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Heft 4 ] 198(3 J 403 B Orn. 121, 1980: S. 403--405 (Aus dem Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfzell) Weitere Versuche zur Frage ,,Brutraum und Gelegegröße" bei der Kohlmeise, Parus major Von Hans Löhrl In einer früheren Arbeit (LöHRL 1973) hatte ich experimentell nachgewiesen, daß die Gelegegröße bei der Kohlmeise nicht nur mit den bisher beschriebenen Faktoren kor- reliert, vor allem nicht nur von der Nahrung als ultimate factor (LACK 1954) abhängt, sondern auch von der verfügbaren Brutraumfläche, also der Größe des Nests. Offen blieb die Frage, ob der erhöhten Eizahl in Höhlen mit großer Brutraumfläche eine optische oder taktile Information zugrunde liegt oder ob die in großen Höhlen zwangsläufig vermehrte Nestbauaktivität die Gelegegröße erhöht. Versuchsplan und Methode Das Bekanntwerden und die Auseinandersetzung mit dem Innenraum der Bruthöhle findet vor allem in der Nestbauphase statt. Die Meise schlüpft tagelang unentwegt mit Nistmaterial in die Höhle, wie später erst wieder bei der Jungenfütterung. Das Material wird in vielen Dreh- und Strampelbewegungen verhaut. Es wäre denkbar, daß in dieser Zeit die Information über die Raumgröße erfolgt und dadurch auch die Eizahl festgelegt wird. Zur Klärung dieser Frage wurden Höhlentypen mit extrem kleinem und mit sehr großem Brutraum nach Ende des Nestbaues ausgetauscht, so daß die Eiablage in einer Höhle mit anderer Größendimension erfolgte als der Nestbau. Dazu mußten diese Modelle äußerlich möglichst ähn- lich aussehen. Dies traf bei den im ersten Versuch (LöHRL 1973) verwendeten Höhlentypen (9 cm und 20 cm Durchmesser des Brutraums) nicht zu. Nun hatten aber Vorversuche ergeben, daß diese Extremmaße nicht notwendig sind, um gesicherte Unterschiede in der Gelegegröße zu erzielen. Bei Höhlen mit 14 cm Durchmesser war derselbe Effekt erreicht worden wie bei Höhlen mit 20 cm Durchmesser. Diese 14 cm-Höhle fiel gegenüber der verengten 9 cm-Höhle äußerlich kaum auf, vor allem hatten beide Typen dieselben Vorderwände, so daß bei einem Austausch die gewohnte Vorderwand mit Flugloch belassen werden konnte. Da erfahrungsgemäß Nester vor Beginn der Eiablage bei Störungen leichter aufgegeben werden als nach Ablage der ersten Eier, wurden die Nisthöhlen erst ausgetauscht, nachdem bereits 1 bis 4 Eier gelegt waren. Soweit mög- lich, habe ich die Nester in den Höhlen belassen und nur die Eier umgesetzt. Wo keine Nester des Typs B vorhanden waren, wurde die Nestmulde mit dern zugehörigen Material aus Typ A nach B mitversetzt. In dem 1973 beschriebenen Versuchsgebiet in einem Auewald der Oberrheinebene wurden je 20 Schwegler-Holzbetonhöhlen mit Innendurchmesser von 14 cm (154 cm2 Brutfläche = Typ A) und eine Sonderanfertigung mit 9 cm (64 cm 2 Brutfläche = Typ B) weiträumig aufgehängt. Lei- der wurden von der engen Höhle des Typs B von Kohlmeisen nur 7 bezogen; dagegen waren von Typ A 16 Höhlen besetzt, wovon 3 nach dem Austausch verlassen wurden. Durch diese Versuchsanordnung war zu ermitteln, ob sich die Kohlmeisen in der Eizahl der Höhle anpaßten, in der sie das Nest bauten und die ersten Eier legten, oder ob die Gelegegröße der ausgetauschten Höhle entsprach.

Weitere Versuche zur Frage „Brutraum und Gelegegröße“ bei der Kohlmeise,Parus major

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Heft 4 ] 198(3 J 403

B Orn. 121, 1980: S. 403--405

(Aus dem Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfzell)

Weitere Versuche zur Frage ,,Brutraum und Gelegegröße" bei der Kohlmeise, Parus major

Von Hans Löhrl

In einer früheren Arbeit (LöHRL 1973) hatte ich experimentell nachgewiesen, daß die Gelegegröße bei der Kohlmeise nicht nur mit den bisher beschriebenen Faktoren kor- reliert, vor allem nicht nur von der Nahrung als ultimate factor (LACK 1954) abhängt, sondern auch von der verfügbaren Brutraumfläche, also der Größe des Nests. Offen blieb die Frage, ob der erhöhten Eizahl in Höhlen mit großer Brutraumfläche eine optische oder taktile Information zugrunde liegt oder ob die in großen Höhlen zwangsläufig vermehrte Nestbauaktivität die Gelegegröße erhöht.

Versuchsplan und Methode Das Bekanntwerden und die Auseinandersetzung mit dem Innenraum der Bruthöhle findet

vor allem in der Nestbauphase statt. Die Meise schlüpft tagelang unentwegt mit Nistmaterial in die Höhle, wie später erst wieder bei der Jungenfütterung. Das Material wird in vielen Dreh- und Strampelbewegungen verhaut. Es wäre denkbar, daß in dieser Zeit die Information über die Raumgröße erfolgt und dadurch auch die Eizahl festgelegt wird.

