20
Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 1 Norbert A. Przesang Kinderrechte ins Grundgesetz Spielplätze in der Rechtsprechung Im Namen des Volkes Swen Schulz Mehr Freiheit für Kinder Michael Müller Volksentscheid Pro Ethik – Gemeinsam, nicht getrennt Nr. 71 April 2009 Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Berlin e.V. Welche Jobcenter brauchen wir? mit Jörg Tänzer, RA, SGB II-Experte und Burgunde Grosse, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordnetenhausfraktion Moderation: Rainer Thamm Freitag, 24. April 2009, 17.00 Uhr im "Wahlkreis", Reinhardtstr. 37, 10117 Berlin Andreas Baldow Kinderspiel und Baurecht Angelika Schöttler Kinder in der Großstadt Markus Pauzenberger Sport und Lärm Joachim J. Hesse, Alexander Götz Evaluation SGB II Seite 3 Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde der SGK, Schwerpunkt dieser Ausgabe ist wie angekündigt das Thema Lärm. Sicherlich kein neues Thema, zumal sich Bürgerinnen und Bürger und Juristen ständig damit auseinan- dersetzen müssen. Hinsichtlich des Fluglärms hat das Primat der Politik mit der Schlie- ßung des Flughafens Tempelhof Entscheidungskraft bewiesen. Die vielen nächtlichen 30 km/h-Beschränkungen helfen den Anwohnerinnen und Anwohnern zu etwas mehr Nachtruhe. In diesen Fragen treffen die politischen Entscheidungen auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung. Dagegen ist es ein Ärgernis, dass es bislang noch nicht gelungen ist, eine verständige Lösung in der Frage des Kinderlärms zu finden. Dass auch bei der Rechtsprechung noch einiges im Unklaren ist, zeigen die in diesem Heft abgedruckten Beispiele. In die richtige Richtung geht das Plädoyer von Swen Schulz (MdB) für die Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung, um diese ein für alle Mal zu stärken. Auch im Zusammenhang mit Sportbetätigungen und vor allem mit Sportveranstal- tungen lässt sich Lärm bzw. eine Geräuschkulisse nicht immer vermeiden. Allerorts wird sportliche Betätigung im Interesse sozialen Verhaltens und der Gesundheitsvor- sorge gefordert und teils auch gefördert. Doch auch hier heißt es oft: „nicht in meiner Nachbarschaft“. Die Beispiele könnten endlos fortgeführt werden. Leider zeichnen sich keine baldigen Lösungen im Sinne eines Interessenausgleichs ab. Dies muss jedoch alle Beteiligten darin bestärken, mehr als bisher rechtzeitig ins Gespräch zu kommen. Ein Dauerthema ist in der SGK das SGB II, in den letzten Monaten seit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts vor allem die Suche nach einer Nachfolgelösung für die Jobcenter, damit weiterhin den Betroffenen die Leistungen aus einer Hand ange- boten werden können. In dieser Ausgabe wollen wir daher die Aufmerksamkeit auf die Zusammenfassung der Evaluation der Aufgabenträgerschaft von Prof. Joachim Jens Hesse und Alexander Götz lenken. Euer / Ihr Norbert A. Przesang Seite 5 Seite 6 Seite 7 Seite 7 Seite 8 Seite 10 Seite 13 Barbara Scheffer 25 Jahre Gleichstellungs- stelle der SPD-Fraktion Seite 15 Stefanie Winde Nichtraucherschutzgesetz Seite 17 VERANSTALTUNGSTIPP Christian Gaebler Lärmaktionsplan 2008 Seite 11 Kleine Anfrage im AH Kinderlärm nicht hinnehmbar? Seite 12

Welche Jobcenter brauchen wir? Freitag, 24. April … · Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Berlin e.V. Welche Jobcenter brauchen wir? mit Jörg Tänzer, RA,

  • Upload
    leanh

  • View
    218

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 1

Norbert A. PrzesangKinderrechte ins Grundgesetz

Spielplätze in der RechtsprechungIm Namen des Volkes

Swen SchulzMehr Freiheit für Kinder

Michael MüllerVolksentscheid Pro Ethik – Gemeinsam, nicht getrennt

Nr. 71 April 2009

Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Berlin e.V.

Welche Jobcenter brauchen wir?mit Jörg Tänzer, RA, SGB II-Experte und

Burgunde Grosse, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordnetenhausfraktion

Moderation: Rainer Thamm

Freitag, 24. April 2009, 17.00 Uhrim "Wahlkreis", Reinhardtstr. 37, 10117 Berlin

Andreas BaldowKinderspiel und Baurecht

Angelika SchöttlerKinder in der Großstadt

Markus PauzenbergerSport und Lärm

Joachim J. Hesse, Alexander GötzEvaluation SGB II

Seite 3

Liebe Genossinnen und Genossen,liebe Freundinnen und Freunde der SGK,

Schwerpunkt dieser Ausgabe ist wie angekündigt das Thema Lärm. Sicherlich kein neues Thema, zumal sich Bürgerinnen und Bürger und Juristen ständig damit auseinan-dersetzen müssen. Hinsichtlich des Fluglärms hat das Primat der Politik mit der Schlie-ßung des Flughafens Tempelhof Entscheidungskraft bewiesen. Die vielen nächtlichen 30 km/h-Beschränkungen helfen den Anwohnerinnen und Anwohnern zu etwas mehr Nachtruhe. In diesen Fragen treffen die politischen Entscheidungen auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung.

Dagegen ist es ein Ärgernis, dass es bislang noch nicht gelungen ist, eine verständige Lösung in der Frage des Kinderlärms zu finden. Dass auch bei der Rechtsprechung noch einiges im Unklaren ist, zeigen die in diesem Heft abgedruckten Beispiele. In die richtige Richtung geht das Plädoyer von Swen Schulz (MdB) für die Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung, um diese ein für alle Mal zu stärken.

Auch im Zusammenhang mit Sportbetätigungen und vor allem mit Sportveranstal-tungen lässt sich Lärm bzw. eine Geräuschkulisse nicht immer vermeiden. Allerorts wird sportliche Betätigung im Interesse sozialen Verhaltens und der Gesundheitsvor-sorge gefordert und teils auch gefördert. Doch auch hier heißt es oft: „nicht in meiner Nachbarschaft“.

Die Beispiele könnten endlos fortgeführt werden. Leider zeichnen sich keine baldigen Lösungen im Sinne eines Interessenausgleichs ab. Dies muss jedoch alle Beteiligten darin bestärken, mehr als bisher rechtzeitig ins Gespräch zu kommen.

Ein Dauerthema ist in der SGK das SGB II, in den letzten Monaten seit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts vor allem die Suche nach einer Nachfolgelösung für die Jobcenter, damit weiterhin den Betroffenen die Leistungen aus einer Hand ange-boten werden können. In dieser Ausgabe wollen wir daher die Aufmerksamkeit auf die Zusammenfassung der Evaluation der Aufgabenträgerschaft von Prof. Joachim Jens Hesse und Alexander Götz lenken.

Euer / Ihr

Norbert A. Przesang

Seite 5

Seite 6

Seite 7

Seite 7

Seite 8

Seite 10

Seite 13

Barbara Scheffer25 Jahre Gleichstellungs-stelle der SPD-Fraktion

Seite 15

Stefanie WindeNichtraucherschutzgesetz

Seite 17

VERANSTALTUNGSTIPP

Christian GaeblerLärmaktionsplan 2008

Seite 11

Kleine Anfrage im AHKinderlärm nicht hinnehmbar?

Seite 12

2 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 3

Neuer Vorstand der SGK BerlinAuf der Jahreshauptversammlung am 21. November 2008 wurde

ein neuer Landesvorstand gewählt. Nachfolgend veröffentlichen wir den Namen, die Funktion und den Bezirk der neuen Vorstands-mitglieder.

VorsitzenderHorst Porath, Mitte

1. StellvertreterRainer Thamm, Tempelhof-Schöneberg

StellvertreterAxel Hedergott, SpandauJutta Leder, MitteDr. Hans-Ulrich Oel, Tempelhof-Schöneberg

SchatzmeisterOliver Igel, Treptow-Köpenick

SchriftführerFréderic Verrycken, Charlottenburg-Wilmersdorf

GeschäftsführerinHeike Schmitt-Schmelz, Charlottenburg-Wilmersdorf

BeisitzerBernt Albrecht, LichtenbergSusann Engert, PankowKirsten Flesch, NeuköllnEllen Haußdörfer, Treptow-KöpenickHans-Rainer Harder, Treptow-KöpenickRolf Kempfer, Steglitz-ZehlendorfIrene Köhne, Steglitz-ZehlendorfMatthias Köhne, PankowNorbert Przesang, Tempelhof-SchönebergJürgen Radebold, Treptow-KöpenickBarbara Scheffer, Charlottenburg-WilmersdorfMarc Schulte, Charlottenburg-WilmersdorfKarin Seidel-Kalmutzki, LichtenbergOliver Schworck, Tempelhof-SchönebergPeter Senftleben, Reinickendorf

RevisorenHelmut Hampel, PankowWolfgang Kornau, Steglitz-ZehlendorfStephan Machulik, Spandau

Wer in der Berliner Kommunalpolitik mitgestalten will, weiß, wie schwierig es ist, sich in die komplexe Materie von Fachpolitik und Verwaltungshandeln einzuarbeiten. Abhilfe schafft ein neues - in dieser Form einmaliges Nachschlagewerk:

Das Berliner Kommunalpolitische Lexikon.Aus der Praxis - für die Praxis ist das Motto: Rund 400 Stichworte werden von erfahrenen Fachleuten aus Politik und Verwaltung erläutert. Das Lexikon soll Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern bei der täglichen Arbeit begleiten. Auch für Verwaltungen, Verbände, Wirtschaft und Medien ist das Lexikon ein wichtiges Arbeitsinstrument. Fachbegriffe wie „Abberu-fung des Bezirksamts“ oder „Städtebaulicher Vertrag“ werden erläutert. Aktuelle politische Themen wie „De-mografischer Wandel“, „Integration“ u. a. werden in ihren vielen Facetten als Herausforderung für die Po-litik dargestellt. Das Lexikon erklärt nicht nur, es zeigt jeweils auch die Möglichkeiten der kommunalpolitischen Einflussnahme auf.

Preis: 19,50 EUR zzgl. Porto und Verpackung

Bestelladresse:NetworkMedia GmbHStresemannstraße 30, 10963 Berlin

Bestell-Telefon: (0 30) 2 55 94-130Bestell-Fax: (0 30) 2 55 94-199E-Mail: [email protected]

SGK-Mitglieder erhalten das Lexikonunentgeltlich - noch ein guter Grund,

Mitglied zu werden!

Herausgeber:Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitikin Berlin e.V. – SGK Berlin –Müllerstraße 163, 13353 BerlinTel 030 / 46 92 - 134, Fax 030 / 46 92 - 116Vorsitzender: Horst PorathMail an Redaktion und Vorstand: [email protected]:Dr. Hans-Ulrich Oel (V.i.S.d.P.), Horst Porath, Norbert Przesang, Rainer Thamm, Heiko HanschkeSatz & Layout: Heiko Hanschke, Druck: KSHNamentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers oder der Redaktion wieder.

I MPRESSUM

2 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 3

Wer beim Volksentscheid Pro Reli mit Nein stimmt, trifft die bessere Wahl für Berlin. Denn: Berlin braucht einen gemeinsamen Ethikunterricht. Um unser Ziel zu erreichen, hat sich die Berliner SPD mit vielen anderen Befürwortern zu einem breiten Bündnis Pro Ethik zusammengeschlossen. Dazu gehören neben Linken und Grünen die GEW, Christen pro Ethik und viele andere gesellschaftli-che Gruppierungen in unserer Stadt: vom Türkischen Bund bis zum Humanistischen Fachverband.

Ein gemeinsamer Ethikunterricht für alle Schüler ist für Berlin der richtige Weg. Berlin ist eine weltoffene und internationale Stadt. Das spiegelt sich auch in unseren Schulen wider. Die Berliner Schülerinnen und Schüler sind unterschiedlicher Herkunft, sind von verschiedenen Traditionen und Religionen geprägt. Angesichts dieser Vielfältigkeit ist es entscheidend, dass sie Gelegenheit haben, miteinander ihre religiösen und weltanschaulichen Vorstellungen zu diskutieren, Unterschiede kennen zu lernen, aber vor allem auch gemeinsame Werte festzustellen. Wir wollen, dass Katholiken und Juden ebenso wie Moslems und Christen tagtäglich friedlich mit-einander leben und sich mit Toleranz begegnen. Dazu braucht es eine gemeinsame Basis.

Der Religionsunterricht, wie er in Berlin seit Jahrzehnten bekannt ist, wird keineswegs abgeschafft. Ethik ist als Ergänzung hinzu-gekommen. Der Ethikunterricht ist natürlich kein Allheilmittel.

Trotzdem hilft er fundamentalistischen Tendenzen bei Jugendlichen entgegen zu wirken, fördert gewaltfreie Konfliktlösungen und un-terstützt den Wertekonsens in unserer Gesellschaft. Wir brauchen diesen Dialog an unseren Schulen.

Genau deshalb haben wir mit unserem Koalitionspartner den verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schüler ab Klasse 7 zum Schuljahr 2006/2007 eingeführt. Ein Viertel der Berliner Oberschü-ler haben im letzen Jahr zusätzlich am freiwilligen Religions- oder Weltanschauungsunterricht teilgenommen. Wir wollen nicht, dass dieser Erfolg nun wieder kaputt gemacht wird. Und wir sind dagegen, dass Schüler gezwungen werden sollen, sich entweder für Ethik oder für Religion zu entscheiden. Das was Pro-Reli will, bedeutet in Wahrheit weniger Wahlfreiheit für die Schüler.

Echte Wahlfreiheit haben die Schülerinnen und Schüler bereits jetzt. Denn jeder kann neben dem Ethikunterricht selbstverständ-lich freiwillig Religion dazu wählen. Der Religionsunterricht hat seinen Platz an der Schule immer behalten. Sein Status, den er seit Jahrzehnten in Berlin hat, wurde nicht verändert. Auch wird der Religionsunterricht weiterhin mit rund 50 Millionen Euro aus öffent-lichen Geldern finanziert. Derzeit gibt es in Berlin evangelischen, katholischen, orthodoxen, sunnitisch-schiitischen, alevitischen, jüdischen und buddhistischen Religionsunterricht und das Fach Humanistische Lebenskunde.

