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<2> vom 4.Feber 2. Einheit | 4.2.2013 [ A3 weiter mit den Gesten ] (x) Andrea de Jorio: „Mimica“, Neapel 1832 (x) Andrea de Jorio: „Mimica“, Sammlung zur Kodifizierung von Gebärden 1832 Zeichnete ABC der Gebärden der Menschen in Neapel. Die Leute dort sind sehr ausdrucksstark in ihren Gesten, sehr emotional. Er versuchte, anhand dieser Darstellungen, eine Grammatik der Gebärden aufzustellen und daran wiederum Gesten antiker Darstellungen zu deuten; das musste natürlich misslingen, Gesten sind nicht nur nach Epoche, sondern auch regional sehr unterschiedlich. Zudem liegen Lachen und Weinen in oft knapp beieinander. Frühes Kino Stummfilm, begleitet von Live-Musik, etwa einem Pianisten. Die Handlung wurde mit Zwischentexten oder durch den Klavierspieler 1

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2. Einheit | 4.2.2013

[ A3 weiter mit den Gesten ]

(x) Andrea de Jorio: „Mimica“, Neapel 1832 (x) Andrea de Jorio: „Mimica“, Sammlung zur Kodifizierung von Gebärden 1832

Zeichnete ABC der Gebärden der Menschen in Neapel. Die Leute dort sind sehr ausdrucksstark in ihren Gesten, sehr emotional. Er versuchte, anhand dieser Darstellungen, eine Grammatik der Gebärden aufzustellen und daran wiederum Gesten antiker Darstellungen zu deuten; das musste natürlich misslingen, Gesten sind nicht nur nach Epoche, sondern auch regional sehr unterschiedlich. Zudem liegen Lachen und Weinen in oft knapp beieinander.

Frühes KinoStummfilm, begleitet von Live-Musik, etwa einem Pianisten. Die Handlung wurde mit Zwischentexten oder durch den Klavierspieler selbst erzählt. (Filmische Hommage an diese Zeit: „Der Kinoerzähler“); Sehr wichtig für diese Filme war natürlich auch das Können der Schauspieler, Filme zeigen oft Großaufnahmen von Gesichtern, um Mimik zu betonen.

Ungarischer Filmtheoretiker Bela Balazs meinte, im Film bekommen nicht nur Menschen, sondern auch Dinge ein physiognomisches Gesicht. Er erkannte, dass Schauspieler, ihre Handlungen und Körpersprache; ja dass filmische Inszenierung Mustern folgt, um vom Rezipienten leicht wiedererkannt werden zu können.

Balazs begriff, dass Filme starke Emotionen evozieren und möglicherweise mehr als jedes Wort transportieren könnten. Er warnte davor, dass der Rationalismus bald zu kurz kommen könnte, unterschied zwischen „irrationalen (Bewegt?)Bildern“ und „rationalen Begriffen“.

Mit neuen Medien geht stets die Hoffnung einher, sie würden die Welt zum Besseren verändern und die Menschheit zu neuen Zeiten aufbrechen lassen. Auch Balazs war enthusiastisch diesbezüglich,

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hoffte, dass Filme Völker „einander gewöhnen“ lassen, wenn/weil die Filmindustrie mit universellen Gesten arbeitet. Das Publikum würde diese wohl lernen, eine Angleichung und internationale Lesbarkeit von Gestik und Mimik würde Verständigungsschranken überwinden und Menschen einander näher bringen. Filme könnten zum Wegbereiter des internationalen Welthumanismus werden, dachte er. Wenig später haben die Nazis, aber auch die Russen, Filme als Propagandatool eingesetzt. Sein euphorischer Text war also schnell widerlegt. (Auch die Eisenbahn war übrigens einst als Medium, das Menschen einander näher bringt, begrüßt worden.)

Balazs hatte auch nicht bedacht, dass ein universeller Typus Mensch, einer einheitlichen Stereotypisierung des Mediums Films nacheifernd, den Verlust kultureller Diversität bedeuten würde.

Sergei Eisenstein übt Kritik an Balazs enthusiastischer Position: „Bela vergisst die Schere.“ Filme, Bilder könnten schließlich manipuliert werden. Eisenstein selbst bediente sich der Technik der Montage in seinem Stummfilm Panzerkreuzer Potemkin. Montage kombiniert unterschiedliche Bilder und kann so eine (neue) Geschichte erzählen.

