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1 LEIPZIGER ÖKONOMISCHE SOCIETÄT E. V. Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Otto Rosenkranz Wegbereiter der modernen Landwirtschaft - Realist und Visionär - Ehrenkolloquium anlässlich des 100. Geburtstages LEIPZIGER UNIVERSITÄTSVERLAG

Wegbereiter der modernen Landwirtschaft - Realist und ... · 2 Leipziger Ökonomische Societät e. V. Marschnerstraße 31, 04109 Leipzig Redaktion: Dr. habil. Dietmar Brendler Satz:

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LEIPZIGER ÖKONOMISCHE SOCIETÄT E. V.

Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Otto Rosenkranz

Wegbereiter der modernen Landwirtschaft

- Realist und Visionär -

Ehrenkolloquium

anlässlich des

100. Geburtstages

LEIPZIGER UNIVERSITÄTSVERLAG

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Leipziger Ökonomische Societät e. V. Marschnerstraße 31, 04109 Leipzig Redaktion: Dr. habil. Dietmar Brendler Satz: Volker Hopfner, Berlin Druck: DDF Leipzig GmbH Redaktionsschluss: 1. Februar 2011

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Inhalt

Vorwort 3

OTTO ROSENKRANZ Entwicklungslinien in der agrarökonomischen Forschung in der DDR 1949-1989 5

OTTO ROSENKRANZ Unsere Landwirtschaft hat eine Zukunft 7

Die letzte Wortmeldung von OTTO ROSENKRANZ zum Abschluss der Jubiläumstagung

„80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf" am 20.10.2000 22

Zeittafel zum Leben und Wirken von Professor Dr. rer. techn. Dr. habil. Dr. h. c. OTTO ROSENKRANZ 25

Von Professor ROSENKRANZ betreute Promotionen und Habilitationen an der Universität Leipzig (L) und an der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, Sektion Agrarökonomik (B) 28

Ausgewählte Publikationen 34

Manfred Klose (+) OTTO ROSENKRANZ Wissenschaftler – Lehrer – Förderer Persönliche Erinnerungen an den Arbeitsalltag 43

Peter Tillack Die wissenschaftlichen Leistungen von OTTO ROSENKRANZ 48

Gerhard Jannermann Erinnerungen an OTTO ROSENKRANZ 56 Eberhard Schulze WALTER ULBRICHT gegen OTTO ROSENKRANZ 63

Martin Eberhardt Von der Landarbeitsforschung zur landwirtschaftlichen Technologie 67

Dietrich Krümmel Gundorfer Erfahrungen nützen dem Obst- und Garten- und Landschaftsbau 76

Klaus Kliem Die Lehre von OTTO ROSENKRANZ aus der Sicht eines Agrarmanagers 83

Artur Spengler Praxisnahe Forschung in Gundorf 92

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Peter Jahr Die Lehre von OTTO ROSENKRANZ aus der Sicht eines Agrarpolitikers im Europäischen Parlament 95

Hans-Werner Heinze Professor OTTO ROSENKRANZ — mein Lehrer und Vorbild 99

Karlheinz Großkopf Vom Hochschuldozenten zum Referatsleiter in der brandenburgischen Agrarverwaltung 102

Günter Heller Die Lehre von OTTO ROSENKRANZ aus der Sicht der Unternehmensberatung 105

Heinz Richter Erinnerungen an unseren alten Lehrer 108 Ekkehard Köhler

Begegnungen mit Professor OTTO ROSENKRANZ 113

Willi Rosenau Begegnungen mit OTTO ROSENKRANZ 118

Rudolf Decker Die Lehr- und Versuchsgüter im Dienste von Wahrheit und Fortschritt 121

Hartmut Brückner, Hartmut Kubon Vom LVG zur Gundorfer Agrargemeinschaft 129

Dietmar Brendler, Brigitte Winklex Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Kooperation und Arbeitsteilung 143

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Vorwort Anlässlich des 100. Geburtstages ihres ehemaligen Ehrenmitglieds Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Otto Rosenkranz am 03. Februar 2011 veranstaltet die Leipziger Ökonomische Societät e. V. (LÖS) am 25. März 2011 ein Ehrenkolloquium. Wie kein anderer in der deutschen Landwirtschaft tätiger Betriebs-wirt hatte er begriffen, dass in einer Industriegesellschaft kein Weg an einer nach industriellen Prinzi-pien organisierten Landwirtschaft vorbeiführt, daraus die Konsequenzen gezogen und Ideen zu ihrer Gestaltung entwickelt. Das Gesellschaftssystem in der DDR förderte und hinderte diesen Prozess zugleich. Einerseits wurde eine industrialisierte Landwirtschaft angestrebt, andererseits der Entwick-lungsprozess unsinnigerweise in starre Bahnen gelenkt. Letzteres sollte schließlich auch Otto Rosen-kranz zum Verhängnis werden und 1968 zu seiner Ablösung als Direktor des Instituts für landwirt-schaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirtschafts-wissenschaften zu Berlin führen. Der vorliegende Band enthält die Beiträge der Tagung, die das Lebenswerk von Otto Rosenkranz von verschiedenen Seiten beleuchten und würdigen. Vorangestellt ist sein Vortrag auf der 40. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus im Jahre 1999 in Kiel, in dem er selbst ein Fazit der Entwicklung in der DDR gezogen hat. Otto Rosenkranz nahm am 27. Mai 2004 das letzte Mal an einer Veranstaltung der LÖS, am Kolloqui-um „Wege von Landwirt zum Energiewirt“, teil. Wie so oft in seinem Leben hat er in der Diskussion den Nagel auf den Kopf getroffen. Er befürchtete, dass es zum Wettbewerb um die Fläche zwischen Land- und Energiewirtschaft und daraus folgend zu Bodenspekulationen kommen könnte. Er sprach sich deshalb für die Bildung von Landgesellschaften aus, die staatliches Land verwalten, dieses verpachten oder verkaufen, aber das Vorkaufrecht behalten sollen. Wenn heute die Länder Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern das in der Hand der Bundesrepublik Deutschland vorhandene Land in ihren Ländern kaufen wollen, um Bodenspekulationen zu vermeiden, folgen sie im gewissen Sinne seinen Vorstellungen, ohne dass es wahrscheinlich den Handelnden bewusst sein dürfte. Die nach industriellen Prinzipien organisierte Landwirtschaft wird heute von verschiedenen Seiten angegriffen, darunter mit solchen Schlagworten wie „Massentierhaltung“, „verantwortlich für Arten-sterben“ usw. Dabei wird völlig übersehen, dass Landbewirtschaftung und Tierproduktion in großbe-rieblichem Maßstab die Anwendung neuer Erkenntnisse einer ökologisch zweckmäßigen Produktion und der nachhaltigen Sicherung von Naturressourcen ermöglicht, denen in einer kleinbetrieblich strukturierten Landwirtschaft enge Grenzen gesetzt sind. Deshalb besteht auch kein Widerspruch zur Notwendigkeit von Verbesserungen im Umwelt- und Tierschutz. Die industrielle Landwirtschaft wird in den hoch industrialisierten Ländern ihren Platz behaupten, ob es ihren Gegnern gefällt oder nicht. Denn nur sie, sei sie nun „konventionell“ oder „ökologisch“, kann die von der Mehrheit der Bevölke-rung erwarteten angemessenen Preise für Nahrungsmittel gewährleisten. Die LÖS kann Veranstaltungen wie dieses Ehrenkolloquium nur durchführen, wenn außer den Jahres-beiträgen ihrer Mitglieder finanzielle Mittel von Sponsoren eingeworben werden können. Wir danken deshalb Dr. Dietmar Brendler, Prof. Günter Heller, Prof. Gerhard Jannermann, Heinz Richter und Dr. Arthur Spengler, Peter Birke, die sich besonders um deren Gewinnung verdient gemacht haben. Unser besonderer Dank gilt aber den Sponsoren selbst, die deshalb nachfolgend auch genannt werden. Klaus Reinsberg Eberhard Schulze Vorsitzender des Vorstandes der LÖS Leiter der AG Landwirtschaft der LÖS

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Sponsoren ADIB Agrar, - Dienstleistungs- und Baugesellschaft mbH, Bahnhofstr.10, 99947 Bad Langensalza Geschäftsführer Herr Dr. Kliem Agrar e. G. Remptendorf Umspannwerkstraße 15 07368 Remptendorf Agrargenossenschaft Arzberg e. G, Mühlenviertel 4, 04886 Arzberg Vorstandsvorsitzender Herr Brandtner Agrargenossenschaft Langenreichenbach e. G., Am Heidebach 25, 04862 Langenreichenbach Vorstandsvorsitzender Dr. Ruscher Agrargenossenschaft e. G. Niederschöna, Freiberger Straße 1, 09600 Niederschöna Vorstandsvorsitzender Herr Partzsch Agrargesellschaft Hirschberg mbH, Ullersreuth Nr. 9, 07927 Hirschberg Vorstandsvorsitzender Herr Richter Agrargesellschaft Heideland Beckwitz mbH, Dahlener Str. 5A, 4889 Beckwitz Geschäftsführer Herr Wirth Agrar - und Handels-GmbH Mehderitzsch, Am Sportplatz 17, 04889 Beckwitz Geschäftsführer Dr. Harzer Budissa Agrarprodukte AG Niederkaina, Purschwitzer Straße 13, 02625 Bautzen Geschäftsführer Herr Johannes Pietschmann Frau Hanna Busching, Drosselkörn 25, 24226 Heikendorf Herr Dr. Grabner, Klaus und Frau Thea, Brettmühlenweg 10, 09297 Zwönitz Herr Dr. Karlheinz Großkopf, 14554 Seddiner See Herr Paul Hildebrand, Sömmerdaerstr. 2, 99195 Schloßvipach Herr Gerhart Lebelt, OT Kleindalzig, 04442 Zwenkau Herr Dr. Andreas Lipp, Karl-Struck-Str. 7 17192 Waren Regionalbauernverband Nordsachsen Herr Dr. Joerg Rosenkranz, Kreuzstr. 1, 06366 Köthen Dr. Gerald Sehmisch & Partner GmbH, Hermann-Liebmann-Str. 78, 04315 Leipzig Saat-Gut Plaußig KG Plaußiger Dorfstr. 12, 04349 Leipzig Komplementärin und Geschäftsführerin Frau Dr. Voges Ulanhof-GBR-Altkalen Gerhard Jannermann, Ziegelei 1, 17179 Altkalen

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OTTO ROSENKRANZ * )

ENTWICKLUNGSLINIEN IN DER AGRARÖKONOMISCHEN FORSCHUNG IN DER DDR 1949 – 1989

Als im Oktober 1949 die DDR ausgerufen wurde, ahnte niemand, daß sie 40 Jahre alt wird. Deutschland wurde damit geteilt, und in seinem östlichen Teil begann auch für die Landwirtschaft eine Entwicklung, wie es sie in einem ähnlich langen Zeitabschnitt wohl in Jahrhunderten nicht gegeben hat. Heute, 50 Jahre nach diesem für alle, die es erlebt haben, so unheilvollen Ereignis, erscheint es mir als durchaus berechtigt, anlässlich des 40. Jahrestages seit der Gründung der Gesellschaft für Wirt-scharts- und Sozialwissenschaften in der Landwirtschaft den Versuch zu unternehmen, einmal darzu-stellen, was landwirtschaftliche Betriebswirtschaftswissenschaft in der DDR war und welchen Anteil ihre Vertreter an der Entwicklung hatten. Es ist nicht einfach für jemand, dem man nie so recht traute, den man bespitzelte, später lobte, anerkannte und fast verwöhnte, um ihn dann in eine Art innerer Verbannung zu schicken, aus der man ihn erst nach der Wende holte, um ihn zu rehabilitieren, sine ira et Studio zu berichten. Ich will es versuchen. An den sechs Universitäten der DDR gab es 1949 auch schon sechs Lehrstühle für landwirtschaftliche Betriebslehre. In Rostock lehre Asmus PETERSEN, in Greifswald Georg BLOHM, in Berlin SENNE-WALD. WOERMANN hatte gerade Halle verlassen, um einem Ruf nach Göttingen zu folgen. In Jena war HENKELMANN, und in Leipzig wurde der Lehrstuhl von einem Assistenten verwaltet. Grund-lage für die Lehre waren AEREBOE, BRINKMANN und BLOHMS „Angewandte landwirtschaftliche Betriebslehre". In dieser Zeit gab es einen lebhaften Streit darüber, was Betriebslehre eigentlich ist. Die bestim-menden marxistischen Politökonomen meinten, daß alle wirtschaftlichen Probleme der Landwirtschaft von der politischen Ökonomie des Marxismus zu lösen seien. Für die einen war Betriebslehre, wie auch alle, die sich mit ihr befassten, Relikte einer bürgerlich-kapitalistischen Weltanschauung, andere wollten aus ihr eine Kunstlehre machen. Schließlich galt die Ökonometrie als der Versuch der Bour-geoisie, die Politische Ökonomie durch die Mathematik zu ersetzen. Mit der Erkenntnis aber, daß es keine sozialistischen und keine kapitalistischen Kühe gibt und daß man Schweine, wenn Futter fehlt, auch nicht mit Bewusstsein mästen kann, entstand die Frage, ob es denn sozialistische und kapitalis-tische Betriebe gibt. Die Antwort konnte nur sein: Betriebe sind Einheiten der gesellschaftlichen Produktion, in denen die Gesetze der materiellen Produktion wirken. Sie wirken unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen, können aber in Abhängigkeit von ihnen unterschiedlich angewandt oder genutzt werden. So kam man dazu, daß Betriebswirtschaft als selbständige ökonomische Wissen-schaft mit eigenem Erfahrungsobjekt – den Betrieben – und eigenem Forschungsgegenstand von der Politischen Ökonomie abgegrenzt wurde. Das war von entscheidender Bedeutung für alle betriebswirt-schaftswissenschaftliche Arbeit. Dabei verhielt man sich den Betriebswirten gegenüber noch über Jahre als „bürgerlichen Relikten" sehr zurückhaltend. Das galt nicht, wenn es darum ging, die Arbeit der Bauern zu erleichtern, wie es einmal das Ziel der von DERLITZKY 1920 gegründeten Versuchsanstalt für bäuerliche Werkarbeit in Pommritz war und in der aus ihr 1950 entstandenen Forschungsstelle für Landarbeit Gundorf, dem späteren Institut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirt-schaftswissenschaften zu Berlin weiter verfolgt wurde. Während deutsche Landarbeiter sich immer gegen Akkordarbeit gewehrt hatten, war sie in der Sowjetunion in Staatsgütern und MTS seit langem üblich. Die wissenschaftliche Grundlage dafür lieferte das Taylor-System, nach dem Lenin festgestellt hatte, daß man ihm nur den Löffel Pech entnehmen muss, der es zum Werkzeug kapitalistischer Ausbeutung gemacht hatte.

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Die Arbeit im Volkseigenen Gut galt als Arbeit in eigener Sache, frei von Ausbeutung. Sie nach Normen zu bewerten, entsprach also nur dem Gebot „Jedem nach seiner Leistung". So kam 1951 schnell ein erster Arbeits-Normenkatalog für VEG zustande Er wurde allgemein eingeführt und meist — wenn auch mit gewissen Schwierigkeiten — angewandt. Von Gewinn auch nur zu sprechen, galt schon als ideologische Schwäche, bis um 1950 herum der Begriff der „wirtschaftlichen Rechnungsführung" aus der Sowjetunion propagiert wurde. Er war unge-kannt. Chos.rastschot bedeutete in der Sowjetunion aber nichts anderes als Übergang von der bis dahin gültigen Finanzierung aller staatlichen Betriebe aus dem Haushalt zur betrieblichen Eigenfinan-zierung. Neben der Erfüllung des staatlichen Produktionsplanes sollten auch alle Kosten durch Erlöse gedeckt werden. Generelles Ziel aller wirtschaftlichen Tätigkeit wurde die Erreichung einer geplanten Produktion mit niedrigsten Kosten. Die Kosten zu minimieren und den Erlösen gegenüberzustellen entsprach auch voll unseren Vorstellungen vom Wirtschaften. Nachdem das erkannt war, dauerte es nicht mehr lange, bis für die ersten volkseigenen Güter Buchabschlüsse mit Kostenträger-Stück-rechnung vorgelegt werden konnten. Das war das Ergebnis der Arbeiten junger Betriebswirtschaftler der Universitäten und der Institute der inzwischen gebildeten Deutschen Akademie der Landwirt-schaftswissenschaften. Geholfen haben ihnen dabei die letzten Mitarbeiter der einst bekannten landwirtschaftlichen Buchstelle von Professor HOWARD in Leipzig. Besonderes Interesse bestand in dieser Zeit an der Messung der Arbeitsproduktivität. BEHRENS, damals bekanntester Volkswirt der DDR, arbeitete an der so genannten Zeitsummenmethode. Von GAMPE in seiner Dissertation auf die Landwirtschaft angewandt, ergaben sich Möglichkeiten, nicht nur die Effektivität der lebendigen Arbeit in den einzelnen Betrieben mit Normen zu vergleichen, sondern auch Betriebe untereinander. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der gesamten Landwirtschaft in der DDR war in dieser Zeit (1950-1951) die Gründung der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin. Sie war mit ihren etwa 30 ordentlichen Mitgliedern, den bedeutendsten Agrarwissenschaftlern des Landes, die zentrale landwirtschaftswissenschaftliche Einrichtung der DDR, der alle außerhalb des Hochschulwesens und der Volksbildung bestehenden Institute, Versuchs- und Untersuchungsstationen sowie landwirtschaftswissenschaftliche Forschungsstellen zugewiesen wurden. In ihr wurde alle land-wirtschaftswissenschaftliche Arbeit geplant, koordiniert, und in ihr wurden alle für die Landwirtschaft bedeutenden Probleme beraten und Entscheidungen vorbereitet. Für die damalige Situation bezeichnend und auch aus heutiger Sicht interessant dürfte sein, daß unter den rund 30 berufenen Gründungsmitgliedern der DAL allenfalls sechs Mitglieder der SED waren, einige von ihnen aus der SPD übernommen. In den Sektionen erfolgte nicht nur eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen den Instituten der einzelnen Disziplinen, sondern auch mit der Praxis, deren Bedürfnissen zu dienen oberstes Gebot der DAL war. Mit dem Beschluss der 2. Parteikonferenz der SED (1953), der Bitte der Bauern zu entsprechen und ihnen die Bildung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zu gestatten, erfolgte in der DDR nach der Bodenreform im Jahre 1945 der zweite große Schritt zur Veränderung der gesell-schaftlichen Verhältnisse. Es waren nicht „die Bauern", die darum gebeten hatten — wohl aber einige. Manche aus Überzeugung, manche aus Not. Da bis dahin jeder, der es auch nur wagte, von Vergenossenschaftlichung zu sprechen, riskierte, eingesperrt zu werden, war die Überraschung bei den meisten groß – obwohl jeder, der mit den politischen Interessen der Sowjetunion auch nur einiger-maßen vertraut war, wissen musste, daß sie der Landwirtschaft der DDR, solange sie unter sowjeti-schem Einfluß war, bevorstand. Die politische Entscheidung wurde aber auch durch die allgemeine Lage der Landwirtschaft begünstigt, wenn nicht gar erzwungen. Während die Betriebe der alteinsäs-sigen Bauern – soweit sie nicht zu den Großbauern gehörten – sich allmählich stabilisierten, begannen immer mehr Neubauern, die außer ihrem Land nichts hatten, weil sie als Flüchtlinge gekommen und oft auch berufsfremd waren, ihre Stellen aufzugeben und sich einen anderen Erwerb zu suchen.

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Man entschloss sich, auftretende Probleme „im Fortschreiten" zu überwinden, was helfen sollte, das angestrebte Ziel schneller als im Zuge einer längeren Entwicklung zu erreichen. Wer aber versuchte, ideologisch unbeeinflusst sich eine eigene Vorstellung von dem zu machen, was für die Landwirtschaft und die Bauern in der nun einmal entstandenen Lage zu tun war, wer die nach wie vor bestehende Plackerei in den bäuerlichen Betrieben kannte, an der sich nichts geändert hatte, seit MÜNZINGERS „Diplomknechte" sie in ihren Dissertationen beschrieben hatten, dem konnte auch nichts Besseres einfallen, als ihnen zu empfehlen, sich zu gemeinsamer Produktion zusammenzuschließen. Politische Zielstellung und wirtschaftliche Vernunft ergänzten sich also, und es gab für einen vernünf-tigen Menschen keinen Grund, sich der Bildung von LPG entgegenzustellen – denn sie sollte freiwillig erfolgen. Niemand vermag zu sagen, wie lange es gedauert hätte, bis alle Bauern der DDR sich ohne Zwang zu Genossenschaften zusammengeschlossen hätten. Es wären bestimmt mehr als sieben Jahre gewesen. Wer für ein behutsameres Vorgehen eintrat, musste dafür wie Kurt VIEWEG mit Zuchthaus bezahlen. Die DDR zahlte dafür mit dem Widerstand der Masse ihrer Bauern, die sie immer als ihre Verbündeten bezeichnete. Sie verließen das Land, oft auf die abenteuerlichste Art. Manche meinten, den Verlust ihrer Selbständigkeit nicht überstehen zu können. Für sie wurde die Vergenossenschaftlichung zur Katastrophe – auch wenn ihr Eigentum erhalten blieb: Der Boden im Grundbuch, das Inventar bewertet bei der Übergabe als Forderung an den Fonds der LPG. Das Statut verlangte strikte Vergütung aller Mitglieder nach der Leistung, sagte aber nicht, wie sie zu ermitteln ist. In der Sowjetunion wurde nach „Arbeitstagen" abgerechnet, denen Normen zugrunde lagen. Es war aber nicht zu erwarten, daß deutsche Bauern bereit gewesen wären, ihre Leistungen danach abrechnen zu lassen. Dazu lag das Wort zu dicht bei „Tagewerk" oder „Scharwerk", zu nahe feudalistischer Vergangenheit. Als wesentlich besser erschien es deshalb, eine bestimmte Arbeits-leistung als „Arbeitseinheit" zu bezeichnen. Sie sollte die Einheit des Anteils sein, den ein Genossen-schaftsbauer durch seine persönliche Arbeit zum genossenschaftlichen Produkt beiträgt. Sie wurde ermittelt aus der für jede Arbeit bestimmten Norm und der qualitativen Bewertung mit Faktoren von 0,8 bis 1,6. Die Arbeitseinheit war aber auch die Einheit des Anteils, den der einzelne von dein Teil des genossenschaftlichen Produktes erhielt, der nach Erfüllung aller satzungsmäßigen Verpflichtungen zur Verteilung kam. Davor stand noch die Verteilung von Bodenanteilen, die nach dein von den einzelnen Genossen-schaftsbauern eingebrachten Boden bemessen wurden und je nach Statut 20 bis 40 Prozent des Brutto-Einkommens in Anspruch nahmen, sowie eine Abführung an den „Unteilbaren Fonds" – die Akkumu-lation von genossenschaftlichem Vermögen. Mitgliedern, die keine oder nur eine sehr beschränkte individuelle Viehhaltung hatten, genügte es bald nicht mehr, im Verlauf des Jahres nur Abschläge für die von ihnen geleisteten AE zu bekommen. Sie verlangten die geplanten Beiträge. Mit ihrer Bezahlung kam das Ende der Vergütung nach Arbeits-einheiten und der Übergang zur reinen Geldvergütung auch in den LPG. Von ganz entscheidender Bedeutung für das Tempo der Vergenossenschaftlichung waren die vom Staat gebildeten Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS). Hervorgegangen aus den Maschinenhöfen der VdgB und den Maschinen-Ausleih-Stationen waren sie von Anfang an die entscheidende staatliche Hilfe für alle, vor allem aber für Klein- und Neubauern, die keine eigenen Zugkräfte hatten. Neue Landmaschinen und Schlepper aus Importen oder eigener Produktion wurden lange nur an volkseigene Güter oder MTS geliefert. Sie wurden so zu Trägern der Mechanisierung der Landwirtschaft der DDR, und das bei bester Nutzung der Kapazitäten. Die Bauern brauchten keine Maschinen zu kaufen und konnten oft noch als Schichttraktoristen in der MTS arbeiten. Als nach Abschluss der Vergenossen-schaftlichung nach 1960 die Maschinen der MTS durch Kauf oder Obergabe Eigentum der LPG

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wurden, wurden die meisten Traktoristen Genossenschaftsmitglieder, und es kam wieder zusammen, was zusammengehörte. Anerkennt man die Entwicklung in der Landwirtschaft zu größeren Betrieben und die fortschreitende Konzentration der Produktion als allgemein gültiges Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung, so kommt man zu dem Schluss, daß auch die Vergenossenschaftlichung der Landwirtschaft in der DDR bei allem Schrecklichem, was sie für einzelne gebracht hat, doch nur als Vorwegnahme einer Entwick-lung bezeichnet werden kann, die auch den Bauern in den alten Bundesländern nicht erspart bleibt. Das Ende, eine völlig veränderte Agrarstruktur, bleibt das gleiche. Nur der Weg zu ihm ist ein anderer. Mit der Bildung der ersten LPG wurde zur wichtigsten Aufgabe für alle Betriebswirtschaftler, für die in den neu entstehenden Betrieben zu erwartenden Aufgaben geeignete Leiter auszubilden. Die Voraussetzungen dafür sollte das auf fünf Jahre ausgedehnte und entsprechend veränderte 5-Jahr-Studium geben. Sein wesentlichstes Merkmal war die Einbeziehung der praktischen Berufsa-usbildung in das Studium und ihre Durchführung in den Versuchsgütern der Universitäten und der Landaka-demie, später auch in besonders geeigneten LPG. Zugleich stiegen die Anforderungen an die Betriebs-wirte, den Genossenschaften zu helfen. Das geschah in zahllosen Beratungen in LPG, aber auch damit, daß immer mehr Assistenten aus betriebswirtschaftswissenschaftlichen Instituten für längere Zeit in LPG als stellvertretende Vorsitzende oder auch Vorsitzende tätig wurden. Für alle Betriebswirtschaftswissenschaftler war diese Zeit eine ständige Lehre. Keiner von ihnen hatte je in einer LPG gearbeitet – es gab bei uns ja auch keine. Was wir lehren wollten, mussten wir vorher in den Betrieben erfahren. So kam es, daß manche Hochschullehrer eher in einer LPG zu finden waren als in ihrem Institut. Eine gute Verbindung zur Praxis wurde zur wichtigsten Voraussetzung für eine gute Lehre. Sie wurde verstärkt durch eine Ausbildung von Fernstudenten, in der Praxis tätigen Landwirten mit mittlerer oder Fachschulausbildung, die sich zu Diplomlandwirten qualifizieren wollten. Sie kannten die Probleme der Praxis, und mit ihnen geführte Diskussionen in Seminaren und Übungen brachten Vorteile für beide Seiten. Was am meisten erwartet wurde, war praktische Hilfe bei der Lösung der Probleme der täglichen Leitung der Betriebe, zumal nach Meinung maßgeblicher Funktionäre 1 t Schwein mehr wert war als ein Berg voll geschriebenen Papiers. Manche Bereiche betriebswirtschaftlicher Forschung sind dabei rein aus Kapazitätsgründen zu kurz gekommen, andere stark hervorgehoben worden. Das gilt vor allem für die Probleme der Organisation großer Einheiten der Pflanzen- und Tierproduktion sowie der Kooperation unter ihnen. Was damals von allen anerkannt wurde und politisch als unbedenklich galt, fand ab 1953 seinen Niederschlag im Entwurf des „Handbuchs des Genossenschaftsbauern". Sein Initiator war Kurt VIEWEG, damals Direktor des Instituts für Agrarökonomik der DAL. Ohne ihn wäre ein so wenig ideologisch belastetes Werk über die Landwirtschaft nie zustande gekommen. Der zuerst erschienene Band über Tierproduktion fand allgemein Anerkennung – und niemand merkte, daß selbst ein Mitglied des ZK der SED damals noch nicht wagte, den ökonomischen Teil als ersten zu veröffentlichen. Es folgte erst später, und dann nicht als Betriebslehre der LPG, sondern als „Organisation und Planung". Als besonderes theoretisches Problem ergab sich die Frage, ob LPG als neue Form landwirtschaft-licher Betriebe auch wie VEG abgerechnet werden können. In der Sowjetunion tat man das nicht. In LPG gab es nach den Begriffen der politischen Ökonomie keinen Lohn. Was an die Mitglieder verteilt wurde, waren Einkünfte. Sie enthielten außer dem „Lohnanspruch der Besitzer" der bäuerli-chen Buchführung auch den Gewinn des Betriebs. Eine saubere Ermittlung von Gewinn und Verlust der LPG wurde erst möglich, nachdem im Verlauf einiger Jahre mit stabiler Vergütung je Arbeitseinheit, der Entwicklung von Ware-Geld-Beziehungen zwischen LPG und ihren Mitgliedern

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sowie der Einführung von Abgaben an den Staat Arbeitseinkommen der Genossenschaftsbauern und Gewinn sich trennen ließen. Trotzdem kam es zum Streit mit Betriebswirten in der DDR und russischen Kollegen, die eine volle Abrechnung von LPG gleich aus welchen Gründen ablehnten. Es war eine der von den Landwirtschaftsakademien regelmäßig durchgeführten Koordinierungs-konferenzen, auf der das Problem zur Diskussion gestellt wurde. Die Russen und die Vertreter der meisten anderen Akademien sowie die meisten Vertreter der DDR lehnten eine volle Abrechnung der LPG ab, bis der Direktor des Agrarökonomischen Instituts der Ukrainischen Akademie der Landwirt-schaftswissenschaften ROMANENKO erklärte, daß auch er und sein Institut in Kiew eine volle Abrechnung der LPG und Ausweis von Gewinn und Verlust für richtig halten. Während die Russen sich als Begründung für ihre Haltung auf einen Beschluss des ZK der kommunistischen Partei beriefen, erklärte ROMANENKO, das ZK der ukrainischen KP habe seine Ansicht bestätigt. Für unsere Betrie-be ergab sich damit die Möglichkeit, ihr Rechnungswesen auf ein besonders hohes Niveau zu bringen. Als besonderes Problem empfunden wurde das fast völlige Fehlen betriebswirtschaftlicher Literatur. Eine einzige „Zeitschrift für Agrarökonomik" wurde nach nur wenigen Jahren wieder eingestellt. So kam es, daß Kompendien zu Vorlesungen und Übungsmaterial aus Seminaren Lehrbücher ersetzen mussten. Als nach Einführung des landwirtschaftlichen Fernstudiums Kompendien durch Lehrbriefe ersetzt wurden, die von einer zentralen Abteilung für Fernstudien herausgegeben wurden war die Versorgung mit Lehrmaterial auch für die Direktstudenten gesichert. Es ist das Verdienst von JANNERMANN und GUSSSK mit einer großen Anzahl von Mitarbeitern, 1966 erstmalig in einem Lehrbuch der „Ökonomik der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe" den Stand der damaligen Entwicklung dargestellt und einem dringenden Bedürfnis dafür entsprochen zu haben. Ihre Absicht, ihrem Werk bald andere Arbeiten folgen zu lassen, ist leider durch politische Stellen bis zum Ende der DDR verhindert worden. Maschinenhöfen der VdgB und den Maschinen-Ausleih-Stationen waren sie von Anfang an die entscheidende staatliche Hilfe für alle, vor allem aber für Klein- und Neubauern, die keine eigenen Zugkräfte hatten. Neue Landmaschinen und Schlepper aus Importen oder eigener Produktion wurden lange nur an volkseigene Güter oder MTS geliefert. Sie wurden so zu Trägern der Mechanisierung der Landwirtschaft der DDR, und das bei bester Nutzung der Kapazitäten. Die Bauern brauchten keine Maschinen zu kaufen und konnten oft noch als Schichttraktoristen in der MTS arbeiten. Als nach Abschluss der Vergenossenschaftlichung nach 1960 die Maschinen der MTS durch Kauf oder Über-gabe Eigentum der LPG wurden, wurden die meisten Traktoristen Genossenschaftsmitglieder, und es kam wieder zusammen, was zusammengehörte. Anerkennt man die Entwicklung in der Landwirtschaft zu größeren Betrieben und die fortschrei-tende Konzentration der Produktion als allgemein gültiges Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung, so kommt man zu dem Schluss, daß auch die Vergenossenschaftlichung der Landwirtschaft in der DDR bei allem Schrecklichem, was sie für einzelne gebracht hat, doch nur als Vorwegnahme einer Entwicklung bezeichnet werden kann, die auch den Bauern in den alten Bundesländern nicht erspart bleibt. Das Ende, eine völlig veränderte Agrarstruktur, bleibt das gleiche. Nur der Weg zu ihm ist ein anderer. Mit der Bildung der ersten LPG wurde zur wichtigsten Aufgabe für alle Betriebswirtschaftler, für die in den neu entstehenden Betrieben zu erwartenden Aufgaben geeignete Leiter auszubilden. Die Voraussetzungen dafür sollte das auf fünf Jahre ausgedehnte und entsprechend veränderte 5-Jahr-Studium geben. Sein wesentlichstes Merkmal war die Einbeziehung der praktischen Berufsaus-bildung in das Studium und ihre Durchführung in den Versuchsgütern der Universitäten und der Landaka-demie, später auch in besonders geeigneten LPG. Zugleich stiegen die Anforderungen an die Betriebs-wirte, den Genossenschaften zu helfen. Das geschah in zahllosen Beratungen in LPG, aber auch damit,

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daß immer mehr Assistenten aus betriebswirtschaftswissenschaftlichen Instituten für längere Zeit in LPG als stellvertretende Vorsitzende oder auch Vorsitzende tätig wurden. Für alle Betriebswirtschaftswissenschaftler war diese Zeit eine ständige Lehre. Keiner von ihnen hatte je in einer LPG gearbeitet – es gab bei uns ja auch keine. Was wir lehren wollten, mussten wir vorher in den Betrieben erfahren. So kam es, daß manche Hochschullehrer eher in einer LPG zu finden waren als in ihrem Institut. Eine gute Verbindung zur Praxis wurde zur wichtigsten Voraussetzung für eine gute Lehre. Sie wurde verstärkt durch eine Ausbildung von Fernstudenten, in der Praxis tätigen Landwirten mit mittlerer oder Fachschulausbildung, die sich zu Diplomlandwirten qualifizieren woll-ten. Sie kannten die Probleme der Praxis, und mit ihnen geführte Diskussionen in Seminaren und Übungen brachten Vorteile für beide Seiten. Was am meisten erwartet wurde, war praktische Hilfe bei der Lösung der Probleme der täglichen Leitung der Betriebe, zumal nach Meinung maßgeblicher Funktionäre 1 t Schwein mehr wert war als ein Berg voll geschriebenen Papiers. Manche Bereiche betriebswirtschaftlicher Forschung sind dabei rein aus Kapazitätsgründen zu kurz gekommen, andere stark hervorgehoben worden. Das gilt vor allem für die Probleme der Organi-sation großer Einheiten der Pflanzen- und Tierproduktion sowie der Kooperation unter ihnen. Was damals von allen anerkannt wurde und politisch als unbedenklich galt, fand ab 1953 seinen Niederschlag im Entwurf des „Handbuchs des Genossenschaftsbauern". Sein Initiator war Kurt VIEWEG, damals Direktor des Instituts für Agrarökonomik der DAL. Ohne ihn wäre ein so wenig ideologisch belastetes Werk über die Landwirtschaft nie zustande gekommen. Der zuerst erschienene Band über Tierproduktion fand allgemein Anerkennung – und niemand merkte, daß selbst ein Mitglied des ZK der SED damals noch nicht wagte, den ökonomischen Teil als ersten zu veröffentlichen. Es folgte erst später, und dann nicht als Betriebslehre der LPG, sondern als „Organisation und Planung". Ausgehend von der Forderung, daß die Betriebswirtschaftslehre in erster Linie der Praxis zu dienen hat, hat sich mit der Bildung der LPG auch ihr Inhalt verändert. Bei der Bildung der LPG ging es darum zu zeigen, daß gemeinsame Arbeit Vorteile bringt. Arbeitsteilung und Technologie bestimmten zunehmend die Arbeit der Bauern, und die Kombination der Produktion der einzelnen Erzeugnisse wurde zunehmend von der Anwendung einzelner Verfahren bestimmt. Die mit der Bildung der LPG entstehenden größeren Flächen brachten die Möglichkeit, die Produktion zunehmend von ihrer Begren-zung durch die Größe der einzelnen Schläge und der zu einem Betrieb gehörenden Flächen zu befreien. Man kam bei der Organisation der Betriebe von der Bodennutzung her zur Organisation vom Produkt und Verfahren. Mit der Übergabe der Maschinen der MTS an die LPG ergaben sich völlig neue Möglichkeiten ihres Einsatzes auf den Flächen mehrerer LPG, sowohl für Schlepper als auch besonders für Großmaschinen wie Mähdrescher und Vollerntemaschinen. Das begünstigte die Bildung von kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion aus mehreren LPG. Aus ihnen wurden bald LPG Pflanzenproduktion. Praktisch ergab sich daraus die viel umstrittene Teilung zwischen Pflanzen- und Tierproduktion in getrennten Betrieben. Betriebe für Pflanzenproduktion und Betriebe für Tierproduktion entwickelten sich von da ab unabhängig voneinander bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Mit ihnen wurde das traditionel-le Produktionsschema des auf gemeinsamer Produktion von Pflanzen und Tieren beruhenden landwirt-schaftlichen Betriebes aufgebrochen, für die Betriebswirte ein weites Feld der Betätigung. Zusammenfassend lässt sich nun schon wieder zehn Jahre nach dem Ende der DDR sagen: Grundlage landwirtschaftlicher Betriebswirtschaftswissenschaft sind überall die gleichen ökonomischen Gesetze — es sei denn, man behauptet, es gebe sie nicht, und Betriebswirtschaft sei gar keine Wissenschaft. Die Wirkung von Gesetzen aber ist unterschiedlich in Abhängigkeit von den jeweiligen Bedingungen. Sollte von der AEREBOEschen Aufgabenstellung für die Betriebslehre ausgehend unter den jeweiligen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Verhältnissen von der Wissenschaft ge-sagt werden, was die Praxis zu tun hat, ihr ökonomisches Ziel zu erreichen, so mussten diese Aussagen

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unterschiedlich sein. Ihr Wert kann nur am Ergebnis gemessen werden, am Erfolg der Betriebe. Wenn in den neuen Bundesländem nur wenig Gebrauch davon gemacht wurde, alte Strukturen wieder herzustellen, so bedeutet das nicht anderes, als daß selbst eine mit Gewalt unter starkem politischen Druck und meist gegen den Willen der Menschen durchgeführte Veränderung der Landwirtschaft nur zu einer gesetzmäßig erfolgenden Umstrukturierung geführt hat. Die Bauern im Osten Deutschlands haben, was ihren Kollegen im Westen noch bevorsteht, bereits hinter sich. Man mag verschiedener Meinung sein, wem das zuzuschreiben ist. Die Betriebswirtschaftswissenschaftler der DDR haben einen Teil dazu beigetragen. All das sagt nichts darüber, wie es den Betriebswirten selbst dabei ergangen ist. Sie lebten in einer Diktatur und unterlagen deren Gesetzen. Wer sie in seinem Berufsleben überlebt hat, hat Glück gehabt. Von denen von 1949 war es keiner. Aber auch jüngere blieben nicht verschont. Will man, so lassen sich in einigen Gruppen — Schulen wäre nicht ganz die richtige Bezeichnung — unterteilen: Die betont fortschrittlichen direkten Schüler von Asmus PETERSEN — Rostock, die stark zurück-haltenden Hallenser mit Erich HOFFMANN nach WOERMANN und BLOHM, die etwas blassen Berliner und die mehr der Technologie und der Praxis zugeneigten Leipziger. Sie alle haben sich ernsthaft bemüht, unseren Bauern zu helfen. Aus ihrer Zusammenarbeit in der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften ergaben sich ihre Erfolge. Wie die Entwicklung weitergehen wird, welche Rechtsformen sich durchsetzen oder neu entstehen werden, vermag niemand zu sagen. Konzentration, Spezialisierung und immer mehr Dienstleis-tungsbetriebe werden das Bild einer neuen Landwirtschaft bestimmen. Mit unserer alten, bäuerlichen Landwirtschaft wird sie nichts mehr gemeinsam haben. Sie mitzugestalten bringt Streit — er aber soll ja der Vater aller Dinge sein. Man kann nun fragen, warum ich so wenige Namen in meinem Bericht genannt habe. Es haben viele mitgewirkt an dem, was sich im Verlauf von über 40 Jahren in der DDR entwickelt hat. Sie arbeiteten zusammen in der Sektion Agrarökonomik der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissen-schaften oder den zu ihr gehörenden Arbeitsgemeinschaften Rechnungsführung und Statistik, indus-triemäßige Produktion oder LPG, ob sie aus den Universitätsinstituten von Rostock über Berlin bis Halle, Jena oder Leipzig, von der Hochschule für LPG Meißen oder der Forschungsstelle für Landar-beit, dem späteren Institut für Betriebs- und Arbeitsökonomik der Deutschen Akademie der Landwirt-schaftswissenschaften Gundorf kamen. Sie alle haben sich ernsthaft bemüht, unseren Bauern zu helfen. Daß politische Unreife oder Dummheit dem manchmal entgegenstanden, ergab sich aus der Situation. Im Übrigen soll gelten: De mortuis nihil nisi bene, und das russische Sprichwort: Jemand, der am Boden liegt, soll man nicht mit Füßen treten. Für mich aber konnte es nichts Besseres geben, als was einer meiner ehemaligen Studenten nach der Wende zu anderen gesagt hat: Jetzt darf ich wenigstens wieder sagen, bei wem ich studiert habe.

* ) Manuskript zum Vortrag auf der 40. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e. V., gehalten am 04.10.1999, Universität Kiel, Otto Rosenkranz, auch in: Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus e. V. Bd.36, 2000, S. 425-430.

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Unsere Landwirtschaft hat eine Zukunft*)

Herr Minister ! Meine Damen und Herren !

Liebe Freunde und Kollegen ! Bis zum Jahre 1968 als man mich als Leiter des von mir eingerichteten Instituts für landwirtschaft-liche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissen-schaften zu Berlin - es sollte die Arbeit der von den Sächsischen Landständen 1920 gebildeten Versuchsanstalt für Landarbeit in Pommritz fortführen - entfernte, habe ich mich mit allen meinen Mitarbeitern darum bemüht, den Bauern unseres Landes bei der Gestaltung ihrer Betriebe, seit 1953 ihrer LPG, in die man sie in der Masse hineinzwang, zu helfen, ihnen mit, Beispielen im zum Institut gehörenden Versuchsgut und Beratungen zu vermitteln, wie sie unter den jeweils bestehenden Bedingungen am besten ihre wirtschaft lichen Ziele erreichen konnten. Mit Bildung der LPG kam es darauf an, nicht die Bauern dazu zu überreden, ihnen beizutreten, sondern ihnen zu sagen, wie sie mit den dabei entstehenden Problemen fertig werden konnten. Ab 1968 war das bis zu meiner Emeritierung nur noch eingeschränkt möglich. Meine Tätigkeit wurde auf die Lehre an der Universität Leipzig beschränkt, Vorträge und Lehrmaterial wurden zensiert, es wurde kaum noch etwas gedruckt. Befriedigend war für mich vor allem das Gefühl, dass die Masse meiner Studenten zu mir hielt - die meisten in meine Vorlesungen kamen, auch wenn die Diskussionen um Rosenkranz und seine Rosenkranzianer in der Partei zu einem Dauerbrenner wurden. Sie werden verstehen, daß es so eine besondere Freude für mich ist, wieder in einer Versammlung von führenden Männern unserer Landwirtschaftsbetriebe sprechen zu dürfen. Ich bin dafür dankbar und begrüße alle, die mich kennen, die in den schweren Jahren von 1968 bis 1976 zu mir gehalten haben - und auch die, die damals gegen mich waren, wenn sie inzwischen bereit sind, sich für eine weitere Entwicklung unserer landwirtschaftlichen Betriebe in einer gesunden, stabilen und allen Anforderun-gen der Zukunft gewachsenen Landwirtschaft im nunmehr wieder vereinten Deutschland einzusetzen. Ich werde in wenigen Wochen 80 Jahre alt. Große Aktivitäten sind von Greisen nicht zu erwarten. Was ich bieten kann, sind in über 60 Jahren gemachte Erfahrungen bei der Organisation und Leitung landwirtschaftlicher Betriebe. Daher kann ich sagen: Wir haben schon schwierigere Zeiten durchge-macht als Preisbruch und Absatzstockungen der letzten 6 Monate. Immer kam es dann darauf an, einen kühlen Kopf zu bewahren, allen Verstand aber auch alle Kräfte zusammen zu nehmen, die Lage nüchtern einzuschätzen und sich eine möglichst klare Vorstellung zu machen von dem, was unter den gegebenen Verhältnissen möglich ist, und von dem, was man will. Wir haben in. den letzten zwei Jahren Ernten eingebracht, von deren Höhe wir vor 30 Jahren allenfalls zu träumen wagten. Die Gesamtproduktion der Landwirtschaft reichte nicht nur aus, die Bevölkerung der alten DDR voll zu versorgen, sie ermöglichte auch Exporte von Nahrungsmitteln und die Zahl der Betriebe mit unbefrie-digendem Produktionsniveau, die es zu allen Zeiten gegeben hat und auch geben wird, war erheblich kleiner geworden. Die Guthaben vieler Betriebe bei den Banken stiegen so, dass manche Leiter dieser Einrichtungen die Abnahme der Bedeutung von Krediten und damit ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Betriebe fürchteten. Was die Genossenschaften wegen bestehender staatlicher Regelungen für die Konsumtion nicht direkt ihren Mitgliedern zufließen lassen konnten, wurde unter Nutzung ver-schiedenster Möglichkeiten verteilt und fand sich nicht nur im vielerorts äußerlich sichtbaren Zustand der Dörfer wieder, sondern auch auf den Bankkonten vieler Mitglieder der LPG. Das war nur möglich, weil die meisten Betriebe produktionstechnisch den gegebenen Vorausset-zungen entsprechend und trotz, aller Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Maschinen, Ersatzeilen und allen anderen Einsatzmaterialien funktionierten. Und das bei einer Preispolitik und Preisen, die jeder ökonomischen Vernunft Hohn sprachen, bei denen, wer fleißig war und eine hohe Leistung zu-stande brachte, nichts oder nicht viel davon hatte, und wer unter schlechten Bedingungen sich nicht anstrengte, so gestützt wurde, daß auch er keine Not zu leiden hatte.

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Aus einer über Landesgrenzen hinaus gehenden Sicht haben sich dabei in der alten DDR Strukturen entwickelt, die denen in anderen Ländern Europas, vor allem in den alten Bundesländern produktions-technisch eindeutig überlegen sind. Ist doch die Frage nach der wirtschaftlichen Überlegenheit von Groß- oder Kleinbetrieb unter allen, die etwas davon verstehen, in der ganzen Welt entschieden. Hinzu kommen keine Schulden auf dem eingebrachten Boden und Arbeits- und Lebensbedingungen vom 8-Stunden-Tag bis zum Urlaub, wie sie anderenorts Bauern als Eigentümer gleichgroßer Betriebe, wie sie in die LPG eingebracht wurden, nicht kennen. Daß es danach um die Aussichten der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern nicht ganz schlecht bestellt sein kann, wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, daß es nicht an Interessenten aus anderen Gegenden Deutschlands und Europas fehlt, die gern große Flächen Bodens bei uns erwerben möchten. Diese für einen Neuanfang in der Landwirtschaft der neuen Bundesländer durchaus günstige Situation ist aber gekennzeichnet durch den in der Zeit der Bildung der heutigen Betriebe entstandenen Makel des Zwanges bei der Bildung der Genossenschaften, einer weitgehenden Ablehnung vieler Genossen-schaftsbauern ihnen gegenüber und eine Jahrzehnte lange Herrschaft der SED und ihrer Funktionäre in den LPG und im Staatsapparat mit ihren ständigen Eingriffen in jede betriebliche Tätigkeit und oft auch in rein private Angelegenheiten. Mit dem Fall von Mauer und Stacheldraht brach für manche eine Welt zusammen, manche waren immer schon dagegen, und die Masse der eigentlich Betroffenen wusste nicht so recht, was sie mit der neuen Freiheit anfangen sollten. Es ist verständlich, daß sich in Jahrzehnten aufgestauter und teils sogar von den Eltern vererbter Ärger gegen alles entlädt, was geschehen ist. Schwer wird es dabei, zwischen Wiedergutmachung und Rache zu trennen, aber auch zwischen berechtigten Forderungen und Tendenzen zur Plünderung von Dingen, an deren Zustandekommen man zwar mitgewirkt hat, die aber niemals ein Einzelner für sich beanspruchen kann. Werden solche Entwicklungen durch gesetz-liche Regelungen gefördert, durch kaum als wissenschaftliche Arbeitsergebnisse zu bezeichnende Veröffentlichungen oder gar politische mit durch nichts zu begründende ökonomische Thesen auch von Wissenschaftlern angeheizt, so kann leicht eine Situation entstehen, bei der die so gelobte fried-liche Revolution zu Zerstörungen führt, wie sie für alle Revolutionen bezeichnend sind, endlich aber immer von denen, die sie verursacht haben, bezahlt werden müssen. Kommen zu solchen Erschei-nungen Preisverfall und Absatzschwierigkeiten als Folge einer völlig zusammengebrochenen Verarbei-tungsindustrie hinzu dann kann das Chaos vollständig werden. Das zu vermeiden, kommt es bei uns darauf an, zwar jedem seine Freiheit wieder zu geben, sein Eigentum und sein Verfügungsrecht darüber wieder herzustellen - aber auch seine Existenz-grundlage zu erhalten und möglichst zu verbessern. Das heißt nichts anderes, als sich darüber klar zu werden: welche Betriebsformen die Landwirtschaft der neuen Bundesländer bestimmen sollen, welchen Anteil Groß- , Mittel- und Kleinstbetriebe haben sollen wie ihre Produktion zusammengesetzt sein soll, wie ihre Bildung finanziert werden soll, und was mit all denen geschehen soll, für die in der Landwirtschaft nach ihrer Neustrukturierung kein Platz mehr ist. Alle Aussagen müssen dabei unter Berücksichtigung der durch die Einheit Deutschlands veränderten wirtschaftlichen Bedingungen getroffen werden. Sie kommen darin zum Ausdruck, daß die Landwirtschaft im geeinten Deutschland eine wesentlich gerin-gere Bedeutung hat als in der ehemaligen DDR Wir waren stolz darauf, unsere Bevölkerung ausrei-chend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, - jetzt gehören wir zu Europa, das Überschüsse an Lebens-mitteln hat - und das, wenn es Industrieerzeugnisse exportieren will, aus anderen Ländern Nahrungsgüter einführen muß. In den alten Bundesländern kommen etwa 40 Prozent des Einkommens bäuerlicher Betriebe aus Subventionen. In anderen Ländern sind es noch mehr. Sie werden für die Existenzsicherung des bäuerlichen Betriebs bald nicht mehr ausreichen, wenn immer billigere Einfuhren zur Verfügung stehen werden. Wenn der europäische Verbraucher nicht mehr bereit sein wird, seine im Vergleich zum Ausland zu teuer produzierende Landwirtschaft noch stärker zu subventionieren, dann spätestens

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werden alle heute als so wichtig betonten Mittel- und Kleinbetriebe verschwinden, wie bisher 1 000 000 von ihnen in den alten Bundesländern seit Ende des 2. Weltkrieges verschwanden. Der Boden wird, wie es in der klassischen landwirtschaftlichen Betriebslehre heißt, zum besseren Wirt wandern - und der Umfang der einzelnen Betriebe, ihre Größe wird vom Stand der Produktivkräfte, im einzelnen von den Verfahren und den bei ihnen eingesetzten Maschinen bestimmt werden, wie ich es immer wieder meine Schüler gelehrt habe. Sicher kann man einen Betrieb so einrichten, daß ein einzelner Mann, der bereit ist, allein und zu jeder Zeit zu arbeiten, ihn bewirtschaften kann. Will er Ackerbau betreiben, braucht er dazu Maschinenarbeit von Unternehmern, Lohnarbeit und kaum weniger als 100 Hektar. Man kann auch mit 60 Kühen bei 5 000 bis 6000 Liter Milch im Jahr ein angemessenes Ein-kommen erzielen. Woher sollen aber die Mittel für den Erwerb von 100 ha - kommen? Sie zu pachten erfordert von vorn herein Verzicht auf eine auch nur angemessene Vergütung der eigenen Arbeit. Wir haben genügend Erfahrungen, um zu wissen, daß nur der Einsatz ganzer Maschinensysteme aus aufei-nander in ihren Kapazitäten abgestimmten Einheiten die billigste Produktion im Feldbau ermöglichen, und daß nur Gruppen von Tierproduzenten, bei denen Arbeitstage und freie Tage geordnet wechseln auch Sicherheit für hohe und rentable Tierproduktion geben. Daß Pflanzen- und Tierproduktion dabei immer in einem Betrieb durchgeführt werden müssen, ist in anderen Ländern längst widerlegt worden - kann aber auch unter bestimmen Bedingungen nötig sein. Gelingt. es aber unsere LPG vom Makel ihrer Bildung zu befreien, Mentalität durch Verstand und nüchterne Einschätzung des Entstandenen und der neuen Bedingungen zu ersetzen, aber auch beste-hende Nostalgie und Hang zum historisch überlebten Familienbetrieb aufzugeben, dann gibt es keinen Grund mehr vorhandene Großbetriebe aufzulösen und auf ihre Vorteile zu verzichten. Ihre Struktur muß verändert werden, und es müssen klare Eigentumsverhältnisse geschaffen werden. An den dafür geschaffenen rechtlichen Regelungen kommt niemand vorbei, aber es liegt an den Mitgliedern der noch vorhandenen LPG, sich für die ihnen als die beste erscheinende Rechtsform zu entscheiden. Großbetriebe auch mit mehreren 1 000 ha hat es in Deutschland schon immer gegeben. Sie wurden nicht immer von einer Hofstelle aus bewirtschaftet, und sie waren auch nicht immer Einzeleigentum. Auch unsere neuen Betriebe brauchen nicht immer 4 oder 6 tausend Hektar LN umfassen. Sie können als Unternehmungen aus mehre-ren Einheiten bestehen, zu denen keineswegs immer Pflanzen- und Tierproduktion gehören müssen. sie müssen immer nur durch fähige Könner, Leute mit fachlicher Kompetenz, wie man sie neudeutsch nennt, geleitet werden, z. B. von Geschäftsführern, die von den Vorständen neu gebildeter Genossenschaften bestellt und vertraglich verpflichtet werden - aber auch weisungsberechtigt und nur dem Vorstand bzw. der Generalversammlung rechenschaftspflichtig sind. Mit ihnen muß ein allen Anforderungen moderner Marktwirtschaft entsprechendes Management gesi-chert sein und jeder Demokratismus ein Ende haben. Eine in diese Richtung gehende Entwicklung lässt sich aus Stellenangeboten, der letzten Wochen in den Zeitungen erkennen. Selbstverständlich gibt es für solche Aufgaben geeignete Personen auch in den Genossenschaften - wenn auch nicht immer unter den alten Leitern. Große Veränderungen haben sich vollzogen. An die Stelle 40-jähriger Kommandowirtschaft ist freie Marktwirtschaft getreten, die aber nicht immer als besonders sozial empfunden wird: An die Stelle von "oben" mit dem Plan gegebener Weisungen ist die Notwendigkeit eigener Initiative für jeden getreten, der überleben will. Dazu hat ein Preisverfall und eine völlig versagende Verarbeitungsindustrie bei bisher nicht gekannten Absatzstockungen Panik entstehen lassen und Verluste, mit denen fertig zu werden niemand gelernt hatte. Dazu wäre notwendig gewesen, was als bäuerliches Wirtschaftsprinzip galt: Eine Ernte auf dem Felde - eine auf dem Speicher und eine auf der Bank. Wenn die alten VEG für 1989 je Hektar einen Gewinn von 3 000 M abge-führt haben, so dürfte ein entsprechender Ausfall 1990 in den LPG zwar schwer, aber immer noch zu verkraften - aber kein Grund zum Aufgeben sein. Denn produktionstechnisch sind die Betriebe in Ordnung. Eine neue Situation erfordert aber ein neues Herangehen an die Lösung neuer Probleme. Produk-tionstechnisches Denken allein genügt nicht mehr - es müssen betriebswirtschaftliche Konzeptionen

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entwickelt werden, die den neuen, vor allem dem Markt, d. h. dem Weltmarkt, bestimmten Bedin-gungen entsprechen. Eine neue Betriebswirtschaft braucht man dazu nicht, wie manche wieder meinen, weil es keine sozia-listische und keine kapitalistische Betriebswirtschaftswissenschaft gibt, wie es keine sozialistischen oder kapitalistischen Maschinen oder Kühe gibt, was wir brauchen, sind Betriebswirtschaftler, die es verstehen, unter allen Bedingungen betriebswirtschaftlich zu denken und Betriebswirtschaftswissen-schaftler, die ihnen dabei helfen, auch mit neuen Methoden und Verfahren zu arbeiten. An die Stelle einer Produktion für einen Plan, die immer abgenommen wurde, ist eine Produk-tion für einen Markt mit harter Konkurrenz getreten, an die Stelle einer Wirtschaft mit "Voll Kasko" ein Wettbewerb mit der ganzen Welt. Der Wettbewerb wird hart sein, deshalb kommt es darauf an, Betriebe so zu organisieren, daß sie auf lange Sicht überlebensfähig sind und für jeden, der in ihnen arbeitet, ein ausreichendes Einkommen gesichert ist. Soll es, zunächst 25 bis 30 Tausend DM netto im Jahr betragen, brauchen wir ein Bruttoeinkommen von 30 bis 40 TDM je Arbeitskraft. Das lässt sich erreichen, wenn je Person 1000 bis 2000 Mastschweine, 250 000 bis 300 000 kg Milch mit 50 bis 60 Kühen und 700 bis 800 t Getreide produziert werden. Milch wird dabei nicht viel mehr bringen als 50 bis 55 Pfennig, je Liter, eine Dezitonne Schwein nicht mehr als 200 bis 250 DM, und das Getreide um 25 bis 28 DM je dt! Daraus ergibt sich, daß auf l00 ha Pflanzenproduktion – wenn man von Gemüse- oder Obstbau ab-sieht, nur 1 bis 1,5 AK ihr Auskommen haben werden, nur 4 bis 5 Ak mit 200 bis 250 Kühen bei Erträ-gen von 5000 bis 6000 kg produzieren müssen, und Schweine nur noch in Beständen von mehreren Tausend Stück erzeugt werden können, wenn für die Menschen erträgliche Arbeitsbedingungen ent-stehen sollen, die denen in anderen Bereichen der Wirtschaft entsprechen. Solche Normen sind seit längerer Zeit bekannt. Sie bedeuten, dass mehr als die Hälfte aller heute in unseren Betrieben tätigen Menschen nicht mehr benötigt wird, weil für sie keine Arbeit mehr vorhan-den sein wird. lch empfinde das als die schlimmste Belastung unserer Betriebe, wenngleich ihre Bewältigung kein rein betriebswirtschaftliches Problem sondern ein gesamtgesellschaftliches darstellt. Es erfordert neben besonderer. Initiativen der Betroffenen die Hilfe des Staates, wie sie angelaufen ist. Für alle, die in der Landwirtschaft bleiben, ist hohe Einsatzbereitschaft erstes Gebot. Aber auch sie bringt nur Erfolg, wenn diese Betriebe intakt bleiben. Ihre Zersplitterung oder gar Auflösung bringt Existenzverlust für alle, auch wenn mancher sich zunächst ausrechnet, was er aus der LPG bekommen kann. Nicht die Zerstörung der LPG darf das Ziel sein, auch wenn es an Vertretern dieser Forderung nicht mangelt, sondern ihre Umwandlung in gemeinsame Unternehmen über ihr Eigentum frei verfü-gender Besitzer. Maßstab für die Größe der Betriebe wird zunehmend der Umfang der Produktion, bei der immer mehrere Arbeitskräfte zusammen arbeiten müssen. Einzelbauern im Sinne allein wirtschaftender nur von Familienmitgliedern unterstützter Bauern wird es nicht mehr geben, selbst, wenn Nachbarschafts-hilfen oder Lohnunternehmer – eine Art kapitalistischer oder privatwirtschaftlicher MTS oder gar MAS die Wirklichkeit verdecken sollten. In den neuen Betrieben kommt es darauf an, daß jeder Bereich sich trägt. Jeder Arbeiter muß sein Geld verdienen in jedem Stall, auf jedem Feld. Was sich nicht lohnt, muß verschwinden, wenn sich nicht genügend große Einheiten schaffen lassen. Grundlage solcher Einheiten müssen die zum Einsatz kommenden Maschinensysteme sein und die möglichen Verfahren der Tierproduktion. Sie können Bereiche in großen Betrieben und mehrere Be-triebe können Einheiten eines Unternehmens sein. Ebenso können aus einer sehr großen LPG als einem Unternehmen mehrerer Betriebe gebildet werden. Ob Betriebe innerhalb eines Unternehmens oder Bereiche innerhalb eines Betriebes, immer sollten sie selbständig abrechnen, mit Einkommen für die

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Einzelnen in Abhängigkeit vom Ergebnis. Ob solche Bereiche oder auch Betriebe in einem Unter-nehmen einmal selbständig wirtschaftende Einheiten werden, kann man der Entwicklung überlassen. Pflanzen- und Tierproduktion können dabei in einem Unternehmen auch in einem Betrieb durch-geführt werden, wie es sich aus Tradition ergibt. Einen objektiven allgemein gültigen ökonomischen Zwang - außer einem eventuell politisch bestimmten - gibt es dafür nicht. Wo eine Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion in offensichtlichem Widerspruch zu gegebenen Naturbedingungen steht, wie im Erzgebirge, wäre es unsinnig, wie man andererseits unter anderen Bedingungen auch die Verbindungen zwischen beiden sowohl innerbetrieblich als auch zwischen den Betrieben – wenn – sie überhaupt nötig sind – über Marktbeziehungen regeln kann. In jedem Falle sollten unsere neu entstehenden Betriebe Großbetriebe sein. Ihre Entstehung ist für unsere Landwirtschaft wohl der einzige Vorteil aus der Entwicklung der letzten 40 Jahre. Ihr Bestand ist mit das Wichtigste, was wir in die Einheit Deutschlands einzubringen haben. Daß wir diesen Vorteil durch erhebliche Nachteile für viele Einzelne bis zur Freisetzung vieler Kollegen zu bezahlen haben, ist ein Grund mehr dafür, ihn nicht ohne weiteres aufzugeben. Natürlich möchte jeder gern wissen, was ihm denn nun von seiner LPG gehört. Manche meinen, 30 oder 40 Jahre lang für die LPG gearbeitet zu haben. Sie übersehen dabei, daß sie zum Teil in einem Verband gearbeitete haben, den sie sich nicht selbst gewählt haben, aber sie haben gelebt von der gemeinsamen Arbeit auf ihrem aller Boden mit den von ihnen allen eingebrachten Produktionsmitteln. Dazu ist in letzter Zeit viel Ungereimtes zur Bestimmung des Anteils des Einzelnen am genossen-schaftlichen Eigentum geredet und geschrieben worden. Man wird lange diskutieren müssen, bis Verstand und Einsicht über Verärgerung und teilweise auch unberech-tigte Wünsche siegen werden. Boden – Arbeit – Kapital sollen in den Jahren genossenschaftlicher Wirtschaftsführung „Wert-schöpfung“ bewirkt haben. Durch die Verteilung dieser „Wertschöpfung“ nach den genannten Produk-tionsfaktoren wollen alle reich werden. Da fehlt es dann auch nicht an klugen Rechnern, die ganz schnell für jeden ehemaligen Mittelbauern aus nach zu zahlender Pacht, Zinsen für eingebrachtes Inventar und zu geringer Arbeitsvergütung 100 000 DM oder auch viel mehr an Forderungen an die LPG, das heißt letzten Endes an seine Mitgenossenschaftsmitglieder errechnen. Es bedarf keiner besonderen Ökonomischen Kenntnisse, um zu erkennen, wohin solche „Bewertung“ bzw. Forderungen führen müssen. Lassen sie mich im Zusammenhang damit an den Begründer der Landwirtschaftwissenschaften in Deutschland Albrecht Thaer erinnern, der in den „Grundsätzen der rationellen Landwirtschaft“ feststellt, „Die Arbeit ist es, wodurch der Mensche alles gewinnt oder gewonnen hat, was er genießt. Was Grund und Boden ohne Arbeit gibt, ist äußerst wenig und kann nur bei dem Nomadenleben in Betracht kommen. Alle Lebensmittel, alle Genüsse, allen Wohlstand und Reichtum, selbst das zur Bewirkung der Arbeit notwendige Kapital verdanken wir ihr.“ Vor Marx formuliert, vielleicht von anderen abgeschrieben, erscheint mir diese Aussage doch als besonders geeignet, doch die Eigentums-probleme an der Wertschöpfung unserer LPG zu klären. Wenn es schon außerordentlich problematisch ist, den Umfang dieser „Wertschöpfung“ festzustellen, so ist es meines Erachtens gänzlich unmöglich, ihr Zustandekommen den genannten Produktions-faktoren zuzuordnen – vorausgesetzt, daß eine LPG überhaupt über mehr verfügt, als mit Boden, Inventar eingebracht wurde und nach Begleichung aller Verbindlichkeiten überhaupt etwas verbleibt – was nicht durch besondere staatliche Zuwendungen entstanden ist. Auch noch so sorgfältig erstellte Eröffnungsbilanzen helfen nicht weiter, weil sie ganz unterschiedlich ausfallen müssen, ob sie für die Fortführung des Betriebes oder für die Liquidation bestimmt sind. Da jede Auflösung eines Betriebes mit großen Verlusten verbunden ist, die sich aus dem Unterschied zwischen dem Gebrauchswert und dem Verkehrswert ergibt, der bei allem, was in einem solchen Fall

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zu bewerten ist, sich Null nähert, sollte sie in jedem Fall vermieden werden, und das im Interesse aller, die, manche ein Leben lang, in solch einem Betrieb gearbeitet haben. Bedenkt man aber, daß die Kuh, die man geschlachtet hat, keine Milch mehr gibt,, und dass die geschlachtete Henne keine Eier mehr legt, warum soll man dann aufteilen, was damit wertlos wird, aber seinen Wert behält, wenn man es zusammen lässt. Wandelt man eine LPG in eine eingetragene Genossenschaft um, bleibt die Produktionsfähigkeit des Betriebes erhalten, und die Anteile der Mitglieder sichern ihr Eigentum an dem, was nicht nur denen gehört, die es einmal in die LPG eingebracht haben. Das lässt sich eindeutig bestimmen als Boden-, Inventarbeiträge, Über-Inventarbeiträge, Ausgleichsbeträge und was es sonst für Forderungen gab, um wohlhabenden Bauern ihr Eigentum zu entziehen. In vielen LPG sind Inventarbeiträge schon lange zurück gezahlt. Wo das nicht der Fall ist, braucht es um die Bewertung keinen Streit zu geben, wenn in natura erstattet wird, was eingebracht wurde. Maschinen sind bei ordentlicher Wirtschaftsführung längst verbraucht und reproduziert worden. Viel-leicht kann man die nach ihren Zustand bei der Einbringung bewerten. Eingebrachte Gebäude haben möglicherweise noch eine Restnutzungszeit und damit einen Restwert. Werden sie vom Eigentümer nicht zurück genommen, muss man sie bezahlen. Finanzielle Mittel kann man nicht anders bewerten als in anderen Wirtschaftsbereichen, genau so, wie sie auch den Berechtigten beim Währungstausch angerechnet worden wären. Wer aus der Genossenschaft aussteigen will, kann so sein ermitteltes Eigentum erhalten, er kann es ihr auch als verzinsliches Darlehen belassen. Wer seinen Boden wieder haben will, kann ihn in der Regel im Flächenaustausch erhalten, oder der Genossenschaft verpachten, evtl. auch verkaufen. Wer Mitglied eines neu entstandenen Betriebes werden will, verpachtet seinen Boden an ihn, er kann ihn auch verkaufen, wobei nicht sicher ist, ob nicht einer Verpachtung der Vorzug zu geben ist, wenn die Genossenschaftsmitglieder sich darüber einig sind, die Pachtsätze in Abhängigkeit von der wirt-schaftlichen Entwicklung des Betriebes von Zeit zu Zeit zu verändern. Als völlig abwegig erscheint mir, Pachten für Land und Zinsen für Inventarbeiträge für zurück liegen-de Zeiten zu verlangen. Denn ich kenne keinen Bauern, der an sich selbst Pacht oder Zinsen gezahlt hat – und ob geliebt oder nicht geliebt, die LPG gehörte nun einmal ihren Mitgliedern. Die von mir vorgeschlagenen Regelungen erscheinen mir als eine Lösung für viele Probleme. Sie geben außerdem die Möglichkeit, im Verlauf der weiteren Entwicklung der neuen Genossenschaften auf der Grundlage des vorhandenen noch andere Betriebsformen zu entwickeln, die den jeweils neu entstehenden Bedingungen angepasst sein müssen. Ob diese Vorschläge allgemeine, geteilte oder gar keine Zustim-mung finden, weiß ich nicht. Man kann über sie diskutieren. Das wird gut sein, wenn man es mit kühlem Kopf und ohne Emotionen tut. Auf jeden Fall sollten die Bauern selbst entscheiden. Mit staatlichen Vorgaben haben sie genug zu tun gehabt. Ich bin überzeugt, es wird nicht zu lange dauern, bis ein gesundes Selbstbewusstsein wieder an die Stelle von Angst und Verunsicherung treten wird. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz sieht die Bevorzugung bäuerlicher Familienbetriebe vor. Ihnen wird staatliche Förderung zugesagt. Ob sie immer ausreichen wird, die erforderliche Ausstattung der Betriebe in Höhe von mehreren Tausend DM je Hektar zu finanzieren und sie in einen Zustand zu bringen, dass sie Zinsen und Kreditrückzahlungen aufbringen zu können, erscheint mir als zweifelhaft. Die Bildung bäuerlicher Familienbetriebe entspricht zudem einem Rückfall in das erste Drittel unsres Jahrhunderts. Sie sind überholt, was die Bildung hoch spezialisierter Betriebe mit wenigen Hektar Land, wie sie in besonders begünstigten Gegenden anzutreffen sind, nicht ausschließt. Wohl jeder, der sich noch an die Wirklichkeit solcher „Familienbetriebe“ erinnert oder sie aus der Wirklichkeit der alten Bundesländer kennt – nicht nur mal besucht hat – muß um die Plackerei der ganzen Familie,

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besonders der Frauen und Mütter aber auch der Kinder wissen. Sie stellen keine Perspektive dar und werden im Prozess der sich ständig vollziehenden weiteren Konzentration der Produktion in allen Bereichen der Wirtschaft untergehen. Nebenerwerbsbetriebe aber, wie sie mancherorts empfohlen werden, stellen, so meine ich, wohl die schlimmste Form der Ausbeutung einfacher Menschen dar. Da gilt nicht mehr: Tages Arbeit – Abend Gäste, - nur noch: Tages Arbeit – Abend Arbeit – keine Feste. Und wenn es tags keine Arbeit gibt – entsteht eine neue Dorfarmut. Man sage nicht: in den alten Bundesländern geht es ja! Bei uns geht es anders besser. Wer Spaß an der Haltung von ein paar Tieren hat, dem sollte man es ermöglichen, aber niemals Kleinstflächen zur einzigen Lebensgrundlage ganzer Familien machen. Alle Formen der neu entstehenden Betriebe bedürfen vielseitiger Hilfe in der ihnen neuen marktwirt-schaftlich bestimmten Umwelt. Ohne Absatzsorgen in den letzten Jahrzehnten müssen die landwirt-schaftlichen Betriebe lernen, für einen Markt zu produzieren, in dem In- und Ausland mit ihnen konkurrieren. Das Versagen der alten Versorgungswirtschaft mit oft vollen Lagerhäusern und leeren Geschäften bei gestopptem Absatz haben wir erlebt. Mit mehr oder weniger improvisiertem Absatz, wie er schon entstanden ist, kann man sich nur vorübergehend helfen. Seine richtige Organisation auf der Basis des eigenen Betriebes, wenn er groß genug ist, oder von vertraglichen Beziehungen zu Verar-beitungsbetrieben, Mühlen, Schlachthöfen oder Absatzketten kann wichtiger sein als besonders hohe Ernten. Vertikale Kooperation oder eigene Vermarktung für die Großproduzenten und die Wiederbelebung der bewährten Handelsgenossenschaften als Interessenvertreter der Landwirtschaft müssen sich dabei ergänzen. Vor allen müssen wir uns daran erinnern, dass Handelsgenossenschaften, Ein- und Verkaufs-vereine, Molkereien und Verarbeitungsbetriebe meist aus Mitteln der Bauern geschaffen wurden – ihnen gehören und auch von ihnen wieder in ihrem Geschäftsgebaren bestimmt sein sollten Dabei ist innerhalb eines halben Jahres viel bei uns geschehen. Es gibt nicht nur Obst in markt-gerechter Aufmachung, auch Dresdner Markenbutter, Oschatzer H-Milch, Zwiebeln aus Rötha, Kartoffeln sauber verpackt und sortiert, auch Rosenkohl aus Niederjahna in absolut Weltmarkt fähiger Qualität. Alle Initiativen bringen uns aber nicht daran vorbei, dass zur Entwicklung der Wirtschaft Geld gehört. Auch Geld und Banken waren in der DDR ein Mittel zur Ausübung der Macht von Staat und Partei. Sie sollten jetzt Blut und Blutgefässsystem der Wirtschaft sein. Liquiditätsschwierigkeiten der Betrieb, von denen jetzt so viel geredet wird, sind für mich meist nur Ausdruck für Versagen der Geldwirtschaft. Ich glaube nicht an die Kreditunwürdigkeit vieler Genossenschaften. „Fehlende Sicherheiten“, die Banken an der Hergabe von Krediten hindern, sind faule Ausreden, im günstigsten Fall mangelnde Risikobereitschaft oder fehlende Kenntnisse, so lange Waren-Kredite, Produktions-kredite, Pfand-Kredite nicht voll ausgeschöpft sind. Oder ist Kredit-Politik und der Einsatz von Geld auch schon wieder Mittel zur Erreichung politischer Ziele? Ich weiß, dass viele Genossenschaften noch über erhebliche Bankguthaben verfügen. Sollten sie nicht ausreichen, andere sorgfältig zu finanzieren bis zur Ernte, bis zum Verkauf von Tieren oder bis zum Eingang des Milchgeldes? Kaum eine Genossenschaft würde in die Verlegenheit kommen, sich auflösen zu müssen oder Konkurs anzumelden. Selbst für besonders schwache würden sich Möglich-keiten finden, ihnen zu helfen. Von der Beratung und Umorganisation bis zur Oberleitung durch eine Beratungsorganisation, von der Umschuldung zur Entschuldung. Erfahrungen für eine solche Tätigkeit sind bestimmt noch nicht ganz verschüttet. „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“ hat mein verehrter Lehrer Professor Blohm in Situationen gesagt, die der heutigen Lage der Landwirtschaft ähnlich waren. Ich möchte hinzufügen „solange die Menschen in Sachsens Landwirtschaft nicht den Glauben an sich selbst verlieren, gibt es keine Schwierigkeiten, die sich nicht bewältigen lassen.“ Menschen an der Spitze der Unternehmungen und der einzelnen Einheiten, die etwas können, einsatzbereit sind, und in eigener Sache arbeiten, dazu eine

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klare Vorstellung von dem, was man will, dann kann man im meist protestantischen Sachsen mit Luther sagen: “Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, so würde ich doch noch heute mein Bäumchen pflanzen“ „Unsere Landwirtschaft hat eine Zukunft“ – und die hat schon begonnen.

