiten oder Wiki-anwendungen z. t.

beimredakteur,manchmalauchbeimdesigner;die

richtige auszeichnung, darstellung und einbindung

derfotosobliegtdannwiederumz.t.demProgram-

mierer,aberauchdemredakteur.

133

StudieWeb2.0/barrierefrei/KlaSSifiZierunG

9.1/Klassifizierung derBarrieren

die barrieren werden dafür in vier Klassen gegliedert,

so dass für die einzelnen barrieren abgeleitet werden

kann, an welcher Stelle Maßnahmen zur Steigerung

der barrierefreiheit eingeleitet werden sollten. So sind

also für die entstehung von barrieren verschiedene

verantwortungsbereiche bzw. Mitwirkende im ent-

wicklungs- und betriebsprozess einer Webanwendung

festzustellen, die in ihrem jeweiligen handlungsfeld

für die Sicherstellung der barrierefreiheit einstehen

sollten. diese Mitwirkenden finden sich zugleich in

den Klassen der barrieren wieder, da diese barrieren

unmittelbar mit dem dafür verantwortlichen zusam-

menhängen bzw. zugeordnet werden können. die vier

Klassen und deren geltungsbereich sind folgenderma-

ßen abgegrenzt:

1.Technisch-funktionaleBarrieren

• beruhen auf verwendeten techniken oder pro-

grammierungen und hard- und Software-

einschränkungen durch assistive technologien

• beispiele sind captchas (nicht-maschinenles-

bare grafikcodes), bedienbarkeit von flash-

playern, fehlende auszeichnung von formularen

• liegen im verantwortungsbereich von Web-

programmierern und dienstleistern

• richtlinien zur beseitigung sind bitv (barrie-

refreie informationstechnik-verordnung), Wcag

(Web content accessibility guidelines), uaag

(user agent accessibility guidelines), atag

(authoring tool accessibility guidelines)

2.RedaktionelleundinhaltlicheBarrieren

• beruhen auf unzureichender redaktioneller oder

struktureller aufbereitung des inhalts und

deren umsetzung für das internet

• beispiele sind schwierige Sprache, fehlende

textstrukturen, fehlende auszeichnung von

bildern

• liegen im verantwortungsbereich von Web-

redakteuren

• richtlinien zur beseitigung sind europäische

richtlinien für leichte lesbarkeit , Wcag (Web

content accessibility guidelines)

3.Barrieren aufgrund des Designs der Benutzer-

schnittstellen:

• beruhen auf unzureichender gestaltung

• beispiele sind zu geringe Kontraste, hinter-

grundbilder, zu kleine Schriftgrößen

• liegen im verantwortungsbereich von Web-

designern

• richtlinien zur beseitigung sind Wcag (Web

content accessibility guidelines)

4.OrganisatorischeBarrieren

• sind bedingt durch organisatorische umstände

und das umfeld

• beispiele sind fehlendes budget für dgS-videos

und alternative aufbereitung

• liegen im verantwortungsbereich von auftrag-

gebern

die beiden folgenden gegenüberstellungen sollten in

absteigender reihenfolge gelesen werden, d.h. je wei-

ter oben in der tabelle, um so allgemeingültiger ist die

barriere, je weiter unten, desto spezieller ist die barri-

ere für die behinderungsart oder nutzungsart.

1Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung:http://www.gesetze-im-internet.de/bitv/index.html,Anlage(zuden§§3und4Abs.1), FundstelledesOriginaltextes:BGBl.I2002,2655-26622WebContentAccessibilityGuidelines(WCAG)2.0;W3CRecommendation11December2008:http://www.w3.org/TR/WCAG20/3UserAgentAccessibilityGuidelines1.0;W3CRecommendation17December2002:http://www.w3.org/TR/2002/REC-UAAG10-20021217/4AuthoringToolAccessibilityGuidelines2.0;W3CWorkingDraft24.November2008:http://www.w3.org/TR/ATAG20/5EuropäischeVereinigungderILSMH(1998):„Sageseinfach!EuropäischeRichtlinienfürdieErstellungvonleichtlesbarenInformatio- nenfürMenschenmitgeistigerBehinderung“,BrüssellISBN2-930078-12-X

134

9.2/bedeutungderBarriereklassenfürdieverschiedenenBenutzergruppen

in der nachfolgenden tabelle sind die in der Studie

Web 2.0 barrierefrei erfassten barrieren bei der nut-

zung von Webangeboten mit den zuständigen verant-

wortungsbereichen bzw. barriereklassen mit den von

ihr betroffenen nutzergruppen in beziehung gesetzt.

daraus ist abzulesen, welche nutzergruppen mit spe-

ziellen einschränkungen auf welche barrieren stoßen

könnten und welche mitwirkende Stelle im lebens-

zyklus der Webanwendung diese barrieren abbauen

könnte.

135

StudieWeb2.0/barrierefrei/KlaSSifiZierunG

Tab.9-1:GegenüberstellungderBarrierennachBehinderungsartundVerantwortungsbereich

behinderungsart technisch-funktionale barrieren

redaktionelle /inhaltliche barrieren

barrieren aufgrund des designs

organisatorische barrieren

Alle bedienbarkeit, auszeichnung der eingabeformulare und Schaltflächen,Schriftgrößen ineditoren, fehlermeldun-gen, beschreibungen/ auszeichnungen der Medien, bedienbare oder verfügbare player

verständlichkeit, Schwierige Sprache, textaufbereitung/ Struktur, fremdwörter, erläuterungen, orientie-rung und Übersichtlich-keit, verständlichkeit von erläuterungstexten, erwarteten eingaben und fehlermeldungen, qualität, größe und Kontrast der Medien, beschreibungen/ aus-zeichnungen, linkbe-zeichnungen

Wahrnehmbarkeit, orientierung und Übersichtlich-keit, gestaltung der formulare, Schriftgrößen und Kontraste, Wahr-nehmbarkeit der editorfunktionen, bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit der player, qualität, größe und Kontrast der Medien

hilfen bei Sprach-problemen, qualität und transparenz der angebote

Blindundsehbe-hindert

abfotografierte oder gescannte pdf-doku-mente, pdf-formulare, bilderdarstellung, captchas, grafische editoren, Schriftgrößen in editoren, auszeich-nung der eingabeformu-lare und Schaltflächen, probleme mit Screen-readern, probleme mit Java-Script und flash, bedienbare oder verfügbare player, nicht-barrierefreie ajax-anwendungen, fehlen-de bedienbarkeit von anwendungen ohne Maus

große anzahl der links (gestörter lesefluss im Screenreader), textauf-bereitung/ Struktur, qualität, größe und Kontrast der Medien, linkbezeichnungen, beschreibungen der Medien

bilderdarstellung, Schriftgrößen und Kontraste, optimie-rung auf bestimm-te auflösungen, bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit der player, große Schaltflächen

Gehörlosundschwerhörig

upload-Möglichkeiten für eigene dgS-videos, download und Steue-rung von podcasts

fehlende dgS-videos, qualität, größe und Kontrast der Medien, inhalte nur in podcasts

bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit der player

dgS-videos (zur erläu-terung), upload-Mög-lichkeiten für eigene dgS-videos, fehlende untertitel, pflichtan-gaben, qualität der podcasts