(x) Rekonstruktion des Montageexperiments von Lew Kuleschow 1928 von Hans Richter

Bedeutendes Experiment zum Thema Bildmontage: Identes Foto eines Schauspielers wird im Versuch dreimal neben unterschiedlichen Motiven gezeigt. Versuchspersonen schrieben dem Schauspieler – ohne zu wissen, dass es dreimal dasselbe Foto von ihm war – unterschiedliche Eigenschaften zu (z.B. Wie würden sie diese Filmszene beschreiben? Antworten: der schaut hungrig; schaut nachdenklich; schaut verträumt) und lobten, so ist es jedenfalls überliefert, sein schauspielerisches Talent.

(x) Video: „Be quiet, darling“.wurde von Studentinnen (Nicole Kiefer, Tanja Kühne) produziert. Ein Versuch in Anlehnung an das bekannte Experiment, hier ging es um die Wirkung von Zwischentiteln bei einem Stummfilm.

Der Film ist in klassischer Stummfilmmanier gehalten, alte Frisuren, verwackeltes Bild, Zwischentexte statt Ton. Handlung: Ein Mann wartet auf jemanden. Frau kommt und setzt sich auf Bank. Er zögert bevor er sich zu ihr setzt, etwas scheint ihn zu bewegen. „Be quiet darling, we need to talk“, sagt er

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schließlich und erzählt ihr was. Sie beginnt zu weinen. Dann umarmen sich die beiden, sie ist dabei etwas nach unten gebeugt. Die idente Handlung wird zweimal hintereinander gezeigt. Beim einen Mal erzählt er ihr, dass er Schluss macht, sie weint und bittet, er müsse bei ihr bleiben. Beim zweiten Mal macht er ihr einen Heiratsantrag, sie weint und sagt, es sei der schönste Moment ihres Lebens. Es wurden also nur die Zwischenbilder mit den Texten ausgetauscht, doch beide Versionen funktionieren. Im Anschluss an die Vorführung wurden Testpersonen gefragt, welche Variante sie für glaubwürdiger hielten. Im Experiment der Kolleginnen hielten die Befragten den Heiratsantrag für glaubwürdiger, im Hörsaal heute war es genau anders rum.

((Pause. Tipp von Frau Gnam: Der Karlsruher virtuelle Katalog ist ein super Recherchewerkzeug. Pause Ende.))

Es geht weiter mit Quellenkritik.Frage nach historischer Nähe von Künstlern zu Gegenstand, den sie abbilden.

Augenzeugenschaft als kunsthistorischer Ansatz: Es gilt, dass der Künstler nichts malen darf, das aus einem bestimmten Blickwinkel und Augenblick heraus nicht hätte gesehen werden können; also nur nichts dazu erfinden, dann passt das schon; wirklich dabei gewesen zu sein braucht er nicht.

(x) Jan van Eyck: Arnolfini-Hochzeit, 1434 Öl auf Holz, 82x59,5 cm

(nach heutiger Deutung wird hier keine Hochzeit dargestellt, sieht eher aus als würde hier etwas verheimlicht oder so) Das Besondere: Der Künstler hat sich in diesem Bild verewigt: An der Wand hinten hängt ein Spiegel, in diesem ist er zu sehen. Und überm Spiegel eine Schrift: „Jan van Eyck fuit hic “ , das ist Latein und bedeutet „Jan van Eyck war hier". Latein war damals Amtssprache und auch die verwendet Schriftart war jener aus amtlichen Dokumente/Beglaubigungen nachempfunden.

(x) Jan van Eyck: Madonna des Kanzlers Rolin, 1435 Öl auf Holz

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Gerade im Mittelalter haben sich die Stifter von Gemälden oft in diesen verewigen lassen, etwa als Engel am Bildrand. Manche waren aber nicht ganz so bescheiden, der eine auf diesem Bild hat sich neben der Madonna, in edlem Gewand und mind. so groß als sie hineinmalen lassen…

(x) Mandylion von Edessa, Privatkapelle des Vatikans

Ein Ansatz, eine Legende, um das frühe christliche Bildverbot zu umgehen: Jesus hat sein Abbild beim Abtrocknen in ein Schweißtuch verewigt, das ist also nicht von Menschenhand gemalt und damit keine Gotteslästerung.

Jesus wirkt darauf müde, aber nicht leidend.

(x) Aaby Kruzifix(x) Kruzifix , Norditalien ca. 1180 - 1230

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Auch hier keine Leidensdarstellungen. Auf dem Kreuz von Aaby hängt er ganz entspannt mit Krone am Kopf, „regiert vom Baum herab“.