*) Manuskript zum Vortrag vor Leitungskadern aus der Landwirtschaft in einer öffentlichen Informationsveranstaltung am 11.1.1991 in Zschortau

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Die letzte Wortmeldung von 0tto Rosenkranz war zum Abschluss der Jubiläumstagung - 80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf - am 20.10.2000

Im Verlauf unserer Tagung bin ich wiederholt aufgefordert worden, einen eigenen Redebeitrag zu liefern. Das war nicht vorgesehen, ich wollte es nicht - und habe mich auch nicht darauf vorbereitet. Wenn ich nun doch ans Rednerpult gegangen bin, so lassen Sie mich Sie alle recht herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie der Einladung der Leipziger Ökonomischen Societät, der Veranstalterin dieser Tagung, so zahlreich gefolgt sind, und hoffe, dass sie Ihnen allen etwas gegeben hat. Das mag für den einzelnen jeweils etwas anderes sein: Erinnerung an eigene Arbeit, eigene Erfolge, oder an gemein-same Arbeitsergebnisse, die letzten Endes alle dazu beigetragen haben, in unserer Landwirtschaft eine neue Ordnung entstehen zu lassen, die zwar Jahrhunderte alte Traditionen überwunden hat - oft mit Schmerzen für die Betroffenen - schließlich aber dazu geführt hat, dass im Bereich Ihrer Tätigkeit neue Strukturen und neue Formen landwirtschaftlicher Betriebe entstanden sind, die die Zukunft der deutschen Landwirtschaft überhaupt bestimmen werden. Ich hatte mir den Prozess der Umgestaltung der Landwirtschaft in der DDR wie viele andere anders vorgestellt. Er sollte das Ergebnis freiwilliger Zusammenschlüsse sein. Als das nicht gelang, blieb mir nur, den Bauern dazu zu raten - es gibt keinen, den ich dazu genötigt hätte. Nicht zuletzt diese Haltung war es, die dazu führte mich letztlich auszuschalten - für nicht mehr tragbar zu erklären, ja meinen ehemaligen Mitarbeitern zu verbieten, zu mir Kontakte zu unterhalten. Rehabilitierungen können an dem, was geschehen ist, nichts mehr ändern. Allen, die gegen mich waren, kann ich nur sagen: Wenn Ihr ehrlich gewesen seid, aus Überzeugung gegen mich ward, seid Ihr hoffentlich inzwischen durch das Leben belehrt worden. Während in der Industrie alle Produktionsmittel schon lange in großer Konzentration eingesetzt werden, gehört in den neuen Bundesländern die Masse des bewirtschafteten Landes nicht den Be-trieben, sondern ist gepachtet. Die Bodeneigentümer, oft schon lange nicht mehr in der Landwirtschaft tätig, oft auch schon ihre Erben, verlangen von den eigentlichen Produzenten immer wieder einen Teil des Ertrages, die Pacht. Sie gehört zu den Grundregeln unseres Gesellschaftssystems, und an ihnen zu rütteln kann zu den schlimmsten Verdächtigungen führen, als Angriff auf jedes Eigentum überhaupt angesehen werden. Mir aber erscheint die Pacht als die der kapitalistischen Gesellschaft angepasste Form der Leibeigenschaft. Man mag dem zustimmen oder nicht. Tatsächlich aber werden durch sie der Landwirtschaft jährlich Milliarden entzogen zu Gunsten von Menschen, die zwar nach geltendem Recht Eigentümer des Bodens sind, aber nichts zu dem beigetragen haben, was sie als Pacht verlangen. In langen Jahren wird selbst sein Wert - soweit der Boden als von der Natur als Existenzbedingung der Menschen gegeben, überhaupt einen Wert hat - dem Eigentümer gezahlt, und gehört ihm doch für alle Zeit. Wäre es da nicht richtig die den Boden bearbeitenden Menschen von dieser ewigen Last zu befreien, um mit freiem Volk auf freiem Grund zu stehen? Ich bin der Meinung, das lässt sich, wenn man es will, erreichen, auch ohne gegen „heilige“ Rechte zu verstoßen. Alles Land in eine Aktiengesellschaft einzubringen und mit Aktien zu vergüten würde die Bezüge der Bodeneinbringer auf den mit ihm erwirtschafteten Ertrag begrenzen. An die Stelle des Interesses an der Pacht würde das Interesse am Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebes treten. Wer es anders will, kann jeder Zeit seine Anteile anderen überlassen ohne die Entwicklung des Betriebes zu stören. Eine solche Entwicklung würde wohl am besten dem entsprechen, was sich in der Industrie seit langem vollzogen hat. Ergebnisbeteiligung des Landeigentümers an der Landbewirtschaf-tung hat es schon vor 100 Jahren im Baltikum in Form der Halbpacht gegeben und ist seit geraumer Zeit in den USA als cropsharing bekannt. Man sollte aber auch überlegen, ob es langfristig gesehen nicht besser ist, alles Land in einer Hand zusammen zu führen, um es dann einzelnen Bewirtschaftern oder Gruppen zur Produktion von Nah-rungsgütern zu überlassen. Es müsste dann von den einzelnen Besitzern etwa gegen Rentenbriefe gekauft werden‚ die wiederum aus den nach der Wertigkeit der Böden bemessenen Zahlungen der

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Betriebe an die Rentenanstalt zurück zu kaufen wären. Vielleicht ist das eine etwas laienhafte Vorstel-lung, es sollte mich aber wundern, wenn sie sich nicht von ein paar klugen Finanzwirten realisieren ließe. Man müsste es nur wollen. Sowohl die weitere technische Entwicklung als auch die gesellschaftliche erfordern aber fähige Menschen. Es macht mir deshalb Sorge, wenn ich davon höre, dass für die Landwirtschaft immer weniger hoch qualifizierte Hochschulabsolventen ausgebildet werden sollen. Tatsächlich produziert eine ständig kleiner werdende Anzahl von Menschen eine immer größere Menge von Lebensmitteln für eine stetig steigende Bevölkerung. Im Bereich der neuen Bundesländer ist die Zahl der Arbeits-kräfte in der Landwirtschaft auf etwa 10 % ihres früheren Bestandes zurückgegangen. Sie müssen aber mehr können, als ihre Vorgänger, denn eine Herde von mehreren hundert Kühen, um ein Beispiel zu nennen, mit 7 - 10 000 Litern je Tier im Jahr braucht mehr Kenntnisse als die eines noch so guten Melkermeisters. Und die Leiter der sich bildenden Betriebe brauchen Kenntnisse, die über die der Hochschulabsolventen früherer Jahrzehnte weit hinausgehen. Das gilt sowohl für den Bereich der Naturwissenschaften, aber besonders für den der Ökonomik. Neue Studienprogramme und eine weitge-hende Reform der Hochschulausbildung erscheinen mir dafür als dringend erforderlich. Zu merken ist davon aber noch kaum etwas. Doch der Generationswechsel rückt näher- und mit ihm die zu bewältigenden Anforderungen. Allmählich setzt sich auch bei unseren westlichen Kollegen die Erkenntnis durch, dass das Zeitalter bäuerlicher Betriebe zu Ende geht, ihre Wirtschaftsweise aber bestimmt bis in die Gegenwart die Stellung der Landwirtschaft im Rahmen der Volkswirtschaft. In den alles bestimmenden bäuerlichen Familienbetrieben wurde die Masse aller materiellen Bedürfnisse im Rahmen der von BLOHM definierten selbstversorgenden Hauswirtschaft befriedigt. Wohnung und Ernährung waren durch die eigene Arbeit gesichert. Geld war zwar erwünscht, aber man brauchte es nicht, um die Existenz der Familie zu sichern. Verkauft wurde nur, was über den Eigenbedarf anfiel, und wenn es dafür bei besonders niedrigen Preisen mal wenig gab, konnte man selbst weniger kaufen. Die Preise der land-wirtschaftlichen Erzeugnisse hatte man nie selbst gemacht. Sie wurden immer von denen bestimmt, die die Produkte kauften. Das ist bis heute so geblieben, gibt es aber in keinem anderen Bereich der Volkswirtschaft. Jeder Industriebetrieb kennt die Kosten der von ihm hergestellten Erzeugnisse. Keiner kann sie unter ihnen verkaufen, will er nicht mit seiner Existenz bezahlen. Geschieht das in bäuerlichen Wirtschaften, so wird es mit dem „Leibriemen“ durch Konsumverzicht ausgeglichen, mit un- oder unterbezahlter Arbeit - und bringt ihnen den Ruf besonderer Krisenfestigkeit ein. In größeren Lohnar-beitsbetrieben führte das zu den in der Vergangenheit im-mer wieder nötig gewordenen Umschul-dungen, Entschuldungen oder Verkäufen - bis zu den jetzt üblich gewordenen Subventionen. Sie sind das Schlimmste, was die Agrarpolitik bisher zustande gebracht hat. Jeder, der etwas bekommt, gewöhnt sich daran, nimmt es auch ganz gern. In Wirklichkeit aber demoralisieren Subventionen, Geld zu bekommen, ohne etwas dafür zu leisten. Sie schaden auch dem Ansehen ihrer Empfänger, machen sie in den Augen der Allgemeinheit zu Kostgängern der Gesellschaft - auf die man am besten verzichten sollte. Real ermittelte Kosten und an ihnen ausgerichtete Preise könnten dazu beitragen, dass Landwirte als Nahrungsproduzenten nicht mehr als dauernde Hilfeempfänger existieren müssen, sondern ihre Aufgabe, die Gesellschaft zu ernähren, mit Stolz ausführen können. Für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft kommt es also darauf an, sie aus der historisch gewordenen Situation heraus zu bringen, in der jeder weis, wie viel er für seine Erzeugnisse be-kommt, meint, dass es immer zu wenig ist, aber kaum jemand die wirklichen Kosten kennt - und deshalb immer nur damit rechnet oder fordert, durch irgendwelche Förderungen oder Stützungen vor dem Schlimmsten bewahrt zu bleiben. Alle Stützungen zusammen genommen und sinnvoll den Erzeu-gerpreisen für die Erzeugnisse der Landwirtschaft zugeschlagen, würden ihre Situation völlig verändern, die staatlichen Finanzen erheblich entlasten und den verbrauchenden Bürger nicht mehr kosten, als sie ohnehin auch jetzt schon für alle Subventionen aufbringen müssen. Dazu sind sicher nur schwer durchzusetzende politische Entscheidungen nötig, vielleicht eine ganz neue Agrarpolitik. Die Landwirte aber müssten zu ihr durch eine saubere und ehrliche Abrechnung ihrer Betriebe beitragen.

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Allein die Ermittlung des Überschusses des pacht- und schuldenfrei gedachten Betriebes ohne Subventionen und Zinsen, Pachten und außerbetrieblichen Gewinnen, ergänzt durch eine saubere Kostenträgerträger-Stückrechnung ermöglicht eine genaue Einschätzung einzelner Betriebe und der gesamten Landwirtschaft. Sie durchzuführen erfordert geschulte Kräfte - die es nicht gibt, und die auch nicht durch Notbehelfe wie Deckungsbeiträge oder andere Rechenkunststücke ersetzt werden können. Auf keinen Fall darf das Rechnungswesen aber nur dazu benutzt werden, dem Finanzamt ein möglichst niedriges Einkommen nachzuweisen. Was ich vorschlage ist ein allgemeines Programm zur Sanierung der Landwirtschaft, das die Gesell-schaft nichts kostet, die Betriebe aber in den Stand versetzt, ihre Produktion anders zu organisieren als bisher. Sie produzieren nicht mehr wie bisher, was am besten wächst, sondern wofür sie einen Auftrag haben, auf Bestellung zu einem vereinbarten Preis. Erste Ansätze einer solchen Entwicklung zeigen sich in der Praxis. Nun hat er wieder einmal gesponnen, werden manche sagen. Lasst ihn. Mit fast 90 Jahren darf er das. Und wenn es den einen oder anderen veranlasst, einmal darüber nachzudenken - manches ist schon wahr geworden, was anfangs wie eine Utopie erschien. Wichtig ist nur, dass man immer wieder mit den Beinen auf die Erde kommt. Wir haben keine Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissen-schaften mehr, auch keine Leipziger Landwirtschaftliche Fakultät mehr, aber noch die seit 1763 beste-hende Leipziger Ökonomische Societät. Darüber zu beraten, wie es mit der Landwirtschaft weiter gehen wird, das wäre sicher eine lohnende, wenn auch bestimmt nicht leichte Aufgabe für sie. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Heimfahrt - in der Hoffnung, Sie bei der Albrecht-Daniel-Thaer-Feier in zwei Jahren wieder zu sehen. Nec temere – nec timide Weder unbesonnen – noch furchtsam

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Z E I T T A F E L

zum Leben und Wirken

von Professor Dr. rer. techn. Dr. habil. Dr. h. c. OTTO R O S E N K R AN Z * 03.02.1911in Bromberg, Prov. Posen - gest. 21.11.2007 in Böhlitz-Ehrenberg/Gundorf 1911 Otto Johannes Rosenkranz wurde am 03.02. als Sohn des Mechanikers Otto Robert Rosenkranz und seiner Ehefrau Klara, geb. Kessler in Bromberg (heute Bydgoszcz) geboren. 1917-1929 Besuch der Grundschule und des Gymnasiums des deutschen Schulvereins in Bromberg, das inzwischen polnisch ist. Dort legte er als Externer die Abiturprüfung vor einer staatlichen Prüfungskommission ab. 1929-1931 Landwirtschaftslehre im Betrieb des Herrn Kujath in Dobbertin, Kreis Wirsitz. Die Lehrabschlussprüfung bestand er vor der Westpolnischen Landwirtschafts- Gesellschaft mit „sehr gut“. 1931-1932 Ableistung der Militärdienstpflicht in der Polnischen Armee, nach einem Jahr als Fähnrich entlassen 1932 Beginn des Landwirtschaftsstudiums an der Technischen Hochschule zu Danzig. 1934 Hilfsassistent am Institut für Wirtschaftslehre des Landbaus bei Professor Heuser. Nach dessen Weggang Fortsetzung dieser Tätigkeit im gleichen Institut bei Professor Blohm. 1935 Wissenschaftlicher Assistent nach dem Abschluss des Studiums. 1937 Promotion zum Doktor der Technischen Wissenschaften. Heirat mit Frau Helene Rathmann. Dieser Ehe entstammen drei Söhne und eine Tochter. 1939-1941 Übernahme der vorübergehenden Leitung der „Labor“, einer landwirtschaftlichen Buchstelle der Deutschen Genossenschaften in Posen, neben der Assistententätigkeit. Wahrnehmung von den vielen Gelegenheiten zu organisatorischen Tätigkeiten und zur Sammlung umfangreicher Erfahrungen auf dem Gebiet des Buchführungswesens. 1941 Assistent am Institut für Wirtschafts- und Arbeitslehre des Landbaus der Universität Posen. Während dieser Tätigkeit Habilitation für das Fach Wirtschafts- und Arbeitslehre des Landbaus. 1941-1943 Wehrmachtsdienst bis zur Verwundung, danach Entlassung nach einem Antrag von Professor Blohm auf Grund einer Verordnung für die Sicherstellung des wissen- schaftlichen Nachwuchses. Neben seiner Tätigkeit als Dozent Übernahme der Be- triebsleitung des unter Oberleitung des „Landwirtschaftlichen Treuhandverbandes Wartheland“ stehenden 180 ha großen Gutes Strullendorf. 1945 Ende Januar Einberufung zum Volkssturm, Anfang Februar sowjetische Kriegs-

gefangenschaft bis März 1949 fast ausschließlich im Gebiet von Wologda.

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Lagerältester, bedingt durch die Kenntnis der polnischen und russischen Sprache, über ein Jahr lang Leiter der Gartenbaubrigade des Lagers.

1949 Ab Mai Mitarbeiter von Professor Skibbe in der Forschungsstelle für Agrarwirtschaft und Agrarpolitik bei der Zentralverwaltung der gegenseitigen Bauernhilfe in Berlin. Verantwortung für die in den einzelnen Ländern der sowjetischen Besatzungszone eingerichteten Datenerfassungsstationen, die sich mit agrarwirtschaftlichen Problemen befassten. 1950 Mit Wirkung vom 1.9. Leitung der seit 1945 ruhenden Versuchsanstalt für Landarbeit Pommritz, die nach Gundorf verlagert worden war. Das erfolgte auf Vorschlag von Professor Holdack, dem damaligen Ordinarius für Landmaschinenkunde an der Universität Leipzig. Gleichzeitige Berufung als Professor für Wirtschaftslehre des Landbaus und Landarbeitslehre an der Universität Leipzig zum 1.12. 1951 Ernennung zum Professor mit vollem Lehrauftrag mit Wirkung vom 1.9. Übernahme des gesamten Gebiets der Betriebslehre und Landarbeitslehre, die später auf Landwirtschaftliche Betriebslehre erweitert wurde. Zuordnung der Versuchsanstalt zur Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin(DAL). 1954 Herausgabe der Bände II und III des „Handbuchs des Genossenschaftsbauern“ mit Kurt Vieweg. 1955 Auszeichnung mit dem Nationalpreis II. Klasse für die Erarbeitung des Handbuches. 1955/56 Auseinandersetzung mit Walter Ulbricht 1957 Berufung um Sekretar der Sektion Agrarökonomik der DAL. 1958 - 1962 Dekan der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Universität Leipzig. 1958 Chefredakteur der neu begründeten „Zeitschrift für Agrarökonomik“. 1959 Band I des „Handbuchs des Genossenschaftsbauern“ zur Betriebswirtschaft erscheint. 1961 Auszeichnung mit dem Orden Banner der Arbeit anlässlich des 50. Geburtstages. Vorschlag zur Wahl zum Vizepräsidenten der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin. 1961 Wahl als Vizepräsident der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin. Nichtbestätigung der Wahl durch den Minister für Landwirtschaft wegen negativer Äußerungen gegen den Mauerbau am 13. August in einer wissenschaftli- chen Beratung vor Institutsangehörigen. 1963/64 Vermittlung allgemeinverständlicher betriebswirtschaftlicher Lösungen „rechnen – messen – wiegen “ in einer Sendereihe „Fernseh-LPG“ im Bildungsfernsehen des Deutschen Fernsehfunks mit Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern. 1964 Berufung zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1968 Ablösung als Direktor des Instituts für Landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der DAL zu Berlin nach jahrelangen Anfeindungen. Der

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Versuch, ihm auch den Lehrstuhl an der Karl-Marx-Universität Leipzig zu nehmen, scheitert am Widerstand des Senats der Universität und des Dekans Prof. Dr. Otto Liebenberg. Die von ihm herausgegebene Fachzeitschrift „Agrarökonomik“ muss eingestellt werden. 1976 Emeritierung zum Ende des Frühjahrssemesters. 1987 Beibehaltung der Mitgliedschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR. Letzter Vortrag „Geschichte und Aufgaben landwirtschaftlicher Betriebswissenschaft in der DDR“. 1990 Rehabilitation durch die AdL. 1991 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die neu gegründete Agrarwissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig. 1999 Vortrag vor der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus „Entwicklungslinien in der agrarökonomischen Forschung in der DDR 1959 - 1989“. 2000 Letzter Vortrag vor ehemaligen Mitarbeitern und Schülern anlässlich der Jubiläumstagung - 80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf - . 2007 Beerdigung am 30.11. auf dem Friedhof Gundorf. . .

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Von Professor ROSENKRANZ betreute Promotionen und Habilitationen an der Universität Leipzig(L) und an der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu

Berlin, Sektion Agrarökonomik(B) Promotionen A

1957 KILIAN, JOST (L): Energieumsatz und Kreislaufbelastung bei verschiedenen landwirtschaftlichen Arbeiten. Ein Beitrag zur Normung landwirtschaftlicher Handarbeiten unter besonderer Berück-sichtigung des menschlichen Leistungsvermögens. MÄTZOLD, GERHARD (L): Untersuchungen über die Anwendung pillierten Zuckerrübensamens zur Erleichterung der Rübenpflegearbeiten. STANNEK, GEORG (L): Untersuchungen über die betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Anforderungen im Straßenobstbau, dargestellt an der Straßenobstbewirtschaftung der VdgB (BHG) Pirna-Copitz. 1958 LINDNER, HANS (L): Zur Frage der Strohdüngung und ihrer Bedeutung für die Arbeitswirtschaft und Organisation landwirtschaftlicher Betriebe. SCHIEDT, ECKART (L): Untersuchungen über die zweckmäßige Ausstattung der MTS-Brigaden mit Schleppern in Abhängigkeit von den zu bedienenden LPG. THIEME, DIETRICH(L): Planung und Plankontrolle des Arbeits- und Zugkraftbedarfs in landwirtschaft-lichen Großbetrieben. WINTER, ROLF(L): Untersuchungen über die ökonomisch vertretbare Höhe der Kosten bei der Mecha-nisierung der Arbeiten im Kuhstall. 1959 PETZOLD, ERWIN(L): Organisation und Betriebsergebnisse Landwirtschaftlicher Produktionsgenossen-schaften in den Bezirken Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt. THURM, RICHARD(L): Möglichkeiten und Grenzen der Energieversorgung landwirtschaftlicher Betrie-be durch Biogas. 1960 GAMPE, WOLFGANG(L): Die Arbeitsproduktivität in der LPG und eine praktische Methode zu ihrer Er-mittlung. 1962 ARNDT, DIETMAR(L): Untersuchungen zur Gestaltung der Betriebsorganisation von LPG in den höhe-ren Lagen des östlichen Erzgebirges. GEY, HEINRICH(L): Die Warmlufttrocknung – ein Trocknungsverfahren zur Gewinnung einer hoch-wertigen Futterkonserve aus wirtschaftseigenen Futtermitteln – und ihr Einfluß auf die Organisation der landwirtschaftlichen Betriebe. LORENZ, HORST(L): Eine Methode zur Untersuchung von Bewegungen mit Hilfe fotografischer Aufnahmen, dargestellt am Beispiel landwirtschaftlicher Hand- und Maschinenarbeiten auf dem Felde. PAUSE, JOHANNES(L): Arbeitszeitaufwand und Arbeitsablauf im Feldgemüsebau unter besonderer Berücksichtigung der mechanisierten Großproduktion.

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REICHENHEIM, HEINRICH(L): Vorschläge zur Erarbeitung einer Analyse der mit Schleppern und Land-maschinen erzielten Leistungen. 1963 FÖRKEL, HELMUT(L): Untersuchungen über erreichbare Arbeitsleistungen in Melkständen und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. 1964 DECKER, RUDOLF(L): Neue Vorstellungen über die Produktion von Getreide in den sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben der DDR. FISCHER-GURIG, ADOLF KARL FRANZ(L): Beitrag zur Ökonomik der Bienenhaltung. FOCKE, CHRISTA(L): Kosten der Erzeugnisse in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften – Höhe und Zusammensetzung, Möglichkeiten der Auswertung sowie Erarbeitung von Kostenrichtwer-ten, dargestellt auf der Grundlage von elf Abrechnungen. LINDEMANN, HELGARD(L): Kosten des Maschineneinsatzes im Feldbau – Methode der Ermittlung, Höhe und einige Möglichkeiten der Beeinflussung, dargestellt am Beispiel der MTS Rositz für das Jahr 1957. MARX, FRANZ(B): Vorschläge zur Vergütung für die Beschäftigten in sozialistischen Landwirt-schaftsbetrieben – ein Beitrag zur schnelleren Durchsetzung des ökonomischen Gesetzes der Vertei-lung nach der Leistung. SCHUMANN, SIEGFRIED(L): Kraftstoffverbrauch bei Arbeiten im Feldbau, dargestellt nach Aufzeich-nungen aus dem Versuchsbetrieb des Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin. 1965 BERKE, EVA(B): Ökonomik des Futtereinsatzes unter besonderer Berücksichtigung der Rinder-haltung. EBERHARDT, MARTIN(B): Wiesenheuernte und Grassilage-Gewinnung – eine technologische Untersuchung der Verfahren, dargestellt am Beispiel der LPG „Einheit“ Kremmen. HEYNE, WERNER(L): Die Produktion von Kuhmilch und Rindern im landwirtschaftlichen Betrieb – Ein Beitrag zur Ökonomik sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe (dargestellt vor allem an den Verhält-nissen im Bezirk Leipzig). 1966 JANKOWSKY, LESZEK(B): Verfahren zur Produktion von Schafen und Wolle. LOHRMANN, REINHARD(B): Verfahren zur Produktion von Läuferschweinen. SCHLEITZER, GERHARD(B): Verfahren zur Produktion von Milch. SCHOLTZ, DIETHER(B): Methode der betriebswirtschaftlichen Projektierung für landwirtschaftliche Betriebe auf der Grundlage selbständiger Bereiche. 1967 BRENDLER, DIETMAR; GIERSBERG, REINHARD(L): Kooperation und Spezialisierung der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe im Bereich Gundorf-Dölzig unter Berücksichtigung eines unterschiedlichen Entwicklungsstandes der Betriebe und der Herausbildung von Formen industriemäßiger Produktion.

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1968 CZARNETZKI, GERHARD(L): Zum Problem der Kostenermittlung tierärztlicher Maßnahmen in den land-wirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften Typ III sowie deren Einfluss auf die Produktion von Milch und Rindern. HÄRTWIG, WOLFGANG(L): Die Perspektive der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe im Kreis Leip-zig. RUTH, HORST(B): Möglichkeiten zur Einschränkung der in der Pflanzenproduktion eingesetzten Traktorentypen. SEIDEL, EHRHART(L): Die Selbstkosten als Mittel zur Bestimmung von Art und Volumen der Produk-tion im sozialistischen Landwirtschaftsbetrieb; dargestellt an Abrechnungsergebnissen von LPG des Kreises Leipzig und Kalkulation. TILLACK, PETER(L): Ermittlung des notwendigen Bestandes an Umlaufmitteln bei landwirtschaftlichen Produktionsprozessen. THIESSENHUSEN, UWE; SCHMERLER, JOHANNES(B): Technologische Untersuchungen zur Rationalisierung der Produktion von Beta-Rüben für Futterzwecke unter Beachtung methodischer Pro-bleme 1969 DITTRICH, GÜNTHER(B): Vorschläge zur industriemäßigen Produktion der kooperativen Pflanzen-produktion unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsorganisation. EINHORN, WERNER(L): Ökonomische Probleme des Entzuges von Gebäuden und Anlagen aus der Nut-zung sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe für Bergbauzwecke sowie ihres Ersatzes (unter beson-derer Berücksichtigung der Durchführung von Ersatzinvestitionen bei der Ortsverlegung Königsaue, Kreis Aschersleben). KLOSE, MANFRED(L): Über die Art und Weise der Produktion von Nahrungsmitteln in Abhängigkeit vom Stand der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse (Ein Beitrag zur Theorie des Wirtschaftens im sozialistischen Landwirtschaftsbetrieb). KRÜGER, GERHARD(L): Ermittlung und Bewertung der Anforderungen an die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Werktätigen aus den Arbeitsaufgaben zur Durchführung und Leitung der Produk-tion – Ein Beitrag zur Arbeitsklassifizierung in der sozialistischen Landwirtschaft. THIELBEER, ALBERT(B): Industriemäßige Pflanzenproduktion in Niedermoorgebieten, dargestellt am Beispiel des Drömling. 1970 ABSCHKE, SIEGFRIED; BRÜCKNER, HARTMUT(L): Ergebnisse des Arbeitsstudiums in der Rinderhaltung sowie Vorschläge für die schrittweise Rationalisierung der Konzentration der Milchproduktion; darge-stellt am Beispiel der Kooperationsgemeinschaft Leipzig-West. 1971 BUBENIK, WOLFGANG; HELLER, GÜNTER(L): Die Anwendung der Prozeßanalyse in der Tier- und Pflanzenproduktion zur Aufdeckung von Reserven.

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HASERT, GÜNTER(B): Weiterentwicklung der Arbeitsnormung der Tierproduktion: Unter besonderer Berücksichtigung der Erarbeitung von Besetzungsnormen für mechanisierte und teilautomatisierte Tierproduktionsanlagen. LOHF, JÜRGEN(L): Entwicklung, Stand und Perspektive der Kooperationsgemeinschaft Hübitz, Bezirk Halle: Ein Beitrag zur Entwicklung vielfältiger Kooperationsbeziehungen. REICHEL, ANNELIESE(L): Bestimmung des optimalen Umfangs von Einheiten der Tierproduktion: Ein Beitrag zur Produktionsorganisation. WAGNER, RENATE(B): Über die Wirkung von Produktionsfaktoren in der Pflanzenproduktion (Ein Beitrag zur Analyse von Systemen in der Pflanzenproduktion). 1972 GÄBLER, KLAUS(L): Qualifizierung und Quantifizierung von Produktionsfaktoren der Tierproduktion: Unter besonderer Berücksichtigung der Milchproduktion in sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben: Ein Beitrag zur Modellierung von Prozessen in der Tierproduktion. 1973 DÖTSCH, KLAUS(L): Analyse der Leitungsorganisation in LPG, VEG und ihren kooperativen Einrich-tungen: Eine Methode zu ihrer Anwendung. MERKE, HELMUT(L): Entwicklung der Pflanzenproduktion in der LPG Schenkenberg. 1974 EBERT, DIETRICH(L): Die Vorbereitung der Errichtung von industriemäßigen Anlagen der Tierproduk-tion (Ein Beitrag zur Methodik der Entscheidungsfindung). 1975 HEINZE, HANS-WERNER(L): Die Gebrauchwert-Kosten-Analyse in der Landwirtschaft und Beispiele für ihre Anwendung in der Tierproduktion. TRÖGER, ULRICH(L): Organisation der Produktion von Schlachtschafen und Wolle. 1978 GROßKOPF, KARLHEINZ(L): Die Vorbereitung betriebswirtschaftlicher Entscheidungen für die weitere Konzentration und Spezialisierung der Produktion kooperierender LPG der Tierproduktion mit Hilfe der Mehrperiodenplanung. 1979 GRABNER, KLAUS(L): Die Entwicklung einer LPG Milchproduktion im Kreis Aue - ein Beispiel für die planmäßige Entwicklung der Landwirtschaft in den Lagen des Erzgebirges.

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Habilitationen und Promotionen B 1955 HENSEL, ARTHUR WILLY HERMANN: Vorschläge für die Methodik der standortgerechten Produktions-planung – dargestellt am Beispiel des Landkreises Leipzig 1959 MÜLLER, HORST RICHARD: Der Zeitaufwand für Arbeiten in der Hühnerhaltung und Möglichkeiten der Rationalisierung 1963 STANNEK, GEORG PAUL: Feldgemüsebau auf großen Flächen (Vergleichende Untersuchungen, neue Arbeitsverfahren im Feldgemüsebau und Möglichkeiten seiner Rationalisierung) WERNER, KURT: Kennzahlen zur Beurteilung der Organisation und Leistung arbeitsteilig wirtschaf-tender sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe 1966 STOPPORKA, PAUL: Zur Bestimmung der zweckmäßigen Größe von Betrieben, Produktionseinheiten, -bereichen und -zweigen in der sozialistischen Landwirtschaft unter Berücksichtigung des Entwick-lungsstandes der Produktivkräfte THURM, RICHARD: Der Einfluss der Nutzungsdauer und der Ausnutzung auf die Kosten beim Einsatz von Schleppern und Landmaschinen – Ein Beitrag zur Ermittlung von Maschinenkosten in landwirt-schaftlichen Betrieben THUM, ERHARDT: Die technische Restnutzungsdauer-Prognose als Mittel zur Rationalisierung der landtechnischen Instandhaltung – Spezielle Untersuchungen an Traktorenbaugruppen unter besonderer Berücksichtigung von Verfahren zur Bestimmung des optimalen Termins von Motorgrundüber-holungen 1969 PAUSE, JOHANNES: Technologische Untersuchungen der Gemüseproduktion unter Glas MÄTZOLD, GERHARD: Verfahren der Mineraldüngung. 1975 HEYNE, WERNER: Übungen zur Ökonomik sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe. 1979 REULE, EDMUND: Gestaltung, Erprobung und Weiterentwicklung einer ökonomisch zweckmäßigen Vergütungsform für die Beschäftigten bei industriemäßiger Tierproduktion. TILLACK, PETER: Der Anlaufaufwand und sein Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis industriemäßig organisierter Tierproduktionsanlagen beim Produktionsanlauf. 1980 HELLER, GÜNTER: Methoden zur Beurteilung der Effektivität der Tierproduktion.

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Schüler und Mitarbeiter von Otto Rosenkranz, die zu Professoren berufen wurden: Brückner, Hartmut Dittrich, Günter Eberhard, Martin Gampe, Wolfgang Hasert, Günter Heller, Günter Hensel, Arthur Willy Hermann Klose, Manfred Mätzold, Gerhard Müller, Horst Richard Reule, Edmund Schleitzer, Gerhard Stannek, Georg Stopporka, Paul Thurm, Richard Tillack, Peter

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Ausgewählte Publikationen Rosenkranz, Otto 1938: Die Lage der Landwirtschaft der Freien Stadt Danzig in den Wirtschaftsjahren 1934/35, 1935/36 und 1936/37. Danzig: Kafemann, 1938 Rosenkranz, Otto 1939: Deutsche Großbetriebe der Wojewodschaft Posen in den Wirtschaftsjahren 1935/36, 1936/37, 1937/38. - Danzig: Kafemann, 1939 Rosenkranz, Otto 1941: Siedlung und Landwirtschaft im Reichsgau Wartheland. Berlin: Deutsche Landbuchh.. Rosenkranz, Otto 1942: Siedlung und Landwirtschaft im Reichsgau Wartheland. - 2. Aufl. - Berlin: Dt. Landbuchh. Sohnrey. Rosenkranz, Otto 1943: Die zweckmäßige Organisation landwirtschaftlicher Betriebe im Reichsgau Wartheland, Posen : Hirt-Reger u. v. Schroedel-Siemau. Rosenkranz, Otto1951: Brauchen wir Scheunen?, in: Die Deutsche Landwirtschaft 1(1950)2, S. 92 – 93. Rosenkranz, Otto1951: Landarbeitsforschung und –lehre, ihre Stellung unter den Landwirt-schaftswissenschaften und ihre Aufgaben.- Antrittsvorlesung an der Universität Leipzig 10.10.1951. Veröffentlichung der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt Gundorf(vormals Pommritz) Heft 1 Manuskriptdruck, 19 Seiten. Rosenkranz, Otto: Ein Maßstab für die Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft Deutsche Landwirtschaft 3 (1952) 2, S. 75 - 77 Rosenkranz, Otto1951: Vorteile des Pommritzer Rüben-Ernte-Verfahrens, in: Die Deutsche Landwirtschaft 3(1952)9, S. 460 – 463. Rosenkranz, Otto: Arbeit und Aufgaben des Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der DAL zu Berlin. In: (66), S. 3 – 23. Ritter, Kurt; Rosenkranz, Otto; Rübensam, Erich; Liebenberg, Otto u. a.1953: Die Bedeutung der Planung und Plankontrolle der Steigerung der Rentabilität der Volkeigenen Güter, Sitzungsberichte, Bd. II, H. 1, DAL zu Berlin, Berlin 1953. Rosenkranz, Otto 1953: Der Arbeitseinsatzplan in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, in: Die Deutsche Landwirtschaft 4(1953)1, S. 1 – 5. Rosenkranz, Otto 1953: Deutsche Agrarwissenschaftler berichten aus der Sowjetunion (VII): Zu den Problemen der Organisation landwirtschaftlicher Betriebe, in: Die Deutsche Landwirtschaft 4(1953) 11, S. 566 – 568. Rosenkranz, Otto 1953: Organisation der Feldwirtschaft und Feldbaubrigaden, in: Schriftenreihe für die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, Heft 29. Rosenkranz, Otto; Burkert 1953: Der Einfluß der gemeinsamen Feldbestellung auf die Arbeitsbelastung der bäuerlichen Familie, in: Die Deutsche Landwirtschaft 4(1953)11, S. 57 – 63. Rosenkranz, Otto 1954: Zum Problem der Arbeitsspitzen in der Landwirtschaft, in: Die Deutsche Landwirtschaft 5(1954)2, S. 57 – 59.

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Rosenkranz, Otto 1954: Antwort auf die Bemerkungen von Prof. S. G. Kolesnew, in: Die Deutsche Landwirtschaft 5(1954)8, S. 394 – 395 (Antwort auf S: G. Kolesnew: Zu Fragen der Organisation landwirtschaftlicher Betriebe, in: Die Deutsche Landwirtschaft 5(1954)8, S. 393 – 395). Rosenkranz, Otto / Vieweg, Kurt (Hrsg.) 1954: Handbuch des Genossenschaftsbauern. Bd. II-III. Berlin: Deutscher Bauernverlag 1954. Rosenkranz, Otto; Paul, Johannes 1955: Landarbeitslehre, Lehrbrief für das Fernstudium, Leipzig 1955 Rosenkranz, Otto; Mätzold, Gerhard 1955: Arbeitswirtschaftliche Erleichterungen im Rübenbau durch Verwendung von pilliertem Saatgut, in: Die Deutsche Landwirtschaft 8(1955)4, S. 160 – 167. Rosenkranz, Otto 1956: Einige Ergebnisse der Landarbeitsforschung und ihre Bedeutung für die Betriebsorganisation, Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, Bd. 5, H. 22. Rosenkranz, Otto 1956: Einige Ergebnisse der Landarbeitsforschung und ihre Bedeutung für die Betriebsorganisation, Leipzig: Hirzel Verlag, 1956 Rosenkranz, Otto; Rosegger, Sylvester 1957: Die Maschinensysteme als Grundlage der Mechanisierung der Landwirtschaft, in: Die Deutsche Landwirtschaft 8(1957)1, S. 1 – 4. Rosenkranz, Otto(1957): Die Betriebs- und Arbeitsorganisation unter dem Einfluss der Technik. In: Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin(Hrsg.): Berichte und Vorträge(1957) III. S. 121-135 (anlässlich der Festsitzung am 17./18. Oktober 1957 in Berlin). Rosenkranz, O., Förkel, H., Schnerch, J. 1957: Das Gundorfer Melkkarussell. Deutsche Landwirtschaft 8 (1957) 6, S. 275 – 280. Rosenkranz, Otto 1958: Die Bedeutung der Arbeitsorganisation in der Landwirtschaft, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 1(1958)1, S. 6 – 9. Rosenkranz, Otto 1959: Der Ausbau der innerbetrieblichen wirtschaftlichen Rechnungsführung in ihrer Bedeutung für die aktive Mitarbeit der Genossenschaftsbauern und Landarbeiter an der Leitung und Organisation sozialistischer landwirtschaftlicher Großbetriebe, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 2(1959)1, S. 1 – 8. Rosenkranz, Otto 1959: Zur Frage der Bewertung von Arbeitseinheiten in der Selbstkostenrechnung von LPG, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 2(1959)2, S. 80 – 82. Rosenkranz, Otto 1959: Handbuch des Genossenschaftsbauern. Bd. I. (2.Verb. Auflage) Berlin: Deutscher Bauernverlag. Rosenkranz, Otto 1959: Über den gegenwärtigen Stand der Entwicklung in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Landwirtschafts-wissenschaften zu Berlin, Bd. 8, H. 3. Rosenkranz, Otto 1960: Zur Ökonomik der Rinderhaltung in Offenställen, in Tierzucht, (1960) 3. S. 100-102. Rosenkranz, Otto 1960: Zur Problematik der Betriebsgrößen in der Landwirtschaft. In: Leipziger Universitätsreden. Hrsg. von Georg Mayer, Rektor der Karl-Marx-Universität Leipzig, Heft 12. 1960.

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Rosenkranz, Otto 1961: Der Weg zur genossenschaftlichen Produktion in der Landwirtschaft, Vortrag am 10. April 1961 anlässlich des 10jährigen Bestehens der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, noch nicht veröffentlichtes Manuskript Rosenkranz, Otto 1961: Ökonomische Probleme der Tierhaltung, 5. Festsitzung und wissenschaftliche Tagung der DAL 10.-12.10.1961, in: Berichte und Vorträge, S. 269-284. Rosenkranz, Otto 1961: Über einige Probleme der Probleme der Futterwirtschaft in sozialistischen landwirtschaftlichen Großbetrieben, in: Die Deutsche Landwirtschaft 12(1961)10, S. 481 – 483. Rosenkranz, Otto 1961: Ökonomische Betrachtungen zum Offenstall, in: Die deutsche Landwirtschaft 12(1961), Sonderheft „Offenstallhaltung von Kühen“, S. 43 – 44. Rosenkranz, Otto; Winkler, Gerhard; Zeuner, F. 1961: Ziele und Möglichkeiten der Produktion in der sozialistischen Landwirtschaft in der DDR, Berlin Rosenkranz, Otto 1961: Arbeit und Aufgaben des Instituts […] Gundorf der DAL, in: Tagungsberichte der DAL, Nr. 34, S. 5–23. Rosenkranz, Otto 1962: Ökonomik – Technologie – Maschinensysteme, in: Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, Bd. 11, H. 3. Rosenkranz, Otto 1962: Bedeutung der Einheit von Wissenschaft und Praxis bei der Entwicklung und Festigung landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, in: Die Deutsche Landwirtschaft 18(1962) 7, S. 313 – 315. Rosenkranz, Otto; Winkler, Gerhard; Lampe, Karl-Heinz 1962: Zur genossenschaftlichen Produktion in der Landwirtschaft und zur Nahrungsmittelversorgung, VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin. Rosenkranz, Otto; Winkler, Gerhard; Lampe, Karl-Heinz 1962: Zur genossenschaftlichen Produktion in der Landwirtschaft und zur Nahrungsmittelversorgung, Schriftenreihe der Karl-Marx-Universität, Leipzig, zu Fragen der sozialistischen Landwirtschaft, H. 7. Kolesnev, Samuil Georgievic, Rosenkranz, Otto 1962: Die Organisation sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe, Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin. Rosenkranz, Otto 1962: Der Übergang zur industriemäßigen Produktion in der Landwirtschaft, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 6(1963)2, S. 53 – 56. Rosenkranz, Otto; Werner, Kurt 1963: Bemerkungen zu Schadereit: „Der Einfluß eines unterschiedlichen Kleegrasanteils in den Fruchtfolgen Mecklenburgs auf die Erzeugung von verdaulichem Eiweiß“, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 6(1963)5, S. 156 – 158. Rosenkranz, Otto 1963: Zur Ökonomik der Bodenfruchtbarkeit, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 6(1963)7, S. 195 – 200. Rosenkranz, Otto 1963: Zur Ökonomik der Bodenfruchtbarkeit, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 12(1963)4, S. 677 – 683.

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Rosenkranz, Otto 1964: Zur Organisation und Leitung sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 7(1964)1/2, S. 7 – 19. Rosenkranz, Otto 1964: Zur Einführung industriemäßiger Produktionsmethoden in der Landwirtschaft, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 7(1964)5, S. 164 – 167. Rosenkranz, Otto; Klose, Manfred 1964: Zur Ökonomik sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe, Leipzig, Böhlitz-Ehrenberg Rosenkranz, Otto 1964: Über industriemäßige Produktion in der Landwirtschaft, Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, Bd. 13, H. 3. Rosenkranz, Otto 1964: Der Übergang zu industriemäßigen Formen der Produktion in den sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben, in: Karl-Marx-Universität Leipzig, Landwirtschaftliche Fakultät: Probleme der industriemäßigen Produktion, 12. Vortragstagung der Landwirtschaftlichen Fakultät, Leipzig 1964, S. 4 – 32. Rosenkranz, Otto 1965: Stand und weitere Entwicklung der industriemäßigen Produktion im Feldbau sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe, Zeitschrift für Agrarökonomik 8(1965)2, S. 53 – 56. Rosenkranz, Otto 1965: Optimale Betriebsgröße und industriemäßige Produktion in der Landwirtschaft. In: Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Philosophie, Geschichte, Staats- und Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (1965) 3, S. 13. Rosenkranz, Otto 1965: Zur Produktion von Winterfutter, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 8(1965)6, S. 170 – 174. Rosenkranz, Otto 1966: Die Weiterentwicklung der sozialistischen Betriebswirtschaft in der Epoche des allmählichen Übergangs zu industriemäßigen Formen der Produktion in der Landwirtschaft, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 9(1966)1, S. 14 – 27. Rosenkranz, Otto 1966: Von der Bodenreform zum sozialistischen landwirtschaftlichen Großbetrieb, In: Jahrbuch der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1966, S. 166 ff. Rosenkranz, Otto 1966: Agrarforschung und Prognose, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 9(1966)8, S. 395 – 403. Rosenkranz, Otto; Dittrich, G. 1966: Über Stand und Probleme des Übergangs zu Formen der industriemäßigen Produktion, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 9(1966)10, S. 507 – 511. Rosenkranz, Otto 1966: Über die voraussichtliche Weiterentwicklung der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe, in: Karl-Marx-Universität Leipzig, Landwirtschaftliche Fakultät: Die weitere Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft, 14. Vortragstagung der Landwirtschaftlichen Fakultät, Leipzig 1966, S. 7 – 24. Rosenkranz, Otto 1967: Die Vergütung der Genossenschaftsbauern und ihre Problematik, Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Philosophie, Geschichte, Staats- und Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (1967) 3. Rosenkranz, Otto 1967: Zur Ökonomik der Milcherzeugung in den sozialistischen Landwirtschaftsbe-trieben der Deutschen Demokratischen Republik, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 10(1967)6, S. 300 – 312.

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Rosenkranz, Otto 1967: Grußadresse an Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Stubbe, Präsident der DAL zu Berlin, anlässlich seines 65. Geburtstages, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 10 (1967)3, S. 115. Rosenkranz, Otto 1967: 15 Jahre Entwicklung sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe in der deutschen demokratischen Republik, in: Zeitschrift für Agrarökonomik 10(1967)5, S. 237 – 245. Rosenkranz, Otto 1967: Zur Ökonomik der Milcherzeugung, in: Karl-Marx-Universität Leipzig, Landwirtschaftliche Fakultät: Milchproduktion und Milchversorgung, 15. Vortragstagung der Landwirtschaftlichen Fakultät, Leipzig 1967, S. 19 – 42. Rosenkranz, Otto 1967: Von der Bodenreform zum sozialistischen landwirtschaftlichen Grossbetrieb, Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Philosophie, Geschichte, Staats- und Rechts- und Wirtschaftswissenschaften (1967) 9. Rosenkranz, O.; Tillack, P. 1967/68: Inhaltsangabe zur Vorlesung „Ökonomik sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe“. Univ. Leipzig, Landwirtschaftliche Fakultät, Institut für Betriebs- und Arbeitsorganisation in der Landwirtschaft der Karl-Marx-Universität. Rosenkranz, Otto 1968: Zur Ökonomik der Produktion von Schlachtschweinen, in: Karl-Marx-Universität Leipzig, Landwirtschaftliche Fakultät: Schlachtviehproduktion und Verbesserung der Fleischqualität, 16. Vortragstagung der Landwirtschaftlichen Fakultät, Leipzig 1968, S. 43 – 62. Rosenkranz, O.; Tillack, P. 1970: Verteilung der Erträge und des Ergebnisses bei kooperativer Pflanzenproduktion, in Schriftenreihe der Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft Karl-Marx-Stadt, 1970. Rosenkranz, Otto 1971: Intensivierung und Rationalisierung der Produktion von Tieren aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 20(1971)3, S. 381 – 388. Rosenkranz, Otto u. a. wechselnde Autoren (1971, 3. Auflage) : Sozialistische Betriebswirtschaft, Agra Markkleeberg. Rosenkranz, Otto 1973: Die Aufgaben der sozialistischen Betriebswirtschaft bei der Herausbildung der industriemäßigen Produktion, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 22 (1973)5, S. 413 – 420. Rosenkranz, Otto 1975: 25 Jahre DDR – 25 Jahre Entwicklung sozialistischer Betriebswirtschaft für volkseigene Güter und landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 24(1975)3, S. 213 – 220. Rosenkranz, Otto; Tillack, Peter; Losa, G. M. 1976: Die Leitung in Staatsgütern und Kollektiv-wirtschaften, Übersetzung und Bearbeitung aus dem Russischen, VEB Deutscher Landwirtschafts-verlag Berlin, 1976. Rosenkranz, Otto 1987: Geschichte und Aufgaben landwirtschaftlicher Betriebswissenschaft in der DDR, Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR: 1987, Nr.1. Rosenkranz, Otto / Gerhard Müller 1998: Die Landwirtschaft in den neuen Bundesländern. – Was war – was ist – was wird sein? - Otto Rosenkranz: Nachwort. In: Texte zur politischen Bildung. Hrsg. von

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Fritz Höll und Manfred Neuhaus. Heft 8. Überarb. u. ergänzte Neuauflage. Leipzig: Rosa Luxemburg Stiftung Sachsen e. V. 1998. Rosenkranz, Otto 1999: Entwicklungslinien in der agrarökonomischen Forschung in der DDR 1959- 1989. Vortrag, gehalten in Kiel am 4./6. Oktober 1999. – In: Schriften der Gesellschaft fiir Wirtschafts· und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V., Bd. 36; 2000, S. 409-424. Rosenkranz, Otto 2000: Zur Entwicklung der Landarbeitslehre, Technologie und landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftswissenschaft in Sachsen von 1920 bis 2000. In Leipziger ökonomische Societät (Hrsg.): Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen im 20. Jahrhundert. 80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf. S. 11-32. Rosenkranz, Otto 2000: Nachlese. - In : Nachtrag zur Vortragstagung anlässlich des Beginns der Landarbeitsforschung vor 80 Jahren in Pommritz und deren Weiterführung vor 50 Jahren in Gundorf, Leipziger ökonomische Societät, Heft 11-1, S. 3-9.

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Schriftenreihe Arbeiten aus dem Institut für Landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin MÄTZOLD – ZIMMERMANN: Methodische Hinweise und Richtwerte für die Kostenkalkulation von Grundmitteln und Arbeitsgängen MÄTZOLD: Empfehlungen zu technologischen Fragen der Pflanzenproduktion in der DDR BERKE – BAUM: Stand und Entwicklung einiger sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe in der Volksrepublik Ungarn WERNER: Kennzahlen zur Beurteilung der Organisation und Leistung arbeitsteilig wirtschaftender sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe PAUSE: Technologie der Produktion von Gemüse unter Glas ZIMMERMANN: Produktionsverfahren Getreide EBERHARDT – FINDEISEN: Produktionsverfahren Futter DECKER: Neue Vorstellungen über die Produktion von Getreide in den sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe in der DDR WINZLER – ZIMMERMANN: Produktionsverfahren Silo- und Grünmais BERKE: Ökonomik des Futtereinsatzes unter besonderer Berücksichtigung der Rinderhaltung BEGER: Organisation der Gemüseproduktion in speziellen Betrieben des Bezirkes Leipzig SCHUMANN: Kraftstoffverbrauch bei Arbeiten im Feldbau WACHSMUTH: Produktionsverfahren für Eier DECKER: Industriemäßige Produktion im Feldbau SCHOLTZ: Methode der betriebswirtschaftlichen Projektierung für landwirtschaftliche Betriebe auf der Grundlage selbständiger Bereiche KRÜMMEL: Technologische Untersuchungen bei der Obstlagerung und –aufbereitung ROSENKRANZ: Vorlesung 1964 zur Ökonomik der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe SCHLEITZER: Verfahren zur Produktion von Milch LOHRMANN: Verfahren zur Produktion von Läuferschweinen

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JANKOWSKI: Produktionsverfahren für Wolle GIERSBERG – BRENDLER: Kooperation und Spezialisierung der sozialistischen Landwirt-schaftsbetriebe im Bereich Gundorf-Dölzig unter Berücksichtigung eines unterschiedlichen Entwicklungsstandes der Betriebe und der Herausbildung von Formen industriemäßiger Produktion Autorenkollektiv unter Leitung von WERNER: Anleitung zur Analyse und Kalkulation der Pflanzen- und Tierproduktion BRAUN – TILLACK – KLOSE: Die Anwendung ökonomischer und philosophischer Erkenntnisse von Karl Marx in der Wissenschaft von der sozialistischen Betriebswirtschaft WERNER: Ertragsorientierte Profilierung der Pflanzenproduktion – ein Weg zur Steigerung der Produktion mit Tieren Autorenkollektiv: Netzplantechnik in der Technologie und Betriebsökonomik der sozialistischen Landwirtschaft WERNER: Organisation der kooperativen Färsenaufzucht zur kurzfristigen Bereitstellung für große Milchproduktionsanlagen SEIDEL – WEIDEMÜLLER: Grundlagen für die Ermittlung und Anwendung von Kostennormativen und Messwerten ZIMMERMANN – EBERHARDT: Ergänzungen zu den „Methodischen Hinweisen und Richtwerten für die Kalkulation von Verfahrenskosten in der Pflanzenproduktion SCHOLTZ – LENK – SCHWEIGEL: Richtwerte zur Ermittlung und Beurteilung der Effektivität der lebendigen Arbeit in der Pflanzen- und Tierproduktion KRÜGER: Anleitung zur Anwendung einer praktischen Methode der Arbeitsklassifizierung in den sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben KLOSE: Über die Grundformen der produktion von Nahrungsmitteln Autorenkollektiv: Methodische Anleitung und Zeitnormative zur Arbeitsnormung in der Tierproduktion PAUSE: Gütevorschriften für Arbeiten der Pflanzenproduktion REICHEL – SCHUMANN – WERNER: Zwanzig Jahre wissenschaftliche Arbeit im Institut Gundorf KLAUS – KLOSE: Aufgaben und Anwendung der sozialistischen Betriebswirtschaft in LPG und VEG bei der weiteren Gestaltung des ökonomischen Systems des Sozialismus und Schlussfolgerungen für die betriebswirtschaftliche Forschung – Vorträge der Tagung 1970 SCHOLTZ u. a.: Organisation und Leitung der ständigen Produktionsbrigaden sowie die Gestaltung des Systems der materiellen und moralischen Interessiertheit und Verantwortung Vortrag und Diskussionsbeiträge

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EBERHARDT u. a.: Die Weiterentwicklung der Arbeitsnormung in LPG und VEG als Grundlage für die wissenschaftliche Arbeitsorganisation Vortrag und Diskussionsbeiträge ABSCHKE: Vorschläge für die Organisation der Arbeit zur Arbeitsablaufplanung in teilmechanisierten Tierproduktionsanlagen EBERHARDT – MÜLLER: Methodische Hinweise und Richtwerte für die Kalkulation von Verfahrenskosten der Pflanzenproduktion

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Manfred Klose

OTTO ROSENKRANZ Wissenschaftler – Lehrer – Förderer

Persönliche Erinnerungen an den Arbeitsalltag Die Leipziger Volkszeitung veröffentlichte am 20. Mai 2009 eine umfangreiche Dokumentation zum 600jährigen Jubiläum der Universität Leipzig. Ein Hinweis darauf, dass es auch eine Land-wirtschaftliche Fakultät gegeben hat, sucht man jedoch vergebens. Allerdings auf Seite 16 findet sich eine wenig Zeilen umfassende Notiz. Dort wird kurz erwähnt, dass zur 550-Jahr-Feier im Jahre 1959 drei wissenschaftliche Symposien stattfanden, wovon eines der Problematik der Betriebsgröße in der Landwirtschaft gewidmet war. Der Name des Initiators und wissenschaftlichen Hauptträgers dieser agrarpolitisch höchst brisanten Veranstaltung wird nicht genannt: Otto Rosenkranz. Man kann diesen Sachverhalt zunächst als einen merkwürdigen Widerspruch betrachten, man kann auch vermuten, dass die Schreiber dieser Dokumentation keine hinreichenden Detailkenntnisse hatten, ein Merkmal der, wie in anderen Bereichen auch, zunehmenden Geschichtsvergessenheit bleibt er dennoch. An der Universität Halle führten wir alljährlich am Ende des neunten Semesters, das war das Semester für das Leitungspraktikum, eine zweitätige betriebswirtschaftliche Konferenz mit allen Leitern unserer Praktikumsbetriebe durch. Grundlage waren die betriebswirtschaftlichen Analysen, welche die Studen-ten anzufertigen hatten. Diese Veranstaltungen waren stets gut besucht und von lebhafter Diskussion gekennzeichnet. Zur Konferenz im Jahr 1990 hatten wir auch die Leiter aller betriebs- und agraröko-nomischen Lehrstühle der Universität Göttingen eingeladen. Wir hatten bis dahin recht gute Bezie-hungen zu den Göttinger Kollegen aufgebaut, die ein starkes Interesse an Umfang, Struktur und betriebswirtschaftlichen Ergebnissen unserer Landwirtschaftsbetriebe zeigten, mit der Folge, dass alle unsere Einladung angenommen hatten. Zu Gast war natürlich auch Otto Rosenkranz. Ich stellte den Göttinger Kollegen meinen ehemaligen Chef vor und verband damit die Hoffnung auf einen regen Meinungsaustausch zu den damals aktuellen betriebswirtschaftlichen Fragen, insbesondere zur Proble-matik der Betriebsgröße, zumal einige Göttinger unseren Auffassungen aus verschiedenen Gründen sehr kritisch gegenüber standen. Ich will es kurz fassen. Die gewünschte Diskussion kam nicht zustande. Das Ganze scheiterte wohl daran, dass die Göttinger Kollegen die Auffassungen von Otto Rosenkranz zu dieser bis heute wichtigen Frage im Einzelnen nicht kannten, - trotz seiner Veröffent-lichungen zu diesem Thema- und demzufolge mit dem Autor wenig anfangen konnten. Diese beiden zeitlich weit auseinander liegenden Ereignisse kennzeichnen meines Erachtens die Situation bis in die Gegenwart und unterstreichen die Bedeutung unserer heutigen Veranstaltung. Relativ spät, im Jahr 2000, erfuhr Otto Rosenkranz eine entsprechende Ehrung durch die Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Landbau. Über Otto Rosenkranz wurde in den zurückliegenden Jahren viel gesprochen. Jeder von seinen Mitar-beitern kann wohl über irgendeine Begebenheit aus früherer Zeit berichten, die ihn als Wissenschaftler, Lehrer und Förderer kennzeichnen. Das ist erkennbar bei den verschiedenen Zusammenkünften seiner ehemaligen Mitarbeiter. Vieles lässt sich heute mit Heiterkeit darstellen, auch eingedenk dessen, dass mancher Vorgang, zum Zeitpunkt als er geschah, nicht mit diesem Kriterium versehen werden konnte. Geschrieben wurde über ihn auch, darunter eine wenig gelungene Biographie, von einem Autor, dessen Kompetenz man hinterfragen kann. Diese Sachlage aber ist unsere Schuld, die Schuld seiner Schüler. Otto Rosenkranz war mein akademischer Lehrer und hat meine berufliche Entwicklung in ganz entscheidendem Maß beeinflusst. Einige seiner Maßnahmen und Haltungen während unserer Zu-sammenarbeit waren für mich nicht sofort verständlich. Im Nachhinein und oft zu einem späteren Zeitpunkt stellte sich deren Nutzen jedoch heraus.

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Wie jeder von uns weiß, beherrschte Otto Rosenkranz die deutsche Schriftsprache in exzellenter Weise, belegt durch den qualitativ hochwertigen Sprachstil in seinen Vorträgen und Veröffent-lichungen. Das kam mir bei einer der ersten Aufgaben, die er mir übertrug, nämlich die Anfertigung der Lehrbriefe für das Fernstudium, sehr zugute. Niemals hat er bei der Korrektur der ihm vorzule-genden Manuskripte schwache Formulierungen oder Stilblüten von mir sofort richtig gestellt und verbessert. Im Gegenteil waren die Manuskripte mit Randbemerkungen versehen, welche meine Ausdrucksfehler sehr zu meinem Leidwesen noch besonders unterstrichen. So wollte ich im Lehrbrief zu Ökonomik der Milchproduktion beschreiben, wie man zu einer relativ genauen Schätzung der Heuration pro Kuh und Tag kommt, indem man einen Heuballen wiegt, dieses Gewicht mit der Anzahl der eingesetzten Ballen multipliziert und die so erhaltene Gesamtmasse durch die Zahl der Kühe dividiert. Ich schrieb also: „ Der Heuballen eignet sich besonders dann gut, wenn es gilt einen Überschlag über die Futterration zu machen“. Am Rand fand ich seine Bemerkung: „Einfacher oder doppelter Salto?“ Im Lehrbrief zur Ökonomik der Geflügelproduktion zählte ich zu-nächst alle Geflügelarten auf, die in Landwirtschaftsbetrieben gehalten werden konnten. Da es aber vorrangig um die Produktion von Hühnereiern gehen sollte, brauchte ich einen Überleitungssatz und dieser lautete; „Die meisten Eier werden von den Hühnern gelegt“. Er schrieb dazu; „ Ich bin sehr verblüfft. Wer hätte das gedacht. Sie sind für jede Überraschung gut“. Am Ende dieses Lehrabschnittes wollte ich überflüssigerweise noch etwas zum Absatz der Eier sagen. Dabei wies ich aus unerfind-lichen Gründen darauf hin, dass - die Eier leicht den Geruch des Verpackungsmaterials annehmen können und schrieb: „ In solchen Fällen empfiehlt sich ein Innenanstrich mit einer kalkhaltigen Lösung“. Seine Bemerkung zu dieser Stelle war: „Jetzt müssen Sie mir nur noch einen Vorschlag unterbreiten, wie Sie die Eier danach wieder zusammensetzen“. Es war für mich eine harte, aber sehr gute Schule. In den frühen 60er des vorangegangenen Jahrhunderts entstand ein intensiver Meinungsstreit zur Ökonomik der Bodenfruchtbarkeit. Es ging um den Inhalt dieses Begriffs und die daraus zu ziehenden praktischen Konsequenzen. Ausgangspunkt war wohl die nachlassende Verfügbarkeit von Stalldung und seinen Ersatz durch Gülle als Folge von modernen Aufstallungsformen in der Rinder- und Schweineproduktion. Ich hatte das große Glück, von Anfang an einbezogen zu werden, indem ich eine umfangreiche Zuarbeit zu leisten hatte. Nie wieder seitdem hatte ich so viel Zeit, sozusagen im dienst-lichen Auftrag einschlägige Fachliteratur zu lesen, um insbesondere im Bereich Acker- und Pflanzen-bau entsprechende Aussagen namhafter Autoren zu finden, die man in der Diskussion als Zitat einset-zen konnte. Die Heftigkeit dieser Diskussion, - so etwas erlebte ich zum ersten Mal – hat mich stark beeindruckt, vor allem dann, wenn beim Austausch der Argumente die Gefahr bestand, die sachliche Grundlage zu verlassen. Dazu muss man wissen, dass sich als größter Widersacher von Otto Rosen-kranz der Lehrstuhlinhaber für Acker- und Pflanzenbau der Universität Leipzig herausstellte. Dieser befürchtete, dass die mangelnde Stalldungversorgung des Bodens zur Verminderung von Höhe und Nachhaltigkeit der Erträge führt. Auf einer Plenartagung der Landwirtschaftsakademie stellte er zu dem von ihm vermuteten Zusammenhang eine mathematische Formel, eine Art Funktionsgleichung, vor und forderte Otto Rosenkranz auf, sich das Ganze auf dieser Grundlage durch den Kopf gehen zu lassen. In seiner Erwiderung nahm Otto Rosenkranz darauf Bezug und sagte, dass er damit wenig anfangen könne, denn dies sei nicht mal eine Verbeugung vor der Mathematik sondern allenfalls ein linkischer Kratzfuss. Dabei lächelte Otto Rosenkranz und sein wichtigster Gegner verließ daraufhin mit großer Empörung den Sitzungssaal. Ich war ziemlich beunruhigt, denn so hatte ich meinen Chef noch nie erlebt. Vielleicht war es dieser Eklat, der die Partei auf den Plan rief. Die hatte sich bis dahin auffallend zurückgehalten. Jedenfalls meldete sich eine Arbeitsgruppe des Zentralkomitees zu einer Aussprache mit Otto Rosenkranz in Leipzig an. Ich freute mich sehr, als er mir meine Teilnahme mitteilte. Der Leiter dieser Arbeitsgruppe hieß Durak. Allerdings misstraute er wohl meinem mitunter etwas losen, manchmal provokanten Mundwerk. Er gab mir vor Beginn der Beratung sehr leise den Rat, ich sollte damit rechnen, dass auch manche ZK-Mitarbeiter gut Russisch können, demzufolge der Name des Herrn Durak richtig auszusprechen sei, also nicht etwa „gypak“, sozusagen aus reinem Vergnügen. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich es ohne seinen Hinweis probiert hätte.

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Otto Rosenkranz hatte stets einen reichlich gefüllten Terminkalender. Immerhin war er Lehrstuhl-inhaber der Universität, Direktor des Leipziger Instituts, Direktor des Akademieinstituts, Sekretar der Sektion Agrarökonomik, Chefredakteur der Zeitschrift für Agrarökonomik, einige Jahre Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät und nicht zuletzt Mitglied der Akademie der Landwirtschaftswissen-schaften und der Akademie der Wissenschaften. Allein diese Aufzählung verdeutlicht das kaum fassbare Arbeitsprogramm dieses Mannes. Nicht selten kam es vor, dass ich ihm am Abend die Druckfahnen einer Ausgabe der Zeitschrift für Agrarökonomie nach Hause brachte, um sie am nächsten Morgen präzise korrigiert wieder abzuholen. Sein hohes Arbeitspensum führte zwangsläufig zu Terminschwierigkeiten soweit dies notwendige Institutsberatungen und persönliche Rücksprachen der Mitarbeiter betraf, sehr zum Leidwesen derer, die jeweils in beiden Instituten für die Terminplanung verantwortlich waren. Während der Chef die häufigen Änderungen mit größter Gelassenheit vornahm, traf das bei den Betroffenen nicht auf das entsprechende Verständnis. Tatsächlich problematisch war es, wenn wieder einmal die Termine für die Diplomprüfungen zu verlegen waren. Diese Angelegenheit mit dem Dekanat zu klären war bedeutend einfacher – denn die kannten das schon – als mit Mitarbeitern, die nicht nur als Protokollant – die wären austauschbar gewesen – sondern als Beisitzer teilnehmen mussten, weil ihr Fachgebiet als Nebenfach geprüft wurde, wie das für die Kostenrechnung zutraf. Dieses Fachgebiet wurde am Universitätsinstitut von einer sehr intelligenten und redegewaltigen Oberassistentin und späteren Dozentin vertreten. Zum Verständnis muss ich erwähnen, dass die Kollegin an der Universität Halle studiert hatte, gelegentlich von den guten Lehrveranstaltungen bei Professor Schmalfuß schwärmte, aber auch beklagte, dass er zu ihrer Zeit mehrfach Prüfungstermine änderte, verbunden mit den entsprechenden Belastungen der Kandi-daten, Man muss auch wissen, dass Schmalfuß ein Lehrbuch für Acker- und Pflanzenbau geschrieben hatte, das viele Jahre als Standardwerk galt. Als nun in einer Dienstberatung erneut die Verlegung von Prüfungsterminen bekannt gegeben wurde, regte sich die Kollegin heftig auf. Es war die Rede von geradezu chaotischen Zuständen und von diesbezüglich schlechter Arbeit des geschäftsführenden Oberassistenten. Das Ganze endete mit dem Satz: „Es ist eben wie in Halle. Wir sind wochenlang mit dem Schmalfuß ins Bett gegangen“. Für eine kurze Zeit wurde es danach ganz still und alle waren auf die Reaktion des Chefs gespannt. Otto Rosenkranz hob den Kopf, lächelte und sagte ruhig: „Na, so etwas. Jetzt weiß ich endlich, warum der arme Mann derzeit so krank ist“. Daraufhin verließ unsere Kollegin mit hochrotem Kopf das Beratungszimmer, verbunden mit einem sehr hörbaren Schließen der Tür. Mein späterer Versuch, ihr die Umstände zu erklären, blieb weitestgehend erfolglos. Sie sagte, immer noch wütend, ich solle ihrem Beispiel folgen und dem Chef mal ordentlich Bescheid sagen und ihm außerdem mitteilen, dass sie kein Wort mehr mit ihm spricht, solange dieser unhaltbare Zustand anhält. Natürlich war dieses Vorhaben nicht realisierbar. Es gab aber auch Termine, die von den Änderungen niemals betroffen waren. Sie sind unter anderem kennzeichnend für seine Tätigkeit als Lehrer und leitender Wissenschaftler. So erinnere ich mich nicht, dass jemals eine Vorlesung (zweimal pro Woche) ausgefallen wäre oder verlegt werden musste. Zu den feststehenden Terminen gehörte auch der so genannte DIES, der Tag. Er fand einmal im Monat statt. An dieser Veranstaltung hatten alle wissenschaftlichen Mitarbeiter aus beiden Instituten teilzu-nehmen. Entschuldigungen gab es nur in Ausnahmefällen, wie etwa Lehrverpflichtungen. Dazu kamen regelmäßig die Direktoren der Lehr- und Versuchsgüter des Akademieinstituts. Der DIES, von Otto Rosenkranz so eingerichtet, erwies sich als außerordentlich wichtiges Mittel der Forschungsorgani-sation. Jeder Mitarbeiter musste damit rechnen, in größeren zeitlichen Abständen über den Stand seiner Arbeit an einem Forschungsauftrag oder der Dissertation zu berichten. Es gab ständig lebhafte Diskussionen, weil der Chef nur selten zufrieden war. Das galt besonders für Themen aus der Abtei-lung Produktionsorganisation, weil er beim Abteilungsleiter stets, wie er es nannte, „kleinbäuerliche Atavismen“ vermutete.

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Die Themen für den DIES wurden in der Leitungssitzung in Gundorf festgelegt. Als zum wiederholten Mal der fällige technologische Abschlussbericht zum Getreidespeicher in Dornburg ausfallen musste, weil er eben nicht vorlag, erwarteten wir eine längere Rede über Arbeitsdisziplin und ähnliches. Stattdessen unterbrach der Chef die Entschuldigungsrede des zuständigen Abteilungsleiters mit den Worten; „ Also lassen wir das. Heiner, du hast mich schon beschissen, da warst du noch Student“. In den frühen 60er Jahren nahm die Forderung zu, die Verfahren zur Produktion einzelner Erzeugnisse mit entsprechenden mathematischen Methoden zu begründen. Otto Rosenkranz stand dem zunächst mit großer Skepsis gegenüber, weil er befürchtete, dass unter dem Deckmantel der Mathematik die praktisch anwendbaren Aussagen leiden könnten. Man musste ihn geradezu dazu überreden, wenigstens probehalber diesbezügliche Forschungsthemen zu vergeben. Schließlich stimmte er zu und mit großer Spannung wurde daher auf einem DIES der Bericht über einen mathematisch optimierten Erntekomplex für Zuckerrüben erwartet. Die zusammenfassende Aussage des zuständigen Mitarbeiters bestand darin, dass man für diesen Komplex unter der Annahme bestimmter Bedingungen genau 6,7 Traktoren benötige. Es folgte zwangsläufig die Frage vom Chef, was den Genossenschaftsbauern unter diesen Umständen empfohlen werden kann, woher sie 0,7 Traktoren bekommen. Der Mitarbeiter ant-wortete: „Das weiß ich nicht. Das ist eine andere Frage, aber das ist eben die mathematische Aussage“. Der bedauernswerte Mitarbeiter hatte keine Gelegenheit mehr, dies näher zu erklären. Otto Rosenkranz sah sich wohl in seinen Befürchtungen bestätigt, denn es folgte eine längere etwas lautstarke Rede über das Verhältnis von Betriebsökonomik, Betriebswirtschaft, Mathematik und gesundem Menschenver-stand. Am Abend dieses Tages fragte er mich, was ich mir, gemessen an diesem Resultat, dabei ge-dacht hätte, ihn bei der Themenvergabe einen solchen Unsinn zu empfehlen. Seine Einstellung hat sich später wohl geändert, denn er hat meines Wissens selbst versucht Mähdrescherkomplexe zu optimie-ren. Die Leitungssitzungen in Gundorf fanden grundsätzlich samstags statt, auch in späterer Zeit, als der Samstag arbeitsfrei war. Sie begannen 8.00 Uhr, das Ende war offen. Wir nannten sie im kleinen Kreis das „Wort zum Sonntag“, dem Namen einer noch heute existierenden ARD-Sendung folgend, die wir eigentlich nicht kennen durften. Das Ende mancher Leitungssitzung wurde gegen 13.00 Uhr durch einen telefonischen Anruf von Frau Helene herbeigeführt mit dem nachdrücklichen Hinweis, dass nunmehr das Mittagessen bereitstehe und die Familie bereits versammelt sei. Es gab Tage, an denen wir bei fortschreitender Tageszeit sehnsüchtig auf das Klingeln des Telefons gewartet haben. Ausgehend von diesem Sachverhalt hat mich mal ein Kollege allen Ernstes gebeten, ich solle mit Frau Helene verhandeln, damit sie an jedem Sitzungstag so etwa gegen 12.00 Uhr im Interesse der gemeinsamen Mahlzeit anruft. Nach einigen Jahren meiner Tätigkeit unter seiner Leitung sagte er eines Tages zu mir: „Manches, von dem, was sie sagen und schreiben ist richtig. Jetzt müssen Sie nur noch darauf achten, das zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle zu tun. Dann kann aus dem Ganzen noch etwas werden.“ Diese Aussage hat mich lange Zeit beschäftigt. Er hätte doch „vieles“ sagen können, hat er aber nicht, er hat „manches“ gesagt. Dabei hielt ich mich für einen fleißigen Mitarbeiter, vor allem, weil ich im Hinblick auf einen seiner Maßstäbe für produktive wissenschaftliche Arbeit, nämlich mindestens zwei Veröffentlichungen pro Jahr, ganz gut abschnitt. Viele Jahre später, kamen wir bei einem meiner Besuche darauf zu sprechen. Erstaunlicherweise konnte er sich einigermaßen daran erinnern und meinte, so was sagt man, wenn man Leistungsdruck entwickeln will und man der Meinung ist, dass die betreffende Person das aushält. Der Gedanke des Sagens und Schreibens zum richtigen Zeitpunkt und an der richtigen Stelle hat mich mit mehr oder weniger Erfolg mein ganzes Arbeitsleben begleitet. Im Übrigen spielte dieser auch eine ziemlich große Rolle in seinem Glück-wunschschreiben anlässlich meiner Berufung. Er schrieb, dass der Begriff „Professor“ übersetzt „Bekennender“ bedeutet und dass er in dieser Hinsicht bei mir kein Problem sieht, ich solle eben nur auf den Zeitpunkt achten. Danke, Otto Rosenkranz.