LRSundLB/GB verständlichkeit, Schwierige Sprache, fremdwörter und fach-sprache, verständlich-keit von erläuterungs-texten, erwarteten eingaben und fehler-meldungen

hilfen bei Sprach-problemen

MotorischeBehin-derungen

bedienbarkeit der formulare und Schalt-flächen, Schlechte bedienbarkeit von aufklappmenüs, be-dienbarkeit der player, ansteuerung von links mit at, bedienbarkeit von anwendungen ohne Maus

linkbezeichnungen bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit der player, Zu eng beieinander liegen-de links

136

9.3/bedeutungderBarriereklasseninBezugaufverschiedeneNutzungsarten

auch eine gegenüberstellung der barrieren zu den ein-

zelnen nutzungsarten scheint sinnvoll, so dass anbie-

ter von bestimmten angeboten erkennen können, wel-

che barrieren zu erwarten sind, um diese im vorfeld

der veröffentlichung beheben zu können. die folgende

tabelle 9-2 zeigt, welche aspekte der anwendungen zu

barrieren führen können und erleichtert damit in der

entwicklung und evaluation einer Webanwendung die

Sensibilisierung für barrieren. da sich viele der bar-

rieren sowohl bei verschiedenen nutzungsarten als

auch in verschiedenen verantwortungsbereichen nie-

derschlagen, wird für die folgende gegenüberstellung

ebenfalls eine auslegung der einzelnen nutzungsarten

vorgenommen, wobei auch hier Überschneidungen

zwischen einzelnen arten auftreten können.

1. einfache formularbasierte Anwendungen:

Benutzerregistrierung, Bearbeitung von

Nutzerprofilen, Kommentarfunktionen,

LeseninWiki-AnwendungenundWeblogs

2. erweiterte formular- oder editorbasierte

Anwendungen: Schreiben in Wiki-Anwen-

dungenundWeblogs

3. MedienintensiveNutzungen:Fotos,Videos

und Podcasts ansehen, veröffentlichen

undeinbetten

137

StudieWeb2.0/barrierefrei/KlaSSifiZierunG

Tab.9-2:GegenüberstellungvonNutzungsartenundVerantwortungsbereichen

nutzungsarten technisch-funktionale barrieren

redaktionelle /inhaltliche barrieren

barrieren aufgrund des designs

organisatorische barrieren

alle bedienbarkeit, fehler-meldungen, probleme mit Screenreadern, pro-bleme mit Java-Script und flash, pop-up-fenster

verständlichkeit, Schwierige Sprache, textaufbereitung/ Struktur, fremdwörter, erläuterungen, orien-tierung und Übersicht-lichkeit, beschreibun-gen/ auszeichnungen, linkbezeichnungen

Wahrnehmbarkeit, orientierung und Übersichtlichkeit, Schriftgrößen und Kontraste, optimie-rung auf bestimmte auflösungen

qualität und transpa-renz der angebote

formularbasiert captchas, auszeich-nung der eingabeformu-lare und Schaltflächen, probleme mit ajax

verständlichkeit von erläuterungstexten, er-warteten eingaben und fehlermeldungen

gestaltung der formulare

pflichtangaben, dgS-videos zur erläuterung

erweitert formular- oder editorbasiert

upload-Möglichkeiten für eigene dgS-videos, grafische editoren, Schriftgrößen in editoren, probleme mit JavaScript, probleme mit ajax

gestaltung der formulare, Wahr-nehmbarkeit der editorfunktionen

upload-Möglichkeiten für eigene dgS-videos, hilfen bei Sprach-problemen

Medienintensiv bilderdarstellung, beschreibungen/ auszeichnungen der Medien, bedienbare oder verfügbare player, abfotografierte oder ge-scannte pdf-dokumente, download und Steue-rung von podcasts und videos

qualität, größe und Kontrast der Medien, dgS-videos, podcasts, beschreibungen der Medien

bedienbarkeit und Wahrnehmbarkeit der player, qualität, größe und Kontrast der Medien

untertitel, dgS-videos, qualität der podcasts

138

9.4/beseitigung vonBarrieren

Mit hilfe der oben angegebenen gegenüberstellungen

ist es für auftraggeber, entwickler und redakteure

möglich, die barrieren aus ihrem verantwortungs-

bereich zu erkennen und zu minimieren. So konnten

sowohl für die verschiedenen behinderungsarten als

auch für die einzelnen nutzungsarten die typischen

und häufigen barrieren identifiziert werden, so dass es

allen am entwicklungsprozess von Webanwendungen

beteiligten personen möglich ist, den anteil an barri-

eren für bestimmte Zielgruppen zu senken und damit

einen wesentlichen beitrag zur barrierefreiheit ihrer

angebote zu leisten.

insgesamt ist es nicht überraschend, dass sich bei

der nutzung von internetangeboten behinderungsbe-

dingte barrieren zeigen. So haben visuell beeinträch-

tigte nutzer probleme mit dem visuellen anteil von

Webseiten, besonders aber mit bildern und videos.

hörgeschädigte internetnutzer äußerten probleme im

umgang mit dem auditiven anteil von videos und pod-

casts. Menschen mit eingeschränkter lese- und recht-

schreibkompetenz, gehörlose und nutzer mit lb/gb

weisen auf verständnisprobleme im umgang mit den

textuellen inhalten hin, wobei insbesondere schwieri-

ge und unstrukturierte texte, lange Sätze, abkürzun-

gen und fach- bzw. fremdwörter den Zugang zum in-

halt erschweren.

die meistgenannten barrieren über alle nutzungsar-

ten hinweg sind die für Screenreader unzugänglichen

und für einige Menschen z. t. nicht wahrnehmbaren

captchas, die eine vollständig eigenständige nutzung

der internetangebote für sehgeschädigte nutzer ver-

hindern. hier könnten alternative Schutzmechanismen

z. b. in form von rechenaufgaben oder audioalterna-

tiven einen wesentlichen beitrag für die selbständige

internetnutzung von Menschen mit behinderungen

leisten. des Weiteren sind besonders bedien- und for-

mularelemente und deren Wahrnehmbarkeit und nutz-

barkeit für Menschen mit Sehbehinderungen kritisch,

so dass diese mit assistiven technologien getestet

werden sollten. die Zunahme an grafisch-basierten

und mit ajax realisierten anwendungen ist für Screen-

reader-nutzer problematisch, da die meisten anwen-

dungen nicht oder zu langsam mit ihren technologien

zu bedienen sind.

für den komfortablen Zugang zu den inhalten für ge-

hörlose nutzer wären vor allem videos in der deut-

schen gebärdensprache hilfreich. diese werden nach

derzeitigem Stand der technik sowohl durch Studio-

aufnahmen von gebärdensprachdolmetschern als auch

durch den einsatz von sogenannten avataren realisiert.

für die erstellung von gebärdensprachvideos bedarf

es sowohl der organisatorischen berücksichtigung

und planung als auch der aufbereitung der inhalte. für

die teilnahme an produzierenden Web 2.0-aktivitäten

wären außerdem upload-Möglichkeiten für eigene

videos sinnvoll, so dass sich dadurch zum einen die

gehörlosen untereinander im verständnis der inhalte

unterstützen und zum anderen der anreiz für gehör-

lose, aktiv tätig zu werden, gesteigert werden könnte.