Der Senat war in der Vergangenheit und ist auch jetzt noch bereit, mit den Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften darüber zu reden, wie der gemeinsame Ethikunterricht gestaltet werden soll und wie die Kirchen direkt darin einbezogen werden können. So hatten die Kirchen selbst die Möglichkeit, sich an der Erstellung der Rahmenpläne für den Ethikunterricht zu beteiligen. Leider wurde dieses Angebot von den Kirchen bis heute ausgeschlagen.

Die Freiheit, die die Initiative Pro Reli auf ihren Plakaten so bemüht, wird in Berlin nicht eingeschränkt. Privat und im öffentli-chen Raum kann sich jeder seiner Religion zuwenden. In der Schule bleibt der Religionsunterricht erhalten - in seiner Form und seiner staatlichen Finanzierung unverändert. Der Ethikunterricht in den Klassen 7 bis 10 ist ein gutes und wichtiges Schulfach, in dem die Schülerinnen und Schüler voneinander und miteinander lernen. Beim Volksentscheid am 26. April geht es darum, diesen gemeinsamen Ethikunterricht zu erhalten. Denn gemeinsam ist besser!

Gemeinsam, nicht getrennt: Nein beim Volksentscheid ist die bessere Wahl

von Michael Müller

Michael MüllerLandesvorsitzender der SPD Berlin und Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus

4 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 5

Was ist Lärm?Als Lärm werden Geräusche (Schalle) bezeichnet, die durch

ihre Lautstärke und Struktur für den Menschen und die Umwelt gesundheitsschädigend oder störend bzw. belastend wirken. Dabei hängt es von der Verfassung, den Vorlieben und der Stimmung eines Menschen ab, ob Geräusche als Lärm wahrgenommen werden.

Die Wahrnehmung von Geräuschen als Lärm und die Lärmwirkung auf den Menschen hängen zum einen von physikalisch messbaren Größen ab:

- Schalldruckpegel

- Tonhöhe: Hohe Töne werden anders empfunden als Tiefe, in der Regel unangenehmer.

- Tonhaltigkeit Einzelne tonale Komponenten im Geräusch erhöhen die wahrgenommene Lautstärke

- Impulshaltigkeit: Geräusche mit starken Pegeländerungen (z. B. Hämmern) werden unangenehmer empfunden als Geräusche mit konstanter oder gleichmäßiger Lautstärke.

Mit den Fortschritten der Messtechnik ist es auch möglich gewor-den, die Frequenz-Zusammensetzung von Geräuschen zu ermitteln, was besonders beim Fluglärm eine Rolle spielt.

Zum anderen sind subjektive Faktoren maßgebend, wenn es um die Stärke der Lärmbelästigung geht:

- Tätigkeit: Während der Schlafenszeit wirkt Lärm extrem störend. Gleiches gilt bei Tätigkeiten, die hohe Konzentration erfordern.

- Die persönliche Bewertung: Geräusche, die jemand mag, werden auch bei hohen Lautstärken nicht als störend empfunden, Geräu-sche, die jemand nicht mag, gelten schon bei kleinen Lautstärken als störend (z. B. bestimmte Musik).

- Die soziale und kulturelle Bewertung: z. B. Kirchenglocken werden von weniger Menschen als störend bezeichnet als ein laufender Motor vor dem Haus.

- Die persönliche Befindlichkeit: Bestimmte chronische oder akute Erkrankungen gehen mit einer erhöhten Lärmempfindlichkeit ein-her: z. B. Depressionen, Meningitis. Bei Epilepsie und Eklampsie

kann Lärm ein Auslösefaktor für einen Anfall sein. Auch der all-gemeine gesundheitliche Zustand eines Menschen kann sich auf die Lärmempfindlichkeit auswirken.

Lärm kann unterschiedlichen Erzeugerquellen zugeordnet werden. Daraus ergeben sich verschiedene Wahrnehmungszusammenhänge und auch unterschiedliche Lärmwirkungen. Je nach der Quelle wer-den folgende Arten von Lärm unterschieden:

- Baustellenlärm- Fluglärm- Freizeitlärm- Gewerbelärm- Industrielärm- Nachbarschaftslärm- Schienenverkehrslärm- Sportlärm- Straßenverkehrslärm

Diese Aufzählung, entspricht den Einteilungen im deutschen Rechtssystem. Daneben gibt es weitere Lärmquellen wie Glocken-geläut, Schießplätze, öffentliche Veranstaltungen, die teilweise in besonderen Regelwerken beschrieben sind. Im Zuge der europä-ischen Einigung wurde der Begriff Umgebungslärm neu geprägt, um die Gesamtheit der menschlichen Wahrnehmung verschiedener Lärmquellen zu erfassen.

Von Lärmbelästigung wird dann gesprochen, wenn aufgrund eines oder mehrerer auftretender Geräusches eine Aktivität unterbrochen bzw. behindert wird. Besonders lärmempfindlich reagieren Perso-nen,- wenn die sprachliche Kommunikation gestört wird; z. B. ein lautes

Gespräch am Nachbartisch das Zuhören erschwert,- wenn sie Denkleistungen erbringen, z. B. auswendig Lernen von

Texten oder lernende Kinder in lauten Klassenräumen,- wenn sie schlafen wollen.

Lärm kann die sprachliche Kommunikation beeinträchtigen, Gedankengänge unterbrechen, Entspannung verhindern sowie das Einschlafen und Durchschlafen erschweren.

4 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 5

Es ist ein Politiker-Standard - aber wahr: Unsere Zukunft hängt von unseren Kindern ab. Wir sind in der Verantwortung, unseren Kindern die bestmöglichen Startmöglichkeiten zu schaffen und sie sollen in einer Umgebung aufwachsen können, in der sie sich frei entfalten können. Neben guter Bildung und Betreuung brauchen sie Räume, in denen sie sich bewegen können. Dabei geht es bisweilen nicht immer ruhig zu. Kinder können laut sein. Und diese Geräusche als Ausdruck kindlicher Lebensfreude werden in unserer Gesellschaft oftmals als unzumutbarer Lärm empfunden. Vor allem in Großstädten, wo meh-rere Generationen auf engstem Raum zusammen wohnen, klagen Nachbarn immer häufiger gegen Kinderlärm, der von Spiel- und Bolzplätzen oder von Kindertagesstätten ausgeht. Auch wenn die Gerichte bislang oftmals im Sinne der Kinder entschieden haben, zeigt sich, dass es an einem klaren rechtlichen Rahmen mangelt. Zudem ist zu befürchten, dass einzelne erfolgreiche Klagen, die zu Schließungen von Kindergärten geführt haben, Schule machen und eine Vielzahl von Klagen nach sich ziehen werden.

Es geht nicht darum, dass Kinder „Narrenfreiheit“ erhalten sollen. Klagen gegen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche per se zu verbieten ist sicherlich nicht der richtige Weg.

An erster Stelle steht immer die gegenseitige Akzeptanz, Toleranz und Rücksichtnahme der unterschiedlichen Bedürfnisse und Inter-essen sowohl der kleinen als auch der großen Menschen in unserer Gesellschaft. Oftmals hilft ein klärendes Gespräch oder ein runder Tisch mit allen Beteiligten.

Doch allein der Ausdruck, dass Kinder lärmen und damit stören, zeigt schon, dass die Bedürfnisse der kleinen Menschen häufig nicht akzeptiert und toleriert werden. Dann wird geklagt, ohne vorher das klärende Gespräch gesucht zu haben.

Um Klagefluten zu vermeiden, um zu verhindern, dass unsere Kinder nur noch außerhalb von Wohngebieten spielen dürfen, weil ihre laut ausgedrückte Lebensfreude mit Gewerbelärm gleichgesetzt wird, sollte nach klareren Regelungen gesucht werden. Klare Rege-lungen, die der Gesetzgeber schafft.

Hier stellt sich allerdings die entscheidende Frage, wem bezüglich Lärm und insbesondere „Kinderlärm“ die Gesetzgebungskompetenz zusteht: dem Bund oder den Ländern. Diese Frage zu beantworten, gestaltet sich nicht einfach. Auch im Rahmen der Föderalismusre-form I hatte man sich zum Ziel gesetzt, die Regelungskompetenzen zwischen Bund und Ländern im Bereich Lärmschutz klarer vonein-ander abzugrenzen. Dies ist leider nicht gelungen.

Das Immissionsschutzrecht und damit die Bekämpfung von Lärm fällt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG in den Bereich der konkur-rierenden Gesetzgebung. Das bedeutet zunächst ganz allgemein: der Bund kann grundsätzlich Gesetze zum Lärmschutz erlassen. Soweit auf Bundesebene nichts oder nichts abschließend geregelt ist, kommen landesrechtliche Regelungen zum Zug.

Die wichtigste Rechtsgrundlage in diesem Bereich bildet das 1974 erlassene Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Ne-ben dem BImSchG und den darauf gestützten Rechtsverordnungen des Bundes und der Länder finden sich immissionsschutzrechtli-che Bestimmungen in zahlreichen anderen Gesetzen, wie z.B. dem Atomgesetz, der Straßenverkehrsordnung, dem Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung.

Durch das BImSchG wurden insbesondere Regelungen zum Schutz vor anlagenbezogenen Immissionen geschaffen. Anlagebe-

dingte Immissionen sind zum einen solche, die unmittelbar durch eine Anlage verursacht werden. Zum anderen gehören hierzu aber auch Immissionen, die zwar durch menschliches Verhalten hervor-gerufen werden, aber der Anlage zuzurechnen sind. So kann man sagen, dass hierzu auch Geräusche spielender Kinder zählen, die von Sport- und Spielplätzen oder Kindergärten ausgehen. Im Un-terschied dazu werden rein verhaltensbedingte Immissionen, die unmittelbar von Menschen ausgehen und nicht dem Betrieb einer Anlage zuzurechnen sind, nicht durch das BImSchG geregelt, wie z.B. Lärm, der durch Menschen verursacht wird, die nachts laut singend durch die Straßen ziehen.

Beides: der anlagenbezogener Lärmschutz als auch der verhal-tensbezogene Lärmschutz unterlag bis zur Föderalismusreform der konkurrierenden Gesetzgebung. Der Bundesgesetzgeber hat beim verhaltensbezogenen Lärm aber keinen Gebrauch davon gemacht und diese Materie somit den Ländern überlassen. So haben Länder - wie auch Berlin - eigene Lärmimmissionsschutzgesetze erlassen.

Mit der Föderalismusreform wurde dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG der Klammerzusatz „ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm“ angefügt. Dadurch ist den Ländern der verhaltensbezogene Lärm-schutz nunmehr verfassungsrechtlich exklusiv vorbehalten.

Allerdings ist umstritten, welche Folgen sich daraus tatsächlich ergeben. Die Frage ist, ob durch die gefundene Formulierung die Länder auch zuständig sind für den verhaltensbedingten Lärm, der von Anlagen bzw. ortsfesten Einrichtungen wie Kindertagesstätten ausgeht.

So wird auf der einen Seite argumentiert, dass aus der Begrün-dung des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen (Bundestagsdrucksache 16/813) eindeutig hervorgeht, dass den Ländern die alleinige Kompetenz zusteht. Hier heißt es: „Die kon-kurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Lärmbekämpfung soll künftig nicht mehr den Lärm von Sportanlagen und anderen Einrichtungen umfassen, die der Freizeitgestaltung dienen oder eine soziale Zweckbestimmung haben. Regelungen zur Bekämpfung des Lärms von sozialen Einrichtungen, Sport- und Freizeitanlagen wie Kindergärten, Jugendheime, Spielplätzen, Sportstätten und -Stadien, Theater- und Ausführungsorten sowie Veranstaltungs- und Festplät-zen, Hotels und Gaststätten fallen als Anlagen mit überwiegend lokaler Bedeutung in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder.“ Hiernach hätten also die Länder die Kompetenz, auch anlagenbezogenen Lärm zu regeln, sofern dieser Lärm von den Nutzern der Anlage ausgeht.

Aber selbst wenn davon auszugehen ist, dass die ursprüngliche Zielsetzung die Kompetenzübertragung auf die Länder war, so wird andererseits argumentiert, dass mit dem Klammerzusatz „ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm“ diese Zielvorstellung nicht

Mehr Freiheit für Kinder!von Swen Schulz, Mitglied des Deutschen Bundestages

Swen SchulzMitglied des Deutschen Bundestages

6 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 7

umgesetzt wird. Demnach ist gerade durch die Wahl des Begriffes „verhaltensbezoger Lärm“ eine Abgrenzung zum anlagenbezoge-nen Lärm geschaffen worden. Die Länder wären also eindeutig nur zuständig, wenn der Lärm nicht von einer Anlage hervorgerufen wird, sondern auf dem sozialen Verhalten von Menschen beruht. Verhaltensbezogener Lärm wäre sozusagen nur der Rest des Lärms, der nicht unter anlagenbezogenen Lärm fällt. Dieser wiederum wird durch das BImSchG geregelt. Nach dieser Argumentation bleibt es also wie bislang bei der konkurrierenden Gesetzgebung. Sowohl der Bund als auch die Länder könnten Regelungen schaffen. Diese Position wird auch von Vertretern des Bundesministeriums für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vertreten.

Es zeigt sich, dass die Abgrenzung der Gesetzgebungskompe-tenzen von Bund und Ländern im Bereich des Lärmschutzes auch nach der Föderalismusreform nicht abschließend geklärt ist. Dieser Auffassung ist auch die Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/8688).

Bei genauer Betrachtung der Kinderlärm-Klagen und Kinderlärm-Urteile zeigt sich, wie komplex und schwierig die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind, egal ob es sich um Schließungen von Kindertagesstätten, Spiel- oder Bolzplätzen handelt. Im Bereich des Lärmschutzes gibt es bereits heute Verordnungen wie die Sportanla-genlärmschutzverordnung oder die Freizeitlärmrichtlinie. Im Land Bayern wurde mit der Biergarten-Verordnung eine lärmschutzrecht-liche Ausnahmeregelung für Gartenwirtschaften geschaffen. Es stellt sich also die Frage, warum es nicht möglich sein sollte, in Bezug

auf Kinderlärm klare Regelungen zu finden beispielsweise durch eine Kinderlärm-Verordnung.