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Vieles von dem, was die Gundorfer und Leipziger Betriebsökonomen an Ergebnissen für die landwirt-schaftliche Praxis unter Leitung von Otto Rosenkranz erzielt haben, passt wohl nicht mehr in die heutige Zeit. Die Schule Rosenkranz hat es gegeben, auch wenn er das ständig bestritten hat. Ausgehend davon wäre es wünschenswert, wenn junge Betriebs- und Agrarökonomen sich stärker auf-lehnen gegen das, was gegenwärtig agrarpolitisch vor sich geht, statt immer neue Anpassungsberech-nungen vorzunehmen. Die Absicht der EU-Kommission, die Agrarbeihilfen für Ostdeutschland ab 2014 deutlich zu senken, dürfte die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für unsere Großbe-triebe spürbar verschlechtern. Welche Auswirkungen die zurzeit in aller Stille stattfindende zweite Bodenreform unter kapitalistischen Verhältnissen hat, müsste untersucht werden. Die auslaufenden Pachtverträge für das Bodenreformland laufen aus. Dies hat millionenschwere Fondsgesellschaften, branchenfremde Konzerne und vermögende Privatinvestoren auf den Bodenmarkt gerufen. Dazu gehört etwa die Familie Rethmann, ein westfälisches Müllunternehmen oder die Familie Fielmann, eher als Brillenfabrikant bekannt. Ihnen gehören schon tausende Hektar in Mecklenburg-Vorpommern, in der Uckermark und anderswo. Die Wirtschafts- und Finanzkrise beschleunigt die Nachfrage nach sicheren Geldanlagen. Immerhin stiegen im Jahr 2010 in eine für Bauern unerschwingliche Höhe, von 9.500,- auf 17.500,- Euro je Hektar. Es gäbe viel zu tun. Der Verfasser legte die Diplomprüfung während seiner Tätigkeit als LPG-Vorsitzender als Fern-student an der Leipziger Fakultät ab, war danach mehrere Jahre als geschäftsführender Oberassistent am Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre für die Fertigung der Lehrbriefe für das Fernstudium zuständig. Als Abteilungsleiter im Gundorfer Institut promovierte er und habilitierte er sich. Nach einer zwischenzeitlichen Leitungstätigkeit in der Praxis wurde er an die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Professor mit Lehrstuhl für landwirt-schaftliche Betriebswirtschaft berufen. Nach 1990 lehrte er an der Berufsakademie Sachsen bis zum Erreichen des Altersruhestandes. Anschrift: Prof. Dr. habil. Manfred Klose Damaschkestraße 51 D - 04159 Leipzig E-Mail: [email protected]

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Peter Tillack

Die wissenschaftlichen Leistungen von OTTO ROSENKRANZ

Die Beurteilung, erst recht die Würdigung einer Leistung bedarf eines Maßstabes. Der Maßstab wiede-rum muss dem zu bewertenden Sachverhalt entsprechen, er darf weder einen zu großen Rahmen bieten noch ein zu enges Feld abstecken. Beziehen wir diese Voraussetzung auf den Begriff Wissenschaft - die planvolle Anstrengung des Menschen, mittels objektiver Untersuchung beobachteter Phänomene Kausalzusammenhänge zu erkennen und zu beherrschen und damit aus dem Verständnis der in der Natur und in der Gesell-schaft zu beobachtenden Prozesse und Phänomene Nutzen zu ziehen – ist die Frage zu beantworten, inwieweit wissenschaftliche Entdeckungen und die damit verbundenen Neuerungen und Anwen-dungsmöglichkeiten Aussichten für den Fortschritt der menschlichen Gesellschaft eröffnen. Diese noch recht allgemeine Formulierung gilt es auf spezielle Wissenschaftsgebiete einzugrenzen: die Auswir-kungen von Erkenntnissen in einzelnen Wissenschaftsdisziplinen hängen nicht zuletzt von dem Bereich ab, den diese widerspiegeln. Die Suche nach Kriterien für die Bewertung einer wissenschaftlichen Leistung in der Literatur führt zu einem sehr eng begrenzten Spektrum und reduziert sich im wesentlichen auf zwei Größen – den impact-factor, d.h. die Zitierhäufigkeit der Publikationen eines Wissenschaftlers, und das vor allem in referierten Zeitschriften, und die Summe der von ihm für Forschungsprojekte eingeworbenen Dritt-mittel. Weitgehend unberücksichtigt bleibt dabei die Frage nach dem Einfluss der Forschungs-ergebnisse auf solche Probleme, die Einfluss auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft nehmen – wie Bertold Brecht es seinen Galileo Galilei sagen lässt: „Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeiten der menschlichen Existenz zu erleichtern“. Über dieses Kriterium wird noch zu sprechen sein. Wissenschaft existiert nicht an sich, sie ist an bestimmte Untersuchungsobjekte gebunden. Daraus leitet sich das Bestreben ab, Wissenschaft zu systematisieren. Es existiert ein Vielzahl von Systemati-sierungsmöglichkeiten, wie die beispielhaft zu nennenden Begriffspaare Natur- und Geisteswissen-schaften, empirische und theoretische Wissenschaften, Grundlagen- und angewandte Wissenschaften belegen. Aus der Sicht des hier zu behandelnden Gegenstandes – der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftswissenschaft – bietet sich das zuletzt genannte Begriffspaar als Systematisierungs-grundlage an. Im Gegensatz zu den Grundlagenwissenschaften, die sich sehr stark aus philosophischer Sicht mit der Erklärung bestehender Realitäten durch allgemeine Theorien befassen, wird von den angewandten Wissenschaften neues Wissen generiert bzw. vorhandenes Wissen so kombiniert, das Fragen, die in der Realität herangereift sind, einer Lösung zugeführt werden können. Die von den angewandten Wissenschaften bearbeiteten Themen entstehen aus einem Bedürfnis der Praxis, deren typische Probleme sie aufgreifen. Ihr Ziel besteht darin, Regeln und Modelle zur Schaf-fung neuer Realitäten zu entwickeln, um wissenschaftlich fundiertes Handeln in der Praxis zu ermög-lichen. In diesem Sinne zählt die Betriebswirtschaftswissenschaft zu den angewandten Wissenschafts-disziplinen. Die Vielfalt der anzutreffenden Forschungsansätze wie

- Betriebswirtschaftliche Fundamentaltheorie, die entscheidungstheoretische, systemtheoretische und verhaltensorientierte Ansätze einschließen,

- moderner Unternehmenstheorie mit Shareholder-Value- und Stakeholder-Ansätzen - Unternehmensstrategie und - Managementsysteme

zeigt die große Breite betriebswirtschaftlicher Arbeitsgebiete in der Gegenwart. Speziell die landwirt-schaftliche Betriebswirtschaftswissenschaft kann dabei als eine Disziplin gelten, in der ein sehr breites Maß an Kenntnissen aus den verschiedensten Gebieten der angewandten Naturwissenschaften genutzt, neu aufbereitet und zusammengeführt wird und daraus Schlüsse gezogen werden, die dazu beitragen sollen, dass Verhalten des Homo oeconomicus zu verändern.

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Die Nachfrage nach wissenschaftlich begründeten Lösungen für in der landwirtschaftlichen Praxis herangereifte Probleme ist nicht gleichförmig, sondern unterliegt starken Schwankungen in Abhän-gigkeit von den politischen Rahmenbedingungen, aber auch vom biologischen und technischen Fort-schritt. Die Neustrukturierung des Agrarsektors in Ostdeutschland nach dem zweiten Weltkrieg ist geprägt von der Entstehung neuer Bauernwirtschaften auf ehemaligem Großgrundbesitz, der Bildung von staatlichen Landwirtschaftsbetrieben als Musterbetrieben und zur Sicherung des Bedarfs an Zuchttieren und Saatgut sowie schließlich die Zusammenführung bäuerlicher Betriebe zu Genossen-schaften. Insbesondere der zuletzt genannte Aspekt war für die Betriebswirtschaftswissenschaft von besonderer Bedeutung, da es zur Tätigkeit von Produktivgenossenschaften im Agrarsektor keine Erkenntnisse gab, und die Erfahrungen der Staatsgüter und Kollektivwirtschaften in der Sowjetunion waren auch nur bedingt übertragbar. Hinzu kam, dass das Niveau der landwirtschaftlichen Produktion noch weit unter den Vorkriegsniveau lag und große Anstrengungen der Bauern erforderlich waren, mit den nur sehr begrenzt verfügbaren Ressourcen die Bevölkerung mit Nahrungsgütern zu versorgen. Damit eröffnete sich für die landwirtschaftliche Betriebswirtschaftswissenschaft ein außerordentlich breites Betätigungsfeld. Diese Situation kann für den 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Otto Rosenkranz im Nachhinein als Glücksfall bezeichnet werden. Nach einer kurzen Tätigkeit in der For-schungsstelle für Agrarwirtschaft und Agrarpolitik der Zentralvereinigung der gegenseitigen Bauern-hilfe wurde Rosenkranz am 1. September 1950 beauftragt, die „Staatliche Lehr- und Forschungs-anstalt für Landarbeit Gundorf“ als Nachfolgeeinrichtung des Forschungsinstitutes für Landarbeit Pommritz zu leiten – was nichts Anderes hieß als neu zu gründen. Am 1. Dezember 1950 erfolgte der Ruf an die Leipziger Universität als Professor für Landarbeitslehre und 1952 auf den Lehrstuhl für landwirtschaftliche Betriebslehre. Damit eröffnete sich für ihn ein weites Betätigungsfeld in Forschung und Lehre, das er mit dem ganzen Einsatz seiner Persönlichkeit ausfüllte. Es galt nicht nur, die Vorlesung neu aufzubauen und die Forschungsarbeiten in der neu gegründeten Anstalt aufzunehmen, sondern auch in den Neubauern-wirtschaften und den volkseigenen Gütern sowohl bekannte als auch neue technologische Lösungen und neues Wissen einzuführen und nicht zuletzt den Versuchsbetrieb Gundorf – bei Gründung der Forschungsstelle schlechtester Betrieb der Vereinigung Volkseigener Güter im Bezirk Leipzig – zu einem Musterbetrieb zu entwickeln. Von besonderer Bedeutung für die wissenschaftliche Ausrichtung von Rosenkranz waren in dieser Zeit Überlegungen zur Stellung der Landarbeitslehre und ihrer Beziehung zur Betriebslehre. Während in der Vergangenheit die Landarbeitslehre neben der Gestaltung von Arbeitsverfahren unter kapitalis-tischen Verhältnissen auch dazu diente, die Ausbeutung der Landarbeiter zu verschärfen und die Ein-führung neuer Arbeitsverfahren häufig auf den Widerstand der Landarbeiter in den großen Gütern stieß, gingen die ersten Untersuchungen der neuen Forschungseinrichtung davon aus, dass sich „... völlig neue Voraussetzungen nicht nur für die Organisation der Arbeit, den Einsatz der Produktionsmittel (ergaben); es sind auch Möglichkeiten entstanden, die Betriebe nicht mehr als gegeben hinnehmen zu müssen, vielmehr sie nach den Bedürfnissen der Menschen gestalten zu können.“ (1) Welche große Rolle gerade diese Überlegung in der weiteren wissenschaftlichen Arbeit von Rosenkranz spielte, unterstreicht eine Feststellung aus dem Jahr 1960: „Ich bin heute der Meinung, dass diese ,Organisation der Betriebe von der Arbeit her‘ der erste Schritt war für die Veränderung ihres Charakters und zu ihrer Umwandlung zu Einheiten der sozialistischen gesellschaftlichen Produktion in der Landwirtschaft“ (2). Wenn die betrieblichen Strukturen die Nutzung der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Organisation der Produktion begrenzen, müssen Wege gefunden werden, diese strukturellen Nachteile zu überwinden. Rosenkranz sah voraus, dass eine Anpassung der Betriebsstrukturen an die technologischen Möglich-keiten ein objektives Erfordernis künftiger Entwicklung darstellt. Deshalb vertrat er die Auffassung, dass über den freiwilligen Zusammenschluss der Bauern in Produktionsgenossenschaften eine Mög-

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lichkeit besteht, diesen Widerspruch zwischen begrenzter Betriebsgröße und technologischen Erfor-dernissen auflösen zu können. Rosenkranz betrachtete diesen Prozess der Entwicklung neuer Formen der Produktionsorganisation nicht nur als technisch-organisatorische Aufgabe, sondern wies immer wieder darauf hin, welche Veränderungen sich in der Gesellschaft und bei den Menschen selbst vollziehen müssen. Welche überragende Rolle er dabei der „Melioration der Köpfe“ - um ein Wort Aereboes zu gebrauchen – im Prozess der gesellschaftlichen Umwälzung auf dem Lande beimaß, soll mit einigen wenigen Zitaten belegt werden: „Wenn sich Bauern zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zusammenschließen, voll-ziehen sie einen Schritt, der keineswegs das Ende einer Entwicklung darstellt, sondern den Anfang eines langen Prozesses, der Zeit und Arbeit beansprucht.“ „Sollen Großbetriebe entstehen, muss man die Besonderheiten ihrer Organisation den Bauern bekannt machen, muss man die Bauern lehren, in den Kategorien des Großbetriebes zu denken (3). In der Zeitschrift „Agrarökonomik“ schrieb Prof. Rosenkranz 1958: „Voraussetzung für eine erfolg-reiche sozialistische Entwicklung in der Landwirtschaft – als materielle Grundlage für einen besseren Lebensstandard – ist die Erziehung aller in ihr Tätigen zu höherem Verantwortungsbewusstsein, neben ihrer fachlichen Ausbildung“.(4) Und als fast schon klassisch ist die Feststellung zu werten, dass „... sozialistisches Wirtschaften (damit) beginnt...., dass der einfache Genossenschaftsbauer oder Landarbeiter die Rübe oder Kartoffel, die er auf dem Hof findet, aufhebt und nicht einfach mitnimmt, sondern in die Krippe seiner Genossenschaft oder seines VEG wirft... . Es endet nicht damit, dass der Traktorist in der Frühstückspause seinen Schlepper abstellt und mit jedem Gramm, jeder Minute sparsam umgegangen wird. Sozialistisches Wirtschaften beinhaltete, dass die Werktätigen sich mit ihren Betrieben identifizieren, als wenn sie ihr persönliches Eigentum wären, jeder Einzelne an seinem Arbeitsplatz mit wirtschaftet – mitwirkt an der Produktion, an der Reproduktion der Produktions-verhältnisse und an der innergenossenschaftlichen Demokratie.“ (5) Das Wahrnehmen von Verantwortung für den eigenen Betrieb setzt voraus, dass die Genossenschafts-mitglieder Einblicke in die ökonomischen Auswirkungen ihres Handelns erhalten, wie die folgenden beiden Zitate unterstreichen: „Will man aber die in den VEG, LPG und MTS tätigen Menschen an ökonomisches Denken ge-wöhnen, ihnen zum Bewusstsein bringen, dass die Durchsetzung des Prinzips der wirtschaftlichen Rechnungsführung sowohl im gesellschaftlichen als auch in ihrem eigenen Interesse liegt, dann ist es nicht nur nötig, sie materiell an der Produktion zu interessieren, sondern auch Verfahren der betrieb-lichen Abrechnung zu entwickeln, die so einfach sind, dass Arbeiter und Genossenschaftsbauern sie … verstehen.“ (6) “Wichtig ist, dass auch die Kostenrechnung, und damit die gesamte Abrechnung der LPG, aus einer Angelegenheit der Buchhalter zu der der Genossenschaftsbauern und damit zu einem Instrument der kollektiven Leitung der LPG wird.“ (7) An diesen Aussagen wird auch deutlich, dass Rosenkranz das Potential genossenschaftlicher Arbeit so verstand, wie es die Begründer dieses Gedankens gemein-samer Arbeit vor über 150 Jahren formulierten. Anlässlich der 550-Jahrfeier der Universität Leipzig 1959 organisierte Rosenkranz ein internationales Symposium „Das Problem der Betriebsgröße in der Landwirtschaft“, auf dem er u. a. ausführte: „So bleibt denn nichts, was für den Kleinbetrieb spricht, als die Tatsache der Arbeit in eigener Sache – und nichts, was gegen den Großbetrieb spricht, als die Tatsache der Lohnarbeit als Merkmal kapitalis-tischer Produktionsverhältnisse. Was liegt näher, als die Nachteile des einen gegen die Vorteile des anderen zu vertauschen und zu Formen der landwirtschaftlichen Produktion überzugehen, die … nach rein wissenschaftlichen Grundsätzen organisiert werden können? Solche Formen bieten aber nur sozialistische Großbetriebe.“ (8) Diese „rein wissenschaftlichen Grundsätze“ der Organisation landwirtschaftlicher Betriebe führten zwangsläufig zu der Konsequenz, ähnliche Prinzipien bei der Organisation anzuwenden wie in der Industrie, den landwirtschaftlichen Produktionsprozess oder die Prozesse zur Herstellung einzelner

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Produkte ganzheitlich zu betrachten. Erstmalig formulierte Rosenkranz seine Überlegungen 1957 in einem Vortrag vor der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften wie folgt: „Das Problem der Überwindung der Unterschiede zwischen Industrie und Landwirtschaft, für die Anpassung der Produktion in der Landwirtschaft an die der Industrie, liegt also nicht in der Mechanisierung des Pflügens oder des Melkens, sondern in der industriellen Gestaltung der Produktion von Getreide oder Futter oder Milch. Die Frage heißt dann nicht mehr: ‚Wie kann ich das Melken mechanisieren? ‘, sondern: ‚Wie lässt sich Milch unter Einsatz aller technisch denkbaren Einrichtungen mit geringst-möglichem Gesamtaufwand erzeugen? ‘. Sie kann dementsprechend nicht mehr heißen: ‚Wie kann ich Milch mit einem bestimmten Anbauverhältnis erzeugen? ‘, sondern ‚Wie muss ein Betrieb in seiner Gesamtheit organisiert sein, dass Milch, Eier, Fleisch oder irgendein anderes Produkt oder eine beson-dere Kombination von Produkten günstigst erzeugt werden können? ‘(9) Diese Thesen fanden keineswegs überall ungeteilte Zustimmung, stellten sie doch die Berechtigung mancher bisher gültigen Grundsätze der landwirtschaftlichen Betriebslehre in Frage, so z.B. die Be-trachtung des landwirtschaftlichen Betriebes als komplizierter Organismus, dessen Vielseitigkeit dem Risikoausgleich bei wechselnden Natur- und Marktbedingungen geschuldet ist, und von der Anpas-sung der Produktionsinstrumente an die Betriebsgröße. Zugleich war sich Rosenkranz über die Begrenztheit der Möglichkeiten zur Organisation der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte nach industriellen Prinzipien im Klaren, die aus noch ungenügender Kenntnis der vielfältig miteinander verbundenen Naturvorgänge bei der Produktion mit Pflanzen und Tieren resultierten. In einem Vortrag anlässlich des 15jährigen Bestehens des Gundorfer Instituts sagte er, dass die Umgestaltung der landwirtschaftlichen Produktion „nicht nur eine zunehmende Ähnlichkeit der mit der Produktion in der Industrie, eine zunehmende Verflechtung zwischen Landwirtschaft und Industrie sowie den Abbau bestehender Unterschiede (bedeutet) – der Einsatz von Rohstoffen, ihre Dosierung und Verarbeitung unabhängig von den in der Natur vorgefundenen Produktionsbedingungen bedeutet auch, dass es zunehmend möglich werden muss, die Produktion technisch und mathematisch exakt, dem Willen der Produzenten entsprechend zu gestalten. Es muss und wird mit Sicherheit gelingen, über das Wirkungs-verhältnis einzelner Produktionsfaktoren Aussagen zu machen und auch die noch stark mit der Natur verbundenen Produktionsprozesse zu beherrschen. Kenntnisse über sie liegen bisher nur wenige vor. …“(10) Eine derartige Herangehensweise veranlasste Rosenkranz auch, die Mystifizierung von Naturer-scheinungen abzulehnen, die infolge noch ungenügender Kenntnis der ihnen zugrunde liegenden naturwissenschaftlichen Zusammenhänge sich nicht vollständig rationell erklären lassen. Ein solches Beispiel war die Diskussion um die Bodenfruchtbarkeit, bei der er den Boden als ein Röhren- und Gefäßsystem verstand, in dem biologische, chemische und physikalische Prozesse ablaufen, deren Gesetzmäßigkeiten es zu ergründen gilt, um die Ertragsbildung bei Pflanzen gezielt steuern zu können. Diese Betrachtungsweise schloss auch ein, nach ökologischen Grundsätzen zu arbeiten. Er betonte immer wieder, dass ein Landwirt, der nicht nachhaltig wirtschaftet, sich der Grundlagen seiner eigenen Existenz beraubt. Die Realisierung der oben von Rosenkranz formulierten Ziele für die Organisation der Produktion setzt voraus, vertiefte Kenntnisse über die einzelnen Produktionsfaktoren und ihr Zusammenwirken im Produktionsprozess zu erlangen. Sie erfordert darüber hinaus, dass der Ökonom dem Naturwissen-schaftler – dem Züchter, dem Ernährungswissenschaftler, dem Techniker oder dem Tierarzt - Schwer-punkte nennt, die für die Gestaltung der Produktion zu untersuchen und zu lösen sind. Deshalb – und nicht aus Selbstüberschätzung – formulierte Rosenkranz, dass für ihn die Betriebswirtschafts-wissenschaft die Krone der Landwirtschaftswissenschaften sei. „Betriebswirtschaftswissenschaft … ist der Bereich, der wie kein anderer Einfluss auf die Gestaltung der Produktion in der Landwirtschaft gehabt hat und auch haben wird. Heißt doch Betriebswirtschaft … den Produktionsprozess in allen seinen Phasen so zu organisieren, die materiellen wie die nichtmateriellen Prozessgrößen zu bestim-men und in ihrer Kombination so zum Zusammenwirken zu bringen, dass das Ziel der Produktion

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erreicht wird. Die Wirkungsbedingungen der dabei geltenden ökonomischen, technischen und biologi-schen Gesetze und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, das ist Betriebs-wirtschaftswissenschaft“. (11) Werden die heutigen technischen Möglichkeiten der Bestandsführung in der Pflanzenproduktion, insbesondere der ortsdifferenzierten und zielgerichteten Applikation von Dünge- und Pflanzenschutz-mitteln beim Precision Farming oder das Herdenmanagement in großen Tierbeständen mit z.B. individueller ertragsabhängiger Fütterung und umfassender Gesundheitsüberwachung betrachtet, so ist die Weitsicht dieser Überlegungen – vor über 40 Jahren formuliert – beeindruckend. Wird das wissen-schaftliche Werk von Rosenkranz in seiner Gesamtheit betrachtet, so stand die Betriebsorganisation zweifellos im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Ziel der betriebsorganisatorischen Lösungen ist die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte mit hoher Effizienz. Deren Beurteilung wiederum erfordert neben dem Wissen um die am Markt erzielbaren Preise vor allem Kenntnisse über die Entstehung von Kosten im landwirtschaftlichen Produktionsprozess. Wichtige Kostenarten – so vor allem die Arbeitskosten – werden durch die angewandten Arbeitsverfahren und die Entlohnungssysteme beein-flusst. Mit dem zunehmendem Ersatz lebendiger Arbeit durch vergegenständlichte Arbeit in Form der eingesetzten Maschinen und Maschinensysteme gewinnen deren Kosten und die Art und Weise ihres Einsatzes zunehmende Bedeutung. Deshalb ist auch die Herausbildung der landwirtschaftlichen Tech-nologie als Wissenschaftsdisziplin eng mit seinem Namen verknüpft. Bei dem Versuch einer Sys-tematisierung der von Rosenkranz und seinen Mitarbeitern bearbeiteten Gebiete lassen sich folgende Schwerpunkte hervorheben:

- Betriebsorganisation - Technologie der Pflanzen- und Tierproduktion - Arbeitsökonomik - Buchführung und Betriebsabrechnung

Auf dem Gebiet der Betriebsorganisation sind vor allem Arbeiten zu nennen, die die Organisation von auf einzelne Erzeugnisse spezialisierten Produktionseinheiten und ihre Zusammenführung zu Betrieben umfassen. Hier wurden sowohl theoretische Grundfragen der Kombination der Produktions-faktoren im landwirtschaftlichen Produktionsprozess als auch spezifische Fragen der Produktion einzelner Erzeugnisse, optimale Betriebsgrößen und Einflussfaktoren auf die Verbesserung der wirt-schaftlichen Ergebnisse landwirtschaftlicher Unternehmen und ihrer Vereinigungen erforscht. Wichtige Teilgebiete bildeten weiterhin die Betriebsprojektierung und die Erarbeitung von Maßstäben zur Wirtschaftlichkeitsbeurteilung landwirtschaftlicher Unternehmen. Die Technologie der Pflanzen- und Tierproduktion – ehemals ein Teilgebiet der Landarbeitslehre – gewann in dem Maß als eigenständige Wissenschaftsdisziplin an Bedeutung, wie der Ersatz von Handarbeit durch Maschinenarbeit voranschritt. Untersucht wurden hierbei sowohl die Möglichkeiten der Reduzierung des Arbeitszeitbedarfs für bestimmte Arbeitsgänge – wie z.B. Rübenpflege und Melken – als auch technologische Lösungen für einzelne landwirtschaftliche Erzeugnisse. Wesentliche Forschungsarbeiten wurden auf diesem Gebiet im eigenen Versuchsbetrieb geleistet, so z.B. die Erprobung des ersten Melkkarussells, die Grünfuttertrocknung, die Eierproduktion auf Tiefstreu und die Anwendung arbeitssparender Pflegeverfahren für Gemüse und Zuckerrüben. Die Arbeitsökonomik – ebenfalls aus der Landarbeitslehre hervorgegangen – umfasst den gesamten Komplex der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsmotivation und der Arbeitsproduktivität. Unter den Bedingungen des Einsatzes von Arbeitskräften mit spezifischen Arbeitsaufgaben innerhalb eines Betriebes spielen Arbeitsklassifizierung, Leistungsbewertung und Motivation über ein entsprechendes Vergütungssystem eine immer größere Rolle für die Wirtschaftlichkeit des Produktionsfaktors Arbeit. Wichtige Forschungsleistungen auf diesem Gebiet wurden mit Normenkatalogen für landwirtschaft-liche Arbeiten, Vorschlägen für die leistungsabhängige Vergütung und Entlohnung und Berechnungs-methoden für die Messung der Arbeitsproduktivität erbracht. Mit Arbeiten zu Buchführung und Betriebsabrechnung wurde die Tradition von Hermann Howard fortgesetzt, der 1886 in Leipzig als erster Professor für landwirtschaftliches Rechnungswesen berufen

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worden war. So dienten mehrere Buchstellen für LPG und MTS der Gewinnung von Daten, auf deren Grundlage das Verfahren der Vollkostenrechnung für einzelne landwirtschaftliche Erzeugnisse ent-wickelt; Kostennormative für Produkte und Arbeitsverfahren erarbeitet und Kennzahlen über Kosten des Maschineneinsatzes ermittelt wurden. Rosenkranz vermittelte die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Arbeit in einer Vielzahl von Publi-kationen, durch Vorträge auf Tagungen und über seine Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig. Besonders hervorzuheben sind das von ihm herausgegebene fünfbändige „Handbuch des Genossen-schaftsbauern“, eine erste umfassende Darstellung landwirtschaftlichen Fachwissens über Produk-tionsgrundlagen und betriebswirtschaftliche Empfehlungen für landwirtschaftliche Produktionsgenos-senschaften, und die 1963/64 ausgestrahlte Fernsehreihe zu betriebswirtschaftlichen Themen „Messen – Rechnen – Wiegen“, die große Resonanz in der landwirtschaftlichen Praxis fand. Theoretische Arbeiten von Rosenkranz wurden vor allem in der Schriftenreihe „Arbeiten aus dem Institut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirt-schaftswissenschaften (DAL) und dem Institut für Betriebs- und Arbeitsorganisation der Karl-Marx-Universität Leipzig“ (1963 – 1972) sowie der „Zeitschrift für Agrarökonomik“ (1958,1967), deren Chefredakteur Rosenkranz war, sowie den Berichten der DAL veröffentlicht. Die bisherige Würdigung des Lebenswerkes von Otto Rosenkranz konzentrierte sich auf die von ihm entwickelten theoretischen Denkansätze und wissenschaftlichen Konzepte. Sie wäre unvollständig ohne einen Blick auf die Persönlichkeit des Wissenschaftlers und seine Ausstrahlung. Ein wesentliches Anliegen für Rosenkranz war es stets, seine Gedanken Anderen zu vermitteln, sie im Streitgespräch zu prüfen. So forschte er, um zu lehren, und er lehrte, um zu forschen. Er brauchte den Kontakt zu den Studierenden wie zu den Bauern und Arbeitern in den LPG und VEG, von denen er viele Anregungen erhielt. Die Ausbildung der Studenten war ihm ein besondere Anliegen. Ein Vierteljahrhundert prägte er die betriebswirtschaftliche Ausbildung an der Leipziger Landwirtschaftlichen Fakultät, und für 68 Doktoranden und Habilitanden war er fördernder Begleiter auf ihrem wissenschaftlichen Weg. Von ihnen wurden 18 zu Professoren berufen. Er kann damit als Begründer einer wissenschaftlichen Schule gelten, auch wenn die politischen Bedin-gungen in Deutschland nach 1990 viele seiner ehemaligen Mitstreiter veranlassten, sich Wirkungsfelder außerhalb von Forschung und Lehre zu suchen. Ein wichtiges Merkmal seiner Persönlichkeit war die Praxisverbundenheit. Vor allem für die Studenten ein besonderes Erlebnis waren Exkursionen in fortgeschrittene Landwirtschaftsbetriebe. Rosenkranz verstand es hier in unnachahmlicher Weise, soeben in einem Betrieb Gesehenes zu verallgemeinern, mit Erfahrungen aus anderen Betrieben zu verknüpfen und Empfehlungen zu geben. Ein auf manchen Gebieten fast enzyklopädisches Wissen, große Diskussionsfreudigkeit und spontane Ideen ließen ihn überall zu einem bevorzugten Gesprächspartner werden. Sein ungewöhnliches Herangehen an die Gestaltung der landwirtschaftlichen Produktion, der schöpferische Zweifel am Althergebrachten, die „Spinnstunden“, in denen er neue Prinziplösungen für technologische Verfahren diskutierte („es muss nur jemand auf die verrückte Idee kommen, so etwas auszuprobieren“), waren nicht nur die Knüller mancher Festzeitung bei Fakultäts- oder Absolventenbällen, sondern ließen seinen Hörern die mobili-sierende Rolle der Betriebswirtschaftswissenschaft für die Umgestaltung der Produktion nach indus-triellen Prinzipien deutlich werden. Umfangreiche Arbeit leistete Rosenkranz auf wissenschafts- und hochschulpolitischen Gebiet als Pro-dekan und Dekan der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig (1953 – 1961), als Sekretar der Sektion Agrarökonomik der DAL zu Berlin (1961 – 1967), als Vorsitzender mehrerer Kommissionen der DAL und als Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Für seine Leistungen wurde ihm eine große Zahl wissenschaftlicher Ehrungen zuteil. Der wissenschaftliche Lebensweg von Otto Rosenkranz verlief aber nicht ohne Brüche. Sein konse-quentes Eintreten für theoretisch fundierte, von den Bauern getragene betriebswirtschaftliche Posi-tionen und Lösungen gegenüber politisch motivierten Entwicklungsstrategien und Entscheidungen auf

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dem Gebiet der Agrarpolitik in der DDR führte dazu, dass Prof. Rosenkranz nach 1960 zunehmend in Widerspruch zu offiziellen Auffassungen der SED und der Staatsführung geriet. Vor allem war er nicht bereit, wissenschaftlich begründete Positionen einem politischen Diktat unterzuordnen. Die Konse-quenzen folgten Schritt für Schritt. So wurde 1961 seine Wahl zum Vizepräsi-denten der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (DAL) nicht bestätigt, 1967 wurde er seiner Funktion als Direktor des Institutes für Landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der DAL enthoben und die unter seiner Leitung stehende Zeitschrift „Agrarökonomik“ musste ihr Erscheinen einstellen. Die von ihm verfassten Lehrbriefe für das Fernstudium der Agrarwissenschaften an der Leipziger Universität dienten schließlich als „Beweis“ dafür, dass er „bürgerliches Gedankengut“ ver-breite. Rosenkranz ließ sich dadurch nicht entmutigen – er war nie ein „Angepasster“ und vertrat seine Position stets unabhängig von der Überlegung, ob ihm daraus Nachteile erwachsen könnten. Diese mutige persönliche Haltung – die er nicht zuletzt im 80. Lebensjahr bei seinem Engagement gegen einen ruinösen Zusammenbruch der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern bewies – war und ist sicher mit ein Grund dafür, dass er nicht nur Anerkennung und Bewunderung fand, sondern sich auch Anfeindung und Diffamierung ausgesetzt sah. Mit seinen Schülern und ehemaligen Mitarbeitern ver-band Rosenkranz ein auf gegenseitiger Achtung und Vertrauen beruhendes Verhältnis. Regelmäßige Treffen der „Rosenkranzianer“ fanden anlässlich seines Geburtstages im Februar statt, und sein Rat war bis ins hohe Alter immer wieder gefragt. Mit 69 Promovenden und Habilitanden kann er zu Recht als Begründer einer wissenschaftlichen Schule gelten. Insgesamt 16 seiner ehemaligen Mitarbeiter und Schüler wurden zu Professoren berufen. Eine besondere Genugtuung nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine früheren Mitstreiter war die Zuerkennung der Ehrendoktorwürde durch die Agrar-wissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig im Jahr 1991, mit dem seine Lebensleistung eine verdient Anerkennung fand. Otto Rosenkranz hat in einer sehr bewegten Zeit großer struktureller Veränderungen in der Landwirt-schaft der DDR Leitlinien dafür entwickelt, wie landwirtschaftliche Unternehmen der Zukunft aussehen können. Er hat dafür kein umfassendes Theoriengebäude erarbeitet, sondern wichtige theore-tische und praktische Impulse zu Grundfragen der betrieblichen Entwicklung auf den verschiedensten betriebswirtschaftswissenschaftlichen Teilgebieten geliefert. Sein bleibendes Verdienst besteht darin, weit in die Zukunft vorausschauend Ideen hervorgebracht zu haben, die heute noch von größter Aktualität sind. Die erfolgreiche Umgestaltung vieler ehemaliger LPG zu modernen erfolgreichen landwirtschaftlichen Unternehmen nach 1990 ist ein Beweis der Lebensfähigkeit der von ihm entwic-kelten theoretischen Konzepte. In seiner Abschiedsvorlesung 1976 formulierte er seine Sicht auf sein Lebenswerk wie folgt: „Ich hatte das Glück, da zu sein, wo man mich brauchte – und den Mut, anzupacken, was nötig war. Ich habe keine großen Theorien entwickelt, sondern immer versucht, Aufgaben des Tages zu lösen, der fortgeschrittenen Praxis zu geben, was der Stand der Entwicklung erforderte ...., mit meinen Mit-arbeitern Verfahren für eine rationelle Durchführung der Produktion entwickelt und im selbst geleite-ten Betrieb zur Anwendung gebracht und propagiert.“ Otto Rosenkranz war Wegbereiter einer Landwirtschaft, die nach neuen wissenschaftlichen Kriterien betrieben wird. Er hat damit – im Sinne von Brechts Galilei – einen überragenden Beitrag zur Erleichterung der Mühseligkeiten der menschlichen Existenz geleistet.

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Literatur Rosenkranz, Otto: Arbeit und Aufgaben des Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der DAL zu Berlin. Tagungsberichte der DAL zu Berlin, Nr. 34, S. 7-8 Rosenkranz, Otto: a. a. O. S. 9 Rosenkranz, Otto: 6. Vortragstagung der Landwirtschaftlichen Fakultät, Leipzig 1959 Rosenkranz, Otto: Agrarökonomik, H. 4 1958 Rosenkranz, Otto: Tagungsberichte der DAL zu Berlin, 1958 Rosenkranz, Otto: Zeitschrift für Agrarökonomik 1958 Rosenkranz, Otto: Sitzungsberichte der DAL, 1959, Heft 3 Rosenkranz, Otto: Zur Problematik der Betriebsgrößen in der Landwirtschaft. In: Leipziger Universitätsreden. Hrsg. von Georg Mayer, Rektor der Karl-Marx-Universität Leipzig, Heft 12. 1960 Rosenkranz, Otto: Berichte und Vorträge der DAL III/1957. Berlin 1958 Rosenkranz, Otto: Zeitschrift für Agrarökonomik 9 (1966) H. 1 Rosenkranz, Otto: Abschiedsvorlesung 1976 Beruflicher Werdegang des Autors: 1955-61 Studium der Agrarwissenschaften an der Karl-Marx-Universität Leipzig (KMU). 1961–68 Wissenschaftlicher Assistent und Oberasssitent am Institut für Betriebs- und Arbeits-organisation der KMU Leipzig. 1968 Promotion zum Dr. agr., 1979 Habilitation. 1969 Berufung zum Dozenten, 1980 zum o. Professor für Sozialistische Betriebswirtschaft in der Landwirtschaft, Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin (TV) der KMU. 1976 Leiter des Wissenschaftsbereichs Sozialistische Betriebswirtschaft der Sektion TV. 1990-94 Dekan der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. 1995 Berufung zum Professor für Allgemeine Landwirtschaftliche Betriebslehre an die Universität Halle, gleichzeitig Mitglied des Direktoriums und Leiter der Abteilung Betriebs- und Strukturent-wicklung im ländlichen Raum des Instituts für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO). 2002 Emeritierung und Ernennung zum Geschäftsführenden Direktor des IAMO (bis 2004). 2004-2005 Langzeitberater im EU-Projekt „Assistence to the Institutional development in the agricultural and food sector oft he Russian Federation“ im Russischen Landwirtschaftsministerium, Moskau. Anschrift: Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Tillack Erlicht 35 D-08468 Reichenbach (Vogtland) E-Mail: [email protected]

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Gerhard Jannermann

Erinnerung an OTTO ROSENKRANZ Als angefragt wurde, ob ich zum Gedenkkolloquium von OTTO ROSENKRANZ anlässlich der Wiederkehr seines 100. Geburtstages beitragen wolle, habe ich dies gern bejaht. Doch soll mein Beitrag nur eine Ergänzung zur Laudatio sein. Ich beabsichtige, ausgewählte Eindrücke aus persön-lichen Kontakten in den Vordergrund zu bringen. Einmal betrifft dies die Zeit gemeinsamer Arbeit bis zu seiner Emeritierung und dann die Zeit danach mit langjährigem Briefverkehr und Begegnungen, die in größeren Abständen stattfanden. Der Lebensweg bindet das Schaffen des Jubilars an verschiedene Perioden deutscher Geschichte. Die kreativste Zeit fällt in die Periode des geteilten Deutschland. Die Existenz der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bot die Grundlagen und Bedingungen für den wesentlichen Teil seines herausragenden Lebenswerkes. Dieser entstand in der Berufszeit als Ordinarius in Leipzig und als Mitglied zweier Wissenschaftlicher Akademien in Berlin. Mit Recht wird ROSENKRANZ im Biogra-phischen Lexikon „ Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinä-rmedizin“ (TH. GERBER, Berlin 2004) als der bedeutendste und bis 1968 einflussreichste Betriebs- und Arbeitswissenschaftler in der DDR bezeichnet. Auf die formulierte Zeitbegrenzung komme ich zurück. Der Versuch, eine sozialistische Gesellschaft mehr deutscher Prägung zu schaffen und die politischen Rahmenbedingungen boten dem Realisten ROSENKRANZ Raum, die landwirtschaftliche betriebs- und arbeitsökonomische Forschung auf neue Pfade zu leiten, die Ergebnisse betrieblich zu erproben und schnell in die Praxis zu überführen. Gleichzeitig forderten die neuen Bedingungen ROSEN-KRANZ als Visionär geradezu heraus, Fachkollegen und Praktiker immer wieder mit Zukunftsideen zu provozieren und deren Prüfung zu veranlassen oder aber herauszufordern. Wenn heute die ostdeutsche Landwirtschaft als die „modernste Agrarproduktion“ europaweit bezeichnet wird, nicht zuletzt wegen ihrer Anpassungsfähigkeit an den Rationalisierungsdruck der zunehmend neoliberal geprägten Industrie- und Informationsgesellschaft, dann hat gerade auch ROSENKRANZ mit seiner wissen-schaftlichen Arbeit daran soliden Anteil. Genügend Beispiele bestätigen seine visionäre Vorschau. Ein wesentlicher Teil seiner Lebensleistung sind die Erforschung der Grundlagen und die Lehre der Disziplin „Ökonomik sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe“ (als Wissenschaftsdisziplin ist die Bezeichnung „Sozialistische Betriebswirtschaft“ falsch). Diese Arbeiten erfolgten sowohl unter Nutzung von bisherigen Erkenntnissen klassischer Disziplinen als auch in Auseinandersetzung mit diesen. Erste Dispute, die sehr bald einen sachlichen Rahmen verließen und auf die der Jubilar oft bei passender Gelegenheit zurückkam, fanden schon in der neu gegründeten Sektion für Agrarökonomik der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin (DAL) statt. Hier in der DAL, die neben der Leipziger Universität von Anbeginn ebenfalls sein Dienstherr war, verschärften sich jene Konflikte, die schließ-lich zur Abberufung aus dem DAL - Dienstverhältnis führten. Doch gerade diese Leistungen in Wahl- und Führungsfunktionen akademischer Gremien zählen auch zu seinem Lebenswerk. ROSENKRANZ selbst hat Aussagen und Ergebnisse seiner Tätigkeit, vor und nach der Emeritierung, sachlich und kritisch - wie es seine Art war - in zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung dargelegt, auch was die Genossenschaft als Form der Vergesellschaftung betrifft. Er war von Möglichkeit und Richtigkeit der genossenschaftlichen Produk-tion als Weg für die Modernisierung der Landwirtschaft und zur Verbesserung des bäuerlichen Wohl-stands überzeugt. Auch seine jüngsten Arbeiten belegen dies immer noch. Dass er damals von Freiwil-ligkeit für diesen Weg ausging, ist bewiesen. Dass er nach der mehr oder weniger abrupt erzwungenen Vollgenossenschaftlichkeit seine eigene Person, das Potential der von ihm selbst geleiteten Institute und die Arbeit der akademischen Gremien, denen er vorstand, sogar intensivierte, ist ebenfalls bewie-sen. Gerade dies ehrt ihn eher, als es seine Leistung schmälert, wie es leider in böswilliger Absicht nach der deutschen Vereinigung auch versucht wurde. Zum Lebenswerk des Jubilars zähle ich weiterhin die Bildung einer eigenen wissenschaftlichen Schule. Die Vitalität dieser Schule zeichnet sich einerseits dadurch aus, dass nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ROSENKRANZ selbst wie auch seine Schüler die „bestandswürdigen“ wissen-schaftlichen Leistungen kritisch aufgearbeitet haben und für die Agrargeschichtsschreibung

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konservierten. Andererseits haben sie den „transformationswürdigen“ betriebswirtschaftlichen Wis-sensfundus sofort eingesetzt für Aufgaben der Struktur- und Vermögensentflechtung, gegebenenfalls des Neuzusammenschlusses, der Umwandlung in neue Rechtsformen und der Unternehmensführung. Ebenso haben sie sich der Unternehmensberatung zugewandt sowie sich den neuen Fragen der Agrarpolitik gestellt. Das von der „Leipziger Ökonomischen Societät“ herausgegebene umfangreiche Material, speziell zu diesen Aktivitäten, gibt hiervon Zeugnis. Da der Kontakt zwischen ROSENKRANZ und mir auch nach der Emeritierung nicht abgebrochen war - wir tauschten unregelmäßig Veröffentlichungen aus, telefonierten und trafen uns (zuletzt 2003 im Forstweg), glaubte ich, gut informiert zu sein. In 2005 entdeckte ich allerdings einige Lücken (H. MEYER, Versuch einer Biographie, Leipzig 2001 und mehrere Veröffentlichungen der Ökonomischen Societät), die jetzt geschlossen wurden. Ich habe den Eindruck, dass diese wissenschaftliche Traditionsvereinigung inzwischen zu der entscheidenden Heimstatt geworden ist, um auch das Werk von ROSENKRANZ zu bewahren, weiterhin seine Ideen und Visionen zu prüfen und so auch seine Schule zu erhalten. Bekanntlich sind Enkel und Entwicklungsfortschritt hierbei die entscheidenden Prüfglieder. Umso wichtiger ist rechtzeitige Erbepflege. Ich selbst begegnete dem Jubilar das erste Mal im Gründungsjahr der DAL zusammen mit meinem Lehrer ASMUS PETERSEN in Berlin, das ist 60 Jahre her. Bereits ein Jahr später arbeitete ich in der Forschungsstelle Gundorf an einem gemeinsamen Forschungsauftrag (zusammen mit Frau Lindemann und Frau Focke), der die Methodik der landwirtschaftlichen Stückkostenrechnung und deren Erprobung in VEG zum Inhalt hatte. Beide Mentoren, ROSENKRANZ und PETERSEN, waren zur Überzeugung gelangt, dass die Bedingungen für deren Einsatz nunmehr reif seien. Machbarkeits- und Brauch-barkeitsbeweis für dieses System der Kostenabrechnung lieferten sehr bald die VEG und schließlich langjährig auch die Buchführungen der ehemaligen LPG mit ihrer Kostenstellen- und Kostenträger-stückrechnung. Dieses Abrechnungssystem wiederzubeleben, so ROSENKRANZ in einem seiner letzten Vorträge, wäre heute für die Betriebe, die Agrarpolitik und die Gesellschaft nützlich. Es hat den Anschein, dass darüber wieder nachgedacht wird. Das Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, das den verpflichtenden Namen „Johann Heinrich von Thünen-Institut“ erhielt, könnte sich dieser Aufgabe annehmen. Bereits in Gundorf beeindruckten mich die gründliche, praxisnahe und rationale Arbeitsmethode des Jubilars, seine offensichtliche Berufung für das akademische Lehramt und seine visionäre Gabe. Während unserer gesamten Kontakte lernte ich diese Eigenschaft immer mehr schätzen. Damals allerdings setzte mich mehr noch seine menschliche Hinwendung in Erstaunen. Wegen Nachfolgen einer Kriegsverletzung für längere Zeit an das St. Georg - Krankenhaus in Leipzig gefesselt, erwartete ich keineswegs seinen Besuch. Dieser bot dann aber Gelegenheit zur Erinnerung an die gemeinsame westpreußische Heimat und an Menschen, die wir beide kannten. Ein leistungsstarker Rinderzuchtbetrieb unserer Familie in Rostau (Knoop) in der Danziger Niederung war nämlich Forschungsobjekt des BLOHM-schen Instituts in Danzig gewesen und Ziel regelmäßiger Exkursionen. Kontakte konnten später in Berlin wieder erneuert werden. Eine nachhaltige Zusammenarbeit mit ROSENKRANZ begann 1956 mit meiner ersten Berufungs-periode in die Sektion Agrarökonomik der DAL, der er als Sekretar vorstand und ab 1960 durch die Mitarbeit im Redaktionskollegium der Zeitschrift für Agrarökonomik, deren Chefredakteur er war. Die Sitzungen der Sektion, in denen wissenschaftstheoretische und sich aus neuen Anforderungen der Agrarpolitik ergebende Fragen erörtert wurden, waren langfristig gut vorbereitet und wurden von ROSENKRANZ souverän geleitet. Er war bemüht, selbst jede aus gesellschaftspolitischer Entwick-lung heraus resultierende kritische Diskussion im Interesse der praktischen Umsetzung zu einem Ergebnis zu führen. Als Koordinierungs- und Planungszentrum für die ökonomische Forschung bekam die Sektion unter ROSENKRANZ immer mehr Gewicht, wodurch auch die Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Fakultäten verbessert wurde. Die 1958 herausgegebene Zeitschrift für Agraröko-nomik wurde zum öffentlichen Spiegelbild für die Sektionsarbeit und für Arbeitsergebnisse aus den ökonomischen Akademie- und Universitätsinstituten. Die vom Jubilar geleiteten und gut besuchten Autorenkonferenzen förderten eine enge Verbindung zur Redaktion. Überhaupt belebte zu jener Zeit ein freimütiger und ideologisch noch „relativ“ wenig belasteter Ideenaustausch die fördernde Zusammenarbeit in kollegialer Weise zwischen den Ökonomen. ROSENKRANZ selbst trug hierzu wesentlich mit immer wieder neuen, manchmal bewusst provo-

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zierenden Fragestellungen bei. Nicht wenig von der heute in erfolgreichen Landwirtschaftsbetrieben völlig selbstverständlich angewandten Management-Organisation geht zurück auf Forschungen, die bereits damals gerade aus diesen Fragestellungen heraus angesetzt wurden. Schon früh führte uns auch die Studiengestaltung zusammen. So waren wir uns einig, dass die Einführung des 5-Jahrstudiums in der Agrarwissenschaftlichen Hochschulausbildung zu den sinn-vollsten und zukunftsträchtigsten Entscheidungen gehörte. Vom Ansatz her ist es wohl sogar das fortschrittlichste Studium zu jener Zeit überhaupt gewesen (im Vergleich zum Dilemma heutiger Studiengängen möglicherweise auch). Die Etablierung des Bereiches „Praktische Berufsausbildung“ und die Gestaltung der das Studium begleitenden Praktika gaben oft Gelegenheit zum Meinungsaustausch. Das Fernstudium, das vielen hervorragenden Praktikern das Hochschulstudium ermöglichte, beförderte ROSENKRANZ DDR-weit durch die Herausgabe der Fernstudienbriefe, für die seine Vorlesungen die Grundlage bildeten. Ich denke ebenfalls an die länger anhaltende Metamorphose der „Agrartechnologie“. Für die Rostocker Fakultät konnten wir bereits 1962 den ROSENKRANZ - Schüler GERHARD MÄTZOLD als „Pendler“ aus Gundorf für einen Lehrauftrag gewinnen („Maschineneinsatz und Technologie“) und ihn später zum Hochschullehrer berufen. Auch PETER SCHUHMANN (ROSENKRANZ-Diplomand und international ausgewiesener Technologe) fand den Weg in den Norden. Ebenfalls brachte Dr. PÖTKE seine Erfahrungen zur Grünfutter-Heißlufttrocknung aus Gundorf mit und setzte sie in unserem Universitäts-gut Groß Stowe um. Dass der Jubilar seinem Sohn Jörg empfahl, in Rostock zu studieren und dieser bei mir promovierte, habe ich persönlich stets als einen Vertrauensbeweis gewertet. Ebenso sei die gegenseitige Zusammenarbeit bei Fachtagungen und Exkursionen erwähnt, die gerade während der Zeit meines Dekanats überaus intensiv war. Besonders aber möchte ich die Un-terstützung hervorheben, die auch ROSENKRANZ unserem Autorenkollektiv bei der Herausgabe des Hochschullehrbuches „Grundriss der Ökonomik sozialistischer Landwirtschaftsbetriebe“ (Berlin 1966) sowohl im Vorfeld als auch danach gab. Der politische Gegenwind war damals sehr heftig. Die 2. Auflage konnte in der DDR durch politischen Druck auf den Verlag verhindert werden, die Herausgabe 1969 in Moskau aber nicht. In meiner heutigen Beurteilung trug das Geschehen der 60er Jahre in der ehemaligen DDR bereits zu jenen Veränderungen bei, die im Ergebnis innerer Kämpfe der Parteiführung schließlich bereits in den 70er Jahren nachhaltig volkswirtschaftlich negative Auswirkungen einleiteten. Die zunächst vorsich-tige Reform im politischen System bedeutete gewisse Freiräume und brachte nicht nur im kulturellen Bereich Bewegung. Sie ermunterte vor allem auch das Streben nach Erhöhung der betrieblichen Eigenwirtschaftlichkeit. Ein diesbezügliches Thesen-Papier für die Landwirtschaft von GAMPE, GUSSEK, JANNERMANN und SEIDEL, welches ROSENKRANZ unterstützte, wurde jedoch durch zentrale Führungsstellen abgewiesen. Auch für die ostdeutsche Wissenschaftsgeschichte gehört dieser Zeitraum zu einem dunklen Kapitel. Wegen unterschiedlichster Interessen erfahren kausale Zusammenhänge aber heute oft sowohl tenden-ziöse wie laxe Behandlungen. Da die Vita ROSENKRANZ betroffen ist, habe ich entschieden, darauf einzugehen. Schon gleich nach der 10-Jahresbilanz, welche die Sektion Agrarökonomik in ihrer Zeitschrift zu ihren Arbeitsergebnissen zog (4. Jahrg. H.5), setzte eine heftige öffentliche Kritik durch die Partei-führung in einem Gegenbeitrag durch GRÜNEBERG in der gleichen Zeitschrift ein (5. Jahrg. H.1). Namentlich wurde die Kritik untersetzt an BAIL, THIEME und gleich dreimal an meiner Person. Das Letztere hing wohl auch damit zusammen, dass meine Wahl zum Kandidaten der DAL verhindert werden sollte, was der Präsident jedoch abwendete (BA, Akte DK 107, A 418/219). Zur gleichen Zeit wurde aber ROSENKRANZ die Bestätigung der erfolgten Wahl zum Vizepräsidenten versagt. Mitte 1967 musste die DAL auf Beschluss des Landwirtschaftsrates der DDR die Herausgabe ihrer Fachzeitschriften „Die Deutsche Landwirtschaft“ und „Agrarökonomik“ einstellen. Auch folgte ein gewisses Strukturgewirr, über das selbst in dem positiv zu bewerteten zweibändigen Werk zur Geschichte der DAL (H. WAGEMANN „Von der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin zur Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR“, Berlin 2006) der Mantel des Schweigens gedeckt ist. Erst 1972 wurde das Interregnum mit neuem Statut und neuer Namensgebung beendet.

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Die fortdauernde Kritik an der DAL, die sich selbst als „Gesellschaft von Wissenschaftlern“ be-zeichnet hatte, fand im Hochschulbereich ihre Parallele in den ab 1965/66 laufenden Vorbereitungen zur 3. Hochschulreform und schließlich in deren voller Durchsetzung in 1968/69. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Fakultäten als Struktureinheiten aufgelöst, die Universitätsinstitute liquidiert und die Institutsdirektoren abberufen. Die Bildung von Universitätssektionen musste im Agrarbereich der unsinnigen Trennung nach Tier- und Pflanzenproduktion folgen. ROSENKRANZ bezeichnete dies als Unfug und unterstützte die Durchsetzung von Zusatzstudien (Brief vom 11.01.85). Die Reform diente aber auch maßgeblich mit dazu, bewährte akademische Führungspositionen zu beseitigen, was auf wenig Einsicht stieß und erheblichen Sympathieverlust zur Folge hatte. Hoffnung und Überzeugung, auch jetzt wieder das Beste daraus zu machen, war die verbreitete Reaktion der meisten Betroffenen, so auch die des Jubilars, der dadurch allerdings eine doppelte Abberufung erfuhr. Darauf will ich jetzt eingehen. Zu dem strukturellen und personellen Reformdruck, unter den die DAL geriet, gehörte auch die Besetzung von Führungspositionen in Personalunion bei mehrfachen Dienstverhältnissen. Der Prä-sident wurde massiv veranlasst, Direktoren aufzufordern, die sowohl einem DAL - als auch einem Universitätsinstitut vorstanden, sich nur für ein Dienstverhältnis zu entscheiden. Wahlfunktionen und Lehrberufungen waren ausgenommen. Die Rostocker Fakultät war dreimal betroffen: RUDOLF SCHICK und KURT NEHRING entschieden sich für ihre DAL-Institute. WILHELM STAHL wählte sein Universitätsinstitut. Der Jubilar aber lehnte eine Entscheidung ab. Aufforderungen und Gespräche mit dem Präsidenten zogen sich über mehrere Jahre hin. Auch dies führte zunehmend zu initiierten persönlichen Ressen-timents durch Partei- und Staatsorgane gegen ihn und zerrüttete bedauerlicherweise zunehmend das Verhältnis zwischen STUBBE und ROSENKRANZ. In mehreren persönlichen Unterhaltungen mit dem Jubilar gewann ich den Eindruck, dass er sich von der Partei- und Staatsführung Unterstützung erhoffte. Ein folgenschwerer Irrtum, denn der Druck ging gerade von hier aus. Kritiken nahmen unterschiedliche Wege, auch informelle, was ebenfalls für Gundorf zugetroffen haben muss. So musste sich das Präsidium 1967 wegen beanstandeter Forschungs- und Qualifizie-rungsrückstände mit den Instituten in Riems und Gundorf befassen, nachdem Analysen angefertigt werden mussten. Nach der Präsidiumssitzung in Leipzig besuchte ich den Jubilar während des Augusturlaubs in Zingst noch einmal in der Hoffnung, ihn für eine Universitätsentscheidung um-stimmen zu können, jedoch ohne Erfolg. (Verständlich war diese Haltung im Hinblick auf die persönliche Leistung bei Aufbau und Führung beider Institute und das moralische Recht, welches er daraus ableitete. Unverständlich blieb diese Haltung im Hinblick auf die Gefährlichkeit von politischer Willkür). Zu diesem Zeitpunkt wussten wir allerdings alle noch nicht, dass eineinhalb Jahre später an den Fakultäten den Institutsdirektoren ebenfalls, und zwar generell, die Abberufung drohte. In der Folgezeit wurde jedoch klar: außer der Schmälerung des Einflusses aus den Universitäten ging es in der DAL vor allem um die Erhöhung direkter staatlicher Einflussnahme. So folgte dann auch bald die staatliche Unterstellung der ökonomischen Institute der DAL, auch die von Gundorf (Böhlitz-Ehrenberg), welches erst 1982 wieder in den Verband der Akademie zurückkehrte. Leider erreicht die Schrift von H. MEYER zu diesen sich unterschwellig entwickelnden und später unumkehrbaren einschlägigen Kontroversen, die wesentlich die Abberufung als Institutsdirektor innerhalb der DAL durch politischen Druck begründeten, keine Transparenz. Auch erhält die Beurteilung der spezifischen agrar- und betriebswirtschaftlichen Prozesse jener Zeit im Kontext zur Politik keinen fachlichen Tiefgang, eher nur eine oberflächliche journalistische Abwertung, die dem Kern des Lebenswerkes von OTTO ROSENKRANZ nicht gerecht wird. Es ist nicht auszuschließen, dass der Autor, der faktisch zeitnah nicht explizit involviert war, übrigens auch nicht Betriebswirt-schaftswissenschaftler ist, eher zu partizipieren beabsichtigte. So sind auch Bezüge zu mir durch Interpretationsphantasien, Auslassungen, Halbwahrheiten oder Falschangaben gekennzeichnet und werden mit vorsichtig formulierten Absicherungen kompensiert, was ebenfalls eine bestimmte Absicht vermuten lässt. Wohl auch deshalb folgte der Autor nicht dem eindringlichen Rat von IRENE KAMUTZKI, ehemals Redakteurin der Zeitschrift für Agrarökonomik der DAL, mich zu befragen. Nachdem ich in der Selbstdarstellung des Autors (S. 85 besagter Schrift) ebenfalls bewusste Falschan-gaben feststellen musste, erübrigte sich jeder weitere Kommentar.

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Nach Kenntnisnahme der Schrift sprach ich mit ROSENKRANZ darüber fernmündlich (er hatte die Schrift 2003 beim Besuch im Forstweg nicht erwähnt) und bekam Spruchweisheiten zu hören, wie sie typisch für ihn waren. Die Frage, ob er eine Autobiographie ähnlich geschrieben hätte, beantwortete er sinngemäß: „abgesehen davon, dass ich dazu nicht die erforderliche Ausdauer hatte, eher nicht, aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“. Die Frage, wie er die mir zugeschriebene Rolle sehe, kommentierte er wörtlich mit „ persönliche Provokation habe ich immer für dümmlich gehalten und sie meist ignoriert, reagieren muss man auf sachlichen Unfug “. Leider stellte ich nicht die Frage, ob er oder im Auftrag einer seiner Schüler die Endfassung dieser Schrift autorisiert habe. Zum Autor: Die Ingenieurschule für Meliorationen Greifswald-Eldena trägt diese Bezeichnung erst seit 1963. Mit Änderung des Ausbildungsprofils wurde sie nämlich zu diesem Zeitpunkt durch Umwandlung aus der dortigen Fachschule für Landwirtschaft und Meliorationen gebildet. Diese wiederum entstand 1953 durch Zusammenlegung der Fachschule für Landwirtschaft in Greifswald-Ladebow und der Ingenieurschule für Wasserbau und Kulturtechnik in Greifswald-Eldena als Fachschule für Landwirtschaft und Hydrotechnik. Der Autor kann also niemals Dozent und Fachlehrer an der von ihm benannten „Ingenieurschule für Meliorationen“ gewesen sein. Auch für die Zeit von 1951-1958 ist in den Unterlagen der Vorläufer- Schulen ein Dozent bzw. Fachlehrer Hansgünter Meyer für Landwirtschaftliche Betriebslehre nicht nachweis-bar. Nachfragen zu einer Dozentur für Betriebslehre von H. M. bei Zeitzeugen waren ebenfalls negativ. Mir ist die Ingenieurschule für Meliorationen Greifswald-Eldena als Lehrkraft, aber auch ihre Geschichte und die der Vorläufer-schulen bis zurück zur Gründung der Landwirtschaftlichen Akademie 1835 durch FRIEDRICH GOTTLIEB SCHULZE sehr gut bekannt. Nach meiner Entpflichtung als Dekan und Institutsdirektor an der Universität Rostock (3. HSR) musste ich nämlich an dieser Schule von 1970 – 1973 (die Zeit meiner „Verbannung“) auf Alternativdruck zweier staatlicher Organe (Staatl. Komitee für Meliorationswesen und Staatssekretariat für Hoch- u. Fachschulwesen) ein postgraduales Diplom-Ing. Sonderstudium zum „Meliorationsökonom“ (zwei Matrikel) organisieren und es als „Ausbildungsleiter“ managen. Nach der Emeritierung von OTTO ROSENKRANZ wurde unser Kontakt unregelmäßiger. Ein Jahr-zehnt später hatten wir aber Gelegenheit zu einem ausführlichen Arbeitsgespräch. Er befasste sich zu dieser Zeit mit einer Arbeit, von der ich erst annahm, dass sie Teil seiner Memoiren wäre. Ich stellte später jedoch fest, dass sie mehr der Materialsammlung galt für seinen Sitzungsvortrag „Zu Geschichte und Aufgaben der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftswissenschaften in der DDR“, gehalten in der Klasse Philosophie, Ökonomie, Staats- und Rechtswissenschaften der Akademie der Wissen-schaften zu Berlin (Sitzungsberichte, Akademie-Verlag, Berlin 1987). Seit seiner Emeritierung war es durch übertriebene unsensible Spezialisierung und Konzentration vielerorts zur Entfremdung der Genossenschaftsbauern vom eingebrachten Boden gekommen. Verluste an Selbstbestimmung über die Nettoproduktverwendung kennzeichneten Prozesse der Verstaatlichung in den Genossenschaften. Dies waren Gründe dafür, dass eine Gruppe von Betriebswirtschaftswissen-schaftlern (GAMPE, GERSTENBERG, GRÄF, GUSSEK, JANNERMANN) wieder damit begann, Reformpro-jekte für die Verbesserung bzw. Wiederherstellung der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Landwirt-schaftsbetriebe auszuarbeiten. An diesen Arbeiten, deren erste Ergebnisse dann auch vorsichtig ab Anfang 1988 öffentlich diskutiert wurden, war ROSENKRANZ stark interessiert. Betriebliche Unternehmensstrategie, Eigentümerinitiative, Eigenwirtschaftlichkeit, Bedeutung des Gewinns in der Zielbestimmung, Nettoergebnisverwendung u. ä. waren stets ökonomische Brenn-punktthemen gewesen. Einer zufrieden stellenden Lösung durch politische Rahmenbedingungen wurden jedoch oft mehr Grenzen gesetzt, als Steuerungshilfen eröffnet. So wiederholten sich ständig Diskussionen zu diesen Problemen. ROSENKRANZ erinnerte mich an einen gemeinsamen Diskussionsabend mit RICHARD MANTEUFFEL-ZOEGE in Warschau vor 20 Jahren. Gegenstand war damals die Bedeutung des betrieblichen Gewinns als Stimulus und Repro-duktionsquelle im sozialistischen Vergesellschaftungsprozess und die Gefahr, dass dieser in Verstaatlichung umzuschlagen droht, sobald den Betrieben der Einfluss über diesen Stimulus beschnitten oder genommen wird. Sein damaliger Kommentar zur genossenschaftlichen Eigentümerinitiative, (den ich im Tagebuch festhielt, auch wegen des Bezugs zu MANTEUFFEL), lautete: „Obwohl wir uns angestrengt haben, immer wieder das Richtige zu wollen, ist doch wohl viel in den letzten 20 Jahren versäumt worden. Vielleicht hätte selbst MARX es besser gekonnt.“ ROSENKRANZ verband Fortschritt mit Tradition. Bot sich Gelegenheit, nutzte er diese stets für Hin-weise, bewährtes Vorwissen für weiteren Erkenntnisgewinn nicht zu missachten. Die Anfangsjahre in der Sektion für Agrarökonomik boten ihm hierfür hinlänglich Beispiele, so auch die Auseinanderset-zung um den international herausragenden Agrartheoretiker J. H. v. THÜNEN. Als Folge eines ideolo-gisch und politisch forcierten Meinungsstreites, erst mit KURT RITTER, wenig später mit HERBERT LUCK und KARL LEMMNITZ (jeder berief sich übrigens in seiner Argumentation immer auf KARL MARX)

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hatte ASMUS PETERSEN schließlich 1958 aus Frust sein Ordinariat für Landwirtschaftliche Betriebs-lehre in Rostock aufgegeben. Es brauchte über zwei Jahrzehnte für eine Richtigstellung damaliger Verirrungen. So waren wesent-licher Gesprächsstoff unserer Zusammenkunft die Veröffentlichungen der von uns in Rostock 1980 und 1983 durchgeführten Symposien zur Würdigung von ASMUS PETERSEN und JOHANN HEINRICH von THÜNEN („ASMUS PETERSEN-Gedenksymposium“, Rostock 1980; „Internationales THÜNEN-Symposium“, Rostock 1983). Ich stelle dies heraus, weil ROSENKRANZ danach im Brief die Zusam-menhänge auf seine Weise mit einer m. E. grundlegenden These so kommentierte: „ Es hat sich doch vieles seit dem geändert – vor allem in der Einstellung zu dem, was einmal war. Die bedeutendste Erkenntnis scheint mir die These zu sein, dass man ein historisches Erbe nun einmal nicht teilen kann“. Sachliche und sensible Aufarbeitung ohne Ranküne ist geboten. Und weiter zum obigen Bezug: „Ich glaube, dass GUSSEK mit seiner Habilitationsschrift (Analyse der Wechselbeziehungen zwischen der gesellschaftlichen Produktionsweise und der bürgerlichen Landwirtschaftlichen Betriebslehre, Rostock 1969), die ja leider bisher nicht veröffentlicht wurde, auch seinen Anteil daran hat“. Diese These von der Unteilbarkeit eines historischen Erbes bleibt nach wie vor diskussionswürdig. Gerade deshalb rufe ich sie für meine abschließenden Ausführungen in Erinnerung, auch im Hinblick auf die Haltung des Jubilars. Immer wieder werden zu historischen Leistungen wegen aktueller Anlässe aus engstirniger Grundhaltung, aus Un- und Halbwissen oder mit Absicht unsachliche Bewertungen vorgenommen. Daraus abgeleitete Politik ist meist demolierend und diskriminiert Lebensleistungen, nicht nur solche von Klassikern (wie z. B. jene von THÜNEN), sondern auch solche von Menschen, die ehrlich und im Gemeinwohlinteresse ihrer Arbeit mit Erfolg in der ihnen zugefallenen historischen Periode nachgingen. Das Hochschulerneuerungsgesetz und das Landwirtschaftsanpas-sungsgesetz waren wieder Beispiele für „Unsachlichkeit und Unsensibilität“ im Umgang mit Lebens-leistungen. Das erstere ermächtigte zu einem Kahlschlag in der ostdeutschen Hochschullandschaft und trug dazu bei, dass etwa 70 % der durch „Ehrenverfahren“ erfassten Hochschullehrer an akademischen Einrichtungen der DDR entlassen und leistungsfähige Einrichtungen abgewickelt wurden (siehe auch A. HECHT, Berlin 2008). Mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz sollte versucht werden, genossenschaftliche Lebensleis-tung wieder zu zerstören. Wenn dies nicht gelang, so deshalb, weil die Mehrzahl der Bauern in den neuen Bundesländern jene Vorteile rationeller landwirtschaftlicher Produktion nicht aufgeben wollte, die sie sich unter nicht immer leichten Bedingungen bereits selbst geschaffen hatte. So war auch dieser „Rückwärtsweg“ nicht im Sinne von OTTO ROSENKRANZ. Er unterstützte die Bemühungen in der ostdeutschen Landwirtschaft um Anpassung an neue Rechtsgrundlagen und an veränderten agrarpoliti-schen Rahmenbedingungen mit voller Überzeugung. Mit analytischer Klarsicht erkannte er sowohl den unternehmerischen Handlungsbedarf als auch die Grenze, die durch eine Agrarpolitik fixiert wurde, die ähnliche Steuerungsfehler aufwies, wie einige bekannte der ehemaligen DDR, wenn auch mit anderem Vorzeichen. Ich meine speziell die Verteilungsabhängigkeit der Landwirtschaft, in der sie sich schon permanent seit dem 19. Jahrhundert befindet. Um den Gerechtigkeitsanspruch der Bauern als Nah-rungsmittelproduzenten zu kompensieren, ist Politik für keinen anderen Volkswirtschaftszweig je so erfinderisch gewesen wie mit den agrarpolitischen Versuchen zu einer „Verteilungsgerechtigkeit“ und durch ständige „Agrarreformen“. Subventioniert wird eigentlich der Nahrungsmittelkonsument, nicht der Bauer. Dieser gerät vielmehr in Abhängigkeit. Denn Subventionen lassen sich sogar je nach Belie-ben und Zeitgeist als politische Strategiemittel auch gegen Bauern verwenden. In seinen letzten Veröffentlichungen nahm Rosenkranz hierzu Stellung. Gerechtigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit gleichzusetzen ist ein Irrtum. Zu verteilende Mittel müssen erst erarbeitet werden und können bei Arbeitsteilung dann getauscht werden. Der Gerechtigkeitsanspruch beginnt im Ansatz also nicht mit der Verteilung. Letztere setzt eine besondere und lobbyistisch untersetze Hierarchiestärke voraus, die ständig zunimmt. Gerechtigkeitsanspruch beginnt beim Tausch unter Gleichberechtigten. Dieser Ansatz entspricht im Übrigen dem Grundmuster der Demokratie, er gilt für alle, insbesondere auch für öffentliche Güter. So wird die Agrarwirtschaft ihre derzeitige Verteilungsabhängigkeit, die zugleich in unverhältnismäßig hohem Maße Politikabhängigkeit ist, erst dann überwinden können, wenn sie aus sich heraus die Befreiung zum Gleichberechtigten in Wirtschaft und Gesellschaft schafft (G. JANNERMANN, Rostock 1997).