durch gut strukturierte und in einfacher Sprache

formulierte inhalte können nicht nur nutzer mit ein-

schränkungen in der verwendung und dem verstehen

von Schriftsprache profitieren, sondern allen internet-

nutzern wird die aufnahme der inhalte erleichtert. dies

gilt im besonderen Maße für allgemeine geschäftsbe-

dingungen (agbs) und andere vertragscharakter auf-

weisende texte, die für nutzer lesbar und verständlich

139

StudieWeb2.0/barrierefrei/KlaSSifiZierunG

gemacht werden müssen. auch für nutzer, die Sprach-

eingabe verwenden, wie z. b. motorisch behinderte pc-

nutzer, sind einfache und eindeutige bezeichnungen

wichtig, um diese gezielt ansteuern zu können. pro-

blematisch für assistive technologien sind grafische

Schaltflächen und zu eng beieinander liegende links.

für alle internetnutzer sind die bedienbarkeit und

Wahrnehmbarkeit der einzelnen interaktionselemente

auf einer Webseite und die verständlichkeit der inhal-

te und interaktionsmöglichkeiten essentiell, um ein

Webangebot vollständig und erfolgreich nutzen zu

können. dazu müssen alle verantwortungsbereiche zu-

sammenarbeiten und qualitativ hochwertige ergebnis-

se liefern, so dass durch die gestaltung, formulierung

und technische umsetzung die Möglichkeiten nicht ein-

geschränkt werden. das gilt sowohl für die inhalte als

auch für die eingesetzten Medien und interaktionsele-

mente. für eine umfassende umsetzung von barrieren

mindernden Maßnahmen muss aber insbesondere im

vorfeld in der planung der anspruch an ein barrierear-

mes internetangebot formuliert und festgehalten wer-

den, so dass dann alle beteiligten ihre aktivitäten an

diesem qualitätsanspruch ausrichten können.

diese aus den daten abgeleiteten anforderungen

Wahrnehmbarkeit, bedienbarkeit und verständlich-

keit finden sich ebenso in der neuen version der Web

content accessibility guidelines 2.0 (Wcag 2.0) wie-

der. Weiterhin ist in diesen internationalen richtlinien

noch die anforderung robustheit zu finden, welche

die bedienbarkeit mit aktuellen und zukünftigen be-

diensoftware (browser) und assistiven technologien

fordert. die deckungsgleichheit der richtlinien mit

den in der Studie Web 2.0 barrierefrei erfassten bar-

rieren verdeutlicht die praktische relevanz der aktuel-

len richtlinien, die momentan in die neue fassung der

bit-v (zukünftig bit-v 2.0) eingearbeitet werden, und

entsprechen demnach genau den anforderungen der

nutzer mit behinderungen für den komfortablen Zu-

gang zum internet und den dort angebotenen diensten

und anwendungen. um ein weitgehend barrierearmes

internetangebot gestalten zu können, sollten also die

aktuellen richtlinien und techniken der Wcag 2.0 und

bald auch der bit-v 2.0 zu rate gezogen werden, die

konkrete beispiele und techniken für die umsetzung

und evaluation anbieten.

140

9.4.1 beSeitiGunGVonbarrierenbeider

nutZunGVonWiKi-anWendunGen

insgesamt sollte für eine Steigerung der barrierefrei-

heit in Wiki-anwendungen besonders an der sprach-

lichen ausarbeitung der inhalte gearbeitet werden.

hierzu sollten die autoren auf eine barrierefreie um-

setzung der inhalte hingewiesen und bei der gestal-

tung unterstützt werden, z. b. bei der auszeichnung

von bildern. Weiterhin wären z. b. auch Möglichkeiten

zum upload von (dgS-)videos denkbar, die ebenso

wie die schriftlichen texte von den nutzern selbst

produziert und angeboten werden könnten. außerdem

sollten barrierefreie alternativen für die eingabe von

inhalten bereitgestellt werden.

9.4.2 beSeitiGunGVonbarrierenbeider

benutZerreGiStrierunGundbearbeitunG

VonnutZerProfilen

die meisten probleme zeigen sich in der Wahrnehmbar-

keit, bedienbarkeit und orientierung im registriervor-

gang bzw. beim anlegen des nutzerprofils. dabei sind

insbesondere die programmierung der formulare und

captchas kritisch. hier sollten barrierefreie alternati-

ven angeboten werden, damit sich mehr nutzer auch

produktiv an der gestaltung von Web 2.0-angeboten

beteiligen können. Weitere Maßnahmen sollten für die

verständlichkeit der erläuterungen, erwarteten anga-

ben und insbesondere für fehlermeldungen ergriffen

werden. auch die programmierung von fehlermeldun-

gen sollten auf barrierefreiheit für verschiedene ein-

und ausgabegeräte geprüft werden.

9.4.3 beSeitiGunGVonbarriereniMuMGanG

MitdenMedienfotoS,VideoS

undPodCaStS

im umgang mit den verschiedenen Medien im internet

zeigen sich sowohl behinderungsspezifische als auch

technische einschränkungen. Mit verbesserter pro-

grammierung von formularen zum up- und download,

mit ausführlicheren auszeichnungen und Zugangsal-

ternativen zum inhalt können barrieren aber verringert

werden. So sollten z. b. angebote zum bereitstellen

von eigenen Medien die nutzer dazu veranlassen, auch

inhaltliche beschreibungen zu den hochgeladenen

Medien anzugeben, so dass für alle ein Zugang zum

inhalt gewährt werden kann. diese angaben können

ebenfalls über formulare erfasst und als entsprechen-

de alternativbeschreibungen (z. b. alt-attribut) zum

Medium eingetragen werden. dabei sollten alle for-

mularelemente und die zugehörigen erläuterungs- bzw.

hilfetext eindeutig und verständlich gestaltet werden,

damit der vorgang und die erwarteten eingaben trans-

parenter werden. barrieren aufgrund von eingesetzten

captchas, Java-Script oder flash-elementen können

durch alternativen in der programmierung minimiert

und damit der Zugang für assistive technologien ver-

einfacht werden.

141

StudieWeb2.0/barrierefrei/KlaSSifiZierunG

9.4.4 beSeitiGunGVonbarriereniMuMGanG

MitKoMMentarfunKtionenundWebloGS

die nutzung dieser funktionen ist zumeist formular-

basiert und daher zeigen sich an dieser Stelle vor-

wiegend probleme mit unzureichend gestalteten und

ausgezeichneten formularen. um Schwierigkeiten zu

vermindern, sollten daher die zur verfügung stehen-

den auszeichnungselemente der verwendeten be-

schreibungssprache genutzt werden und eine logische

bedienreihenfolge genutzt werden. nutzer mit einge-

schränkten lese- und rechtschreibfähigkeiten stoßen

eher auf persönliche hemmnisse und vorurteile bei der

aktiven beteiligung im internet über derartige funkti-

onen.