Nach den obigen Ausführungen scheiden sich Geister, ob der Bund bei Kinderlärm Ausnahmeregelungen in Form einer ent-sprechenden Verordnung erlassen dürfte. Festzuhalten bleibt, dass die Länder Regelungskompetenzen haben, ob konkurrierend oder ausschließlich.

Doch anscheinend sehen die Länder keinen Handlungsbedarf und beurteilen die Rechtslage als geklärt. So sieht auch die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in Berlin keinen Änderungsbedarf im Landes-Immissionsschutzgesetz, denn die „Sozialadäquanz der kindlichen Lebensfreude“ sei ausreichend durch Ausführungsvorschriften berücksichtigt.

Ich komme letztlich zu einer pragmatisch-politischen Schluss-folgerung: Es gibt offenkundig Handlungsbedarf zum Schutze von Freiräumen für Kinder. Und wenn die Kompetenzverteilung umstritten ist, dann sollten sich die verschiedenen Ebenen nicht die Verantwortung gegenseitig zuschieben und damit eine beque-me Blockade organisieren oder ansonsten das Thema ignorieren, sondern jemand muss etwas tun, muss die Diskussion ins Rollen bringen. Und das sollten wir als SPD-Bundestagsfraktion sein! Ich werde darum noch in diesem Jahr gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen eine Initiative starten, um auf diesem Feld voranzukom-men. Das mag vielleicht noch nicht in dieser Legislaturperiode zu einer Gesetzgebung führen. Aber den Weg dafür bereiten, das will ich versuchen.

Wie kinder- und familienfreundlich ist das Klima in unserer Großstadt Berlin? Immer wieder hören wir von Beispielen, bei denen die Interessen von Kindern und Jugendlichen mit denen von Ruhe begehrenden Erwachsenen gegeneinander stehen. Sei es der Kinderspielplatz neben dem Einfamilienhaus, die Kindertagesstätte in einem Wohnhaus oder der Spielplatz zu dicht an dem Fenster von Anwohnern. Immer wieder trifft sich der Drang auf Spielen mit dem Begehr auf Ruhe. Es kommt zu Konflikten, zunächst schlichten die Polizei, die Umweltämter und andere Fachämter wie Sportamt oder Jugendamt, am Ende entscheidet das Gericht.

Mein Plädoyer geht in drei Richtungen:

Erstens: Die Gesellschaft an sich muss die Toleranz für spielende Kinder und Jugendliche deutlich erhöhen. Ein „Sich-gegenseitig-aus-dem-Weg-Gehen“ ist in Berlin nicht möglich. Wir brauchen die Familien auch in der dicht besiedelten Innenstadt. Wir brauchen Kitas, Spielplätze, Sportplätze und viele weitere Treffpunkte für die Freizeit.

Zweitens: Der Gesetzgeber sollte alle Gesetze, Verordnungen und Ausführungsvorschriften überprüfen, um die Belange von Kindern und Jugendlichen besser zu berücksichtigen. Ein Beispiel ist die „Wer war zuerst da“-Klausel für Spielplätze und Sportanlagen. Es ist heute möglich, wider besseren Wissens eine Wohnung neben einem Spielplatz oder einem Sportplatz zu kaufen und dann sich über den Lärm zu beschweren und Recht zu bekommen. Hier muss aus meiner Sicht der Bestandsschutz deutlich ausgebaut werden, auch wenn dies nicht bedeuten darf, dass alles erlaubt ist. Bei neu-en Anlagen ist es richtig, dass schon beim Bau alle Möglichkeiten der Lärmminimierung ausgeschöpft werden müssen, um unter den bestehenden Richtlinien zu bleiben.

Drittens: Es müssen mehr Räume geschaffen werden für Kinder und Jugendliche, damit genug Platz da ist, auch mal auszuweichen und die Kinder und Jugendlichen nicht alle auf wenige Plätze angewiesen sind. Hier muss die Politik weiter die Grundstücke zur Verfügung stellen und nicht die reine Verwertung und den gewinnbringendsten Verkauf im Auge haben. Das gleiche gilt für den Liegenschaftsfonds, der mehr Möglichkeiten und bessere Rah-

menbedingungen für den Verkauf zum Erhalt oder dem Entstehen von Infrastruktureinrichtungen durch Investoren bekommen muss. Nicht immer sollte der Gewinn in Geld zählen, sondern es sollte der Gewinn für die Gesellschaft im Vordergrund stehen. Wenn alle Grundstücke verkauft sind, um darauf Einkaufszentren, Wohnungen oder Gewerbe zu bauen, bleibt kein Raum zum Spielen. Hier muss die Politik jenseits von Grenzwerten aufpassen und handeln!

Wenn sich bei allen drei Punkten etwas verbessern würde, wäre Berlin langfristig auf dem Kurs, kinder- und familienfreundlicher zu werden. Und das brauchen wir dringend!

Kinder in der Großstadt – ist genug Platz für alle?von Angelika Schöttler

Angelika SchöttlerBezirksstadträtin für Familie, Jugend, Sport und QM in Tempelhof-Schöneberg

6 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 7

Unter diesem Titel führte die Berliner Landesgruppe der SPD im Deutschen Bundestag am 19. Februar 2009 eine Veranstaltung im Otto-Wels-Saal (Reichstag) durch.

Getreu dem Leitsatz der Einladung, dass Kinder eigene Rechte haben, wurde dies ganz besonders in der Diskussion deutlich, an der sich nach dem Vortrag von Brigitte Zypries sehr viele Teilnehmerin-nen und Teilnehmer - teilweise sehr heftig - beteiligten. Die durch Richtersprüche angeordneten Schließungen von Kindertagesstätten und Spiel- bzw. Bolzplätzen stießen auf keinerlei Verständnis, wobei es sich bei den Diskutanten vorwiegend um „ältere“ Genossinnen und Genossen handelte („ich bin schon 52 Jahre in der SPD!“). Wenn schon der Tierschutz verfassungsrechtlich gesichert ist, sei es nunmehr dringend erforderlich, auch die Rechte der Kinder im Grundgesetz zu verankern. Damit würde die Rechtsrangfolge ein-deutig und das Bundesimmissionsschutzgesetz einschließlich der Lärmschutzverordnungen hintenan stehen, d.h. mit dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz dürfte es der Jurisprudenz schwer fallen, eine Mauer um einen Kindergarten für das Ruhebedürfnis der Anwohner nahezulegen (oder den Kindergarten schließen zu lassen).

Zugleich wäre dies ein Auftrag an die Gesetzgeber, die Lärmschutz-regelungen zu modifizieren und den „Lärm“ der Kinder nicht mehr als „anlagenbedingten Lärm“ zu klassifizieren.

Aber es geht nicht nur allein um die natürliche Entfaltung der Kin-der in den Einrichtungen (oder wie es so schön in der Lärmschutzver-ordnung heißt, in den „Anlagen“), sondern dazu beizutragen, dass die Kinder eigene Potenziale unter dem besonderen Schutz des Staates entwickeln und entfalten können. Sie sollen dabei von Anfang an als eigenständige Personen mit eigenen Rechten wahrgenommen wer-den. Sie müssen in behördlichen und gerichtlichen Angelegenheiten eine eigene und vor allem eine stärkere Stellung erhalten.

„Deshalb setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz und damit für eine Stärkung der Kinder in unserer Gesellschaft ein“ (s. vorstehenden Artikel von. Swen Schulz). Angesichts des beginnenden Bundestagswahlkampfes scheint es jedoch in dieser Wahlperiode kaum eine Chance für die Ergänzung des Grundgesetzes zu geben.

Norbert A. Przesang

Kinderrechte ins GrundgesetzVeranstaltung der Berliner Landesgruppe der SPD im Deutschen Bundestag

Kinderspiel und Baurecht von Andreas Baldow

Kinderspiel wird störend oft empfunden, da es meist mit Lärm verbunden. Was in Anlehnung an die Poesie des Wilhelm Busch hier zum Ausdruck kommt, ist für den Planungsrechtler eher nüchterner Alltag. Denn für ihn zählt allein die Frage, wie wird ein Grundstück genutzt. Welche Nutzungen sind zulässig, wie vertragen sich die einzelnen Baugebiete zueinander und gibt es, unter dem Gebot der Rücksichtnahme, zu beachtende Materien? Und genau dieser Bezug zum Bodenrecht birgt oftmals die Missverständnisse, die auftreten, wenn die (Kommunal-)Politik aufgefordert wird, mit Hilfe des Bauplanungsrechts gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das Planungsrecht ist vollkommen wertneutral, ihm geht es nicht um gesellschaftspolitische Dinge, sondern nur um die Vermeidung bodenrechtlicher Spannungen.

Instrumentarium für die städtebauliche Entwicklung ist hierbei die Baunutzungsverordnung. Sie ergänzt das Baugesetzbuch und bildet den Rahmen, den die Gemeinden (...in Berlin die Bezirke) bei der Aufstellung der Bebauungspläne einzuhalten und auszufül-len haben. Dabei ist die Systematik der Baugebietsvorschriften (§§ 2-9 BauNVO 90) - mit Ausnahme des „Besonderen Wohngebiets“ (§4a BauNVO) - einheitlich aufgebaut. Die einzelnen Baugebiete („Allgemeines Wohngebiet“, „Mischgebiet“, „Gewerbegebiet“...) sind zunächst mit einer kurzgefassten, allgemeinen Erklärung des Gebietscharakters umschrieben. Dieser Beschreibung der Zweck-bestimmung folgt ein Katalog der zulässigen und ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen und Nutzungen. Mit dieser inhaltlichen Ausformung der Baugebiete kann der Planer für die Bauleitplanung die städtebaulich gewollten und hinsichtlich der Störintensität ab-gestuften Zuordnung zueinander vornehmen1.

Ein Problem, welches die Stadtplanung immer zu lösen hat, ist der Konflikt zwischen „Wohnen“ und „Lärm“. Je nach Gebietstypik muss sich die Wohnnutzung mit einer mehr oder weniger starken Störung der Wohnruhe auseinandersetzen. Nachvollziehbar ist, dass in einem „Reinen Wohngebiet“ das Ruhebedürfnis höher zu

bewerten ist als in einem Mischgebiet, in dem die gewerbliche Nutzung gleichrangig daneben steht. Planungsrechtlich ist der Begriff des Wohnens nicht genau definiert. Am Besten lässt er sich durch den Begriff des häuslichen Lebens umschreiben. Wohnen ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie der Freiwilligkeit des Aufenthaltes gekennzeichnet (BverwG, Beschluss von 1996). Die Wohnbedürfnisse, die nicht mit den Lebensbedürf-nissen gleichzusetzen sind, sind in erster Linie auf die Wohnruhe gerichtet. Sie wird seit jeher durch ordnungsrechtliche Vorschriften seitens der Ordnungsbehörden und durch die Hausordnungen seitens der Hauseigentümer geschützt.

Was aber ist mit dem Lärm, der von spielenden Kindern vom nahe gelegenen Spielplatz ausgeht? Knapp zusammen gefasst, „Wohnen und Spielen“ gehören zusammen. In den Bauordnungen ist geregelt, dass bei der Errichtung von Gebäuden ab einer bestimmten Anzahl von Wohnungen Spielplätze anzulegen sind (§8 (2) BauO Berlin). Die Anlage von Spielplätzen für Kinder ist somit eine Voraussetzung für die Genehmigung zum Bau eines Wohnhauses und kann nicht mit anderen Nutzungen (Gewerbetriebe, Restaurants...) verglichen werden. Wird ein Spielplatz bestimmungsgemäß genutzt, laufen eventuelle Klagen von Anwohnern damit ins Leere. Die Verwal-tungsgerichte haben mehrfach entschieden, dass die Anrainer eines Spielplatzes nicht in unzumutbarer und damit rechtswidriger Weise von spielenden Kindern beeinträchtigt werden. Konflikte mit den - meist kinderlosen - Nachbarn können über definierte Nutzungszeiten des Spielplatzes gelöst werden. Selbstverständlich ist, in der Nacht spielt kein Kind im Freien.

Die Erste Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz hat in einem Urteil vom 17. Juni 2008 im Streit über die Rechtmäßigkeit der Nutzung eines angelegten Kinderspielplatzes entschieden: „Kin-derspielplätze sind für die altersgemäße Entwicklung der Kinder wünschenswerte und erforderliche Einrichtungen, um den Kindern

8 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 9

einen von Beeinträchtigungen der Umwelt weitgehend ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und ihnen unter anderem Gelegenheit zu geben, ihr Sozialverhalten in Spielen mit anderen Kindern zu trainieren. Um den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Betreuungsperson Rechnung zu tragen, gehören Kinderspielplätze in die unmittelbare Nähe einer Wohnbebauung und sind als deren sinnvolle Ergänzung anzusehen. Die mit der Benutzung eines Kin-derspielplatzes für die nähere Umgebung unvermeidbar verbunde-nen Auswirkungen, wozu auch das laute Lachen und Schreien der Kinder gehört, sind ortsüblich und sozialadäquat. Kinderspielplätze, die nach ihrer Ausstattung für Kinder bis zu 14 Jahren eingerichtet sind, sind deshalb grundsätzlich in allen Baugebieten hinzunehmen“ (1 K 198/08.KO).

Andreas Baldow ist Dipl.Ing. Stadtplaner / Mitarbeiter bei Sen-Stadt, Abteilung II „Städtebau und Projekt“ im Referat IIC „Bau-planungsrecht“1) Quelle: Fickert / Fieseler „Kommentar zur Baunutzungsverordnung“

11. Auflage - Verlag Kohlhammer

Spielplätze – Im Namen des VolkesSpielplatzlärm

Die von (bauplanungsrechtlich und baurechtlich zugelassenen) Kinderspielplätzen ausgehenden Geräusche (die bei der bestim-mungsgemäßen Nutzung entstehen) sind nach der herrschenden Rechtsauffassung zumutbar und deshalb hinzunehmen. Anwohner haben i. a. keine Möglichkeit, gegen Spielplatzlärm vorzugehen, auch wenn dieser zur Belästigung führt.