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ROSENKRANZ setzte sich vehement gegen Versuche zur Wehr, bisherige Leistungen der ostdeut-schen Landwirtschaft und die neu eingeschlagenen Wege der Landwirtschaft zu diskriminieren. Solche Versuche gab es genug. Besonders unwissenschaftlich, geradezu verleumderisch, waren die Auslas-sungen von W. HANKEL (Die sieben Todsünden der Vereinigung: Wege aus dem Wirtschaftsdesaster“, Berlin 1993). Den hierüber von ROSENKRANZ mit HANKEL und H. PRIEBE geführten Briefdisput halte ich für so aufschlussreich, dass darüber eine gesonderte Dokumentation gefertigt werden sollte. Wegen der präzisen Situationsanalyse und der konstruktiven Vorschläge sollte auch diese Dokumentation seiner Veröffentlichungsliste beigefügt werden. Ähnlich wie das dem Einigungsvertrag folgende Landwirtschaftsanpassungsgesetz zunächst „rück-wärts“ gerichtet war, so waren auch die Rentenreglungen für die Altersversorgung der Intelligenz (AVI) nach Ansicht der Betroffenen einigungsvertrags- und grundgesetzwidrig. Als sich vielerorts organisierter Widerstand ergab, bildete sich auch in Leipzig ein Ostdeutschland weite „Interessen-gemeinschaft der Emeriti und Hochschullehrer“. Es spricht für die Integrität des Jubilars, dass er zum ersten Vorsitzenden dieser Gemeinschaft gewählt wurde (1993-1996). Die Interessengemeinschaft hat ihm viel zu verdanken. Als ich um diesen Beitrag gebeten wurde, stellte man auch die Frage, ob ich den Jubilar als Wissenschaftspolitiker würdigen könne. Das habe ich aber verneint. OTTO ROSENKRANZ hat sich selbst nie als Politiker begriffen, dessen bin ich sicher. Zu groß war seine Aufrichtigkeit. Diplomatie war ihm nicht fremd, aber er handelte stets mit offenem Visier, auch wenn er sich politisch einmischte. Und das tat er, bis in sein hohes Alter, weil er für Gerechtigkeit und Wahrheit eintrat und dafür kämpfte. Der Verfasser studierte nach Leitungstätigkeiten in der Praxis an der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, promovierte nach seinem Studium 1954 bei Petersen, habilitierte sich 1960, wurde dort als ordentlicher Professor mit Lehrauftrag für Landwirtschaftliche Betriebslehre berufen, lehrte auch Kursfächer für Betriebsprojektierung, Nutzensrechnung und Taxation und hatte auch eine Gastprofessur an der Universität ST. Clara/Cuba. Mit dieser und weiteren Einrichtungen in Polen, Tschechoslowakei und Estland hatte er eigene Projekte. Forschungs- und Arbeitsergebnisse von ihm sind in über 200 in- und ausländischen Publikationen niedergelegt, darunter mehrere Lehrwerke. Unter seiner direkten Betreuung promovierten 75 Doktoranden und 24 Wissenschaftler habilitierten oder graduierten zum Dr. sc. unter seiner Ägide. Er wirkte befristet als Direktor des Instituts für landwirt-schaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik, als Dekan der Fakultät und als Direktor der Sektion Meliorationswesen und Pflanzenproduktion. Er war ordentliches Mitglied der DAL zu Berlin, Mitglied der Internationalen Assoziation der Agrarökonomen. Die Universität Debrecen verlieh ihm 1982 die Ehrendoktorwürde. 1990 unterstützte er aktiv Erneuerungsprozesse an der Universität sowie in der Praxis und war führender Mitbegründer der Thünengesellschaft. Nach der Emeritierung wirkte er als Sachverständiger, Unternehmensberater und führte als praktischer Landwirt ein von ihm begründetes Islandpferdegestüt. Anschrift: Prof. em. Dr. habil. Dr. h. c. Gerhard Jannermann Ulanenhof-Ziegelei 1 D - 17179 Altkalen E-Mail: [email protected]

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Eberhard Schulze

Walter Ulbricht gegen Otto Rosenkranz Auf dem in Schwerin stattfindenden Kongress Junger Neuerer der Landwirtschaft vom 14. bis 16. Januar 1955 hatte sich der Leipziger Student Heinz Stephan im Auftrage einer höheren FDJ-Leitung darüber beschwert, dass an der Leipziger Fakultät die sowjetischen Neuerermethoden nicht gelehrt würden, weshalb er sich darüber gar kein Urteil bilden könne. Der anwesende Walter Ulbricht hatte daraufhin die Leipziger Fakultät kritisiert, worauf sich die Professoren in einer Stellungnahme (diese ist im Bundesarchiv nicht zu finden, wahrscheinlich wurde sie nicht archiviert) dagegen verwahrten, da die Information einseitig gewesen sei. Auf der nachfolgenden „Versammlung der FDJ-Organisation der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig am 18. März 1955 im Haus Auensee“ hatte Prof. Rosenkranz, dem sich die anderen Professoren anschlossen, gleich zu Beginn seine Teilnahme davon abhängig gemacht, dass Heinz Stephan nicht, wie von der FDJ vorgesehen, im Präsidium Platz nimmt. An der Versammlung nahmen auch Staatssekretär Harig, Praktiker und sowjetische Professoren teil. Um einen Eklat zu vermeiden, hatte Rektor Georg Mayer die Versammlung unterbrechen lassen und Heinz Stephan auf seinen Platz im Präsidium verzichtet. Am 27. April 1955 schrieb Ulbricht einen Brief „An die Herren Professoren der Landwirtschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität“, in dem er ausgehend von der Erklärung der Professoren u. a. ausführte: „Die Ausbildung aus den landwirtschaftlichen Fakultäten unserer Universitäten und Hochschulen entspricht nicht dem Stand der fortgeschrittenen Wissenschaft. Die Studenten lernen nicht die Neuerermethoden kennen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das Lehrprogramm an den Hochschulen und Universitäten zu überprüfen. … Die Veröffentlichung der Erklärung der Herren Professoren der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät Leipzig gibt mir die Veranlassung, meine persönliche Meinung zu den Fragen mitzuteilen. Wir stimmen völlig überein, wenn über die Bedeutung der Wissenschaft für die menschliche Gesellschaft von unseren Wissenschaftlern die Meinung vertreten wird, dass es Aufgabe der Wissenschaft ist, dem Fortschritt zu dienen. Es ist jedoch dann selbstverständlich, dass mit den Fortschritt der gesellschaftlichen Verhältnisse entsprechend dem Charakter der Wissenschaft auch die Lehre an den Universitäten entwickelt werden muß. … Es ist selbstverständlich, dass die neuen ökonomischen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik auch ihre Auswirkungen auf die Lehre der Agrarwissenschaften haben müssen. Die Einheit von Theorie und Praxis muß zum Grundprinzip in der wissenschaftlichen Ausbildung werden. Die Einheit von Theorie und Praxis muß in der gesamten wissenschaftlichen Arbeit bestehen und sich in Teilen in der Lehre widerspiegeln. Es ist selbstverständlich, dass die Wissenschaft sich dabei nicht auf irgendwelche Erscheinungen der Praxis orientieren kann, sondern daß sie sich entsprechend dem Charakter der Wissenschaft auf die fortschrittlichste, die sozialistische Praxis orientieren muss. …“ Ulbricht griff danach in seinem Brief Rosenkranz direkt an, dass seine Aussage in einer FDJ-Versammlung, die Studenten müssen im Praktikum erst einmal wirklich arbeiten lernen, damit sie verstehen, wie schwer Landarbeit, aber auch wie schön sie ist, nicht ausreiche: „Die Studenten können nicht richtig arbeiten lernen, wenn sie nicht nach den sozialistischen Grundprinzipien der Wirtschaft arbeiten, wenn sie nicht lernen, in Brigaden zu arbeiten, die Arbeit nach dem Leistungsprinzip durchzuführen, wenn sie nicht Kenntnisse besitzen, wie die Arbeit im sozialistischen Landwirtschaftsbetrieb planmäßig organisiert wird, wie die Planung und Plankontrolle erfolgt usw.“ Die Fakultät antwortete Walter Ulbricht in einem Brief am 7.5.1955 (ebenfalls nicht auffindbar). Wie aus dem nachfolgenden Brief Ulbrichts vom 3. Januar 1956 zu entnehmen ist, reagierte die Fakultät jedoch nicht seinen Wünschen entsprechend:

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„Im Frühjahr 1955 hatte ich Ihnen sehr ausführlich über einige neue Fragen der Landwirtschaft geschrieben, mit der Bitte, diese Anregungen im Studienprogramm der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät zu berücksichtigen. Da von der Fakultät keine Vorschläge gemacht wurden, die Gegenstand einer Aussprache sein könnten, ist die von Ihnen angeregte Aussprache unterblieben. Inzwischen sind jedoch auf der IV. Konferenz der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften neue wissenschaftliche Fragen beraten worden. Außer der angenommenen Entschließung und dem Referat hat der Präsident der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften, Herr Prof. Stubbe, bedeutungsvolle Fragen behandelt und Vorschläge unterbreitet. Ich schlage vor, dass an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät zu den Ergebnissen der IV. Konferenz der LPG Stellung genommen wird. Ich bitte um Mitteilung der Fragen, die in diesem Zusammenhang von Ihnen gestellt werden. Danach bin ich zu einer Aussprache mit Vertretern der Fakultät bereit.“ Am 7. April 1956 fand dann diese Aussprache in der Fakultätsversammlung mit Walter Ulbricht statt, über die in der Bürovorlage für die SED-Bezirksleitung Leipzig am 11. April 1956 wie folgt berichtet wird: „Am 7.4.1956 fand eine Vollversammlung der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät statt, an der fast der gesamte Lehrkörper und fast die gesamte Studentenschaft teilnahmen. Auf der Versammlung sprach Gen. Ulbricht. In der Begrüßung wies der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Mühle, darauf hin, dass die Lehrkräfte schon lange den Wunsch geäußert hätten, sich mit Gen. Walter Ulbricht über die Ereignisse der Schweriner Konferenz der Jungen Neuerer (Kritik des Studenten Stephan an den Lehrmethoden der leipziger Fakultät) auszusprechen. Genosse Walter Ulbricht erläuterte zu Beginn seines Referates, dass die Kritik an der Ausbildung der Studenten der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultäten, wie sie auf der Schweriner Konferenz am Beispiel Leipzig abgehandelt wurde, keine spezielle leipziger Angelegenheit sei, sondern an allen Fakultäten gleiche oder ähnliche Mängel auftreten. Die Schweriner Diskussion hatte zum Ziel, Klarheit über die sozialistische Perspektive in der Landwirtschaft zu schaffen und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Ausbildung der Studenten darzulegen. Im Anschluss an diese einleitenden Bemerkungen behandelte Genosse Walter Ulbricht die Hauptaufgaben, die sich aus der Direktive des 2. Fünfjahrplanes für Lehre und Forschung an den landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultäten ergeben. Während der Ausführungen des Gen. Walter Ulbricht kam es zu provokatorischem Auftreten der Masse der Studenten (Zischen und Scharren) und zu Zwischenrufen einzelner Professoren (Rosenkranz und Heinisch). In der anschließenden Diskussion trat u. a. die Hilfsassistentin Ute Geyh auf und wandte sich in scharfer Form gegen den starken Anbau von Hackfrüchten im Oderbruch. Sie forderte eine Reduzierung des Hackfruchtanbaus zugunsten des Getreide- und Futterbaus. Ihre Darlegungen waren offensichtlich vorbereitet und wurden von den Studenten, vor allem des 4. Studienjahres, mit großem Beifall quittiert. Die richtig stellenden Zwischenbemerkungen des Genossen Walter Ulbricht stießen bei den Studenten auf Ablehnung. Durch seine Zwischenrufe hatte Prof. Rosenkranz eine ungünstige Atmosphäre geschaffen. Bei Ankündigung seiner Diskussion wurde er mit großem Beifall empfangen. Die Masse der Studenten erwartete, dass Rosenkranz in der Diskussion gegen die von Gen. Walter Ulbricht dargelegten Auffassungen auftreten würde. Der Verursacher der kleinbürgerlichen Äußerungen war das 4. Studienjahr, für deren Ausbildung und Erziehung vor allem Prof. Rosenkranz die Verantwortung trägt. Die anwesenden Mitglieder der Partei (ca. 60) verhielten sich gegenüber den feindlichen Äußerungen passiv. Die Mehrheit der Genossen Studenten beteiligte sich sogar an den Missfallensäußerungen. Kein anwesendes Mitglied der Partei trat gegen die Unverschämtheiten einzelner Professoren und der Studenten auf. Daraus ergeben sich folgende Tatsachen:

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Es gibt im Lehrkörper keine Klarheit über die Gesetzmäßigkeiten des Sieges des Sozialismus in der Welt, über die sozialistische Perspektive Deutschlands und in der Landwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik. Davor gab es nur eine ungenügende Orientierung auf den sozialistischen Sektor der Landwirtschaft, auf die Praxis des sozialistischen Aufbaues und die Aufgaben der nächsten Jahre. Es gab keine Auswertung des XX. Parteitages und der 3. Parteikonferenz. In der Diskussion zu den Fragen des Personenkults gab es starke Schwankungen unter fast allen Mitgliedern der Partei. Sie äußerten sich im ungenügenden Vertrauen zum ZK der KPdSU, im ungenügenden Vertrauen zum Politbüro der SED und in Angriffen gegen den Genossen Ulbricht. So äußerte Gen. Lill (Assistent), daß es zweckmäßig sei, einen neuen Generalsekretär unserer Partei zu wählen …“ Nach Erich Schade, der an der Veranstaltung teilnahm, kam es u. a. zu den Zwischenrufen von Rosenkranz und Heinisch und Protesten der Studenten, weil die Rede Ulbrichts fehlerhafte Ertragsangaben enthielt, wobei er Ertrag je Hektar und je Ar verwechselte. Ottokar Heinisch äußerte deshalb zu Walter Ulbricht, er solle bei der Politik bleiben und die Landwirtschaft den Agrarwissenschaftlern überlassen. Aus einem weiteren Bericht der SED-Bezirksleitung geht hervor, dass sich Walter Ulbricht in seiner Rede auch mit dem Lehrbrief „Landarbeitslehre“ von Rosenkranz auseinandergesetzt hat, der sich sowohl auf Familienbetriebe als auch auf kapitalistische und sozialistische Großbetriebe bezog. Walter Ulbricht bezeichnete den Inhalt als überholt, da nur Fachleute für die sozialistische Landwirtschaft auszubilden sind. Das Protokoll der 9. Leitungssitzung der Universitäts-Parteileitung vom 11. April 1956 ermöglicht ein besseres Verständnis für die Hintergründe, die auf der Versammlung zu den Auseinandersetzungen führten. Die DAL mit Kurt Vieweg und Otto Rosenkranz als einflussreichen Mitgliedern – immerhin war letzterer seit 1953 auch Vorsitzender der Akademie-Kommission zur Betreuung der LPG – hatte die Beschlüsse der IV. LPG-Konferenz, auf die sich Ulbricht u. a. bezog, als falsch zurückgewiesen. Im dritten Brief Ulbrichts vom 7. Mai 1956 „An den Dekan der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Karl Marx-Universität, Herrn Prof. Dr. Mühle“ bekräftigte er nochmals alle seine Forderungen, wobei er wiederum auf die IV. LPG-Konferenz Bezug nahm und sich nochmals ausführlich mit dem Lehrbrief zur Landarbeitslehre auseinandersetzte und Rosenkranz vorwarf, dass er die schnelle Mechanisierung außer Acht lasse. Forschung und Lehre sollten folglich vollständig auf die Belange der LPG umgestellt werden, obwohl diese 1956 erst 23,2 % der Landwirtschaftlichen Fläche bewirtschafteten. In den Köpfen der führenden SED-Funktionäre um Walter Ulbricht bestand offensichtlich die Vorstellung, dass die vollständige Kollektivierung nicht mehr fern ist (die im Frühjahr 1960 bekanntlich auch unter Zwang verwirklicht wurde) und die Universitäten und Hochschulen dafür schon vorher die künftigen Leiter ausbilden sollen. Ein Aktenordner aus dem Jahre 1956 trägt im Staatssekretariat für das Hochschulwesen dann auch bereits die Aufschrift „Entwicklung und Aufgaben der Landwirtschaftlichen Fakultäten und ihre Umgestaltung in sozialistische Bildungsstätten“. Die Zielstellung Walter Ulbrichts teilten damals offensichtlich nicht alle hohen SED-Funktionäre. Kurt Vieweg erarbeitete 1957 intern für das Politbüro der SED ein „Neues Agrarprogramm für die Entwicklung der Landwirtschaft beim Aufbau des Sozialismus in der DDR“, in dem er die Auflösung der schwachen LPG und parallel zu erfolgreichen LPG die Weiterexistenz möglichst wirtschafsstarker Familienbetriebe empfahl. Das galt als revisionistisch und brachte ihm die Ablösung von allen Ämtern ein, nach Verlassen der und Rückkehr in die DDR mehrere Jahre Zuchthaus. Inwieweit Gedanken von Rosenkranz in das „Neue Agrarprogramm …“ eingegangen sind, ist nicht bekannt, aber da er und Vieweg in der Landwirtschaftsakademie und beim „Handbuch des Genossenschaftsbauern“ eng zusammenarbeiteten, ist es nicht ausgeschlossen. – Als ich Manfred Klose telefonisch sprechen wollte, der am ehesten dazu hätte etwas wissen können, teilte seine Frau mir mit, dass er vor zwei Tagen verstorben ist, was mich sehr erschütterte. Mit ihm zusammen habe ich 1964 meine erste Veröffentlichung geschrieben, die Prof. Rosenkranz zur Publikation empfahl. Aus seiner Dissertation B musste Manfred Klose 1979 die Aussage streichen, dass er auf Grund seiner betriebswirtschaftlichen Analysen zu den gleichen Erkenntnissen gekommen

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ist, wie Schulze aus agrarökonomischen. Das bezog sich auf meinen Beitrag in der Zeitschrift „Wirtschaftswissenschaft“ „Das ökonomische Normal und der Typ der intensiv erweiterten Reproduktion im Volkswirtschaftsbereich Landwirtschaft beim Übergang zur industriemäßigen Produktion - Intensivierungsformen in der Landwirtschaft“ (1978, H. 9, S. 1052 – 1065), mit dem ich bei Gerhard Grüneberg, Bruno Kiesler und ihren Nachbetern in Ungnade fiel. Diesem Beitrag lag ein Forschungsbericht für den Rat des Bezirkes Leipzig zugrunde. Er hatte das Ziel, ausgehend von auch im Bezirk als unsinnig empfundenen zentralen Gigantomanie-Beschlüssen (4.000 Kühe an einem Ort, ohne dass man sich über die nur sehr aufwändig zu lösende Grobfutterfrage im Klaren zu sein schien; 25-kt-Schweineproduktionsanlage, für die fünf Jahre die gesamte Baukapazität der Landwirtschaft des Bezirkes Leipzig benötigt worden wäre und alles andere hätte vernachlässigt werden müssen) einen ressourcensparenden Wirtschaftstyp entgegenzustellen. Sowohl mein Chef Gerhard Winkler als auch Otto Rosenkranz, dem ich den Beitrag vorher ebenfalls zu lesen gab, befürworteten seine Veröffentlichung, meinten aber beide, das publiziert niemand. Wider Erwarten veröffentlichte die „Wirtschaftswissenschaft“ ihn aber doch, befürwortet, wie ich später erfuhr, vom ZK-Institut für Gesellschaftswissenschaften, in dem man sich schon damals Sorgen über die wirtschaftliche Situation der DDR zu machen begann. Literatur: Schulze, Eberhard: Die Agrarwissenschaften an der Universität Leipzig 1945/46 – 1996, Leipziger Ökonomische Societät e. V., Leipzig 2008, S. 70 – 76. – Siehe dort auch die Angaben zu den Archivquellen. Zum Autor: Nach zwei Jahren Praxis nach dem Abitur Studium der Landwirtschaft und Wirtschaftsmathematik in Leipzig und Leningrad (St. Petersburg) 1960 – 1967, Anschließend Aspirant bzw. Assistent am Institut für Agrarökonomie an der Universität Leipzig, Promotion 1971, Oberassistent und Leiter der Rechenstation der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin an der Universität Leipzig 1971 – 1973, Mitarbeiter bzw. Referatsleiter für Investitionen bei der Abteilung Landwirtschaft des Rates des Bezirkes Leipzig 1973 – 1976, Oberassistent bzw. nach Habilitation ab 1985 Dozent für Informationsverarbeitung in der Landwirtschaft, zeitweilig Leiter des Wissenschaftsbereichs Agrarökonomik an der Universität Leipzig 1976 – 1995, Mitarbeiter bzw. Stellvertretender Leiter der Abteilung Betriebs- und Strukturentwicklung im länd-lichen Raum am Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO) in Halle (Saale) 1995 – 2004. Anschrift: Dr. habil. Eberhard Schulze Seipelweg 11 04347 Leipzig E-Mail: [email protected]

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Martin Eberhardt

Von der Landarbeitsforschung zur landwirtschaftlichen Technologie

Vorbemerkungen Es gehörte zu den herausragenden wissenschaftlichen Leistungen von Prof. Rosenkranz, dass er den Übergang von der Landarbeitsforschung zur landwirtschaftlichen Technologie initiierte und erste be-deutende Ergebnisse der Verfahrensforschung im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre hervorbrachte. In diese Zeit – Anfang der 1960er Jahre – fällt auch der Beginn meiner wissenschaftlichen Tätigkeit im Institut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf. Nach der landwirtschaft-lichen Lehre im elterlichen Betrieb, dem Besuch der Fachschule für Landwirtschaft Eisenach, dem Studium an der landwirtschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Tätigkeit in den VEG Ludwigshof und Lietzen begann ich 1961 im Institut Gundorf auf dem Gebiet der Technologie bei Prof. Rosenkranz und Dr. Mätzold zu arbeiten. Prof. Rosenkranz hat damals die theo-retischen Grundlagen für den Übergang von der Landarbeitsforschung zur Technologie geschaffen und meine wissenschaftliche Profilierung auf dem Gebiet der Technologie und Produktions- und Arbeits-organisation im landwirtschaftlichen Großbetrieb entscheidend beeinflusst, obwohl er nur bis 1967 als Institutsdirektor in Gundorf wirkte. Das betraf sowohl die Vergabe des Dissertationsthemas als auch seine Impulse zur Schaffung theoretischer und methodischer Grundlagen der Technologie in der Zeit-spanne, als die Verfahrensforschung immer stärker von Gundorf in die so genannten Komplex- Institute der DAL verlagert wurde. Landarbeitsforschung und Technologie in Gundorf (1950 bis 1967) 1950 wurde vom damaligen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft des Landes Sachsen die „Staat-liche Lehr- und Forschungsanstalt für Landarbeit Gundorf (vormals Pommritz)" geschaffen. Zum Leiter wurde Rosenkranz berufen, der zugleich auch Ordinarius für Betriebswirtschaft und Land-arbeitslehre an der Universität Leipzig war(1). Im Interesse einer engen Verbindung von Wissenschaft und Praxis wurde diese Forschungsstelle im damaligen Volkseigenen Gut Gundorf eingerichtet. Im Prozess der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung vergrößerte sich das LVG durch Zupacht von 260 ha auf 490 ha und durch Zusammenarbeit mit benachbarten LPG im Kooperationsbereich Gundorf - Dölzig entstand ein Experimentierfeld von 2.345 ha LF (2). Die Landarbeitsforschung in der ehemaligen DDR war vor allem in Gundorf konzentriert. Sie war seit ihrem Entstehen bemüht, einzelne Arbeitsgänge, Arbeitstechniken und Arbeitsverfahren zu verbessern sowie neue Verfahren zu entwickeln. Auf dem Gebiet der Arbeitsökonomik wurden umfangreiche Arbeitsstudien und Zeitmessungen durchgeführt, um Grundlagen zur Arbeitsnormung und Ar-beitsplanung in den LPG und VEG zu schaffen. Für die Praxis wurden erarbeitet: Musterarbeits-normen, Richtnormen, Technisch-wirtschaftliche Kennzahlen zur Planung der Arbeit in der Pflanzen-produktion und Zeitnormative für Arbeiten in der Viehwirtschaft (1951-1966). – Übersicht 1. In den 1960er Jahren kam es durch die vorausschauenden Arbeiten von Rosenkranz in der Land-wirtschaft der DDR zum Übergang von der Landarbeitsforschung zur Technologie. Wenn in der Land-arbeitsforschung einzelne Arbeitsgänge und Arbeitstechniken verbessert worden waren, so ging es in der technologischen Forschung um die Entwicklung neuer und die Vervollkommnung vorhandener Produktions- und Arbeitsverfahren in der Pflanzen- und Tierproduktion. Erste Forschungsschwer-punkte in Gundorf waren die Ausarbeitung von Arbeitsverfahren sowie Produktionsverfahren in der Pflanzen- und Tierproduktion. – Übersicht 2. Einen beachtlichen persönlichen Beitrag und entscheidende Impulse für die Herausbildung der land-wirtschaftlichen Technologie leistete damals Rosenkranz durch seine weitsichtigen Aufgaben-

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stellungen, indem er immer wieder neuartige, originelle Fragestellungen aufwarf und weit voraus-schauend seine Mitarbeiter motivierte, in Neuland vorzustoßen. In seinen viel beachteten Vorträgen: „Ökonomie - Technologie – Maschinensysteme“(4), „Optimale Betriebsgröße und industriemäßige Produktion in der Landwirtschaft“(5), „Betriebs- und Arbeitsorganisation unter dem Einfluss der Technik“(6) hat er Thesen ausgesprochen, die in der damaligen Agrarwissenschaft als kühn angesehen worden sind und auch nicht unwidersprochen blieben. Stellvertretend soll eine Aussage aus dem zuletzt auf-geführten Vortrag zitiert werden: „Das Problem der Überwindung der Unterschiede zwischen Industrie und Landwirtschaft, für die Anpassung der Produktion in der Landwirtschaft an die der Industrie, liegt ... nicht in der Mechani-sierung des Pflügens oder des Melkens, sondern in der industriellen Gestaltung der Produktion von Getreide oder von Milch.“ Verfahrensforschung in den Komplexinstituten der DAL und deren ökonomische Durch-dringung im Institut Gundorf (1968 bis 1990) Mitte der 60er Jahre profilierten sich die damals noch naturwissenschaftlich ausgerichteten Institute der DAL immer stärker auch auf technologischem Gebiet; es entstanden die sogen. „Komplexins-titute“, die für das jeweilige Produkt (z.B. Getreide, Kartoffeln, ... Rinder, Schweine ...) bzw. Quer-schnittsthema (z.B. Mineraldüngung, Pflanzenschutz....) ganz konkrete „Verfahrensforschung“ durchführten. Vorteilhaft war dadurch logischerweise, dass eine enge Verknüpfung von naturwissen-schaftlichen Disziplinen und Technologie für das jeweilige Spezialgebiet möglich wurde. Die wissenschaftliche Profilierung der „Komplexinstitute" der DAL (später: AdL) erfolgte auf der Grundlage der bis dahin erreichten Erkenntnisse zu Gegenstand, Inhalt und Aufgaben der Techno-logie. Im Folgenden sind die Institute bzw. Forschungszentren der DAL/AdL zusammengestellt. – Übersicht 3. Ausgehend von gründlichen Analysen der damals angewendeten Verfahren sowie des Bedarfs der Praxis wurden neue Produktions- und Arbeitsverfahren entwickelt. Dabei sind verschiedentlich neue Anforderungen an den Landmaschinenbau und das landwirtschaftliche Bauwesen herausgearbeitet worden. Das geschah in der Pflanzenproduktion → an Hand von Technologischen Musterkarten mit technologisch - ökonomischen Vorgaben. Dabei ergaben sich aus der Gesamtbetrachtung des Produktionsverfahrens und den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Produktionsabschnitten (z.B. Bestellung - Pflege - Ernte), Vorgaben bzgl. abgestimmter Arbeitsbreiten der Feldarbeitsmaschinen, einheitlicher Reihen-entfernungen bei reihengebundenen Anbauverfahren sowie Leistungsanforderungen an die einzelnen Maschinengruppen bei transportverbundenem Komplexeinsatz (Ernte - Transport - Abladen und Einlagern). in der Tierproduktion → an Hand von technisch-technologischen Studien bzw. Projekten mit tech-nologisch-ökonomischen und bautechnischen Vorgaben in Form von „Wissenschaftlich-technischen Grundkonzeptionen" (WTGK). Dabei wurden die Ergebnisse der Erprobung von Experimentalbauten und von Vergleichsmessungen ausgewertet. Die Forschungsarbeiten des Instituts Gundorf auf dem Gebiet der Technologie in der Zeitspanne 1968 – 1990 parallel zu der Verfahrensforschung in den Komplexinstituten konzentrierten sich auf folgende Schwerpunkte. – Übersicht 4. a) Theoretische und methodische Grundlagen der Technologie (7; 8) In Anlehnung an Rosenkranz(4) und Stopporka(3) sowie an danach erarbeitetes Material aus dem Institut Gundorf wurde 1967 ein Erkenntnisstand zur landw. Technologie als Wissenschaft sowie zu Gegenstand, Inhalt, Aufgabe und Ziel der Technologie(11) erreicht. Die umfassende komplexe Gesamtbetrachtung, wie sie von Rosenkranz und seinen Schülern vertreten wird, war oft ein Ansatzpunkt für Meinungsverschiedenheiten zur landwirtschaftlichen Technologie.

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Die Methoden der Technologie wurden im Prozess der technologischen Forschung den neuen Erfor-dernissen entsprechend weiterentwickelt. Dabei ging es um die Schaffung von Rüstzeug zur Technologische Forschung. – Übersicht 5. b) ökonomische Beurteilung und betriebswirtschaftliche Einordnung der Verfahren Um ein einheitliches Vorgehen bei der technologischen und ökonomischen Beurteilung von Verfahren zu erreichen, wurde die „Richtlinie mit methodischen Empfehlungen für die Beurteilung von Ver-fahren der Pflanzen- und Tierproduktion“ erarbeitet (Eberhardt, Pause, Schweigel u. a. (12). –Über-sicht 6. Ein weiterer Schwerpunkt war die betriebswirtschaftliche Einordnung von Produktions- und Arbeitsverfahren der Pflanzenproduktion. PAUSE u. a. haben 1983 eine „Methode zur effektiven Ein-ordnung der Verfahren der Pflanzenproduktion in die Betriebsorganisation“ erarbeitet (13). c) Koordinierung der verfahrensübergreifenden technologischen Forschungen Es gehörte zu den Aufgaben des Instituts Gundorf in dieser Zeitspanne (1968–1990), eine effektive Zusammenarbeit aller landw. Technologen in der DDR zu organisieren. Bewährte Arbeitsgremien waren: der Arbeitskreis „Technologie“ (Vorsitzender: Mätzold, Sekretär: Eberhardt); später: der Kooperationsrat „Technologie“ (Vorsitzender: Eberhardt(9) und die Sektion „Technologie und Mechanisierung“ der AdL (Vorsitzender: Mührel (14 ). Arbeitsschwerpunkte waren damals die Weiterbildung der Technologen, insbesondere zu theoreti-schen und methodischen Grundlagen der Technologie (s.o.), die Verteidigung von Forschungsbe-richten und die Erörterung von Forschungskonzeptionen. d) Überleitung der gewonnenen Forschungsergebnisse in die Praxis Unabhängig von theoretischen Streitfragen gab es eine einheitliche Auffassung zur Verantwortung der Technologen bei der Überleitung der gewonnenen Forschungsergebnisse in die Praxis. In der hier betrachteten Zeitspanne von 1968 bis 1990 hatte sich im Institut Gundorf eine inhaltliche Umpro-filierung vollzogen, die sich auch in den Anleitungsmaterialien für die LPG und VEG niederschlug. Neben den Untersuchungen zu „Theorie und Methode der landwirtschaftlichen Technologie“ kamen in den 80er Jahren folgende Forschungsgebiete hinzu: Arbeitstudium, Arbeitsgestaltung und Arbeitsnormung (AAA) knüpften an den Arbeiten auf dem Gebiet der Landarbeitsforschung an. Das galt besonders für die Arbeitsnormung (Arbeitsnormen-kataloge), sowie die Wissenschaftliche Arbeitsorganisation (WAO). Bei ihr ging es um die Arbeits-wirtschaft im Rahmen der Betriebsorganisation, die Arbeitsplanung (Arbeitsvorbereitung), die Orga-nisation des Komplexeinsatzes und die Arbeitszeitgestaltung (z.B. Empfehlungen zur Mehrschicht-arbeit). Dabei wurden umfangreiche Anleitungsmaterialien für die LPG und VEG geschaffen. –Übersicht 7. Diese Zusammenstellung verdeutlicht, dass die landwirtschaftlichen Technologen des Instituts Gun-dorf, der Komplexinstitute der AdL und der landw. Sektionen der Universitäten die Forschungsarbeit auf die angewandte Technologie konzentrierten, um den Landwirtschaftsbetrieben bei der Entwicklung neuer und Vervollkommnung vorhandener Verfahren zu helfen sowie die Produktions- und Arbeits-organisation zu verbessern. Die Ergebnisse der technologischen Forschung und deren Überleitung in die Praxis führten zu be-achtlichen Fortschritten bei der Produktions- und Effektivitätssteigerung in der DDR. Das soll am Beispiel der Arbeitsproduktivität gezeigt werden - Übersicht 8. Ausgehend von den genialen Ideen von ROSENKRANZ zur Technologie haben Gundorfer Wissen-schaftler in Dissertationen Grundlagen beispielsweise zu Spezialbetrieben (DECKER – 19) und Spezialbrigaden (EBERHARDT – 20) erarbeitet. Der Praktiker Arthur SPENGLER berichtet anschließend über seine Erfahrungen mit Spezialbetrieben und in der praxisnahen Forschung.

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Der Verfasser Nach der landwirtschaftlichen Lehre im elterlichen Betrieb, dem Besuch der Fachschule für Land-wirtschaft Eisenach, dem Studium an der landwirtschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Tätigkeit in den VEG Ludwigshof und Lietzen begann er 1961 im Institut Gundorf auf dem Gebiet der Technologie bei Prof. Rosenkranz und Dr. Mätzold zu arbeiten. Seine wissenschaftliche Profilierung auf dem Gebiet der Technologie sowie Produktions- und Arbeits-organisation im landwirtschaftlichen Großbetrieb entscheidend beeinflusst. 1965 promovierte er mit dem Thema: Wiesenheuernte und Grassilage-Gewinnung – eine technologische Untersuchung der Verfahren, dargestellt am Beispiel der LPG „Einheit“ Kremmen. Anschrift: Prof. Dr. habil. agr. Martin Eberhardt Leipziger Str. 166, OT Böhlitz-Ehrenberg D- 04178 Leipzig Quellenverzeichnis 1. ROSENKRANZ, O.: Landarbeitsforschung und –lehre, ihre Stellung unter den Land- wirtschaftswissenschafte und ihre Aufgaben Antrittsvorlesung an der Universität Leipzig, gehalten am 10.10.1951,in: Veröffentlichungen der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt Gundorf (vormals Pommritz), Heft 1 2. BRENDLER, D.; DERLITZKI, R. ; SCHUMANN, S.: Erinnerungen an 80 Jahre Landarbeits- und Agrartechnologieforschung in Sachsen, in:Vortragstagung „80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf“Leipziger Ökonomische Societät e.V. – Leipziger Universitätsverlag 2000, S. 33-74 3. STOPPORKA, P.:Von der Landarbeitsforschung zur Technologie, in: DAL, 1961, Tagungsberichte, Nr. 34, Wissenschaftliche Vortragstagung anläßlich des 10-jährigen Bestehens des Instituts Gundorf, 13. – 15.10.1960 4. ROSENKRANZ, O.: Ökonomie – Technologie – Maschinensysteme Sitzungsberichte Band XI, Heft 3, DAL zu Berlin, 1962, S. 3 – 13 5. ROSENKRANZ, O.: Optimale Betriebsgröße und industriemäßige Produktion in der Landwirtschaft, in Sitzungsberichte, DAL zu Berlin (1965), 3 6. ROSENKRANZ, O.:Betriebs- und Arbeitsorganisation unter dem Einfluß der Technik zit.bei TILLACK: Laudatio für Prof. (em.) Dr.sc. O. Rosenkranz anläßlich des 75. Geburtstages am 07.02.1986 7. EBERHARDT, M.: Einige Anregungen zur Methode technologischer Untersuchungen bei Arbeiten im Feldbau, in: Zeitschrift „Agrarökonomik“, Heft 1 – 1967, S. 50 – 56 8. EBERHARDT, M.: Theoretische und methodische Grundlagen der Technologie der landwirtschaftlichen Technologie, in: Zeitschrift „Agrarökonomik“, Heft 3, - 1967, S. 116 – 127 9. EBERHARDT, M.: Aufgaben des Kooperationsrates „Technologie“, in: Beiträge über technologische Arbeitsmittel zur Einführung industriemäßiger Verfahren in der Pflanzenproduktion, 1970, s. 19 – 24. 10. ROSENKRANZ, O.: Arbeit und Aufgaben des Instituts ... Gundorf der DAL zu Berlin DAL, Tagungsberichte, Nr. 34 (1961), S. 5 – 23 11. KILIAN, J. ; PAUSE, J. ; KLOSE, M. ; TILLACK, R.: Zusammenfassung der Technologie-Diskussion im Institut … Gundorf, 1965 (unveröffentlicht) 12. EBERHARDT, M. ; PAUSE, J. ; SCHWEIGEL, J.: Richtlinie mit methodischen Empfehlungen für die Beurteilung von Verfahren der Pflanzen- und Tierproduktion Heraugeber: AdL der DDR und Hochschule für LPG, 1982, 151 S. 13. PAUSE, J. u.a.: Methode zur betriebswirtschaftlichen Einordnung von Verfahren der Pflanzenproduktion in den Betrieb1983 (unveröffentlicht)

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14. MÜHREL, K.: Rolle derTechnologie bei der Produktion von Nahrungsgütern und Rohstoffen - Schlußfolgerungen für die Forschung, Vortrag vor dem Plenum der AdL der DDR, 1988 (unveröffentlicht) 15. MÜHREL, K. und HERRMANN, K.: Zur Technologie der landwirtschaftlichen Produktion in der DDR Vorlage für Abschnitt 3. einer Broschüre „Landtechnik in der DDR“ (Entwurf, 2003, unveröffentlicht) 16. MÜHREL, K.: Geschichte der Technologie in der Landwirtschaft der DDR(Entwurf, 2003, unveröffentlicht) 17. Terminologie der Technologie – Grundbegriffe, Fachbereichsstandard DK 631.5 : 643.0 Juli 1984 – TGL 22290 18. ACKERMANN, R.: Zur Entwicklung der Produktivität der lebendigen Arbeit in der Landwirt- schaft, in: Vortragstagung „80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf“ Leipziger Ökonomische Societät e.V. – Leipziger Universitätsverlag 2000, S. 75-88. 19. DECKER, R.: Neue Vorstellungen über die Produktion von Getreide in den sozialistischen Landwirtschaftsbetrieben der DDR / Dissertation; 1964 20. EBERHARDT, M.: Wiesenheuernte und Grassilage-Gewinnung – eine technologische Untersuchung der Verfahren, dargestellt am Beispiel der LPG „Einheit“ Kremmen / Dissertation; 1965. Übersicht 1 Für die Praxis wurden im Institut Gundorf 1951 bis 1965 erarbeitet (ROSENKRANZ, FINZEL, FISCHER-GURIG, GIERING): Normenkatalog für VEG (1951) Musterarbeitsnormen und Bewertung der Arbeit mit Arbeitseinheiten in LPG (1953) Musterarbeitsnormen ... für die Feld- und Viehwirtschaft (1955) Musterarbeitsnormen für Arbeiten der Feldbaubrigaden in LPG (1959) Richtnormenkatalog für Arbeiten mit Traktoren ... in VEG (1959) ... in LPG und MTS (1960) Richtnormenkatalog für Arbeiten im Feldgemüsebau (1963) Technisch-wirtschaftliche Kennziffern zur Planung der Feldwirtschaft in VEG (1953) Technisch-wirtschaftliche Kennzahlen zur Planung der Arbeit in LPG und VEG (1961, 1966) Zeitnormative für Arbeiten in der Viehwirtschaft der LPG und VEG (1965). Übersicht 2 Erste Forschungsschwerpunkte auf dem Gebiet der landw. Technologie des Instituts Gundorf waren die Ausarbeitung von: Arbeitsverfahren der Mineraldüngung und Stickstoff-Flüssigdüngung (MÄTZOLD), Produktionsverfahren für Zuckerrüben (REICHENHEIM), Produktionsverfahren für Futter (Grünfutter, Silage, Heu) und Verfahren der Wiesenheuernte und Grassilagegewinnung (EBERHARDT) Produktionsverfahren des Gemüsebaues unter Glas (PAUSE) Produktionsverfahren des Feldgemüsebaues (STANNEK) sowie Produktionsverfahren für Milch (SCHLEITZER), Produktionsverfahren der Schafhaltung (JANKOWSKY) Produktionsverfahren für Läufer (LOHRMANN) und Produktionsverfahren für Hühnereier (WACHSMUTH). Im Rahmen der Entwicklung neuer Produktions- und Arbeitsverfahren wurden spezielle Versuche durchgeführt, beispielsweise: spezielle Vergleichsuntersuchungen verschiedener Fütterungsverfahren

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bei Rindern (z.B. Einsatz des Futterverteilungswagens, Vergleich von deckenlastiger und erdlastiger Heulagerung, Vergleich kombinierter und getrennter Fress- und Liegeboxen, einstreulose Haltung auf Spaltenboden mit Güllegewinnung usw.), Untersuchung verschiedener Formen von Abferkelbuchten und Einrichtung von zentralen Freßplätzen für säugende Sauen (LOHRMANN), Technisch - ökonomische Studien (GEY) sowie technologische Projektierung von Versuchsanlagen in der Tierproduktion (z.B. Milchviehanlage mit 1.000 Kuhplätzen bei Laufstall- und Anbindehaltung, 3.500er Schlachtrinderanlage, 6.500er Schweinemastanlage, Schafstallanlage für 320 Muttern mit Nachzucht. Übersicht 3 Institute bzw. Forschungszentren der DAL/AdL : Bezeichnung Standort Für die Technologie zuständig Getreideproduktion Bemburg – Hadmersleben BERNHARDT, WINZLER Kartoffelproduktion Groß Lüsewitz GALL, WULFERT Zuckerrübenproduktion Kleinwanzleben GERDES, SPICHER,

KOSCHUETZKE Futterproduktion Paulinenaue NISCHWITZ, FRITSCH; FECHNERGemüseproduktion Großbeeren STANNEK, WALTER Obstproduktion Dresden-Pillnitz SCHURICHT, KRUEMMEL Bodenfruchtbarkeit Müncheberg DOMSCH, HESS, LINDNER Bodenfruchtbarkeit Bereich Bad Lauchstädt KUEHN, WISSING Mineraldüngung Leipzig-Möckern HEYMANN, JAENICKE, LIPPERT Biotechnologie Potsdam KORIATH, SCHMERLER Pflanzenschutz Kleinmachnow JESKE Rinderproduktion Iden-Rohrbeck KEHR, FRITZSCHE Schweineproduktion Dummerstorf SCHREMMER, DREISSIG

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Übersicht 4 Forschungsarbeiten des Instituts Gundorf auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Technologie in der Zeitspanne 1968 – 1990: Dabei handelte es sich um folgende Schwerpunkte: Theoretische und methodische Grundlagen der Technologie, ökonomische Beurteilung der Verfahren und deren betriebswirtschaftliche Einordnung, Koordinierung der verfahrensübergreifenden technologischen Forschungen, einschl. Erfahrungsaustausch zu theoretischen und methodischen Fragen Überleitung der gewonnenen Forschungsergebnisse in die Praxis. zu a) In Anlehnung an ROSENKRANZ (10; 16) und STOPPORKA (9) sowie an danach erarbeitetes Material aus den Institut Gundorf (17) wurde 1967 folgender Erkenntnisstand zur landwirtschaftlichen Technologie erreicht (14): Die Technologie ist die Wissenschaft (und Lehre) von der Gestaltung und Beurteilung der Produktions- und Arbeitsverfahren. Der Gegenstand der Wissenschaft „Technologie“ sind die bei der Produktion landwirt-schaftlicher Erzeugnisse ablaufenden Prozesse mit den Elementen Arbeitskraft, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand. Endpunkt eines Produktionsverfahrens ist das im Sinne der quantitativ und qualitativ fixierten Produktionsaufgabe fertige Produkt (also nicht die geernteten unsortierten Kartoffeln, sondern die nach TGL sortierten und verpackten Speisekartoffeln). Der Inhalt der technologischen Forschung sind die Gesetzmäßigkeiten der Wechselwirkung zwischen Arbeitskräften und Produktionsmitteln im Arbeitsprozess sowie die Gesetzmäßigkeiten der technologischen Wechselwirkung zwischen den Produktionsabschnitten im Produktionsprozess einzelner Erzeugnisse. Die Aufgabe der Technologie besteht darin, den Produktionsprozess in seine Bestandteile zu zerlegen und Grundlagen für die ökonomisch sinnvollste Kombination von Arbeitskräften und Produktions-mitteln bei der Produktion einzelner Erzeugnisse zu schaffen, d h. die Produktionsverfahren zu verbessern und neue zu entwickeln, um die Produktionsmittel rationell auszunutzen, die Arbeitskräfte zweckentsprechend einzusetzen und mit möglichst niedrigen Kosten zu produzieren. Das Ziel der Technologie ist eine systematische Verminderung des Aufwandes an lebendiger und vergegenständlichter Arbeit je Erzeugniseinheit (z. B dt Produkt). Die technologischen Maßnahmen müssen deshalb auch - und das ist eine Besonderheit der Landwirtschaft - die biologischen Prozesse bei der Produktion mit Pflanzen und Tieren fördern, um einerseits maximale Erträge je Erzeugungseinheit (z.B. ha Anbaufläche) zu erzielen und um andererseits die Naturprozesse zu beschleunigen, d.h. die Produktionszeitspanne zu verkürzen.

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Übersicht 5 Die Methoden der Technologie wurden im Prozess der technologischen Forschung den neuen Erfordernissen entsprechend weiterentwickelt. Dabei ging es um die Schaffung von Rüstzeug, beispielsweise für technologische Untersuchungen (z.B. Arbeitsstudien und Zeitmessungen), zur Darstellung der Produktions- und Arbeitsverfahren (z.B. Technologische Musterkarten der Pflanzenproduktion, technologische Projekte für Tierproduktionsanlagen), Richtlinie mit methodischen Empfehlungen für die technologische und ökonomische Beurteilung von Verfahren (z.B. Kriterienkomplexe, technologische Kennzahlen) sowie Optimierungs- und Simulationsmethoden für die Modellierung technologischer Prozesse und für die Bestimmung der optimalen Größe technologischer Einheiten in der Pflanzenproduktion. Übersicht 6 „Richtlinie mit methodischen Empfehlungen für die Beurteilung von Verfahren der Pflanzen- und Tierproduktion“ (EBERHARDT / PAUSE / SCHWEIGEL u. a.): bei der technologisch-ökonomischen Beurteilung (Verfahrensökonomik) und bei der betriebswirtschaftlichen Beurteilung der Produktions- und Arbeitsverfahren in der Pflanzen- und Tierproduktion wurde nach einheitlichen Kriterienkomplexen vorgegangen, und zwar: 1. Ertrag und Qualität der Produkte (Haupt- und Kuppelprodukte) 2. Bedarf an lebendiger Arbeit und Arbeitsproduktivität 3. Bedarf an vergegenständlichter Arbeit und Fondseffektivität 4. Arbeits- und Lebensbedingungen, Landeskultur und Umweltschutz 5. Kosten und finanzielle Ergebnisse

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Übersicht 7 Im Institut Gundorf erarbeitete Anleitungsmaterialien auf den Gebieten von AAA und WAO für die LPG und VEG: Methodische Anleitung und Normative zur Arbeitsnormung in der Pflanzenproduktion der LPG (THIESSENHUSEN, KRÜPPER - 1970) Katalog zur Arbeitsnormung in der Pflanzenproduktion (Autorenkollektiv - 1975) Katalog zur Arbeitsnormung in der Pflanzenproduktion (MEYER u. a. - 1980) und Methodische Anleitung zur Arbeitsnormung in der Tierproduktion (SCHLEITZER u. a. - 1972) Rechnergestützte Arbeitsnormung in der Tierproduktion (UHLMANN u. a. - 1987) sowie Methodische Hinweise und Richtwerte für die Kalkulation von Verfahrenskosten (MÄTZOLD, ZIMMERMANN - 1964) Methodische Hinweise und Richtwerte für die Kalkulation von Verfahrenskosten, 1. Auflage (ZIMMERMANN, EBERHARDT, MÄTZOLD - 1967) Methodische Hinweise und Richtwerte für die Kalkulation von Verfahrenskosten, 2. Auflage (EBERHARDT, MÜLLER - 1972) Methodische Hinweise und Richtwerte für die Kalkulation von Verfahrenskosten, 3. Auflage (EBERHARDT, MÜLLER - 1973) Katalog Technologischer Musterkarten der Pflanzenproduktion; 1. Auflage (SCHINKEL, EBERHARDT u. a. - 1971) Katalog Technologischer Musterkarten der Pflanzenproduktion; 2. Auflage (SCHINKEL, EBERHARDT u. a. - 1976 und 1977) Richtwerte für den Dieselkraftstoffbedarf in der Pflanzenproduktion (EBERHARDT, MÜLLER - 1982) Rationeller Einsatz von Dieselkraftstoff in den LPG und VEG der Pflanzen- und Tierproduktion (UHLMANN, MÜLLER u. a. - 1986) Grundlagen für die wissenschaftliche Einsatzvorbereitung und Organisation des mehrschichtigen Komplexeinsatzes mit WAO-Typenlösungen und Empfehlungen für die Kampagneplanung (THIESSENHUSEN, KRÜPPER u. a. - 1973) Einsatz- und Kampagneplanung mit WAO-Typenlösungen für Arbeitprozesse der Pflanzenproduktion; Teil 1 und 2 (GRAMER u. a. - 1979) Anwenderdokumentation zur Rechnergestützten Arbeitsvorbereitung in der Pflanzenproduktion - RAV (PIPPIG u. a. - 1989) Methodische Anleitung und Richtwerte zur Ausarbeitung komplexer WAO-Typenlösungen in LPG, VEG/VEB und KE der Tierproduktion; Teil 1 + 2 (HASERT u. a. - 1981) Übersicht 8 Arbeitsproduktivität (ermittelt nach der Naturalmethode → Akh/dt) - nach ACKERMANN (28): Produkt 1950 1976 1996 % 1996 zu 1950

(100) Getreide 4,0 0,3 0,10 ( 7 Akmin) 2,9 % Speisekartoffeln 2,6 0,4 0,10 ( 6 Akmin) 3,9 % Zuckerrüben 3,0 0,4 0,05 ( 3 Akmin) 1,7 % Milch 8,7 2,4 0,40 (25 Akmin) 4,8 % Rindfleisch * 9,1 4,2 0,90 (56 Akmin) 10,3 % * Schlachtgewicht

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Dietrich Krümmel

Gundorfer Erfahrungen nützen dem Obst- und dem Garten-Landschafts-Bau Ausgangssituation Nach Tätigkeit als Spezialagronom für Gartenbau in einer MTS in Mecklenburg, wo ich feststellen musste, dass meine im Studium an der Berliner Humboldt-Universität erworbenen betriebswirt-schaftlichen Kenntnisse unbedingt zu verbessern waren (u. a. wurde uns in BWL die Bedeutung des Esels im Gartenbau beigebracht), bewarb ich mich an der Karl-Marx-Universität Leipzig für eine wissenschaftliche Aspirantur bei Prof. Rosenkranz. Dem wurde stattgegeben. Der Arbeitsplatzwechsel zum 1. 9. 1960 schien aber unter keinem guten Stern zu stehen, da ich auf der Fahrt von Mecklenburg nach Gundorf mit dem Motorroller verunglückte und - wie die gleichzeitig mit mir eingestellte Frau Eva Berke, die zur selben Zeit auf einem Teppich ausglitt - einen Schädelbruch erlitt. Später erwies sich aber dieser Schritt, sich unter die „Fittiche“ von Prof. Rosenkranz zu begeben, als Glücksfall, der mein ganzes berufliches Leben befruchtete. So landete ich 1960 gewissermaßen als Außenseiter - offiziell im Institut für Betriebs- und Arbeitsorganisation in der Landwirtschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig - tatsächlich aber im Akademieinstitut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf, wo ich 1963 mit dem Thema „Standortverteilung und Organisation des Obstbaus im Bezirk Leipzig“ promovierte und danach bis 1968 als Assistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. In dieser Zeit – maßgeblich unter dem Einfluss von Prof. Rosenkranz – wurden wesentliche Grundlagen für meine spätere Tätigkeit geschaffen. Vor allem wurden seine Schüler befähigt, unvor-eingenommen und kreativ an die Lösung von Problemen heranzugehen und sich so schnell in unterschiedliche ökonomische Aufgabengebiete einzuarbeiten. Dabei stand immer die höchste Effektivität im Vordergrund – oft im Gegensatz zu ideologischen und politischen Vorgaben. Besonders für mich als Neuling, der an der Universität und in der MTS gewöhnt war, ideologische Vorgaben möglichst unwidersprochen hinzunehmen, war es eine ganz neue Erfahrung, dass in Gundorf im Krei-se aller wissenschaftlichen Mitarbeiter hart und offen gestritten, vieles infrage gestellt und gemeinsam nach optimalen Lösungen gesucht wurde. Von seinen Schülern verlangte Prof. Rosenkranz, dass sie selbst mitdachten. So erinnere ich mich noch, als ich in den ersten Tagen meiner Aspirantur an einer seiner Vorlesung teilnahm und er mich, der in der hintersten Reihe des Hörsaals saß, vor allen Studenten unvermittelt fragte: „Herr Krümmel, wie würden Sie denn dies Problem lösen?“ Ich weiß nicht mehr, worum es ging und was ich geantwortet habe, aber der Schreck sitzt mir immer noch in den Gliedern. Auch nahm er sich stets die Zeit, Manuskripte seiner Aspiranten gründlich durch-zusehen. In den persönlichen Gesprächen ging er kritisch auf Inhalt und Form ein, schrieb aber nie direkt vor, wie etwas zu verändern sei, sondern regte zu eigenen Überlegungen an. Dagegen wurde es mir beim Rigorosum im Fach Betriebswirtschaft leicht gemacht. Während der Prüfung ging es vor allem um die Organisation von Obstbaubetrieben. Meine beiden Prüfer – Prof. Rosenkranz und Prof. Friedrich vom Pillnitzer Obstbauinstitut – hatten dazu recht unterschiedliche Ansichten. Es entwickelte sich also ein reges Streitgespräch, ob spezialisierte Obstbaubetriebe oder organisch in vielseitige landwirtschaftliche Betriebe integrierte Obstanlagen zweckmäßiger seien. Ich musste dabei nur ab und zu moderieren und meine Meinung äußern, wobei mein Hauptproblem war, wem ich Recht geben sollte ohne den einen oder anderen zu verärgern. Meine wissenschaftliche Tätigkeit in Gundorf In den folgenden Jahren hatte ich Gelegenheit, wissenschaftliche Untersuchungen auf den Gebieten Technologie, Betriebsanalyse und Betriebsorganisation im Obstbau durchzuführen. Dabei bekam ich zwar unmittelbare Anleitung von Dr. Gey, Dr. Werner und Dr. Scholz, wobei aber die Richtung der Forschung von Prof. Rosenkranz wesentlich beeinflusst wurde. Besonders fruchtbare Anregungen bekam ich durch die regelmäßig durchgeführten Kolloquien, in denen grundsätzliche und aktuelle Pro-bleme von Technologie und Betriebswirtschaft diskutiert und wo auch die eigenen Ergebnisse kritisch durchleuchtet wurden.

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Im Einzelnen befasste ich mich in mit folgenden Fragen: 1. Organisation von Obstbaubetrieben. Dabei kam es vor allem darauf an, nachzuweisen, dass sowohl in mehrzweigigen landwirtschaftlichen Betrieben als auch in spezialisierten Obstbaubetrieben die Obstproduktion effektiv betrieben werden kann, wenn bestimmte Mindestgrößen erreicht, ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte sowie Erntekräfte verfügbar und eine ausgeglichene Arten- und Sorten-struktur gegeben sind. Dazu wurden Berechnungen zur Optimierung der Größe, Struktur und Ausrüs-tung – anfangs von Hand und später mithilfe von Computern (parametrische Optimierung) - vorgenommen, wobei ein maximaler Deckungsbeitrag und ein möglichst ausgeglichener Arbeitszeit-bedarf angestrebt wurden. (KRÜMMEL, 1976) 2. Nachweis günstiger Standorte für den Obstbau im Bezirk Leipzig: Dafür wurden nicht nur natürli-che, sondern auch ökonomische Standortbedingungen, wie Vorhandensein geeigneter Stammkräfte, Erfahrungen im Obstbau und Voraussetzungen zur Gewinnung von Erntehelfern ermittelt und kartiert (KRÜMMEL, Dietrich, 1964) 3. Betriebswirtschaftliche Analyse von Obstlager- und –vermarktungsstationen der DDR: Nach der von Dr. Werner konzipierten und von mir auf die speziellen Bedingungen zugeschnittenen Methode wurden alle größeren Obstlagerstationen von Mecklenburg bis Sachsen jährlich analysiert. Die einzel-nen und zusammengefassten Ergebnisse und Auswertungen wurden den Betrieben zur Verfügung ge-stellt und ermöglichten durch den Vergleich mit anderen das Aufdecken von Reserven. Weiterhin wurden Planungsrichtwerte abgeleitet. 4. Technologische Untersuchungen bei der Obstlagerung und –aufbereitung (KRÜMMEL 1967): Auf der Grundlage umfangreicher Zeitmessungen und Kostenkalkulationen wurden Verfahren des Ernte-ransportes, des Ent- und Beladens, des Transportes im Lagerhaus, des Stapelns, der Sortierung und Verpackung des Obstes verglichen und bewertet. Die Darstellung des Arbeitszeitbedarfes erfolgte nicht als starre Richtwerte, sondern in Form von Gleichungen, die die Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen zum Ausdruck brachten, wie folgendes Beispiel für das Stapeln von Paletten mit einem Gabelstapler im Lager zeigt: y = 0,75 + 0,017 x + z/n, wobei „y“ die AKh je Palette (T02), „x“ die Entfernung in Metern, „z“ einen Zuschlag für Nebenarbeiten und „n“ die Anzahl der zu stapelnden Paletten darstellt. Mithilfe derartiger Gleichungen war es möglich, Verfahrensvergleiche vorzunehmen und die je-weils besten Varianten in Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen auszuweisen. Es wurden weiterhin Empfehlungen zur Verfahrensgestaltung, technischen Ausstattung, Konzentration und Organisation abgeleitet. Praktisch konnte ich die Ergebnisse u. a. bei der Projektierung des Obstlagerhauses der LPG Pflanzenproduktion Dölzig anwenden. Prof. Rosenkranz legte großen Wert darauf, eine enge Beziehung zur Praxis aufzubauen und zu halten. In meinem Fall betraf dies die Obstbaubetriebe sowie die Obstlager- und Vermarktungsstationen, aber auch staatliche Einrichtungen. Stets wurde mir Gelegenheit gegeben, in Betriebe auf dem Gebiet der DDR zu fahren und dort Untersuchungen vorzunehmen. Günstig war auch, dass Forschungsergebnisse sofort im Rahmen der institutsinternen Schriftenreihe „Arbeiten aus dem Institut…“ veröffentlicht und so der Praxis zur Verfügung gestellt wurden. Forschungstätigkeit im Institut für Obstforschung Dresden-Pillnitz Mit der politisch motivierten Ablösung von Prof. Rosenkranz, die uns alle empörte, und der darauf folgenden Umstrukturierung wurde die technologische Forschung in die Spezialinstitute verlagert. Das betraf auch mich. Mir wurde die Stelle des Leiters der Abteilung Ökonomik im Institut für Obst-forschung Dresden-Pillnitz angeboten. Allerdings wurde die Abteilung sofort in eine Arbeitsgruppe umgewandelt, als sich herausstellte, dass ich nicht SED-Mitglied war. Trotzdem habe ich diese Leitungsaufgabe viele Jahre erfolgreich ausgeführt. Unter meiner Federführung konnten zahlreiche

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Forschungsberichte verteidigt und deren Ergebnisse veröffentlicht werden. Besonders für die Planung der Obstbaubetriebe, der Analyse der Obstlager- und -vermarktungsstationen, die Erarbeitung betriebs- und arbeitswirtschaftlicher Kennzahlen sowie technologischer Karten waren meine in Gundorf gesam-melten Erfahrungen eine gute Grundlage. Planung und Betreuung der „Großen konzentrierten Obstbaugebiete“ In den 70-er Jahren hatte sich unsere Arbeitsgruppe vor allem mit der Planung der großen konzen-trierten Obstbaugebiete in den Bezirken Potsdam, Halle, Leipzig, Dresden und Erfurt zu befassen. Deren Gründung war (ohne Konsultation mit der Wissenschaft) vom Politbüro der SED beschlos-sen worden, und das Institut für Obstforschung Dresden-Pillnitz erhielt die Aufgabe, den Aufbau nachträglich zu begründen, zu planen und zu begleiten. Von unserer Arbeitsgruppe wurden daher in Zusammenarbeit mit den örtlichen Fachkräften umfangreiche und sehr detaillierte Pläne für Obst-baubetriebe, Obstlagerhäuser, ACZ und Düngestoffbetriebe ausgearbeitet, die im wesentlichen Grund-lage der weiteren Entwicklung wurden. Trotz der riesigen Schwierigkeiten, die mit der kurzfristigen Entstehung solch großer Obstanbauflächen (3.000 bis über 10.000 ha) verbunden waren, hat es sich im Nachhinein gezeigt, dass auch derartige Aufgaben erfolgreich zu bewältigen sind, wenn qualifizierte und engagierte Fachkräfte in Leitung und Produktion gemeinsam mit der Wis-senschaft tätig sind. Die starke Konzentration und Spezialisierung beförderte in hohem Maße die Entwicklung neuer technolo-gischer Verfahren und ökonomischer Lösungen. So wurden vor allem im VEG Borthen und in der LPG Dürrweitzschen – in Zusammenwirken mit der Wissenschaft – neue hochproduktive Maschinen und Verfahren für die Pflege (z.B. Maschinen, die kombiniert Bodenpflege, Düngung, Pflanzenschutz und Schnitt für mehrere Reihen durchführten), die Ernte (Steinobst- und Apfelerntemaschinen), den Erntetransport sowie die Aufbereitung entwickelt. In den neuen Obstlagerhäusern konnte das Obst bei niedrigen Temperaturen und z. T. geregelter Atmosphäre (reduzierter Sauerstoffgehalt) gelagert wer-den, so dass eine Versorgung bis zur neuen Ernte möglich war. Auch nach der Wiedervereinigung hat sich in vielen Fällen eine relativ hohe Konzentration der Obstproduktion unter den Bedingungen der Marktwirtschaft durchsetzen können. Allerdings wurden die großen LPG und VEG privatisiert, und es war notwendig, Anpassungen in Anbau und Sortiment vorzunehmen. In den meisten Fällen übernah-men ehemalige Mitarbeiter der LPG und VEG als Privatunternehmer bestimmte Produktionsbereiche. In Dürrweitzschen wurde die gesamte LPG Obstproduktion in eine Aktiengesellschaft (Obstland Dürr-weitzschen AG) umgewandelt. Die einzelnen Brigaden und sonstigen Produktionsbereiche wurden relativ selbständige GmbH. Im Havelland, dem ehemalig größten Obstbaugebiet (über 10.000 ha), wurde ein großer Teil der Anlagen gerodet. Erarbeitung von Normen, Richtwerten und Technologischen Karten Auf Grundlage von Zeitmessungen und Kalkulationen wurden in unserer Arbeitsgruppe – auch in Zusammenarbeit mit Prof. Schuricht und seinen Mitarbeitern – arbeitswirtschaftliche, technologi-sche und betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Richtwerte ausgearbeitet (SCHURICHT; R. und KRÜM-MEL, 1981; LEHMANN, Ch., VÖLKEL, H., KRÜMMEL, D. 1983). Eine Besonderheit der von Prof. Schuricht und von mir ausgearbeiteten Richtwerte war, dass sie nicht starr waren, sondern über einfache Formeln an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden konnten. Diese Richtwerte sowie technologischen Karten stellten auch eine wesentliche Basis für das im Institut erarbeitete EDV-Projekt „COPOL“ (Komplexes System der computergestützten Prozessführung in der Obstproduk-tion und Lagerung) dar, an dem ich maßgeblich beteiligt war. Das Projekt umfasste die Bereiche Schlagkartei, Ertragsvoraussage, schlagbezogene Normung technologische Produktionsvorbereitung und Auswertung. Leider konnte es infolge der Umstrukturierung bzw. Auflösung des Instituts und der Zerstückelung unserer Partnerbetriebe nach der Wiedervereinigung nicht ange-wandt werden, obwohl es weitgehend fertig und bereits in Erprobung war (KRÜMMEL, Dietrich, TRIEMER, A. u. a. 1987). Über die Richtwerte und technologischen Karten ergab sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Gundorf, indem die Obstbaudaten dem EDV-Projekt DAVPP (Datenspeicher Verfahren Pflanzen-produktion) zur Verfügung gestellt wurden und in die Datensammlung eingingen (o. V. 1986).

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Zusammenarbeit mit der Praxis Als Leiter der Arbeitsgemeinschaft „Ökonomik und Betriebswirtschaft der Obstproduktion“, an der die Ökonomen der meisten größeren Obstbaubetriebe der DDR sowie Wissenschaftler anderer Einrich-tungen teilnahmen, bemühte ich mich, das von Prof. Rosenkranz angewandte Prinzip der engen Ver-bindung von Wissenschaft und Praxis anzuwenden. Hier wurden Forschungsvorhaben und -ergebnisse diskutiert, ihre Erprobung vereinbart, Probleme der Praxis erfasst und beraten bzw. gegebenenfalls zusammengefasst und weitergegeben. In zunehmendem Maße befasste sich das Gremium mit der Anwendung der EDV auf den Gebieten Schlagkartei, Planung, Produktionsvorbe-reitung und Abrechnung. Politische Probleme bei der Arbeit Während meiner Tätigkeit im Institut für Obstforschung Dresden-Pillnitz gab es allerdings auch Pro-bleme. So wurde es stets als Mangel angesehen, dass ich als Leiter der Arbeitsgruppe Ökonomik, die immerhin ca. 20 Mitarbeiter zählte, nicht Mitglied der „Partei der Arbeiterklasse“ war. Das hatte zur Folge, dass ich an bestimmte Informationen nicht herankam und mich eines Tages unser Direktor zu sich beorderte und etwa folgendes von sich gab: „Die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR hat die Arbeit der Arbeitsgruppe Ökonomik in den vergangenen acht Jahren sehr positiv bewertet. Um auch zukünftig die Aufgaben beim Aufbau des Sozialismus erfolgreich lösen zu können, wird sie in eine Abteilung umgewandelt. Ich möchte Ihnen hier den neuen Abteilungsleiter, den Genossen … vorstellen und hoffe, dass Sie gut mit ihm zusammenarbeiten.“ Ich war wohl ziemlich sprachlos, aber, was sollte man machen? Dass der neue Abteilungsleiter nach einem Jahr abgelöst werden musste und ich dann zeitweise wieder gefragt war, sei nur nebenbei erwähnt. Auch durfte man nicht alles äußern, wenn es politisch nicht opportun war. So hatte ich einmal die Aufgabe bekommen, die Obstbaubetriebe im Bezirk Halle zu analysieren. Dabei ergab sich, dass der größte Betrieb, dessen Direktor Mitglied der Bezirksleitung der SED war, in mehreren Kennzahlen ungünstiger als andere Betriebe abschnitt. Infolgedessen wurde ich umgehend einbestellt, wobei mir der Vorwurf gemacht wurde, ich hätte die Arbeit der hart arbeitenden Werktätigen in den Schmutz getreten. Es wurden mir disziplinarische Maßnahmen angedroht, wenn ich die Analyseergebnisse nicht umgehend abänderte. Auch eine Eingabe an den Rat des Bezirkes Halle, die zeigen sollte, dass eine zu große Konzentration der Obstproduktion, wie sie in den 5 großen Obstbaugebieten vom Politbüro angestrebt wurde, neben Vorteilen auch ökonomische Nachteile bringt, hatte unangenehme Aus-sprachen zur Folge. Neue Tendenzen in der Arbeitsorganisation Gegen Ende der 80-er Jahre begannen wir – angeregt durch Entwicklungen in der UdSSR – Unter-suchungen anzustellen, wie das Interesse der Mitarbeiter der Obstbaubetriebe an hohen Erträgen, guter Qualität, niedrigen Kosten und hohem Gewinn gesteigert werden konnte. Meine arbeitswirt-schaftlichen Untersuchungen hatten ergeben, dass das bisher angewandte System der Arbeitsorgani-sation und Vergütung vielfach dazu führte, dass niemandem die Verantwortung exakt zugeordnet werden konnte und die Arbeitszeit schlecht genutzt wurde, beim Obstbaumschnitt – wie eigene Zeitmessungen zeigten - z. T. nur zu 50 %. Um die Verantwortlichkeit und damit die Effektivität zu erhöhen, wurden u. a. Zeitmessungen, Befragungen, Modellkalkulationen, und praktische Versuche, durchgeführt. Eines der wesentlichen Ergebnisse war die versuchsweise Einführung relativ selb-ständiger Kollektive, die für die übertragenen Obstanlagen weitgehend verantwortlich waren sowie die Einführung neuer Vergütungsformen, wie Objektlohn und partielle Vergütung nach dem ökono-mischen Ergebnis. Beeinflusst wurde ich dabei auch durch die von Prof. Rosenkranz propagierten Spezialbetriebe für einzelne Produkte der Pflanzenproduktion. Die Einführung des Objektlohns in einem Betrieb, der bisher Mühe hatte, den Obstbaumschnitt bis Ende Mai abzuschließen, hatte z.B. zur Folge, dass die Mitarbeiter bereits im März um neue Arbeit baten, weil sie ihre Obstanlagen schon fertig geschnitten hatten. Bei einem Vortrag vor VEG Direktoren zu diesem Thema im Frühjahr 1989 wurde ich in der Diskus-sion scharf angegriffen Mir wurde vorgeworfen, ich würde den Weg für konterrevolutionäre Bestre-bungen bereiten. Erstaunlicherweise bekam ich aber von Mitarbeitern des ZK-Instituts der SED, die

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wohl von den Gedanken der Perestrojka beeinflusst waren, Unterstützung. Auch habe ich den Ein-druck, dass wesentliche Grundsätze meiner damaligen Ausarbeitungen nach der Wende - zumindest in einem großen Obstbauunternehmen - Anwendung fanden. Dort wurde relativ selbständige Obstbau-GmbH im Rahmen einer großen Kapitalgesellschaft gegründet. Neuorientierung nach der Wiedervereinigung Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung wurde das Institut für Obst-forschung durch westdeutsche Wissenschaftler evaluiert. Dabei fiel die Abteilung Ökonomik durch das Raster und wurde aufgelöst. Es galt also auch für mich, aus der neuen Situation das Beste zu machen. Dabei kam mir zugute, dass ich – begünstigt durch die gründliche betriebswirtschaftliche Ausbildung in Gundorf – in der Lage war, ökonomische Zusammenhänge auch unter den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen zu erkennen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Das befähigte mich, zwei Jahre lang erfolgreich als Berater für Gartenbau in Sachsen tätig zu sein. Vor allem galt es, Betriebsent-wicklungspläne für gärtnerische Nachfolgebetriebe der LPG und GPG auszuarbeiten, welche die zukünftige Organisation, die Produktionsstruktur, die erforderlichen Erträge, die technische und perso-nelle Ausstattung sowie die Finanzierung ermittelten und auswiesen. Diese Pläne sollten den Betriebs-leitern Orientierung für einen erfolgreichen Übergang in die Marktwirtschaft geben und gleichzeitig Grundlage für die Beantragung von Krediten und Fördermitteln sein. Um die Planung zu rationa-lisieren, erstellte ich ein Computerprogramm, das die Auswirkungen jeder geplanten Maßnahme auf das Betriebsergebnis sofort erkennen ließ. Dies erleichterte die Beratungstätigkeit ungemein, da in kürzester Zeit gemeinsam mit dem Gärtner am Laptop viele Varianten berechnet werden konnten. Das EDV-Programm wurde noch viele Jahre, nachdem ich eine andere Tätigkeit übernommen hatte, vom sächsischen Beratungsdienst angewandt. Für die Obstbaubetriebe bestand das Hauptproblem darin, dass – wie ich schon kurz nach der Wiedervereinigung nachweisen konnte – die bisher erzielten Erträge und Qualitäten nicht ausreichten, um bei den jetzt erzielbaren wesentlich geringeren Preisen und den steigenden Lohn- und Kapital-kosten rentabel wirtschaften zu können. Es galt also, in kürzester Zeit intensivere Anbausysteme einzuführen, das Sortiment auf die veränderte Nachfragesituation umzustellen, neue Absatzwege zu finden und die Organisation zu rationalisieren – weniger Stammpersonal und mehr Saisonkräfte. Einige Betriebe haben dies erfolgreich bewältigt, andere mussten die Obstproduktion aufgeben oder reduzieren. Tätigkeit als Lehrer für Betriebswirtschaft im Garten- und Landschaftsbau Im Jahr 1992 musste ich mich auf ein völlig neues Aufgabengebiet einstellen, die Übernahme des Unterrichts im Fach Betriebswirtschaftslehre des Garten- und Landschaftsbaus (GaLa-Bau) an der Fachschule für Gartenbau und Fachschule für Technik Dresden-Pillnitz im Rahmen der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Für die Ausbildung von Technikern und Meistern des GaLaBaus mussten in kurzer Zeit neben dem laufenden Unterricht ein Lehrplan sowie die jeweiligen Unterrichts-materialien ausgearbeitet werden. Vor allem galt es, sich mit den wirtschaftlichen Grundlagen des GaLaBaus, der ja eine Kombination von Gartenbau und Bauwesen darstellt und sich in vieler Hinsicht wesentlich vom reinen Gartenbau unterscheidet, bekannt zu machen. Im Einzelnen hatte ich die Teilgebiete Akquisition von Aufträgen, Angebotserstellung mit Preiskalkulation, Arbeits- und Be-triebsplanung, Buchhaltung, Kostenrechnung und Finanzierung zu unterrichten. Daneben galt es weiterhin, wissenschaftliche Grundlagen für die Gartenbauberatung zu erarbeiten (unter anderem durch jährliche Auswertung der betriebswirtschaftlichen Analysen der sächsischen Gartenbaubetriebe) und die sächsischen Berater sowie GaLaBau-Betriebe durch betriebswirtschaftliche Auswertungen, Vorträ-ge und Veröffentlichungen zu unterstützen (ENGELHARDT, Klaus und KRÜMMEL, Dietrich, 1995 und 1998). Ohne die bei Prof. Rosenkranz in Gundorf und meine bei der weiteren wissenschaftlichen und praktischen Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen wäre es unmöglich gewesen, diese Aufgaben zu erfüllen. Trotzdem erforderte die Vorbereitung von anfangs 24 Unterrichtsstunden je Woche neben den anderen Aufgaben zumindest im ersten Jahr sehr viele Überstunden. In den folgen-den Jahren hatte ich mich immer besser eingearbeitet, so dass ich es sehr bedauerte, als ich 1998 mit Eintritt des Rentenalters aufhören musste.