(x) Kruzifix, 1304, Holz, St. Maria im Kapitol, Köln(x) Matthias Grünewald: Isenheimer Altar, 1515, Ausschnitt (Christus als „Schmerzensmann“)(x) Matthias Grünewald: Isenheimer Altar, 1515

Hundert Jahre später sieht das eher nach Leiden aus, Christusdarstellungen variieren von Epoche zu Epoche.

Der Aufstieg des Christentums, Jesus mit Krone

Römer waren recht tolerant in Glaubensfragen: Hatten sie einen neuen Stamm unterworfen, und betete dieser Stamm zu einem ganz eigenen Gott, dann durfte der Stamm auch weiterhin zu diesem Gott beten. Und nicht nur das: der neue Gott bekam sogar eine eigene Statue in Rom.

Dass Christen verfolgt wurden, lag weniger an ihrem Gott, als dass sie sich weigerten, vor den Statuen anderer, nämlich römischer Gottheiten (Kaiser?) Opfer darzubringen. Damit erkannten sie die römische Staatsräson nicht an und da kannten die Imperatoren wiederum keinen Spaß.

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4. Jhdt. das sog. Toleranzedikt von Mailand, eigentlich kein Edikt, „nur“ eine Vereinbarung über freie Religionswahl in röm. Reich, initiiert von Kaiser Constantin.

Kaiser Constantin, der zuvor einen Sonnengott verehrt hatte, wechselte später selbst zum Christentum. Möglicherweise auch aus politischem Kalkül: Er wollte zum alleinigen römischen Kaiser werden (drei bis vier Kaiser waren damals (Spätantike) für das röm. Reich zuständig gewesen), bei der Legitimation dieses Herrschaftsanspruchs kam ihm eine monotheistische Philosophie, die einen Stellvertreter Gottes auf Erden vorsieht, sehr gelegen. (Dem einen Gott im Himmel entspricht der eine Statthalter auf Erden.) Auch das Konzept der Lossprechung von Sünden nach einer Beichte dürfte mit ein Grund für den Wechsel gewesen sein - hatte er doch, aus machtpolitischen Überlegungen heraus, Frau und Kind getötet.

Ein Kaiser bestimmt, welche Statuen, Götter, Bilder öffentlich ausgestellt werden, von da an ging’s bergauf mit dem Christentum. Kaiser Constantin lässt neue Staatsreligion Christentum ein wenig ans röm. Kaiserreich, an röm. Liturgie anpassen: Jesus etwa trägt jetzt Krone; d.h. die Darstellung Christus‘ wurde an Bildnis des Kaisers angepasst.

Innerkirchlicher Streit darüber, ob Jesus überhaupt dargestellt werden dürfe, wird in einem Konzil (1. Konzil von Nicäa) beigelegt: Jesus hat zwei Naturen, eine göttliche und eine menschliche. Die menschliche, also etwa den leidenden Christus, dürfe man darstellen, sagen die Bischöfe.Christus triumphans …erhabender Christus, der Erlöser, dem Kaiser ähnlichChristus patiens …der Patient, der Leidende.

Bis 12. Jhdt. Christus als König, dann, 13./14. Jhdt. wieder Fokus auf den stark Leidenden; dieser Wechsel findet nicht überall gleichzeitig statt (es dauert ein wenig, bis sich eine Mode ausbreitet). Hungersnöte (~1290) und die Pest (1348-53) ändern Frömmigkeit, man versetzt sich nun eher in den Leidenden.

Bilder von Gott (alttestamentarisch, streng und rachsüchtig) spielen im Christentum eine untergeordnete Rolle, sie versteht sich eher als Erlösungsphilosophie (Neues Testament). Manchmal ist Gott als Auge (allsehender Gott) dargestellt, als Mobiltelefon (verdachtsunabhängig Vorratsdaten sammelnder Gott), als (brennender) Dornenbusch, als Hand oder als Taube; manchmal auch als Mensch, etwa bei Michelangelo.

Ab dem 12. Jhdt. sind, besonders im Habsburgerreich/kulturraum, Darstellungen des sog. Gnadenstuhls verbreitet. Gott Vater nimmt darauf den (mitunter noch am Kreuz hängenden,) verstorbenen Jesus zu sich in den Himmel.

(x) Siehe dazu Bilder Gottes.pptx auf Moodle.