Spiel-, Freizeit- & Sportlärm

Lärm, der von Kinderspielplätzen ausgeht, ist von den Anwohnern in aller Regel zu dulden. Dies ist auch richtig: Man kann den Bewe-gungsspielraum von Kindern z.B. durch den Bau von immer mehr Straßen, die sie nicht gefahrlos überqueren können, nicht immer mehr einschränken und ihnen gleichzeitig auch noch das Spielen, To-ben und Rufen auf ihren Spielplätzen untersagen. Es mag aber ganz besondere Fälle (Schutzbedürftigkeit anderer Einrichtungen) geben, in denen gewisse (z.B. zeitliche) Einschränkungen angebracht sind. Vorgehensmöglichkeiten ergeben sich ggf. auch, wenn ein Spielplatz von Personen „missbraucht“ wird, für die er gar nicht gedacht ist und hierdurch für die Anwohner Beeinträchtigungen entstehen.

Freizeitlärm geht von Einrichtungen aus, die von Personen zur Freizeitgestaltung genutzt werden (z.B. Vergnügungsparks, Aben-teuer-Spielplätze (nicht: Kinderspielplätze), Minigolfanlagen etc.). Hinweise darauf, welche diesbezüglichen Belastungen von den Nachbarn hingenommen werden müssen, ergeben sich - sofern vorhanden - aus den Freizeitlärmrichtlinien des jeweiligen Bun-deslandes.

Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Sport-anlagen wird in der 18. Verordnung zum Bundesimmissionsschutz-gesetz geregelt. In dieser Verordnung finden sich sowohl Hinweise, wann eine Sportanlage unter diese Verordnung fällt als auch hinsicht-lich des Berechnungs- und Beurteilungsverfahrens der Belastung durch Lärm. Von den Aufsichtsbehörden kann ggf. verlangt und auch gerichtlich durchgesetzt werden, dass entsprechende Auflagen erlassen werden, um die Einhaltung der Sportanlagenlärmschutz-verordnung (18. BImSchV) zu gewährleisten.

Stoppt den Kinderlärm...

So lautet die Forderung vieler Vermieter, Mitbewohner und Nachbarn.

Da stellt sich die Frage, ob die Kinder heute lauter geworden sind. Die Antwort darauf ist leicht: Kinder sind heute nicht lauter als früher, ihre Umgebung ist aber leider kinderunfreundlicher und die Menschen empfindlicher geworden. Tatsache ist aber, daß Kinder nicht wie Radios ein- bzw. ausgeschaltet werden können. Kinder benötigen für ihre Entwicklung einen Freiraum, indem sie spielen, rennen, toben - sich bewegen können.

Eine unvermeidliche Folge ist, daß durch das Spielen mehrerer Kinder oft Geräusche erzeugt werden. Warum aber ist Kinderlärm eine so große Belastung?! Flugzeuge und Verkehrslärm sind mit Abstand unerträglicher und keiner wagt dagegen vorzugehen, also warum wird eigentlich normales Spielverhalten von Kindern so ge-tadelt? Dafür gibt es wohl nur eine Erklärung: Gegenüber Kindern kann jeder, der es für nötig hält, seine Machtposition behaupten, einem Motorrad(fahrer) hinterherzuschreien wäre hingegen sinn-los. Dazu paßt zudem, daß Erwachsene selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen zu jeder Tages- und nachtzeit zu feiern, laute Musik zu hören, zu bohren, Auto zu waschen usw. Viel zu oft endet dieser Konflikt leider vor Gericht. Die beantragte Klage basiert auf einer Unterlassungsverpflichtung gem. §1004 Abs. 1, BGB. Meistens jedoch entscheiden die Richter zugunsten der Kinder. Die Klage wird oft mit der Begründung, daß diese Art Beeinträchtigung zumutbar ist und somit eine Unterlassungsklage nicht stattzugeben sei, gem. §1004 Abs. 2 BGB, abgelehnt.

Nachbarn müssen den unvermeidlichen Lärm, der durch spielende Kinder verursacht wird, hinnehmen. LG, Berlin Ak-tenzeichen 61, S. 288 / 1985

Kinderlärm ist hinzunehmen. Eine Unterlassungsklage gem. §1004 Abs. I BGB ist somit erfolglos. AG, Kassel 872c 855/ 91:

„Der übliche, von Kindern verursachte Lärm, kann zwar mögli-cherweise, wie jeder andere Lärm, eine Belästigung des Nachbarn darstellen, er ist jedoch zur Tageszeit keine wesentliche Beeinträch-tigung i.S. §1004 BGB. Auch wenn der Kinderlärm als besonders

Am 29. April 2009 findet der nächste "Tag gegen den Lärm – International

Noise Awareness Day " statt.

Leider sind derzeit keine Aktionen in Berlin geplant!

8 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 9

störend empfunden wird, ist er als Lebensäußerung unvermeidbar und gerade auch in einem Wohngebiet der Nachbarschaft regelmäßig zumutbar (...).

Schreie und Rufe von Kindern sind Teil ihres Entwicklungsprozes-ses, so daß Kinderlärm unter dem allgemeinen Toleranzgebot steht (...). Das Erzeugen von Lärm ist eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung des kindlichen Spiels und darf nur in sehr engen Grenzen beschränkt werden (evtl. bei gesundheitlichen Schäden). Der von Kinderspielplätzen, Schulen und Kindergärten ausgehende Lärm stellt eine übliche Lärmbelästigung dar (...).

Insbesondere darf die Lärmbelästigung nicht an der Empfind-lichkeit dessen gemessen werden, der keine Kinder hat und / oder Kindern gegenüber negativ eingestellt ist, denn der zum Maßstab erhobene Durchschnittsbewohner ist ein Mensch in einer auch von Kindern bevölkerten Welt (...).

Die Einhaltung einer Mittagspause oder die Rücksichtnahme auf Nachbarn mit atypischen Arbeitszeiten (Schichtarbeit und Nacht-arbeit) kann von Kindern nicht gefordert werden. Die unterschied-lichen Schulzeiten der Kinder und der in einem Industriestaat nicht mehr festlegbare Begriff der Arbeitszeit, würden sich viel zu sehr überlagern (...).“

Bolzplatz-Lärm ist zumutbar

Anwohner haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, ihr Bedürf-nis nach Ruhe durchzusetzen (Oberverwaltungsgericht Berlin Az. 2 B 6/91). Danach müssen Anwohner den Lärm ertragen, wenn der Bolzplatz Teil eines Kinderspielplatzes ist. Dieser fällt nämlich nicht unter die „Sportanlagenlärmschutzverordnung“.

Das Gericht entschied, dass die Bolzplatz-Beseitigung von Anwoh-nern nicht verlangt werden kann, wenn durch einen dem Stand der Technik entsprechenden Ballfangzaun eine Lärmminderung erreich-bar und dieser geminderte Geräuschpegel zumutbar ist. Was zumut-bar ist und was nicht, entscheiden dabei nicht die Anwohner.

Umweltbundesamt: Sport- und Freizeitlärm

Als Sportlärm werden Geräusche bezeichnet, die durch den Be-trieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zweck der Sportausübung betrieben werden, ausgehen.

Lärm von Freizeitanlagen (Anlagen, die von Personen zur Gestal-tung ihrer Freizeit genutzt werden, z.B. Vergnügungsparks, Abenteu-er-Spielplätze, Musikdarbietungen auch auf Anlagen, die sonst der Sportausübung dienen) ist kein Sport-, sondern Freizeitlärm.

Bei Geräuschen aus kulturellen Einrichtungen und Diskotheken, die gewerblich betrieben werden und damit in den Geltungsbereich des Gaststättengesetzes fallen, handelt es sich nicht um Freizeitlärm, sondern um Gewerbelärm. Dieser wird nach der Technischen An-leitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm beurteilt.

Geräusche von Kinderspielplätzen, die die Wohnnutzung im be-troffenen Gebiet ergänzen, fallen ebenfalls nicht unter den Begriff Freizeitlärm. Sie sind i.d.R. zu tolerieren. Persönlicher Musikkonsum z.B. in einer Diskothek ist kein Freizeitlärm, wobei hier jedoch oft fälschlicherweise der Begriff Freizeitlärm verwendet wird. Im „klassischen“ Sinn ist Freizeitlärm ein Geräusch, dass von einer Anlage ausgeht und die Nachbarschaft beeinträchtigen bzw. beläs-tigen kann.

Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen (Gefahren, er-hebliche Belästigungen und Beeinträchtigungen) durch Lärm von

Sportanlagen wird durch die Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV geregelt. Die Verordnung enthält neben Immissi-onsrichtwerten auch das Ermittlungs- und Beurteilungsverfahren (Beurteilungspegel).

Lärm von Freizeitanlagen, die nicht unter die 18. BImSchV fallen, wird nach der Freizeitlärmrichtlinie des jeweiligen Bundeslandes beurteilt. Als Hilfe zur Beurteilung wird in manchen Fällen auch die TA-Lärm herangezogen.

Einfluss auf die Emission von Sport- aber auch Freizeitanlagen haben Größe, Anzahl der Teilanlagen, Anzahl der Spieler, Anzahl und Verhalten der Zuschauer sowie die technische Ausrüstung z.B. mit Lautsprechern. Die Geräuschemission von Sport- und Frei-zeitanlagen wird durch den Schallleistungspegel gekennzeichnet. Er ist unabhängig von den äußeren Abmessungen der Anlage und unabhängig von der gewählten Messentfernung. Bei der Nutzung technischer Geräte (z.B. Motorsport oder Lautsprecher zur Zu-schauerinformation) treten meistens die höchsten Pegel auf. Aus den Schallleistungspegeln kann unter Berücksichtigung der Einflüsse auf dem Schallausbreitungsweg der Schalldruckpegel am Immissi-onsort errechnet werden. Bei der Berechnung des Beurteilungspegels müssen die Nutzungszeiten der Anlage berücksichtigt werden.

Bewertung von BolzplatzlärmBVerwG, Beschluss vom 11.02.2003 - 7 B 88.02

Die Immissionsrichtwerte der Sportanlagenlärmschutzverordnung sind auf Geräuschimmissionen, die von der bestimmungsgemäßen Nutzung von Ballspielplätzen und ähnlichen Anlagen für Kinder ausgehen, nicht unmittelbar anwendbar.

VG Berlin: Bolzplatz wird wegen Lärmbelästigung geschlossen

Das Verwaltungsgericht Berlin hat das Land Berlin verurteilt, einen in der Eosanderstraße 6 in Berlin-Charlottenburg gelegenen soge-nannten Bolzplatz zu schließen und zu diesem Zweck Ballfangzaun, Tore und Hartbelag zu entfernen.

Auf dem landeseigenen Grundstück Eosanderstraße 6 betreibt das Bezirksamt einen öffentlichen Kinderspielplatz, in dessen hinterem Teil sich ein Ballspielplatz (Bolzplatz) befindet, bestehend aus ei-nem mehrere Meter hohen, mit einem Ballfangnetz überspannten Stahlgitterzaun, Aluminiumtoren sowie einem Kunststoffbelag aus Hartgummi. Unmittelbar an diesen Ballspielplatz grenzt das Grund-stück, auf dem sich die Wohnung des Klägers befindet. Auf Grund wiederholter Beschwerden von Nachbarn hatte das Bezirksamt Charlottenburg schon im Jahre 2003 Schallmessungen durchfüh-ren lassen, deren Ergebnisse im Juni 2004 zu einer Einschränkung der Öffnungszeiten des Bolzplatzes durch das Verwaltungsgericht Berlin im Wege einstweiliger Anordnung führten. Nunmehr hatte der Kläger mit seiner Klage geltend gemacht, die Schließzeiten würden nicht eingehalten und der Ballspielplatz nicht von Kindern, sondern vielmehr von älteren Jugendlichen und Erwachsenen zum Fußball-spielen genutzt, was zu permanenten und unzumutbaren Lärmbe-lästigungen führe. Das Bezirksamt hatte sich demgegenüber darauf berufen, eine unrechtmäßige Nutzung außerhalb der Öffnungszeiten sei ihm nicht zuzurechnen.

Nach Auffassung des Gerichts steht dem Kläger ein Abwehrrecht gegen den von dem Ballspielplatz ausgehenden Lärm zu. Die ge-genwärtige Nutzung des Ballspielplatzes führe zu unzumutbaren Lärmbelästigungen, welche nur durch eine Beseitigung der Anlage unterbunden werden könnten. Wesentlich für die Entscheidung

10 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 11

des Gerichts war unter anderem eine vom Bezirksamt veranlasste und im September 2004 durchgeführte erneute Schallmessung, die Lärmwerte von werktags ungefähr 65 dB(A) ergab. Betrage der rechtlich zulässige Immissionsrichtwert in allgemeinen Wohnge-bieten tags außerhalb der Ruhezeiten maximal 55 dB(A), so werde dieser Richtwert durch den vom Bolzplatz ausgehenden Lärm weit überschritten.

Der Kläger konnte dem Gericht in der mündlichen Verhandlung an Hand von Videoaufnahmen veranschaulichen, wie der mehrere Meter hohe Stahlgitterzaun außerhalb der Öffnungszeiten überklettert, das Ballfangnetz überwunden und der Bolzplatz sodann von mehreren Spielern lautstark genutzt wurde. Der Kläger schilderte dem Gericht zudem, wie der verschlossene Bolzplatz an einem Wochenende wäh-

Sport ist hörbar - diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu. Ein Torschrei, das Auftippen eines Balls, das Keuchen eines Läufers oder einer Läuferin.

Dass Sport auch als Lärm empfunden wird, ist insbesondere vielen Sportvereinen und Aktiven in Großstädten in den letzten Monaten und Jahren schmerzhaft vor Augen geführt worden. Dann nämlich, als sie sich mit Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern konfron-tiert sahen, die in der Nähe von Sportplätzen oder -hallen leben.

Dabei sind es oftmals gar nicht die Sportlerinnen und Sportler, die den Ärger in der Nachbarschaft auslösen, sondern die „Begleit-erscheinungen“ wie an- und abfahrende Autos, das Knallen einer Kabinentür oder die Tröte eines Fans. Was nichts daran ändert, dass letztlich die Vereine die Leidtragenden sind.