9.4.5 beSeitiGunGVonbarriereniMuMGanG

MitSoCialbooKMarKinGund

SoCialnetWorKinGSiteS

die genannten barrieren weisen aber wiederum auf

mangelnde bedienbarkeit und orientierung. Selbst bei

befragten, die derartige angebote bereits nutzen, wird

deren benutzbarkeit als schlecht bewertet und daher

nutzen auch nur wenige diesen anwendungstyp. den

nicht-nutzern scheinen diese angebote nicht bekannt

oder nicht attraktiv zu sein, so dass auch kaum nut-

zungsversuche erfolgen. die barrierefreiheit ist daher

dennoch ein zu beachtender faktor, besonders im ver-

gleich zwischen den nutzungs- und problemquoten der

blinden und sehbehinderten befragten: 91% der be-

fragten blinden personen nutzen einen Screenreader,

und daher kommt der passung zwischen Sprachaus-

gabesoftware und der lesbarkeit der anwendung eine

besondere bedeutung zu, die über die bedienbarkeit

entscheidet. auch die geringen nutzungs- und hohen

problemwerte der motorisch beeinträchtigten befrag-

ten in der nutzung von Social bookmarking weisen zu-

mindest tendenziell darauf hin, dass die benutzbarkeit

für die bewertung von Social bookmarking abseits

erhöhter anforderungen an die Medienkompetenz re-

levant ist.

ein weiterer grund für die geringen nutzerraten und

hohen problemquoten könnte aber auch in den vorge-

lagerten barrieren der benutzerregistrierung und der

bearbeitung des nutzerprofils und „fotos bzw. videos

veröffentlichen“ liegen, die ja meist grundlage für

aktivitäten in Social networking- und bookmarking-

angeboten sind. außerdem beeinflussen aspekte der

benutzungsmotivation und datenweitergabe das inte-

resse und die nutzung von SnS-angeboten.

142

10KonSequenZen undSchluSSfolgerungen

143

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonSequenZen

10.1/dieWeiterentwicklungdesKriterienkatalogsaufBasisderStudienergebnisse

der Katalog der Kriterien für die prüfung von Webseiten

im rahmen des biene-Wettbewerbs wird regelmäßig

einmal jährlich vor der neuausschreibung überarbei-

tet und weiterentwickelt. dabei werden insbesondere

neuere technische entwicklungen im bereich der Web-

anwendungen hinsichtlich der erreichung von barrie-

refreiheit berücksichtigt. durch das aussetzen des

Wettbewerbs im Jahr 2007 und die durchführung der

vorliegenden, auf Web 2.0 anwendungen gerichteten

Studie standen im Jahr 2008 Weiterentwicklungen der

Kriterien im hinblick auf diese anwendungen beson-

ders im fokus. erwartet wurde zunächst, dass diese

stärker nutzeraktivierenden anwendungen wesentli-

che veränderungen des Kriterienkatalogs zur folge

hätten.

nach ausführlichen fachlichen diskussionen hat sich

herausgestellt, dass der Kriterienkatalog des Jahres

2006 nur in einigen aspekten zu verändern war. es

zeigte sich im verlauf des verfahrens, dass die bereits

bestehenden Kriterien schon gut geeignet waren, un-

abhängig von konkreten technologien wesentliche as-

pekte von Web 2.0-anwendungen abzudecken. in den

folgenden abschnitten wird die Weiterentwicklung des

Kriterienkataloges zusammenfassend beschrieben

und an geeigneten Stellen durch beispiele unterlegt.

neben den Kategorien „einkaufs- und transaktions-

angebote“ (z. b. buchung, reservierung, Zahlungs-

vorgänge), „recherche- und Service-angebote“ (z. b.

Kataloge, datenbanken, fahrplanauskunft, renten-

rechner) und „informations- und Kommunikations-

angebote“ (z. b. themenportal, tagesaktuelle Medien,

komplexe foren, Weblogs) aus dem Jahr 2006 wurde

die neue Kategorie „gemeinschafts- und interaktions-

angebote“ definiert, mit der solche Web 2.0-angebote

erfasst werden sollen, die sich nicht einer der ersten

drei Kategorien zuordnen lassen.

10.1.1VorGeHenSWeiSe

den auftakt zur Weiterentwicklung des Kriterienkata-

logs bildete eine expertenrunde mit agenturvertretern

und Web-accessibility-experten zu barrierefreiem Web

2.0. in dieser runde wurden die bestehenden Kriterien

aus dem Jahr 2006 in hinblick auf relevante aspekte

des Web 2.0 ausgiebig diskutiert, v.a. vor dem hinter-

grund der Studienergebnisse. Jedes einzelne Kriterium

aus dem Kriterienkatalog des Jahres 2006 wurde auf

seine tauglichkeit für den testdurchlauf im Jahr 2008

geprüft. dabei stand stets die frage im Mittelpunkt,

ob die vorhandenen Kriterien die neuen anforderun-

gen des Web 2.0 mit abdecken können oder ob für be-

stimmte fragestellungen eigene Kriteriengruppen und

Kriterien benötigt werden. verschiedene Kriterien wur-

den aufgrund der erörterungen konkretisiert, andere

wurden neu geschaffen, wiederum andere aussortiert.

der überarbeitete Kriterienkatalog wurde anschlie-

ßend dem fachlichen beirat des biene-Wettbewerbs

vorgestellt und durch diesen verabschiedet.

144

10.1.2reSultatderKriterienÜberarbeitunG

im folgenden werden die wesentlichen Kriterien und

prüfschritte dargestellt, welche als resultat der arbeit

der expertenrunde sowie der beirats-arbeitsgruppe in

den Kriterienkatalog 2008 aufgenommen oder verän-

dert worden sind.

VariablePräsentation

aus den ergebnissen der befragungen ist hervorgegan-

gen, dass blinde und sehbeeinträchtigte personen bei

bestimmten Web 2.0-angeboten, z. b. Mashups, die

veränderung von teilbereichen der Seite nicht wahr-

nehmen können. daher wurde in der Kriteriengruppe

„variable präsentation“ das Kriterium „Änderungen

von teilbereichen einer bildschirmseite werden sinn-

voll eingesetzt, angekündigt oder sind durch die nut-

zerin/ den nutzer kontrollierbar“ in den Kriterienkata-

log aufgenommen. in den zugehörigen prüfschritten

wird überprüft, ob auf Änderungen sich verändernder

Seitenbereiche hingewiesen wird und ob die aktuali-

sierung von teilbereichen durch eine benutzersteue-

rung kontrollierbar ist.

HilfeundFehlerbehandlunginFormularen

in der Kriteriengruppe „hilfe und fehlerbehandlung in

formularen“ wurde das Kriterium „unterstützung beim

anlegen und einloggen in benutzerkonten“ ergänzt.

die dazugehörigen prüfschritte behandeln den ange-

messenen einsatz von log-in-bereichen, die Schlüssig-

keit der datenerhebung für ein benutzerkonto, die bar-

rierefreiheit einer hilfestellung bei der passwort-Wahl

sowie die einfache unterscheidbarkeit vom log-in be-

reich und der neu-registrierung. Zudem wird geprüft,

ob unmittelbare hilfe gegeben ist, wenn das passwort

vergessen wurde und ob der log-in bereich allein über

tastatur unmittelbar erreichbar ist.