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Phasen der Ablehnung von Bildern, byzantinischer Bilderstreit

8. Jhdt. unter Kaiser Leo und 9. Jhdt. Kaiser Leo V.

Man geht von einem Edikt aus, das die Darstellungen und die Bilderverehrung zeitweise verboten hatte. Grund: Kirche dürfte mit Verkauf der Heiligenbilder so dermaßen viel Geld verdient haben, dass Kaiser um politischen Einfluss fürchteten. Wie es genau war, weiß man nicht, dazu gibt es kaum Quellen. Man vermutet, dass die Ikonodulen (Bilderverehrer) die Schriften der Ikonoklasten (Bildzerstörer) später dann vernichtet haben, nachdem sich das Blatt wieder gewendet hatte…Theodora gab Ikonen 843 n.Chr. wieder frei, (unter der Bedingung, dass diese beschriftet sein müssen?).

(x) Schriftaltar Ludgerikirche in Norden, 1582

Ein fescher Altar braucht keine Bilder.

Diktum Papst Gregors (~540-604 n.Chr.): In der Kirche muss es Bilder geben, damit jene, die nicht in Büchern zu lesen verstehen, wenigstens die Wände lesen können. Kirche empfiehlt auch, sich Bilder zu Texten/Gehörtem vorzustellen, um die Botschaften besser erinnerlich zu halten.

Johannes von Genua, Katholikum (13-15.Jhdt), 3 Gründe für Bilder in Kirchen:

- Um Leseunkundige zu erreichen- Stärkung des Gedächtnisses durch tägliches Vor-Augen-Führen christlicher Inhalte - Affektiver Mehrwert gegenüber Text: Bilder wecken religiöse Gefühle, Emotionen stärken

den Glauben

Kraft der Bilder damals enorm, Menschen waren fasziniert von bunten Glasfenstern.

Das Mittelalter schöpfte seine Bilderwelt vor allem aus dem Physiologus, der Legenda aurea und der Bibel. Das notwendige Wissen, um die Bilder zu verstehen, wurde ab dem 8. Jhdt. von Wanderpredigern in der Volkssprache vermittelt. Nur die stark bebilderte Legenda aurea wurde auch

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regional überarbeitet und übersetzt, weshalb sie zeitweise weiter verbreitet gewesen sein dürfte, als es die Bibel gewesen ist.

Schriften waren damals in Latein, Analphabetismus weit verbreitet. Predigten in Kirchen waren ebenfalls in Latein (und nicht in der regionalen Volkssprache) gehalten. Dass sich Gelehrte der Sprache des Volkes bedienen, kommt eigentlich erst mit der Reformation des 16. Jahrhunderts; sowas ist immer ein Spiel Wissen/Herrschaft/Macht.

Die eine antike Bibelübersetzung in Volkssprache musste Wort für Wort aus dem Lateinischen übersetzt werden, war also unverständlich. Eine verständliche Übersetzung hätte als Ketzerei gegolten. Kirche und Kaiser legten Wert auf Quasimonopol auf Wissen, Bildsprache im Christentum ist oft in der Nähe von Machtkonstellationen angesiedelt.

Die erste Lutherbibel war auch noch in Latein, danach aber in Übersetzungen und breitenwirksam verfügbar. Vor der Erfindung des Buchdrucks durch Guttenberg war Lesestoff geradezu unbezahlbar gewesen, nur Kirche und Adel konnten sich handschriftliche Vervielfältigung von Büchern leisten.

(x) Kupferstich von Jan Luyken; Bildersturm in Niederlande; (Q: Webseite des Deutschen Hugenotten-Museum)

Mit der Reformation, ab 1527, gab es wieder Bilderstürme. Christus- und Heiligenstatuen wurden zerstört. Treibende Kräfte waren die Schweizer Zwingli und Calvin.

(x) Kirchenschändung in Frankreich durch Hugenotten, Kupferstich von Wierix 1587;In verstegan theatrum crudelitatum haereticorum Q: Dt. Hugenotten-Museum Bad Karlshofen

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Ob die Kirchenschändungen tatsächlich von solch dramatischer Intensität, wie auf obigem Bild dargestellt, waren, ist ungewiss; Bilder sind oft Propaganda. Apropos: Der dt. Reformer Luther beteiligte sich nicht an diesen Bilderstürmen, er machte sich die Macht der Bilder zunutze, ließ sich in Jesus-ähnlichen Gutmenschposen zeichnen.

(x) Joachim Kruse: Luthers Leben in Quellen des 18. und 19. Jahrhunderts. Coburg 1980 Abb: Luther bremst die Bilderstürmer Q: Hugenotten-Museum

Da fehlt eigentlich nur noch der Heiligenschein: Lutheraner üben sich in Neubesetzung katholischer Bildsprache.