Zur Klärung dieser Frage wurden Höhlentypen mit extrem kleinem und mit sehr großem Brutraum nach Ende des Nestbaues ausgetauscht, so daß die Eiablage in einer Höhle mit anderer Größendimension erfolgte als der Nestbau. Dazu mußten diese Modelle äußerlich möglichst ähn- lich aussehen. Dies traf bei den im ersten Versuch (LöHRL 1973) verwendeten Höhlentypen (9 cm und 20 cm Durchmesser des Brutraums) nicht zu. Nun hatten aber Vorversuche ergeben, daß diese Extremmaße nicht notwendig sind, um gesicherte Unterschiede in der Gelegegröße zu erzielen. Bei Höhlen mit 14 cm Durchmesser war derselbe Effekt erreicht worden wie bei Höhlen mit 20 cm Durchmesser. Diese 14 cm-Höhle fiel gegenüber der verengten 9 cm-Höhle äußerlich kaum auf, vor allem hatten beide Typen dieselben Vorderwände, so daß bei einem Austausch die gewohnte Vorderwand mit Flugloch belassen werden konnte. Da erfahrungsgemäß Nester vor Beginn der Eiablage bei Störungen leichter aufgegeben werden als nach Ablage der ersten Eier, wurden die Nisthöhlen erst ausgetauscht, nachdem bereits 1 bis 4 Eier gelegt waren. Soweit mög- lich, habe ich die Nester in den Höhlen belassen und nur die Eier umgesetzt. Wo keine Nester des Typs B vorhanden waren, wurde die Nestmulde mit dern zugehörigen Material aus Typ A nach B mitversetzt.

In dem 1973 beschriebenen Versuchsgebiet in einem Auewald der Oberrheinebene wurden je 20 Schwegler-Holzbetonhöhlen mit Innendurchmesser von 14 cm (154 cm 2 Brutfläche = Typ A) und eine Sonderanfertigung mit 9 cm (64 cm 2 Brutfläche = Typ B) weiträumig aufgehängt. Lei- der wurden von der engen Höhle des Typs B von Kohlmeisen nur 7 bezogen; dagegen waren von Typ A 16 Höhlen besetzt, wovon 3 nach dem Austausch verlassen wurden.

Durch diese Versuchsanordnung war zu ermitteln, ob sich die Kohlmeisen in der Eizahl der Höhle anpaßten, in der sie das Nest bauten und die ersten Eier legten, oder ob die Gelegegröße der ausgetauschten Höhle entsprach.

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Ergebnis und Diskussion

Das Diagramm zeigt, daß die meisten Kohlmeisen ihre Eizahl an diejenige Höhle anpaßten, in der sie die Eiablage vollendet haben. Die durchschnittliche Gelegegröße betrug bei den Paaren von B nach A 13,1 + 2,54, bei den Paaren, die von A nach B versetzt wurden, 10,8 __ 1,64. Der Unterschied ist sowohl nach dem t-Test wie auch nach dem Mann-Whimey-U~Test auf dem 5 % -- Niveau signifikant.

Ein Einfluß der Eizahl, die beim Austausch bereits gelegt war, ließ sich nicht erken- nen. Beim Austausch von A nach B waren 5 mal 1, 6 mal 2 und 2 mal 3 Eier gelegt; beim Tausch von B nach A waren es 2 mal 1, 1 mal 2, 2 mal 3 und 2 mal 4 Eier.

A B 1/-, cm 9crn

D N Bruten

2 Von B nach A

I g 10 11

Von A nach B

12 13 1/* 15 16

Gelegegröfle Die verwendeten Nisthöhlentypen und

die Gelegegröfle nach dem Tausch

Es ergibt sich aus den Versuchen, daß die Programmierung der Eizahl bei den mei- sten Paaren wenigstens teilweise erst nach Beginn der Eiablage erfolgt. Bei einem so späten Einfluß der Nestgröße -- die Nestmulde selbst ist nicht mit der Größe der Brut- raumes korreliert - - wäre denkbar, daß das Weibchen, während es im Nest übernach- tet, die stärkere Isolation des größeren Nestes registriert (vgl. MERTENS 1977, WALXE~ 1.979).

Zusammenfassung Nach Beginn der Eiablage wurden die Nisthöhlen mit 14 cm Durchmesser des Brutraumes

gegen solche mit 9 cm sowie die vorhandenen Eier ausgetauscht. Die Größe der Vollgelege ent- sprach daraufhin der Größe des Nestes nach dem Austausch.

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Heft 4 ] 1980 ] Gelegegröße der Kohlrneise 405

Summary ~') F u r t h e r e x p e r i m e n t s on the q u e s t i o n of , N e s t i n g space and C l u t c h s ize" in

G r e a t T i t Parus major

Great Tits lay more eggs in cavities with greater internal diameter than in narrow cavities. An attempt was made to deterrnine in which phase of the breeding cycle the tits become informed about the size of the cavity. Wide cavities with a diameter of 14 cm in chip-board cement and nar- row cavities of 9 cm were exchanged after the completion of nest-building and after the beginning of egg-laying. This showed a significant correlation between clutch size and size of cavity after the exchange. Information about cavity size had thus been gained after the beginning of egg-lay- ing.

Literatur LACK, D. (1954): The natural regulation of Animal numbers. Oxford. • LöHRL, H. (1973): Ein- fluß der Brutraumfläche auf die Gelegegröße der Kohlmeise (Parus major). J. Orn. 114: 339-347. • MERTENS, J[ A. L. (1977): Therrnal Conditions for Successful Breeding in Great Tits [Parus major L.). Oecologia 28: 1--29. • WALTZR, H. (1979): Untersuchungen zu Brutaktivitäten der Kohlmeise (Parus major) in der Zeit der Eiablage. J. Orn. 120:102-103.

Anschrift des Verfassers: 7293 Pfalzgrafenweiler 2 Edelweiler.

*) Für die Übersetzung danke ich Mr. M. Wilson, Brentwood