Allein in Berlin weiß der Landesportbund (LSB) zurzeit von mehr als 80 anhängigen Klagen - vor allem dort, wo Miet- zu Eigentums-wohnungen umgewandelt wurden und der rechtliche Bestandsschutz ins Spiel kommt. In der Mehrzahl der Fälle entschieden die Gerichte bisher zugunsten der Anwohner - mit weitreichenden Folgen für die Sporttreibenden. So schränkten die Bezirksämter beispielsweise den Spiel- und Trainingsbetrieb des SC Berliner Amateure auf dem Körteplatz in Kreuzberg und des FC Nordost auf der Sportanlage Walter-Felsenstein-Straße in Marzahn empfindlich ein. Abends und an Wochenenden darf nur noch zu bestimmten Zeiten gespielt werden, Mittagspausen sind einzuhalten. Beispiele für Regelungen wie diese finden sich mittlerweile in jedem Berliner Bezirk. Eine sinnvolle Aufstellung der Spielpläne wird für die Betroffenen im-mer schwieriger, und aufgrund wegfallender Trainingszeiten müssen Sportverein teilweise Aufnahmestopps verhängen.

Eine Veränderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung kann das Problem aus meiner Sicht nicht allein lösen. Nicht nur, dass Lärm sehr subjektiv wahrgenommen wird (mancher fühlt sich durch ein sein Haus überquerendes Flugzeug weniger gestört als vom Auftip-

pen eines Basketballs) - er steigt zudem nicht linear, sondern degres-siv. Es würde weiterhin Anwohnerinnen und Anwohner geben, die gegen Sportplätze etc. klagen. Und ich vermute, dass unsere Gericht weiterhin im Sinne der klagenden Partei entscheiden werden.

Es ist vielmehr dringend nötig, dass der Informationsfluss zwischen den zuständigen Bezirksämtern auf der einen und den ansässigen Vereinen und Sportverbänden auf der anderen Seite verbessert wird. Es muss z.B. zukünftig unbedingt vermieden werden, dass Beschlüs-se über Nutzungseinschränkungen über die Köpfe der betroffenen Vereine hinweg gefällt werden. Durch Gespräche weiß ich, dass einige Vereine, die Lärmprobleme haben, vollkommen überrascht waren, dass es Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern gab.

Ganz wichtig ist es, beim Neubau von Sportflächen verbindlich festzuhalten, dass diese Lärm verursachen werden und dürfen, damit auch Klagen zu einem späteren Zeitpunkt definitiv ausgeschlossen sind.

Wie so oft dürften nicht zuletzt die Toleranz gegenüber den jeweils anderen und das Aufeinanderzugehen am meisten bewirken. Der LSB beschreitet hier bereits einen vorbildlichen Weg, indem er seine Mitglieder über die Auswirkungen von Lärm im Sportumfeld aufklärt, Tipps zur Konfliktvermeidung gibt und sich als Vermittler anbietet.

Im Interesse der Sportlerinnen und Sportler in Berlin und einer le-benswerten Stadt für alle Einwohnerinnen und Einwohner hoffe ich, dass es zu möglichst wenigen weiteren Konflikten auf dem Gebiet Sport und Lärm kommen wird und in der Zukunft gemeinsam die richtigen Lösungen gefunden werden.

Sport und Lärmvon Markus Pauzenberger

rend der Schließzeit durch die von Spielern herbeigerufene Polizei mittels eines Bolzenschneiders geöffnet wurde, weil die Polizei auf Grund des Umstandes, dass sich an dem Platz seinerzeit kein Hin-weisschild des Bezirksamts befand, die Öffnungs- und Schließzeiten nicht zu erkennen vermochte.

Obwohl dem Bezirksamt die Ergebnisse der Lärmmessungen vom September 2004 und damit ab diesem Zeitpunkt die lärmschutz-rechtliche Unzulässigkeit des Bolzplatzes in der Eosanderstraße der Sache nach bekannt waren, hat es keine Maßnahmen zum Schutz der Anwohner vor dem unzulässigen Lärm veranlasst.

Urteil der 10. Kammer vom 22.9.2006 - VG 10 A 239.05 (Quelle: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12.10.2006)

Markus Pauzenbergersportpolitischer Sprecher derSPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus

@Auch zwischen den forum-Heften immer gutinformiert sein? Kein Problem – per E-Mail.

Einfach dem SGK-Büro unter [email protected] die Adresse mitteilen und aktuelle Informationen

über unseren Verteiler erhalten.

Kein Spam. Kein BlaBla. Versprochen.

10 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 11

1000 Bolzplätze für DeutschlandWährend in Berlin acht Bolzplätze entstehen, häufen sich die

Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern gegen den Lärm auf Sportplätzen. Dagegen unterstützt der Fußball-Bundestrainer Joachim Löw die Aktion 1000 Bolzplätze für Deutschland.

Auch Ehrhart Körting (SPD), Vater von fünf Töchtern, findet kein Verständnis dafür, wenn Kinderlärm als störend empfunden wird. Selbst Jurist, versteht er die Rechtsprechung nicht, dass Bolzplätze geschlossen werden sollen oder mit Nutzungsein-schränkungen versehen werden. Daher sollten die Bezirksämter nach seiner Ansicht nicht sofort bei Klageandrohungen einkni-cken.

Oliver Bierhoff hierzu: „Kinder und Jugendliche können sich doch außerhalb des Vereinssports kaum irgendwo zwang-los treffen und ihr sportliches Können oder neue Tricks ohne Leistungsdruck ausprobieren. Fußball lebt aber nicht allein von Technik und Strategie, sondern auch vom Spaß am Spiel und von der Spontaneität. Und die lernt man nicht im Verein, sondern auf der Straße und auf den Bolzplätzen. Ganz nebenbei lernen die Kids auch noch Teamgeist und Toleranz. Auf dem Bolzplatz kann einfach jeder mitmachen.“

Ein weiterer prominenter Unterstützer für die Kinder ist Hertha-Manager Dieter Hoeneß. Er beteiligt sich aktiv beim Projekt „Holt die Kinder von der Straße“ und eröffnet regelmäßig neue Spiel- und Freizeitanlagen in der Stadt.

Der Senat hat im November nach zwei Jahren Planungsprozess den Lärmaktionsplan 2008 vorgelegt. Vorangegangen waren Mo-dellprojekte in Köpenick, Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow, mit denen exemplarisch die Probleme in Subzentren und im zentralen Bereich sowie an Einfallsstraßen mit hoher Wohndichte, in Einkaufsstraßen und die Besonderheit eines hohen Straßenbahn-aufkommens untersucht wurden. Der Plan baut darüber hinaus auf den seit den Neunziger Jahren existierenden Lärmkarten auf.

Die Lärmaktionsplanung wird vorrangig für die Verursacher Straßenverkehr, Straßenbahn und oberirdische U-Bahn erstellt. Insbesondere für den Kfz-Verkehr reichen die kurzfristig möglichen technischen Veränderungspotentiale nicht aus.

Die Erstellung wurde von intensiven Abstimmungsprozessen zwischen Senatsverwaltungen, Bezirksverwaltungen, BVVen und Abgeordnetenhaus, Verkehrsunternehmen und Interessensverbän-den sowie durch mehrere Bürgerversammlungen vor Ort in den Konzeptgebieten begleitet.

Ziel ist es, ein Konzept zur Bewertung und Bekämpfung von Um-gebungslärm zu realisieren und die Bevölkerung von schädlichen Auswirkungen zu entlasten. Dies erfolgt durch die Schritte

- Ausarbeitung strategischer Lärmkarten zur Ermittlung der Belas-tungen

- Ausarbeitung von Lärmaktionsplänen zur Reduzierung der Be-lastungen

- Information und Beteiligung der Öffentlichkeit

Der Lärmaktionsplan ist ähnlich wie der Flächennutzungsplan eine vorbereitende Planung, d.h., die darin vorgestellten Maßnahmen müssen durch konkrete Anordnungen oder andere Entscheidungen der zuständigen Verwaltung umgesetzt werden. Der Lärmaktions-plan setzt dabei nicht nur auf konkrete Einzelmaßnahmen vor Ort, sondern verfolgt einen integrativen Ansatz der Abstimmung mit der Stadtentwicklung und der Verkehrsplanung hinsichtlich über-greifender Ziele.

Die Lärmaktionsplanung erfolgte auch konkret für 12 ausgewählte Konzeptgebiete und acht ausgewählte Konzeptstrecken:

Mitte: Reinickendorfer Straße, Beusselstraße

Friedrichshain-Kreuzberg: Boxhagener Viertel, Mehringdamm, Gitschiner Straße

Charlottenburg-Wilmersdorf: Mierendorffinsel, Wilmersdorf, Uhlandstraße

Spandau: Wilhelmstadt

Steglitz-Zehlendorf: Steglitz, Schloßstraße

Tempelhof-Schöneberg: Tempelhof, Potsdamer Straße

Neukölln: Neukölln/Rixdorf, Karl-Marx-Straße

Treptow-Köpenick: Ober- und Niederschöneweide, Baumschulenstraße

Lichtenberg: Frankfurter Allee Nord, Frankfurter Allee

Reinickendorf: Residenzstraße

Die für die Lärmminderung entwickelten Maßnahmen werden unterteilt in kurzfristig umsetzbare Maßnahmen (Stufe 1) und mit-tel- bis langfristige Maßnahmen (Stufe 2).

Mit der Umsetzung der Maßnahmen der Stufe 1 wurde bereits 2008 begonnen, eine vollständige Umsetzung wird bis 2012 angestrebt. Die Maßnahmen der Stufe 1 sind im Lärmaktionsplan enthalten. Bei den mittel- bis langfristigen Maßnahmen der Stufe 2 sind noch umfangreiche Prüfungen nötig. Diese Maßnahmen werden daher später noch konkretisiert.

Die Bezirke sollten sich sowohl bei der Umsetzung der Maßnahmen nach Stufe 1 als auch bei der Konkretisierung der Maßnahmen nach Stufe 2 verstärkt einbringen.

Auf Landesebene werden wir uns vor allem dem Problem der Lärmbelastung durch Lkw-Verkehre widmen.

Lärmaktionsplan 2008 – Grundlage für Verkehrsberuhigung in den Bezirken

von Christian Gaebler

Christian GaeblerMdA, verkehrspolitischer Sprecherder SPD-Fraktion

12 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 13

Vorbemerkung: Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat sich in seiner Sitzung vom 15.01.2009 mit dem Thema Kinderlärm auseinander-gesetzt und fraktionsübergreifend verdeutlicht, dass Kinderlärm natürlicher Bestandteil einer kinderfreundlichen Stadt ist, der nicht unzulässig sanktioniert werden soll. Vielmehr sind Kinderfreizeit sowie Sportflächen zu entwickeln, die Stadt kindergerecht zu gestalten.

Diese Position teilt der Senat ausdrücklich.

1. Nach der ersten Schließung einer Kindertagesstätte in Friedenau und den anderen Beschwerden über Kinderlärm in der letzten Zeit:

a) Sieht der Senat die Notwendigkeit einer Änderung der Lärmschutz-verordnung mit dem Ziel, dass solche kinder- und jugendfeindlichen Beschwerden künftig keine Rechtsgrundlage mehr haben?

b) Gibt es schon Vorschläge für eine kinderfreundliche Änderung der Lärmschutzverordnung?

c) Welche Bestandsmaßnahmen sind für bestehende Einrichtungen vorgesehen, wenn nun aus Lärmschutzgründen gegen Kitas und ähn-liche Einrichtungen vorgegangen wird?

Zu 1a) bis 1c): Der Senat beabsichtigt unter Einbeziehung der Bezirke zu prüfen, ob und in wieweit unter dem Gesichtspunkt „Geräusche durch Kinder“ und vor dem Hintergrund des Leitbildes einer familien- und kinderfreundlichen Stadt die einschlägigen Rechts- und Verwal-tungsvorschriften neu justiert und angepasst werden sollten.

Im Rahmen der Prüfung der einschlägigen Rechts- und Verwal-tungsvorschriften sind auch die Auswirkungen etwaiger Rechtsän-derungen auf die zivilrechtliche Behandlung solcher Konflikte zu untersuchen.

Die soziale Adäquanz der kindlichen Lebensfreude muss im Ver-hältnis zu den berechtigten Ruheschutzinteressen Dritter angemes-sen berücksichtigt werden und wird privilegiert. Daher sind die von Kindern beim Spielen während der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr verursachten Geräusche grundsätzlich nicht als erhebliche Ruhestörung anzusehen. Dies gilt gemäß Nr. 4 (6) Ausführungsvorschriften zum Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin (AV LImSchG Bln) auch für Sonn- und Feiertage.

Diese kinderfreundliche Handlungsmaxime wird von den bezirkli-chen Ordnungsbehörden uneingeschränkt beachtet. Durch eine sachan-gemessene Verwaltungspraxis können sich ergebende Konfliktlagen nachhaltig befriedet werden.

Die Schließung einer Kindertagesstätte in Friedenau erfolgte nicht unter Einbeziehung der Ordnungsbehörden, sondern im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung.

Der Betrieb von Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen wird durch die bestehenden Immissionsschutzregelungen für die Nachtzeit und die Sonntagsruhe nach derzeitigem Kenntnisstand nicht beeinträchtigt.

2. Sind dem Senat aktuell Beschwerden und Anfragen bekannt, in denen sich Anwohner über Lärmimmissionen von Kindertagesstätten, Spielplätzen, Schulen oder Jugendeinrichtungen und Jugendherbergen beklagen?

2a) Gibt es in der Anzahl oder in dem inhaltlichen Ausmaß der Beschwerden Veränderungen zu den Vorjahren?

2b) Falls die Beschwerden zugenommen haben: Was gedenkt der Senat zu tun, um diese gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber Kin-derlärm mit dem bundesweit vorgenommenen intensiven Ausbau der Kindertagesbetreuung zu vereinbaren?

Zu 2., 2a und 2b): Eine umfassende und damit arbeitsintensive

Abfrage bei den zuständigen bezirklichen Behörden übersteigt den üblichen Rahmen für die Beantwortung Kleiner Anfragen. Eine im Jahr 2006 durchgeführte Abfrage der bezirklichen Umweltämter zu diesem Thema ließ keinen Handlungsbedarf erkennen. Hierzu wird auf die Kleine Anfrage 15/13164 verwiesen. Im Rahmen der oben angeführten, beabsichtigten Prüfung werden aktuelle Zahlen hierzu erhoben. Die Lösung von Konflikten, die im Zusammenhang mit Einrichtungen für Kinder entstehen, kann erfolgversprechend nur einzelfallgerecht erfolgen.