Während franz. Revolution (1789-99) wurden übrigens auch viele Figuren in Kirchenportalen zerstört, die Statuen waren nicht für Heilige, sondern für Herrscherfiguren gehalten worden. Interessant dabei: Die Statuen wurden geschändet, als ob sie Menschen wären, oft schlug man ihnen die Nase ein, den Kopf und die Hände ab.

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Blick in die Renaissance.Worüber können Bilder Auskunft geben?

Kulturelle Praktiken einer Zeit finden Widerhall in den Gemälden ebendieser. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen Auftraggebern und der Art, wie Künstler Bilder malen.

(x) Filippo Calandri: Trattato di aritmetica(x) Filippo Calandri: De arimethrica

Ein Lehrbuch für Kaufleute. Mit Bildern. Beschreibt etwa, wie man ein Fass vermisst.

Italienische Stadtstaaten wie Florenz oder Pisa waren wohlhabend und hatten jeweils eigene Maßeinheiten und Messsysteme; Für Händler waren Dreisatz und Proportionslehre wichtig, sie mussten oft schätzen, die bebilderten Lehrbücher halfen ihnen beim Erlernen dieser Kenntnisse.

Gegenseitiges Interesse Kunst und Geld: Kaufleute sind wohlhabend und können sich Kunst leisten. Sie freuen sich, wenn sie Elemente ihres Arbeitsalltags auf Bildern wiedererkennen. Also werden diese gemalt. Geometrische Formen, etwa Kegel und Stumpf (in Form von Zelten), sind auf Bildern zu finden, auch Backsteintürme (wie im Lehrbuch), ja selbst architektonische Grundrisse schaff(t)en es auf Gemälde.

(x) Filippo Calandri, De arimethrica, handschriftlicher Codex, Druck 1491(x) Filippo Calandri

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(x) Piero della Francesca, Madonna del Parto, 1467(x) Piero della Francesca, Traum des Constantin, 1455, Fresco Arezzo

Bilder können Auskunft über den Stand der Technik einer Zeit geben!

(x) Ansicht der Setzerei in einer Druckerwerkstatt, Kupferstich aus dem Abbildungsband (1762) zur Encyclopédie, Paris 1751-1765 aus: Peter Burke: Augenzeugenschaft, Bilder als historische Quellen, S.93

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So könnte es gewesen sein.

(x) Jean-Baptiste Debret: „Kleiner tragbarer Zuckerrohrentsafter“, Aquatinta aus „Voyage pittoresque et historique au Brésil, Paris 1836-1839

So idyllisch wie auf diesem Bild war es sicher nicht, auf dem Bild fehlt zumindest die Peitsche. Das Gerät dürfte es zwar tatsächlich gegeben haben, Sklaverei aber auch.

(x) Bernardo Bellotto, Ansicht von Warschau von der Terrasse des Königlichen Schlosses, 1773

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Warschauer Altstadt wurde nach Zerstörung nach dem 2. WK anhand von Malereien nachgebaut. Die Bilder sind idR gute Quellen für Architektur der Zeit. Maler nahmen manchmal eine Camera Obscura (eine Art Prä-Fotoapparat) zur Hilfe, dies ermöglichte detailgetreue Darstellungen.

(x) Canaletto: Westminster Bridge Under Construction from the South-East Abutment, 1747

(x) Canaletto: Capriccio: The horses of San Marco in the Piazetta, 1743

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Ein Capriccio = ist ein Vergnügen. Das Bild ist eine Montage, die Pferde stehen eigentlich anderswo. Der Künstler deutet im Titel an, dass das lustig gemeint ist. (Andere machen das aber nicht immer!)

(x) Canaletto: Il campo di Rialto, 1758-1763

Solche Spielereien sind nicht ungewöhnlich, so hat etwa Vermeer (Vernet?) auch schon mal Häuser aus verschiedensten Straßen nebeneinander gemalt, wenn etwa ein reicher Mann alle Häuser, die in seinem Besitz waren, nebeneinander auf einem Gemälde zu sehen wünschte. Das ist umso unterhaltsamer, als die Bilder realistisch gemalt sind.

(x) Joseph Vernet: Hafen von La Rochelle, 1762

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Vernet malte französische Häfen im Auftrag des Marineministeriums. 9 Jahre bereiste er Frankreich, dabei wurde er von Experten (der Regierung) begleitet. Es entstanden 15 Bilder nach Regierungsdiktion mit Vorgaben etwa in Art und Anzahl der gemalten Schiffe pro Hafen (Hier malst du 20 Zerstörer, dort 30 Handelsschiffe, und nicht die kleinsten); Beim Hafen von Rochelle, einer zu dieser Zeit unbedeutenden, einsamen, reparaturbedürftigen Anlegestelle, wurde ihm künstlerische Freiheit gewährt und die nutze er so: Der Hafen war unbelebt, er hat Menschen dazu erfunden. Er hat damals – je nach Vorgabe – auch Baustellen als fertige Häuser gezeichnet. Vernet hat das nirgendwo vermerkt, zeitgenössische Literatur lässt aber kaum einen Zweifel daran, dass der Hafen von Rochelle alles andere als belebt war. Auskunft über Gebäude und Schiffe dieser Zeit geben seine Bilder aber auf jeden Fall.