Navigation

ein wesentliches element des Web 2.0 sind soge-

nannte tag-clouds, deshalb lag ein Schwerpunkt der

diskussion der expertenrunde auf diesem thema. ins-

besondere bei tests mit älteren personen hatte sich

herausgestellt, dass die orientierung bei der verwen-

dung von tag-clouds schwerfällt. erwartet wurde von

den nutzerinnen und nutzern eine eher hierarchische

Struktur, die in tag-clouds zunächst nicht erkennbar

ist. in der Kriteriengruppe „navigation“ wurde daher

zum Kriterium „die navigationsmechanismen sind

schlüssig und nachvollziehbar“ der prüfschritt „von

der listenform abweichende navigationsmechanismen

werden beschrieben“ ergänzt. Mit diesem Schritt wird

geprüft, ob eine erklärung zur nutzung von navigati-

onselementen – z. b. von tag-clouds – angemessen

angeboten wird. ebenfalls neu aufgenommen wurde

der prüfschritt „die gewichtung der elemente in tag-

clouds ist barrierefrei wahrnehmbar“. dabei wird ge-

prüft, ob die gewichtung der elemente einer tag-cloud

nicht nur optisch, sondern auch über alternative er-

schließungsoptionen dargestellt wird.

HilfeundFehlerbehandlunginFormularen

eine besondere bedeutung erhalten bei der nutzung

von Web 2.0 anwendungen die sogenannten grafi-

schen captchas (completely automated public turing

test to tell computers and humans apart), welche

hinsichtlich der barrierefreien Zugänglichkeit nach wie

vor problematisch sind. diese captchas finden bereits

seit längerem verwendung, um den Zugang zu be-

stimmten bereichen von Webseiten abzusichern und

z. b. den automatischen Zugriff durch crawler etc. zu

verhindern. in der regel war aber bisher der Kern des

Webangebotes auch ohne diese captchas nutzbar. vor

allem Web 2.0-angebote umfassen heute häufig re-

gistrierungs- oder transaktionsprozesse, die entweder

notwendig sind, um den generellen Zugang zum ange-

bot zu schaffen oder aber einen elementaren bereich

des angebots selbst darstellen. gelingt es dem nutzer

aufgrund eines captchas nicht, den registrierungsvor-

gang z. b. zu einer community-plattform abzuschlie-

ßen, so kann er diese plattform gar nicht nutzen. in

anderen fällen ist zum abschluss einer transaktion

die nutzung eines captchas notwendig. Werden keine

barrierefreien alternativen angeboten, scheitert der

nutzer womöglich an der durchführung der transak-

tion. im Kriterienkatalog beschäftigt sich die Kriteri-

145

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonSequenZen

engruppe „hilfe und fehlerbehandlung in formularen“

mit captchas. Mit dem prüfschritt „vermeidung von

captchas“ wird geprüft, ob graphische captchas ver-

mieden werden. falls dennoch graphische captchas

eingesetzt werden, muss eine barrierefreie alternative

angeboten werden. Mit dem prüfschritt „angemes-

sene verwendung von alternativen in captchas“ wird

geprüft, ob ggf. angebotene alternative Soundfiles zu

captchas deutschsprachig sind und eine gute tonqua-

lität haben. diese bereits im bisherigen Kriterienkata-

log enthaltenen prüfschritte erhalten mit der zuneh-

menden verbreitung von Web 2.0 funktionalitäten in

Webseiten eine größere bedeutung. ein vergleich der

anwendbarkeit der prüfschritte zu captchas auf die

getesteten Webseiten zeigt eine deutliche Zunahme:

im Jahr 2008 wurden captchas in mehr als 25 prozent

der eingereichten Webseiten geprüft, im Jahr 2006 nur

in rund drei prozent der Webseiten.

Multimedia

Mit der im Zuge von Web 2.0 zunehmenden verbreitung

von multimedialen elementen ist auch das auftreten

seiteninterner player angestiegen. in die Kriteriengrup-

pe „Multimedia“ wurde das folgende Kriterium neu

aufgenommen: „Seiteninterne player werden barriere-

frei eingesetzt.“ der erste dazugehörige prüfschritt be-

schäftigt sich mit der Steuerbarkeit von seiteninternen

playern. hier wird geprüft, ob Steuerelemente (play/

Stop, pause, Zurück, Weiter) barrierefrei angeboten

werden, d. h. ob die buttongröße und beschriftung

angemessen sind und ob tastaturbedienbarkeit ge-

währleistet ist. im prüfschritt zur Steuerbarkeit von

Zusatzfunktionen wird überprüft, ob sich Zusatzfunk-

tionen, wie z. b. die bereitstellung von untertiteln, von

audio-deskriptionen oder die einblendung von gebär-

densprach-dolmetschern geräteunabhängig an- und

abschalten lassen. im dritten prüfschritt wird getestet,

ob neben der seiteninternen abspielmöglichkeit ein

vollbildmodus angeboten wird, damit Menschen mit

Sehbeeinträchtigungen die gesamte bildschirmfläche

ausnutzen können.

ebenfalls in die Kriteriengruppe „Multimedia“ wurde

das Kriterium „es wird eine einwandfreie Wahrnehm-

barkeit im video-chat bzw. in video-Konferenzen si-

chergestellt“ aufgenommen. für dieses Kriterium wird

in zwei prüfschritten getestet, ob zum einen die bild-

größe angemessen ist, d. h. mindestens 240x180 pixel

beträgt und eine gute erkennbarkeit des Mundbildes

ermöglicht. Zum anderen wird überprüft, ob die bild-

und tonübertragung synchron oder mit nur geringer

Zeitverzögerung erfolgt.

Gebärdensprachfilme

in der Kriteriengruppe „gebärdensprachfilme“ wurden

zwei Kriterien ergänzt. Zum Kriterium „der inhalt der

gebärdensprach-filme ist dem angebot angemessen“

existiert ein prüfschritt hinsichtlich der darstellung der

inhalte in gebärdensprache. es wird geprüft, ob die

in gebärdensprache angebotenen inhalte den erwar-

tungen der nutzerinnen und nutzer an die Webseite

entsprechen und den gehalt des Webauftritts wider-

spiegeln. Zu dem zweiten Kriterium „die Wiedergabe

von gebärdensprach-filmen ist steuerbar“ wird die

Möglichkeit der einbindung von einfach bedienbaren

playern geprüft. dazu wird getestet, ob die Möglich-

keit besteht, die gebärdensprach-filme ohne erneuten

ladevorgang vor- und zurückspulen zu können und ob

eine Stop- und pausen-funktion vorhanden ist, sofern

dies angemessen ist.

Chat

Komplett neu in den Kriterienkatalog aufgenommen

wurden die Kriteriengruppen „chat“ und „vom nutzer

erzeugte inhalte (user generated content)“, welche

einen wesentlichen Web 2.0-bezug aufweisen. im be-

reich chat gibt es zum Kriterium „es sind individuelle

einstelloptionen von chats anzubieten“ vier zugehö-

rige prüfschritte. es wird geprüft, ob sich bei chats

die auto-aktualisierungsfunktion einfach abstellen

lässt und ob eine manuelle funktion zur aktualisie-

rung angeboten wird. dabei wird darauf geachtet, ob

sich bei abgestellter auto-aktualisierungsfunktion bei

veranlasster aktualisierung der jeweils aktuellste bei-

trag im fokus befindet. Mit dem nächsten prüfschritt

wird getestet, ob man über ein Zurückscrollen im chat-

verlauf einen einfachen Überblick über die erfolgte

146

diskussion gewinnen kann und ob der fokus auch bei

auto-aktualisierung im angescrollten bereich erhalten

bleibt. der dritte prüfschritt stellt fest, ob im chat die

Schriftfarben der anderen teilnehmer in der eigenen

ansicht neu zugewiesen werden können. Mit dem letz-

ten prüfschritt wird getestet, ob der chat vollständig

per tastatur bedienbar ist. dabei wird darauf geachtet,

ob der rasche Wechsel von der nachrichtenübersicht

zur nachrichteneingabe per tastatur unterstützt wird.