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Mitarbeit in gesamtdeutschen Gremien Bis zum Ende meiner beruflichen Tätigkeit arbeitete ich in drei gesamtdeutschen Gremien mit: im „Arbeitskreis Betriebswirtschaft im Gartenbau“, im „Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft“ (KTBL) und im Arbeitskreis „Ökonomie“ der „Forschungsgesellschaft Landschafts-entwicklung Landschaftsbau“ (FLL). Als Ergebnisse, an denen ich maßgeblich beteiligt war, sind der 1994 gemeinsam mit Prof. Schuricht erarbeitete und vom KTBL herausgegebene Bericht „Arbeitswirt-schaftliche Kennzahlen für Obstbau, Gemüsebau und Baumschulen“, der das Ziel hatte, die in den gartenbaulichen Akademieinstituten der DDR erarbeiteten Arbeitszeitnormen und technologischen Karten zu dokumentieren (SCHURICHT; R, KRÜMMEL, D. 1995). Leider wird dieser Bericht nicht mehr angeboten und scheint in einem Archiv verschwunden zu sein. Im Arbeitskreis „Ökonomie“ der FLL wurde im wesentlichen von mir die Broschüre „Unternehmensrechnung im GaLaBau – Steuerung des Unternehmenserfolges“ erarbeitet, die eine Anleitung zur praktischen Anwendung der Kosten-rechnung im Garten- und Landschaftsbau, zur Erfassung und Beurteilung der betrieblichen Kapazität und der wirtschaftlichen Situation, zur Planung, zur Preiskalkulation und zur laufenden Erfolgs-kontrolle geben soll (KRÜMMEL, Dietrich u. a. 2002). Als Mitglied des Arbeitskreises Betriebs-wirtschaft im Gartenbau war ich an der Analyse sächsi-scher Gartenbaubetriebe und deren Auswertung beteiligt. Literatur 1. Krümmel, Dietrich: Vorschläge für die Standortverteilung und Organisation des Obstbaus im Bezirk Leipzig, Diss. Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, 1964 2. Krümmel, Dietrich: Technologische Untersuchungen bei der Obstlagerung und -aufbereitung, Arbeiten aus dem Institut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der DAL zu Berlin und dem Institut für Betriebs- und Arbeitsorganisation in der Landwirtschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig, Heft 16, Böhlitz-Ehrenberg 1967 3. Krümmel, Dietrich: Entwicklung der Konzentration in der Obstproduktion und Herausbildung spezialisierter Produktionseinheiten, Übersichtsinformation für leitende Funktionäre der Landwirtschaft und Nahrungsgüterproduktion, Berlin, 1976 4. Schuricht; R. und Krümmel, D.: Arbeitsnormung im Obstbau, iga-Empfehlungen für die Praxis, Markkleeberg 1981 5. Lehmann, Ch., Völkel, H., Krümmel, D.: Betriebswirtschaftliche Richtwerte für die Obstproduktion, Dresden 1983 6. o.V.: Datenspeicher Verfahren der Pflanzenproduktion – DAVPP - Betriebswirtschaftliche Richtwerte für die Pflanzen- und Tierproduktion, agra, Empfehlungen für die Praxis, Markkleeberg 1986 7. Krümmel, Dietrich, Triemer, A. u. a.: Büro- und Personalcomputerprojekte zur Prozessführung in der Obstproduktion, agra-Empfehlungen für die Praxis, Markkleeberg 1987 8. Engelhardt, Klaus und Krümmel, Dietrich: Gewährleistung der Zahlungsfähigkeit, Informa-tion für Praxis und Beratung, Freistaat Sachsen, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, Dresden, 1995 9. Schuricht; R, Krümmel, D.: Arbeitswirtschaftliche Kennzahlen für Obstbau, Gemüsebau und Baumschulen, zusammengestellt nach Quellen aus der ehemaligen DDR, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft, Darmstadt 1995 10. Krümmel, Dietrich u. Engelmann, Klaus: Ermittlung der Lohnaufschläge und Lohn-verrechnungssätze 1998 im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau des Freistaates Sachsen, Information für Praxis und Beratung, Freistaat Sachsen, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, Dresden, 1998 11. Krümmel, Dietrich u. a.: Unternehmensrechnung im Garten- und Landschaftsbau FLL For-schungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V., Aus der Arbeit des AK „Ökonomie“, Bonn 2002

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Der Autor: Dietrich Krümmel studierte von 1953 bis 1958 an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität Gartenbau mit der Fachrichtung Obstbau/Gemüsebau. Danach war er zwei Jahre lang als Spezialagronom für Gartenbau in der MTS Mölschow (Usedom) tätig. Während seiner Aspirantur an der Karl-Marx-Universität Leipzig unter Prof. Rosenkranz bearbeitete er das Thema: „Vorschläge für die Standortverteilung und Organisation des Obstbaus im Bezirk Leipzig“ und pro-movierte damit im Jahre 1964 an der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften Berlin. Anschließend arbeitete er bis 1968 als Assistent und Oberassistent am Institut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf und befasste sich in dieser Zeit vorwiegend mit techno-logischen Fragen der Obstlagerung und -vermarktung, der Analyse der Obstlagerstationen der DDR sowie der Optimierung der Organisation von Obstbaubetrieben. Nach acht Gundorfer Jahren folgte die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Leiter der Arbeitsgruppe und stellvertretender Leiter der Abteilung Ökonomik im Institut für Obstforschung Dresden-Pillnitz tätig. Nach Abwicklung des Instituts folgte von 1991 bis 1992 der Einsatz als Gartenbauberater im Freistaat Sachsen. Zuletzt – bis zur Verrentung 1998 – war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft und unterrichtete das Fach Betriebswirtschaftslehre für Garten- und Landschaftsbau an der Fachschule für Gartenbau / Fachschule für Technik Pillnitz. Anschrift: Dr. Dietrich Krümmel, Stübelallee 7 b, D - 01307 Dresden E-Mail: [email protected]

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Klaus Kliem

Die Lehre von OTTO ROSENKRANZ aus der Sicht einer Agrarmanagers Die Lehren von Otto Rosenkranz haben mich vom Studium über die Assistentenzeit an der Univer-sität, bis in Praxis nicht nur begleitet, sie waren auch Maßstab für mein Handeln. Ob als LPG-Vor-sitzender der LPG Aschara – eines der größten und bekanntesten Genossenschaften der ehemaligen DDR oder auch jetzt als Geschäftsführer der ADIB - Unternehmensgruppe. Auch als Präsident des Thüringer Bauernverbandes kommt man in seiner Arbeit nicht an den Lehren von Otto Rosenkranz vorbei. Ich möchte meinen Beitrag in drei Abschnitte gliedern, die Ausbildung, die Arbeit, der Lobbyist. Ausbildung Uns Stundenten zeichnete noch aus, dass wir eine landwirtschaftliche Lehre vor dem Studium absolvieren mussten. Dies war für so manche Quereinsteiger schon eine Basis auf die aufgebaut werden konnte. „Von der Pike auf lernen“, mit der Arbeit in der Landwirtschaft vertraut zu sein, selbst die Arbeiten in Feld und Stall kennend, ist eine notwendige Voraussetzung für spätere Übernahme von Verantwortung. Man muss sie nicht besser können als der, der sie jeden Tag tut, aber man muss ein-schätzen, bewerten und beurteilen können. Betriebswirtschaft war für mich als Student kein Fach wie z. B. Tierernährung, wo man Formeln pauken musste, vor allem ein Fach, welches mit Verstehen der Zusammenhänge von Produktions-prozessen, der Organisation von Abläufen und deren finanziellen Auswirkungen auf Entscheidungs-prozesse verbunden war. In der Abschlussprüfung Betriebswirtschaft wurden von Prof. Rosenkranz auch nicht Kennzahlen abgefragt, sondern er wollte wissen, ob Weizen oder Nadelhölzer pro Hektar einen höheren finanziellen Ertrag hatten. Er wollte wissen, ob wir in der Lage sind, Prozesse auch wie gelehrtes zu verstehen. Für ihn war es egal, ob die Rentabilität einer Investition für einen Kuhplatz oder ein Hotelbettenplatz berechnet werden musste. Ihm ging es darum, dass wir als junge Menschen verstanden, dass man Zusammenhänge erkennt, die Produktionsprozesse analysiert und so befähigt ist, die ökonomischen, technischen und biologischen Gesetze und Gesetzmäßigkeiten versteht. War die Zeit meines Studiums noch geprägt mit Zurückhaltung von nicht öffentlich gewollten Äuße-rungen, erlebte ich dann als Assistent in Wissenschaftsbereich Betriebswirtschaft eine Atmosphäre, die man sich als junger Mensch nur wünschen kann. Wir konnten und durften nicht nur kritisch diskutieren, sondern es war gewollt. Beschlüsse waren nicht „heilig“, sondern Basis für die Diskussion. Die Spinnstunden waren ein Höhepunkt in der streitbaren Diskussion um Lösungsansätze. Auch die jährlichen Klausurtagungen des Wissenschaftsbereiches, vorzugsweise an der Ostsee, waren für uns junge Wissenschaftler eine wertvolle Lehre. Denn neben der Arbeit war es auch wichtig, dass sich die einzelnen forschenden Wissenschaftler beim Skat, bei der Bootsfahrt und Betriebsbesichtigungen außerhalb der tagtäglichen Aufgaben kennen und schätzen lernten. Dies habe ich übernommen und führe mit meinen Geschäftsführern und den Mitarbeitern der zentralen Leitung jährlich 2-tägige Klausurtagungen außerhalb unseres Unternehmensgebietes durch. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte 4 Jahre als Assistent, zu erst unter Prof. Rosenkranz und dann unter Prof. Tillack arbeiten, forschen und lehren zu dürfen. Aus der Praxis kommend und wieder in die Praxis wollend, waren diese Jahre für mich sehr wertvoll. Lernte ich doch neben Briefe schreiben auch wissenschaftlich zu arbeiten. Was für mich bedeutete, und was mir am Anfang auch schwer fiel, sich mit einer Aufgabe, einem Thema tiefgründig zu befassen, Literatur zu lesen, mit diesen Meinungen auseinandersetzen und mit Kollegen und Doktorvater zu diskutieren, eine geglaubte und oft schon geschriebene Auffassung wieder verwerfend. Dabei streitbare Diskussionen zum richtigen Weg und dem Ziel der Arbeit führend aber auch gelernt, dass man sich abgrenzen muss, um nicht ins Detail zu verfallen. Wozu man als Praktiker auch oft zu leicht tendiert.

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Praxis In der staatlichen Leitung und den Parteigremien zählte ein Doktor nicht so wie ein Absolvent einer Parteischule. Der einjährige Praxiseinsatz in den einzelnen Bereichen des Betriebes wurde mir erspart, da ich ja schon 3 Jahre im selben Betrieb tätig war. Ich halte heute noch so einen Einsatz direkt auf dem Feld oder Stall für sehr wertvoll, da nur so Respekt vor der Arbeit entsteht und man später diese besser beurteilen kann. Aufbauend auf die sehr gute Arbeit meiner Vorgänger stellte ich weiter – trotz der Trennung von Pflanze- und Tierproduktion - die Zusammenarbeit mittels Kooperation in den Mittelpunkt. Nicht das Ergebnis eines Betriebes (bei einer LPG Pflanzenproduktion und zwei LPG Tierproduktion) war entscheidend, sondern der Erfolg aller drei Betriebe. Einheitliche Normen- und Vergütungskataloge waren Voraussetzung für gleichen Lohn und für gleiche Arbeit. Der Mensch stand immer im Mittel-punkt unserer Überlegungen und Entscheidungen. Nicht nur „hohe“ Löhne, sondern auch Ferienob-jekte in vier Ländern, tägliches Mittagessen, Schlachtschweine auf Wunsch und Bereitstellung von begehrtem Baumaterial sollten für unsere Genossenschaftsbäuerinnen und –bauern die Basis für ihre Arbeit sein, damit sie wie Eigentümer handeln. Viele identifizierten sich mit unseren Betrieben, aber mit zunehmendem Anteil von außerlandwirtschaftlicher Arbeit ging dies langsam verloren. Die von Rosenkranz gewünschte Identifikation war in den letzten Jahren der Genossenschaft schon weniger stark verbreitet und auch heute gelingt es uns nicht, in ausreichendem Maße unsere Mit-arbeiter mitzunehmen. Ein Potential was besser genutzt werden muss. Nur wenn man genau weiß, warum und wieso eine Arbeit so und nicht anders zu erledigen ist und wann etwas Neues eingeführt wird, müssen wir erklären warum und das dadurch die Arbeit leichter, effizienter und besser wird. Wir müssen mehr „in die Köpfe“ unserer Mitarbeiter, wir müssen sie teilhaben lassen an unseren Überlegungen, die sie direkt betreffen. Wir müssen sie einbeziehen, auf ihren Rat hören und auch loben und tadeln. Auch wenn die Arbeitskosten heute nicht mehr und zukünftig noch weniger an den Gesamtkosten betragen, so sind sie eine, vielleicht die entscheidende Position. Arbeitskräftebesatz

Bild 1 Sauenzuchtanlage, Milchproduktionsanlage, Ackerbau

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Arbeitserledigungskosten

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Produktionsbereich

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20052012

Quelle: Betriebsauswertung ADIB GmbH Je weniger Arbeitskraftzeit pro Produkteinheit nötig ist, desto höher muss die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter sein. Sie müssen am Ergebnis ihrer Arbeit genauso beteiligt werden, aber nur an dem was sie selber beeinflussen können, wie der Eigentümer an seinem eingesetzten Kapital. Die Arbeit mit unseren Mitarbeitern beginnt nicht erst bei uns im Betrieb, sondern im Idealfall bereits in der Schule. Ein enger Kontakt zwischen Schule und Lehrbetrieb, zwischen Lehrer und Leiter des Betriebes, sind Voraussetzung, um die Schüler auf den Weg zum zukünftigen Beruf zu begleiten. Es reicht nicht, auch wenn es richtig ist, ständig zu sagen: „Unsere Schüler sind nicht ausbildungsfähig“ zu warten bis nötige gesellschaftliche Veränderungen erfolgen. Dies löst nicht die dringende Nachfrage an jungen Menschen, die über eine gute Ausbildung verfügen und später in unseren Betrieben benötigt werden. Wenn wir als Bauern immer nur klagen, brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir keinen Nachwuchs bekommen. Wir müssen das Bild der Landwirtschaft verändern und ein Umdenken in den Köpfen erreichen. Das Verständnis für unsere neuen Produktionsbedingungen schulen und zeigen, dass wir für die Zukunft gut aufgestellt sind. Landwirtschaft ist mehr als Schubkarre und Mistgabel. Es ist ein Wirtschaftsbereich mit Melkrobotern, GPS Technik, mit Investitionen bis zu 1 Mio EURO / Arbeitsplatz. Dafür benötigen wir gut ausge-bildete Lehrlinge, die bereits eine gute Schulausbildung hatten. Sie müssen bereit sein, sich ständig weiterzubilden. Die Möglichkeiten, die uns der biologische, technische und wissenschaftliche Fort-schritt bietet, kann nur von Menschen ausgeschöpft werden, die über die entsprechende Bildung verfügen aber auch bereit sind, diese anzuwenden und nicht zu verdammen.

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Bild 2

Dies setzt natürlich auch andere Vergütungssysteme voraus. Es muss stärker die einzelne Arbeit bewertet werden, statt routinemäßige Lohnerhöhungen, die zu hohen Löhnen im Alter führen, nicht aber die jungen, leistungsbereiten, alle Technik beherrschenden Mitarbeiter genügend berücksichtigt. Für Prof. Rosenkranz war „messen – wiegen – rechnen“ die Grundvoraussetzung für die exakte Leitung eines Betriebes. Nur wenn man wusste, welche Erträge je Kultur geerntet, welche Zunahmen ein Masttier am Tag erreicht und man dazu die richtige Buchführung mit Kostenstellen und Kostenträgern hatte, war man in der Lage einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Geschlossenheit zu betrachten. Auch wenn in der DDR die ein oder andere Zahl angepasst werden musste, war es in der Planwirtschaft nicht anders als in der Marktwirtschaft. Die Produktionsprozesse mussten und müssen bis ins Detail bekannt sein. Erfolgreiche Betriebe haben in der Vergangenheit wie heute eine exakte Jahres-, Quartals- und Monatsplanung und werten sie in denselben Abschnitten auch mit den dazugehörigen Inventuren aus. Insbesondere die Liquiditätsplanung und die Zusammenarbeit mit den Banken besitzen heute einen wesentlich höheren Stellenwert. Nur wer exakte Zahlen präsentieren kann, sich mit diesen auch identifiziert, dahinter steht und dafür lebt, gewinnt das Vertrauen der Banken. Zwischen der Planwirtschaft und der Marktwirtschaft gibt es auf Betriebsebene kaum Unterschiede. Außer, das einmal ein Plan festlegte was angebaut und produziert wird und jetzt die eigene Planung im Mittelpunkt steht. Aber gerade in der Landwirtschaft haben wir heute doch viel präzisere Vorgaben, wie: „Milchquote, Kulap, CC und Flächenprämie“. Sie sind wie Planungsvorgaben zu berücksichtigen. Jeder Betriebsleiter ist gut beraten darüber nicht zur diskutieren, sondern er muss sich nur entscheiden, ob er dieses Geld haben will oder nicht. Dann muss er festgelegte Regeln einhalten. Jede Diskussion hierüber ist für den Betriebsleiter verlorene Zeit. Dies ist Aufgabe von berufsständischen Interessen-vertretungen.

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Lobbyarbeit Als ich im Sommer 1990 zum Präsidenten des Thüringer Bauernverbandes gewählt wurde, waren mir die Aufgaben und die Bedeutung einer berufsständischen Interessenvertretung nicht vollumfänglich bekannt. Nach über 20 Jahren als Präsident kommt man nur zu einer Feststellung, ohne einen starken Berufsverband, der versucht sich für alle Landwirte, egal in welcher Eigentums- und Rechtsform sie wirtschaften, egal ob groß oder klein und auch Regionen übergreifend arbeitet, streitet, aber immer (fast immer) mit einer Stimme gegenüber der Politik den Verbrauchern und Medien auftritt, ohne diesen Verband wäre es wesentlich schlechter um jeden einzelnen Landwirt aber auch um jedes einzelne Agrarunternehmen bestellt. Waren die ersten Jahre noch von solchen Gedanken und Vorurteilen geprägt wie: Milchproduktion kann nur in bäuerlichen Familienbetrieben erfolgreich betrieben werden, in der Pflanzenproduktion hätte es zu DDR-Zeiten Überdüngung gegeben, in Großbetrieben würde zu viel „an den Rädern“ hängen bleiben, die Vorzüge des Familienbetriebes könnten nicht durch Große Betriebe ausgeglichen werden. Egal was damals alles für Meinungen geäußert wurden, ob richtig oder falsch, festzuhalten ist, dass wir viel zu wenig voneinander wussten und somit Ängste, Befürchtungen aber auch Interessen und Hoffnungen geweckt wurden. Vieles wurde durch die Zeit bestätigt – erfolgreiche Neugründung von Familienbetrieben aber auch widerlegt – wie die Ertragsleistung in der Milchproduktion oder Düngereinsatz. Bild 3

Milchleistungen ABL/NBL

0100020003000400050006000700080009000

10000

1970

1980

1985

1986

1987

1988

1989

1995

1996

1997

1998

1999

2009

2010

Jahre

kg/K

uh Milchertrag je Kuh ALB

Milchertrag je Kuh NBL

Bild 4

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Erträge

0,0010,0020,0030,0040,0050,0060,0070,0080,00

1960

1970

1980

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Jahre

dt/h

a Getreide insgesamt DDRGetreide insgesamt BRD

Nicht die Betriebsgröße in der Landwirtschaft ist entscheidend für den Erfolg, sondern der Mensch. Je besser es ihm gelingt, die Vorteile des Kleinbetriebes – Arbeit für die eigene Sache – einzubringen in die Organisation eines Großbetriebes, werden die Vorzüge dieser sichtbar und langfristiger. Ein Beispiel dafür ist auch die erhebliche Differenz im Arbeitskräftebesatz der Betriebe. Selbst wenn man für 2007 unterstellt, dass in den neuen Bundesländern weniger Tiere gehalten werden und somit auch weniger Arbeitskräfte benötigt werden, ist die Differenz deutlich. Bild 5

Die Begrenztheit der Möglichkeiten die zu DDR-Zeiten bestanden und eine effektive Produktion oft behinderten, wie fehlende Pflanzenschutzmittel, Dünger Eiweißfutter, veralterte Kommunikations-mittel und Informationsmaterial werden heute durch eine genaue, wissenschaftlich fundierte Anwendung in den Betrieben, die es verstehen sie richtig einzusetzen, zu einer Kraft, die in größeren Betrieben besser genutzt werden kann. Spezielle Kenntnisse zu einzelnen Tierarten oder der Pflanzen-produktion und kaufmännische Fähigkeiten einzelner Personen, ergänzen sich und richtig angewendet,

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entsprechend geführt und angeleitet eine „Produktivkraft“, die man mit keinen anderem Faktor ausgleichen kann. Wenn man heute übe „industrielle“ Produktion in der Landwirtschaft spricht – wie sie bereits von Rosenkranz 1957 definiert wurde, läuft man sehr schnell Gefahr, von bestimmten Personengruppen deformiert zu werden. Sie verstehen darunter Massentierhaltung mit Verletzung des Tierschutzes, Reduzierung der Biodiversität und durch eine intensive Landbewirtschaftung einen verstärkten CO² Ausstoß. Aber neuste Untersuchungen können dies nicht bestätigen. Bild 6

Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivitäthat seit 1960 weltweit mehr als 500 Milliarden Tonnen CO2 eingespart

Daten aus Burney et al. (2010)

Mrd

. t C

O2-

eq

Tatsächliche THG Emissionen

(? 1965-2005)

THG Emissionenohne Intensivierung

(? 1965-2005)

Annahme: Hektarertrag wie 1961, aber

Bevölkerungsentwicklung entsprechend der Realität

THG-Emissionen aus:

Prof. Dr. H. Kuhlmann, Gespräch IVA Pflanzenernährung / DBV 06.11.2010 - Seite: 3

Bild 7

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Herausforderung:Die landwirtschaftliche Produktionsmenge einer Region soll beibehalten aber gleichzeitig die Artenvielfalt erhöht werden.

Ergebnis der Studie:Zur Erhöhung der Artenvielfalt ist eine Kombination aus intensiver LW plus Naturschutzfläche gegenüber ausschließlich organischer Bewirtschaftung zu bevorzugen, wenn der Ertrag des intensiven Landbaus 15 % höher als der des organischen Landbaus ist.

Aber: intensive Landwirtschaft und Biodiversität müssen kein Widerspruch sein

OrganischerLandbau

IntensiveLandwirtschaftErtrag + 15 %

IntensiveLandwirtschaft

Ertrag > + 15 %

Artenvielfalt Artenvielfalt= höhere Artenvielfalt=>Gleiche Anzahl Schmetterlinge Höhere Anzahl Schmetterlinge

Prof. Dr. H. Kuhlmann, Gespräch IVA Pflanzenernährung / DBV 06.11.2010 - Seite: 8

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Wie will man Personen, die eine vorgefertigte Meinung haben, in Wohlstand leben, den Hunger der Welt nur aus dem Fernseher kennen, Informationen, die nicht in ihr Weltbild passen, ablehnen, immer älter werden, dabei aber glauben durch Essen krank zu werden, überzeugen, dass wir die bestuntersuchten Lebensmittel haben und unsere Flächen wie noch nie in der Vergangenheit so nach-haltig bewirtschaften und unsere Tiere nur deshalb so eine hohe Tageszunahme und Milchleistung haben, weil sie gesund sind und die Haltungsbedingungen auch dem entsprechen, ist Aufklärung nötig. Aber es sind unsere Verbraucher, denen wir ehrlich gegenüber treten müssen und denen wir auch sagen müssen, dass wir die Weltbevölkerung langfristig nur mit einer intensiven Landwirtschaft ernähren können und das wird auch notwendig sein die Biotechnologie (grüne Gentechnik) nicht als Last, sondern richtig angewendet als Segen der Menschen zu betrachten. Nicht alle, aber fast alle heutigen Erkenntnisse, Forschungsergebnisse und zukünftige werden wir benötigen, um unsere Verpflichtung zu erfüllen, den Menschen gesunde, hochwertige und ausrei-chende Nahrungsmittel bereitzustellen. Zusätzlich haben wir Bioenergie zu erzeugen um die Umwelt und den Boden auf dem wir wirtschaften besser der nächsten Generation zu übergeben, als wir ihn übernommen haben. Wir müssen uns in Zukunft mit der Landwirtschaft intensiver auseinandersetzen, dabei den Verbraucher mitnehmen, um Akzeptanz zu erreichen. Wir müssen daraus ableitend unsere Betriebe ausrichten. Wir müssen uns dabei loslösen von zeitweiligen, politischen Rahmenbedingungen. Wir müssen sie ausnutzen, aber nicht davon abhängig werden. Nicht die Größe eines Betriebes entscheidet über den Erfolg, sondern wie es dem Unternehmer, dem Management gelingt, besser als andere mit den Bedingungen fertig zu werden. Betriebe mit mehr als einer Produktionsrichtung werden zukünftig genauso wie Betriebe mit tieferer Wertschöpfung oder enger Zusammenarbeit sich am Markt behaupten als andere. Landwirtschaft wie Wirtschaft – beide kann man nur erfolgreich führen, wenn man die „geltenden“ ökonomischen, technischen und biologischen Gesetze und Gesetzmäßigkeiten kennt. (Rosenkranz 1976) Rosenkranz war mit seinen Ideen der Zeit voraus. Sie haben heute wieder an Aktualität gewonnen, achten wir darauf, dass sie Inhalt unseres Handelns bleiben.

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Der berufliche Werdegang desVerfassers: 1973 Diplom Agraringenieur (Uni Leipzig) 1980 Promotion Dr. agr. 1981 – 1988 LPG-Vorsitzender der LPG (T) Henningsleben 1988 – 1990 LPG-Vorsitzender der LPG (T) Aschara seit 1990 Präsident des Thüringer Bauernverband e.V. und Mitglied im Fachausschuss d. DBV seit 1991 Geschäftsführer der ADIB GmbH seit 1993 Vorsitzender des Ausschuss für Getreide und andere pflanzliche Qualitätserzeugnisse 1994 Mitglied in COPA/COGECA Arbeitsgruppe Getreide Brüssel 1995 – 1998 Stellvertretender Vorsitzender der Fachagentur für Nachwachs. Rohstoffe e.V. seit 1996 Vorsitzender der Union zur Förderung der Öl- und Proteinpflanzen 1998 - 2004 Vorsitzender der Fachagentur für Nachwach. Rohstoffe e.V. 1999 – 2000 Vorsitzender des Ausschusses für Getreide in der Europäischen Kommission 1999 - 2004 Vorsitzender der COPA/COGECA Arbeitsgruppe „Ackerbaukulturen“ 2004 - 2007 Stellvertretender Vorsitzender der Fachagentur für Nachwach. Rohstoffe e.V. 2007 - 2010 Vorsitzender der Fachagentur für Nachw. Rohstoffe e.V. 2005 Verleihung Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland Ehrenämter 2010 Präsident des Thüringer Bauernverbandes e.V. Vorsitzender DBV-Fachausschuss für Getreide und andere pflanzliche Qualitätserzeugnisse Vorsitzender Fachbeirat Getreide, Getreideerzeugnisse, Futtermittel, Reis, Ölsaaten, Pflanzenöle und -fett, und nachwachsende Rohstoffe der BLE Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Vorsitzender DBV Fachausschuss Nachwachsende Rohstoffe Vorsitzender der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen e.V. - UFOP Anschrift: Dr. agr. Klaus Kliem, Geschäftsführer ADIB Agrar - Dienstleistungs-, Industrie-, und Baugesellschaft mbH Bahnhofstraße 10, D - 99947 Bad Langensalza E-Mail: [email protected]

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Artur Spengler

Praxisnahe Forschung in Gundorf Der Gegenstand der wissenschaftlichen Arbeit des Gundorfer Institutes und seines Leiters Prof. Dr. Rosenkranz entsprach auch in nicht wenigen Punkten der Arbeitsrichtung meiner praktischen und wissenschaftlichen Arbeit über viele Jahre. Die vielen guten und hervorragenden Ideen und Lösungen, die von Gundorf in die Landwirtschaft der DDR kamen, waren allen in unserer Landwirtschaft Tätigen – so auch mir – für ihre Arbeit von großem Nutzen. Sie beflügelten mich zugleich in meiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit. 1. In guter Erinnerung ist mir, während meiner Etzdorfer Zeit, der erste bewusste Kontakt mit der damaligen Lehr- und Forschungsanstalt für Landarbeit Gundorf, der sich in Gestalt des von dort herausgebrachten Normenkatalogs für VEG 1951 ergab. Die politisch Verantwortlichen in der Sowje-tischen Besatzungszone, die die Gründung der Volkseigenen Güter aus den durch die Bodenreform entstandenen Provinzial- bzw. Landesgüter engagiert hatten, war die solide Entwicklung der Betriebsführung ein vorrangiges Ziel und dabei von Anfang an die Durchsetzung des Leistungsprin-zips. Dieses erforderte entsprechende Fachkenntnisse und auch damit vertraute Persönlichkeiten sowie die notwendigen Arbeitsunterlagen. In jedem VEG, die im Juni 1949 aus den bis dahin als Landes- bzw. Provinzialgütern bezeichneten Betrieben entstanden waren, war die Arbeit mit technisch begründeten Arbeitsnormen eine wichtige Aufgabe. Zu diesem Zweck wurde auch der Beruf des Normsachbearbeiters (TAN-Bearbeiters) einge-führt. Für alle in diesen Betrieben Tätigen war damit die Lehr- und Forschungsanstalt für Landarbeit Gundorf eine wichtige Einrichtung geworden. Diese Wertschätzung und diese engen Kontakte haben sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich fortgesetzt. Musterarbeitsnormen für die Feld- und Viehwirtschaft (1955), spezielle Normenkataloge für den Feldgemüsebau, Technisch-Wirt-schaftliche Kennziffern zur Planung der Feldwirtschaft in VEG sowie Zeitnormative für die Arbeiten in der Viehwirtschaft in LPG und VEG waren weitere wichtige wissenschaftliche Arbeitsergebnisse, die wir in der Praxis unbedingt brauchten und anwenden wollten. Aufbauend auf diesen wichtigen Grundlagen wurden besonders in den VEG Saatzucht der VVB Saat- und Pflanzgut später auch Quali-tätsvorschriften – Gütenormen – entwickelt und diese mehr oder weniger erfolgreich in der praktischen Arbeit der Pflanzenproduktion eingesetzt. 2. Im Besonderen wurde ich – bereits im VEG Hübitz arbeitend – aufmerksam auf die Tätigkeit des Gundorfer Institutes und verfolgte, wie der neue Direktor des VEG „Walter Schneider“ Eisleben sei-nen großen Betrieb neu organisierte. Dieser Direktor Hans Belitz hatte das Institut für Arbeitsökono-mik Gundorf gewonnen, dass unter Leitung ihres Direktors, Professor Dr. Rosenkranz, einen umfas-senden Perspektivplan für diesen, mit 4.500 Hektar damals sehr großen Betrieb, zu erarbeiten. Die dabei entstandene Gesamtlösung war beeindruckend. Sie war Voraussetzung und Mittel für die erfolg-reiche Entwicklung des Eislebener VEG. Mich hatten auch solche Teillösungen, wie die Rekonstruk-tion eines Kuhstalles im Betriebsteil Seeburg, besonders interessiert. Hier waren aus einem decken-lastigen Anbindestall Holzrostenböden als Liegeflächen bei sparsamem Häckselstroheinsatz als Einstreu entstanden, in dem die Kühe mechanisiert gemolken wurden. Für die von mir vorgesehene Entwicklung des Volkseigenen Gutes Hübitz, als erstes vollmotorisiertes und vollmechanisiertes VEG in der DDR, habe ich einige wesentliche Teile von dem Eislebener Konzept von dem in Eisleben angewendeten Gundorfer Konzept erfolgreich anwenden können. Das erfolgte einerseits zur Mechanisierung in der Schweinemast durch neuartige Gestaltung der Ställe, durch eine einfachere Mechanisierungsform der Entmistung und andererseits durch die Schaffung eines hochmodernen Kuhstalls mit Laufstallhaltung, mechanisierte Fütterung und Entmistung, Melken aller Kühe im Fischgrätenmelkstand, Trocknung des Halbheus mittels großer Gebläse auf dem decken-lastigen Bergeraum.

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Bei der Konzipierung der Mechanisierung der Feldarbeiten folgte ich dem Grundsatz von Rosenkranz, für die einzelnen Arbeitsgänge möglichst die bestgeeignetsten Traktorengrundtypen, also unterschied-lich großen Traktorentypen, einzusetzen. Das war im VEG Gundorf so gehandhabt worden. Ziel war immer die möglichst gute Auslastung der Zugkraft der Traktoren und damit der rationelle Energie-einsatz, die so wenig Befahrungen des Ackerbodens wie möglich. Dem diente vielseitige Geräte-kopplung, z. B. Abschleppen der Felder mit 12 m Arbeitsbreite, Saatbettvorbereitung mit zwei gekop-pelten Scheibeneggen 5 m Arbeitsbreite, Drillen mit Drillmaschinen mindestens 5 m Arbeitsbreite, Pflanzenschutz mit 18 m Arbeitsbreite und maximale Gerätestaffelung. (Maximal im Sinne von opti-mal, damit in einem Arbeitsgang – zum Beispiel Grubber, Schleppe, Walze und Egge ein saatbett-fertiger Acker entstand.) 3. Durch Regierungserlass vom 18.09.1953 waren alle Volkseigenen Güter als eigenständige juristi-sche Personen erklärt worden, bis dahin waren nur die Gütervereinigungen juristische Person im Sinne des Gesetzes. Damit wurde die Verantwortung der Betriebskollektive und ihrer Leiter für die vorbild-liche finanzielle Entwicklung der Betriebe, das Erreichen der Rentabilität, wesentlich erhöht. In der gesamten Volkswirtschaft der DDR wurde die wirtschaftliche Rechnungsführung als Mittel und Weg bezeichnet, alle Betriebe zu hoher Rentabilität zu führen, und das war zu diesem Zeitpunkt in der über-wiegenden Zahl der Volkseigenen Güter noch nicht der Fall, hatte aber nicht nur die Ursache in mangelnder Organisation und Leistung, sondern die produzierten Güter wurden bis Ende 1953 nach Preisen des Preisstandes von 1944 abgerechnet, während die privaten Bauern und auch die inzwischen entstandenen Genossenschaften durch die so genannten ‚freien Spitzen’ ein doppeltes Preissystem hat-ten, mit dem sie wesentlich höhere Erzeugerpreise erzielten und rentabel arbeiteten. Diese gesamte Problematik war damals in der Forschungsarbeit von Prof. Rosenkranz eine wichtige Seite. Ich kann mich gut an die Fortbildungstagung der Deutschen Agrarwissenschaftlichen Gesell-schaft (DAG), wie die spätere Agrarwissenschaftliche Gesellschaft der DDR (awig) hieß, erinnern. Prof. Rosenkranz referierte zur Problematik „Wie können alle Güter rentabel werden, wie können sie Gewinn erzielen, wie muss die wirtschaftliche Rechnungsführung angewendet werden. In besonderer Erinnerung ist mir dabei geblieben, dass Prof. Rosenkranz, sicherlich mit vollem Recht, den Begriff „Wirtschaftliche Rechnungsführung“ für die angestrebte Methodik kritisierte. Er meinte, dass die aus dem Russischen kommende Kategorie besser als „Rechnende Wirtschaftsführung“ zu übersetzen wäre. Mich überzeugte dieses Argument vor allem, weil „rechnende Wirtschaftsführung“ auch viel besser das Bestreben schildert, erfolgreich zu wirtschaften. Während dieser Tagung kam es auch zu einem ersten persönlichen Gespräch zwischen Prof. Rosenkranz und mir, dem sich später noch weitere an-schlossen. 4. In vielfältiger Weise habe ich in meiner Tätigkeit als VEG-Direktor alle Ergebnisse der Arbeits- und Technologieforschung in Gundorf verfolgt und vor allem angewendet. Was ist da zu nennen?

- Solange noch keine Kartoffellegemaschinen verfügbar waren, das Kartoffel legen von Hand mit Lege-wanne (in Gatersleben und Etzdorf).

- Das Vereinzeln der Zuckerrüben mit der langen Hacke bei Anwendung der Einzelkornaussaat mit technisch bearbeitetem Saatgut (in Werder und Hübitz).

- Die Selbstfütterung der großen Mastschweinebestände mit so genannten Futterautomaten in den Schweinemastanstalten in meinen Betrieben (in Hübitz wie in Memleben).

- Die Errichtung großer Intensivhaltungen von Legehennen auf Tiefstreu (in Hübitz und Mem-leben).

- Breite Einführung technischer Trocknung von Futterpflanzen in den von mir geleiteten Betrieben.

- Die Nutzung von Zentralrohrsiloanlagen zur Gesunderhaltung von Körnerfrüchten verschiede-ner Art und im Besonderen für die Saatgutproduktion.

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- Die Schaffung von kalt- und warmluftbetriebenen Lagerhallen mit Spaltenböden, auf denen Rohware-Saatgut verschiedener Art bis zur Aufbereitung gelagert werden konnte.

Mit dem Ziel der vollmechanisierten und vollmotorisierten Arbeitsweise in der Pflanzen- und in der Tierproduktion sind wir schrittweise über verbesserte Arbeitstechniken zur Gesamtentwicklung, zur Verbesserung der Produktionsverfahren, gekommen. Dazu haben die Forschungsergebnisse in Gundorf in bedeutendem Maß beigetragen. Die bedeutende Weiterentwicklung der Landwirtschaft Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, das Drängen nach höherer Arbeitsproduktivität, nicht zuletzt durch Mechanisierung und Motorisie-rung, führten zu immer neuen Forderungen an die betriebs- und arbeitsökonomische Forschung, durch geeig-nete Wege zu möglichst komplexen Verfahren zu kommen. Das gesamte Forschungskollektiv in Gundorf/Böhlitz-Ehrenberg stellte sich diese Aufgabe und entwickelte solche Lösungen – die Schüler von Rosenkranz waren erfolgreich tätig. Die im Besonderen durch die Forschungsarbeiten in diesem Institut entwickelten Produktionsverfahren, vor allem in der Pflanzenproduktion, kennzeichnend durch Maschinensysteme und komplexe ökonomische Regelungen, charakterisieren die Wirtschaftsweise in der Landwirtschaft der DDR der 80er Jahre. Ein besonderes Betätigungsfeld waren dabei die Technologischen Karten, an der wir in der Saatgut-wirtschaft der DDR beispielhaft mitgewirkt haben. Hier legten wir zusätzlich den Schwerpunkt auf Besttechnologien mit dem Ziel, höchste Erträge und höchste Qualität, die vor allem bei den Saatgut-kulturen gefragt sind. Fruchtarten- und schlagbezogene Höchstertragskonzeptionen sowie auch tierar-ten- und stallbezogene Höchstleistungskonzeptionen waren damit die letzte Stufe, in der wir erfolg-reich um höchste Effektivität gerungen haben. Ich erinnere mich gern an die intensive Zusammenarbeit mit den Gundorfer Kollegen, von denen wir Praktiker viel gelernt haben, aber auch durch unsere Tätigkeit dazu beitrugen, dass sie gefordert wurden und nicht nur dadurch unsere Unterstützung erhielten. Der Verfasser Nach dem Abitur, zweijähriger praktischer Ausbildung in den LVG Gatersleben und Etzdorf; folgte anschließend vor dem Studium eine Tätigkeit als Betriebsleiterassistent. Während des Studiums in Halle, Praktika in Etzdorf in den dortigen Außenstellen des Institutes für Betriebs- und Arbeitsöko-nomik der agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle und des Akademie-Institutes für Landtechnik Bornim. Kontakte mit dem damaligen Nestor der Landarbeitswissenschaften Prof. Dr. Derlitzki, dem Dr. Paul Stopporka und Dr. Albrecht Bail mit Bornimer Wissenschaftlern. Nach dem Studium erfolgten ein Jahr Tätigkeit als Betriebsleiter im VEG Werder Merseburg (260 ha LN), neun Jahre im VEG Hübitz (470 ha LN), danach 28 Jahre im VEG „Thomas Müntzer“ Memleben (1.700 bis 6.350 ha LN), 22 Jahre als Kooperationsratsvorsitzender, außerdem ein Jahr Vorsitzender des Kreislandwirtschaftsrats Nebra. 1964 Dissertation A: „Die Technisierung eines sozialistischen Landwirtschaftsbetriebes der DDR und deren Auswirkungen auf Arbeitsproduktivität, Nutzeffekte der Gesamtarbeit, Rentabilität“. Facultas docendi 1976 – Honorardozent für Betriebswirtschaft 1975 1986 Dissertation B (Habilitation, Gemeinschaftsarbeit mit Peter Feiffer): „Entwicklung, Überleitung und Ergebnisse des komplexen Verfahrens der Prozessoptimierung in der Getreideernte und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen“. Anschrift: Doz. Dr. habil. Artur Spengler Hohlweg 26 D- 06571 Roßleben E-Mail: [email protected]

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Peter Jahr

Die Lehre von OTTO ROSENKRANZ aus der Sicht eines Agrarpolitikers im Europäischen Parlament

Es ist glücklicherweise nicht schwer, einen Bezug von der Lehre Otto Rosenkranz’ zur Agrarpolitik der Europäischen Union zu ziehen. Doch bevor ich diesen Schritt gehe, erlauben Sie mir, der ich wie die meisten der hier Anwesenden von Professor Rosenkranz geprägt wurde, bitte einige allgemeine Aussagen. Die Biografie von Otto Rosenkranz ist für mich beeindruckend und tragisch zu gleich. Ein Wissenschaftler, der die bürgerliche Betriebslehre erlernt hat, schickt sich im real existierenden Sozialismus der DDR an, die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften ökonomisch durch-dringen zu wollen. Das musste beiden Richtungen suspekt sein: Vom Westen wurde er als der „rotte Otto“ beschimpft. Den Apparatschicks im Osten aber war er zu ökonomisch. Wie konnte es einer wagen, festzustellen, dass vor allem der Gewinn für einen Betrieb wichtig sei? Strukturen waren in der DDR ja politisch vorgegeben. Und dann kommt einer und rechnet nach, ob diese Strukturen überhaupt sinnvoll sind? Als Otto Rosenkranz dann auch noch gegen die Trennung von Tier- und Pflanzen-produktion betriebswirtschaftliche Bedenken äußerte, war seine Abberufung als Direktor des Instituts für Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf die Folge. Wenn man so will, hat Prof. Rosenkranz also das Scheitern des sozialistischen Wirtschaftssystems der DDR vorausberechnet. Denn eine Gesellschaft, die den einzelbetrieblichen Aufwand negiert und Gewinn mit kapitalistischem Profit gleichsetzt, ist zum Scheitern verurteilt. Ebenso wie ein Wirt-schaftssystem, das das Rechnen vergisst und nicht beachtet, dass ein Mehrwert für die nächste Generation erwirtschaftet werden muss. Für mich ist Prof. Rosenkranz darum schon frühzeitig in die Familie der bürgerlichen Betriebswirtschaft zurückgekehrt. Aber was heißt in diesem Zusammenhang „bürgerlich“ und was bedeutet „sozialistisch“? Es gibt nur eine Betriebswirtschaft – und diese hat Otto Rosenkranz gelehrt. Denn was er Generationen von Schülern weitergeben hat, ist die betriebswirt-schaftliche Durchdringung landwirtschaftlicher Betriebe. Das ist die Fähigkeit seiner Absolventen, Veränderungen im Produktionsprozess wirtschaftlich einzuordnen. Für mich war das die entscheidende Vorraussetzung, das sich die umgewandelten LPGs als Kapitalgesellschaften in der Marktwirtschaft behaupten konnten. Und sie konnten das so gut, dass die aktuelle Politik diese Effizienz durch Kap-pung von Fördermitteln wieder kassieren will. Das führt nun zu meinem eigentlichen Thema – zur spezifischen Sicht auf die Lehre von Otto Rosen-kranz aus der Sicht eines Agrarpolitikers im Europäischen Parlament. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die Agrarpolitik der vergangenen 20 Jahre seit der Wiedererlangung der Einheit Deutsch-lands übrigens durchaus eine Erfolgsgeschichte: Denn im Vergleich zur Landwirtschaft (oder genauer: zur Agrarpolitik) ist es in keinem anderen Gebiet, ob in Wirtschaft, Politik oder Kultur, seit der politi-schen Wende so deutlich gelungen, spezifisch ostdeutsche Sichtweisen in die öffentliche Debatte einzubringen und durchzusetzen. Seit 1990 begleite und gestalte ich Agrarpolitik mit, zunächst im Freistaat Sachsen im Landtag, dann auf Bundesebene im Bundestag und nun dort, wo wirklich über Agrarpolitik entschieden wird – in einer EU-Institution, im Europäischen Parlament. In diesen 20 Jahren ist oft über Agrarreformen gesprochen worden. Und wenn die Schreckensworte vergangener Jahrzehnte mit Butterberg und Milchsee inzwischen keine Bedeutung mehr haben, ist das auch ein Teil dieser Erfolgsgeschichte. Diese spezifisch ostdeutsche Sicht auf Landwirtschaft ist natürlich mit einem Mann wie Prof. Rosen-kranz verbunden. Wenn wir heute – endlich, könnte man sagen – in Europa vom Begriff „Landwirtschaft“ auch den zweiten Teil des Wortes betonen und damit in Erinnerung bringen, dass die agrarische Produktion eben ein wichtiger Wirtschaftszweig in Europa ist, dann wäre das ohne die ökonomische Grundlegung einer modernen Landwirtschaft, wie sie Otto Rosenkranz lehrte, gar nicht denkbar. Reformdebatten gab es in der Vergangenheit immer wieder, und die Diskussionslinien verlaufen gerade bei Nicht-Experten (und leider gibt es im Europaparlament, das in seiner Gesamtheit

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neuerdings über den Agrarhaushalt mitentscheiden darf, eine übergroße Mehrheit von Nicht-Experten!) immer nach dem gleichen Muster: Hier die angeblich ehrbare Landwirtschaft, möglichst noch der kleine Familienbetrieb mit einer überschaubaren Anzahl von Tieren und einer kleinen Nutzfläche für Ackerbau. Und dort die oft als „Agrarfabriken“ diffamierten größeren Betriebe, die es nach der Wende erst in Ostdeutschland gab, die nun aber zunehmend auch in westlichen Bundesländern anzutreffen sind. Weil gerade die aus Ostdeutschland stammende Struktur zeigt, wie eine effiziente und zukunfts-fähige Landwirtschaft aussehen kann. Global gesehen sind nämlich die kleinen Höfe kaum über-lebensfähig, und die globale Konkurrenz ist die, mit der wir uns zunehmend messen müssen im Zeitalter neuer WTO-Verhandlungen. Ich will nur einige Schlagworte der vergangenen großen Agrarreform nennen, die sich allesamt wie aus einem Lehrbuch von Otto Rosenkranz lesen: „Entkopplung“ beispielsweise – also der Gedanke, dass die Agrarbeihilfen, ohne die die Europäische Union auch zukünftig nicht auskommen wird, von der Produktion entkoppelt und stattdessen an die bewirtschaftete Fläche gebunden wird. Das ist ökono-misch und auch ökologisch sinnvoll. Denn dadurch wurde der Landwirt wieder zum wirtschaftlich denkenden und handelnden Unternehmer. Er baut nun nicht mehr das an, wofür es von der EU am meisten Förderung gibt (auch wenn das nicht unbedingt auf dem Markt absetzbar ist). Sondern er baut das an, was er selbst für sinnvoll hält. Nachwachsende Rohstoffe beispielsweise, wenn es dafür eine ausreichende Nachfrage gibt. Futterpflanzen, wenn sich das als wirtschaftlich tragbar erweist. Auf jeden Fall aber wird der Landwirt selbst die Entscheidung treffen, die ihm wirtschaftlich am sinnvoll-sten erscheint. Otto Rosenkranz hätte zweifellos seine Freude daran. Ein Wort zur Agrarpolitik der EU generell: Oftmals rechnen die schon weiter oben benannten Nicht-Experten vor, wie hoch der Anteil der Agrarpolitik am EU-Haushalt ist. Ohne jede weitere Information sieht das wirklich recht beeindruckend aus. Doch einerseits übersehen diese Kritiker, dass der prozen-tuale Anteil in den vergangen 20 Jahren immer weiter zurückgegangen ist – einst betrug er weit über 60 Prozent, heute sind es nicht einmal mehr 40 Prozent. Zum anderen hat ja die europäische Agrar-politik eine Historie: Als in den 1950er Jahren die Regierungen der damaligen EWG entschieden, ihre Agrarpolitiken zu vergemeinschaften, haben die jeweiligen Staaten einen Teil ihrer Souveränität abge-geben. Um als Ergebnis aber eine Institution zu bekommen, die ge-meinsam reagieren kann – und die nun auch im Zuge der WTO-Verhandlungen mit dem Rest der Welt mit einer einzigen Stimme auftritt. Das scheint mir den Abbau der Souveränität in diesem Punkt Wert zu sein, denn eine Renationali-sierung, wie sie vor wenigen Jahren immer wieder einmal als Gespenst am Horizont der europäischen Agrarpolitik auftauchte, wird zum Glück von der übergroßen Mehrheit abgelehnt. Diese Renationali-sierung stünde nämlich für 27 einzelne Wege, kaum aufeinander abgestimmt – und im globalen Kontext hilflos den wirklichen Größen ausgeliefert. Es wurde bisher übrigens ein einziges Politikfeld, die Agrarpolitik, vergemeinschaftet. Hätten sich die Staaten entschieden, ihre Sozialpolitiken zusam-menzuführen – was ich als bürgerlicher Abgeordneter natürlich nicht befürworten würde – sähen die Relationen im Haushalt anders aus. Den dritten Teil meiner Ausführungen möchte ich einigen Gedanken zur zukünftigen Agrarpolitik und Schwerpunktsfeldern meiner Arbeit im Europäischen Parlament widmen, die sich ebenfalls aus der Lehre von Otto Rosenkranz ableiten lassen – und dabei werde ich auch aktuelle Entwicklungen in der Agrarpolitik bewerten: Die Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft in Europa ist auch in Zukunft der einzig denkbare Weg, um sicherzustellen, dass nachkommende Generationen den Nutzen von Europas einzigartigen natürlichen Ressourcen genießen können. Gleichzeitig spiegeln sich in der Nachhaltigkeit auch die Sorgen der Verbraucher wieder. Mit dem Auslaufen der noch bis zum Jahr 2013 laufenden aktuellen agrarpolitischen Phase in gerade einmal zweieinhalb Jahren besteht eine der vorrangigen Aufgaben des Agrarausschusses für die näher liegende Zukunft in der Formulierung politischer Tätigkeitsfelder, damit für eine lebensfähige und auch nachhaltige Landwirtschaft ein um-fassender und dauerhafter Rahmen bereitgestellt werden kann. Dafür müssen auch im Sinne der durch Otto Rosenkranz formulierten Grundlagen moderner Landwirtschaft drei Herausforderungen bewältigt

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werden: in erster Linie die wirtschaftliche Herausforderung, die in der Stärkung der Wettbewerbs-fähigkeit des Agrarsektors liegt. Zweitens die soziale Herausforderung, also die Verbesserung der Lebensbedingungen und wirt-schaftlichen Chancen in ländlichen Gebieten. Drittens müssten wir der ökologischen Herausforderung durch Unterstützung eines sinnvollen Umweltverhaltens und die Erbringung von Dienstleistungen zur Aufrechterhaltung der Artenvielfalt und der Landschaft begegnen. Die Verbesserung der Umweltver-träglichkeit der Agrarproduktion ist eine der im Ausschuss derzeitig gesetzten Prioritäten. Eine umweltfreundliche Landwirtschaft bedeutet nicht, dass „altmodische Methoden“ angewandt würden. Im Gegenteil – besondere Betonung muss auf die Förderung neuer und biobasierter Industrien und Technologien gelegt werden. Die in den vergangenen Jahren stets unterstützte Forschung zu umwelt-freundlichen Produkten kann helfen, nachhaltige Lösungen für einen vernünftigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde und für die Entwicklung umweltschonender Produkte zu bieten. Dabei gilt es vor allem, die Rolle der Landwirte als Landschaftsschützer zu fördern. Neben den Maß-nahmen zur Extensivierung müssen die Landwirte als aktive Landschaftsschützer ermutigt werden, die Artenvielfalt zu bewahren und umweltschützende Produkte zu verwenden. Die Förderung des Tierschutzes ist nicht nur eine ethische Anforderung, sondern auch eine Garantie für hohe Qualität, die heute zunehmend gefragt ist, und somit eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen der Landwirte müssen darum auch in Zukunft mit Nachdruck gefördert werden, da sie der beste Weg sind, um die Herstellung tierischer Erzeugnisse langfristig vertretbar zu machen. Zur Sicherstellung lebensfähiger ländlicher Gebiete, in denen der soziale Zusammenhalt gewährleistet ist, ist die Stärkung des zweiten Pfeilers der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und eine neue umfassende ländliche Entwicklungspolitik notwendig. Durch derartige Anreize muss es gelingen, die Beschäfti-gung im ländlichen Raum sowohl in Familienbetrieben als auch in der Agrarindustrie zu fördern und die Landflucht zu verhindern. Derzeit fließen nur zehn Prozent des Agrarbudgets in ländliche Entwick-lungsmaßnahmen. Für die Umsetzung der bereits vor Jahren im Agrarausschuss gesteckten Ziele ist dies aber nicht genug. Die Kosten des zweiten Pfeilers müssen darum auch durch strukturpolitische Maßnahmen und nicht nur allein durch die zweite Säule der GAP getragen werden. Wo dies möglich ist, sollten diese Maßnahmen aber noch stärker als bisher dezentralisiert werden, das Parlament muss jedoch weiterhin bei den Schlüsselaspekten Mitbestimmungsmöglichkeiten erhalten. Wie schon weiter oben ausgeführt, hat die Diskussion um die EU-Finanzplanung bis 2013 gezeigt, dass immer dann, wenn das Geld knapp wird, die Gemeinsame Agrarpolitik als Sündenbock herhalten muss und als größter Ausgabenposten in Frage gestellt wird. Als positiv sind darum Vorstöße für eine weitere Vereinfachung und Entschlackung der Gemeinsamen Agrarpolitik zu sehen. Überflüssige Bestimmungen können gestrichen werden und die Gemeinsame Marktordnung bei der Intervention, der Kontingentierung, der Lagerung, der Verkaufsförderung, den Exporterstattungen sowie den Bei-hilferegelungen weiter vereinheitlicht und damit transparenter gestaltet werden. Nicht zuletzt beschäf-tigt auch die Diskussion um neue Technologien, insbesondere die Biotechnologie, einen Agrarpolitiker im Europäischen Parlament. Neue Technologien sind nicht nur potenziell in der Lage, vernünftige Lösungen für Umweltprobleme zu bieten und zur nachhaltigeren Entwicklung beizutragen. Diese Technologien könnten auch die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Nahrungsmittel verbessern und somit zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit beitragen. Die Auffassung, dass Gentechnologie und Biotechnologie im Bereich der Medizin vorwiegend neue Möglichkeiten eröffnen, während sie in der Landwirtschaft dagegen mit Risiken verbunden sind, teile ich als Vertreter der bürgerlichen Mehrheit im Europaparlament nicht. Vielmehr bestehen auf beiden Gebieten einerseits große Chancen, die genutzt werden sollten, aber auch erhebliche Risiken, die es durch entsprechende Rechtsvorschriften abzufedern gilt. Daher müssen – gerade auch mit Blick auf die Lehre einer modernen und ökonomisch fundierten Landwirtschaft, für die Otto Rosenkranz stand – diese neuen Technologien umfassend gefördert werden, damit sie zum Nutzen aller eingesetzt werden können.

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Der Autor lernte als Student bei "Rosenkranz-Schülern" an der Universität Leipzig sein agrarisches und betriebswirtschaftliches Handwerk, was ihn sehr prägte. 1984 legte er in Leipzig die Diplom-prüfung ab, war bis 1988 wissenschaftlicher Assistent, promovierte im gleichen Jahr zum Dr. agr. . Danach war er als Ökonom in der LPG "Justus von Liebig" in Taura tätig, 1990 bis 1995 leitete er als Geschäftsführer die Agrar GmbH Taura als Nachfolgeunternehmen der LPG. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik begann seine Laufbahn als Agrarpolitiker, zunächst von 1990 bis 2002 im Sächsischen Landtag und von 2002 bis 2009 im Bundestag. Seit 2009 ist er Europaabgeordneter der CDU Sachsen, neben der Arbeit im Petitionsausschuss ist er vor allem im Agrarausschuss tätig. Anschrift: Europabüro Dr. Peter Jahr, M d EP Obergasse 7 D - 09217 Burgstädt E-Mail: [email protected]

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Hans-Werner Heinze

Professor OTTO ROSENKRANZ - mein Lehrer und Vorbild In unserer vom „Ich“ und „Heute“ dominierten Zeit lohnt es sich darüber nachzudenken, ob Vorbilder wichtig sind für Menschen. Vorbilder sind für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen wichtig. Sie orientieren sich an den Leistungen und Verhaltensweisen der Vorbilder. War Professor Rosenkranz mein Vorbild? Der Name Prof. Otto Rosenkranz begegnete mir erstmals während meiner Lehrzeit. Ein Berufs-schullehrer absolvierte an der Landwirtschaftlichen Fakultät in Leipzig ein Fernstudium und berich-tete begeistert von den betriebswirtschaftlichen Vorlesungen, die Rosenkranz hielt. Ich erinnere mich auf den Mann neugierig geworden zu sein. Er war auch ein Grund, im Jahre 1968 im Verlauf der III. Hochschulreform der DDR von Halle an die neu entstandene Sektion Tierproduktion und Veterinär-medizin nach Leipzig zu wechseln. Doch zunächst wollte ich Tierzüchter werden. In einem Treffen von Professoren, ich erinnere mich an Liebenberg, Rosenkranz, Brandsch und Thum, mit einigen guten Studenten sollten diese für eine wissenschaftlich produktive Tätigkeit an den jeweiligen Instituten begeistert werden. Rosenkranz und Liebenberg saßen mir gegenüber am Tisch. Rosenkranz kannte ich bis dahin nicht. Auf meine Erklärung, dass ich Tierzüchter werden wolle fragte mich Rosenkranz in der ihm eigenen ruhigen Art: „Und was machen Sie, wenn sich das neue Zuchttier im Betrieb nicht rechnet?“ Ich weiß noch, dass ich Rosenkranz in sein ruhiges Gesicht sah und wie er mit dem Auge zwinkerte. Das war, im Nachhinein bewertet, der entscheidende Augenblick für mein berufliches Leben. Denn, ich entschied mich noch in diesem Treffen, in der Fachgruppe Betriebswirtschaft tätig zu werden. Und diese Entscheidung habe ich noch keinen Tag bereut. Ausbildung In der Fachgruppe Sozialistische Betriebswirtschaft wurden die „rosenkranzschen“ Anforderungen an die Mitarbeiter gelebt. Alle hatten gut zu tun. Wir zwei Studenten, die sich für die Betriebswirtschaft entschieden hatten, durften zum kennen lernen der Aufgaben an verschiedenen Aufträgen mitarbeiten. Besonders wichtig war, dass Rosenkranz ab und zu mit uns diskutierte. Wir lernten einen vielseitig interessierten an Ideen reichen Professor kennen, der an seine Mitarbeiter hohe Anforderungen stellte aber zuerst an sich selbst. Was er von anderen verlangte lebte er vor. Er war Vorbild. Als ich später das Angebot erhielt, ein Forschungsstudium aufzunehmen gab es keine Frage, ich wollte es in der Betriebswirtschaft bei Rosenkranz tun. Am 1. Februar 1971 war das freie Studentenleben zu Ende. Professor Rosenkranz, Ullrich Tröger und ich besprachen uns erwartende Aufgaben, die Arbeitsthemen für die Dissertationen und die Anforderungen in der Lehre. Und, das ist mir besonders wichtig, er sprach mit uns über persönliche Dinge. Mein Chef interessierte sich für mich. Das war mir neu. Im Lauf der folgenden Jahre hatten wir viele persönliche Gespräche. Auch nach seiner Emeri-tierung trafen wir uns noch viele Jahre zu Gesprächen. In Erinnerung blieb mir, dass die Gespräche nicht unter Zeitdruck stattfanden und dass der Chef mir zuhörte. Diese beiden Binsenweisheiten habe ich in meiner späteren Leitungstätigkeit beachtet. „Der Tag hat vierundzwanzig Stunden und dann kommt die Nacht.“ Diesen Satz bekam zu hören, der über zu hohe Arbeitsbelastung klagte. Das hatte zur Folge, dass man selbst suchte, wie man seine Arbeitsorganisation verbessern konnte. Die Kollegen meinten meist: „Das Problem hatten wir auch mal.“ Sie gaben aber trotzdem gute Ratschläge und halfen gelegentlich. Der Chef hatte eine Forderung gestellt und war sicher, dass man sie erfüllt. Die jungen Mitarbeiter wurden umfassend in die Lehre und Forschung integriert. Das hatte zur Folge, dass eben nicht nur am Dissertationsthema gewerkelt wurde, sondern auch Seminare vorzubereiten und zu halten und Diplomarbeiten zu beurteilen waren. Gestern noch Student und vierzehn Tage später schon Seminarleiter, so erging es uns. Rosenkranz und seine Oberassistenten hatten in uns das Ver-

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trauen gesetzt, dass wir das schaffen. Und wir schafften es. Wir wurden aber auch gut angeleitet. Rosenkranz wollte gut ausgebildete, im Kantschen Sinne ihren Verstand gebrauchende kritische Mit-arbeiter, die sich in Betrieben zurechtfinden. Später in der Praxis in verschiedenen Funktionen war ich froh, dass ich mich bei Lindemann und Bubenik mit der Kostenrechnung und bei Reule und Reichel mit Fragen der Vergütung und Prämiierung beschäftigen musste. Ich hatte gutes Rüstzeug erhalten und konnte beispielsweise mit Hauptbuchhaltern sachkundig reden. Das war auch nach dem Jahre 1990 von Nutzen, als einzelne Leute glaubten, mir das beibringen zu müssen. Das Übertragen einer konkreten Aufgabe und das Führen am „langen Zügel“ förderte das eigene Tun. Ich hatte Gestaltungsspielräume. Das traf meinen Nerv. Ich hatte und habe den Mut, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen. In meinen verschiedenen Tätigkeiten als Leiter hatte auch ich mit dieser Leitungsmethode Erfolg. Leitungspraxis Rosenkranz hatte Ideen. Manche schienen verrückt zu sein. Ideen muss man als Chef haben, wenn man seine Mitarbeiter orientieren will. Denn, der Chef denkt an übermorgen, der Referent an morgen und die anderen Mitarbeiter erfüllen die heutigen Aufgaben. In einem Gespräch berichtete Rosenkranz einmal wie er als Student zerkleinerte Heringe in seiner Studentenbude in Danzig trockneten, um den Masseverlust festzustellen. Die Auswirkungen auf die Mitbewohner im Haus wären unerträglich gewe-sen was zum baldigen Abbruch des Versuches führte. An diese Idee erinnerte ich mich während meiner Tätigkeit im Spreewald. Im Betrieb hatten wir ständig mit viel Gülle zu tun, deren Verwertung nicht gesichert war. Die Kraftwerke Lübbenau und Vetschau lagen praktisch vor der Tür und produzierten täglich hunderte Tonnen Asche. Was lag näher als einen Versuch zu starten. Kraftwerks-asche und Rindergülle wurden in verschiedenen Verhältnissen gemischt und die Eigenschaften der Gemische mit Unterstützung eines Mitarbeiters der Sektion Pflanzenproduktion der Humboldt-Univer-sität zu Berlin auf wissenschaftlicher Basis bestimmt. Am Ende der Versuche wurde die Sache zum Patent angemeldet und schließlich angenommen. Rosenkranz nahm das Ergebnis schmunzelnd zur Kenntnis. „Es ist so ziemlich egal was man tut, man muss es nur ganz tun. Dann stellt sich auch der Erfolg und die Freude an der Arbeit ein.“ Das war eine der wichtigsten Botschaften von Rosenkranz. Als Leiter in volkseigenen Gütern, in LPG und auch im Staatsdienst kann ich vorbehaltlos die Richtigkeit dieser Aussage bestätigen. Ich hatte aber auch das Glück, dass ich Vorgesetzte hatte, die mich weitgehend machen ließen oder auch froh waren, dass ich es so machte. In beiden Fällen habe ich aber auch den Hinweis von Rosenkranz beachtet, dass man informieren muss. Ein gut informierter Vorgesetzter hat keinen Grund misstrauisch zu sein und man erhält sich die für eine erfolgreiche Tätigkeit erforderliche Handlungsfreiheit. Leute, die einem den Erfolg nicht gönnen gibt es aber überall, auch oder vielleicht gerade in der staatlichen Verwaltung. Und so kommt es, dass man auch mal „wegbefördert“ werden kann. Dann kommt es darauf an, wie Rosenkranz sagte, dass man sich nicht zu lange selbst bemit-leidet. Das verhindert die erforderliche freie Sicht für die neue Aufgabe. Meine gute Ausbildung und die als Leiter in VEG und LPG gesammelten Erfahrungen waren mir sehr nützlich in meiner Tätigkeit als Referatsleiter im Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Land-wirtschaft. Nach der politischen Wende im Jahre 1990 waren Ideen gefragt zur Unterstützung der neuen landwirtschaftlichen Betriebe, der Verwertung des ehemals volkseigenen Vermögens in den VEG, der Vermögensauseinandersetzung in den LPG und vieles mehr. Ich leitete das Referat Tier-zucht, Tierhaltung und Fischerei. Insofern hatte mich mein ehemaliger Berufswunsch Tierzüchter zu werden eingeholt. Als ich im Jahre 1992 in den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinder-züchter gewählt wurde merkte mein verehrter Seniorberater, Herr Professor Moser aus Baden Württemberg, an:„ Herr Heinze versteht etwas von Betriebswirtschaft. Das ist für die Arbeit im Vor-stand sicher von Nutzen.“ Zuständig war ich damals auch für die Zusammenarbeit des Staats-ministeriums mit der Treuhandanstalt, den Teil Landwirtschaft betreffend. Mir sind viele Betriebe in Erinnerung, die aus den ehemaligen VEG oder durch die Verpachtung von Treuhandflächen entstanden

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und die heute noch existieren. So manches Gespräch mit den zukünftigen Betriebsinhabern und Ver-antwortlichen der Treuhandanstalt, später der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft, war zu führen. Fast immer ging es um betriebsökonomische Fragen. Es war eine spannende Zeit. Von besonderer Bedeutung möchte ich die Möglichkeit der Mitgestaltung von Entwicklungsprozessen herausstellen. Das in Sachsen ausgearbeitete Programm „Umweltgerechte Landwirtschaft“ war wegweisend für eine neue Sicht auf die Landbewirtschaftung in der Europäischen Union. Für den Aufbau der neuen Verwaltung waren Mitarbeiter auszuwählen und für die neue Tätigkeit zu befähigen. Im wahrsten Sinne der Worte konnte „fördern durch fordern“ gelebt werden. Die Möglichkeit dazu war gegeben. Inzwischen werden in der öffentlichen Verwaltung seit Jahren durch Stellenabbau kaum noch junge Menschen eingestellt. So habe ich in meiner jetzigen Tätigkeit nahezu keinen Zugang an Personal. Es dreht sich ein Personal Karussell, auf dem die vorhandenen Mitarbeiter heute mit dieser und übermorgen mit einer anderen Arbeitsaufgabe betraut werden. Darunter leiden die Motivation und das Engagement für die Arbeitsaufgabe. Die für die Entwicklung, auch der Verwaltung, unentbehrlichen Impulse und die Inspiration, die junge Leute ins Geschäft bringen, bleiben aus. Dieser Zustand mit seinen negativen Folgen ist nach meiner Kenntnis in den meisten Verwaltungen anzutreffen. Die Förderung von vor allem jungen Menschen im Sinne von Rosenkranz „durch das Stellen von Forderungen“ in der Leitungspraxis kann man nur dann praktizieren, wenn junge Menschen eingestellt werden. Dass junge Menschen motiviert sind zu zeigen was sie können, erlebte ich wiederholt in den letzten Jahren, wenn junge Menschen auf Projektstellen eingestellt wurden. Insoweit ist die Welt noch in Ordnung. In den letzten Jahren war ich im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie für staatliche Kontrollen im pflanzlichen Bereich zuständig. Dazu gehörten beispielsweise die amtliche Futtermittelüberwachung und der Pflanzenschutz. Konflikte blieben nicht aus. Wer lässt sich schon gern kontrollieren? Nur gut ausgebildete Mitarbeiter sind für die Kontrolltätigkeit geeignet, können den zu Kontrollierenden auch Rede und Antwort stehen und die Gesetzlichkeit durchsetzen. Solche Mitarbeiter sind glaubwürdig. Die ständige Fortbildung der Mitarbeiter zu organisieren und sie für die Kontrollen zu motivieren war eine meiner Hauptaufgaben. Dazu zählt, sich in Konfliktsituationen zunächst vor sie zu stellen bis das Gegenteil bewiesen ist. Fehler dürfen gemacht werden. Mit Ablauf des Monats März 2011 beende ich meine aktive berufliche Tätigkeit. Für mich konstatiere ich, dass ich meine Mitarbeiter durch das Stellen von Forderungen gefördert habe. Mein Vorbild war Professor Otto Rosenkranz. Der Autor studierte an der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der Karl-Marx-Universität Leipzig mit anschließendem Forschungsstudium und Promotion im Jahre 1975. Danach übte er Leitungstätigkeiten in VEG und LPG. Ab 1991 war er als Referatsleiter im Sächsischen Staatsminis-terium für Umwelt und Landwirtschaft tätig. Daran schlossen sich verschiedenen Leitungsaufgaben in der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft an. Derzeit leitet er das Referat Kontrolldienst pflanzlicher Bereich im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Anschrift: Dr. Hans-Werner Heinze Goldbacher Straße 61 D-01877 Bischofswerda Mail:[email protected]

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Karlheinz Großkopf

Vom Hochschuldozenten zum Referatsleiter in der brandenburgischen Agrarverwaltung