(x) Jean Auguste Dominique Ingres: Odaliske und Sklavin, 1862

Bild sagt nichts über die wahren Zustände in einem Harem aus. Wenn sich Europäer verklärtes Bild von fremder östlicher Welt machen nennt man das „Orientalismus“.

(x) Claude Lorrain: Verstoßung der Hagar, 1668

Die Verstoßung der Hagar ist eine Geschichte aus dem Alten Testament. Abraham fürchtet, kinderlos zu bleiben, also schwängert er die Sklavin Hagar. Als seine Frau dann doch noch schwanger wird, muss Hagar gehen; sie wird in die Wüste geschickt, immerhin mit Proviant. Wie ist die Landschaft in diesem Bild gemalt? Links ein Baum, rechts ein Baum, in der Mitte ein See, alles schön geordnet.

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Wohlgeordnete, behütete Landschaft, die beim Betrachter Wohlbefinden auslöst und deshalb gerne in dieser Übersichtlichkeit gemalt wurde.

(x) Caspar David Friedrich: Mönch am Meer, 1808-1810

Auch eine Landschaft, aber keine Ordnung, alles fließt. Ästhetischer Schock für manche. Kleist: „Als ob einem die Augenlieder weggeschnitten würden“. Das Bild kennt quasi keine Grenzen, außer dem Rahmen.

Landschaftsmalerei ist möglicherweise ein Spiegel für gesellschaftliche Entwicklungen. (Wo die Gegenstände fließend sind und die Landschaft keine Grenzen kennt, gibt es vielleicht auch kein Kasten- oder Ständesystem mehr.)

Erwin Panofsky (bis 1968), 3 Stati der Bildanalyse:(am Beispiel des letzten Abendmahls)

1. Prä-ikonografisches Sujet.Was ist auf den Bildern zu sehen?Benennen des Offensichtlichen. (etwa letztes Abendmahl: Das sind Männer, die essen)

2. Stufe der Beschreibung: Konventionales Sujet. (Ikonografie)Aha, hier wird das letzte Abendmahl dargestellt, die Szene kennt man aus der Literatur, aus dem Neuen Testament; die sind auch angezogen, als ob sie aus dieser Zeit stammen könnten. (Literatur(wissen) hinzuziehen und Stil beschreiben)

3. Ikonologisches Sujet.Symbolischen Wert eines Bildes entschlüsseln, etwas über den gemalten Moment hinausgehendes im Bild finden, das Werk im Kontext, als Symptom seiner Zeit oder der Persönlichkeit des Künstlers verstehen. Diese Meta-Information braucht der Künstler nicht bewusst im Bild verewigt haben (das sind quasi Non-Self-Report-Daten.) Eine Information, die etwa das letzte Abendmahl diesbezüglich bietet, ist: Die Darstellung ist eine Zentralperspektive.(Frage nach Grundeinstellungen einer Epoche)

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Auch bei Texten sagt man, diese haben wörtliche + kulturelle + geistige Ebene (3-Schritt).

Methode der Ikonologie geht zurück auf Pionierarbeit Aby Warburgs (bis 1929). Er untersuchte sog. Monatsbilder im Palazzo. Diese Abbildungen wirken heute unverständlich, ihr Sinn ist schwer zu entziffern. Warburg zog antike Literatur, u.a. zu Themen wie Alchemie, Religion, Geschichte von Herrschaftsfamilien oder Astronomie (Tierkreiszeichen) zu Rat, um die Bilder zu entschlüsseln, um ihren Entstehungskontext zu begreifen.

Die Ikonologie ist ein hermeneutisches Verfahren und eher schwierig, weil auch die Quellen, die zum Verstehen der Bilder herangezogen werden, schon schwer zu deuten/verstehen sind. Der zeitliche Abstand ist einfach zu groß, da kann man schnell mal falsch liegen mit einer These, einem Versuch eine vergangene Epoche zu verstehen. Noch dazu konstruiert sich jede Zeit den Blick auf ihre Vergangenheit, dies schlägt sich auch in den Wissenschaften nieder und kann Deutungen zusätzlich verzerren.

