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Wechsel von patho- zu salutogenetischem Krankheitsmodel Freitag, 28. Oktober 2011

Wechsel von patho- zu salutogenetischem Krankheitsmodel · Spezifische Fähigkeiten zum Basic Life Support (BLS) 1. Rettungssamariter-Ausbildung und 2. Cardiopulmonale Reanimation

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Wechsel von patho- zu salutogenetischem Krankheitsmodel

Freitag, 28. Oktober 2011

2Freitag, 28. Oktober 2011

1. Beslan (Беслан oder Беслӕн) ist mit rund 36‘000 Einwohnern im Jahre 2007 die drittgrösste Stadt in der Teilrepublik Nordossetien, der Russischen Föderation. Sie befindet sich etwa 15 Kilometer nördlich von Vladikavkaz, der Hauptstadt von Nordossetien und beherbergt deren Flughafen.

2. Am 1. September 2004 stürmte eine Gruppe von mindestens 33 schwer bewaffneten Personen um 9:30 Uhr Ortszeit die Mittelschule Nr. 1, in der Schüler im Alter von sieben bis achtzehn Jahren unterrichtet wurden. Wahrscheinlich hielten sich zu diesem Zeitpunkt ungefähr 1500 Menschen in dem Komplex auf, wovon rund 1200 in Geiselhaft gerieten.

3. Am Freitag, 3. September, einigten sich die Geiselnehmer und die russischen Einheiten auf den Abtransport von Leichen. Während des Abtransports kam es zu einer starken Explosion in der Turnhalle. Als eine Gruppe von Geiseln die Flucht aus dem Gebäude ergriff, begannen die Terroristen auf sie zu schiessen

4. Dabei wurden 704 Menschen verletzt, darunter mehr als 200 Kinder. Insgesamt gab es zwischen 331 und 394 Todesopfer, teilweise auch von vorne erschossen.

5. Eine unbekannte Anzahl von Geiselnehmern konnten mit 100 Geiseln entkommen. Bis heute gibt es keine Hinweise auf deren Verbleib.

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Zahlen und Fakten zu Beslan

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Gruppenorientierte psychosoziale Intervention für Kinder- und

Jugendliche. Das Angebot wurde von jeweils von 100 Kindern und

Jugendlichen genutzt.

2. Sport- und Bewegungstherapie mit unterschiedlichen Elementen,

welche bis zu 550 Teilnehmer pro Monat hatte.

1. Krafttraining

2. Spiel- und Sportgruppen

3. Ringkampf-Meisterklassen

3. Reiten für Kinder und Jugendliche mit körperlichen Folgeschäden, mit

im Schnitt 40 Kindern.

Zentrum war eine Kooperation zwischen dem Bildungsministeriums und der DEZA. Daneben

gab es ab 2007 noch ein Familenzentrum der UNICEF.

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Psychosoziales Zentrum Beslan

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Fortbildungs- respektive Rezertifizierungskurse für Psychiater im

Auftrag des Gesundheitsministeriums von Nordossetien an der

Northossetian State Medical Acadamy (NOSMA) mit folgenden

Elementen:

1. Psychopharmakologie bei posttraumatischer Belastungsstörung

2. Psychopharmakologie bei therapieresistenter Depression

3. Psychopharmakologie bei Angststörungen

4. Psychotherapeutische Verfahren zur Traumabewältigung:

1. Prolongued Exposure (n. Foa)

2. Kognitive Verhaltenstherapie (n. Ehlers & Clark)

3. Testimony Therapy

4. Narrative Exposure Therapy (NET)

5. Brief Eclectic Psychotherapy (BEP)

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Psychiatrische Versorgung

Freitag, 28. Oktober 2011

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Mittelfristige Versorgungskette

Lehrer &Schulpsy

PsychosozialesZentrumBeslan

und/oder

FZ UNICEF

AmbulantePsychiatrischeEinzeltherapie

und/oder

StationäreKinder- und

Jugend-Psychiatrie

Angebot für Kinder und Jugendliche

ohne vollständigeRemission

nach min. 1,5 Jahre Interventionen/Therpie

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Psychopathologische Auffälligkeiten bei den erwachsenen Betreuungspersonen

2. Retraumatisierungen der Familie

3. Bindungsverhalten der Mütter (hyperprotektiv)

4. Sozial benachteiligte Familien (keine oder geringe Rekompensationszahlungen

5. Sozialer Rückzug der Kinder

6. Schlechte soziale Integration in die Peergroup

7. Generelles Vermeidungsverhalten

8. Persistierende Schuldgefühle überlebt zu haben respektive nicht in der Lage gewesen zu sein helfen zu können

9. Verlust des primären (wichtigsten) Peers

10. Stigmatisierung Psy

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Remissionsfaktoren

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Kurzes Herausnehmen aus der Ursprungsfamilie

2. Integration in eine Peergroup

3. Vermitteln von Bewältigungsstrategien in gefährlichen Situationen

4. Vermitteln von Fähigkeiten um Verletzten helfen zu können

5. Konfrontation mit neuen Befürchtungen und Ängsten

6. Löschen von Vermeidungsverhalten

7. Keine therapeutischen Rahmenbedingungen

8. Soll Spass machen

9. Soll in den Schulferien stattfinden

10. Soll Prestige bringen (anstatt Stigmatisierung)

11. Soll 80-100 traumatisierten Kinder/Jugendlichen zur Verfügung stehen

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Konzept-Rationale

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Wegen den Problemen mit „Ausland-Kinder“ und um integrierte