2c) Welche Konsequenzen sind bei dem Verstoß gegen die Lärm-schutzverordnung vorgesehen? Wurden Bußgeldbescheide oder an-dere Maßnahmen durchgesetzt, und wenn ja, welche und mit welcher Ermessensbegründung?

Zu 2c): In § 15 Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin sind die Bußgeldvorschriften geregelt. Der Senat geht davon aus, dass die zuständigen Behörden diese Rechtsgrundlage anwenden. Bußgeldbe-scheide werden nach den Vorgaben des Ordnungswidrigkeitengesetzes durchgesetzt. Sie sind vor dem Amtsgericht Tiergarten nachprüfbar.

Andere Maßnahmen zum Vollzug des Landes-Immissionsschutzge-setzes Berlin erfolgen grundsätzlich nach Verwaltungsverfahrensrecht und erfordern einzelfallgerechte, begründete Ermessensausübung. Ordnungsbehördliche Regelungen sind vor dem Verwaltungsgericht nachprüfbar.

Aufwendige Abfragen bei den Bezirksverwaltungen sind zur Beant-wortung der Kleinen Anfrage nicht angemessen.

3. Bestätigt der Senat, dass

3a) Kinderlärm wie Gewerbelärm mit der TA Lärm gemessen wird, sodass - wie bei gewerblichem Lärm - der Grenzwert für Lärmim-missionen von Kitas, Spielplätzen und Schulen aktuell bei 50 Dezibel liegt?

3b) der Grenzwert für Verkehrslärm bei 80 Dezibel liegt?

4. Stimmt der Senat meiner Auffassung zu, dass Kinderlärm aus den Regelungen der TA Lärm ausgenommen werden sollte?

Zu 3a) bis 4.: Die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) legt keine Grenzwerte für Lärmimmissionen von Kitas, Spielplätzen und Schulen fest. Die TA Lärm enthält keine Regelungen für Geräusche, die durch Kinder verursacht werden.

Sie enthält Ausführungen zu Immissionsrichtwerten für verschiedene Gebietsausweisungen, die mit dem Planungs- und Baunutzungsrecht identisch sind. Beispielhaft sei erwähnt, dass der zulässige Immis-sionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet tagsüber 55 dB(A) beträgt.

Der Senat hat in den Ausführungsvorschriften zum Landes-Immis-sionsschutzgesetz Berlin festgelegt, dass Geräusche von spielenden Kindern im Freien nicht nach TA Lärm beurteilt werden.

Die Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immis-sionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) gilt für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen. Für diesen Fall ist bezogen auf allgemeines Wohngebiet ein Immissionsgrenzwert von 59 dB(A) tagsüber festgelegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass TA Lärm und 16. BImSchV und die jeweils dargestellten zulässigen Immissions(richt)werte nicht miteinander verglichen werden können.

Berlin, den 17. März 2009 In Vertretung Dr. Benjamin-Immanuel Hoff

Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz

Kinderlärm nicht hinnehmbar? Kinderlärm ist Teil des Lebens!Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Michael Arndt (SPD) an den Senat von Berlin

12 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 13

Die nachfolgende Zusammenfassung summiert die Er-gebnisse der Evaluation der Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II, die das Internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften (ISE), Berlin, im Auftrag des Deut-schen Landkreistages Ende Dezember 2008 vorgelegt hat. Alle dem zugrunde liegenden Arbeitsunterlagen ste-hen unter http://www.internationales-institut.de/content/content_aktuelles.html oder direkt beim DLT zur Verfügung. Dies gilt auch für die bereits in den vergangenen Jahren vorge-legten Untersuchungen des ISE.

(1) Bundesverfassungsgerichtsurteil und Ergebnisse der 6c-Evaluation: einseitige

Diskussion im Vorfeld der politischen Entscheidung

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Unzulässigkeit der Mischverwaltung in den ARGEn nach § 44b SGB II und dem Abschluss der Wirkungsforschung zu den Trägermodellen gemäß § 6c SGB II steht der Gesetzgeber vor einer Entscheidung zur Or-ganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dabei ist zu vermeiden, dass die Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen alter-nativer Trägerformen erneut (wie schon 2004) durch spezifische Or-ganisationsinteressen und parteipolitische Orientierungen überlagert wird, funktionsanalytische Erkenntnisse hingegen zurücktreten. Die Überlegung, mit den ARGEn eine in mehrfacher Hinsicht dysfunk-tionale Konstruktion nachträglich über eine Verfassungsänderung zu legitimieren, lässt jedoch genau das befürchten. Problematisch erscheint hieran vor allem die unterlassene Würdigung praxisrele-vanter wissenschaftlicher Erkenntnisse dies- wie jenseits der offi-ziellen Wirkungsforschung. Dies gilt umso mehr, als die Bewertung der Evaluationsergebnisse von der Datenbasis und von politischen Kriterien abhängig bleibt. Deshalb ist vor voreiligen Schlüssen zu warnen, zumal eine erweiterte empirische Basis belegt, dass für einseitige Trägerentscheidungen weder sachliche Gründe noch eine funktionale oder rechtliche Veranlassung bestehen. Vielmehr bieten sich Lösungen an, die Bundeswie kommunalen Interessen, vor allem aber den Ansprüchen der Hilfebedürftigen, gerecht werden.

(2) Erfordernis einer erweiterten Perspektive – notwendiger Einbezug sozialpolitischer,

funktionaler und staatspolitischer Kriterien

Die aus der offiziellen Evaluation abgeleitete These, in ARGEn würde besser in bedarfsdeckende Beschäftigung vermittelt und deshalb effizienter gearbeitet als in anderen Trägerformen, dürfte unhaltbar sein. Sie gründet mit einem einjährigen Zeitraum (2006/2007) auf einer entschieden zu schmalen und mit Unschärfen behafteten Datenbasis, die eine substantielle Betrachtung von Nachhaltigkeitseffekten ausschließt. Dies stellt nicht den statisti-schen Befund als solchen, aber seine Verallgemeinerungsfähigkeit in Frage. Zugleich werden jene Vorteile der Optionskommunen, die auch seitens der Wirkungsforschung im Auftrag des Bundes anerkannt werden, systematisch unterschätzt. Sie bestehen ins-besondere in einer höheren Vermittlung in auch nicht vollständig

bedarfsdeckende Beschäftigung sowie in einer besseren sozialen Stabilisierung der Hilfebedürftigen und ihres Umfelds. Hieran zeigt sich, dass die Bewertung des BMAS unverändert durch eine einsei-tige Vermittlungsorientierung geprägt ist, Beschäftigungsfähigkeit und erweiterte soziale Integration indes vernachlässigt werden. Dies erscheint nicht nur sozialpolitisch und volkswirtschaftlich fragwürdig, sondern geht auch an dem Bedarf einer zunehmend von schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen betroffenen Kli-entel vorbei. Hinzukommt, dass die auf der Basis eng geführter Beurteilungsmaßstäbe hergeleiteten ARGE-Vorteile institutionelle Kontexte ausblenden. So sollte im Rahmen der Bundes- Evaluation erkennbar geworden sein, dass die Modellkonkurrenz zwischen ARGEn, Optionskommunen und getrennter Aufgabenwahrnehmung positive Wettbewerbseffekte in Form von Leistungsanreizen auslöste und schon allein deshalb einseitige Trägerentscheidungen nicht zu begründen sind. Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse der SGB II-Evaluation des Internationalen Instituts für Staats- und Europawissenschaften (ISE) belegen für die Jahre 2005 bis 2008, dass mit Blick auf Klientel und Geschäftspolitik sowie Schnittstellen und soziale Integration Optionskommunen mit ihrer Problemnähe und hohen Flexibilität wesentliche Vorteile besitzen; sie eröffnen im Ergebnis die Chance zu einer sinnvollen Beantwortung der strittigen Trägerschaftsfrage.

(3) Klientel und Geschäftspolitik – strukturelle Hilfebedürftigkeit als Argument

für dezentrale Problemnähe

Auf der Basis einer dreimaligen flächendeckenden Befragung aller Landkreise und Optionsstädte und sowie vertiefender Fallstudien in zahlreichen Optionskommunen und ARGEn stellte das ISE seit 2005 einen besonders hohen Bestand an schwer Vermittelbaren fest. Dieser Anteil hat sich bis heute deutlich vergrößert. Eine nachhal-tige Integration von Hilfebedürftigen ist deshalb mehr denn je von intensiver Förderung und zielgruppenorientierter Betreuung abhängig. Allenfalls in strukturschwachen Regionen kommt einer überregionalen Vermittlung noch eine nennenswerte Bedeutung zu. Hinzu treten verstärkte Bemühungen um präventive Ansätze zur Vermeidung künftiger und der Verfestigung bestehender Hilfebe-dürftigkeit. In allen benannten Kategorien (individuelle Förderung, Zielgruppenorientierung, Prävention) schneiden die Optionskom-munen besser als die anderen Trägerformen ab. Ihnen kommen ihre Flexibilität und Unabhängigkeit von der zentralen Organisation der Bundesagentur zugute. Beides gestattet eine deutlich problem- und klientelnähere Gestaltung von Abläufen und Eingliederungsstrategi-en. Insofern erweist sich der lokale Bezug als entscheidender Vorteil, während bundesweite Vermittlungssysteme weniger bedeutend erscheinen.

(4) Schnittstellen und soziale Integration – erneuter Vorteil einer dezentralen Ausrichtung und Vollzugsverantwortung in den Optionskommunen

Nach Einschätzung aller vom ISE befragten Praktiker ist der erfolg-reiche Vollzug des SGB II auf die Vernetzung mit parallelen Leis-

Aufgabenträgerschaft nach dem SGB II:

"Plädoyer gegen voreilige und einseitige Entscheidungen"Zusammenfassung einer Evaluation des Internationalen Instituts für Staats- und

Europawissenschaften (ISE) im Auftrag des Deutschen Landkreistages (DLT)

von Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Jens Hesse und Alexander Götz

14 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 15

tungssystemen und anderen öffentlichen Aufgaben angewiesen. Da-bei spielen kommunale Zuständigkeiten in den Bereichen Soziales, Jugend, Schule, Gesundheit und Wirtschaft eine herausgehobene Rolle. Hinzu tritt die bedarfsgerechte Erbringung flankierender Leistungen (Sucht- und Schuldnerberatung, psychosoziale Betreu-ung). Aufgrund der ISE-Erhebungen und kontinuierlicher Anschau-ung vor Ort lässt sich dokumentieren, dass die Optionskommunen über eine deutlich problemnähere Sicht verfügen und stärker als andere Träger um eine operative Berücksichtigung von Schnittstellen und sozialintegrativen Leistungen bemüht sind. Dies erklärt sich vor allem aus dem generell höheren Stellenwert, den die zugelassenen Träger der sozialen Stabilisierung von erwerbslosen Hilfebedürf-tigen und ihren Bedarfsgemeinschaften beimessen. Zwar finden sich anerkennenswerte Routinen auch in den ARGEn, doch stehen dort entsprechenden Ansätzen nach wie vor die Beteiligung zweier Träger und deren unterschiedliche Verwaltungskulturen entgegen. Hinzu tritt die bereits angesprochene Fixierung der BA-Systeme auf den bloß kurzfristigen Vermittlungserfolg. Zwar können die ARGEn eine bessere institutionelle Anbindung an sonstige Agen-turleistungen geltend machen (insbesondere zum SGB III und SGB IX), doch bestehen in diesen Bereichen (mit Ausnahme vor allem des Arbeitgeberservice) entsprechende Kooperationen auch zwischen Optionskommunen und Agenturen; sie dokumentieren erneut eine hohe Kooperationsbereitschaft der zugelassenen Träger.

(5) Trägerentscheidung und Handlungssituation – eindeutiges Votum für kommunale

Verantwortung und lokale Spielräume

Im Ergebnis schätzen die Optionskommunen wie das ISE deren operative Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten deutlich positiver als die der anderen Träger ein. Hinzutreten die benannten Leistungsanreize aus der Modellkonkurrenz. Hiervon profitieren dem eigenen Vernehmen nach auch die ARGEn, sofern die beteilig-ten Kommunen mit Verweis auf eine mögliche eigene Trägerschaft dezentrale Spielräume erstreiten. Jene „Option der Option“ hängt selbstverständlich von der Glaubwürdigkeit des institutionellen Drohpotenzials ab. Dieses wirkte sich vor 2005 und zu Beginn des neuen Leistungssystems stärker als in den vergangenen zweieinhalb Jahren aus. Hier führten zuletzt Einflussnahmen des Bundes i. S. einer stärkeren Fach- und Regelsteuerung (Rahmenvereinbarung und sog. Rollenpapier als Beispiele) zu einer spürbaren Unzufrieden-heit und Demotivierung der kommunalen Partner wie der operativ Verantwortlichen. Deshalb würde inzwischen eine Mehrheit der in ARGEn engagierten Landkreise bei einer erneuten Träge-rentscheidung optieren. Ähnliches gilt für die Kommunen mit getrennter Aufgabenwahrnehmung. Interessant ist hierbei, dass der Vollzug eines Wechsels der Trägerform vor allem dann zeitnah in Erwägung gezogen würde, wenn dies nur befristet und (erneut) für eine begrenzte Zahl von Kommunen gelten sollte. Bei einer vollstän-digen, also dauerhaften und unkontingentierten Öffnung der Option hielten das deutlich weniger Kreise für unmittelbar erforderlich. Damit wird erkennbar, dass es den Betroffenen vor allem darum geht, mehr Spielräume für eine dezentrale Vollzugsgestaltung zu gewinnen; diese für den Integrationserfolg zentrale Handlungsbe-dingung ist in den ARGEn aufgrund ihrer bisherigen Konstruktion nicht in ausreichendem Maße gegeben.