Kritik: Wissen die Maler überhaupt, worauf sie da alles referenzieren sollen, wie Warburg herausgefunden zu haben glaubt? Weil ein Maler ist ein Maler und kein Wissenschaftler. Den Künstlern dürften allerdings tatsächlich Gelehrte zur Seite gestanden haben (etwa am Hofe), mit denen sie die Bildkompositionen erarbeiteten.

(x) Monatsbilder im Palazzo Schiffanoia (salon de mesei), Ferrara von Francesco Cosa der April (l), Schule von Ferrara März (rechts) /1489-70

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ZentralperspektiveIllusioniert geometrischen Raum und gibt diesen als natürlich aus.

(x) Leonardo da Vinci: Il Cenacolo. Das letzte Abendmahl 1485-1498(x) Juan de Juanes, Abendmahl 60 er Jahre 16 Jhd.(x) Louis Le Nain: Bauerhochzeit. 1642

Einmal in Zentralperspektive, einmal anders, flacher. Die dritte Abb. zeigt Perspektive, aber ein anderes Abendmahl.

Räumliche Darstellung in ZP.

(x) Comic Q: www.Fettekette.wordpress.com(x) Leonardo da Vinci: Il Cenacolo. Das Abendmahl. (1494-1498) Fresko in Santa Maria della Grazie Milano(x)Ben Willikens: Das letzte Abendmahl (Öl auf Leinwand) 1979-1979 Deutsches Architekturmuseum

Die zentralperspektivische Darstellung der Anordnung des letzten Abendmahls ist so tief im westlichen Gedächtnis verankert, dass man es auch erkennt, wenn Goofy oder gleich gar niemand am Tisch sitzt. Abendmahldarstellungen in ZP gibt es seit dem 15. Jhdt. ZP hat westliche Bildkunst geprägt, als ihre Erfinder gelten Brunelleschi und Alberti (derselbe Alberti, der schon Text darüber geschrieben hat, dass Lachen und Weinen oft nicht auseinanderzuhalten sind).

(x) Masaccio: Dreifaltigkeit, Fresko 1425-1428, Sancta Maria Novella, Florenz(x) Piero della Francesca: Geißelung Christi , nach 1444

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Albrecht Dürer: Der Zeichner des liegenden Weibes. (zw. 1517 u. 1525) Illustration aus Dürers: Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt in Linien ebnen unnd gantzen corporen, Erstausgabe 1525, erst in der Ausgabe von 1538 veröffentlicht Holzschnitt: Maße 7,5Xx21,5 cm

Dürer bildet hier einen Distanzapparat ab, der beim perspektivischen Zeichnen helfen sollte. Vor dem Zeichner steht ein sog. Visierstab, dieser dient zum Fixieren der Augen (antike Vorstellung, dass das Auge einen Sehstrahl sendet).

Fenstermetapher: Bei der Zentralperspektive wird das Bild als Fenster begriffen, der Betrachter erliegt der Illusion, durch ein Fenster in einen Raum zu blicken. Dies funktioniert allerdings nur aus einer bestimmten Entfernung zum Bild; auch wenn man zu weit links oder rechts steht, verliert dieses illusionistische Element seine Wirkung. Leonardo meinte dazu ironisch: Am besten wäre, man würde

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vor das Bild eine Wand aufstellen, im idealen Abstand, und darin ein Loch zum Durchgucken schneiden, damit auch jeder Betrachter das Bild optimal zu betrachten verstehe. (Stereoskopie ist Stereo schauen mit zwei Bildern und funktionierte später mal tatsächlich so.)

Gedanken zur richtigen Perspektive

Böhm meinte, die Perspektive sei Ausdruck eines anthropozentrische Weltbildes, der Betrachter, Mensch steht im Mittelpunkt. Sein Standort, Standpunkt ist entscheidend, er wird damit aufgewertet.

Man kann das aber auch anders sehen: Der Betrachter wird zum körperlosen Subjekt, dass sich nach dem Bild richten muss, dem ein Platz zugewiesen wird.

Mitchell: „Die Perspektive ist ein Bild dessen, was wir Ideologie nennen würden - eine historische, kulturelle Formation, die sich als universeller, natürlicher Code maskiert.“

Blaise Pascal: „Gemälde, denen man sich zu weit nähert oder von denen man sich zu weit entfernt, verlieren ihre Wirkung. Nur an einem Punkt kann man den richtigen Standort einnehmen. An allen anderen Standorten ist man zu weit weg, zu nahe, zu hoch oder zu niedrig. Die Perspektive weist uns den Blickpunkt in der Kunst der Malerei zu. Aber wer übernimmt das in der Wahrheit und in der Moral?“

ZP wurde relativ schnell auch von Kirche übernommen.