Jahrestage bieten Anlass zur Rückschau und zum Ausblick. Die hundertste Wiederkehr des Geburts-tages des Nestors der landwirtschaftlichen Betriebslehre in der DDR, Prof. Rosenkranz, ist allemal ein Anlass dafür, zu fragen, was ist von dem, was Rosenkranz geforscht und gelehrt hat unter inzwischen völlig veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geblieben, was haben seine „Schüler“ aus oft jahrelanger Tätigkeit an den von Rosenkranz geleiteten Institutionen sozusagen für ihr Berufsleben mitnehmen können. Ich kann diese Frage natürlich nur aus meiner Sicht und für mich beantworten. Zum besseren Verständnis des Nachfolgenden sei angemerkt, dass ich in den letzten 20 Jahren nicht in den Bereichen Forschung und Lehre gearbeitet habe. Seit August 1991 bin vielmehr in der Agrarverwaltung des Landes Brandenburg tätig und dort von Anbeginn mit der Bewertung und Gestaltung agrarpolitischer Rahmenbedingungen befasst. Es war keinesfalls mein Traumziel, von der Wissenschaft in die Verwaltung zu wechseln und beim Einstellungsgespräch im damaligen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bin ich vom Staatssekretär auch gefragt worden, ob mir bewusst wäre, worauf ich mich mit diesem Wechsel einlassen würde. Im Detail war mir das sicher nicht bewusst, aber die Alternative bestand darin, als schon berufener Dozent für landwirtschaftliche Betriebsökonomik an der Universität Jena, auf die Wiedereröffnung einer Landwirtschaftlichen Fakultät zu hoffen, obwohl die Diskussionen um Über-kapazitäten in der agrarwissenschaftlichen universitären Ausbildung seit der Wiedervereinigung neuen Auftrieb erhalten hatten und ein Gießener Kanzler an der Jenaer Universität sich nicht als Befürworter eines solchen Vorhabens erwies. Ich war positiv evaluiert worden. Als Rosenkranzianer hatte ich jedoch auch hinreichend Selbst-bewusstsein, den Tatsachen ins Auge zu sehen und statt einen „Schwebezustand“ zu akzeptieren, eine Entscheidung zu treffen: Ich ließ mich durch den thüringischen Hochschulminister abberufen, um den Weg nach Potsdam freizumachen. Im Übrigen wollte ich es mit Rosenkranz halten, der in seiner Ab-schiedsvorlesung im Juli 1976 sagte: „Es ist ziemlich gleichgültig, was man wird, welcher Tätigkeit man sich hingibt, man muss es nur ganz tun“. (ROSENKRANZ, 1976, S. 4) Die Aufgabe der Agrarverwaltungen der neuen Bundesländer bestand Anfang der 90er Jahre darin, günstige Rahmenbedingungen für den Umstrukturierungsprozess der ostdeutschen Landwirtschaft zu schaffen und diesen Prozess politisch zu begleiten. Die grundlegenden Merkmale dieses Umstruktu-rierungsprozesses bestanden - in der Wiederherstellung des Privateigentums an den Produktionsmittel - in der Wiederherstellung der unternehmerischen Selbstverantwortung der Landwirte und - im Ersatz einer Alles dominierenden zentralen Wirtschaftsplanung durch die Verknüpfung von Marktmechanismen mit agrarpolitischen Steuerungsinstrumenten. Seine besondere Brisanz erhielt dieser Transformationsprozess dadurch, dass die Agrarpolitik von EU und Bund in ihrem praktischen Handeln bis dato am Dogma des Familienbetriebes festhielt und davon abweichende Strukturen politisch ablehnte, bestenfalls aber als vorübergehende Erscheinung ansah. Das provozierte verstärkte Diskussionen um das agrarpolitische Leitbild. Brandenburg hatte in seinem agrarpolitischen Programm für den Systemwandel in der Landwirtschaft im Jahre 1992 dazu formu-liert: „Die Wahl der Betriebs- und Rechtsformen sowie die Größe der aus LPG und kooperativen Ein-richtungen hervorgehenden Unternehmen müssen die Bauern, ausgehend von ihren Erfahrungen und Zielsetzungen, in freier Entscheidung selbst treffen. Es wäre fatal, wenn anstelle des Dogmas der

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Kollektivierung das Dogma der bäuerlichen Familienbetriebe gesetzt würde, ohne die künftigen Anfor-derungen an den Strukturwandel und die Erfahrungen der Beteiligten zu berücksichtigen. …. In jedem Fall muss gelten, dass auf der Grundlage der freien Entscheidung der Eigentümer, der Wettbewerb entscheiden sollte, welche Unternehmensformen sich durchsetzen.“ (Der Brandenburger Weg, 1992). Brandenburgische Agrarpolitik, an deren Gestaltung ich mitwirken durfte, hat sich bis heute in Über-einstimmung mit dieser Leitlinie für Chancengerechtigkeit für alle Betriebs- und Rechtsformen sowie Betriebsgrößen eingesetzt. Auf EU-Ebene fand und findet das vor allem seinen Niederschlag im Widerstand gegen eine betriebsgrößenabhängige Ausgestaltung der Direktzahlungen; auf nationaler Ebene seien exemplarisch angeführt

- der Einsatz für eine Altschuldenregelung, die den Belastungen der Unternehmen und ihren Möglichkeiten zur Schuldentilgung angemessen Rechnung trug,

- der Einsatz für eine Politik der Privatisierung von BVVG-Flächen, die zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den agrarstrukturellen Interessen des Landes und den fiskalischen Interes- sen des Bundes führt und

- der Einsatz für die Abschaffung des Selbstbehaltes und der Obergrenze für die Steuerrück- erstattung beim Agrardiesel. Im Ergebnis ist eine im Hinblick auf Betriebs- und Rechtsformen sowie Betriebsgrößen vielseitig strukturierte, unternehmerisch orientierte Landwirtschaft entstanden, die gute Voraussetzungen hat, im härter werdenden Wettbewerb auf zunehmend liberalisierten und globalisierten Märkten zu bestehen. Rosenkranz hatte im Februar 1996 in einem Interview mit einem für Deutschlandradio tätigen Journa-listen auf die Frage nach den Erwartungen der bundesdeutschen Agrarpolitik an den Strukturwandel in der ostdeutschen Landwirtschaft erklärt, er verstände nicht „ … dass hochqualifizierte und geistig hochstehende Leute in den alten Bundesländern, sich mit politischen Meinungen oder Ideologen … identifizieren, die rein gegen besseres Wissen … sagen, dass die Betriebe, die mit größeren Flächen ausgestattet sind, vernichtet werden müssen, damit bäuerliche Familienwirtschaften entstehen“ (IRION, 1996, S. 12). In einem Vortrag auf der 40. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues 1999 in Kiel erklärte Rosenkranz - die Entwicklung der landwirt-schaftlichen Betriebswirtschaft in der DDR bilanzierend - : „Anerkennt man die Entwicklung in der Landwirtschaft zu größeren Betrieben, die fortschreiten-de Konzentration der Produktion als allgemein gültiges Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung, so kommt man zu dem Schluss, das auch die Vergenossenschaftlichung der Landwirtschaft der DDR bei allem Schrecklichen, was sie für Einzelne gebracht hat, doch nur als Vorwegnahme einer Entwicklung bezeichnet werden kann, die auch den Bauern in den alten Bundesländern nicht erspart bleibt. Das Ende bleibt das Gleiche, nur der Weg zu ihm ist ein anderer“ (ROSENKRANZ, 1999, S. 7). Inzwischen sieht auch die Bundespolitik die Umstrukturierung des Agrarsektors in den neuen Ländern als eine Erfolgsgeschichte des Einigungsprozesses. Der Bundesinnenminister erklärte dazu in seiner Funktion als Beauftragter für die neuen Länder anlässlich des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit, dass die ostdeutsche Landwirtschaft auf vielen Gebieten mittlerweile die Nase vorn hätte und dass die Anpassungsprobleme in der Landwirtschaft, die dem Westen noch bevorstünden, im Osten schon ge-laufen seien. Dies ist das Ergebnis eines schwierigen, konfliktreichen und nicht immer wider-spruchsfrei verlaufenden Prozesses. Ich selbst habe mich dabei auf den verschiedensten Ebenen mit Wort und Schrift im Rahmen meiner Möglichkeiten eingebracht und mich dabei von folgenden Rat-schlägen meines Lehrers Rosenkranz leiten lassen:

- „Nur wer mit den Bauern spricht, wird von ihnen verstanden, und nur der, der sich Mühe gibt sie zu verstehen und weiß, wie ihnen zumute ist, erhält ihr Vertrauen.“

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- „Was man sagt muss wahr sein - auch wenn es nicht allen gefällt - man braucht aber nicht alle

Wahrheiten auf dem Markt auszuschreien“ (ROSENKRANZ, 1976). Ich bin damit immer gut gefahren. Literatur: 1. Der Brandenburger Weg - Agrarpolitisches Programm für den Systemwandel in der Landwirt- schaft. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Brandenburg, Potsdam 1992. 2. Irion, M.: Professor Otto Rosenkranz - Ein marxistischer Ökonom in der sozialistischen Wissenschaft, Ansichten eines 85-Jährigen zur Vor- und Nachwendezeit, Sendemanuskript (1996, unveröffentlicht). 3. Rosenkranz, O.: Vorlesungsmanuskript für die Abschiedsvorlesung am 05.02.1976, Leipzig 1976 (unveröffentlicht). 4. Rosenkranz, O.: Landwirtschaftliche Betriebswirtschaft in der DDR (1949 - 1989), Vortrag auf der 40. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues vom 04. bis 06. Oktober 1999 in Kiel, Vortragsmanuskript S. 13 (unveröffentlicht). Der Autor: Nach dem Studium an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Karl-Marx-Universität begann der Ver-fasser eine wissenschaftliche Laufbahn im betriebswirtschaftlichen Wissenschaftsbereich der Sektion Tierproduktion der KMU Leipzig. Nach Dissertation und Habilitation wirkte er kurzzeitig als Dozent an der biologischen Fakultät der Jenaer Universität. Seit 1991 ist er als Referent bzw. Referatsleiter in der für Landwirtschaft zuständigen obersten Behörde des Landes Brandenburg in Potsdam tätig. Anschrift: Dr. habil. Karlheinz Großkopf, D - 14554 Seddiner See E-Mail: [email protected]

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Günter Heller

Die Lehre von OTTO ROSENKRANZ aus der Sicht der Unternehmensberatung

Nach meinem Dienstantritt als wissenschaftlicher Assistent 1967 brauchte es einige Wochen, bis ich – nach Drängen des damaligen geschäftsführenden Assistenten, Herrn Tillack, – ehrfurchtsvoll beim Chef Otto Rosenkranz am Tisch sitzen durfte, um seinen Auslassungen über ein mögliches Promo-tionsthema zu lauschen. Er redete u. a. über Betriebsberatung und Betriebsanalyse. Die Begriffe deuteten etwas Praktisches an; das gefiel mir. Unvorstellbar blieb mir dabei vorerst, wie man darüber eine Doktorarbeit schreiben kann. Später, nach einigen Monaten, glaubte ich hingegen, etwas Revolu-tionäres leisten zu können. So oder so ähnlich ist es wohl fast allen Doktoranden gegangen. Es folgte dem Üblichen, nämlich wochenlangen Literaturstudium in der Deutschen Bücherei. Ich las nahezu ausschließlich bundesdeutsche Publikationen, in denen vieles von Amerikanern abgeschrieben war. Bald wusste ich Bescheid über Allround- und Spezialberatung, Gruppen- und Einzelberatung, Unternehmens- und Betriebsberatung, Public Relations und die herausragende Rolle von Kennzahlen, Betriebsanalysen und -vergleichen Wie vorhersehbar ergab die Auswertung dieser bürgerlichen Literatur, dass wegen des kapitalistischen Profitstrebens selbst die beste Beratung die „wirtschaftliche Verelendung der Einzelbauern“ nicht aufhalten konnte. Folgerichtig kam ich in meiner Arbeit zum Schluss, „dass Betriebsanalyse und Betriebsberatung sich nur unter sozialistischen Verhältnissen voll entfalten können“. Ob mein Dissertationsthema dem legendären Rosenkranzschen Weitblick entsprang, wage ich zu bezweifeln. Unsicher bin ich auch in der Frage, ob es meine eigene berufliche Profilierung in besonderem Maße beförderte. Im Verlauf der folgenden 70er und 80er Jahre wurde mir – wie zahlreichen Berufskollegen – immer stärker bewusst, dass wissenschaftliche Erkenntnissen über die Steuerung betriebswirtschaftlicher Vorgänge nicht oder nur sehr eingeschränkt in der DDR-Praxis umsetzbar waren. Das galt auch für Methoden und Instrumente der Betriebsanalyse und Betriebs-beratung. Das lag vor allem daran, dass die Betriebe in das volkswirtschaftliche Planungskorsett ge-presst waren und über ihre Organisation und Wirtschaftlichkeit nicht frei entscheiden durften. Erst 20 Jahre nach meiner Promotion – nach 1990 – ergaben sich viel verheißende Betätigungsfelder für die praxisbezogene Umsetzung uns vertrauter betriebswirtschaftlicher Grundsätze, Methoden und Instrumentarien. Meine heutige Auffassung über die Rolle von Betriebsanalyse und Unternehmens-beratung möchte ich zunächst in fünf Thesen zusammenfassen. (Mit dem Begriff der Unternehmens-beratung grenze ich mich von den vielfältigen Formen der Spezialberatung ab, die beispielsweise von Experten für Bau, Technik, Saatgut, Züchtung, Fütterung, aber auch von Juristen und Steuerberatern geleistet wird.) Erste These Unternehmensberatung bezieht sich auf die Strategie, Organisation und betriebswirtschaftlichen Abläufe von Agrarunternehmen. Unternehmer (synonymer Begriff für Führungskräfte) und Unter-nehmensberater bedürfen einander. Je größer ihr Wissen und ihre Kompetenz, umso erfolgreicher ist ihr Zusammenwirken. Ein kompetenter Unternehmer ist beratungswillig, braucht jedoch als Berater einen fähigen Sparring-Partner für den Gedankenaustausch über Visionen, Ziele und Maßnahmen. Wird ein Berater diesem Anspruch nicht gerecht, läuft er Gefahr, als überflüssig betrachtet oder allein als Rechengehilfe bei der Bearbeitung von Förderanträgen beschäftigt zu werden. Inkompetente Unternehmer wiederum sehen in einer fachkundigen Beratung leicht eine Bedrohung, blocken gut gemeinte Vorschläge ab, werden beratungsresistent.

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Zweite These Ein fähiger Berater sollte viel wissen und über ausreichende Erfahrung verfügen, um den spezifischen Beratungsbedarf seiner Mandanten einschätzen zu können. Mindestens ebenso wichtig ist es zu beurteilen, inwieweit der Unternehmer fähig und willens ist, seine Vorschläge zur Problemlösung auf-zunehmen und - gemeinsam mit ihm - umzusetzen. Das erfordert Zuhören, geduldiges Argumentieren, Überzeugungskraft, das Werben um Vertrauen – alles Merkmale einer hohen sozialen Kompetenz. Dritte These Jede Unternehmensberatung basiert auf einer Analyse. Dafür ist der Betriebsvergleich – in all seinen vielfältigen methodischen Ausprägungen – unerlässlich. Drei Vergleichsformen sind seit Generationen allgemein bekannt, verdienen aber immer wieder hervorgehoben zu werden: a) der Plan-Ist-Vergleich (Norm-Ist-Vergleich). Jeder rationell agierende Mensch plant, was er vor- hat. Jeder Unternehmer plant bzw. entscheidet über zukünftige Entwicklungen. Wird dann das tatsäch-lich Erreichte mit dem verglichen, was man sich vorgenommen hatte, ergeben sich Konsequenzen für neue Vorhaben. Zur Gruppe der Plan-Ist-Vergleiche gehören auch Nutzensrechnungen für Investitio-nen, für Umstellungen in der Produktions- oder Unternehmensorganisation oder für andere Projekte. b) der Vergleich mit anderen Unternehmen (horizontaler Betriebsvergleich) Wer den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des eigenen Unternehmens real beurteilen möchte, bemüht sich zu erfahren, was andere Unternehmen erreicht haben. Das kann völlig sporadisch erfol-gen, etwa im belanglos erscheinenden Fachgespräche mit dem Berufskollegen oder Nachbarn. Unter Mitwirkung eines Beraters werden häufig Vergleichsgruppen mit Auswertungsveranstaltungen orga-nisiert. c) der Zeitvergleich (vertikaler Betriebsvergleich) Er dient der ehrlichen, selbstkritischen Einschätzung des unter bekannten Bedingungen bisher Geleis-teten. Für Rechenschaftslegungen – z.B. gegenüber Gesellschaftern – sind (methodisch korrekte) Zeitvergleiche unverzichtbar. Vierte These Kennzahlen sind die Bausteine jeglicher Betriebsanalyse. Sie werden alltäglich und heutzutage elektro-nisch wie von Geisterhand ermittelt. Es gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Unternehmens-analyse, Datenfriedhöfe zu vermeiden und aus der Datenflut wesentliche Informationen herauszufil-tern: Wenige Beispiele für zu beachtende Grundsätze: - Die Daten sind sachlich richtig zu erfassen. - Die Kennzahlen sind transparent herzuleiten, um für den Unternehmer verständlich zu bleiben. - Eine Kennzahl spiegelt stets nur einen definierten Ausschnitt der betriebswirtschaftlichen Realität wider. Die Aussagegrenzen sind zu beachten, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. - Vergleichsstörende Einflüsse (der natürliche Bedingungen, Preise u. a.) sind möglichst auszu- schalten. Es sind so wenige Kennzahlen wie möglich und nur so viele wie nötig auszuwählen, um die Übersichtlichkeit von Kennzahlenprogrammen zu bewahren. Fünfte These Betriebswirtschaftliches Kalkulieren – das ist die zweckbestimmte Kombination von Kennzahlen, die hohe Methodenschule der Betriebsanalyse und Unternehmensberatung. Hier ist beispielsweise zu ent-scheiden, ob Istkosten oder Plankosten, Vollkosten oder Teilkosten, Gewinn oder Deckungsbeitrag, Umsatz- oder Kapitalrendite eine bessere Aussage ermöglichen.

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Fazit Das, was ich in den fünf Thesen kurz anzureißen versuchte, sollte auch als Maßstab für die heutige betriebswirtschaftliche Ausbildung der Studenten gelten. Aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre be-steht das Absolventenleitbild in der Befähigung zum Unternehmer und zur Unternehmensberatung. Demzufolge gehören die in meinen Thesen skizzierten Kenntnisse und Fähigkeiten zur Kernkom-petenz der Absolventen. In Anlehnung an die Diskussionen über die PISA-Studien hat sich die Qualifi-zierung zuvörderst auf diese Kernkompetenz zu richten. Das heißt: Die Ausprägung der sozialen Kompetenz, der Fähigkeit zum Planen, Analysieren, Kalkulieren und Interpretieren von Kennzahlen erfordert hartnäckiges Üben und Trainieren. Möglicherweise ist dann kein oder nur noch wenig Platz für akademische Bemühungen, betriebswirtschaftliche Vorgänge hoch theoretisch und mit mathema-tischen Ausdrücken erklären zu wollen. Darin sähe ich keinen Verlust. In meinem Beitrag schöpfe ich aus meinen Erfahrungen eines langen Berufslebens. Schwer zu sagen, was davon noch der Rosenkranzschen Lehre geschuldet ist. Eines wage ich aber heute rückblickend einschätzen zu können: Das Bemühen unseres Lehrers, mit wissenschaftlichen Methoden und Kennt-nissen der Praxis helfen so wollen, prägte mich nachhaltig. Wäre die Marktwirtschaft bereits 20 Jahre früher über unsere DDR gekommen, hätte ich mich auf Grund meines Promotionsthemas möglicher-weise für die Laufbahn eines Unternehmensberaters entschieden. Ob ich ein guter Berater geworden wäre, weiß ich nicht. Die notwendige soziale Kompetenz hätte ich mir freilich erst noch aneignen müssen. Kommunikationstraining hat es bekanntlich für meine Generation während des Studiums und in der Promotionsphase nicht gegeben. Otto Rosenkranz hätte davon wahrscheinlich nicht viel gehalten. Wenn ich dennoch viel von ihm lernte, dann bisweilen auch im Widerspruch zu ihm. Auch das gehört zu meinem ehrenden Gedenken. Der Verfasser: 1965 Diplom an der Landwirtschaftlichen Fakultät der KMU Leipzig 1965-67 Vorsitzender einer LPG Typ I 1967 bis 1991 Mitarbeiter (Assistent, Hochschullehrer) an der KMU Leipzig (Sektion TV, Wissenschaftsbereich SBW) ab 1992 Freiberufler als landwirtschaftlicher Sachverständiger, Unternehmensberater, Dozent. Anschrift: Prof. Dr. sc. Günter Heller Gartenstraße 24 D - 04463 Großpösna E-Mail: [email protected]

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Heinz Richter

Erinnerungen an unseren alten Lehrer Prof. Dr. Otto Rosenkranz

Ich habe von 1952 bis 1957 an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät(Lagäfa) der Universität Leipzig mein Studium absolviert. Wir waren der erste Jahrgang, in dem die praktische Berufsausbil-dung für Studenten ohne Facharbeiterbrief nach der naturwissenschaftlichen Grundausbildung im 3. Semester in das Studium integriert werden sollte. Die Haltung des überwiegenden Teiles der Studenten war: Sie muss mindestens eine Vegetationsperiode betragen. Der stärkste Befürworter unserer Forde-rung war Prof. Rosenkranz. Mit seiner tatkräftigen Unterstützung gelang es, sie durchzusetzen. Dies war mein erster Kontakt, den ich zu Prof. Rosenkranz bereits im ersten Semester hatte. Heute, nach mehr als 50 Jahren, kann ich eindeutig sagen: es war die fundierte wissenschaftliche Ausbildung, die wir damals an der Lagäfa erhalten hatten, die mich befähigte über 27 Jahre eine erfolgreiche Arbeit als Vorsitzender einer der größten LPG’n und später als Leiter unserer Pflanzenproduktion zu leisten. Ganz besonders stark war aber meine Aus-bildung geprägt durch die Persönlichkeit unseres Prof. Rosenkranz. Was ich an seiner Person so hoch schätzte war insbesondere:

- Die klare und präzise Gliederung und Darbietung seiner Vorlesung, die er von etwa 3 - 4 Zetteln mit Stichworten gehalten hat. Sie ließen zu keiner Sekunde das Zuklappen der Augen auch nur für eine kurze Pause zu.

- Sein Bestreben war, uns Studenten nicht zum einfachen Nachplappern oder zur bloßen Widergabe von auswendig Gelerntem, sondern zum fähigen und bewusstem Mitdenken mit eigenen Schluss-folgerungen und Entschlüssen zu erziehen.

- Er schätzte Widerspruch hoch und akzeptierte ihn bedingungslos, wenn er sachlich und präzise begründet war.

- Sein konsequentes und beharrliches Eintreten für Positionen, die er sich erarbeitet hatte. Das eben Gesagte möchte ich mit eigenen Erlebnissen aus der mündlichen Hauptprüfung in Betriebs-wirtschaft untermauern. Unsere Prüfungsgruppe bestand aus drei Studenten: Waltraut Fankhänel, Harald Dietrich und mir. Es stand eine Prüfungszeit von zwei Stunden zur Verfügung. 1) Die allererste Fragestellung wurde von Prof. Rosenkranz eingeleitet: Sie kommen vom Prof. Seidemann, aus der Spezialisierung Meliorationswesen. Da gehen wir mal in den Spreewald. Das Hauptproblem dort ist: er muss trocken gelegt werden. Harald Dietrich widersprach sofort: Das können wir nicht machen! Das wäre der größte Fehler! Rosenkranz unterbrach ihn: Aber der Spreewald ist doch total vernässt! Wir 3 Kandidaten antworteten unisono: Das stimmt. Aber den Spreewald trockenlegen, das können und dürfen wir nicht. Das Ergebnis wäre ein völlig ausgetrockneter Sandboden von geringster Ertragsfähigkeit. Seine Oberschicht wäre in der vegetationsarmen Zeit schutzlos der Winderosion preisgegeben und würde den Boden dort systematisch noch weiter in seiner Ertragsfähigkeit reduzieren. Rosenkranz: Aber der Zustand muss doch verändert werden! Was würden Sie denn vorschlagen? Wir Prüfungskandidaten: Das Wasser muss so reguliert werden, dass es nicht im Überschuss, sondern im richtigen Maß und in richtiger Standhöhe ganzjährig zur Verfügung steht. Rosenkranz: Sehen Sie, auch ich kann von Studenten noch manches lernen. Sie haben mich überzeugt. Fahren wir mit der Prüfung fort.

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Es folgten nun weitere Prüfungsfragen, die alle gut beantwortet werden konnten. 2) Spätere wurde eine Frage von ihm wie folgt eingeleitet: Rosenkranz: Kehren wir zurück zum Meliorationswesen. Eines der teuersten Produktionsmittel der Land- wirtschaft ist die Drainage. Ein Hektar ist nicht unter 1.800 M zu haben. Unsere einheitliche Reaktion: Herr Professor, das stimmt nicht. Das war vor etwa 6 Jahren so. Die gültigen Preise sind heute mindestens 2.200 M/ha. Rosenkranz: Ja, wenn Sie Prüfungskandidaten es schon wieder glaube besser zu wissen, dann müssen Sie es mir schon beweisen. Dies war für uns kein Problem. Jeder leistete seinen Beitrag. Als wir bei 2.000 M/ha angelangt waren, unterbrach er uns und sagte: Rosenkranz: Ich bin überzeugt, dass Sie die die restlichen 200 M/ha auch noch zusammenbringen. Ich sehe sogar die Gefahr, dass Sie Ihre genannte Zahl noch überbieten könnten. Um dies zu verhindern, fahren wir mit einem weiteren Thema fort. Von diesem Moment an hatten wir das gute Gefühl: Das gefürchtete Ding bei Rosenkranz ist für uns bestens gelaufen!!! 3) Nach ca. 40 Minuten übergab er and Frau Dr. Lindemann, zu deren Fachbereich Rechnungsführung und Statistik. Auch hier lief alles zu unserer Zufriedenheit - bis auf einen kleinen Ausrutscher von Harald Dietrich. Auf eine Frage von Frau Dr. Lindemann konnte er nicht auf die Antwort “BILANZ” kommen. Harald hatte einen völlig unverständlich Black Out. Er erzählte alles Mögliche, nur auf das Wort “BILANZ” kam er nicht. Da lehnte sich Prof. Rosenkranz auf seinem Stuhl zurück und machte, neben Dr. Lindemann sitzenden, mit den Händen symbolisch das Auf und Ab einer Waage, um ihn auf “BILANZ“ zu bringen. Harald sah nur verständnislos auf ihn und zuckte leicht mit den Schultern. Prof. Rosenkranz verstärkte ungeduldig den Ausschlag seiner Hände nach oben und unten - bis Frl. Dr. Lindemann dies bemerkte. Lindemann: Aber Herr Professor, ich darf Sie doch bitten, das Vorsagen zu unterlassen. Rosenkranz: Da haben Sie ja Recht. Aber, was halten Sie von meinem Vorschlag: Die 3 Kandidaten haben uns bisher in allen Fragen so eindeutig überzeugt. Sollten wir nicht Anlass genug haben, die Prüfung jetzt zu beenden. Sie werden doch sicher auch keinen Grund haben, den guten Eindruck, den wir bisher gewonnen haben, noch negativ beeinflussen zu wollen? Was meinen Sie dazu??? So waren wir Drei bereits nach nur einer Stunde mit einheitlichen, sehr guten Noten aus der von allen Studenten am meisten gefürchteten Prüfung in “Landwirtschaftlicher Betriebswirtschaft” entlassen. Wir waren überzeugt: wesentlich hatte auf ihn gewirkt,

- dass wir ihm zwei Mal erfolgreich widersprochen hatten, - dass wir ihm unsere Widersprüche auch eindeutig begründen konnten und - dass er sicher war, dass wir nichts auswendig gelernt hatten, sondern verstanden, unser

erworbenes Wissen auch richtig anwenden zu können. 4) Das Gegenteil widerfuhr einem Kommilitonen. Nachdem er die bisher gestellten Fragen hinreichend beantworten konnte, kam die entscheidende Fragestellung: Rosenkranz: Stellen Sie sich vor: 4 Jahre nach Abschluss Ihres Studiums treffen Sie einen alten Kommilitonen. Er klagt Ihnen sein Leid. Er ist Direktor eines VEG von 300 ha bei einer BWZ von 70 und mit einem Viehbestand von 250 Milchkühen mit eigener Reproduktion,

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die restlichen weiblichen Kälber werden zusammen mit den Bullenkälbern im eigenen Betrieb aufgemästet, 300 Sauen, deren Nachkommen in einer eigenen Mastanlage mit 3.000 Plätzen aufgemästet werden; nicht zur Eigenmast benötigten Tiere werden als Läufer abgegeben, 1.000 Schafe, davon 400 Muttern, 2.000 Legehennen, ganzjährig belegt 3.000 Plätze für Masthähnchen, 15 Pferde. Aus der Pflanzenproduktion hat er hat er 300 t Getreide, 900 t Zuckerrüben und 400 t Speisekartoffeln abzuliefern und auf 10 ha Gemüse anzubauen. Er hat keine Möglichkeit, Futtermittel zuzukaufen. Die Leistungen in der Tierproduktion sind erschreckend niedrig. Der Ernährungszustand der Tiere ist äußerst mangelhaft. Was würden Sie diesem Mann raten? Der Kandidat kramte in all seinem Wissen aus Acker- und Pflanzenbau, Pflanzenzüchtung, Düngungslehre und Schädlingsbekämpfung, aus Tierzucht, Tierhaltung und Tierernährung. Er offenbarte alles, was er über Steigerungsmöglichkeiten zur Ertragsfähigkeit in Pflanzen und Tierproduktion wusste. Rosenkranz hörte geduldig zu. Als der Kandidat am Ende war, teilte er ihm unmissverständlich mit: “Für heute ist die Prüfung beendet. Wie wollen Sie als Diplomlandwirt in der Praxis bestehen, wenn Sie nicht sofort in der Lage sind zu erkennen, dass ein solcher Viehbestand unter den genannten Bedingungen auf 300 ha gar nicht ernährt werden kann? Sie haben die Chance, sich einer Wiederholungsprüfung in 4 Wochen zu stellen.” Zur Charakterisierung der Person Prof. Rosenkranz möchte ich noch hinzufügen: Unser Studentenjargon hatte keinen Platz für “Herr Professor Rosenkranz”. Er war ganz einfach nur “OTTO”. Nun könnte manch einer vielleicht meinen: So etwas ist eine Verballhornung, ist eine Beleidigung, kommt vielleicht sogar einer Diskriminierung gleich. Meine Kommilitonen und ich haben dazu eine andere Meinung:

- Es ist ein Zeichen für die hohe Achtung, die Prof. Rosenkranz unter seinen Studenten genoss. - Es soll sagen: Er gehört zu uns. Er ist einer von uns.

Abschließend einige Bemerkungen zu meiner Person: 1) Ich wurde im Juli 1962 als Vorsitzender in der LPG Arzberg gewählt. Es war damals mit 1.450 ha die zweitgrößte LPG im Bezirk Leipzig und zählte dort zu den wirtschaftlich schwächsten LPG’n. Im Rechenschaftsbericht meines Vorgängers vom Jahre 1961 war zu lesen: „Von 20 M/AE rot im vergangenen Jahr auf 12 M/AE rot in diesem Jahr: wie war dieser Sprung mög-lich?” Das Jahr 1962 konnte bereits mit 4,80 M/AE schwarz abgeschlossen werden. Für 1963 wurden 7,40 M/AE geplant und 8,40 M/AE erreicht. Danach wurde das Ergebnis weiter beträchtlich gesteigert, bis auf mehr als 12 M/AE. 2) Von 1974 wurde ich dann zum Leiter der ZBE Pflanzenproduktion Arzberg-Köllitzsch berufen. Diesen Betrieb leitete ich bis zu meiner Invalidisierung im Jahre 1989 in Folge eines schweren Betriebsunfalls 3) Seit 1984 arbeiteten wir völlig autark ohne jeglichen Kredit, weder im Grund- noch im Umlauf-mittelbereich! Die LPG (T) Arzberg-Blumberg hatte diese Ziel bereits 1977 erreicht! Daraus erwuchsen uns unter den Bedingungen der Planwirtschaft in der DDR natürlich unschätzbare Vorteile. Selbstverständlich wussten wir, mit diesen Pfunden zu wuchern und sie zum Wohle unserer Betriebe einzusetzen. 4) Das Zusatzstudium “Tropische und Subtropische Landwirtschaft” schloss ich 1970 ab und war später 5 1/5 Jahre als Berater im Ministerium für Landwirtschaft der Vereinigten Republik Tansania und der VDR Jemen erfolgreich tätig. 5) Grundlagen für eine langjährige erfolgreiche Arbeit waren insbesondere 2 Fakten:

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- Die hochqualifizierte Ausbildung an der Lagäfa der KMU Leipzig. Am meisten hat mir dabei die Ausbildung bei Prof. Rosenkranz im Fachbereich Arbeits- und Betriebswirtschaft gegeben. Dies sage ich, ohne dabei auch nur eine andere Fachrichtung herab zu würdigen.

- Das Stützen auf ein hervorragend organisiertes, zusammen wirkendes und agierendes Kol-lektiv von Leitungskadern.

Diese haben meine Arbeit wesentlich geprägt. Noch zwei Bemerkungen dazu: 1) Die Herausbildung unserer Pflanzenproduktion war von rd. 35 % Anteil des VEG (Z) Köllitzsch geprägt. Uns war die bevorzugte Ausstattung der VEG mit Produktionsmitteln bekannt. So beschlossen wir, uns zum VEG Pflanzenproduktion zu entwickeln. Der Übergang wurde über zwei Jahre systematisch vorbereitet. Der RKV VEG wurde als Vergütungs-basis eingeführt. Die betriebliche Vergütung wurde so gestaltet, dass nach Abzug der nun fälligen Lohnsteuer (sie wurde auf das Einkommen nach LPG-Gesetz für LPG-Mitglieder nicht erhoben) für jeden Genossenschaftsbauern ein Nettoeinkommen über dem bisherigen erreicht wurde. Die Genossen-schaftsbauern blieben Mitglieder in der LPG. Sie wurden in die Pflanzenproduktion delegiert. Kurz vor der erwünschten Bestätigung bekam ich Order, beim Sekretär für Landwirtschaft der Bezirks-leitung der SED, Gerhard Ehrlich, in Leipzig zu erscheinen. Er eröffnete mir: „Vom Ministerium wird einer weiteren von VEG Pflanzenproduktion nicht mehr zugestimmt, da

- in einigen Bezirken Überspitzungen, die die LPG-Mitglieder als “Enteignung” auffassten, vorgekommen sind und

- der Flächenanteil von VEG (P) von > 10 %, wie er vor der Herausbildung spezialisierter Betriebe der Pflanzen- und Tierproduktion bestand, ist bereits erreicht ist.

- Es kann nur die Möglichkeit der Bildung einer LPG (P) geben. Meine Position war: Diese Aufgabe kann ich nicht akzeptieren.

- Die gegebene Begründung trifft für uns nicht zu. Wir haben diesen Schritt systematisch vor- bereitet. Er fand die ungeteilte Zustimmung aller beteiligten LPG-Mitglieder.

- Diesen Schritt zu gehen macht die Staatlichen Organe und ganz besonders uns bei unseren Mitarbeitern unglaubwürdig.

- Ich bin nicht bereit, ihn zu beschreiten. Die Antwort des Sekretärs war: Ich werde Dich jetzt nicht zu einer anderen Entscheidung zwingen. Wir werden noch einmal alles prüfen. Nach 2 Wochen musste ich wieder nach Leipzig. Sekretär für Landwirtschaft: Wir sehen einen Ausweg.

- Über die Bildung eines VEG (P) kann nur das Ministerium entscheiden. - Der Bezirk hat jedoch die Vollmacht, über die Bildung von Zwischenbetrieblichen Einrich-

tungen selbst zu entscheiden. - Wir bilden eine ZBE Pflanzenproduktion Arzberg. - Du bist kannst dann jedoch nicht Direktor sein, sondern bist der Leiter der ZBE (P).

Meine Entscheidung kam postwendend:

- Wie ich benannt werde ist für mich uninteressant. Ich muss in beiden Fällen für das gleiche Geld die gleiche Arbeit machen.

- Ich bin voll damit einverstanden Damit war der Fall geklärt. Dies brachte für uns einen Riesenvorteil, der uns damals noch gar nicht bewusst war: Wie gewollt wurden wir leitungsmäßig dem Rat des Bezirkes direkt unterstellt und konnten so auch den RKV VEG anwenden. Unsere wirtschaftliche Abrechnung erfolgte aber gleichzeitig nach den Prinzipien des LPG-Gesetzes. Wir konnten also über alle unsere Gewinne eigenverantwortlich

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verfügen und brauchten keinen Pfennig Gewinnabführung an zentrale staatliche Fonds zu tätigen, wie die VEG! 2) 1985 wurde ich zum Direktor unserer Bauernbank in Torgau, Siegfried Becker, gebeten. Becker: Weißt Du, wie hoch Deine Bestände für Reparaturmaterialien und Ersatzteile sind? Richter: Ja. Es sind 380 TM. Becker: Das ist ja unglaublich! Ich habe gedacht, das ist Dir nicht bekannt. Das ist ja fast das Fünffache des Richtsatzplanes. Du musst veranlassen, diese sofort abzubauen. Richter: Das kommt für uns nicht in Frage. Davon wird kein Pfennig reduziert. Unser Lagerleiter hat den Auftrag: Du kaufst die Ersatzteile, wenn Du sie bekommst, damit wir sie haben, wenn wir sie brauchen. Becker: Wenn Du Dich weigerst, muss ich Dir zwangsläufig die Zinsen auf 8 % erhöhen. Richter: Das akzeptiere ich. Denn dann erhalten wir satte 8 % Zinsen für unsere Guthaben. Becker: Ich habe ja gar nicht bedacht, dass ihr euch voll aus Eigenmitteln finanziert und keinen Pfennig Kredit habt. Dann werden wir den Investfonds konsequent vom Bankkonto trennen. Richter: Das wirst Du Dir nicht erlauben. Du willst auf den Bestand unseres Investfonds 1,3 % Zinsen zahlen und wir sollen für den dann erforderlichen Bankkredit 8 % Zinsen zahlen. Bedenke: Alle gut bekannten Berufskollegen wissen, wenn sie ein erforderliches Ersatzteil beim KfL nicht erhalten können, müssen wir es eben erst mal in Arzberg versuchen. Das hat manchen Stillstand wichtiger Produktionsmittel schon verhindert. Den Vorteil von unserer wirtschaftlichen Stärke hat der gesamte Kreis. UND ALLES BLIEB BEIM ALTEN! Meine persönliche Erfahrung und Meinung: Zu solchen konsequenten Haltungen und Positionen zu kommen, wurde maßgeblich bestimmt durch das uns von Prof. Rosenkranz vermittelte Wissen und sein von ihm selbst vorgelebtes persönliches Verhalten. Der Verfasser ging nach Abschluss des Studiums sofort in die landwirtschaftliche Praxis, übte in mehreren Landwirtschaftsbetrieben leitende Tätigkeiten mit großem Erfolg aus. Er trug wesentlich zur Weiterentwicklung der Agrarstruktur in Betrieben der Elbeaue bei. Er hat sich auch in Auslandeinsät-zen verdient gemacht. Er ist maßgeblich beteiligt an der Entwicklung und Pflege freundschaftlicher und guter Beziehungen der Stadt Torgau zu den sowjetischen und amerikanischen Veteranen, die an der historischen Begegnung an der Elbe am 25. April 1945 beteiligt waren. Anschrift: Dipl. agr. Heinz Richter OT. Kathewitz Elbestraße 2 D – 04886 Arzberg E-Mail: [email protected]

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Ekkehard Köhler

Begegnungen mit Professor OTTO ROSENKRANZ Viele ehemalige Studenten der Leipziger agrarwissenschaftlichen Fakultät haben den Namen eines ihres bedeutendsten Wissenschaftlers, Herrn Prof. Dr. Rosenkranz, stets mit höchster Achtung und Anerkennung verbunden. Auch ich, Agrarstudent von 1959 – 1965, hatte nach Ablegung des Abiturs am St.Augustiner-Gymnasium in Grimma mich für den Beruf eines akademisch ausgebildeten Land-wirtes entschieden. Die Erkenntnis dazu entstand in den Nachkriegsjahren auf den großelterlichen Bauernhof im Vogtland. Die sich rasch entwickelnde DDR-Landwirtschaft benötigte gut ausgebildete mit dem Bauerntum verbundene Leiter, die enorme Entwicklungsaufgaben mit fundierten Betriebswirt-schaftskenntnissen angehen konnten. Ich erinnere mich an eine Einführungsvorlesung im September 1960. In ihr vermittelte Prof. Rosenkranz seine Erkenntnisse und Vorstellungen in weitsichtiger Weise das zukünftige Bild eines größeren und komplexeren Landwirtschaftsbetriebes. Das war genau jener Zeitpunkt, als sich landesweit LPG und VEG bildeten. Die Rosenkranz-Vorlesungen waren stets ein Stück in den Hörsaal verpflanzte praktische Landwirtschaft. Die nachfolgenden Seminare waren dann von inhaltsreichen Diskussionen zum praktischen Herangehen in den neuen Landwirtschaftsbetrieben bestimmt. Prof. Rosenkranz sah als Betriebswirtschaftler stets die Einheit von Feldproduktion, Tierhal-tung und Bodenbewirtschaftung und entwickelten dazu die günstigsten Produktionsverfahren, um immer die richtigen Relationen zwischen Aufwand und Ergebnis zu erreichen. Als ich im Januar 1965 am Leistungsvergleich der Betriebspraktikanten teilnahm, stellte mir Prof. Rosenkranz eine Aufgabe dahingehend, meine Vorstellungen zum Einrichten eines 100-Hektar-Landwirtschaftsbetriebes in allen seinen Teilen unter den Bedingungen der Lommatzscher Pflege zu entwickeln. Es erfolgte nach meinen Darlegungen ein reger Meinungsaustausch auch mit dem an-wesenden LPG-Vorsitzenden. Im Verlauf meines Berufslebens als stellv. Vorsitzender des Landwirt-schaftsRates im Kreis Döbeln von 1968 bis 1974, als LPG-Vorsitzender der LPG Pflanzenproduktion von 1974 bis 1991 in Knobelsdorf und nach 1991 als Geschäftsführer der Knobelsdorfer Agrarprodukt GmbH & Co. KG waren mir die Leitsätze der Rosenkranzschule richtunggebend für meine Entschei-dungen. Als mich Prof. Rosenkranz nach seinem 90. Geburtstag in Knobelsdorf besuchte, konnte ich ihm erläutern, dass wir unser neues Gemeinschaftsunternehmen nach den Grundsätzen seiner Betriebs-lehre strukturiert und aufgebaut haben, als arbeitsteilig arbeitendes in mehrere Tochter-GmbH geglie-dertes Gesamtunternehmen einer Kommanditgesellschaft. Ähnlich wie vor 35 Jahren diskutierten wir unter Zugrundelegung der offen gelegten Eigentumsverhältnisse den Sinn und Zweck der neuen markt-wirtschaftlich orientierten Betriebe. Prof. Rosenkranz betrachtete die Rolle des Privateigentums als zusätzliches Stimmulanz zu seinen wiederum aktuellen Lehren der Betriebsökonomie. Gleichwohl wie die gesellschaftlichen Verhältnisse sich gestalten, sind zur erfolgreichen Betriebsführung, das jeweilige Eigentum beachtend, analoge Betriebsorganisationsgestaltungen notwendig. Zu den größten Herausforderungen in meinem Berufsleben gehörte die Umwandlung unserer LPG in eine dem bundesdeutschen Wirtschaftrecht entsprechende Agrargesellschaft. Zur Wahl der Rechtsform kann ich wegen ihrer nicht unwesentlichen, aber auch wegen ihrer anfangs insbesondere von Beratern aus den alten Bundesländern überbetonten Bedeutung, nur wenig sagen. Letztendlich hatten sie darü-ber nur Buchweisheiten zu verkünden. Sie hatten ja auch keine Erfahrungen aus vergesellschafteten Landwirtschaftsbetrieben bis auf die Bezugs- und Absatzgenossenschaften und die Großen von diesen hatten sich auch schon zur Verbesserung der Kapitalbeschaffung zu Aktiengesellschaften weiterent-wickelt. Unsere Flurnachbarn hatten für ihr Nachfolgeunternehmen meist nach anwaltlicher Beratung, andere Rechtsformen gewählt. Wir Knobelsdorfer wollten jedoch in einer Genossenschaft nicht bleiben, weil in ihr das Stimmrecht unabhängig von der Kapitalbereitstellung war und die Gesellschaf-ter keine Gleichmacherei wollten. Bei der Offenlegung der Anteile unserer Mitglieder im bislang omi-nösen „unteilbaren Fonds“ hatten wir zum ersten Mal große Unterschiede erkannt. Es gab eben auch in der LPG reiche und ärmere Bauern! Unsere Mitglieder wollten eine Personengesellschaft mit be-schränkter Haftung, trotz komplizierter Führung von Einzelkonten für jeden Kommanditisten. Unser

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Hauptbuchhalter, der er ja zu diesem Zeitpunkt noch war, konnte das den besorgten Mitgliedern auch zusichern. Er hatte sich bereits in der LPG-Buchhaltung die neue Rechentechnik zu nutze gemacht. Wir kamen deshalb damit gut zurecht und hielten nichts von langen Diskussionen über Vor- und Nach-teile der Rechtsformen. Wir Knobelsdorfer Genossenschaftsbauern hatten uns damals auch für die Weiterbewirtschaftung als Agrargesellschaft entschieden. Wir taten es aber nicht mit einer Liquidation und den ihr anhaftenden üblen Konsequenzen für die Gläubiger, sondern durch Umwandlung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz und haben dabei zu dessen Weiterbewirtschaftung nicht gerade förderlichen Paragrafen erfüllt. Mit einem Appell zur Fortführung der von den Familien ihrer Vorfahren geschaffenen Höfe und nicht wenigen Fördermitteln wurden auch in den Ortschaften der ehemaligen Kooperation Knobelsdorf 1990 zwei Genossenschaftsbauern zur Wiedereinrichtung einer Hofstelle bewogen. So kam es, dass die Ver-mögensauseinandersetzung bei der Umwandlung lediglich mit Angehörigen weniger Bauernfamilien zur Gewährleistung ihres Haupterwerbes nach dem Status eines Familienbetriebs geführt werden musste. Auch die Vorteile der Prinzipien der marktwirtschaftlichen Demokratie gegenüber der von DDR-Politikern hoch gelobten genossenschaftlichen Demokratie waren schneller erkannt, als es viele Berater, Experten und Politiker der bundesdeutschen Landwirtschaft vor 20 Jahren wahrhaben wollten. In Tag- und Nachtarbeit hatten wir Knobelsdorfer 1990 nach neuen Wegen gesucht und hatten sie auch gefunden. Wie sahen die neuen Wege aus? Völlig neue Bedingungen bei der Nutzung des Faktors Arbeit Erst bei der Umstrukturierung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz wurde vielen deutlich, dass unsere Mitglieder sich bei der Faktorbereitstellung stark unterschieden. Die überwiegend durch Zwang zur Vergenossenschaftlichung veranlassten LPG-Gründer waren ausschließlich Land- und Inventar-einbringer, die als Vollzeitbeschäftigte ihr Einkommen aus der genossenschaftlichen Produktion durch ein ihnen kaum bewusst gewordenes Beschäftigungsverhältnis bezogen. Sie konnten das durch eine persönliche Hauswirtschaft mit etwas Vieh und Erträgen vom so genannten individuellen Land etwas, manche sogar erheblich verbessern. Wir waren als Genossenschaftler steuerbefreit, sozial- und renten-versichert, letzteres wie alle Werktätigen. Dann gab es, und zwar zunehmend Arbeiter und Angestellte, die ohne genossenschaftliche Vergünstigungen als Beschäftigte an der Mehrung des genossenschaft-lichen Vermögens beteiligt waren. Auch das erkannten viele erst nach mehrfachem Lesen des Land-wirtschaftsanpassungsgesetzes. Damit begann das große Auseinander dividieren „Wachsen oder Weichen" und „der Boden wandert zum besseren Wirt", aber auch die Antwort auf die Frage „Wie groß sollte ein landwirtschaftlicher Betrieb sein, nämlich so groß, wie ihn der Leiter jederzeit über-blicken kann", gingen mir als LPG-Vorsitzenden durch den Kopf. Geholfen hat dabei ein Vortrag des inzwischen im 80. Lebensjahr stehenden Lehrers Professor Otto Rosenkranz 1990 in Zschortau. Er appellierte an die dort versammelten Führungskräfte aus LPG des damaligen Bezirkes Leipzig zur rechten Zeit, die Vorteile der geschaffenen Agrarstruktur erst recht unter marktwirtschaftlichen und demokratischen Rahmenbedingungen, aber auch den rechtsstaatlichen Konsequenzen und dem nun wieder wirkenden unternehmerischen Risiko zu nutzen. Für ein „Weichen" fühlte ich mich damals als fünfzigjähriger Vorsitzender zu jung, also entschied ich, mich einer Neuwahl zu stellen und zur Weiterführung der LPG unter marktwirtschaftlichen Bedingun-gen mit allen ihren Konsequenzen, die viele Bewährungsproben, dem Rechtsstaat verpflichtet auch vor Gericht, von mir verlangten. Relativ schnell wollte und musste ich Vorteile einer Personengesellschaft in der bundesdeutschen Wirtschaft erkennen und die Aufgaben eines nach Erfolg strebenden Ge-schäftsführers begreifen. Geholfen hatten mir dabei insbesondere meine älteren Bauern, deren Schläue ich vor 1990 gar nicht so gemerkt hatte oder die auf einmal wieder da war. Deshalb hatten wir einen Beirat gebildet, indem sie gehört wurden. Sie waren für mich eine Art „Rat der Weisen“, auf die auch die anderen hörten – auch die Beschäftigten – von denen im so genannten Nachfolgeunternehmen der LPG 47 Männer und 14 Frauen weiter ihr Können unter Beweis stellen wollten. Wir zogen also weiter und wenn es sein musste auch noch stärker an einem Strang, um zu wachsen oder zumindest effektiv zu bleiben.

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Aber auch bei uns mussten, wie überall, etwa 80 Prozent weichen, weil unter den marktwirtschaft-lichen Bedingungen auch bei Nutzung aller bereitgestellten Fördermittel kein ausreichendes Einkom-men für 510 Beschäftigte zu finanzieren war, egal ob sie Mitglieder waren oder nicht. Die damalige Vorruhestandsregelung hatte dabei viel geholfen. Damit war erst einmal vielen ein Mindestein-kommen aus öffentlicher Hand gewährleistet, das wir – wer es wollte – durch landwirtschaftlichen Zuerwerb wie auch vor 1990 aufbessern konnten. Das war bei uns der überwiegende Teil der Faktor-bereitsteller Arbeit und da die älteren meistens LPG-Gründer waren, auch Faktorbereitsteller für Boden und Kapital. Ihr ostdeutsches Altenteil bestand also aus staatlichem Vorruhestandsgeld oder Renten-bezügen, Pachterlösen, Renditen ihres Anteileigentums im Nachfolgeunternehmen und ihren Rück-lagen. Die weitere Nutzung des Faktors Boden mit Pachtverträgen Für ein „Wachsen" oder zu mindest ein Gleichbleiben mussten die Faktorbereitsteller „Boden" an der weiteren Existenz des Unternehmens interessiert werden. Durch das Aussetzen der Bodenanteile als Bestandteil der ursprünglichen LPG-Vergütung wussten viele Landeinbringer nicht mehr über diesen Sachverhalt Bescheid. Hier waren es wieder die ältesten Bauern, mit denen die Pachtverträge zuerst abschlossen wurden, weil bekannt war, dass auf ihr Wort bereits bei der LPG-Bildung von den Orts-bewohnern großer Wert gelegt worden war. So gelang es, über 80 Prozent der von den drei LPG bewirtschafteten Fläche für die weitere Nutzung zu erhalten. Das war nicht einfach, denn dabei wurde bemerkt, dass der plötzlich entstandene Pachtmarkt am Rande der auch im Westen Deutschlands bekannten „Lommatzscher Pflege" viele unliebsame Konkurrenten aus den alten Bundesländern angezogen hatte. Unliebsam deshalb, weil sie die Preise verdarben und als Tiefladerbauern meistens an keine nachhaltige Bodenutzung dachten, sondern nur die „schnelle D-Mark" verdienen wollten. Ihr Denken war oft wie in vorhergehenden Pächtergenerationen nur auf das „Abwirtschaften" gerichtet, also das Ausbeuten von Boden, der ihnen nicht gehörte. In Knobelsdorf war dieses Ausbeuterdenken seit der Bodenbuchführung in den LPG Vergangenheitsbewältigung. Der vorgenannte Begriff wurde nämlich bereits durch den jetzt auch in den alten Bundesländern wieder zur Geltung gekommenen Begriff der Nachhaltigkeit von den Genossenschaften bereits vor 1990 verwirklicht. Sie ist auch eine Grundvoraussetzung für die Landbewirtschaftung mit über 90 Prozent Pachtflächen, wenn man nicht von „reichen Vätern zu armen Söhnen" kommen will. Ganz andere Bedingungen bei der Bereitstellung des Faktors Kapital Für ein "Wachsen" oder zu mindest ein Gleichbleiben, vielleicht auch zur Erhaltung der Existenz mussten aber schließlich auch die Faktorbereitsteller„Kapital" überzeugt werden, Gesellschafter im Nachfolgeunternehmen zu werden. Demzufolge, eine Austrittserklärung zu unterlassen, nicht als LPG-Mitglieder zu „weichen", sondern im Interesse ihrer Erben ihre aus der Umwandlungsbilanz der LPG bekannt gewordenen Geschäftsanteile im Nachfolgeunternehmen zu belassen, nämlich um zu wachsen. Schließlich wollten die Erben der LPG-Gründer, ihr Arbeitseinkommen auch weiter im Nachfolge-unternehmen sichern. Hier waren es wieder die ältesten Bauern, mit denen zuerst ins Gespräch gekom-men wurde. Sie wussten noch am besten, welche Konsequenzen eine Hofübergabe für die Kinder des vererbenden Altbauers hatte. Der von der Sächsischen Staatsregierung und den Bauernverbänden gebildete Vermittlungsausschuss hatte geholfen, einvernehmliche Lösungen für die weiterwirtschaftenden Erben der LPG und den wie-chenden Erben, das heißt den vor der Umwandlung Ausgetretenen zu finden. Denn es musste konse-quent die Meinung der erfahrenen Bauern vertreten werden: das Geld, das Rechtsanwälte von Land-wirten bekamen, fehlte den Bauern zur weiteren Modernisierung ihres Unternehmens, zur Erfüllung der Forderungen ihrer Gläubiger, zu denen auch die Bezahlung berechtigter Forderungen von Antrags-stellern gehörten, egal, wo sie wohnten. Gleichermaßen betraf das auch Altschulden, die nach dem staatlichen Erlass verblieben waren. Im Interesse einer höheren Handlungsfreiheit bei einer erwarteten Gewinnverwendung hatten wir sie schnellstens beglichen.

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Die älteren Bauern wussten noch, wie schwierig es war, sowohl das Altenteil des Altbauern und seiner Frau als auch die Erbberechtigten mit ihrem Pflichtteil abzufinden. Nur ein sehr gut wirtschaftender Hoferbe konnte ohne Landverkauf, ohne Aufnahme möglichst zinsgünstiger Hypotheken und ohne Konsumverzicht für sich und seine Familie diese Auflagen termingerecht erfüllen. Solche Gedanken hatten beim Neuaufbau der Landwirtschaft 1990 in den drei Dörfern geholfen. So wurde die voll fusio-nierte und wieder mit Pflanzen- und Tierproduktion vereinte LPG aus dem Genossenschaftsregister gestrichen, und in einem Zuge als rechtsmäßig umgewandelte GmbH & Co. KG in das Handelsregister des Kreises eingetragen. Ich wurde als bisheriger Vorsitzender, als diplomierter Landwirt mit 16-jähriger LPG-Mitgliedschaft, nach bundesdeutschem Recht ein Vollkaufmann, der langjährig tätige Hauptbuchhalter der LPG ein Prokurist und die weiter wirtschaftenden ehemaligen Genossenschafts-bauern mit einem Federzuge Kommanditisten. Es dauerte aber Jahre bis alle den eigentlichen Sinn eines Anteilseigners oder Kompagnons einer Personengesellschaft begriffen hatten. Nach einer solchen demokratisch-rechtsstaatlichen Umwand-lung empfand es ein zwangskollektivierter Bauer eben anders als ein unternehmerischer Landwirt, der bei einer Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmens aus eigenen Erkenntnissen — um nicht das Wort ‚freiwillig' zu sagen — von vorn herein sein ganzes unternehmerisches Risiko kalkulieren musste. Das zu DDR-Zeiten mit Lüge behaftete Wort „freiwillig“ ist jedoch stets mit Zwang ver-bunden. Das war bei der LPG-Gründung ein politischer und ist jetzt ein ökonomischer, weil durch den derzeitigen großen Kapital- und Landbedarf für eine effiziente Landbewirtschaftung jetzt einfach der wirtschaftliche Zwang zur Vergesellschaftung der landwirtschaftlichen Produktion besteht. Nur mit Kapital und Boden ausreichend begüterte, aber gleichzeitig auch sparsame Familien, die lediglich bei der Inanspruchnahme von möglichst billigen Lohnarbeitern nicht geizen, können das erforderliche Kapital heute noch allein aufbringen! Bei der Umwandlung und Aufstellung der Eröffnungsbilanz hatten sich bei uns 70 beschäftigte Arbeiter und Angestellte bereit erklärt, bei einer möglichen Weiterbeschäftigung Anteile zu zeich-nen, also arbeitnehmende Anteilseigner zu werden. 80 Beschäftigte mussten entlassen werden und hatten die ihnen gesetzlich zustehende Abfindung erhalten, vergleichbar den vom Bauernhof weichenden erbberechtigten Geschwistern eines Hoferben. Die weiterwirtschaftenden Anteilseigner wurden durch Umrechnung ihrer Geschäftsanteile aus der LPG-Umwandlungsbilanz und ihre Zeichnung als Kom-manditistenanteile arbeitnehmende Anteilseigner. Die Vorruheständler oder Rentner waren externe Anteilseigner mit dem Angebot einer Verzinsung ihres Kapitaleinsatzes über dem banküblichen Zinssatz geworden, das aber nur bei einer dafür ausreichenden Gewinnerzielung. Sie wurden damit zum Investor des in ihren Dörfern etablierten und quasi durch „Management by out" von ihren bekannten Leitern geführten Agrarunternehmens. Sie handelten, wie es früher ihre Vorfahren unter anderen Verhältnissen auch bei der Gründung ihrer Raiffeisenbank & Darlehnskasse in den Dörfern getan hatten. Der Unterschied besteht lediglich in der Rechtsform, damals waren es Genossenschaftler und jetzt sind es Kommanditisten. Das hatten, nachdem sie zwischen fünf und acht Prozent Rentide erhalten hatten, alle schnell begriffen. Die komplizierte Kontenführung für jeden Gesellschafter wurde mit Hilfe der modernen Rechentechnik bewältigt. Das betraf vor allem diejenigen, die als Arbeits- und Kapitalbereitsteller sowohl „Arbeitnehmer als auch Investor" im Unternehmen geworden waren. Egal, ob sie Land verpachtet hatten, oder ob sie landlose Bauern waren, dann wurden sie eben außer Gesellschaftern auch noch Pächter, wie ich als Geschäftsführer. Ich war auch landloses Mitglied und hatte in ihrem Auftrag die Pachtverträge des Unternehmens mit den Landeignem abgeschlossen. Unsere Agrar-GmbH & Co, KG bewirtschaftete noch von 12 Prozent der ehemals 510 Genossen-schaftsbauern und Arbeitern der LPG Pflanzenproduktion und den drei LPG Tierproduktion jetzt noch knapp 80 Prozent der LF der ehemaligen Kooperation. In der Knobelsdorfer Agrargesellschaft waren bei meinem Eintritt in die Altersrente von 68 Be-schäftigten noch 51 Anteilseigner. Sie hatten sich bei der Umwandlung der LPG für weiterwirtschaf-tende Landwirte im Vollerwerb entschieden und dazu die ihnen bislang unbekannte Rechtsform einer Personengesellschaft gewählt. Die 17 Arbeitnehmer ohne finanzielle Beteiligung waren bis 1990 auch

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keine LPG-Mitglieder, sondern lediglich mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag gebundene Lohnar-beiter. Von den 68 Vollbeschäftigten waren damals 40 in den drei GmbH der landwirtschaftlichen Produktion tätig und die Übrigen in neu gegründeten Tochter-GmbH für Reparaturarbeiten, Dienst-leistungen, Wohnungsverwaltung und Unternehmensverwaltung. In der Kommanditgesellschaft waren demnach acht Kapitalgesellschaften, d. h. Gesellschaften mit beschränkter Haftung vereint, wovon eine GmbH als Komplementär zur Kommanditgesellschaft fungierte, wie die 216 Anteilseigner als natür-liche Personen. Ich kann heute nach über 40-jähriger Tätigkeit in meinem Beruf als Landwirt in leitenden Tätigkeiten mit Befriedigung erklären, dass die Lehren von Prof. Dr. Rosenkranz ihre volle praktische Tauglichkeit sowohl in den ehemaligen LPG der DDR als auch in den landwirtschaftlichen Privatbetrieben des wiedervereinigten Deutschland unter Beweis stellten und weiterhin stellen werden. Bei der Neuorien-tierung auf dem Wege zu einem wettbewerbsfähigen Unternehmen in der Marktwirtschaft wurde ich, ein Rosenkranzschüler in der Praxis, von Rosenkranzschülern aus der Forschung so beraten, dass wir allen, mit dem Rechtstaat auftretenden Widrigkeiten gewachsen waren. Dazu haben auch Mitglieder des vom sächsischen Staatsministerium für Landwirtschaft und den Bauernverbänden gebildeten Vermittlungsausschuss beigetragen. Auch das waren Rosenkranzschüler. Abschließend kann ich noch auf einen zweiten Besuch von Professor Rosenkranz und das mit etwas Stolz hinweisen. Der erste Besuch hatte dem lange im Ruhestand befindlichen Professor sehr gut gefallen. Er folgte dem Wunsch des Landwirtschaftsreporters vom Rias Berlin, Martin Irion, mit mir in dem von mir nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen aufgebauten Unternehmen gemeinsam ein Interview zu führen. Es hat mir, und wie mir auch Bekannte sagten, gut gefallen. Das hatte ich noch nie erlebt. Ich konnte mit dem Professor gemeinsam unseren neuen Weg erklären. Möge das heutige Kolloquium dazu beitragen, dass Lehre und Forschung den Rosenkranzfundus für ihre Tätigkeit in heutiger Zeit wieder stärker als bisher, vor allem in der studentischen Ausbildung, eingliedern und anwenden. Der Verfasser hat als junger Diplomlandwirt zuerst in der Landwirtschaftsverwaltung des Kreises Döbeln gearbeitet, war mehrere Jahre stellv. Vorsitzender des Landwirtschafts-Rates im Kreis Döbeln, übernahm leitende Aufgaben in mehreren Landwirtschaftsbetrieben, wandelte 1990 die von ihm aufge-baute LPG-Pflanzenproduktion Knobelsdorf nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen in eine GmbH & Co. KG und leitete das Unternehmen erfolgreich bis zum Beginn des Altersruhestandes. Anschrift: Ekkehard Köhler Am Wasserwerk 10 D - 04720 Mochau OT Simselwitz E-Mail: [email protected]

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Willi Rosenau

Begegnungen mit Otto Rosenkranz Es gab einige persönliche Gespräche und Begegnungen zwischen 1958 und 2003. Häufiger sind es Erinnerungen an einen hervorragenden Lehrer und Menschen. Die letzte Begegnung indirekter Art war am Sonntag, dem 21.11.2010, dem letzten Schönwettertag des Jahres mit annähernd 20° C. Meine Frau Anneliese, ebenfalls Absolventin der „Alma Mater Lipsienses“ und ich machten –wie des Öfteren- eine Radtour von Leipzig – Wiederitzsch zur Domholzschänke bei Schkeuditz. Meine Frau ahnte schon: nach dem guten Mittagessen geht es durch den Auwald heim, aber mit dem Umweg über Gundorf und am Forstweg 1 vorbei, wo an der Eingangstür der Name Rosenkranz erkennbar ist. Mein Grundpraktikum in der Forschungsstelle für Landarbeit der DAL Gundorf währte vom 1.9.1958 bis 2.8.1959. Das Berichtsheft liegt noch nicht in der blauen Tonne, sondern enthält neben dem Ausbil-dungsweg auch eine Flurkarte und betriebliche Kennzahlen für 1958: 295 ha LN 29 dt/ha Getreide 396 dt/ha Zuckerrüben 4183 kg Milch / Kuh mit 72 Kühen im berühmten Gundorfer Laufstall Jetzt sind hier Reitpferde untergebracht. Das Gut ist privatisiert. Ein Bild von mir im ersten europäischen Melkkarussell habe ich aufbewahrt. Ausreichend Grundfutter, Mischfutter aus der Mühle Golzern an der Mulde bei Grimma boten gute Bedingungen für die Milchleistung pro Kuh. Das man heute in Sachsen über das Doppelte erreicht ist für mich phänomenal. Die zahlreichen Offenställe in der DDR waren schlechte Kopien mit geringer Milchleistung, der genossenschaftlichen Entwicklung eher abträglich. Professor Rosenkranz als Chef vom Institut und Betrieb machte aus Zeitgründen seine Betriebsvisite meistens am Sonntag. Meine erste Begegnung mit ihm war bei der Arbeit im Schweinestall. An das Gespräch kann ich mich nicht konkret erinnern, nur an meinen Mitpraktikanten Seikou aus Guinea, der als Moslem aus Disziplin im Schweinestall arbeitete, dafür aber vor jeder Pause und Mahlzeit ein Duschbad nahm. Das Rosenkranzsche Haus stand und steht Ecke Leipziger Strasse/ Forstweg am Rande der damaligen Obstplantage von etwa 7 ha. Im April 1959 stand der Gutsleiter Dr. Schumann unter Sabotageverdacht, als in einer Frostnacht die Beregnungsanlage lief und die Apfelblüten am Morgen von einer glitzern-den Eisschicht überzogen waren. Mit dem Grundpraktikum in Gundorf verbinden sich positive Erinnerungen an die damalige moderne Technik, wie Melkkarussell, Landrover, die Traktoren von der Messe, ein Lanz-Bulldog 28 PS mit Dreipunktaufhängung, Ferguson mit Hublader und die ersten Versuche zur Biogaserzeugung. Aber auch der schöne Speisesaal, heute Gaststätte „Schlosskrug Gundorf“, die nicht mehr vorhandene Studentenbaracke und die ehemalige Gaststätte „Warteburg“ an der Endstelle der Straßenbahnlinie 7 wecken Erinnerungen. Das gilt, allerdings im negative Sinne, auch für das später gebaute Instituts-gebäude an der heutigen Leipziger Strasse 200, nur noch partiell genutzt und einem Briefkasten mit der Aufschrift: „Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft“. Der Mieter fehlt allerdings. Das erste Studienjahr in Leipzig hätte man einsparen können. Dabei meine ich nicht nur Physik, Chemie und Zoologie, sondern auch große Teile von Marxismus-Leninismus, wenn ich an die These, die DDR ist der einzig rechtmäßige deutsche Staat, denke. Spannend wurde es später mit dem fach-bezogenen Studium, besonders der „Ökonomik der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe der DDR“ bei Professor Rosenkranz. Dabei ging es nicht nur um Fakten und Kennzahlen. Rosenkranz hatte den Zenit seiner Laufbahn erreicht und konnte uns mit seiner Lebenserfahrung und seinem Charisma begeistern, auch für die genossenschaftliche Entwicklung auf dem Lande.

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In einem Aushang suchte das Institut für Betriebs- und Arbeitsorganisation der Karl-Marx-Universität Leipzig einen Hilfsassistenten. Ich meldete mich und wurde genommen. Für 50,00 M/Monat durfte ich bei den Vorlesungen von Professor Rosenkranz Dias zeigen und zuvor im Hörsaal 201 ganze Tafeln mit betriebswirtschaftlichen Tabellen versehen. Die Abhängigkeit der Kosten/kg Milch von Tierein-satz, Leistung, Futter- und Lohnaufwand vergisst man nach so einem Kreideverbrauch nicht mehr. Viel wichtiger aber war die Vorbereitung der Vorlesungen mit dem Chefgespräch, sowohl fachlich, wie auch persönlich. Die Chemie stimmte, vielleicht weil sein Geburtsort Bromberg nicht all zu weit von meinem, im Kreis Kalisch, beides Provinz Posen im Warthegau, entfernt war. Oder war es auch die Namensverwandtschaft? Das Betriebspraktikum absolvierte ich 63/64 in der LPG Schenkenberg, Kreis Delitzsch. Unter der Leitung von Helmut Merke mit Diplom im Fernstudium und promoviert bei Prof. Rauhe hatte sich Schenkenberg zu einer Muster-LPG entwickelt. Zahlreiche Delegationen konnten sich vom Wesen der Genossenschaft, von Ordnung, Disziplin und demokratischer Mitbestimmung überzeugen. Meine Diplomarbeit bei Rosenkranz „Die Organisation der Produktion von Pflanzen in der LPG „7. Oktober“ Schenkenberg unter Berücksichtigung der beabsichtigten Produktion von und mit Tieren“ wurde zur Grundlage des Perspektivplanes der Genossenschaft. Die Abschlussprüfung in Betriebs-ökonomie wurde ersetzt durch ein Gespräch mit Professor Rosenkranz im Frühjahr 1964 in Schenken-berg - mit sehr gutem Erfolg. Ich hatte schon im Betriebspraktikum unzureichende wirtschaftliche Ergebnisse der LPG durch die Bewertung der Eigenleistungen bei Bau- und Meliorationsarbeiten nach den Festpreiskriterien, die vorher nur die Multiplikation der Arbeitseinheit mit dem Planwert für die lebendige Arbeiterfolgte, kompensiert. Bei meiner Tätigkeit als Betriebsökonom ab September 1964 in Schenkenberg bis 31.7.1966 stand im Bücherregal als wichtiger Ratgeber „Das Handbuch des Genossenschaftsbauern“, herausgegeben von Rosenkranz 1954–1959. Es steht auch heute noch im Bücherschrank. Im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer. Dem Ruf von Professor Rauhe zum Lehr- und Versuchsgut Seehausen hätte ich lieber nicht folgen sollen. Denn was hatten wir schon im Studium vom Arbeitsrecht, RKV (Rahmenkollektivvertrag für VEG), Verwaltung von Betriebswohnungen, Betriebsküchen und Baukennziffern gehört. 1967 kam Professor Rosenkranz nach Seehausen zum Abschlussgespräch mit dem damaligen Betriebspraktikanten Christian Schiefer, der sich gemeinsam mit Student Raschke erste Sporen beim Komplexeinsatz in der Strohernte verdient hatte. Meine Neigung und Fachkenntnisse von Ökonomie, Bodenfonds und Pflanzenproduktion konnten sich erst ab 1973 in der KAP „Leipzig Nord“, später VEG Pflanzenproduktion Plaußig, richtig entfalten. Über die spätere Teilung von Pflanzen- und Tierproduktion wurde dabei noch nicht diskutiert. Die Absetzung von Professor Rosenkranz Ende 1967 als Institutsleiter in Gundorf durch Minister Ewald hatte Schockwirkung Die Partei- und Staatsführung war nicht zimperlich, wenn es Kritik von der Basis gab. Das musste ich im Herbst 1973 selbst spüren. Ich hatte um Abberufung von der Direktoren-funktion im Lehr- und Versuchsgut Seehausen gebeten, da ich ab Anfang 1973 in Personalunion auch erster Stellvertreter des Leiters der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion (KAP) war. Das führte zur Überlastung und im LVG gab es auch Probleme in der Milchproduktion durch das seuchenhafte Verkalben. Die Bitte um Abberufung verband ich mit kritischen Bemerkungen zur Wirtschaftspolitik der DDR, so z. B.