(6) Institutioneller Nachteil der ARGEn als systematischer Vorteil der Option –

Möglichkeit eines produktiven Kompromisses

Summiert man die Evaluationsergebnisse des ISE und bezieht dabei – soweit bekannt – die Erkenntnisse der Wirkungsforschung

des Bundes mit ein, lässt sich feststellen, dass über alle örtlichen Einrichtungen hinweg und in jeder Trägerkategorie sich sowohl gute als auch weniger leistungsstarke Fälle finden. Der Erfolg hängt vor allem von der örtlichen Organisationsgestaltung und Vollzugspraxis ab. Hierfür wiederum bringen die Optionskom-munen deutlich bessere Voraussetzungen mit. Strebt man darüber hinaus eine generelle Kennzeichnung der Trägermodelle an, so sind den ARGEn gewisse Stärken im Hinblick auf die stellenorien-tierte Vermittlung und die Vernetzung mit dem SGB III-Bereich zu attestieren. Demgegenüber verfügen die Optionskommunen aber über die benannten systemischen Organisationsvorteile und können klare Erfolge bei der sozialintegrativen Einbettung der Integrati-onstätigkeit unter Einschluss präventiver Ansätze nachweisen. Fälle mit getrennter Aufgabenwahrnehmung wiederum erlauben eine separate Optimierung des Vollzugs von kommunalen und Agentur-aufgaben, leiden aber entscheidend unter Schnittstellen und einem fehlenden gesamthaften Integrationsansatz. Mit Blick auf die auch bei veränderter Arbeitsmarktlage schwierigen Klientelanforderungen führt dies letztlich zu einem Votum für die kommunale Träger-schaft, insbesondere dann, wenn man eine nachhaltige Integration und Stabilisierung von Hilfebedürftigen als wenigstens ebenso wichtig wie den bloßen Vermittlungserfolg einschätzt.

(7) Eine zukunftsfähige Kompromissvariante: Öffnung der Option und Fortschreibung

des Modellwettbewerbs

In der Konsequenz muss aber auch dieser Befund nicht notwendi-gerweise zu einer flächendeckenden Zuständigkeit der Kommunen und (auf verfassungsgemäßem Wege) der Länder führen. Vielmehr belegt gerade das differenzierte Wahlverhalten der Kreise bei einer erneuten Optionsmöglichkeit, dass es vor allem um die dezentralen Entscheidungsspielräume und eine erweiterte Kooperationsfreiheit geht. Insofern erschiene es völlig ausreichend, eine vollständige und dauerhafte Option zu gestatten und die ARGEn im SGB II nicht mehr als verbindliche Organisationsform auszuweisen. Damit würde eine ohnehin unter rechtssystematischen Gesichtspunkten wenig überzeugende Verfassungsänderung obsolet und ließe sich der im Ergebnis positive Modellwettbewerb fortschreiben. Legi-time Berichts- und Prüfansprüche des Bundes wären dabei wie heu-te über bestehende Kontrollverfahren abzusichern. Die inhaltliche Steuerung des SGB II und seiner aktiven Hilfen scheinen über das SGB II hinreichend gewährleistet, ließen sich aber – wenn auch in eng zu setzenden Grenzen – erforderlichenfalls über untergesetzli-che jährliche Verordnungen für alle Träger präzisieren. Schließlich sollte erwogen werden, Softwarestandards sowie die Festlegung von Erfolgsindikatoren und Statistikpflichten stärker als bislang abzustimmen und die kommunalen Träger hieran angemessen zu beteiligen.

Das lässt sich ändern.

Beitrittserklärungen nimmt die Geschäftsstelle der SGK Berlin gern entgegen.

E-Mail: [email protected].: 030 / 46 92 - 134

Noch kein SGK-Mitglied?

14 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 15

Herzlichen Glückwunsch – einen langen Atem und starke Frauenpower! Am 8. März 1984 entstand die Gleichstellungsstelle der SPD-

Fraktion im Abgeordnetenhaus. Ihre erste Gründerin und Leiterin war Helga Korthaase.

Zwei Tage später titelte die BERLINER STIMME: „Kampf gegen Ungerechtigkeit – SPD eröffnet Gleichstellungsbüro für Frauen“. In Abgrenzung zum Muttertag, „wo die meisten Frauen mit einem Blu-mentopf für die Küche überrascht werden“, wurde in dem Artikel das symbolträchtige Datum 8. März, also der Internationale Frauentag, gewürdigt. Weiter war in der BS u.a. zu lesen: „Grundlage war ein Parteitagsbeschluss, der die Einrichtung einer Gleichstellungsstelle beim Regierenden Bürgermeister verlangte. Weil dies jedoch von der CDU/FDP-Mehrheit im Parlament abgelehnt wurde, „üben“ die Sozialdemokraten jetzt schon mal in der Opposition.“

Helga Korthaase erklärte, sie wolle „in erster Linie Frauen un-terstützen, die sich Männern gegenüber benachteiligte fühlen. Wir wollen uns um alles kümmern, was die alltägliche Diskriminierung ausmacht!“ Gestartet wurde im Seiteneingang des Kurt-Schuma-cher-Hauses, Müllerstraße 163 / Ecke Burgsdorfstraße in einem Ladenlokal.

In den ersten Jahren war die Arbeit der Gleichstellungsstelle vor allem geprägt als Anlaufstelle für Frauen. Helga Korthaase bot, abwechselnd mit den anderen Mitgliedsfrauen der SPD-Fraktion und Frauen der AsF, regelmäßig Sprechzeiten an.

Zu den Eckpunkten der Arbeit gehörte von Anfang an

- die Aufklärungs-, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit,

- die Umsetzung von Kritik und Anregungen in parlamentarische Initiativen,

- die Kontrolle von Vorhaben und Programmen des Senats auf die Berücksichtigung der Belange von Frauen

- sowie die Kontaktpflege zu Frauengruppen, Frauenprojekten und -verbänden.

Wichtige Themenschwerpunkte waren seit Beginn: Gleichstel-lungsgesetze, Frauenförderpläne, Frauenbeauftragte/-vertreterinnen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, § 218. Auch andere Elemente der Frauenbewegung, wie z.B. Aufbau „alternativer“ Strukturen, Gründung von Frauenprojekten und Aufbau von Frauennetzwerken spielten eine zentrale Rolle. In den folgenden Jahren und bis heute steht vor allem die Entwicklung und Umsetzung gleichstellungspo-litischer Konzepte und Strategien im Vordergrund.

Die Quote: Im Gründungsjahr der Gleichstellungsstelle 1984 gab es noch keine SPD-Quote. Die kam erst 1988. Der SPD-Fraktion gehörten „seinerzeit“ bei insgesamt 51 Mitgliedern gerade mal 6 Frauen an. In der darauf folgenden Wahlperiode später sah es nur wenig besser aus: 48 Mitglieder, davon 9 Frauen.

Anfang 1989 übernahm Ingrid Holzhüter die Leitung der Gleich-stellungstelle. Die Fraktion hatte nun 55 Mitglieder und darunter befanden sich 21 Frauen. Die Quote war nötig und sie wirkte!

Das Feminat: Spannend wurde es im Frühjahr 1989 aus frauenpo-litischer Sicht mit der rot-alternativen Regierung. Der Senat wurde bald Feminat genannt, die acht Senatorinnen trafen sich regelmäßig zu Hexenfrühstücken. Noch ahnte niemand, dass im Herbst 1989 die Mauer fallen würde. Doch schon ein halbes Jahr später ging es um neue Themen wie Frauenrechte in die neue Landesverfassung, § 218 im „einig Mutterland“, Erhalt der Fraueninfrastruktur West und Ausbau von Angeboten für Frauen im Ostteil der Stadt.

Vom GSS zum LGG: In der „Holzhüter-Ära“ war die Arbeit der Gleichstellungsstelle – kurz GSS – durch zwei Umzüge und viele Umbrüche gekennzeichnet. Nach einer „Zwischenlandung“ im Rathaus Schöneberg fand die Stelle 1994 im Preussischen Landtag ihre endgültige Heimatadresse. Die Schwerpunkte verlagerten sich auf das parlamentarische Standbein und die Arbeit als Anlaufstelle geriet etwas aus dem Blickfeld. Ingrid Holzhüter, die auchHaushalts-politikerin war, vertrat mit großer Vehemenz in den Plenardebatten die Auffassung, dass

„den Frauen nicht nur die Hälfte des Himmels, sondern auch die Hälfte des Haushalts“ zusteht.

Die Themen, die die Gleichstellungsstelle bearbeitet hat, reichen von der Darstellung von Mädchen in Berliner Grundschullesebü-chern bis hin zu weiblicher Altersarmut. Zentral war das Landesan-tidiskriminierungsgesetz, das am Ende der vorzeitig beendeten 11. WP noch in zweiter Lesung verabschiedet wurde, aber erst 1991 in der Großen Koalition und unter dem Namen „Landesgleichstel-lungsgesetz“ (LGG) in Kraft trat.

1994 folgte die erfahrene Frauenpolitikerin Ulrike Neumann auf diese Stelle. Wie ihre Vorgängerinnen, die jeweils für ca. 5 Jahre die Geschicke der GSS lenkten, setzt sie seit nunmehr fast 15 Jahren die Akzente. Sie hat sich entsprechend der Forderung des Berliner bzw. Hamburger SPD-Grundsatzprogramms

„Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“

gezielt für die Umsetzung der Gleichstellungspolitik eingesetzt. In ihrer Amtszeit verlagerte sich Frauen- und Gleichstellungspolitik zu einer Querschnittsaufgabe für alle politischen Bereiche.

Die wichtigste gleichstellungspolitische Forderung aus dieser Zeit ist die enge Verknüpfung der Arbeits- und Wirtschaftspolitik mit der Frauenpolitik. Die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes und die Frauenförderung wurden weiter vorangetrieben. Ihre „LGG-Baustellen“ sind u. a. die §§ 13 (Frauenförderung durch Auftragsver-gabe), 14 (Staatliche Leistungsgewährung) und 15 (Gremien).

Gender Mainstreaming und Gender Budget: In dieser Zeit setzte sich auch die Ansicht durch, dass alle gesellschaftlichen Vorhaben

Von der Politik der kleinen Schritte zu einer Institution:

25 Jahre Gleichstellungsstelle der SPD-Fraktionvon Barbara Scheffer

Barbara Scheffergenderpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf

16 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 17

die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein regelmäßig zu berücksichtigen sind und es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Die Stichworte heißen Gender Mainstreaming und Gender Budget und dass wir diese unterschiedlichen Wirklichkeiten im Haushalt zu berücksich-tigen haben.

Die politische Umsetzung erfordert unsere volle Kraft und muss bis heute immer wieder erneut eingefordert werden.

Weitere wichtige Themenschwerpunkte waren

- die finanzielle Stützung der Projekte und Initiativen,

- der Aktionsplan gegen Gewalt,

- Entkriminalisierung der Prostitution,

- aber auch Initiativen gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsheirat.

Heute sind in der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von 53 Mit-gliedern 23 Frauen. Ressortübergreifend haben die SPD-Frauen vor 5 Jahren einen weibliche SPD-Arbeitszusammenhang, den „Branitzer Kreis,“ gegründet um sich noch stärker zu vernetzen.

JEDOCH: auch wenn die Verfassung von Berlin im Artikel 10 Ab-satz 3 die Gleichberechtigung von Frauen und Männern fordert:

„Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land ist verpflichtet, die Gleichstellung und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern herzustellen und zu sichern. Zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten sind Maßnahmen zur Förderung zulässig“

Die Realität ist eine andere und die Gleichstellungspolitik ist noch lange nicht am Ziel angelangt. 2004 haben Berliner Frauen im Parlament und in den landeseigenen Betrieben festgestellt, dass das LGG eine Sollklausel in Bezug auf die geschlechter-paritätische Besetzung von Gremien enthält. So werden seitdem Aufsichts- und Beiräte nach und nach geschlechterparitätitsch besetzt.

Siegerinnenlaune ist aber nicht angesagt, denn eigentlich besteht dieser Anspruch bereits seit Verabschiedung des LGG. Auch wenn 2006 in das Berliner Betriebegesetz der § 28 eingefügt wurde, der festlegt, dass bei der Besetzung von Organen und Führungspositi-onen in den unter das Gesetz fallenden Betrieben das LGG anzu-wenden ist, fehlt hier leider noch die Umsetzung.

Liebe Genossinnen und Genossen, noch immer erhalten Frauen weniger Lohn und sie haben schlechtere Aufstiegschancen als Män-ner. Das müssen wir ändern. Es ist eine tägliche Herausforderung an uns alle, dass die Gleichstellung der Geschlechter zum Kern unseres politischen Selbstverständnisses gehört! Die Gleichstellungsstelle der SPD-Fraktion hat damit bis zum nächsten Geburtstag einen wichtigen Auftrag.

Die

Jahreshauptversammlung

der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunal-politik in Berlin e.V. (SGK Berlin)

findet am

Freitag, 27. November 2009statt.

Details in einem der nächsten Hefte.

BIT

TE V

OR

ME

RK

EN

Europa beispielhaftBroschüre der Senatskanzlei informiert über EU-geförderte Projekte in Berlin

Die Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, beeinflussen zunehmend den Alltag der Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Auch in Berlin ist "Brüssel" sehr viel präsenter als weithin bekannt. Europa findet praktisch vor der Haustür statt.

"Europa beispielhaft" stellt auf 80 Seiten die wichtigsten Institutionen vor, beschreibt die Mitwirkungsmöglichkeiten Berlins auf innerstaatlicher sowie europäischer Ebene und gibt weiterführende Informationen einschließlich Internetadressen und Ansprechpartnern. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung ausgewählter Projekte aus allen Berliner Bezirken, die mit finanzieller Unterstützung aus Brüssel zustande kamen.

Europäische Politik wird "kieznah" auf der lokalen Ebene veranschaulicht und macht das breite Spektrum europäischer Förderung für Berlin, seine Unternehmen und Menschen deutlich – von den wirtschaftsnahnen Investi-tionen in die Berliner Infrastruktur über die Qualifizierung von Arbeitslosen bis hin zu Jugendprojekten und Bürgerbegegnungen.

Zu beziehen über die Europabeauftragte des Senatsunter www.berlin.de/eu oder Tel. 90 26 - 36 00

16 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 17

Nach langen und harten Verhandlungen haben sich jetzt die Koa-litionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus - SPD und LINKE - intern und miteinander auf eine Änderung des Nichtraucherschutz-gesetzes geeinigt, die nach dem Verfassungsgerichtsurteil vom 30. Juli 2008 notwendig war.

Die Änderungen betreffen überwiegend die Ausnahmen vom Rauchverbot für die sogenannten Einraumgaststätten. Dort darf zukünftig geraucht werden, wenn die Gaststätte1. nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügt,2. eine Grundfläche von maximal 75 Quadratmetern hat,3. in der Gaststätte keine vor Ort zubereiteten Speisen verabreicht werden und4. Jugendlichen unter 18 Jahren der Zutritt zur Gaststätte verwehrt wird.