(x) Dürer: Unterweisung in der Messung mit Zirkel und Richtscheidt, 1471(x) Albrecht Dürer: Underweysung der messung mit dem zirckel und richtscheyt in Linien ebnen unnd gantzen corporen, Erstausgabe 1525

Underweysung der Messung

Zentralperspektive ist die große Erfindung der Renaissance (in Sachen Bilddarstellung). Sie wirkt verzerrt, alle Linien ziehen zum Fluchtpunkt; das ist ein Konstrukt, unser Auge nimmt Räume anders

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wahr. Da auch die später erfundene Camera Obscura die Welt zentralperspektivisch fotografierte, nahm man aber lange an, dass dies das „richtige“ Sehen sei.

(x) Giovanni di Paolo di Grazia, um 1430, Wunder des heiligen Nikolaus(x) Fresko in Sant' Angelo in Formis bei Capua, um 1100(x) Jan van Eyck: Madonna in der Kirche, 15. Jhd.

1; Dieses Bild zeigt irgendwie zwei Perspektiven, das wirkt schräg. (2-Punkt-Perspektive, vor Erfindung der ZP)2; Abendmahldarstellung aus einer Zeit vor der Erfindung der ZP.3; Maria mit Krone zeigt die ZP-Fenstermetapher schön;

(x) Lorenzetti: Effetti el buon governo nell campagna, Sienna 1337-39, Fresko Palazzo Pubblico

Perspektive ist Erfindung des Westens. Jesuiten richteten Werkstatt / Lehrgang zu perspektivischem Zeichnen in Japan ein, Japaner malten damals zwar auch nicht nur flach, aber anders.

(x) Zhu Da (1626-1705) Lotus und Vögel(x) Totoya Hokkei (1780 - 1850): Junge Frau serviert eine Deckelschale auf einem Tablett Holzschnitt, 20,5 x 18,3 cm, Japan, ca. 1825

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(x) Camera obscura (links Zeichnung auf Vorlesungsmanuskript 17. Jhd., rechts Zeichenhilfe)

1913 wird in Experimenten gezeigt, wie unser Auge nicht geometrisch arbeitet, 1947 dann auch mathematisch bewiesen. Unser Kopf zeichnet Bilder aus Reiz, aber auch Erinnerung. Wir lernen zu sehen, wie wir eben sehen, wie wir die Welt wahrnehmen, während wir zu laufen lernen.

Auf Bildern wirkt die ZP aber richtig für uns.

Unsere Augen arbeiten nicht nur nicht exakt geometrisch, sie sind auch langsam. Dies macht man sich etwa im Film zu Nutze: ein Film wirkt flüssig ab 24 Bildern pro Sekunde. Der erste Film entstand 1895. Auch das Phenakistiskop (Bilder auf rotierender Scheibe) nützt die Trägheit der Augen, um Bewegung zu illusionieren.

(x) Camera lucida, 19. Jhd.(x) Camera lucida von Sir Joshua Reynolds, 18. Jhd. , zusammengeklappt als Buch getarnt

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Camera als Zeichenhilfe; rechts in Tarnung, manchen Zeichnern wäre es nämlich unangenehm gewesen, hätten ihre Kunden gewusst, dass sie sich technischer Hilfsmittel bedienen.

(x) Hans Holbein, d. J.: Die Gesandten, 1533 (206cm x209cm)

Spiegel, perspektivisch dargestellt. Darauf ist ein Totenkopf zu sehen.

(x) Stereoskop

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Phenakistiskop (Wunderrad) Muybridge 1893

(x) Eadweard Muybridge, 1887 Frau, eine Treppe hinuntergehend(x) Étienne-Jules Marey, 1890/91 Gehende Person(x) Marcel Duchamp: Akt, die Treppe herabsteigend, 1912 Öl auf Leinwand, 1,47 cm x 89,2 cm

1; Das sind 24 Bilder. Im Film laufen 24 Bilder pro Sekunde, da unterscheidet sich das Einzelne dann natürlich nicht so stark (bzw. fast überhaupt nicht) vom vorhergegangenen bzw. nachkommenden.2; Kürzere Verschlusszeiten ermöglichen nun Studium von Bewegungsabläufen, 3; Auch Kunst thematisierte die Technik der Fotografiehttp://www.unet.univie.ac.at/~a0847771/ws2012/

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