Zudem sollte der tastaturfokus beim eintreffen neuer

nachrichten nicht automatisch auf die nachrichten-

übersicht gesetzt werden bzw. dies sollte in den opti-

onen einstellbar sein.

VonNutzernerzeugteInhalte

(UserGeneratedContent)

im vergleich zur Kriteriengruppe „chat“ ist die neufas-

sung der Kriteriengruppe „vom nutzer erzeugte inhal-

te (user generated content)“ umfangreicher ausgefal-

len. dies trägt dem umstand rechnung, dass die von

nutzern generierten inhalte ein wesentliches element

des Web 2.0 darstellen und auch für Menschen mit be-

hinderungen einen wesentlichen anreiz zur nutzung

entsprechender Webangebote bieten.

das erste Kriterium in diesem bereich bezieht sich auf

angemessene orientierung und navigation in nutzer-

erzeugten inhalten. es wird geprüft, ob die Möglichkeit

geboten wird, dass beiträge, die sich aufeinander be-

ziehen, so erzeugt werden können, dass sowohl in der

bildschirmansicht als auch aus der Struktur deutlich

wird, welche beiträge sich aufeinander beziehen.

das nächste Kriterium behandelt die barrierefreie

einbindung von nutzererzeugten inhalten. Zwei prüf-

schritte befassen sich mit der barrierefreien nutzbar-

keit von editoren und mit der Möglichkeit des barrie-

refreien hochladens von nutzererzeugten inhalten. es

wird getestet, ob der eingesetzte editor barrierefrei

nutzbar ist, ob die verwendung einer vereinfachten

plattformspezifischen Sprache (z. b. textile, Mark-

down, bbcode) möglich ist oder ob eine htMl-ansicht

angeboten wird. falls eine solche htMl-ansicht exis-

tiert, soll sie es ermöglichen, bereits vorhandene in-

halte herauszukopieren und in einem editor der Wahl

zu bearbeiten und dann wieder einzufügen. Wenn

die funktion von dem üblichen hochladen via htMl-

formular abweicht, wird geprüft, ob dies barrierefrei

möglich ist bzw. ob der nutzer einwandfrei durch den

hochladevorgang geführt wird.

ein weiteres Kriterium zielt auf die unterstützung der

nutzer bei der erstellung von barrierefreien inhalten.

es wird geprüft, ob der seiteninterne editor die nutze-

rinnen und nutzer in der erzeugung von barrierefreien

inhalten unterstützt. außerdem wird getestet, ob beim

erstellen von inhalten bzw. dateien dem nutzer ermög-

licht wird, Zusatzinformationen zu den eingestellten

inhalten zu verfassen, wobei dies über alternativtex-

te, tagging, beschreibungstexte o. ä. erfolgen kann.

Schließlich wird geprüft, ob beim hochladen von inhal-

ten ein hinweis auf die optimierung der barrierefrei-

heit gegeben wird. dies kann z. b. über entsprechende

hinweise vor eingabefeldern erfolgen oder durch eine

dynamisch erzeugte rückmeldung wie z. b. einen dia-

log, der die Sinnhaftigkeit von barrierefreiheit erklärt

und auf die features des angebots hinweist.

147

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonSequenZen

10.1.3ZuSaMMenfaSSunG

die Überarbeitung des Kriterienkatalogs hat gezeigt,

dass Web 2.0 im hinblick auf die herstellung von barri-

erefreiheit nicht so viele neue anforderungen stellt, wie

es für die nutzerinnen und nutzer zunächst erscheint.

Sicher bietet Web 2.0 den nutzerinnen und nutzern

eine vielfalt neuer anwendungen, hinter denen zumin-

dest teilweise auch neue Webtechnologie steht. diese

basiert jedoch häufig auf bereits bekannten techniken,

die durch die bisherigen Kriterien schon adressiert

wurden. bei vielen der im Jahr 2008 zum biene-Wett-

bewerb eingereichten Web 2.0-angebote wurden kei-

ne technischen neuentwicklungen beobachtet. die zu

untersuchenden funktionalitäten waren weitgehend

auf vorhandene und bekannte technologien zurück-

zuführen, die mit dem bestehenden Kriterienkatalog

bereits abgedeckt wurden. Kennzeichnend für die ver-

änderungen durch das Web 2.0 ist die verlagerung von

bisher im hintergrund der Webangebote ablaufenden

prozessen – wie die erstellung und veröffentlichung

von inhalten – in den vordergrund, d. h. hin zu den

nutzerinnen und nutzern. damit wurde es erforderlich,

entsprechende in die nutzeroberfläche der Webseiten

eingebettete content Management funktionalitäten

auf deren barrierefreie bedienbarkeit zu untersuchen,

was durch die Kriteriengruppe „vom nutzer erzeug-

te inhalte“ erfolgt. darüber hinaus haben, wie zuvor

beschrieben, durch Web 2.0 anwendungen eine reihe

von bisher bereits vorhandenen Kriterien einen bedeu-

tungszuwachs erfahren, insbesondere im bereich von

benutzerregistrierung und login-funktionen.

der vergleich des Kriterienkatalogs 2008 mit den Ka-

talogen der vorausgegangenen Jahre und die betrach-

tung der relativ wenigen durch Web 2.0 anwendungen

erforderlich gewordenen ergänzungen des Katalogs

zeigen, dass barrierefreiheit aktuellen Webentwicklun-

gen vielfach vorauseilt. im rahmen der Überarbeitung

der Kriterien für den durchgang im Jahre 2009, v.a. vor

dem hintergrund der jüngst verabschiedeten Wcag

2.0 richtlinien, hat sich erneut gezeigt, dass nur ge-

ringe anpassungen der im Jahre 2008 angewendeten

Kriterien notwendig waren. der vollständige biene Kri-

terienkatalog ist in der jeweils aktuellen fassung unter

der folgenden adresse abrufbar: http://www.biene-

wettbewerb.de/award/kriterien.