Versorgung auch längerfristig anbieten zu können, mussten die

Interventionen vor Ort stattfinden

2. Während den Schulferien durchgeführt werden

3. Das Angebot musste es mit Ferien im In- oder Ausland

konkurrenzieren können

4. Das Angebot musste so sicher sein, dass Eltern ihre Kinder auch

teilnehmen liessen

5. Das Angebot durfte nicht stigmatisierend sondern auszeichnend sein

6. Das Angebot musste wissenschaftlich evaluiert werden

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Rahmenbedingungen

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Konfrontation von Befürchtungen und Ängsten

1. Alpinismus (Sommer)

2. Skifahren (Winter)

3. Bergrettung

2. Spezifische Fähigkeiten zum Basic Life Support (BLS)

1. Rettungssamariter-Ausbildung und

2. Cardiopulmonale Reanimation (CRP)

3. Zertifizierung und Implementierung des Erlernten im Alltag

3. Psychlogisches Auffangnetz

1. Einzelinterventionen bei Symptomexazerbation

2. Altersgerechte Abendgruppen (Spiel, Spass und Verarbeitung des

Erlebten)

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Interventionsbausteine für die Camps

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Trägerschaft durch das Nordossetische Bildungsministerium und durch das DEZA

2. Rettungssanitäter (Helden von der Befreiung am 3.9.2004) waren die primären Ausbildner

3. Sportler aus dem Nationalkaders von Nordossetien oder der Russischen Föderation

4. Lokale Bergführer/Skilehrer5. Jedem Ausbildner und seiner Gruppe (4-5 Kinder/Jugendliche) wurde

eine Psychologin zugeteilt6. Zwei Köchinnen7. Busfahrer8. Wissenschaftlicher Mitarbeiter des loklaen Institutes für

Sozialwissenschaften

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Trägerschaft und Personelles

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Tag: Sammlung, Abfahrt, erste psychometrische Testung auf, Unterkunftsbezug, erste Ausbildung „Sicheres Verhalten im Gebirge“, Abendveranstaltung.

2. Tag: Morgensport, Samariterkurs, Berggang/Skifahren, Abendveranstaltung3. Tag: Morgensport, Samariterkurs, Berggang/Skifahren mit integration von

Bergrettungsübungen, Abendveranstaltung4. Tag: Morgensport, Samariterkurs und erste CPR Theorie, Berggang/Skifahren

mit integration von Bergrettungsübungen, Abendveranstaltung5. Tag: Morgensport, CPR, Berggang/Skifahren mit integration von CRP-

Übungen, Abendveranstaltung inklusive Prüfungsvorbereitung6. Tag: Morgensport, Prüfung-Samariterkurs, Berggang/Skifahren nur zum Spass,

Abendveranstaltung7. Tag: Morgensport, CPR-Prüfung, Berggang/Skifahren nur zum Spass,

Frühschlafen, Nachtübung (01:00-05:00 Uhr)8. Tag: Rückfahrt, zweite psychometrische Testung, Verabschiedungsparty mit

Eltern12

Ablauf

Freitag, 28. Oktober 2011

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1. Prospektive Studie mit drei Messzeitpunkten1. Hinfahrt ins Camp2. Rückfahrt aus dem Camp

3. 6 Monate nach Abschluss des Camps

2. 94 Kinder mit Einwilligung zur Nachuntersuchung durch die Eltern von 120 Teilnehmern insgesamt (Altersrange 10 - 16 Jahre)

3. 50% Kinder traumatisiert (n = 46); 50% ohne Traumatisierung (n = 48)

4. Limitationen:1. keine PTSD Skala

2. nur ein psychometrisches Instrument3. keine Wartegruppe

Wissenschaftliche Begleitforschung

Freitag, 28. Oktober 2011

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Traumatisierungsgrade

Freitag, 28. Oktober 2011

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CD-RISC over time

58

60

62

64

66

68

70

72

74

76

78

baseline follow-up 1 follow-up 2

total samplehostagesnon-hostages

Vetter et al, 2010

Freitag, 28. Oktober 2011

1. Innert eine Woche kommt es zu einem Gruppeneffekt mit einer Resilienzverbesserung bei allen Teilnehmer (p ≺ .001)

2. Nach 6 Monaten befinden sich die Nicht-Traumatisierten wieder auf ihrem Ausgangsniveau, die Traumatsierten haben sich hoch signifikant verbessert und befinden sich nur knapp unter dem Resilienzniveau der Nicht-Traumatisierten (p ≺ .001)

3. Mehrfach-komplex Traumatisierte profitierten signifikant besser (p ≺ .01)1. Effektstärken N0/N1 gering allgemein für Traumatisierte mit Tloss d = .23, T2loss

d = .31 und Tloss3+ d = .37 und für Nicht-Traumatisierte NT d = 0.32

2. Effektstärken N0/N2 mittlere Ausprägung für Traumatisierte mit Ttotald = .45, T2loss d = .65, Tinjury d = .54 und T3+loss d = .21 und für Nicht-Traumatisierte NTd = 0.09

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Resultate

Freitag, 28. Oktober 2011

1. 40 Jugendliche und junge Erwachsene haben sich derart normalisiert, dass sie keine Betreuung mehr benötigen und voll an einem altersentsprechenden Leben teilhaben.

2. 4 Jugendliche weiterhin in psychiatrischer Behandlung, aber eher auf tiefem psychopathlogischen Niveau mit weiterlaufender Tendenz zur Remission.

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Rückmeldungen von Oktober 2011

Freitag, 28. Oktober 2011

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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Freitag, 28. Oktober 2011