- die zunehmende Bürokratisierung - die doppelte Leitung der Landwirtschaft durch Staatsorgane und SED-Kreisleitung - die unzureichende Bereitstellung von Baukapazität

Nachdem ich mich im Direktorenkollegium bei der Güterdirektion der DAL zu Berlin rechtfertigen musste und meine kritischen Bemerkungen nicht zurück nahm, wurde ich am 19.12.1973 fristlos abberufen. Danach wurde ich Mitglied der LPG Merkwitz und als Leiter für Planung und Bodennut-zung in die KAP "Leipzig Nord" delegiert. Hauptarbeitsgebiet waren Anbauplanung, Düngung,

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Melioration, Konzipierung von 33 Schlageinheiten für anfänglich 4.179 ha LN und die materielle Be-triebsplanung. Dazu die Verwaltung des Bodenfonds und die Durchsetzung der Bodennutzungs-verordnung vom 26.2.1981.Einige "Nichtlandwirtschaftliche Nutzer" werden mich bei zeitweiligen Inanspruchnahme von Flächen für Wohnungsbau, Plattenwerk, Mülldeponie Seehausen, Kleingar-tenneuanlagen, und anderen Begrünungen als harten, aber fairen Verhandlungspartner kennen gelernt haben. Mit der Bodennutzungsverordnung hatten wir mehr Rechte als unsere heutigen Berufskollegen. Meiner Meinung nach wurde die Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion nicht gründlich genug erforscht. Viele Untersuchungen befassten sich nur mit den Vorteilen des Komplexeinsatzes auf gro-ßen Flächen. Die Teilung von Betriebsstrukturen, Negierung von Stoffkreisläufen, Erhöhung der Tran-sportkosten und Aufblähung von Leitung und Verwaltung wurden als Negativum kaum wissen-schaftlich analysiert. Am 4.5.2002 wurde in Leipzig Albrecht Daniel Thaer anlässlich seines 250. Geburtstages gewürdigt. Professor Rosenkranz verfolgte als Zuhörer und auch als Gelobter mit 91 Jahren aufmerksam die Veranstaltung. Im Pausengespräch zollte ich ihm allein dafür meine Hochachtung. Am 27.3.2003 begegnete ich ihm letztmalig anlässlich des 70. Geburtstages von Dietmar Brendler. Beeindruckend waren sein Interesse auch an meiner persönlichen Entwicklung und seine kritische Wertung der gesellschaftlichen Veränderungen. Der heutige Pächter in Plaußig stellte bei einer Flurschau der Societät am 3.6.2010 fest, dass er von uns einen ordnungsgemäßen Bodenfonds (ohne aufwändige Flurbereinigung) mit guter Fruchtbarkeit übernehmen konnte. m 30.11.2007 gaben wir Professor Rosenkranz auf dem Friedhof Gundorf das letzte Geleit. Die ehrenden Worte von Professor Klose und die Wertung des Lebens durch seinen Sohn Jörg – dem Vater im Lodenmantel sehr ähnlich – sind bleibende Erinnerungen mit dem Wahlspruch : Der Verfasser hat seinen beruflichen Werdegang im vorstehenden Beitrag dargelegt. Anschrift: Dipl-agr. Willi Rosenau Georg-Herweg-Str. 29 D - 04158 Leipzig

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Rudolf Decker

Die Lehr- und Versuchsgüter im Dienste von Wahrheit und Fortschritt Rosenkranz hielt 1957 in Berlin vor den Mitgliedern der Akademie und Gästen aus dem In- und Aus-land einen viel beachteten Vortrag, der wegweisend für die Landwirtschaft werden sollte. Das Thema hieß: „Betriebs- und Arbeitsorganisation unter dem Einfluß der Technik“. Darin äußerte er Gedanken, die für Landwirtschaftsbetriebe von grundsätzlicher Bedeutung sind. Er sagte unter anderem: „Die Frage kann nicht heißen: wie kann ich Milch in einem Betrieb mit einem bestimmten Anbauverhältnis erzeugen, sondern: wie muss ein Betrieb in seiner Gesamtheit organisiert sein, dass Milch, Eier, Fleisch oder irgend ein anderes Produkt oder eine besondere Kombination von Produkten günstigst erzeugt werden können“. Und im gleichen Zusammenhang sagte er: „Nur der spezialisierte, auf die Erzeugung weniger, oft sogar nur eines Produktes eingerichtete Betrieb hat die höchsten Erfolge“. Erklärend ist anzuführen, dass es zu jener Zeit üblich war in Deutschland, dass ein Landwirtschafts-betrieb äußerst vielseitig ausgerichtet war – nicht nur der kleinbäuerliche – das heißt, er hielt alle Nutztierarten und baute auf dem Acker viele Fruchtarten an. Man sprach vom „abgerundeten Betrieb“, der risikoarm und gegen äußere Einflüsse weitgehend unabhängig war, weil sich die einzelnen Betriebszweige gegenseitig ergänzten. In der DDR gab es noch Lebensmittelkarten für die Bevöl-kerung. Nahrungsmittel waren also rationiert. In dieser Situation, die in allen osteuropäischen Ländern ähnlich war, wurden deshalb die Worte von Rosenkranz mit großem Vorbehalt aufgenommen. Aber nicht mal ein Jahrzehnt später – die letzten Bauern mussten 1960 in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften eintreten, so dass ausschließlich landwirtschaftliche Großbetriebe in der DDR existierten - zeigte sich, dass der von Rosenkranz gewiesene Weg der richtige ist, um sowohl die betrieblichen als auch die volkswirtschaftlichen Probleme zu lösen. - Ehe mit der Spezialisierung im großen Stil begonnen werden konnte, musste sie erst mal in der Praxis erprobt werden. Dazu boten sich die Lehr- und Versuchsgüter der Akademie an. Die Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissen-schaften zu Berlin (DAL) wurde 1951 als höchste agrarwissenschaftliche Institution der DDR gegrün-det. In ihren Einrichtungen betrieb sie Forschung in allen Zweigen der Landwirtschaftswissenschaften und deren Grenzgebieten. Außerdem oblag ihr die Koordinierung der Forschung aller agrarwissen-schaftlichen Fakultäten der Universitäten und Hochschulen. Da die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln – im Gegensatz zu heute – fast aus-schließlich von der eigenen Landwirtschaft abhing und Importe wegen fehlender Devisen kaum in Frage kamen, stand die Agrarwissenschaft direkt im Dienst der Volkswirtschaft. Wissenschaftliche Erkenntnisse galten erst dann als gesichert, wenn sie nicht nur im Labor oder auf dem Versuchsfeld sondern in der Praxis geprüft waren. Der DAL wurden deshalb neben den wissenschaftlichen Instituten auch landwirtschaftliche Güter als Lehr- und Versuchsgüter (LVG) zugeordnet. Ihre Aufgabe bestand vor allem in der Erprobung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Praxisbedingungen. Sie waren also Experimentier- und Demonstrationsbetriebe der Agrarwissenschaft. Alle Neuerungen auf agrar-wissenschaftlichem Gebiet wurden in den Jahren bis 1975 in den Lehr- und Versuchsgütern auf ihre Tauglichkeit geprüft. Mit dem 1960 beendeten Zusammenschluss aller selbständigen Bauern zu Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), also dem Übergang von Klein- zu Großbetrieben, rückte neben pflanzenbaulichen und tierzüchterischen Belangen das Interesse der Praktiker an der Lösung betriebs-wirtschaftlicher Probleme in den Mittelpunkt. Insbesondere Formen einer effizienten Organisation und Leitung hoch technisierter landwirtschaftlicher Großbetriebe waren gefragt. Die DAL erhielt den Auftrag, die Lehr- und Versuchsgüter so zu organisieren, dass sie sowohl eine hohe Produktenmenge in guter Qualität als auch eine hohe Produktivität und Rentabilität erzielen und damit beispielgebend für alle Landwirtschaftsbetriebe sind.

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Zur straffen Führung und Leitung der Lehr- und Versuchsgüter wurde eine Güterdirektion gebildet. Sie war wirtschaftsleitendes Organ. Das heißt, sie war vergleichbar mit einem Konzern, der über wirt-schaftlich und juristisch selbständige Betriebe mit eigenem Management verfügt, sie aber seinen Inte-ressen unterordnet, um eine möglichst gute Bilanz des gesamten Unternehmens ziehen zu können. Die Güterdirektion erhielt – wie andere Einrichtungen auch – staatliche Planauflagen über die Menge der von den Lehr- und Versuchsgütern an den Handel oder an die Verarbeitungsindustrie zu verkaufenden Produkte, wie zum Beispiel Milch, Eier, Wolle, Schlachtvieh, Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben. Der Güterdirektion unterstanden 1965 47 Lehr- und Versuchsgüter mit einer Landwirtschaftlichen Nutzfläche von 39 400 ha. Die Betriebsgröße lag zwischen 124 ha LN in Stichelsdorf (Sachsen-Anhalt) und 1 909 ha LN in Müncheberg (Brandenburg). Außerdem unterstand ihr der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb Eberswalde, der sieben Oberförstereien mit rund 50 000 ha Wald umfasste und als Experimentier- und Demonstrationsobjekt des renommierten Instituts für Forstwissenschaften Eberswalde diente. Die Lehr- und Versuchsgüter verfügten über 6 350 Arbeitskräfte (AK) und einen Tierbestand von 39 000 Großvieheinheiten (GV). In Bezug auf die wissenschaftliche Aufgabenstellung war jedes Lehr- und Versuchsgut einem Institut der Akademie oder einer Universität zugeordnet. Es ergab sich also für die Güter eine doppelte Unterstellung, die aber kaum zu Komplikationen führte. Im Gegenteil. Viele Wissenschaftler sahen es als Verpflichtung an, die neuesten Erkenntnisse in „ihrem Gut“ zu demonstrieren. Das Lehr- und Versuchsgut war somit das „Aushängeschild“ des Instituts. Die Lehr- und Versuchsgüter arbeiteten nach einem eigens erarbeiteten Jahresplan, der alle mate-riellen und finanziellen Daten des wirtschaftlichen Geschehens des Betriebes umfasste. Der Jahres-plan basierte auf dem Perspektivplan, der meist einen Zeitraum von fünf Jahren prognostizierte. An der Spitze eines Lehr- und Versuchsgutes stand der Direktor. Er hatte Weisungsbefugnis und trug die volle Verantwortung in juristischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Beziehung. Es waren in der Regel gut ausgebildete und erfahrene Praktiker. Die Lehr- und Versuchsgüter waren der Güterdirektion gegenüber rechenschaftspflichtig, die Güterdirektion dem Landwirtschaftsministerium sowie der Akademie. Die Lehr- und Versuchsgüter repräsentierten fast alle natürlichen und ökonomischen Standort-bedingungen der DDR. Sie erstreckten sich von der Ostseeküste (Groß-Lüsewitz), Dummerstorf, Groß-Stove, Karin, Westenbrügge) bis in die Höhenlagen des Harzes (Annarode-Bärenrode) und des Thürin-ger Waldes (Clausberg). Sie bewirtschafteten sowohl leichteste Sandböden in der Mark Brandenburg (Finowfurt, Müncheberg) als auch beste Schwarzerdeböden der Magdeburger Börde und des Hallenser Raumes (Klein Wanzleben, Hadmersleben, Lauchstädt, Etzdorf). Auch das Produktionssortiment um-fasste alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse einschließlich Obst, Gemüse, Heil- und Gewürzpflanzen, Hopfen, Bienen, Rinder, Schweine, Geflügel und Rassepferde. Die Ausstattung mit Maschinen und Geräten entsprach dem damaligen Stand der Technik. Die Bausubstanz basierte - von einigen Aus-nahmen abgesehen - auf dem Vorkriegsstand. Die Lehr- und Versuchsgüter waren bei ihrer Über-nahme durch die Akademie vielseitig organisiert. Jedes Gut bildete nach den bis dahin geltenden Regeln der Betriebswirtschaftslehre ein „organisches Ganzes“ und erzeugte eine Vielzahl von Produk-ten (Warenhaussortiment), meistens in geringer Menge. Sie entsprachen damit der in Deutschland üblichen Betriebsorganisation. Der Güterdirektion wurde von der Regierung die Aufgabe gestellt, alle Lehr- und Versuchsgüter so zu entwickeln, dass sie beispielgebend sind für alle Landwirtschaftsbetriebe. Sie musste also neue Wege beschreiten, wenn die Lehr- und Versuchsgüter große Leistungen in der Produktion bei hoher Rentabilität erreichen und als Vorbild von den anderen landwirtschaftlichen Betrieben akzeptiert werden sollten. Die Güterdirektion entschied sich für eine konsequente Spezialisierung und Kon-zentration der Produktion, verbunden mit einer nachhaltigen Intensivierung. Die Arbeiten des von Rosenkranz geleiteten Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsorganisation Gundorf der DAL wiesen die Richtung.

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Für die zukünftige Entwicklung der Tierproduktion spielte die vorhandene Bausubstanz des Betriebes eine wichtige Rolle. Der – auch durch die Mangelwirtschaft bedingte – sparsame Umgang mit Investitionen war ausschlaggebend für die Entscheidung, ob durch Um- und Ausbau vorhandener Gebäude die annähernd gleiche Lösung mit geringeren Kosten zu erreichen war wie durch Neubau. Ein weiteres Ziel der Überlegungen war auch immer die Anwendung moderner, arbeitssparender Verfahren. Im Rahmen der Spezialisierung und Konzentration wurde zuerst die Produktion von Hühnereiern, die bisher 17 Lehr- und Versuchsgüter betrieben, im LVG Finowfurt zusammengefasst. Dafür wurde eine Anlage gebaut, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen projektiert war. Weil eine technologisch und ökonomisch zweckmäßige Eierproduktion mindestens 40 000 Legehennenplätze in Käfighaltung umfassen musste, die Güterdirektion aber nicht soviel mit Futter versorgen konnte, wurden noch Kooperationspartner aus der Region gewonnen. Sie beteiligten sich nicht nur mit der Bereitstellung von Futter sondern auch mit Investitionen und erhielten dafür Anteile vom Gewinn. Für die Produktion von Masthähnchen wurde im LVG Großbeeren eine moderne Anlage mit 20 000 Plätzen errichtet. Sie deckte die gesamte Auflage der Güterdirektion ab. Wegen ihrer hohen Effizienz und wegen des reißenden Absatzes wurde sie bald auf 40 000 Plätze erweitert. – Das LVG Großbeeren betrieb in der Tierproduktion außerdem die Aufzucht weiblicher Jungrinder, weil neben natürlichem Weideland noch genügend Rauh- und Saftfutter von den Rieselfeldern für die Winterfütterung vorhanden war. Die Milchproduktion stellt innerhalb der Tierproduktion die höchsten Ansprüche an Quantität und Qualität der Arbeitskräfte und Produktionsmittel. Da die Milchgewinnung den größten Zeitaufwand innerhalb des ganzen Verfahrens beansprucht, galt es, mit Hilfe neuer Melkverfahren den Arbeits-kräftebedarf nachhaltig zu senken. - Im LVG Gundorf war das von den dortigen Wissenschaftlern entwickelte Melkkarussell – das erste außerhalb Neuseelands – seit 1956 erfolgreich in einem Offenlaufstall im Einsatz. Der ebenfalls in Gundorf entwickelte Fischgrätenmelkstand setzte aber ebenso wie das Melkkarussell die Laufstallhaltung voraus. Das war ein Novum in der auf Anbinde-haltung fixierten deutschen Landwirtschaft. Das LVG Groß-Lüsewitz errichtete nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Lauf-stallanlage für 400 Kühe und das LVG Heinersdorf für 1 000 Kühe. Diese Anlagen waren richtung-weisend für die technologische Weiterentwicklung in diesem Betriebszweig. In ähnlicher Weise spezialisierten sich die LVG Dummerstorf, Paulinenaue, Iden, Birkholz, Hohen Luckow, Bernburg, Hohenthurm, Gundorf, Seehausen und Clausberg auf die Milchproduktion. - Die mit der Spezialisie-rung verbundene Intensivierung führte zu einer Steigerung der Milchleistung je Kuh (3,5% Fett) von 3 303 kg im Jahr 1964 auf 4 723 kg im Jahr 1969 bei einem Bestand von ca. 8 000 Kühen in allen Milch produzierenden Betrieben. Bereits 1965 erzielte das LVG Bornim eine Milchleistung von 6 101 kg je Kuh mit einem Bestand von 125 Kühen. Ein in dieser Größenordnung erstmals erreichtes Ergebnis in Europa. 1966 überbot das LVG Dummerstorf die 6 000 kg-Marke mit einem Bestand von 630 Kühen. Beide Lehr- und Versuchsgüter setzten damit Maßstäbe für die Milchproduktion in Großbetrieben. Die Aufzucht weiblicher Jungrinder war in allen Betrieben notwendige Voraussetzung für eine erfolg-reiche Milchproduktion. Alle mussten deshalb Jungrinder halten. Insbesondere die Betriebe in den Ackerbaugebieten – Magdeburger Börde, Halle/Leipziger Tieflandbucht – verfügten jedoch kaum über natürliches Grünland und hatten folglich Ackerland zu Viehweiden machen müssen. Das LVG Annarode, 283 m ü. NN am Rande des Harzes gelegen mit einer Jahresniederschlagsmenge von 650 mm, hatte zuvor umgekehrt das Grün- in Ackerland verwandelt, weil der Rinderbestand das anfallende Rauh- und Saftfutter nicht verwerten konnte. Jetzt spezialisierte sich Annarode auf die Aufzucht weib-licher Jungrinder. Der Betrieb kaufte von den Lehr- und Versuchsgütern aus den Ackerbaugebieten alle zuchttauglichen Kälber im Alter von 4 Monaten, zog sie auf saftigen Weiden gesund auf und verkaufte leistungsfähige tragende Färsen.

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Die Güterdirektion gliederte das ehemalige Universitätsgut Bärenrode der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an das LVG Annarode an. Bärenrode liegt im Harz (450 m ü. NN) und verfügte über 150 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Davon wurde noch mehr als die Hälfte als Ackerland bewirt-schaftet. Es wurde in Grünland umgewandelt und der Betrieb widmete sich ausschließlich der Jungrinderaufzucht. Auf 400 ha Grünland in Annarode und Bärenrode konnten 1 500 Jungrinder unter natürlichen Bedingungen, also bei Vollweide, aufwachsen. Ähnlich machten es das LVG Göldenitz an der Osteeküste, das LVG Iden in der Wische (Elbniederung in der Altmark) und das LVG Großbeeren im südlichen Berliner Raum. Für die Spezialisierung auf Rindermast war entscheidend, ob ein Betrieb einerseits über solide und für Mastrinder geeignete Altbausubstanz verfügte und andererseits über Rauh- und Saftfutter. Beim Marktfruchtbau fällt im Allgemeinen auch Feldfutter an, auf das die Betriebe zu damaliger Zeit aus Fruchtfolgegründen nicht verzichten konnten. Dazu kommt das Rübenblatt vom Zuckerrübenanbau. – Futter war zu wertvoll um es unterzupflügen, wie es heute in solchen Fällen üblich ist. Stallgebäude und Futteranfall bestimmten deshalb den Umfang des Mastrinderbestandes. Das LVG Kleinwanzleben hielt zum Beispiel 4 000 Mastbullen. Da es über 1 650 ha LN, fast ausschließlich bestes Ackerland verfügte, bildete auch das Blatt von 165 ha Zuckerrüben, die mit sehr gutem Erfolg angebaut wurden, eine wichtige Futtergrundlage. Die Schweinehaltung war in den Nachkriegsjahren in den Gütern aus volks- und betriebswirt-schaftlichen Gründen vorrangig entwickelt worden. Die Bausubstanz hierfür war technologisch – und in den meisten Fällen auch technisch – veraltet. Die volkswirtschaftliche Situation – Spar-samkeit im Umgang mit Material und Arbeitszeit war immer oberstes Gebot – erlaubte nicht den Abriss alter Ställe zugunsten von neuen sondern nur in den Fällen, wo der Umbau oder die Rekonstruktion eines alten Stalles teurer wurde als ein Neubau. Die züchterisch sehr guten Bestände mit 30 bis 50 Zuchtsauen, wie zum Beispiel in den LVG Etzdorf, Radegast, Merbitz und Bernburg, aber auch in Gülzow und Dornburg wurden für die Erzeugung wertvollen Zuchtmaterials genutzt. Dagegen haben die großen Bestände mit mehr als 100 Sauen, wie zum Beispiel in den LVG Klenz und Lietzen sowie im LVG Dummerstorf, eine intensive Läuferproduktion für die Mast betrieben. – Dummerstorf baute später eine moderne Anlage und erweiterte den Sauenbestand auf über 400 Stück. Die Schweinemast erfolgte in größeren Anlagen wie zum Beispiel in den LVG Walkendorf und Apolda. Das LVG Müncheberg baute eine moderne Schweinemastanlage mit 6 000 Plätzen. Dadurch war es möglich, die Produktion in anderen Lehr- und Versuchsgütern mit veralteten Mastställen aufzugeben. Nur einige Lehr- und Versuchsgüter, wie zum Beispiel Noitzsch und Groß-Stove, betrieben sowohl Ferkel-produktion als auch Schweinemast. Die Nachfrage nach Lammfleisch, besonders aus dem devisenträchtigen Ausland, bewog das LVG Klockow, sich auf die industriemäßige Produktion von Mastlämmern zu spezialisieren. Die Berechnungen über eine technologisch wie ökonomisch effiziente Einheit führten zum Bau einer Anlage mit 1 400 Ablamm- und 3 600 Mastplätzen. Danach wurde der Bestand an Mutterschafen ausgerichtet. Etwa 15 000 Muttern mit Nachzucht wurden in Kooperation mit dem VEG Kleptow und der LPG Schönfeld in allen dafür geeigneten Gebäuden gehalten. Sie sollten die Lämmermastanlage kontinuierlich beschicken und für deren ganzjährige Auslastung sorgen. Dies gelang jedoch nur bedingt, weil hier absolutes Neuland betreten wurde und viele Fragen der Schafzucht und -haltung in Großanlagen noch nicht geklärt waren. Die Organisation der Pflanzenproduktion der Lehr- und Versuchsgüter richtete sich nach den natür-lichen und ökonomischen Standortbedingungen. Die ausreichende Versorgung der Tierbestände am Ort – zumindest mit Rauh- und Saftfutter – war selbstverständlich. Konzentrat- (Kraftfutter) konnte notfalls von anderen Betrieben zugeführt werden. „Schweine- und Geflügelmast können auch in Berlin auf dem Alexanderplatz betrieben werden“, war damals ein geflügeltes Wort und besagt, daß Tiere, die ausschließlich mit Getreide und anderen Konzentratfuttermitteln gefüttert werden, die leicht zu transportieren und lagerfähig sind, praktisch an jedem Standort gehalten werden können. Während der

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Rinderbestand in kleineren Betrieben, wie zum Beispiel dem LVG Clausberg mit 186 ha LN im Thüringer Wald, soweit ausgedehnt wurde, wie es die Futterfläche zuließ, bildete die Verwertung des Rauh- und Saftfutters in größeren, wie zum Beispiel dem LVG Göldenitz mit 703 ha LN und 33% natürlichem Grünland, die obere Grenze des Rinderbestandes. Ein Spezialbetrieb für Mähdruschfrüchte – also Getreide, Öl- und Hülsenfrüchte – war das LVG Welsleben. Es baute auf 1 100 ha (83 % AL) Mähdruschfrüchte an. - Weil die vorhandene Altbau-substanz für die Bullenmast genutzt werden musste, waren die restlichen 230 ha AL für deren Versorgung mit Rauh- und Saftfutter vorbehalten. In der Kartoffelproduktion, vor allem bei Speisekartoffeln, musste der Anbau konzentriert werden, um Betriebe mit steinigen Böden (Mark Brandenburg, Mecklenburg) davon zu befreien. In diesem Zusammenhang ist das LVG Mößlitz hervorzuheben. Es hatte mit Lößböden (mittlere Ackerzahl 86) im Hallenser Raum sehr gute Bedingungen für den Kartoffelanbau und –absatz. Deshalb spezialisierte sich der Betrieb innerhalb weniger Jahre auf die Produktion von Speisekartoffeln zugunsten anderer Lehr- und Versuchsgüter. Auf einer Fläche von ca. 400 ha (100 % AL) baute das LVG mit bestem Erfolg Kartoffeln an (250 dt/ha Ertrag im Mittel) und sorgte mit einer Lager- und Vermarktungsstation für die kontinuierliche Belieferung des Einzelhandels mit guten Speisekartoffeln. Da aus Fruchtfolge-gründen nur alle vier bis fünf Jahre auf demselben Schlag Kartoffeln ange-baut werden dürfen, vereinbarte Mößlitz mit den Nachbarbetrieben einen jährlichen Flächentausch. Eine für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Maßnahme. In der Pflanzkartoffelproduktion nahm das LVG Groß-Lüsewitz mit 100 ha Anbaufläche (18 % AL) und einem Ertrag von 280 dt/ha eine Spitzenposition ein. Der Zuckerrübenanbau aller Lehr- und Versuchsgüter umfasste 1 558 ha, das entspricht 5 % des Ackerlandes. Wegen des von allen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen höchsten Nährstoffertrages je Hektar – außer Zucker für die menschliche Ernährung wurden noch Rübenblatt und Trockenschnitzel (vom Rübenkörper) als Futter genutzt – waren alle Betriebe bemüht, soviel Zuckerrüben anzubauen wie es die Bodenverhältnisse und die Arbeitskräftesituation erlaubten. – Die LVG Kleinwanzleben und Hadmersleben in der Magdeburger Börde erreichten mit 165 ha bzw. 136 ha, das entspricht einem Anteil von 10 % des Ackerlandes, Erträge von 363 bzw. 367 dt/ha Zuckerrüben. – Das LVG Merbitz erzielte einen Ertrag von 471 dt/ha Zuckerrüben auf einer Fläche von 26 ha. Aber auch die LVG Noitzsch, Radegast und Prussendorf ernteten mehr als 400 dt/ha bei Anbauflächen zwischen 25 und 61 ha. Der Gemüse- und Obstanbau war schon auf Grund des geringen Umfangs in den meisten Betrieben ein Anhängsel und deshalb wenig erfolgreich. Eine Konzentration in geeigneten Betrieben mit einhergehender Rationalisierung und Intensivierung waren die Voraussetzung für steigende Effizienz. Für den Gemüsebau bot sich das LVG Stichelsdorf an. Bei einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 124 ha waren technologische Losgrößen für den optimalen Anbau von Mähdruschfrüchten, Kartoffeln oder Zuckerrüben nicht zu realisieren. Für den Anbau von Blumenkohl, grünen Erbsen, grünen Bohnen usw. war der Ackerboden gut geeignet. Außerdem war die Lage im Ballungsgebiet Halle/Leipzig für den Frischmarkt sehr günstig. Darüber hinaus sorgte eine importierte Vakuum-Gefriertrocknungs-anlage für die Konservierung des Gemüses, das anschließend gleich zu Fertiggerichten weiterverar-beitet werden konnte. - Der Feldanbau wurde so eingerichtet, dass sowohl der Frischverkauf als auch die kontinuierliche Belieferung der betrieblichen Verarbeitungsanlage gewährleistet waren. Genauso organisierte das LVG Großbeeren den Möhrenanbau. Es errichtete eine Anlage zur Herstellung von Möhrensaft für Babynahrung. Während der Vegetationszeit wurde die Anlage mit frischen und danach mit eingelagerten Möhren beliefert. Dadurch war eine ganzjährige Auslastung gesichert. Drei Lehr- und Versuchsgüter spezialisierten sich auf die Obstproduktion. Während das LVG Stroga seine Obstanlage auf 105 ha (17 % LN) ausdehnte, pflanzte das LVG Eschenhörn auf seiner gesamten Nutzfläche von 351 ha (1974) Obstbäume, vorwiegend Äpfel, an. Das LVG Tornau ging einen ähn-lichen Weg. Da es nur über 130 ha LN, darunter 11 ha Obst verfügte, die benachbarten LVG Prussen-

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dorf und Hohenthurm jedoch leistungsfähige Obstanlagen von 44 ha bzw. 25 ha bewirtschafteten, wurden diese Anlagen sowie weitere geeignete Ackerfläche zugeordnet. Damit wurde das LVG Tornau zu einem hochrentablen Obstbaubetrieb, der ebenso wie das LVG Eschenhörn über modernste Lager- und Vermarktungseinrichtungen verfügte. Der Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen erfolgte im LVG Bernburg. Das Sortiment wurde mit der Pharma- und Gewürzindustrie abgestimmt. Die Größe der Anbaufläche richtete sich nach der Kapazität der Trocknungsanlage, so dass volks- und betriebswirt-schaftliche Belange übereinstimmten. Die Spezialisierung der Pflanzenproduktion der Lehr- und Versuchgüter führte zu einer nachhaltigen Steigerung der Erträge, der Arbeitsproduktivität und des Gewinns. Die Verringerung des Produktions-sortiments jedes Betriebes war mit einer Bereinigung des Maschinenparks und mit höherer Auslastung der Maschinen, also geringeren Kosten verbunden. Ausschlaggebend war jedoch die Leistung der Arbeitskräfte, also der Leiter, Traktoristen und Maschinisten, deren Kenntnisse und Fähigkeiten sich auf ein Produktionsverfahren konzentrieren und deren Arbeitserfolg direkt am Ertrag gemessen und vergütet werden konnte. Auf Grund von Untersuchungen des Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökono-mik Gundorf der DAL war Anfang der sechziger Jahre nachgewiesen worden, dass es möglich ist, auch in der Pflanzenproduktion eine Spezialisierung vorzunehmen, ohne dabei ungewöhnlich hohe Arbeits-spitzen und –täler zu provozieren. Voraussetzung ist, daß bestimmte Grundsätze beachtet werden. Dazu gehört unter anderem, daß alle Fruchtarten, die mit den gleichen Maschinen bestellt, gepflegt und geerntet werden, also nach dem gleichen Verfahren produziert werden, zu einer technologischen und ökonomischen Einheit zusammenzufassen sind. Zum Beispiel: Mähdruschfrüchte sind alle Fruchtarten, die mit dem Mähdrescher – als der mit Abstand teuersten Maschine des Verfahrens neben Traktor, Pflug, Drillmaschine, Düngerstreuer usw. – geerntet werden, also: Getreide, Ölfrüchte, Hülsenfrüchte. Das gleiche gilt für die Verfahren der Kartoffel-, Zuckerrüben- und Futterproduktion. Daraus resultiert unter anderem, dass die Strohbergung, da sie mit Feldhäcksler, Presse oder dergleichen erfolgt, dem Verfahren der Futterproduktion zuzuordnen ist. Damit wird die Arbeitsspitze: Getreide-(Körner-) ernte /Strohbergung - gebrochen und ein Arbeitstal in der Futterproduktion ausgefüllt. Jedem Produk-tionsverfahren ist ein festes Kollektiv (Team) zugeordnet und umgekehrt. Das können alle Mitarbeiter eines Betriebes sein, wenn es sich um einen relativ kleinen Betrieb handelt, der sich ganz auf ein Verfahren spezialisiert (z.B. LVG Mößlitz auf Kartoffelproduktion) oder eine Brigade/Abteilung/ Bereich eines relativ großen Betriebes (z.B. Abteilung Kartoffelproduktion im LVG Groß-Lüsewitz). Sowohl die Spezialisierung ganzer Betriebe auf ein Produkt/Verfahren als auch die innerbetriebliche Spezialisierung der Pflanzenproduktion wurde von den Lehr- und Versuchsgütern erfolgreich prakti-ziert. Das durch die Spezialisierung zweifellos steigende Risiko wurde durch höhere Effizienz mehr als ausgeglichen. Damit wurde bewiesen, daß in der modernen Landwirtschaft, ebenso wie in der Indus-trie, die Maschine oder besser: das Maschinensystem - Art und Umfang der Produktion bestimmt. Man kann also zu Recht von industriemäßiger Produktion in der Landwirtschaft sprechen. Die Spezialisierung der Produktion führte unter anderem dazu, daß die LVG Eschenhörn und Tornau nur Obst, das LVG Stichelsdorf nur Gemüse und das LVG Mößlitz nur Kartoffeln produzierten und somit auch viehlos wirtschafteten. - Alle Lehr- und Versuchsgüter waren mehr oder weniger stark von der Spezialisierung und Konzentration der Produktion geprägt. Trotz der Spezialisierung der einzelnen Betriebe umfasste das Produktionssortiment aller Lehr- und Versuchsgüter die ganze Bandbreite der Landwirtschaft. Das Volumen war aber bedeutend größer ge-worden, ebenso die Qualität der Produkte, die Produktivität und die Rentabilität. Der Arbeitskräftebesatz ging im Zeitraum von 1965 bis 1969 von 18 AK/100 ha LN auf 14 AK/100 ha LN zurück (einschließlich Leitung und Verwaltung). Das ist ein überzeugender Ausdruck für die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Güterdirektion der Lehr- und Versuchsgüter legte großen Wert auf die Erwirtschaftung von Gewinn. Sie war also ein gewinnorientiertes Unternehmen. Die leistungsbezogene Vergütung der leitenden Mitarbeiter (Manager) war stets - neben anderen Kriterien – an die Höhe des Gewinns gebunden. – Vorrang hatte jedoch die Erfüllung der von der Wissenschaft vorgegebenen Experimen-

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tier- und Demonstrationsaufgaben. Die Beachtung ökonomischer Aspekte bei der Durchführung von Großversuchen unter Praxisbedingungen führte deshalb meist zu gut durchdachten Versuchsanord-nungen und zu einem sparsamen Umgang mit den Ressourcen. Auf die Wiedergabe finanzieller Kennzahlen soll hier verzichtet werden, weil eine Vergleichbarkeit aus den verschiedensten Gründen nicht gegeben ist. Soviel sei aber gesagt, dass das Rechnungswesen der Landwirtschaft nach streng ökonomischen Regeln aufgebaut und mit dem der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen vergleichbar war. Wegen der Transparenz waren Manipulationen relativ leicht erkennbar für den Experten. In dem Zusammenhang ist festzustellen, daß die heute in der Landwirtschaft, aber auch in der übrigen Wirtschaft angewendeten Formen des Rechnungswesens und der Bilanzierung, insbesondere die nach steuerlichen Gesichtspunkten, in Bezug auf Vergleichbarkeit, inhaltlicher Übereinstimmung und somit Aussagekraft der Kennzahlen – das mag gewollt sein - dem in der DDR gesetzlich vorgeschriebenen bei weitem nachstehen. Die Erwirtschaftung von Gewinn hatte also große Bedeutung in jedem Lehr- und Versuchsgut, schon wegen der Vorbildwirkung für andere Betriebe. Während 1964 von allen Lehr- und Versuchsgütern ein Gewinn von insgesamt 7,3 Millionen Mark, das entspricht 198 M/ha LN erwirtschaftet wurde, waren es 1969 21,3 Millionen Mark, das sind 663 M/ha LN. Auf die Arbeitskraft bezogen stieg der Gewinn von 1 130 M/AK 1964 auf 5 551 M/AK 1969, also fast auf das Fünffache. Der Gewinn floss nach Abzug der Abgaben an den Staatshaushalt (Steuern) zum Teil in Form von Prämien an die Arbeiter und Angestellten zurück. Vor allem bildete er jedoch die Grundlage für Investitionen im produktiven, aber auch im sozialen und kulturellen Bereich der Betriebe. Für die Motivation der Mitarbeiter - auf allen Ebenen – zur Erfüllung der hochgesteckten Ziele sorgte ein ausgeklügeltes System von finanziellen und ideellen Anreizen. Der Stolz auf erreichte und anerkannte Leistungen sowie auf die sozialen und kulturellen Einrichtungen führte zu einer starken Identifizierung der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen. Die Lehr- und Versuchsgüter waren auf Grund ihres allgemein hohen Niveaus und ihrer wiederholt erreichten Spitzenleistungen in der Pflanzen- und Tierproduktion, die durch zahlreiche Ehrungen und Anerkennungen gewürdigt worden sind, beispielgebend für die Landwirtschaftsbetriebe der DDR, aber auch - wie das Interesse zeigte – für das Ausland. Daran hat Professor Dr. Otto Rosenkranz einen wesentlichen Anteil. Nicht nur wegen seiner richtungweisenden Ideen sondern auch wegen seiner Ratschläge in allen betriebswirtschaftlichen Fragen und seines großen Engagements genoss er hohes Ansehen bei den Praktikern. Deshalb war es selbstverständlich, dass er im Jahr 2000 eine Einladung nach Berlin erhielt zum Treffen der Direktoren der ehemaligen Lehr- und Versuchsgüter und der Güterdirektion der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin. Literatur: 1.) DECKER, R. u. WOLDE, H-J.: Festschrift; herausgegeben aus Anlass des Treffens der Direktoren der ehemaligen Lehr- und Versuchsgüter und der Güterdirektion der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin am 12. Mai 2000 in Berlin 2.) ROSENKRANZ, O.: Die Betriebs- und Arbeitsorganisation unter dem Einfluß der Technik. 3. Festsitzung und Wissenschaftliche Tagung der DAL 1957 in Berlin In: Berichte und Vorträge III/1957 (1958). S. 126 3.) Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin – Güterdirektion – Betriebsvergleich der Lehr- und Versuchsgüter der Jahre 19664/1965 (u. jährlich fortlaufend bis 1975) 4.) KRIELKE, U.: Zum Zusammenschluss von Wissenschaft und Produktion in der Landwirtschaft und zur schnelleren Überleitung wissenschaftlicher Ergebnisse In: Tagungsbericht Nr. 129; Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR (1973) 5.) DECKER, R.: Industriemäßige Produktion im Feldbau Arbeiten aus dem Institut für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf der DAL Heft 14, (1966).

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Der Verfasser ist Sohn eines Gutsinspektors und späteren LPG-Vorsitzenden. 1951 folgte dem Abitur in Schönebeck/Elbe die Lehre in einem bäuerlichen Betrieb. 1953 nahm er das Studium an der Land-wirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin auf. Nach dem Diplom 1956 wurde er als Agronom in einer LPG eingesetzt. Von 1956 bis 1964 war er im Gundorfer Institut unter Leitung von Prof. Rosenkranz tätig. Neben betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Analysen arbeitete er vor allem an Entwicklungskonzeptionen zur Spezialisierung von Großbetrieben. In seiner Dissertation an der Leipziger Universität entwickelte er Vorstellungen zur Organisation des Feldbaus nach dem Produktionsverfahren und damit zur industriemäßigen Produktion. 1964 wurde er in die Güterdirektion der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissen-schaften zu Berlin versetzt, wo er bis 1976 die Planung der Produktion und Finanzen einschließlich der Investitionen leitete. Nach Auflösung der Güterdirektion durch Verordnung war er bis 1982 im Gut Birkholz bei Bernau als Stellvertreter des Direktors tätig. Von dort wechselte er zum Bereich Betriebswirtschaft der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er als wissenschaftlicher Oberassistent bis 1992 den Studenten unter anderem seine langjährigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen bei der Organisation und Leitung landwirt-schaftlicher Großbetriebe vermittelte. In dieser Zeit übernahm er auch einen Forschungsauftrag zur Bewertung des Arbeitskräftebesatzes von Tierproduktionsbetrieben auf der Grundlage der Bausub-stanzerhebung der DDR. Diese Aufgabe ist 1990 mit der erfolgreichen Erprobung eines Programms für Großrechner erfüllt worden. Durch den Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft hat sie jedoch den praktischen Nutzen verloren. Das Vorhaben, mit dieser Arbeit die Habilitation zu verbinden, wurde für ihn dadurch gegenstandslos. Anschrift: Dr. Rudolf Decker Dolomitenstraße 35 D-13187 Berlin E-Mail: [email protected]

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Hartmut Brückner, Hartmut Kubon

Vom LVG zur Gundorfer Agrargemeinschaft Gliederung 1. das LVG (Lehr- und Versuchsgut) Gundorf 2. die Kooperation Leipzig - West 3. die Um- und Neustrukturierung 1989/90 4. die Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. 1. das LVG Gundorf Nach 1945 bestand ein echtes Bedürfnis in den landwirtschaftlichen Betrieben nach Arbeitserleich-terung, besserer Mechanisierung der landwirtschaftlichen Arbeit und Organisation der Arbeit. Dies erkannten frühzeitig Prof. Holdack (Landtechniker an der Universität Leipzig) sowie Prof. Rosen-kranz. Auf Initiative von Prof. Holdack erfolgte die Wiederaufnahme der Tätigkeit der einst angese-henen Versuchsanstalt für Landarbeitsforschung in Pommritz in der Staatlichen Lehr- u. Versuchs-anstalt für Landarbeit Gundorf im Jahre 1950. Prof. Rosenkranz wurde am 1. 5. 1950 mit dem Aufbau und der Leitung der Staatlichen Versuchsanstalt für Landarbeit Gundorf beauftragt. Hierzu wurde als Lehr- und Versuchsbetrieb, Sitz- und Forschungsobjekt zugleich, das inzwischen volkseigene ehema-lige Leipziger Stadtgut Gundorf übergeben. Dieses bildete eine Abteilung der Lehr- u. Versuchs-anstalt. Am 1. Januar 1952 wurde die Lehr- und Versuchsanstalt als Forschungsstelle für Landarbeit Gundorf der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin angeschlossen. Mit dem ehemaligen Stadtgut stand Prof. Rosenkranz bei der Übernahme jedoch kein gut ausgerüs-teter Versuchsbetrieb zur Verfügung. Bis 1938 bewirtschaftete das damalige Rittergut die Familie Ackermann. Von ihr kaufte die Stadt Leipzig das Gut ohne Inventar um Flächen für die zu erwartende Industrieansiedlung im Zusammenhang mit dem Bau des Elster- Saale- Kanals zu erwerben. Über den Zustand der Wirtschaftsgebäude und baulichen Anlagen des Gutes bemerkte Prof. Derlitzki (Pommritz, Halle) bei seinem ersten Besuch 1950 in Gundorf zu Prof. Rosenkranz sarkastisch: „Wissen Sie, einen Vorteil haben Sie: Sie können getrost alle Gebäude abreißen, ohne zu fürchten, dass Sie einen Fehler begehen.” Diese Situation änderte sich doch sehr bald durch die Initiativen und die Tatkraft unseres Chefs. Das Gut entwickelte sich zu einem namhaften Lehr- und Versuchsgut in der damaligen DDR. Als Guts- und Versuchsbetrieb diente das Lehr- u. Versuchsgut vor allem in der Zeit von 1950 bis 1967/68, in der Prof. Rosenkranz als Direktor der Forschungsstelle und ab Januar 1960 des Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf fungierte. Bereits ab 1965 wurden die Versuchsbetriebe der Akademieinstitute in einer eigenen Güterdirektion zusammengefasst und von der Haushaltsfinanzierung auf die so genannte wirtschaftliche Rechnungsführung als eigenständige Betriebe umgestellt. Das LVG Gundorf leitete in der Zeit von 1953 bis 1965 Dr. S. Schumann und ab 1965 Dr. R. Ackermann, beide Schüler und Mitarbeiter von Prof. Rosenkranz. Die Arbeiten und die Organisation im LVG Gundorf wurden in dem genannten Zeitraum insbesondere von folgenden Grundsätzen und Zielstellungen bestimmt: - Zunehmend engere Verknüpfung von Ökonomie, Technologie und Technik - Industrielle und nachhaltige Gestaltung der landwirtschaftlichen Produktion bei geringstmögli- chem Gesamtaufwand - Arbeitserleichterung, Schaffung erträglicher, möglichst guter Arbeitsbedingungen der Menschen in der Landwirtschaft - Hohe Priorität des Rentabilitätsdenkens ( Kostenrechnung, selbständige Abrechnung der Produktionseinheiten, Erzielung von Gewinn) Enge Verbindung von Forschung, Erprobung der Forschungsergebnisse und Überführung der Ergeb-nisse in die Praxis.

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Die Forschungsarbeit unter Leitung von Prof. Rosenkranz basierte außerdem auf einer engen, um-fangreichen Zusammenarbeit mit einer großen Anzahl von Praxisbetrieben. Sie konzentrierte sich vor allem auf Betriebsanalysen und -auswertungen, arbeitswirtschaftliche Untersuchungen sowie auf eine kostenfreie Betriebsberatung. In Zusammenarbeit mit dem Lehr- und Versuchsgut Gundorf erfolgte außerdem vor allem die Entwicklung und Erprobung neuer Arbeits- und Produktionsverfahren. In der gesamten Forschungsarbeit wurde großen Wert darauf gelegt, das alle wissenschaftlichen Mitarbeiter im Jahr möglichst zweimal im Rahmen eines monatlich stattfindenden Institutskolloquiums, einem so genannten DIES ihre Forschungsergebnisse in kurzer Form darlegten und verteidigten. An den wissen-schaftlichen Veranstaltungen nahmen sowohl die Institutsangehörigen als auch Vertreter landwirt-schaftlicher Unternehmen sowie anderer Einrichtungen teil. Das bedeutete natürlich für alle Mitar-beiter auch einen erheblichen und förderlichen Arbeitsdruck. Sehr oft waren die Ergebnisse des Lehr- u. Versuchsgutes Gundorf Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussionen und Bewertungen, was sich wiederum sehr positiv auf die weitere Versuchsdurchführung auswirkte. Zum besseren Verständnis der im Folgenden kurz dargestellten Forschungsarbeiten im Lehr- u. Ver-suchsgut Gundorf sollen zu erst einige ausgewählte Kennzahlen über den Betrieb dienen. Die Landwirtschaftliche Nutzfläche des LVG betrug in den Jahren 1956/57 ca. 280 ha und erhöhte sich in der Zeit bis1967/68 auf etwa 470 ha LN. Darin sind 18 ha Garten- u. Obstland eingeschlossen. Der Boden des LVG wies eine sehr unterschiedliche Qualität auf. Ca. 54% der AF (Auenboden) hatte eine AZ von 60-80. Bei den restlichen 46 % der Flächen schwankt die Ackerzahl zwischen 32-50. Diese Flächen, die zwischen dem Elster - Saale - Kanal und der Ortslage Gundorf liegen, hatten insbesondere und oft unter der Vorsommertrockenheit in der Leipziger Tieflandbucht zu leiden. Der Kuhbestand erhöhte sich, bedingt durch die Errichtung der Versuchsanlage zur Milchproduktion mit 400 Kuh-plätzen, in dem angegebenen Zeitraum von 65 auf 385 Tiere. Bei der Durchführung der Forschungsarbeiten ging es nicht nur um die arbeitssparende Mechani-sierung einzelner Arbeitsgänge sondern um die industriemäßige Gestaltung des gesamten Produk-tionsverfahrens. Die Frage- und Aufgabenstellung lautete zum Beispiel: Wie lässt sich Milch unter Einsatz aller technisch denkbaren Einrichtungen mit geringstmöglichem Gesamtaufwand erzeugen? Als Folge leitet sich daraus auch die Fragestellung ab: Wie muss dann ein Betrieb in seiner Gesamtheit organisiert sein? Diese Herangehensweise prägte natürlich auch die Forschungsarbeiten im LVG Gundorf. Einen Überblick über wichtige Forschungsprojekte in dem Gundorfer Versuchs-betrieb bereits in den ersten Jahren zeigt:

- 1954/55 der Gundorfer Offenstall mit 90 Kuhplätzen und erstem Karussellmelkstand mit 8 Melkbuchten

- die Hühner - Bodenintensivhaltung mit automatischer Kettenfütterung - 1956/57 der Bau einer Biogasanlage - die Schrägrosttrocknungsanlage für Grünfutter (Heißlufttrocknung, - 1965/66 die Milchviehanlage mit 400 Kuhplätzen und einem Karussellmelkstand mit 40 Melk-

buchten Im Feldbau sind hierzu hervorzuheben:

- Versuche zur Arbeitserleichterung und Zeiteinsparung bei der Stalldunglagerung und –ausbringung durch Anwendung von Häckselstroh einschließlich eines 10-jährigen Fruchtfolge – Stroh-düngungsversuches (LINDNER)

- Schwaddrusch bei Raps, Rübensamen und Getreide ( Zweiphasenernte) - Anwendung eines auf Anregung der Forschungsstelle Gundorf vom VEB Petkus Wutha

hergestellten Zentralrohrsilo zur Lagerung und Nachtrocknung von Mähdruschgetreide mit Hilfe leistungsfähiger Außenluft - Axiallüfter sowie Vorheizaggregaten

- Frostschutzberegnung im Obstbau - handarbeitslose Rübenpflege u. a.

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Als Versuchsobjekt standen im ersten Gundorfer Offenstall vor allem folgende Fragestellungen zur Untersuchung und Lösung an:

- die Lose-Stallhaltung ohne Tiefstall, - die Offenstallhaltung, - die so genannte Selbstfütterung von Heu, das sich nicht bewährte, - die Schwemmentmistung und - das Melken im Melkstand (Karussellmelkstand)

Die Entwicklungsarbeiten zu dieser Versuchsanlage erfolgten in enger Zusammenarbeit mit anderen Instituten, insbesondere mit dem Institut für Landmaschinenlehre der Universität Leipzig. Der ent-scheidende Gedanke war das Durchführen von Fließarbeit auf einem engsten vorhandenen Raum. Im Gundorfer Offenstall wurde einstreuarm mit Häckseleinstreu und einer Schwemmentmistungsanlage gewirtschaftet. Heute würde man diesen als Außenklimastall bezeichnen. Der Karussellmelkstand mit 8 Melkbuchten ermöglichte die Fließarbeit und diente als Pilotanlage für den später gebauten Karus-sellmelkstand mit 40 Melkbuchten. Die Melkleistung in der Versuchsanlage betrug nach ROSEN-KRANZ, O. und FÖRKEL, H. (1957) bis 40 Kühe je Person und Stunde. Das war zur damaligen Zeit eine höchstbeachtliche Leistung. Die Versuchsanlage fand daher auch in der Praxis eine große Reso-nanz. In den Jahren von 1955 bis 1963 hatten das LVG und die Stallanlage etwa 44000 Besucher - in der Mehrzahl Praktiker - aus der Landwirtschaft. Die Flüssigentmistung im „alten” Gundorfer Offenstall erforderte den Einsatz von gehäckseltem Futter, insbesondere auch von gehäckseltem Trockengrüngut. Das führte in Gundorf zur Errichtung einer Schrägrosttrocknungsanlage für Grünfutter mit Kohlefeuerung als Energiequelle. Sehr frühzeitig wurde auch erkannt, dass mit dem Anfall von Gülle aus der Schwemmentmistungsanlage des Gundor-fer Offenstalles eine weitere Nutzung zur Energiegewinnung mit Biogas möglich sein müsste. Aus diesem Grunde wurde 1956/57 auf dem Hof des Gutes in der Nähe des Offenstalles eine Biogasanlage (ein Gärbehälter, ein Gasometer und eine Verdichterstation) gebaut. Das Biogas sollte als Traktoren-treibstoff dienen. Das Vorhaben scheiterte zur damaligen Zeit jedoch, weil die Gärbehälter die Dichtig-keitsbedingungen nicht erfüllen konnten. Man benötigte dazu einen Spezialzement, der zwar in der DDR hergestellt, aber nur in das „kapitalistische” Ausland, auch nach Westdeutschland, geliefert wurde. Trotz des damaligen Fehlschlages hat sich die Idee, Biogas aus Gülle zu gewinnen, die auch von Rosenkranz verfochten wurde, als sehr tragfähig erwiesen. Unter den heutigen technischen Voraussetzungen stellt diese Form der Gülleverwertung ein praktikables Verfahren zur Energie-gewinnung dar. Darüber wird am Beispiel einer Biogasanlage, die die Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. in den Jahren 2003/04 errichtete, informiert. Unter den heutigen technischen Möglichkeiten lassen sich auch Kombinationseffekte zwischen Biogasgewinnung und technischer Trocknung von Futter erzielen. So berichtet zum Beispiel RUDOLF, W. in der Bauernzeitung vom 02. 07. 2010, dass das sächsische Agrarunternehmen „Lommatzscher Pflege” Abwärme aus seiner Biogasanlage für die Trocknung von hochwertigem Raufutter nutzt. Nach den Angaben des Autors erhöhte sich durch den Einsatz des hochwertigen Luzerneheus die Milchleistung um ca. 500 kg je Kuh und Jahr. Ein weiteres zukunftsträchtiges Forschungsvorhaben im LVG Gundorf war die Huhn – Boden-Intensivhaltung mit automatischer Kettenfütterung. Der Versuch umfasste die Bodenhaltung von 800 Legehühnern auf Tiefstreu (Hobelspäne u. Torfmull). Unter den Sitzstangen befanden sich mit Maschendraht abgedeckte Kotbunker. Zur Durchführung des Versuches diente ein nicht mehr benö-tigter Kuhstall des LVG. Das Ziel des Versuches bestand vor allem in einer bedeutenden Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Eierproduktion. So lag zur damaligen Zeit zum Beispiel das Arbeitsmaß in den VEG nur bei 500 bis 700 Hühnern je Arbeitskraft. Nach WACHSMUTH, H. (1957) brachten die Ergebnisse der Intensivgeflügelhaltung eine hohe Legeleistung und erhebliche arbeitswirt-schaftliche Vorteile. Eine Arbeitskraft konnte nach diesem Verfahren 5000 bis 6000 Hühner betreuen. In heutigen modernen Stallanlagen mit Bodenhaltung liegt das Arbeitsmaß je AK um ein Mehrfaches

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höher. Obwohl zum Zeitpunkt der Versuchsanstellung Käfighaltung bekannt war, wurde mit der Wahl Bodenhaltung auch aus heutiger Sicht im Hinblick auf die neuen EU-Regelungen, die dieses Haltungsverfahren und Tierschutzanforderungen vorschreiben, Weitsicht bewiesen. Einen Schwerpunkt in der verfahrenstechnischen, organisatorischen und ökonomischen Forschung unter Leitung unseres Lehrers bildete die Entwicklung und Errichtung der seinerzeit europaweit mo-dernsten MPA(Milchproduktionsanlagen) mit 400 Kuhplätzen im LVG Gundorf in den Jahren von etwa 1960 bis 1966 (Entwicklungs- u, Bauzeit). Eine wichtige Voraussetzung für die Errichtung dieser Versuchsanlage stellten die wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen dar, die in dem Gundorfer Offenstall mit dem ersten Karussellmelkstand mit acht Melkbuchten gewonnen wurden. Die neuen bzw. weiterentwickelten Arbeits- und Haltungsverfahren in der MPA mit 400 Kuh-plätzen des LVG Gundorf lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- die Milchgewinnung mit einem Karussellmelkstand mit 40 Melkbuchten ( erstes Versuchsmuster)

- zwei Kaltlaufställe (je 180 TP) mit strohloser Haltung der Kühe und Vollspaltenboden der Laufflächen, davon ein Stall mit vom Fressplatz getrennten Liegeboxen und ein Stall mit kombinierten Fress-Liegeboxen

- die Ausstattung der Liegeboxen mit Gummimatten und neuartigen Boxentrennwänden sowie Nackenriegeln

- die Schwemmentmistungsanlage - hohe Fahrsilos zur Silagegewinnung - mobile Raufutterverabreichung mit dem Futterverteilungswagen F 931.

Die Verfahren ermöglichten eine verbesserte Arbeitsorganisation und bedeutende Arbeitserleichterun-gen. Die Erprobung der Versuchsanlage ergab, dass sich die angewanden Verfahren trotz einer Reihe von Problemen im Wesentlichen und vom Grundsatz her bewährt haben und bis in die heutige Zeit Anwendung finden. Die Mängel und Schwierigkeiten konnten zum Teil bereits in der Erprobungsphase sowie in der folgenden Zeit durch die weitere technische, bauliche und organisatorische Entwicklung größtenteils behoben werden. Die Erprobungsergebnisse zeigten, dass unter Beachtung der natürlichen und betrieblichen Bedingungen größere Tierproduktionsanlagen, in der Milchproduktion zum Beispiel mit 500 bis 2000 Kuhplätzen, arbeitswirtschaftlich und ökonomisch erhebliche Vorteile bieten können. Die Arbeiten unter Leitung von Prof. Rosenkranz in Gundorf dienten somit auch als eine entscheiden-de Grundlage zur Erarbeitung und Anwendung der Angebotsprojekte für die größeren Tierpro-duktionsanlagen, die in der DDR in der Zeit von 1970 bis etwa 1985 errichtet wurden. Damit ver-bundene Schwierigkeiten, die sich teilweise bei der Einordnung in die Unternehmen ergaben, resul-tierten größtenteils nicht aus verfahrenstechnischen Gründen sondern aus staatlichem „Dirigismus” in der DDR. Ein großer Teil dieser Anlagen ist bekanntlich nach Rationalisierung und Rekonstruktion auch heute weiterhin erfolgreich in Bewirtschaftung. Dabei ist natürlich zu beachten, dass die Ver-fahren bis zur heutigen Zeit bedeutend weiterentwickelt und verbessert wurden. Das betrifft sowohl ihre weitestgehende Automation als auch die wesentliche Verbesserung des Kuhkomforts mit Liege-boxen, Laufflächen, Spaltenboden, Trockensteher- u. Abkalbeabteile u. a. Zur Beurteilung der technologischen, arbeitswirtschaftlichen und ertragsmäßigen Entwicklung in der Landwirtschaft, die durch die weitsichtigen Arbeiten unter Leitung von Prof. Rosenkranz in Gundorf maßgeblich mit beeinflusst wurden, ist an einigen ausgewählten Ergebnissen am Beispiel der Milch-produktion zu erkennen - Übersicht 1. Die Zahlen zeigen, dass trotz des Versuchscharakters der MPA Gundorf und der damit verbundenen Probleme und Risiken bereits in der Erprobungsphase 1967-69 gegenüber den durchschnittlichen Erträgen und Leistungen in der damaligen DDR um ca. 50-80 % bessere Ergebnisse erzielt wurden. Mit im Wesentlichen gleichen aber deutlich verbesserten und weiterentwickelten Verfahren erzielen unsere Unternehmen etwa 40 Jahre später die aus der rechten Spalte der Tabelle ersichtlichen Werte.

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Die dargestellten Ergebnisse basieren auf Veröffentlichungen von SCHLEITZER, G., PACHE, S. u. a. Sie weisen nochmals eine bedeutende Produktivitätssteigerung auf, die um 100 und mehr Prozent beträgt. Der vor über 40 Jahren in Gundorf als Versuchsmuster entwickelte Karussellmelkstand stellt auch heute noch für größere Herden dank wesentlicher Verbesserungen ein sehr geeignetes Verfahren dar. Die Entwicklung des Melkroboters entspricht auch den Forderungen von Prof. Rosenkranz nach Arbeitserleichterung und Schaffung erträglicher, möglichst guter Arbeitsbedingungen und einer hohen Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft. Die automatischen Melksysteme (Melkroboter) führen zu weiteren Arbeitszeiteinsparungen, sind aber auch mit höheren Kosten verbunden. Auf Grund der arbeitswirtschaftlichen Vorteile, insbesondere die geringere Bindung an Melkzeiten, finden sie zurzeit vor allem bei kleineren Kuhbeständen (bis 200 Kühe u. mehr) Anwendung. Nach Informationen der Bauernzeitung (2010) 38 u. 45 präsentiert schwedische Unternehmen De Laval jetzt auch das erste automatische Melkkarussell der Welt (System AMRTM bzw. AMR). Die Entwicklung soll eine revolutionäre Lösung zum automatischen Melken der Kühe für unterschiedliche Betriebs- und Hal-tungsformen bringen. Im weitesten Sinne, so könnte man meinen, stellen die Gundorfer Entwicklun-gen auch dazu erste Schritte dar. Beachtlich ist weiterhin die Steigerung der Milchleistung in der heutigen Zeit auf über 10 000 kg Milch je Kuh und Jahr (4% Fettgehalt) in vielen Betrieben, die auch zum Ausdruck bringt, dass sich die Tiere unter den modernen, arbeitssparenden Haltungsbedingungen offensichtlich wohl fühlen und hohe Erträge erbringen können. Die Versuchsanlage mit 400 Kuhplätzen zog ebenso wie ihre Vorgän-gerin mit 90 Kuhplätzen in Gundorf viele Besucher an, wie z, B. den damaligen Landwirtschafts-minister der DDR, sowie Prof. Moris (USA), Prof. Kollessniew (UdSSR) u. a. 2. Die Kooperation Leipzig - West Bereits frühzeitig gelangte Prof. Rosenkranz zu der Überzeugung, dass auch in der Landwirtschaft der Übergang zu größeren Produktionseinheiten unverzichtbar sei, um die neuen technischen und technologischen Möglichkeiten zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität und zur Senkung der Kosten besser nutzen zu können Einen Weg dazu sah Prof. Rosenkranz in der kooperativen Zusammenarbeit der landwirtschaftlichen Unternehmen auf freiwilliger Grundlage und unter Wahrung der betrieblichen Eigenständigkeit und Eigenverantwortung. Folgerichtig wurde in den 60-er Jahren auf Anregung von Prof. Rosenkranz und auf der Grundlage von Forschungsarbeiten im Institut Gundorf 1963 schrittweise die Kooperationsgemeinschaft Gundorf-Dölzig gebildet. Sie war die erste Kooperationsgemeinschaft in der DDR dar. Ihr gehörten 5 Jahre nach der Gründung bereits 1967/68 insgesamt 25 landwirt-schaftliche Betriebe - einschließlich des LVG Gundorf - mit einer Fläche von insgesamt über 8400 ha LN nunmehr als Kooperationsgemeinschaft Leipzig-West an. Als oberstes Leitungsorgan fungierte ein Kooperationsrat, bestehend aus Vertretern der beteiligten Betriebe. Die Beziehungen zwischen den Unternehmen basierten ursprünglich auf klaren vertraglichen Regelungen und Verrechnungspreisen zwischen den Partnern. Die erbrachten Arbeitsleistungen für andere Betriebe entsprachen in etwa der heutigen Lohnarbeit. Im Rahmen der Gemeinschaft bestand damals noch eine große Zersplitterung in der Tierproduktion. Sie zeigte sich zum Beispiel darin, dass die Kühe in über 100 Ställen bzw. Rinderanlagen gehalten wurden. Unter Einbeziehung der Milchproduktionsanlage des LVG Gundorf mit 385 Kühen ergab sich eine mittlere Bestandskonzentration von etwa 30 Kühen je Stall. Ausgewählte Schwerpunkte der viel-fältigen Kooperationsbeziehungen zur Nutzung von organisatorischen, technologischen und ökono-mischen Vorteilen, die vor allem das LVG Gundorf betrafen, umfassten folgende Maßnahmen:

- effektiverer zwischenbetrieblicher Maschineneinsatz nach Übernahme von Traktoren und Maschinen der RTS Dölzig durch die beteiligten Genossenschaften.

- schrittweise Konzentration der Milchproduktion auf wenige Standorte, insbesondere im LVG Gundolf (hier auf über 1000 Kühe)

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- Konzentration der Eierproduktion mit über 9000 Legehennen im LVG Gundorf unter Nutzung des umgebauten bisherigen Milchviehoffenstalles für 90 Kühe.

- Ausgliederung der Färsenaufzucht und zum Teil von Futterproduktion in andere Betriebe der Kooperationsgemeinschaft. Weitere Schritte auf dem Wege vom LVG Gundorf zur Gundorfer Agrargemeinschaft zu DDR – Zeiten, die sehr stark von parteilichem und staatlichem Dirigismus und Gigantismus beeinflusst wurden, waren:

- 1969 die Bildung kooperativer Einrichtungen Technik - 1970 die Bildung der kooperativen Einrichtung für Pflanzenschutzarbeiten - 1971 für die Produktion, Aufbereitung und teilweise Lagerung von Obst und Gemüse

sowie Bildung von Maschinenkomplexen zum überbetrieblichen Einsatz. - 1971 die Bildung der ZBE( Zwischenbetrieblichen Einrichtung) Milchproduktion Leipzig-

West, deren Basis die 400er Milchviehanlage des LVG Gundorf war, außerdem waren noch Tierbestände von vier weiteren Betrieben der Gemeinschaft

- 1971 Bildung der ZGE Rindermast - 1973 Bildung der kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion - 1973 Bildung der spezialisierten kooperativen Abteilung Gemüseproduktion - Gründung der LPG Pflanzenproduktion Leipzig - West - Gründung der LPG Gemüseproduktion.

Mit der Bildung der umfangreichen kooperativen Einrichtungen einschließlich dem zeitweiligen ge-meinsamen Einsatz von Maschinenkomplexen im Rahmen der Kooperationsgemeinschaft wurden die Aufgaben, Funktionen und Verantwortlichkeiten der Betriebe (Trägerbetriebe) weitgehend ausgehebelt und eingeschränkt. Die Produktionsorganisation in der kooperativen Pflanzenproduktion erfolgte ur-sprünglich nach dem Territorialprinzip und danach verstärkt nach dem so genannten Produktprinzip (Maschinenkomplexe). Prof. Rosenkranz antwortete einmal nach den übergroßen Maschinenkom-plexen und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Betriebsorganisation befragt, sarkastisch: „Man kann vieles machen, man kann auch die Dorfgröße nach der Auslastung der Hebammen bestimmen.” Die weitere Konzentration der Milchproduktion in Gundorf wurde durch Maßgabe von Prof. Rosenkranz bereits bei der Planung der Versuchsanlage mit 400 Kuhplätzen bedacht. So konnten verschiedene bauliche und technische Einrichtungen schon so ausgelegt werden, zum Beispiel der Karussellmelkstand mit 40 Melkbuchten, dass sie sich bei Erweiterungsinvestitionen auch für einen Kuhbestand von über 1000 Kühen effektiver nutzen und sich somit Investitionen und Kosten je Kuhplatz senken lassen. Nach damaligen Kalkulationen betrugen dadurch zum Beispiel die Einspa-rungen beim Arbeitszeitbedarf ca. 20 % und bei den Investitionen je Kuhplatz etwa 35 %. Entspre-chend den zum Teil überzogenen Zielstellungen bzw. staatlichen Maßgaben zur Konzentration der Milchproduktion in der Kooperation und den baulichen und territorialen Voraussetzungen wurde die Milchviehanlage Gundorf auf 2000 Kuhplätze erweitert. Im ersten Schritt erfolgte 1976/77 die Vergrößerung der Anlage um zwei Stalleinheiten mit je 400 Kuhplätzen auf 1200 Kuhplätze. Der zweite Schritt 1986/87 umfasste den weiteren Anbau von zwei Stalleinheiten mit jeweils 400 Kuhplätzen. Die Milchleistung betrug 1990 bei einem Kuhbestand von 2000 Kühen im Durchschnitt 3832 kg je Kuh und Jahr (4% Fettgehalt). Diese aus heutiger Sicht völlig unbefriedigende Leistung resultierte vor allem aus folgenden Faktoren:

- Leukosebefall des gesamten Bestandes; - Ungenügende Futterversorgung, bedingt durch den Vorrang der pflanzlichen Marktproduktion,

besonders von Getreide sowie unterschiedliche Interessen der spezialisierten Betriebe Koopera- tion Leipzig-West.

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3. Die Um- und Neustrukturierung 1989 / 90 Der Beitritt der DDR erforderte 1989 / 1990 auch für die Agrarunternehmen und Landwirte in der Kooperation Leipzig West eine völlige Um- und Neuorientierung. Schwerpunkte bildeten:

- Um- und Neustrukturierung der Betriebe - Klärung und volle Wahrung der Eigentumsverhältnisse der Landwirte und Unternehmen - Absicherung der Vermögensansprüche der Landwirte - Ausrichtung des Produktionsprofils auf die Marktwirtschaft

Auch in dieser schwierigen und komplizierten Situation bildeten die Hinweise und Empfehlungen von Prof. Rosenkranz eine wertvolle Hilfe. So empfahl er zum Beispiel in seinem Vortrag am 11. 01. 1991 in Leipzig vor allem folgende Grundsätze zu beachten:

- Erhaltung effektiver (großbetrieblicher) landwirtschaftlicher Strukturen bei unterschiedlichen Betriebsformen. Er stellte fest: „Großbetriebliche Strukturen sind wohl der einzige Vorteil aus der Entwicklung der letzten 40 Jahre in der Landwirtschaft”.

- Wiederherstellung des privaten Eigentums der Landwirte und deren freie Verfügungsgewalt darüber, aber auch Sicherung der Existenzgrundlagen der Betroffenen, auch derjenigen, für die kein Platz mehr nach der Neustrukturierung vorhanden ist;

- Wahl der zweckmäßigsten Rechtsform und ein allen Anforderungen der modernen Markt- wirtschaft entsprechendes Management unter Beachtung der Vorteile eingetragener Genossen- schaften.

- Sicherung der Wirtschaftlichkeit eines jeden Bereiches des Unternehmens. Im Ergebnis der Umstrukturierung der Kooperation Leipzig-West nach 1990 bildeten sich neben ande-ren Unternehmen die Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. heraus. Einen Schwerpunkt im Rahmen der Umstrukturierung stellten, auch im Sinne von Prof. Rosenkranz, die Vermögensauseinandersetzung und die Wiederherstellung des privaten Eigentums der Landwirte dar. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, sowohl die Eigentumsverhältnisse der beteiligten Unternehmen an der ZBE Milchproduk-tion Leipzig-West als ersten Schritt zu klären, und weiterhin im zweiten Schritt eine möglichst gerech-te Personifizierung der Vermögensanteile der einzelnen Genossenschaftsmitglieder zu gewährleisten. Die Gundorfer Agrargemeinschaft hat als eingetragene Genossenschaft mit den Anspruchsberechtigten einvernehmliche Regelungen getroffen, die zu keinen ernsthaften Zerwürfnissen im Territorium oder gar zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt haben. Das stellte auch eine wichtige Grundlage für den zielstrebigen Aufbau und die Gestaltung des neuen Unternehmens „Gundorfer Agrargemeinschaft e. G.” dar, die im Ergebnis der Um- und Neustrukturierung der Unternehmen gebildet wurde. 4. Die Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. In dem neuen, auch in Gundorfer Tradition stehenden Unternehmen, fanden und finden die bereits dargelegten Empfehlungen und Lösungsansätze von Prof. Rosenkranz zur Nutzung betriebswirtschaft-licher Erkenntnisse weiterhin große Beachtung. Eine schwere “Hypothek”, die das neue Unternehmen zu tragen hatte, bildeten die Altschulden. Die Altschuldenbelastung der Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. betrug 7,5 Mill. DM, je ha LN ca. 4300,- DM. Die Altschulden resultierten vor allem aus Investitionen im Rahmen der damaligen Kooperationsgemeinschaft in Objekte, wie Obstanlagen, Be-regnungsanlagen und vor allem zur Kreditierung von Umlaufvermögen der ehemaligen LPG Pflanzen-produktion Leipzig-West. Diese Anlagen waren durch die strukturellen Veränderungen und technolo-gischen Neuerungen kaum noch zu nutzen und daher weitgehend wertlos. Dank der staatlichen Rege-lungen zur teilweisen Entschuldung und vor allem des unermüdlichen, Nerven zehrenden Einsatzes der Betriebsleitung ist es gelungen, die Altkredite des Unternehmens bei einer Ablösesumme von 250 t Euro (500TDM) zu entschulden. Wie wurde nun das neu gegründete Gundorfer Unternehmen organisiert und was wurde betriebs-wirtschaftlich erreicht? Die Faktorausstattung des Unternehmens zeigt: Das Unternehmen bewirtschaftet eine LN von knapp 1800 ha, darunter 1330 ha Ackerland mit einer durchschnittlichen Ackerzahl von 56. Von der landwirt-

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schaftlichen Nutzfläche befinden sich ca. 190 ha Acker- und Grünland im Eigentum der Agrar-genossenschaft. Der Tierbestand umfasst 750 Kühe, 900 GV Jung- und Mastrinder sowie 1400 Schafe (Muttern). Das ergibt den beachtlichen Tierbesatz von ca. 100 GV/100 ha LN. Mit diesem Kuhbestand produziert das heutige Unternehmen etwa 85 % der Milch, die 1989 die ZBE Milchproduktion mit ca. 2000 Kühen erzeugte. Eine erhebliche Produktivitäts-steigerung! Das Unternehmen ordnet sich von der Betriebsform her als Futterbaubetrieb ein. In dem Unternehmen wurden im Jahre 2009 49,5 Vollbeschäftigte eingesetzt. Das ergibt einen Arbeitskräftebesatz von 2,8 AK auf 100ha LN. Die Anzahl der Arbeitskräfte umfasst auch die Mitarbeiter, die nicht in den unmittelbar landwirtschaftlichen Bereichen, wie Erzeugung von Elektroenergie und Instandhaltung eingesetzt sind. Laut Sächsischem Agrarbericht (2009) beträgt der Arbeitskräfteeinsatz in vergleich-baren landwirtschaftlichen Unternehmen (Jur. Personen) des Freistaates Sachsen, die als Futterbau-betriebe organisiert sind, in demselben Jahr 3,07 AK/100ha LN. Das Gundorfer Unternehmen liegt mit seinem Arbeitskräfteeinsatz etwas unter dem vergleichbaren sächsischen Mittelwert. Der Vergleich zeigt, dass die Gundorfer Agrargemeinschaft damit ein wesentliches Anliegen der Forschungsarbeiten unter Leitung von Prof. Rosenkranz zur Durchsetzung einer effektiven Arbeitswirtschaft zielstrebig umsetzt. Das Gundorfer Unternehmen ist in die Bereiche - Pflanzenbau, - Milchviehhaltung, - Jung- und Mastrinderhaltung, - Schafhaltung, - Biogasanlage und - Photovoltaikanlage strukturiert. Alle Bereiche werden gesondert abgerechnet. Damit entspricht das Unternehmen auch einer Forderung von Prof. Rosenkranz nach konsequenter Anwendung der Kostenrechnung in landwirtschaftlichen Unternehmen. Mit Ausnahme der Milchviehhaltung wirtschafteten im Jahre 2009 alle Bereiche rentabel. Rechnet man die Ergebnisse der Biogasanlage, die im Wesentlichen von dem Dung der Rinder- und Schafhaltung gespeist wird, mit in die Wirtschaftlichkeit der Milchviehhaltung ein, ergibt sich auch für diesen Zweig ein positives Ergebnis. Trotzdem ist das Unternehmen mit dem Ergebnis in der Milchviehhaltung nicht zufrieden. Die Ursachen für die Probleme liegen vor allem in der noch zu niedrigen Milchleistung von 8500 kg/ Kuh im Jahre 2009 mit 4,1% Fett auf Grund veralteter Stallan-lagen, daraus resultierenden ungenügender Kuhkomfort und einem verbrauchten Melkstand. Die er-zielte Milchleistung liegt zwar geringfügig über der durchschnittlichen Milchleistung von 8440 kg desgleichen Jahres im Freistaat Sachsen, reicht aber für eine Wirtschaftlichkeit unter den gegebenen Bedingungen nicht aus. Aus diesem Grunde werden nach den bisherigen erheblichen Investitionen des Unternehmens in die Biogas- und die Photovoltaikanlage jetzt schwerpunktmäßig die Stallanlagen und der Melkstand für die Milchproduktion rationalisiert. Die Umbaumaßnahmen sollen im Jahre 2011 abgeschlossen werden und auch zu einer weiteren Steigerung der Milchleistung und der Arbeitspro-duktivität führen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Rentabilität in der Pflanzenproduktion der Gundorfer Agrar-gemeinschaft stellt die Ertragsentwicklung der Marktfrüchte dar (Übersicht 6). In dem zurück liegen-den Zeitraum von 10 bis 15 Jahren konnten die Erträge auf relativ hohem Niveau bei Winterweizen um ca, 11,0 dt (20, 6 %), Wintergerste um ca 3,5 dt ( 6,9 %) und Winterraps um ca. 13,0 dt (50,6 %) gesteigert werden. Das ist eine beachtliche Entwicklung! Nach ALBERT, E. u. a. (2009) ist trotz Klimawandels und erheblichen jährlichen Schwankungen auch in den nächsten 10 bis 50 Jahren in unserer Region mit weiteren durchschnittlichen Ertragssteigerungen, allerdings in wesentlich abge-schwächterer Form, zu rechnen.