148

10.2/neueChancen,neueBarrierenundneueRelevanzalterBarrieren

Mit der Studie zur nutzung von Web 2.0 anwendun-

gen durch Menschen mit behinderungen gelang es den

herausgebern erstmals systematisch zu erfassen, wo

die nutzerinnen und nutzer barrieren im internet er-

fahren. dazu war es erforderlich, mit einer Stichpro-

be von technisch gut ausgestatteten probanden, die

über umfassende computerkenntnisse und langjähri-

ge interneterfahrungen verfügen, zu arbeiten. damit

einher ging zwangsläufig, dass diese Stichprobe we-

der repräsentativ ist für Menschen mit behinderung

noch für die gruppe der behinderten internetnutzer in

deutschland. ein vergleich der ergebnisse hinsichtlich

des nutzungsverhaltens und der nutzungsintensität

der teilnehmenden an der Studie mit den ergebnissen

anderer Studien für die deutsche gesamtbevölkerung

ist daher nicht zulässig.

die analyse der im rahmen der Studie festgestellten

barrieren weist jedoch weit über die Studienergebnis-

se hinaus. Sie gibt denjenigen, die als anbieter von

Webseiten und Webportalen sowie als auftraggeber

von Webentwicklungen bei agenturen oder bei unter-

nehmensinternen abteilungen ebenso verantwortung

für die beseitigung von barrieren tragen wie diejeni-

gen, die als redakteure, aber auch als nutzer Webi-

nhalte erstellen, wesentliche hinweise für ihre arbeit.

entscheider, die für die erarbeitung von Standards und

vorschriften verantwortlich zeichnen, können aus den

Studienergebnissen erfahren, wo die technologische

Weiterentwicklung des internet neue barrieren für die

nutzerinnen und nutzer aufwirft und welche prioritä-

ten die nutzer setzen. daraus können sie wiederum

ableiten, wie diese entwicklungen und prioritäten in

die entsprechenden regelungswerke eingang finden

sollten.

Mit der verabschiedung der Wcag 2.0 wurde im de-

zember 2008 auf der internationalen ebene ein weiter-

führender Schritt zur Standardisierung der barriere-

freiheit getan. in deutschland ist noch die barrierefreie

informationstechnik-verordnung in der fassung gültig,

die am 27. 04. 2002 in Kraft getreten ist. die drei

Jahre nach inkrafttreten vorgesehene evaluation der

Wirkung der bit-v ergab einen Überarbeitungsbedarf.

angemerkt wurde von den behörden der bundesver-

waltung, die zur umsetzung der bit-v verpflichtet

sind, und von den behindertenverbänden, dass eine

anpassung an den aktuellen Stand der technik sowie

die stärkere berücksichtigung der besonderen belan-

ge von gehörlosen, hör , lern und geistig behinderten

Menschen erforderlich seien. die Überarbeitung der

bestehenden regelungen erfolgte durch eine arbeits-

gruppe aus vertreterinnen und vertretern der Wissen-

schaft, der beauftragten für die belange behinderter

Menschen und des bundesverwaltungsamtes unter

federführung des bundesministeriums für arbeit und

Soziales. orientiert an den entwürfen und schließlich

den im dezember 2008 verabschiedeten regelungen

der Wcag 2.0 entstand eine überarbeitete fassung der

barrierefreie informationstechnik-verordnung, die als

bit-v 2.0 im frühjahr 2010 in der letzten abstimmung

vor der verabschiedung steht. die verordnung wird

den bedarfen der gehörlosen, hör , lern und geistig be-

hinderten Menschen rechnung tragend eine verpflich-

149

StudieWeb2.0/barrierefrei/KonSequenZen

tung von bundesbehörden zur bereitstellung bestimm-

ter informationen in deutscher gebärdensprache und

leichter Sprache enthalten. die Wirkung dieser rege-

lung ist wie die verordnung selbst regelmäßig, spätes-

tens aber drei Jahre nach inkrafttreten zu überprüfen.

So soll sicher gestellt werden, dass neuere technische

entwicklungen in der verordnung berücksichtigung

finden. als indikatoren für das vorliegen neuer tech-

nischer entwicklungen gelten die verfügbarkeit neuer

Web-technologien und das feststellen neuer Zugangs-

probleme einerseits sowie die verabschiedung neu-

er richtlinien auf europäischer oder internationaler

ebene – wie die Web content acessibility guidelines

(Wcag) – andererseits.

die anforderungen der nutzerinnen und nutzer an die

barrierefreiheit von Web 2.0 anwendungen sind größ-

tenteils nicht neu. dies zeigen die Studienergebnisse

ebenso wie die richtlinien und gestaltungsvorgaben

der vorstehend genannten regelungswerke. viel-

fach aber haben die anforderungen der nutzerinnen

und nutzer durch die größere interaktivität des Web

2.0 eine größere bedeutung gewonnen, der bei der

entwicklung der anwendungen rechnung getragen

werden muss. nur so ist gewährleistet, dass alle nut-

zergruppen gleichermaßen von den chancen, die das

internet und insbesondere die auf mehr beteiligung

ausgerichteten Web 2.0 anwendungen bieten, glei-

chermaßen profitieren können. Wie die Studienergeb-

nisse belegen, geht mit der nutzung des internet für

alle behindertengruppen ein erheblicher Zugewinn

an selbständiger lebensführung einher. gerade diese

alltagsrelevanz belegt die notwendigkeit der barriere-

freien gestaltung.

abschließend ist festzuhalten, dass die barrierefrei-

heit von internetanwendungen der gleichen dynamik

unterliegt, wie die Web-anwendungen selbst. das

stellt die verantwortlichen vor die aufgabe, jegliche

neuentwicklung von Webangeboten im gesamten pro-

zess hinsichtlich der Zugänglichkeit und nutzbarkeit

für alle Menschen zu betrachten und so die Weichen

für ein internet zu stellen, das für alle zugänglich ist.

150

abkürzung abkürzungsauflösung erläuterung

agb allgemeine geschäftsbedingungen allgemeine geschäftsbedingungen (abgekürzt agb) sind alle für

eine vielzahl von verträgen vorformulierte vertragsbedingungen,

die eine vertragspartei (der verwender) der anderen vertragspartei

bei abschluss eines vertrages stellt.

aiM aol instant Messenger der aol instant Messenger (aiM) ist eine applikation von aol, die

es ermöglicht mit anderen nutzern zu chatten.

atag authoring tool accessibility guidelines Wenn Wcag beschreibt, wie das frontend einer Webpräsenz aus-

zusehen hat, dann beschreibt atag das backend. es geht um die

ein- und ausgabe barrierefreier inhalte für alle bedienbare admini-

strationswerkzeuge zu schaffen und Kriterien für die evaluation ent-

sprechender Werkzeuge zu formulieren. atag ist eine jüngere Spezi-

fikation als Wcag und baut auf diesen richtlinien auf.

biK barrierefrei informieren und Kommunizieren projekt des deutschen bundesministeriums für arbeit und Soziales,

um Webangebote für behinderte Menschen besser zugänglich zu

machen

bitv barrierefr. informationstechnik-verordnung verordnung zur Schaffung barrierefreier informationstechnik nach

dem behindertengleichstellungsgesetz vom 27. april 2002

bSi bundesamt für Sicherheit

in der informationstechnik

eine in der bundesstadt bonn ansässige zivile obere bundesbehörde

im geschäftsbereich des bundesministerium des innern (bMi), die

für fragen der it-Sicherheit zuständig ist.

dbSv dt. blinden- und Sehbehindertenverband Selbsthilfeorganisation mit dem Ziel, die soziale Stellung der blin-

den und Sehbehinderten zu erhalten und ihre gesellschaftliche und

berufliche eingliederung zu fördern.

dgS deutsche gebärdensprache die deutsche gebärdensprache (abgekürzt dgS) ist die visuell-

manuelle Sprache, in der gehörlose und schwerhörige personen in

deutschland untereinander kommunizieren.

diaS gmbh daten, informationssysteme

und analyses im Sozialen

das unternehmen analysiert und bewertet chancen und risiken des

einsatzes neuer technologien für Menschen mit behinderungen.

dSb deutscher Schwerhörigenbund der deutsche Schwerhörigenbund e.v. (dSb) ist eine deutsche be-

hinderten-Selbsthilfe-organisation. der dSb vertritt als bundesweit

arbeitende Selbsthilfeorganisation die interessen schwerhöriger und

ertaubter Menschen in sozialer, medizinischer, technischer und

rechtlicher hinsicht.