Mit diesen Regelungen wird ein umfassender Nichtraucherschutz sichergestellt, und es werden gleichzeitig die wirtschaftlichen Inte-ressen der Wirte berücksichtigt.

Eine weitere Änderung sieht vor, dass der Gastwirt den Behörden den Betrieb der Rauchergaststätte schriftlich anzeigen muss. Auf diese Weise haben die Behörden die Möglichkeit zu überprüfen, ob bei der Gaststätte die Voraussetzungen dafür wirklich vorliegen. Es

Berlin wird Vorreiter beim NichtraucherschutzDurchbruch bei der Änderung des Berliner Nichtraucherschutzgesetzes von Stefanie Winde

liegt damit nicht einfach nur im Ermessen des Gastwirts, eine Rau-chergaststätte zu eröffnen. Auch die Überprüfung des Rauchverbots durch die Ordnungsämter ist damit erleichtert.

Mit dem Gesetzentwurf haben wir uns sehr eng an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehalten, um hier weitere Klagen gar nicht mehr möglich zu machen. Berlin wird damit zu den ersten Bundesländern gehören, die die notwendige Änderung seines Nicht-raucherschutzgesetzes vollzieht.

Die Fraktionen bringen den Gesetzesantrag jetzt ins Abgeord-netenhaus ein, so dass das geänderte Gesetz zum 1. Mai 2009 in Kraft treten kann.

Hoffentlich ist das Thema Nichtraucherschutzgesetz (NRSG) mit der genannten Änderung dann endgültig beendet. Letztlich reduzierte sich die Diskussion ohnehin nur noch auf die Gaststättenfrage. Zu-gegeben, kein unwesentlicher Aspekt. Aber darüber ist schnell, zu schnell in Vergessenheit geraten, was das NRSG insgesamt bereits bewirkt hat: Flächendeckend vollständig rauchfreie öffentliche Räume, eine weitgehend rauchfreie Gastronomie. Noch vor fünf Jahren war das auch für die kühnsten Verfechter rauchfreien Lebens kaum vorstellbar.

Ebenfalls kaum vorstellbar war, dass sogar Raucher zu schätzen lernen würden, uneingenebelt essen gehen zu können. Diese Erfah-rung war ihnen bisher verwehrt, denn wo geraucht werden darf, da rauchen sie auch. Machen wir uns nichts vor: Rauchen ist eine Sucht und man findet kaum jemanden, der stolz darauf ist, süchtig zu sein. Auch hier hat, befördert nicht zuletzt durch die Diskussion um das NRSG, ein Bewusstseinswandel stattgefunden – die Zigarette ist längst kein weltmännisches Accessoire mehr. Gab es früher eigent-lich Tatort-Krimis, in denen der Kommissar nicht rauchte?

Mal ganz abgesehen von gesundheitlichen Aspekten, geht die ge-sellschaftliche Entwicklung bzw. der Zeitgeist in Richtung rauchfrei und es sieht nicht danach aus, dass sich diese Entwicklung irgend-wann umkehren könnte. Auf mittlere Sicht wären die rauchfreien Gaststätten ohnehin gekommen – einfach, weil es einen Markt dafür gibt. Insofern nimmt das NRSG die Tendenz nur vorweg und schiebt sie an. Sind die Gaststätten jetzt leerer? Es wird nach dem Essen zügiger gegangen und also weniger getrunken (weil ohne Zigarette nur halb so schön), andererseits kommen neue Gäste (weil ohne Zigarette erst schön), vermehrt auch mit Kindern – sagen viele Gastwirte im persönlichen Gespräch. Belastbare Zahlen dazu gibt es wohl noch nicht. Pure Spekulation, aber vermutlich würden sehr viele Gaststätten, vornehmlich aus dem Restaurant- und ‚Zeitgeist‘-

Bereich, nicht zum alten Raucherstatus zurückkehren, selbst wenn sie dürften. Von daher ist das NRSG ein sehr erfolgreiches Gesetz – Ausnahmen hin, Ausnahmen her.

Nun also die Gastwirtschaften, bei denen der Zeitgeist in der Fla-sche wohnt, bisweilen auch als „getränkeorientierte Gastronomie“ bekannt. An ihnen sind viele Trends der vergangenen Jahre vorbei gezogen. Dort wurde immer geraucht und getrunken und das NRSG als schlichte Gängelung empfunden. Diese Einschätzung ist völlig zutreffend: Wer dort reingeht, wusste immer schon, auf was er sich einlässt. Er will das so. Es ist die freie Entscheidung des mündigen Bürgers. Der Staat stellt nun mit der Kennzeichnungspflicht ledig-lich sicher, dass vor Betreten keine Zweifel über den Charakter des Wirtshauses aufkommen können und mit einem eng gefassten Korsett an Bedingungen, dass die Räucherhöhlen nicht durch die kalte Küche wieder ins Kraut schießen.

Apropos kalte Küche: Das geneigte Publikum wird noch eine Menge Spaß erwarten dürfen bei der Klärung der Frage, was bitte-sehr „vor Ort zubereitete Speisen“ genau nun eigentlich sind. Dabei sollte nur der eigentliche Zweck der Regelung nicht aus den Augen verloren gehen: Dass Speisegaststätten nun wirklich garantiert qualmfreie Zonen sind und ein Wirt nicht beide Einnahmequellen gleichzeitig haben kann.

Liebe Wirte von Raucherkneipen, lasst es nicht drauf ankommen und lieber von vornherein bei Salzstangen und Erdnüssen (fördert den Getränkeumsatz eh‘ am besten). Liebe Ordnungshüter, geht mit Augenmaß ans Werk. Ob die Bulette nun vom Wirt gebraten ist oder umlufterhitzt angeliefert wurde, ist nicht die Schicksalsfrage der Nation. Liebe Raucher, freut euch, dass es Raucherkneipen geben wird. Liebe Nichtraucher, ertragt es mit Langmut, dass es Raucherkneipen geben wird. Ihr müsst da nicht rein. Und ihr müsst auch nicht rauchen. Dass habt ihr den Rauchern voraus.

"Umlufterhitzte Buletten" Ein Kommentar von Alexander van Essen

Stefanie Windegesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus

18 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 19

Stadterneuerungsprogramm wird fortgeführtBeginn der "Vorbereitenden Untersuchungen" in sechs Quartieren

Sechs Quartiere in den Bezirken Mitte, Neukölln, Friedrichs-hain-Kreuzberg, Lichtenberg und Spandau sollen in den nächsten Jahren städtebaulich aufgewertet und verbssert werden. An die Erfolge des 2010 auslaufenden Ersten Gesamtberliner Stadter-neuerungspogramms anknüpfend, werden diese Quartiere in einer "Vorbereitenden Untersuchung" auf die Möglichkeiten eines inte-grierten Stadterneuerungsverfahrens und Fördermitteleinsatzes hin untersucht.

Während der "Vorbereitenden Untersuchungen" nach § 141 Bau-gesetzbuch wird ein gebietsbezogenes Entwicklungskonzept mit den lokalen Akteuren erarbeitet. Folgende Gebiete sind dafür in 2009 vorgesehen:

- Mitte: Müllerstraße

- Mitte: Turmstraße

- Friedrichshain-Kreuzberg: Mehringplatz / Blücherstraße

- Spandau: Wilhelmstadt

- Neukölln: Maybachufer / Elbestraße

- Lichtenberg: Frankfurter Allee Nord

Senatorin Junge-Reyer: "Mir liegt sehr viel daran, dass wir in diesen Gebieten die Wohn- und Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger verbessern. Es geht aber auch darum, attraktive Stand-ortbedingungen für private Investitionen zu schaffen. Die Erfolge der Stadterneuerung der letzten Jahre zeigen, dass sich innerstäd-tische Quartiere lebendig und zukunftsfähig entwickeln, wenn die

Finanzmittel zielführend eingesetzt werden. Dabei ist mir besonders wichtig, gute Voraussetzungen für das Lernen und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen zu schaffen. Hier muss bevorzugt investiert werden."

Für die neuen Sanierungsgebiete wurden insgesamt 66 Gebiete überwiegend in der Innenstadt und am Innenstadtring bewertet. Es wurde geprüft, ob:

- sich die Notwendigkeit zur Aufwertung und Verbesserung der Gebiete aus den stadtentwicklungspolitischen Zielen herleitet (z.B. Innenstadt als Wohnstandort, Sicherung von Stadtteilzen-tren, Steigerung der Wirtschaftskraft),

- die Gebiete Entwicklungsperspektiven aufweisen,

- dringender Handlungsbedarf bei öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Flächen besteht,

- die Ziele in einem begrenzten Zeit- und Kostenrahmen erreichbar sind und

- privates Investitionspotenzial mobilisiert werden kann.

Bei dieser Prüfung haben sich 13 Gebiete als grundsätzlich für die Stadterneuerung geeignet herausgestellt. Die Durchführung der vorbereitenden Untersuchungen ist zeitlich gestaffelt vorgesehen. Die Reihenfolge der Gebiete ergibt sich aus den Dringlichkeiten der voruntersuchten Gebiete und aus der sinnvollen Kombination mit anderen Programmen, z.B. dem Programm "Aktive Zentren". In einer ersten Stufe ist nun der Beginn der Untersuchungen für die vor-genannten sechs Gebiete beschlossen worden. Die sieben weiteren Gebiete sollen im Zeitraum Ende 2009 bis Ende 2010 erfolgen.

Kern der vorbereitenden Untersuchungen ist die Moderation des Planungsprozesses, um die Interessen der Gebietskateure (Immobi-lieneigentümer, Mieterinnen und Mieter, Pächter) aufzugreifen, zu vermitteln und daraus die Ziele der Gebietsentwicklung in einem städtebaulichen Entwicklungskonzept abzuleiten. Es soll

- eine umfassende Bestandsaufnahme der städtebaulichen, funktio-nalen und sozialen Situation erfolgen, einschließlich einer Analyse von öffentlichen und privaten Interessen an der Gebietsentwick-lung,

- ein integriertes Entwicklungs- und Umsetzungskonzept erarbeitet werden sowie

- eine Anzahl und Reihenfolge von Schlüsselprojekten für die Gebietsentwicklung ermittelt werden.

Die Turmstraße (hier Ecke Stromstraße) in Moabit: Eines der Gebiete, die mit dem Stadt-erneuerungsprogramm aufgewertet werden sollen. Foto: hha

Veranstaltungstipp des August-Bebel-InstitutsSpielball oder Akteur? – Stadtpolitik in der Finanz- und Wirtschaftskrise

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise wird Auswirkungen auf die Berliner Wirtschaft und das soziale Gefüge in der Stadt haben. Es ist davon auszugehen, dass es nach Jahren einer relativen Stabilisierung zu einer Zunahme von Arbeitslosigkeit, sozialer Polarisierung sowie öffentlicher und privater Verschuldung kommen wird.

Wir fragen: Was für eine Krise ist die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise und welche Auswirkungen hat sie in der Stadt Berlin? Welche Konsequenzen sind zu erwarten für die Wirtschaftsentwicklung, für private und öffentliche Investitionsprojekte und auf dem Wohnungsmarkt? Und was bedeutet das für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt? Welche Handlungsstrategien sind in diesen Feldern möglich und nötig, um zu verhindern, dass Berlin zum Spielball globaler Marktkräfte wird?

Leitung: Ingo Nürnberger, Politologe und Referent für Sozialpolitik beim DGB; Ingo Siebert, August Bebel Institut

Sa 16. Mai 2009, 10-17 Uhr, in Berlin-Wedding, Beitrag 10 €, Anmeldung unter www.august-bebel-institut.de oder Tel. 46 92 - 121

18 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 19

Beitrittserklärungzur Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Berlin e.V.

Hiermit erkläre ich mit Wirkung zum meinen Beitritt zur SGK Berlin e.V.

Name, Vorname

Straße, Hausnr.

PLZ, Ort Bezirk

Tel. privat Fax privat

Tel. dienstlich Fax dienstlich

E-Mail-Adresse Mobil-Tel.

Geburtsdatum Beruf, beschäftigt bei

Ich bin Mitglied

der BVV

Bürgerdeputierte/r

des Bezirksamtes

im Bezirk

des Abgeordnetenhauses Berlin

des Deutschen Bundestages

EinzugsermächtigungHiermit ermächtige ich die SGK Berlin, meinen monatlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von

vierteljährlich bei Fälligkeit per Lastschrift einzuziehen. Enthalten ist der Mitgliedsbeitrag an die Bundes-SGK.

Berlin, den Unterschrift

Berlin, den Unterschrift

Kontoinhaber (Name, Vorname)

Kto-Nr. BLZ bei Kreditinstitut Zahlung ab (Monat / Jahr)

2,- Euro(Erwerbslose, Azubis, Studenten)

4,- Euro(Regelbeitrag)

8,- Euro(Abgeordnete, Bezirksamtsmitglieder)

Mitglied der SGK werden – so einfach geht’s!Eine Gemeinschaft wie die SGK lebt davon, dass sie von einer breiten Mitgliedschaft getragen wird. Sollten Sie in der Kommunalp-olitik aktiv oder kommunalpolitisch interessiert sein, empfehlen wir eine Mitgliedschaft in der SGK. Der Regelbeitrag beträgt monatlich 4,- Euro, Mitarbeiter der Besoldungsgruppe B sowie MdAs und MdBs zahlen 8,- Euro, der ermässigte Tarif liegt bei 2,- Euro. Darin inklu-sive ist der Beitrag für die Bundes-SGK.

Für weitere Information steht Ihnen gern das SGK-Büro (Tel. 030 / 46 92 - 134, E-Mail [email protected]) zur Verfügung. Oder wenden Sie sich direkt an den Landesvorsitzenden der SGK, Herrn Horst Porath unter der Tel-Nr. 030 / 392 29 15.

Alles klar und keine Fragen? – Dann untenstehende Beitrittserklärung ausgefüllt und ab damit an die Fax-Nr. 030 / 46 92 - 116.

20 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. Nr. 71 April 2009 Nr. 71 November 2009 forum - Der Info-Dienst der SGK Berlin e.V. 21