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Nach 1990 suchten viele landwirtschaftliche Unternehmen im Osten nach Orientierung und Lösungs-ansätzen. In dieser Zeit empfahl Prof. Rosenkranz im Rahmen seines Vortrages am 11. 01. 1991 in Leipzig unter anderem den Unternehmen zur Sicherung eines ausreichenden Einkommens in den nächsten Jahren die aus Übersicht 7 (Spalte II) ersichtlichen Zielparameter zu erreichen. Diese Werte, die auch einen Produktivitätsmaßstab darstellen, lagen erheblich über den im Mittel in der DDR im Jahre 1989 erreichten Ergebnissen (Spalte I). Sie wurden damals von einigen Teilnehmern der Veranstaltung als etwas überzogen eingeschätzt. Vergleichen wir dazu die Ergebnisse der Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. 2009 (Spalte III), so zeigt sich, dass die Zielparameter von 1991 noch erheb-lich (50-100 %) überboten werden konnten. Eine 1990, also vor 20 Jahren, kaum für möglich gehaltene Entwicklung, die durch das Wirken von Prof. Rosenkranz mit beeinflusst wurde. Wie bereits erwähnt, erfolgte im LVG Gundorf bereits in den Jahren 1956/57 ein erster Versuch zur Gewinnung von Biogas, der jedoch an damaligen technischen und baulichen Unzulänglichkeiten scheiterte. Die Agrargemeinschaft Gundorf e. G. hat diesen Gedanken wieder aufgegriffen und im Jahre 2003 unter Nutzung der heutigen technologischen Möglichkeiten und staatlicher Förderung eine neue Biogasanlage auf dem Gelände ihrer Rinderanlage errichtet. Das Ziel bestand und besteht darin, die im Unternehmen anfallenden Abprodukte Gülle und Stalldung zur Energiegewinnung weiter zu verwerten und die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Die zusätzliche Nutzung von Acker- und Grünland zur Vergärung von pflanzlichen Produkten wird bewusst nicht in Betracht gezogen. Über ausgewählte Daten zur Wirtschaftlichkeit der Biogasanlage zeigt die Übersicht 8. Die Biogas-anlage (360 kWp Nennleistung) wurde 2003 mit Investitionen von 1,5 Mill. E (4166,- E je kWp Nennleistung) auf dem Gelände der Milchviehanlage Gundorf errichtet. Die projektierte Stromleis-tung beträgt 2,4 - 3,1 Mio. kWh je Jahr. Erreicht wurde im Jahre 2009 eine Leistung von 2,57 kWh Strömen. Die Energie wird größtenteils in den Stromkreislauf des Energieunternehmens EnviaM eingespeist und an den Netzbetreiber verkauft. Die Biogasanlage gehört zu den wenigen deutschen Klimaschutzprojekten, so genannte Jiont Imple-mentation (II) für Industriestaaten gemäß Kyotoprotokoll. Jede Tonne CO2 Äquivalent, berechnet aus der Menge des Treibhausgases Methan, das nach Inbetriebnahme der Biogasanlage Gundorf nun nicht in die Atmosphäre gelangt, bringt dem Landwirtschaftsbetrieb zur Zeit etwa einen Euro. Die Vergütung für den Strom setzt sich aus der Grundvergütung, dem Nawaro-Bonus und einem Güllebonus zusammen. Sie führte im Jahre 2009 in Gundorf zu Erlösen von insgesamt 534,4 TE bzw. je kWh von ca. 0,208 E. Bei jährlichen Gesamtkosten von 274,9 TE konnte im Jahre 2009 einen Ertrag von 259, 5 TE erzielen. Die Halbjahresabrechnung vom Jahr 2010 weist anteilmäßig noch einen um 40 % höheren Ertrag aus. Der frühzeitigen Intention von Prof. Rosenkranz neue Möglichkeiten zur Energiegewinnung in der Landwirtschaft zu nutzen, wird in der Agrargemeinschaft Gundorf e. G. auch durch die Errichtung einer Photovoltaikanlage entsprochen. Dazu nutzt die Agrargemeinschaft die Dächer geeigneter Wirt-schaftsgebäude in der Milchviehanlage. Die Fertigstellung der Photovoltaikanlage (426 kWp Nenn-leistung) erfolgte Ende des Jahres 2008. Das Unternehmen investierte dafür 1,6 Mil. E (3755,- E/kWp Nennleistung). Nach Informationen aus der Literatur liegen die Investitionen für Photovoltaikanlagen zurzeit bereits wesentlich niedriger (22). In diesem Zusammenhang sanken und sinken aber auch die Erlöse (Reduzierung von Subventionen) dementsprechend. Das Gundorfer Unternehmen verfügt noch über Verträge (20 Jahre), wonach mit einem höheren Preis von 0,39 E je kWh zu rechnen ist. In Abhängigkeit von der Neigung und Ausrichtung der Dächer in der Milchviehanlage wurden ca. 1020-1070 kWh Strom je kWp Nennleistung produziert. Dieser Ertrag entspricht bzw. liegt sogar etwas über diesbezüglichen Ergebnissen, die aus der Literatur bekannt sind. So erreichte nach HELM, G. (2010) zum Beispiel die Märkische Landmann/Helm GbR im gleichen Jahr einen Stromertrag von 950 bis 1050 kWh/kWp Nennleistung. Nach LIPPERT, K. (2010) ist mit Photovoltaikanlagen ein

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Stromertrag von 850 kWh / kWp und Jahr erzielbar. Mit der Anlage wurden bereits im ersten Jahr der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage, ein Betriebsergebnis von 16, 5 TE. Erwirtschaftet. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten zu über 45 % Kreditzinsen beinhalten, die jährlich mit der Rückzahlung der Kredite sinken. Vor allem dieser Faktor wird noch zu einer erheblichen Verbesserung des Ergebnisses der Photovoltaikanlage führen. Die Gundorfer Agrargemeinschaft erzielte in den vergangenen Jahren auch insgesamt immer ein positives Betriebsergebnis. Entsprechend dem Statut der Genossenschaft ist eine Verzinsung der Geschäftsanteile der Genossenschaftsmitglieder von mindestens 3 % vorgesehen. Die Höhe der Ge-schäftsanteile der Genossenschaftsmitglieder schwankt etwa zwischen 5000 und 70.000 €. In den zurückliegenden Jahren konnte die Genossenschaft eine Verzinsung von 5–7 % absichern. Damit entspricht die Genossenschaft auch einer wesentlichen Forderung von Prof. Rosenkranz, nämlich die Sicherung des Eigentums der Landwirte. Abschließend verweisen wir auf einen interessanten Artikel in der Bauernzeitung (31. Woche 2010) zum Thema “ Erfolg im Osten”. Danach zählt laut Bundesregierung die Entwicklung der hiesigen Landwirtschaft zu den Erfolgsgeschichten des Einigungsprozesses. Begründet wird diese Einschät-zung mit einer seit der Wiedervereinigung ständig gestiegenen Produktivität sowie einer deutlich gestiegenen Zunahme der Naturalleistungen. Auch auf Zukunftsfeldern wie Bioenergetik hätten die Ostdeutschen mittlerweile die Nase vorn. Die Gundorfer Agrargemeinschaft ordnet sich voll in diesen Entwicklungsprozess ein. Die Arbeiten von Otto Rosenkranz haben daran einen maßgeblichen Anteil. Sie heute in diesem wissenschaftlichen Kolloquium zu würdigen, ist uns nicht nur eine Verpflichtung, sondern eine dankbare Anerkennung seiner Lebensleistung für unser eigenes Leben. Übersicht 1 Ausgewählte Kennzahlen zur MPA mit 400 Kuhplätzen des LVG Gundorf sowie Vergleichswerte (1) Kennzahl

ME

Vergleichswert DDR 1967

MPA Gundorf 1967/69

Vergleichswert Ostdeutschland 2005/10

Milchertrag t / Kuh / a 3,2 (2) 4,5 (2) 8,3 – 10 (3)

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Jahresarbeitsmaß Kühe / AK 18-20 35 50 – 70

Melkleistung -Rohrmelkanlage - Karussellmelk- stand mit 40 MB - Melkroboter

Kühe / Akh Prozent

19-23 -

30 – 40 -

80 – über 100 26 (4)

----------------------- 1) s. Literaturverzeichnis 2) bei 3,5 % Fettgehalt 3) bei 4,5 % Fettgehalt 4) höhere Melkleistung je Akh gegenüber Melkständen

Übersicht 2 Entwicklung ausgewählter pflanzlicher Erträge in der Gundorfer Agrargemeinschaft (dt/ha) Fruchtart

Vergleichswert 1995

Mittel 2005 – 2009 (1)

Max. 2005 – 2009 (2)

Winterweizen 59,3 71,2 88,2

Wintergerste 65,9 69,5 (1) 78,8

Winterraps 25,5 38,4 (2) 45,8

Silomais ---- 465,8 495,0

---------------- (1) ohne 2006, (2) ohne 2007 (Hagelschäden) Übersicht 3 Entwicklung ausgewählter landwirtschaftlicher Produktivitätskennzahlen im Vergleich zur Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. I Mittelwerte DDR 1989 II Zielparameter von Prof. Rosenkranz 1991 angegeben III Ist - Werte Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. 2009 Kennz. ME I II III Bruttoeinkommen je AK u. Jahr

TDM / TE

----

30 - 40

38,7

Getreideproduktion t 230 - 280 700 - 800 1400

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je AK u. Jahr Milchproduktion je AK u. Jahr

t 140 - 180 250 - 300 650

Jahresarbeitsmaß

Kühe / AK 35 - 45 50 - 60 75

Milchleistung je Kuh u. Jahr

t 4,1 (1) 5 - 6 8,4 (2)

------------------- (1) bei 4,0% Fett, (2) bei 4,1% Fett Übersicht 4 Ausgewählte Daten zur Wirtschaftlichkeit der Biogasanlage der Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. im Jahre 2009 Kennzahl ME Parameter

Baujahr Jahr 2003

Nennleistung kWp 360

Investitionen TE 1500

Investitionen je kWp Nl.

E 4166

Leistung - projektiert - ist 2009

Mill. kWh 2,4 - 3,1 2,57

Erlöse TE 534,4

Kosten insgesamt TE 274,9

Ertrag

TE

259,5

Literaturnachweis 1. ABSCHKE, S., BRÜCKNER, H. : Ergebnisse des Arbeitsstudiums in der Rinderhaltung sowie Vorschläge für die schrittweise Rationalisierung und Konzentration der Milchproduktion, dargestellt am Beispiel der Kooperationsgemeinschaft Leipzig - West. Diss. Leipzig 1970 2. ALBERT, E.: Klimawandel und Landwirtschaft. Broschüre (2009) 148 S. Herausgeber: Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden 3. AGE : Erfolg im Osten. Bauernzeitung 51 (2010) S. 13 4. BRAND, R., HAMANN, M.,, RANTZSCH, E.: Analyse der Kooperation Leipzig - West. Internes Arbeitsmaterial (1971) 5. BRENDLER, D. , GIERSBERG, R.: Kooperation und Spezialisierung der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe im Bereich Gundorf-Dölzig unter Berücksichtigung eines unterschiedlichen Entwicklungsstandes der Betriebe und der Herausbildung von Formen

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industriemäßiger Produktion. Diss. Leipzig 1967 6. DASSLER, L.: Vom Karussell zum Automaten. Bauernzeitung 49 (2008) 42, S. 38 - 40 7. FLEEGE, F.: Je Std. 194 Kühe. Bauernzeitung 49 (2008) 42, S. 36-37 8. FLEEGE, F.: Flexibles Arbeiten nun möglich. Bauernzeitung 50 (2009) 42, S. 38 9. FLEEGE, F.: Acht Roboter in einer Anlage. Bauernzeitung 50 (2009) 42, S. 37 10. FLEEGE, F.: Komfort fürs Vieh und leichtere Arbeit. Bauernzeitung 51 (2010) 9, S. 38-39 11. FLEEGE, F.: Hoher Durchsatz, gesunde Euter. Bauernzeitung 51 (2010), 28, S. 38-39 12. FLEEGE, F.: Kuhställe mit kurzen Wegen. Bauerzeitung 51 (2010) 30, S. 36 - 37 13. FLEEGE, F.: Vieles in Vieh und Technik investiert. Bauernzeitung 51 (2010) 27 S. 41 14. FLEEGE, F.: Einst rote Laterne, nun spitze. Bauernzeitung 51 (2010) 45, S. 28 - 30 15. FÜBBEKER, A., KOWALSKY, H.-H.: Was planen die Landwirte? Bauernzeitung 47 (2006) 43, S. 42- 43 16. GLOGER, C.: Ratgeber Sonnenenergie 2010. Bauernzeitung (2010) 17. GNAUK, S.: Artgerechter und aufwendig. Bauernzeitung 51 (2010) 25, S. 40 - 41 18. HAMANN,M.: Analyse der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung der Kooperation Leipzig West.Tnternes Arbeitsmaterial (1972) 19. HELM, G., GLOGER, C.: Auf sieben Dächern. Bauernzeitung 51 (2010) 44, S. 48 - 49 20. KANSWOHL, N., SCHLEGEL, M.: Von Roboter bis Karussell. 51 Bauernzeitungen (2010), S. 31- 33 21. KEYMER. U., PAHL, H.: Der Preis des Betonkuhfutters. Bauernzeitung 51 (2010) 51. S.34-35 22. LIPPERT, K. Wer jetzt investiert, kann nur gewinnen. Bauernzeitung, Sonderheft “Ratgeber Sonnenenergie” (2010), S. 10-11 23. MÄTZOLD, G., SCHUMANN, S.: Persönliches Material zur Entwicklung des LVG Gundorf. (1960) 24. O. V. ( Niederländische Univ. Wageningen u. Utrecht): Weniger Arbeitsaufwand, höhere Kosten? - Melkroboter -. Internetauszug 2010, Quelle: Veefelt, Aug. / Sept. 2006 25. O. V.: Bauernzeitung 51 (2010) 38, S. 39 26. O. V.: Automatic Milking Rotary System AMR. Bauernzeitung Messe - Spezial 51 (2010), S. 6 27. PACHE, ST.: Beraten, planen, kalkulieren. Bauernzeitung 50 (2009) 42, S. 33 28. PACHE, S.: Investitionen gut überlegen. Bauernzeitung 51 (2010) 44, S. 53 - 54 29. POLENZ, L.: In Gundorf wird aus Gülle Gold. Leipziger Volkszeitung vom 27. 04. 04, S. 18 30. ROSENKRANZ, O., FÖRKEL, H.: das Gundorfer Melkarrussell. Die Deutsche Landwirtschaft (1957) 6 31. ROSENKRANZ, O.: Forschungsstelle für Landarbeit Gundorf. Betriebsbeschreibung 1957, Broschüre (1957) 32. ROSENKRANZ, O.: Sozialistische Betriebswirtschaft - Fernseh-LPG, Teil 9. DBZ, 1964 33. ROSENKRANZ, O.: Geschichte und Aufgaben landwirtschaftlicher Betriebswirtschaftswissen- schaft in der DDR, in: Sitzungsberichte der AdW der DDR, Akademie - Verlag Berlin, 1987 34. ROSENKRANZ, O. Unsere Landwirtschaft hat eine Zukunft. Vortrag in Leipzig, 1991 35. RUDOLPH, W.: Geld für dicke Luft. Bauernzeitung (2007) 26 , S. 31 - 32 36. Sächsischer Agrarbericht 2009 in Zahlen. Erschienen: 2010, 90 S. 37. SCHLEITZER, G.: Verfahren zur Produktion von Milch. Arbeiten aus dem Institut für landw. Betriebs- u. Arbeitsökonomik Gundorf und dem Institut für Betriebs- u. Arbeitsorganisation in der Landwirtschaft der Karl - Marx - Universität Leipzig 1967. 222 S. (Schriftenreihe H. 18) 38. SCHLEITZER, G. , POLSTER, A. , HASERT, G.: Bericht über die Werkserprobung des Karussellmelkstandes M 691 - 40 - Arbeitsökonomisch - technologischer Teil. DAL, Institut für landwirtschaftliche Betriebs- u. Arbeitsökonomik Gundorf 1969, 20 S. 39. SCHLEITZER, G.: Damit Herden wachsen können. Bauernzeitung 47 (2006) 43, S.35-37 40. SCHLEITZER, G.: Für den Markt erzeugen. Bauernzeitung 50(2009) 35, S. 39 41. SCHUMANN, S.: Zwanzig Jahre wissenschaftliche Arbeit im Institut Gundorf. Institut für Landwirtschaftliche Betriebs - und Arbeitsökonomik Gundorf. 1969, 49 S. (unveröffentlicht)

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42. SCHUMANN, S., SCHMIDT, H.: Gundorf. Broschüre Förderverein Ortsgeschichte Böhlitz- Ehrenberg e. V- (2004) 43. SCHUMANN, S.: Persönliche Informationen (2010) 44. SGN: Standortprobleme. Bauernzeitung 51 (2010) 25, S.7 45. Statistisches Jahrbuch 1968 der DDR 13 Berlin, Staatsverlag der DDR 1968 S. 302 46. TILLACK, P.: Laudatio für Prof. (em.) Dr. so. O. Rosenkranz. Festkolloquium anlässlich seines 75. Geburtstages. 1986 47. TILLACK, P.: Helfer der Bauern beim Übergang zu neuen Strukturen. Neue Landwirtschaft (1996) 2 48. WACHSMUT, H.: Über eine Möglichkeit zur Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Geflügelhaltung, in: Die Deutsche Landwirtschaft (1957) 3 Zu den Autoren: Hardtmut Brückner nahm nach seinem Landwirtschaftsstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig eine wissenschaftliche Aspirantur auf, die er 1970 mit der Promotion zu Vorschlägen für die schritt-weise Rationalisierung der Konzentration der Milchproduktion in der Kooperationsgemeinschaft Leipzig-West abschloss. Als Wissenschaftlicher Abteilungsleiter, danach als Bereichsleiter war er für arbeits- und betriebswirtschaftliche Lösungsvorschläge in LPG und VEG-Tierproduktion bis 1991 zuständig. In dieser Eigenschaft wurde er von der AdL zum Professor berufen. Von 1992 bis zum Eintritt in den Altersruhestand wirkte er als Referatsleiter im Bereich 3 der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Hartmut Kubon: 1972-77 tätig in LPG "Saatbau" Krögis 1976 Abschluss Fachschule in Bautzen 1979 Diplomabschluss in Meißen 1979-84 Tätigkeit am Institut in Böhlitz-Ehrenberg 1984 Promotion A 1984-90 Tätigkeit in Kooperation Leipzig/West 1989 Promotion B seit 1990 Vorstandsvorsitzender der Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. Anschrift: Prof. Dr. sc. H. Brückner Rudolf – Breitscheid - Str. 3 D - 04435 Schkeuditz Dr. sc. H. Kubon, Gundorfer Agrargesellschaft e. G. D - 04178 Leipzig, OT Böhlitz-Ehrenberg E-Mail: [email protected]

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Dietmar Brendler, Brigitte Winkler

Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Kooperation und Arbeitsteilung 1 Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Entwicklung kooperativer Beziehungen zwischen Landwirtschaftsbetrieben unterschiedlicher Eigentumsformen in der DDR Ausgangssituation Bei meinem Bewerbungsgespräch mit Professor Rosenkranz hatte ich erwähnt, dass ich mich auch für das damals mögliche Zusatzstudium für Agrarökonomik in Moskau interessiere. Er antwortete darauf, wenn sie ihr russisch vertiefen wollen, können sie nach Moskau. Wenn sie als Berliner Absolvent Betriebswirtschaft vertiefen und gestalten wollen, dann können sie das in Gundorf. Er sagte das mit einem Vertrauen erweckenden Lächeln. Schicken sie ihre Bewerbung nach Berlin. Damit war ich eingestellt. 1961, elf Jahre nach Gründung der Gundorfer Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt (vorm. Pommritz), hatte deren Leiter, Professor Otto Rosenkranz, eine Anzahl von Forschungs- und Gradu-ierungsthemen vergeben. Gemeinsam mit dem Oberassistenten Reinhard Giersberg hatte ich bereits zu Beginn meiner Aspirantur zu klären, wie die erst kurze Zeit zusammenarbeitenden Genossenschafts-bauern von den benachbarten neun Dörfern und die Mitarbeiter des Lehr- und Versuchsgutes (LVG) eine gemeinsame Arbeit entwickeln und schrittweise zu industriemäßigen Produktionsmethoden übergehen könnten. Diese Zielstellung von 1963 wurde nach vier Jahren erreicht. Das Ergebnis der Verteidigung des Forschungsthemas an der Deutschen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin(DAL) wurde eindeutig als Gemeinschaftsarbeit mit den Bauern erfüllt. Anschließend reichten wir diesen Forschungsbericht als Gemeinschaftsdissertation an der landwirtschaftlichen Fakultät der Leipziger Universität ein. Auch da wurde von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses das Ergebnis erneut zur Anwendung empfohlen. Als zeitweilig in die LPG Dölzig delegiertes Lei-tungsmitglied hatte ich gleichzeitig für die Realisierung der Forschungsergebnisse zu sorgen. Die Erfüllung beider Aufgaben trug dazu bei, dass Erkenntnisse bei der Arbeit der Kooperationsgemein-schaft (KOG) Gundorf-Dölzig, ihre Arbeitsordnung und Kooperationsvereinbarung als erste beispiel-gebend für die Festigung der genossenschaftlichen Produktion in der DDR wurden. Die Ausgangsituation war äußerst kompliziert. Die elf Betriebe waren insbesondere hinsichtlich ihrer Eigentumsverhältnisse sehr unterschiedlich strukturiert. In der KOG arbeiteten nach unseren Vorschlägen 454 Genossenschaftsmitglieder von elf LPG und 58 Beschäftigte des LVG auf insge-samt 2345 ha LN verschiedenartig zusammen. In drei Dörfern bestanden mehrere LPG unterschied-lichen Typs. 95 Landwirte bewirtschafteten nach dem Abschluss der Vergenossenschaftlichung in sieben LPG Typ I lediglich ihr Ackerland gemeinsam. In der Gemeinde Dölzig hatten in den ersten Jahren nach der LPG-Gründung 23 bisher selbständig wirtschaftende Bauern sogar in sechs LPG Typ I zusammen gearbeitet. Demzufolge waren dort anfangs nur jeweils vier Bauern in jeder Genossen-schaft. Nach zwei Jahren erkannten die meisten der 39 Bauern in den sechs LPG Typ I des Dorfes, das erst ihr Zusammenschluss im Dorf den vorausgesagten Effekt bringen kann. Sie vereinigten sich 1961 zur LPG Typ I „12. Jahrestag“. Die durch die Bodenreform entstandenen Neubauernwirtschaften hatten - ökonomisch bedingt - bereits sieben Jahre vor den klein- und mittelbäuerlichen Landwirt-schaftsbetrieben eine LPG Typ III, gebildet. Diese LPG wirtschaftete trotz staatlicher Förderung nicht rentabel, ganz im Gegensatz zu den wohlsituierten Altbauern. So zeigte sich der Nachlass der von den führenden Politikern des Landkreises mit Parteiauftrag auf die Bauerndörfer abkommandierten Werberkolonnen.

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Agrarstrukturelle Entwicklung Wir hatten die Aufgabe, mit den zur Kollektivarbeit gezwungenen, unterschiedlich interessierten Gruppen von Bauern funktionsfähige Betriebe und schließlich wettbewerbsfähige Großbetriebe zu ent-wickeln. In den LPG Typ I wurden anfangs alle Arbeiten für die Grünlandnutzung, die Handarbeiten zur Pflege und Ernte der Zucker- und Futterrüben von den Mitgliedern noch eigenständig ausgeführt. Das gemeinschaftlich produzierte Ackerfutter wurde als Zwischenprodukt in die Wertschöpfungskette der landwirtschaftlichen Primärproduktion eingegliedert. Danach wurden die in der Bauernwirtschaft gemästeten Schlachttiere, die Milch, die Schafwolle und die Eier von staatlichen Aufkäufern erfasst. Diese Wertschöpfungskette bestand bis 1990. Viele Genossenschaftsbauern taten das bis zuletzt in den LPG Typ III auch mit dem Futter vom individuellen Land für ihre individuelle Viehhaltung. Heute würde man dazu Neben- oder Zuerwerbslandwirtschaft sagen. Dazu kamen anfangs noch Bodenanteile als eine Art Pacht. Die junge LPG bot ihren Mitgliedern nicht nur drei Einkommensmöglichkeiten, sondern auch soziale Vorteile wie sie für Arbeiter bereits seit langem üblich waren. Das waren die Sozial- und Rentenversicherung, bezahlten Urlaub, für die Frauen monatlich einen von der Arbeit freigestellten, bezahlten Haushaltstag. Davon können jetzt selbständige Landwirte mit Viehhaltung nur träumen. Die meisten Mitglieder in LPG Typ I konnten durch eine gute Ausschöpfung des Ertragspotentials ihres Viehbestandes auf dem Hof relativ hohe Erlöse als Haupteinkommen erzielen. Sie hatten durch die Nutzung des auf ein Minimum begrenzten Maschinenbesatzes auch niedrige Kosten. Außerdem konnte sie durch geringe Ausgaben für die Maschinenbeschaffung ihre individuelle Kapitalansparung wesentlich erhöhen. Ein hoher Kapitalbedarf wurde aber auch für die Zahlung des Inventarausgleich-betrages bei einer Vereinigung benötigt. Nach heutigen Begriffen war diese eine Verschmelzung der LPG Typ I mit der LPG Typ III. Der Ausgleichsbetrag wurde dann erforderlich, wenn die LPG Typ III im Verlaufe der Jahre ihren unteilbaren Fonds, das heißt das Geschäftsvermögen, durch planmäßige Akkumulation gegenüber der LPG Typ I wesentlich erhöht hatte. Bei der Vereinigung erforderliche neue Stallanlagen für die Milchkühe, mussten die nunmehrigen Mitglieder der LPG Typ III die Investitionen für neue Stallplätze und für die Beschaffung der tragenden Färsen mit Beträgen aus ihrem Privatkonto bezahlen. Diese Umstrukturierung der Viehhaltung erfolgte in der Mehrzahl der Fälle komplikationslos. Sie hatten doch mehrere Jahre nur geringe Ausgaben für Veränderungen ihres Wirtschaftshofes und für die erweiterte Reproduktion in der genossenschaftlichen Feldwirtschaft. Das traf gleichermaßen für die Haltung anderer Nutzvieharten in neuen, modernen Stallanlagen zu, erhöhte aber auch ihren Anteil am Geschäftsvermögen. Der Beitritt zur LPG Typ III wurde durch finanziellen Zwang notwendig, wenn die Bauern der LPG Typ I die Tierhaltung auf dem eigenen Gehöft beende-ten, aber vor allem, wenn der Übergang der LPGn zur zwischengenossenschaftlichen Feldwirtschaft in den so genannten Kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP) erfolgte. Das führte zu neuen Problemen, denn mit den großen Maschinen konnte Grünfutter, Heu und Silage nicht zu den Ställen in die engen bäuerlichen Höfe gefahren werden. So folgte mit der gemeinsamen Feldwirtschaft mehrerer LPG die zweite Welle der Vergenossenschaftlichung. In der Regel kam dazu noch die gemeinsame Tierproduktion durch Beteiligung an kooperativen Stallanlagen. In drei Dörfern der KOG waren bereits 1953 LPG Typ III entstanden. Das ergab sich, weil für die Großbauern die äußerst hohen Ablieferverpflichtungen nicht erfüllbar waren. Ausbleibende Erlöse ermöglichten ihnen nicht mehr ihren Hof selbständig zu bewirtschaften. Einige Bauern hatten auf den Erhalt ihres Bauernhofes verzichtet, einer auch die DDR verlassen. Im Dorf Priesteblich bestand neben der LPG Typ I auch eine LPG TYP III. Letztere musste die Produktion auf einem devastierten Hof, so nannte man Betriebe ohne Bewirtschafter, mit betreiben. Außerdem war in dieser LPG ein Landwirt eines großbäuerlichen Betriebes mit 80 ha LN Mitglied geworden. Der Hofeigentümer war als Einzel-bauer nicht mehr in der Lage seinen sehr hohen Ablieferungsverpflichtungen nachzukommen. Er beabsichtigte jedoch seinen Hof nicht aufzugeben. Er konnte aber auch nicht den vorgeschriebenen hohen Inventarbeitrag und die notwendigen Arbeitskräfte für seine gesamte Nutzfläche in die LPG einbringen. In diesem Falle, und das war in der Regel republikweit üblich, erfolgte eine Abstockung. Dem so genannten „Großbauer“ wurde nur die Fläche über 50 ha angerechnet. Er bekam aber auch nur

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für diese auf 30 ha abgestockte Fläche Boden-anteile, vergleichbar mit der Pacht, blieb damit, wie alle Genossenschaftsbauern Eigentümer vom Hof und seinen Feldern. Dieser Zustand war für die Agrar-struktur der Dörfer in der gesamten Republik verallgemeinerungswürdig. Im Kooperationsbereich gab es demzufolge eine problembehaftete Vielfalt in der Betriebsverfassung. Die Realisierung unserer Lösungsvorschläge erforderte nicht nur verständliche Vorlagen, sondern auch überzeugende Gespräche mit den von Änderungen betroffenen Bauern. Zielstellung Anlass zur Bildung der KOG Gundorf-Dölzig war der Verkauf der Traktoren und Maschinen der Brigade 5 in der volkseigenen MTS Dölzig an die LPG im Frühjahr 1963. Entsprechend unserem Vorschlag hatten die LPG die Maschinen untereinander abgestimmt übernommen. Die KOG waren anfangs in ihrer Funktion vergleichbar mit bundesdeutschen Maschinenringen. Die zusammen-arbeitenden LPG lösten durch den Maschinenkauf die Dienstleistungen des staatlichen Lohn-unternehmens VEB „Maschinen-Traktoren-Stationen“ (MTS) ab. Das erfolgte jedoch nur kurzzeitig bis zur eigenständigen Maschinenausstattung in den stetig größer werdenden LPG und ihren koopera-tiven Einrichtungen. Eine hohe Auslastung der Maschinenkapazitäten war insbesondere durch den damals sehr geringen Maschinenbestand erforderlich, verringerte aber auch gleichzeitig die Einsatz-kosten. Die Arbeitsdisposition für die Feldarbeiten erledigten die Einsatzleiter der im Ackerbau zusammen-arbeitenden Betriebe in wöchentlichen Zusammenkünften und täglichen Absprachen. Die Aufgaben-stellung ging jedoch wesentlich weiter. Die Betriebsleiter berieten wöchentlich im Kooperationsrat alle aktuellen Probleme. Dabei ging es nicht nur um die Abstimmung der Feldarbeiten, sondern um alle Fragen der weiteren Entwicklung. Die von uns vorgeschlagene gemeinsam beschlossene Arbeitsord-nung hatte schließlich zum Ziel, Voraussetzungen für die Produktion und deren Intensivierung auf großen Schlägen und in modernen Ställen, für eine hohe Arbeitsproduktivität und Rentabilität und damit einen hohen Lebensstandard der in der Landwirtschaft tätigen Menschen zu schaffen. Letzteres war auch das Ziel des zu dieser Zeit beschlossenen Landwirtschaftsgesetzes in der Bundesrepublik, verfehlte aber seine Wirkung durch die politische Administration zur Förderung des Familienbetriebes als Nachweis für die Erhaltung des Eigentumsrechtes und als politisches Gegenstück zum zwangs-kollektivierten Bauern in der DDR. Ziel meiner Forschungsarbeiten waren also Vorschläge für die Herausbildung von Formen industrie-mäßiger Produktion im Zusammenhang mit der Spezialisierung und Kooperation der Landwirtschafts-betriebe in den Gemeinden Dölzig und Priesteblich (1). Nach dreijähriger Tätigkeit in der LPG und im Kooperationsrat sowie zweijähriger Arbeit im Institut entstanden Lösungsvorschläge, die den schritt-weisen Weg zu einer bisher nicht existenten Betriebsverfassung aufzeigten (2). Das war in so fern bedeutsam, weil im Kooperationsbereich alle in der DDR vorkommenden landwirtschaftlichen Organi-sationsformen vorhanden waren,

- ein Einzelbauer wirtschaftete sogar bis 1990 allein weiter, er mästete Bullen, - devastierte Betriebe, also ohne Bewirtschafter, - abgestockte Großbauern, - LPG Typ I, - LPG Typ I mit genossenschaftlicher Tierhaltung für in Bauernhöfen aufgegebene, - LPG Typ III, - das Lehr- und Versuchsgut war volkseigen wie die VEG, - schließlich wurden auch Zwischenbetriebliche Einrichtungen (ZBE) vorbereitet.

In Dölzig und Priesteblich wurden aus zwischenbetrieblichen Formen der Zusammenarbeit innerbe-triebliche. Das Planungsprojekt für die zukünftige Organisation der LPG Typ III ergab eine Betriebs-fläche von etwa 1000 Hektar. Das war für Verhältnisse Mitte der 60-er Jahre sehr groß und stellte insbesondere für die Überzeugung der Mitglieder der LPG Typ I mit geringen Erfahrungen in der genossenschaftlichen Arbeit, hohe Anforderungen an die Leitungskräfte aller Betriebe. Die aus vier LPG, dar. zwei Typ I mit bisherig sehr guten Wirtschaftserfolgen, neu entstandene LPG, bildeten

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schließlich das praktische Beispiel für eine „Fernseh-LPG“ in der Kooperationsakademie im Bildungs-fernsehen der DDR. Die Fernseh-LPG war ein abgewandelter Modellbetrieb, an dessen Beispiel Professor Rosenkranz mit Praktikern in einem Hörsaal das eigenverantwortlich wirtschaftliche Denken im Großbetrieb nahe brachte. Die Weiterbildung vollzog Dr. WERNER mit seinen Mitarbeitern in verständlicher Form in Fachzeitungen. Die Ergebnisse bei der zwischenbetrieblichen Kooperation zeigte das Babelsberger Studio für populärwissenschaftliche Filme im Lehrfilm „Wir haben es so gemacht“. Gleichermaßen erfolgte das auf der Landwirtschaftsausstellung der DDR in Markkleeberg und in Fachzeitschriften und -zeitungen. Ein so schnell praxiswirksames Forschungsergebnis war nur möglich, weil der Institutsleiter lange vorher einige Mitarbeiter mit Forschungsthemen beauftragt hatte, deren Ergebnisse auch ich für meine Arbeit methodisch nutzen konnte. Unter seiner Leitung gehörten wir damit vor 50 Jahren zu den Wegbereitern des landwirtschaftlichen Großbetriebes. Es war die größte Veränderung in der Betriebsgrößenstruktur. 1928 bewirtschafteten in Sachsen die reichliche Hälfte der Betriebe weniger als 2 Hektar und nur 0,4 % der Betriebe über 100 Hektar. Nach 80 Jahren werden jetzt knapp 1/3 der Fläche von Einzelunternehmern und reichlich 2/3 der Fläche von Agrar-gesellschaften, beide mit mehreren hundert Hektar je Unternehmen bewirtschaftet. Im Gundorfer Institut erfolgte nach 18 Jahren die Ablösung des ersten Leiters. Ich hatte vor einem im Institut tagenden Gremium, geführt vom Minister und dem Präsidenten der DAL, über unsere Erfah-rungen bei der Entwicklung unserer Kooperationsgemeinschaft zu berichten. Anschließend bestätigte der Vorsitzende der LPG Dölzig meine Ausführungen und dankte für die praxisverbundene Arbeit des Institutsdirektors und seiner Wissenschaftler. Das hatte dem Minister nicht gepasst. In der Mittags-pause hatte er den Genossen Vorsitzenden bei Seite genommen und erklärt, solche Sätze seien der Ab-lösungsveranstaltung des Direktors nicht dienlich. Im Begleitpersonal des Ministers und Präsidenten war mein Mitstudierender Dr. Reichel. Er wurde unser neuer Chef. Die sozialistische Umgestaltung des Instituts war eine unumstößliche Forderung. Der Name Gundorf durfte wegen seiner Verbindung zum bisherigen Direktor Rosenkranz nirgends mehr erwähnt werden. Der international anerkannte Wissenschaftler wurde von weiteren Gremien ausgegrenzt 2 Erfahrungen am Ende meines 35-jährigen Arbeitslebens in der Gundorfer Forschung. 2.1 Umstrukturierungen der LPG und Einordnung in die Agrarstruktur der EU Was ich zu Beginn meiner wissenschaftliche Forschungs- und Beratungstätigkeit in fast 30 Jahren geholfen hatte zusammenzufügen, das durfte ich am Ende meines Arbeitslebens innerhalb von vier Jahren wieder auseinander nehmen und erneut den veränderten agrarpolitischen Rahmenbedingun-gen anpassen, wettbewerbsfähig gestalten. Bei der Privatisierung wurde den Genossenschaftsmitgliedern erstmalig sichtbar, zu welchem Anteileigentum ihre bisherige Tätigkeit in der Wertschöpfung zur genossenschaftlichen Vermögensbildung geführt hatte (3). Das war das Positive, negativ wirkte das bereits von der Volkskammer der DDR beschlossene Landwirtschaftsanpassungsgesetz auf die Weiter-führung der kooperativen Landwirtschaft als Nachfolgeunternehmen der LPG nach dem Wirtschafts-recht in der der BRD. Wenn auch viele unserer in der DDR vorgeschlagenen Lösungen durch verän-derte Rahmenbedingungen, den Innovationsschub der letzten Zeit, die durch die bundesdeutsche Land-maschinenindustrie und durch das Bauwesen in der Landwirtschaft der neuen Bundesländer möglichen Rationalisierungen nicht mehr aktuell waren, so haben die Wissenschaftler am Gundorfer Forschungs-standort mit zum größten Strukturwandel in der jüngsten Geschichte der deutschen Landwirtschaft zum Wohle der Landwirte beigetragen (4,5). Ein Leitartikel in der Leipziger Volkszeitung möge dafür als Beweis dienen. Ab 1997 begann die öffentliche Diskussion über die Abkehr vom bäuerlichen Familienbetrieb als agrarpolitisches Leitbild. Er lautete: „Bonn fordert: Bauern sollen sich in Kooperationen zusammenschließen.“ Das erfolgte bei uns bereits vor 40 Jahren. Agrarpolitiker aus den alten Bundesländern, auch Agrar-wissenschaftler, aber insbesondere Berater, hatten bis dahin - einige sogar auch noch später - den Genossenschaftsbauern ausschließlich die Wiedereinrichtung einer Hofstelle nach bundesdeutschen

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Zuschnitt angeraten. Der Begriff „bäuerlicher Familienbetrieb“ wurde 1960 als bundesdeutsches Pendant zu den nach der damaligen agrarpolitischen Meinung nach Abschluss der Vergenossenschaft-lichung in der DDR nichts mehr besitzenden Genossenschaftsbauern geprägt. SINKWITZ hatte diese 30 Jahre nach dem Erscheinen der Fredeburger Denkschrift zum landwirtschaftlichen Familienbetrieb als ideologisches Missverständnis bezeichnet. Er charakterisierte ihn nun wie folgt: „Der Familien-betrieb war eben mehr eine Arbeitsinstitution als eine Kapitalinstitution“(6). Sogar REISCH stellte in der Jubiläumstagung der GEWISOLA 1999 fest, „dass die bäuerlichen "Familienwirtschaften" in den letzten Jahren aus dem zentralen Blickfeld der agrarökonomischen Arbeiten verschwanden“ (7). Und Rosenkranz definierte bereits lange vorher als Achtzigjähriger „die Vergenossenschaftlichung, zwar den ostdeutschen Bauern aufgezwungen, als Wandel vom bäuerlichen Familienbetrieb zum Produzen-ten von Nahrungsgütern in Betrieben mit Flächen, die meist gepachtet sind und deren Bewirtschaftung weitgehend von dem für die Produktion erforderlichen Maschinensystem bestimmt wird. Ein Prozess, der nun auch von den Bauern in den alten Bundesländern bewältigt werden muss“ (8). Die mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik notwendige Anpassung an die soziale Marktwirt-schaft erfolgte nach dem „Gesetz über die strukturelle Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische Marktwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik“. Der Beitritt hat in den Dörfern der neuen Bundesländer eine Umstrukturierung der bäuerlichen Bevölkerungsschichten, insbesondere hinsichtlich ihrer Einkommensmöglichkeiten mit gravierenden Vermögensänderungen und –verlagerungen bewirkt. Die Mitglieder der ehemaligen LPG konnten sich entscheiden, ob sie beim Sichtbarwerden ihrer Vermögensansprüche diese ganz oder teilweise in eine Gesellschaft nach bundesdeutschen Recht einbringen wollten, oder sich auszahlen zu lassen. Die angebotenen Kapital-beteiligungen waren nach bundesdeutschem Wirtschaftsrecht

- Geschäftsanteile in einer eingetragenen Genossenschaft, - Gesellschafteranteile in einer GmbH, - Co. KG oder - Aktien einer AG.

Das konnte unabhängig davon erfolgen, ob sie als Anteilseigner im rechtsgewandelten Nachfolge-unternehmen der LPG in der Rechtsform einer juristischen Person ein Arbeitseinkommen erzielen konnten. Die Geldanlagen führten wiederum zu Publikumsgesellchaften mit wesentlich mehr nicht-beschäftigten als beschäftigten Anteilseignern. Dabei trugen neue Erkenntnisse zum erheblich ver-mehrten Auftreten des Auseinanderfallens der Faktornutzer von den Faktoreignern bei. Aus LPG-Bauern wurden Verpächter, Kapitalanleger und Arbeitnehmer. Es waren völlig neue, aber überschau-bare Rechtsverhältnisse. Zur Ermittlung der mit der Faktornutzung verbundenen Zahlungen habe ich eine computergestützte Berechnungsmethode vorgeschlagen (9,10). Um unkalkulierten Kapitalabfluss vorzubeugen, musste man die Gesellschafterstruktur gut kennen. Für die Liquiditätsplanung der künftigen Jahre musste sich jedes Unternehmen den Überblick verschaffen, was es für den Rückkauf von Anteilen bereitstellen musste und wie viel beschäftigte Anteilseigner bereit waren, außer den bereits gezeichneten Anteilen weitere von austrittswilligen Anteilseignern zu erwerben. Das entsprach übrigens einer seit langem geführten politischen Diskussion zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital. 2. 2 Rückschau auf das Für und Wider zu landwirtschaftlichen Kooperationen. In der landwirtschaftlichen Primärproduktion haben sich vielfältige Formen der Kooperation zur effektiven Nutzung landwirtschaftlicher Arbeitsmittel und Anlagen bewährt. Sie wurden notwendig, weil durch das Angebot immer leistungsfähiger, aber auch teurer Maschinen bei Neuanschaffungen eine zusätzlicher Zeitersparnis und wesentlich verbesserte Arbeitsplatzqualität erreicht wurde. Vor allem letztere war wichtiger als die Kosteneinsparung, die der Einsatz von alten Maschinen ermög-lichte. Für alle Arbeiten war es deshalb überlegenswert, ob sie

- ausschließlich mit eigenen oder geleasten Betriebsmitteln selbst, - abgestimmt mit Partnern arbeitsteilig in Maschinenringen, oder

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- mit gemeinsam in zwischenbetrieblichen Einrichtungen angeschafften, also ausgeliehenen, gemieteten bzw. geleasten oder gekauften und gemeinsam bzw. abgestimmt eingesetzten Betriebsmitteln, oder ob sie sogar

- von eigenständigen Lohnunternehmern effizienter ausgeführt werden konnten. Letzteres ist inzwischen eine ständige Kooperationsbeziehung (11). Nach 1990 entstanden lediglich in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen einige Maschinenringe nach dem Vorbild der alten Bundesländer. Ihre Weiterentwicklung wurde im Verdrängungswettbe-werb mit leistungsstarken Lohnunternehmern aus den alten Bundesländern und kooperativen Agro-Service-Unternehmen behindert. Letztere waren durch die Umwandlung der ehemaligen Agroche-mischen Zentren entstanden. Gleichermaßen erfolgte das in den Nachfolgeunternehmen der LPG, die unbedingt auf die Auslastung ihres Maschinenbestandes durch überbetrieblichen Einsatz angewiesen waren. Eine zwischenbetriebliche Maschinennutzung war also trotz der günstigeren Betriebsflächen auch in den neuen Bundesländern nötig (12). Denn das Eigenkapital war in den Nachfolgeunternehmen der LPG durch Auszahlungsverpflichtungen wesentlich knapper. Limitierte Einkommensmöglich-keiten ließen nur eine geringe Vermögensbildung zu. Unzureichendes Bodeneigentum erforderte die Erwirtschaftung einer Pacht bzw. eines Gewinnanteils für den Landkauf. Zum Abschluss der Betrachtungen zur Kooperation in der landwirtschaftlichen Primärproduktion wird noch einmal herausgestellt: Der Begriff industriemäßige Produktion wurde uns 1990 von bundesdeutschen Agrarwissenschaftlern als unwissenschaftlich und für die Landwirtschaft als umwelt- und landschaftsschädigend, nicht artgerechte Massentierhaltung verteufelt. Aber auch als Ursache für noch eine Anzahl weiterer poli-tisch motivierter Fehlentscheidungen vorgeworfen, ja sogar als kommunistisches Machwerk ver-dammt. Inzwischen wächst aber die Einsicht. Wir haben den Begriff nicht nur der marxistischen Literatur entnommen, denn bereits vor 200 Jahren, also lange vor Marx, schrieb zu dieser Problematik auch ALBRECHT DANIEL THAER: „ dieselben Maximen, welche bei der Betreibung von Fabricen, wenn sie empor kommen sollen, befolgt werden müssen, finden ihre Anwendung auch in der Landwirtschaft, wenn sie zu einiger Vollkommenheit gedeihen soll“(13). Das war vor 250 Jahren vom Begründer einer modernen Landwirtschaft eine Vision. Zur Herausbil-dung zukunftsträchtiger Kooperationen in der Landwirtschaft trugen m. E. bei: Raiffeisen in Westfalen und Schulze-Delitzsch in Sachsen waren die ersten, die in der Vergenos-senschaftlichung eine Bündelung bäuerlicher Kräfte zur Lösung ihrer Existenzprobleme sahen. Sie dienten weltweit zunächst nur zur Beschaffung von Geld und Gütern sowie zu deren Absatz. Derlitzki gewann als Nestor der Landarbeitslehre seine Erkenntnisse seinerzeit in der Oberlausitz noch in Gütern verschiedener Größe, die sich im Eigentum und in Pacht des Freistaates Sachsen sowie in seinem eigenen Besitz befanden (5). Münzinger experimentierte im Schwäbischen zur gleichen Zeit in der bäuerlichen Betriebsgemein-schaft Häusern bereits mit der vergesellschafteten Feldwirtschaft von Familienbetrieben(14). Sein Ruf an die Praxis musste verhallen, weil er wegen der damals akuten Zwangskollektivierung in der Sowjetunion und dem gerade in der Ausarbeitung befindlichen Erbhofgesetz in Deutschland nicht zeitgemäß war. Erst eine Generation nach ihm realisierte seine Gedanken. Geiersberger glaubte in Bayern mit seinen Maschinenringen die dritte Bauernbefreiung der land-wirtschaftlichen Produktion in Familienbetrieben eingeläutet zu haben und gab den Betrieben mit Lohnarbeitsverfassung und Pachtland keine Chance im Wettbewerb. 1970 befürchtete er Großbetriebe als Alternative zur Bildung von Maschinenringen (15).

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Rosenkranz, dessen neue Idee zur Betriebsorganisation – diese wie in der Industrie - nach dem Produkt und dem zu seiner Herstellung erforderlichen Verfahren unabhängig vom Besitzstand der Faktorausstattung zu gestalten, konnte schließlich auf Grund der gesellschaftlichen Veränderungen im Nachkriegsdeutschland bereits mit einer größeren Anzahl von Betrieben im Kooperationsbereich Gundorf-Dölzig erfolgen. Und das war das Neue, Betriebe mit unterschiedlichem Vergesellschaf-tungsgrad die Faktorausstattung betreffend, privatem Eigentum in den LPG Typ I, genossenschaft-lichem Eigentum in den LPG Typ III und staatlichem Eigentum des Lehr- und Versuchsgutes in der damaligen ZBE Milchproduktion Gundorf – der jetzigen Gundorfer Agrargemeinschaft e. G. – zahlreichen Praktikern und Studenten seine Erfahrungen vermitteln (8). Die DLG forderte als Interessenvertreterin der deutschen Bauernschaft schließlich erst 40 Jahre danach, ende der 1990er Jahre, „Ein starkes Wachstem hin zu größeren Bewirtschaftungs- und Mana-gement, die durch verschiedene Kooperationsformen entstehen, zum Beispiel durch Lohnbewirt-schaftung Unternehmenszusammenschlüsse und / oder strategische Kooperationen. Wichtig sei nicht die Größe des Betriebes, sondern die Managementeinheit. Keine zehn Jahre zuvor – kurz nach der von den DDR-Bürgern erkämpften Einheit - hatten führende altbundesdeutsche, Agrarpolitker und leider auch tonangebende Betriebswirtschaftswissenschaftler gegenteilig und lautstark unseren um ihre Exis-tenz fürchtenden Genossenschaftsbauern ihr veraltetes Leitbild des Familienbetriebes aufbürden wollen. Der Verlauf der Vereinigungsgeschichte hatte sie eines Besseren belehrt! 3. Richtwerte für Leistungen und Produkte 3.1 Verrechnung zwischenbetrieblicher Beziehungen Zwischenbetriebliche Leistungen müssen verrechnet und monetär ausgeglichen werden. In Anlehnung an die Preisbildung in der Industrie sollen Stückkosten dazu die Grundlage bilden. In der Landwirt-schaft waren dazu Forschungsleistungen nötig, um die Bildung von vollkostenorientierten Verrech-nungspreisen auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Diese sollten in den Zeiten zunehmender Mechanisierung der Produktion gleichzeitig die Vertragspartner zu einer optimalen Maschinenaus-lastung stimulieren. Zur Gestaltung der Verrechnungspreise für Arbeitsleistungen und Produktliefe-rungen wurden betriebliche Auswertungen von Vollkostenanalysen der kooperierenden Betriebe genutzt. Erste Arbeiten dazu erfolgten bereits in den 1950er Jahren (16,17). Forschungsseitig wurde der Prozess durch vergleichende Untersuchungen zur Vollkostenanalyse mit Daten aus Kreisbuchungs-stationen und anderen Betriebsabrechnungen begleitet. Frühzeitig wurde so eine aussagefähige Stück-kostenrechnung etabliert. Die in Zeitstudien ermittelten Arbeitszeitbedarfswerte waren Grundlage für Arbeitszeitrichtwerte zur Planung und Abrechnung der inner- und zwischenbetrieblichen Arbeit. Ihre zusammenfassende Darstellung erfolgte in einem Katalog Technologischer Musterkarten. Die nach Produktionsab-schnitten gegliederte Abfolge der Arbeitsgänge des technologischen Prozesses bildete schließlich den Mitte der 1980er Jahre erarbeiteten Aufbau eines „Datenspeichers Verfahren der Pflanzenproduktion“ (DAVPP) als Voraussetzung für eine aktuelle pflanzenbaulich, technologisch, arbeitswirtschaftlich und ökonomisch begründete computergestützte Prozesssteuerung in der Pflanzenproduktion. Er enthielt arbeits- und betriebswirtschaftliche Richtwerte zur Planung des technologischen Ablaufs und dessen Kosten für 125 Fruchtarten, einschließlich Obst, Gemüse, zahlreiche Vermehrungs- und Sonder-kulturen. Mit dieser Forschungsleistung - 30 Jahre nach anfänglichen Arbeiten von MÜLLER - konnte ich mich schließlich erst 20 Jahre nach meiner Promotion nun mit dem Thema „Der Beitrag der Technologie zur rechnergestützten Vorbereitung und Durchführung des betrieblichen Reproduktions-prozesses in der Pflanzenproduktion“ bei JANNERMANN an der WPU Rostock habilitieren (18). Zu dieser Forschungsleistung waren auf Technologie spezialisierte Wissenschaftler aus 25 Institutionen, Instituten der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR, Ingenieurbüros und produkt-spezialisierte Berater angeleitet worden (19). Leider mussten diese zukunftsträchtigen Forschungs-arbeiten zur rechnergestützten Nutzensberechnungen für Arbeits- und Produktionsverfahren, zum

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Nachweis kostendynamischer Zusammenhänge als Unterstützung betrieblicher Entscheidungsvorbe-reitungen 1990 eingestellt werden. Als Schüler von Rosenkranz und auch von Jannermann bin ich dank deren guter Anleitung froh, 35 Jahre meines Berufslebens von 1961 bis 1996 vom Forschungsstandort Gundorf aus vielen Land-wirten, Unternehmensberatern und in der Verwaltung Tätigen, egal in welchem Wirtschaftssystem, mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte. 3.2 Grundlagen für die Neuaufstellung der Betriebe unter sich verändernden Rahmenbedin- gungen - verfasst von Brigitte Winkler. Nach Studium in Berlin an der Humbold-Universität und Praxisarbeit in Zwenkau begann ab 1981 mit dem Einzug der Bürocomputer in der Betriebswirtschaft mein beruflicher Werdgang in Gundorf. Erstmals wurden auf wissenschaftlicher Grundlage kleine lokale DV-Programme entworfen, die direkt in den Betrieben zur Planung, Abrechnung und Kontrolle eingesetzt werden sollten. Das Sachgebiet nannte sich später „Mikroelektronik“ und es galt für die ersten lokalen PC´s Lösungen vorzudenken. So entstanden auf wissenschaftlicher Basis zuerst Abrechnungsprogramme, gefolgt von Programmen zur Planung und Steuerung der Produktion. Ab ca. 1988 wurden kleinere Kalkulations-Modelle in allen Fachgebieten entwickelt. Dabei galt es im Wesentlichen Rechenmodelle zu entwerfen, die auf bekann-ten Methoden beruhten. Zu dieser Zeit war Professor Rosenkranz schon im Ruhestand, doch noch in aller Munde. Durch seinen Wohnsitz in unmittelbarer Nachbarschaft zum Institut in Gundorf war mir bekannt, dass er – vor allem bei seinen Schülern - noch ein gesuchter Ratgeber war. Persönlich habe ich ihn erstmals im Jahr 2000 zur GeWiSoLa in Kiel am Rednerpult erlebt. Ich war beeindruckt von seiner Brillianz in der Rede und seiner Überzeugungskraft im Ausdruck. Auch bei der Verabschiedung von Dr. Dietmar Brendler hielt er – schon im fortgeschrittenen Alter - eine einstündige freie Rede voller neuer Ideen und verhaftet in der Überzeugung, dass nur die gemeinsame Arbeit zum gegenseitigen Wohl, den Bauern die Freiheit ermöglicht, die bei den Beschäftigten in der Wirtschaft schon Einzug galten hat. Sensibilisiert durch diese Treffen fand ich Literatur, die verdeutlichten, dass gegründet vor allem zu Zeiten unter Leitung vor Otto Rosenkranz in der Forschungsstelle Gundorf, alle Arbeiten u. a. zur Buchführung, zur Kostenrechnung, zur Standortbewertung und Kennzahlenarbeit nie ohne Praxistest veröffentlicht wurden. Der Spruch eines Rosenkranzschülers:“ Die Betriebe sind die Labore der Betriebswirtschaftler“ hat mich im Berufsleben begleitet. Ab Januar 1990 erfolgte eine völlige Neuorientierung. Das fundierte Wissen vor allem der Arbeits-wissenschaft war gefragt. Für die einheitliche und damit vergleichbare Kostenrechnung wurde aber kein entsprechender Übergang geschaffen und damit brach eine wichtige Quelle für vergleichbare Datengrundlagen weg. Mit Artikeln zur Kostenrechnung in der Übergangszeit (20, 21, 22) wurde versucht, den Berufsstand bei der Umstellung der Finanz- und Lohnbuchhaltung zu unterstützen. Die DLG übernahm die Aufgabe, am Markt vorhandene Finanz-Programme auf ihre Eignung u. a. zur Kostenrechnung zu prüfen (24). Aus dem langjährig gewachsenen methodischen Fundus der Planung und Richtwertarbeit konnte ich Fachwissen zur Neugestaltung der Betriebsplanung, zur Kostenkalkulation und Arbeitsökonomie schöpfen. Als erstes mussten ab 1990 die Größenverhältnisse landwirtschaftlicher Betriebe der neuen Bundesländer auch in den Planungsdaten der angestammten bundesdeutschen Institutionen, dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL e. V.), ergänzt werden. Dazu lieferten 1990 Winkler, B., Brendler, D. Budnick, A. und Singer, E. für die Datensammlung Betriebs-planung (23) die Daten zur 20-Hektar-Parzelle diverser Fruchtarten sowie zu Verfahrensdaten der Viehhaltung und zu Betriebsgemeinkosten. Diese Zusammenarbeit mit dem KTBL hält bis heute an und wurde ab 1992 durch ehemalige Mitarbeiter des Forschungsinstitutes Gundorf und der Universität

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Leipzig (Uhlmann, Kühlewind, Klemm, Winkler) mit Untersuchungen zum Arbeitszeitbedarf in der Schweine-, Milchvieh- und Geflügelhaltung, zu Sondertierarten und zur Betriebsführung fortgesetzt (29, 30). In der Übergangszeit entstanden auch erste PC-fähige Betriebsplanungsmodelle BERI P/T/G/S (Betriebswirtschaftliche Richtwerte Pflanzenproduktion / Tierproduktion / Gemüse- und Obst-produktion / Sonderkulturen) in Fortführung bisher gedruckter Richtwerte nun mit Standardsoftware. In der Generierung von Daten, bei der Gestaltung der Funktionen und Abläufe war mir der Mitautor dieses Beitrages mit seinem umfangreichen Wissen und seinen Vorarbeiten ein großer Lehrmeister. Methodischen Grundlagen zur Bewertung der Betriebsentwicklungschancen oder zum Ausgleich in Notfällen wurden später auch im Fördervollzug benötigt. Dr. Erhart Seidel hat in dieser Zeit sein umfangreiches Fachwissen zur Planung und Methodenkompetenz eingebracht. Zur Bewertung der Leistungen des Pflanzenbaus und der Viehhaltung erschienen mehrfach Deckungsbeitragssamm-lungen und eine Festkostensammlung (26, 27, 28, 29). Die Vollkostenrechnung wurde als kalkulato-rische Abrechnung der Betriebszweige zur Verfahrensbewertung eingesetzt. Dem modernen Zeitgeist folgend sind ab 2000 gedruckte Planungs- und Bewertungsdaten durch eine Internet-Onlinelösung mit angeschlossener Datenbank abgelöst worden (31, 32, 33). Die Deckungsbeitragsrechnung stellt dabei die Grundlage der Entscheidungsrechnung zur bestmöglichen Verwertung der Faktoren (Boden, Arbeit, Kapital) dar. Dabei kann die Spanne der variablen Kosten in der Entscheidungsrechnung durch-aus erweitert werden, denn unter Lohnarbeitsverfassungen ist auch Arbeit, Abschreibungen etc. durch-aus als veränderlich anzusehen. Dies ist aber in jedem Fall eine betriebsindividuelle Entscheidung und immer im Zusammenhang mit der unternehmerischen Weiterentwicklung zu sehen. Stückkosten haben weiterhin in jedem Unternehmen die Funktion der Konstatierrechnung, das heißt, zu welchem Preis (Kosten) habe ich mein Produkt erzeugt und mit welchen Chancen und Risiken gehe ich in Preisver-handlungen. Nur im Zusammenhang mit Bestwertvergleichen (Benchmarking) benötigt man heute noch eine vergleichbare Vollkostenrechnung. Seit diese Erkenntnis ab 1997 in ganz Deutschland Fuß gefasst hat, nehmen die Publikationen zu Richtwerten und Methoden der Kostenrechnung zu. Der DLG-Band 197 "Die neue Betriebszweig-abrechnung" wirbt mit folgendem Aufmacher: „Die Berechnung der betriebswirtschaftlichen Auswer-tungen war bisher von Landwirt zu Landwirt, von Berater zu Berater und von Region zu Region verschieden. Die neue Betriebszweigabrechnung (BZA) der DLG liefert einen Standard, der Klarheit in der Vorgehensweise schafft und bundeseinheitliche Vergleiche ermöglicht. Diese helfen, die eigene Situation kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. Begriffe der Kontrollrechnung werden eindeutig definiert. Wesentliche Merkmale sind die Vollkostenrechnung mit der Zwischenstufe der Direktkos-tenfreien Leistung, die eindeutige Abgrenzung der Kostenblöcke einschließlich der Faktorkosten und der Bezug zur Buchführung.“. Da diese publizierte Methode in der Fachwelt wegen ihres Bezuges zur zweigbezogenen Rückrechnung aus dem Betriebsabschluss nicht als unkritisch gelten kann, wird derzeit noch an weiteren Standardsetzungen gearbeitet. Es wird auch sichtbar, dass der Teil Arbeitswissenschaft in der Landwirtschaft in Lehre und For-schung wieder stark nachgefragt ist. Die Größe der Wirtschaftseinheiten und die Angebote an moderner Technik arbeitswirtschaftlich und organisatorisch in optimale Einheit zu bringen, stellt eine große Herausforderung auch für heutige Betriebsleiter dar. Das Kapitel Ersatz der Arbeit durch Kapital und damit eine möglichst effektive Auslastung der Technik ist ebenso hochaktuell. Landmaschinen-hersteller bauen Maschinen mit extremer Schlagkraft und in den Ställen haben Melkroboter Einzug gehalten. Auf Feldern und in Ställen der fortschrittlichsten Unternehmen haben elektronisch gesteuerte Mechanisierungsmittel die Produktionsabschnitte nahezu revolutioniert. Automation, Precision farming und weitere moderne Assistenzsysteme erleichtern den Beschäftigten in der Agrarwirtschaft die Vorbereitung, Beherrschung und Auswertung der Arbeiten. Es ergeben sich daraus ganz neue Aufgabenfelder für Forschung und Beratung. Die angewandte Forschung schafft die Grundlagen dafür, dass sich die europäischen Landwirte am Weltmarkt behaupten und mit den industriellen Methoden z.B. in Brasilien und den USA konkur-

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rieren können. Dabei rücken die technologisch-verfahrenstechnische sowie die umwelttechnische und die ökonomische Forschung immer enger zusammen. Die wachsende Kapitalintensität fordert hohe Auslastungen der Technik. Das stellt auch für die sozioökonomische und ethische Bewertung des Ersatzes menschlicher Arbeit an der Pflanze und am Tier eine neue Herausforderung dar. Diese Prozesse angemessen zu begleiten ist die Aufgabe der neutralen Forschung und kann als Fortset-zung der vor Jahrzehnten in Gundorf begonnen Form der Unterstützung der Betriebsleiter und Unterneh-mensberater im Sektor Landwirtschaft gesehen werden. Viele Grundlagen für meine Arbeit konnte ich vom Verfasser des voran stehenden Abschnitts lernen. Ich bin sozusagen eine Schülerin von Rosenkranzschülern und bin dankbar heute hier als jüngste Mitautorin agieren zu dürfen. Vierzig Jahre Forschung am Standort Gundorf – vor allem zur Vollkos-tenrechnung und Arbeitswirtschaft - sind auch aus heutiger Sicht für marktwirtschaftlich agierende Betriebe ein Meilenstein. Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass die Wissenschaftler von jeder Generation auf bewährte Erkenntnisse und Erfahrungen aufbauen können aber auch stets neue Ideen bei der Gestaltung betriebswirtschaftlicher Lösungen als temporäre Wissenschaft finden müssen. Literatur 1. Brendler, D.: Entwicklung und Stand der Kooperation im Bereich Gundorf-Dölzig. Zeitschrift für Agrarökonomik 7/1966. 2. Brendler, D., Giersberg, R.: Kooperation und Spezialisierung der sozialistischen Landwirt-schaftsbetriebe im Bereich Gundorf-Dölzig unter Berücksichtigung eines unterschiedlichen Entwicklungstandes der Betriebe und der Herausbildung von Formen der industriemäßigen Produktion. Schriftenreihe des Instituts für landwirtschaftliche Betriebs- und Arbeitsökonomik Gundorf, 1966, Heft 21. 3. Brendler, D.: Erfahrungen bei der Umstrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern. Kühn-Archiv 91/1, 1997, S. 89-100, Münster-Hiltrup 4. Brendler, D, Köhler, E.: Modernisierung der Landwirtschaft erfordert Kooperation. In: Das Vermächtnis Thaers als Begründer der modernen Landwirtschaft. Schriftenreihe des Thaer-Institutes. Band 8. 2002, Leipziger Universitätsverlag 5. Brendler, D., Schumann, S.: Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert – 80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf bei Leipzig, 2000, Leipziger Universitätsverlag. 6. Sinkwitz, P.: Gedanken 30 Jahre nach Erscheinen der Fredeburger Denkschrift zum landwirtschaftlichen Familienbetrieb. Vortragsmanuskript 1998, Deutsche Landjugendakademie Fredeburg. 7. Reisch, E. M.: Entwicklungslinien in der agrarökonomischen Forschung in Westdeutschland von 1959 bis 1999 Schriften der Gesellschaft fiir Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V., Bd. 36; 2000, S. 409-424 8. Rosenkranz, O.: Entwicklungslinien in der agrarökonomischen Forschung in der DDR von 1949 bis 1989. In: Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V., Bd. 36, 2000, S. 425-430 9. Brendler, D., Höhnle, R.: Besserer Überblick über Verpächter, Gesellschafter und Arbeitnehmer. In: Bauernzeitung 40/1996 S.18-19 10. Brendler, D. 2004: Vergangenheit lehrt – keine Zukunft ohne Kooperation. Albrecht Daniel Thaer – Begründer einer modernen Landwirtschaft, In: Land-Berichte. Sozialwissenschaftliche Halbjahresschrift über ländliche Regionen. Nr. 12, Jahrgang VII, Heft 1/2004, Shaker Verlag. 11. Brendler, D.: Zur Entwicklung der überbetrieblichen Maschinenverwendung in der Landwirtschaft der neuen Bundesländer. - In: Berichte für die Landwirtschaft 76 (1998) 105-114 Landwirtschaftsverlag,, Münster - Hiltrup ISSN 0005-9080 12. Brendler, D.: Einsatz des Lohnunternehmers im Großbetrieb notwendig.- In: Bundesverband Lohnunternehmen - Jahrbuch 2000, S.60-64, Eduard K. Beckmann Verlag Lehrte, 1999 13. Thaer, A., D.: Grundsätze der rationellen Landwirtschaft,1. Auflage 1809

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14. Münzinger, A.,: Bäuerliche Maschinengemeinschaft Häusern. Beuth-Verlag, RKTL-Schriften des Reichskuratoriums für Technik in der Landwirtschaft, Heft 54, 1934. 15. Geiersberger, E.,: Die dritte Bauernbefreiung durch den Maschinenring. In: Geschichte und Staat. 1974, Bd. 190/191 GB, Olzog Verlag München-Wien. 16. Lindemann, H.: Kosten des Maschineneinsatzes im Feldbau – Methode der Ermittlung, Höhe und einige Möglichkeiten der Beeinflussung, dargestellt am Beispiel der MTS Rositz für das Jahr 1957. 17. Focke, C. Kosten der Erzeugnisse in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften – Höhe und Zusammensetzung, Möglichkeiten der Auswertung sowie Erarbeitung von Kostenrichtwerten, dargestellt auf der Grundlage von elf Abrechnungen, 1964. 18. Brendler, D.,: Der Beitrag der Technologie zur rechnergestützten Vorbereitung und Durchführung des betrieblichen Reproduktionsprozesses in der Pflanzenproduktion. –1987, Diss. B, Wilhelm- Pieck-Universität Rostock. 19. Brendler, D.: Stand und Tendenzen der rechnergestützten Arbeit mit betriebswirtschaftlichen Normen und Richtwerten.- In: Kongress- und Tagungsberichte der MLU Halle-Wittenberg, 1990 Bd. 2, S. 83 – 86. 20. Winkler, B.; Dr. Sandrock, M., Wehner, Carmen,: Vergleich der landwirtschaftlichen Buchführung BRD/ DDR; 1990, Bauern Echo Nr. 182 21. Winkler, B.: Was kommt auf die Lohnbuchhalter zu? 1990, Bauern Echo Nr. 190 22. Winkler, B., Purschke, A.: Gut kalkulierte Kosten vergrößern den Gewinn (Teil 1 bis 3) , Deutsches Landblatt 1991, Nr. 175, 179, 193 23. KTBL (Budnik, A., Funk, M., Hamann, E., Purschke, A., Siegl, F., Staude, H., Winkler, B.), Datensammlung für die Betriebsplanung in der Landwirtschaft, 12. Auflage 1991, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. Darmstadt 24. Winkler, B., Krampitz, B.: Finanzbuchhaltung im DLG-Test; DLG- Mitteilungen 12/1994 25. Winkler, B. et al: Die landwirtschaftlichen Vergleichsgebiete im Freistaat Sachsen, LfL 1999 26. Winkler, B., Pohler, C., Dr. Klemm, R.: Deckungsbeiträge Pflanzen- und Tierproduktion im Freistaat Sachsen, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, 04/1996 27. Winkler, B., Pohler, C.: Deckungsbeiträge Pflanzen- und Tierproduktion im Freistaat Sachsen, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, 09/1999 28. Winkler, B., Pohler, C.: Datensammlung Orientierungswerte Festkosten; Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, 11/1999 29. Klemm, R., Diener, K.: Ökonomische Richtwerte für Zweige der Pflanzen- und Tierproduktion, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft, 04/1998 30. KTBL (Achilles, W., Klemm, R., Uhlmann, S., Winkler, B. ): Taschenbuch Landwirtschaft 2000/2001. 20. Auflage 2000/2001, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. Darmstadt 31. Winkler, B., 2010, Planungs- und Bewertungsdaten http://www.landwirtschaft.sachsen.de/landwirtschaft/254.htm 32. Winkler, B., 2010, Kostenrichtwerte, Internet, http://www.landwirtschaft.sachsen.de/landwirtschaft/48.htm 33. Winkler, B., 2010, Liquiditätsplan, Internet, http://www.landwirtschaft.sachsen.de/landwirtschaft/1521.htm 34. Winkler, B.: Vom Heide- und Teichgebiet bis zum Erzgebirgskamm - Die Landwirtschaftlichen Vergleichsgebiete im Freistaat Sachsen, in Sächsische Heimatblätter - Sonderheft 2005 Die Verfasser: Dietmar Brendler begann nach seiner Ausbildungszeit und zehn Jahren leitenden Tätigkeiten in MTS, VEG und LPG 1961 seine wissenschaftliche Tätigkeit als Aspirant bei Prof. Rosenkranz im Gundorfer Institut, promovierte 1967 bei ihm an der landwirtschaftlichen Fakultät der KMU Leipzig. Er habi-litierte sich 1986 bei Prof. Jannermann an der Rostocker WPU. Seine wichtigsten Arbeitsgebiete waren die inner- und zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der LPG und VEG. Ab 1992 arbeitete er bis zum Altersruhestand in der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft im Fachbereich Ländlicher Raum

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und Betriebswirtschaft als Referent für die Lösung von Spezialproblemen bei der Umwandlung der LPG in Agrarunternehmen nach der Agrarverfassung der EU und war Mitglied des Vermittlungsaus-schusses des sächsischen Landwirtschaftsministeriums. In dieser Zeit pflegte er mit dem Emeritus Otto Rosenkranz einen regen Erfahrungsaustausch zur Nutzung dessen Lebenserfahrungen bei der Lösung aktueller betriebswirtschaftlicher Probleme. Brigitte Winkler begann, nach ihrer Ausbildung an der Humboldt-Universität in Berlin und Tätig-keit als Ökonom in der LPG „Thomas Münzer“ Wiederau-Zwenkau, ihre wissenschaftliche Laufbahn im betriebswirtschaftlichen Institut der Akademie der Landwirtschaftwissenschaften in Gundorf. Schwerpunkt der Tätigkeit lag in Bereich der Analyse und Umsetzung von Vorhaben zum Einsatz der sog. Mikrorechnerprogramme für Rechnungsführung und Statistik mit dem Schwerpunkt Arbeitswirt-schaft. Mit der Umorientierung der Forschung widmete sie sich der Betriebsplanung und der Erarbei-tung von Richtwerten nach aktuellen Standards. Seither setzt sie sich für die methodisch-inhaltliche einheitliche Auslegung von Kostenrechnungs- und Planungsmethoden ein. Sie ist Mitglied der Arbeits-gemeinschaft „Arbeits- und betriebswirtschaftliche Bewertungsgrundlagen, Datenmanagement (ABD)“ des KTBL, deren Projektziel die Entwicklung und Abstimmung von Methoden für die Datenerfassung sowie die Datenaufbereitung ist. Die Arbeitsgemeinschaft berät die Geschäftsstelle bei der inhaltlichen Gestaltung und Weiterentwicklung der KTBL-Datenbasis sowie des KTBL-Datenangebots. Weiterhin leitet sie die Arbeitsgruppe „Arbeitswirtschaftliche Grundlagen“ des KTBL mit dem Ziel der Heraus-gabe eines Methodenpapiers „Arbeitswirtschaft" für den Einsatz in Lehre und bei der Datenerfassung. Anschrift: Dr. habil. Dietmar Brendler Altes Dorf 13 in D - 04349 Leipzig E-Mail:[email protected] Dipl. agr. Brigitte Winkler Goldammerweg 3 in D - 04420 Markranstädt E-Mail : [email protected]

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Die Leipziger Ökonomische Societät e. V. würdigt die Tätigkeit des Nestors der landwirtschaftlichen Betriebswirtschaftswissenschaft in der DDR, Professor Dr. habil. Dr. h. c. Otto Rosenkranz (1911 – 2007) anlässlich seines 100. Geburtstages am 03. Februar 2011 in einem Ehrenkolloquium. Seine Ideen zur Gestaltung moderner landwirtschaftlicher Unternehmen unter den Bedingungen einer nach industriellen Prinzipien ablaufenden und zugleich nachhaltigen Produktion in der Landwirtschaft sind noch heute von größter Aktualität.17 seiner Schüler und ehemaligen Mitarbeiter berichten über den Einfluss ihres Lehrers auf ihr Berufsleben und die Umsetzung seiner Ideen auf verschiedenen Wirkungsgebieten. Nach dem anlässlich der Jubiläumstagung - 80 Jahre Landarbeits- und Technologieforschung in Pommritz und Gundorf - im Jahr 2000 herausgegebenem Tagungsband „Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert“ – an dessen Gestaltung Prof. Rosenkranz noch mitwirken konnte - stehen im vorliegenden Tagungsband die Ergebnisse seiner 26-jährigen Lehr- und Forschungstätigkeit aus der Sicht seiner Schüler im Mittelpunkt. Seine für die Entwicklung moderner Landwirtschaftsbetriebe revolutionären Gedanken waren nicht nur prägend für mehrere Generationen von Direkt- und Fernstudenten, sondern auch für eine große Zahl von Praktikern, die seinen Visionen in ihren Betrieben zur Realität verhalfen.

An der Dankbarkeit gewinne ich das rechte Verhältnis zu meiner Vergangenheit, in ihr wird das Vergangene fruchtbar für die Gegenwart. Dietrich Bonhoeffer