151

StudieWeb2.0/barrierefrei/GloSSar

abkürzung abkürzungsauflösung erläuterung

dvbS dt. verein der blinden und

Sehbehinderten in Studium und beruf

bundesweit geben sich blinde und sehbehinderte Menschen gegen-

seitig rat und hilfe. in fachgruppen engagieren sie sich für ihre

Selbstverwirklichung in ausbildung, beruf und ruhestand. eigene

fortbildungen, informationsdienste, ein auftragsdienst für fach-

literatur im barrierefreien daisy-format tragen dazu bei. die fach-

zeitschrift “horus“ informiert auch behörden, arbeitgeber und alle

interessierten zu fragen des blinden- und Sehbehindertenwesens.

gb geistige behinderung der begriff geistige behinderung (oder in medizinischen Kreisen

auch mentale retardierung) bezeichnet einen andauernden Zustand

deutlich unterdurchschnittlicher kognitiver fähigkeiten eines Men-

schen sowie damit verbundene einschränkungen seines affektiven

verhaltens.

htMl hypertext Markup language oft kurz als hypertext bezeichnet, ist eine textbasierte auszeich-

nungssprache zur Strukturierung von inhalten wie texten, bildern

und hyperlinks in dokumenten.

icq homophon für „i seek you“ icq (homophon für „i seek you“, zu deutsch „ich suche dich”) ist ein

instant-Messaging-programm, das seit 1998 dem amerikanischen

onlinedienst aol gehört. benutzer können damit über das internet

miteinander chatten oder zeitverschoben nachrichten versenden.

incobS informationspool computerhilfsmittel

für blinde und Sehbehinderte

unterstützt die einrichtung von computerarbeitsplätzen für blinde

und sehbehinderte Menschen.incobS wird vom bundesministerium

für arbeit und Soziales gefördert und von der diaS gmbh mit unter-

stützung des deutschen blinden- und Sehbehindertenverbands und

des deutscher verein der blinden und Sehbehinderten in Studium

und beruf (dvbS) durchgeführt.

JaWS Job access with Speech ist ein Screenreader. die textausgabe erfolgt mittels braillezeile

oder Sprachausgabe. vgl. auch die produktbeschreibung zu Jaws auf

der Webseite von freedom Scientific, www.freedomsci.de

lb lernbehinderung die eingängigste und plausibelste definition wird mit der these

geliefert, dass eine lernbehinderung ein „langandauerndes, schwer-

wiegendes und umfängliches Schulleistungsversagen“ bedeutet,

das in der regel mit einer beeinträchtigung der intelligenz einher-

geht, die jedoch nicht so schwerwiegend ist, dass es sich um einen

fall von geistiger behinderung handelt.

152

abkürzung abkürzungsauflösung erläuterung

lbg lautsprachbegleitende gebärden lautsprachbegleitende gebärden (abgekürzt lbg) bezeichnen die

gebärden, die simultan zu jedem gesprochenen Wort (lautsprache)

ausgeführt werden. dies unterscheidet sie von der gebärdensprache.

lrS lese-rechtschreib-Schwäche eine massive und lang andauernde Störung des erwerbs der Schrift-

sprache. die betroffenen personen (legastheniker) haben probleme

mit der umsetzung der gesprochenen zur geschriebenen Sprache

und umgekehrt.

lS leichte Sprache die begriffe leichte Sprache oder einfache Sprache bezeichnen eine

sprachliche ausdrucksweise, die besonders leicht verständlich ist.

Sie soll vor allem Menschen mit geringen sprachlichen fähigkeiten

das verständnis von texten erleichtern.

lSMh international league of Societies

for persons with Mental handicap

die Selbstvertretungsorganisation für Menschen mit lernschwierig-

keiten Mensch zuerst – netzwerk people first deutschland fordert

und fördert den umfassenden einsatz von leichter Sprache. Sie hat

eine petition im deutschen bundestag eingereicht mit dem Ziel, dass

betroffene einen rechtlichen anspruch auf die verwendung leichter

Sprache in gleicher Weise wie gehörlose auf die gebärdensprache

nach § 9 bgg haben.

deutsch: internationale liga von

vereinigungen für Menschen mit

geistiger behinderung

MSn the Microsoft network MSn, ursprünglich the Microsoft network, ist Microsofts Webportal,

das verschiedene chat- und Kommunikationsservices anbietet und

gleichzeitig als internetdienstanbieter (engl. internet Service provi-

der, iSp) auftritt. MSn ist ein geschäftszweig von Microsoft und

keine eigene firma.

Mud Multi user dungeon bezeichnet ein rollenspiel, bei dem mehrere user auf einen Server

zugreifen.

SnS Social network Service Soziale netzwerke im Sinne der informatik sind netzgemeinschaften

bzw. Webdienste, die netzgemeinschaften beherbergen. handelt es

sich um netzwerke, bei denen die benutzer gemeinsam eigene inhal-

te erstellen (user generated content), bezeichnet man diese auch

als soziale Medien.

uaag user agent accessibility guidelines die uaag definieren, wie browser, Media player und andere sog.

›user agents‹ die barrierefreie nutzung von Webinhalten durch Men-

schen mit behinderungen ermöglichen sollen.

153

StudieWeb2.0/barrierefrei/GloSSar

abkürzung abkürzungsauflösung erläuterung

url uniform resource locator

(dt. einheitlicher quellenanzeiger)

urls identifizieren und lokalisieren eine ressource über das verwen-

dete netzwerkprotokoll (beispielsweise http oder ftp) und den ort

(engl. location) der ressource in computernetzwerken.

W3c World Wide Web consortium das World Wide Web consortium (kurz: W3c) ist das gremium zur

Standardisierung der das World Wide Web betreffenden techniken.

es wurde am 1. oktober 1994 am Mit laboratory for computer

Science in cambridge (Massachusetts) gegründet.

Wai Web accessibility initative

arbeitsgruppe innerhalb des W3c, die sich mit dem barrierefreien

Zugang zum internet und seinen inhalten beschäftigt.

Wcag Web content accessibility guidelines richtlinien für barrierefreie Webinhalte: die Web content accessi-

bility guidelines(Wcag) sind eine empfehlung der Web accessibility

initiative (Wai) des World Wide Web consortium (W3c) zur barriere-

freien gestaltung der inhalte von internetangeboten. die alte ver-

sion Wcag 1.0 hatte seit Mai 1999 empfehlungsstatus. die aktuelle

version Wcag 2.0 wurde nach mehr als neunjähriger beratung am

11. dezember 2008 verabschiedet. inzwischen liegt eine autorisierte

deutsche Übersetzung vor.

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Web

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Stand 12 / 2010

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