40
1

Welt unter heisser Strahlung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Welt unter heisser Strahlung

1

Page 2: Welt unter heisser Strahlung

Nr. 239Welt unter heißer StrahlungGucky stößt auf alte Gegner - und enträtselt das Geheimnis der Laurins ...von Clark Darlton

Das Jahr 2402 steht im Zeichen terranischen Vordringens in Richtung Andromeda. Obwohl noch keinRaumantrieb entwickelt wurde, mit dessen Hilfe die Terraner den gewaltigen Abgrund zwischen den Galaxienüberbrücken können, befinden sich Perry Rhodan und seine Leute bereits im Andro-Beta-Nebel, im Vorfeld vonAndromeda. Transmitterstationen der mysteriösen ‚Meister der Insel‘, der Herren Andromedas, haben ihrkühnes Vordringen ermöglicht.Fast scheint es, als wäre das „Unternehmen Brückenkopf“ zu riskant. Schließlich geriet die CREST II, PerryRhodans Flaggschiff, bei einem Erkundungsflug in die Gewalt der Twonoser, und nach einem erbittertenKampf mußten Perry Rhodan und 2000 Terraner den bitteren Weg in die Gefangenschaft antreten.Der Krieg der Kasten wurde entfesselt, und es dauerte nicht lange, bis die Gefangenen sich einen Weg zurückin die Freiheit bahnten. Während dies sich im Innern eines abgestorbenen Mobys vollzog, traf an den Grenzendes Andro-Beta-Nebels das Nachschubgeschwader ein: sechs riesige Transporter und ein Schwerer Kreuzer!Da der Gegner eine hektische Aktivität im Beta-Nebel entwickelt, können Perry Rhodan und seine Leute frohsein, unter dem ewigen Eis des Planeten ‚Arctis‘ ein gutes Versteck zu finden, bis die feindlichen Suchflottenwieder abziehen.Aber ist dieses Versteck wirklich sicher ...? Da ist doch Destroy in gefährlicher Nähe, die mysteriöse WELTUNTER HEISSER STRAHLUNG ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Großadministrator des Solaren Imperiums und Leiter der Expedition zur „Welt unter heißer Strahlung“.Gucky - Der Mausbiber geht auf Entdeckungsreise und findet alte Freunde.Atlan - Der Arkonide erscheint als Retter in der Not.Icho Tolot - Der Haluter soll „grillfertig“ gemacht werden.Wuriu Sengu - Perry Rhodans Späher-Mutant.Major Peanut - Kommandant einer Kaulquappe.Sergeant Tom Jones - Pilot eines Shifts.

1.

Die viele Kilometer dicke Eisdecke hatte sichgeschlossen.

Glitzernd lag sie im Schein der dunkelroten Sonne,die dicht über dem flachen Horizont stand und derenStrahlen so schräg einfielen, daß vereinzelteEisblöcke lange Schatten warfen. Im Osten lag schonnachtschwarze Dunkelheit. Davor stand die prächtigeSternenkulisse des nahen Andromedanebels. Siefühlte den halben Himmel aus und stieg langsam amHorizont empor.

Nichts rührte sich auf der Oberfläche desvollkommen vereisten Planeten „Arctis“, und selbstein kritischer Beobachter hätte feststellen müssen,daß er unbewohnt war. Hätte er sich dann noch derMühe unterzogen, eine Bahnbestimmung des zweitenPlaneten der Sonne „Alurin“ vorzunehmen, wäre erin seiner Feststellung noch bestärkt worden. DennArctis beschrieb eine stark ellipsenförmige Bahn, dieihn weit von seiner Sonne wegführte. Vierzehn Jahredauerte so ein Umlauf, und elf Jahre davon herrschteWinter auf Arctis. Die Temperatur sank dann auffünfzig Grad unter Null.

Nein, auf Arctis gab es kein Leben. Das war aufden ersten Blick zu erkennen, und genau das war esauch was Rhodan zu seiner Wahl bewogen hatte.

Tief unter der Eisdecke standen die fünfSuperschlachtraumer der Terraner, jeder in seinemeigenen Hangar. Die mächtigen Teleskopstützenruhten auf dem nackten Fels, aber Wände undDecken der Hangars bestanden aus Eis. DieThermostrahler hatten Gänge und Korridoregeschmolzen und so eine Verbindung von Schiff zuSchiff hergestellt.

Hier waren sie sicher, bis sich die Aufregunggelegt hatte, die ihr Erscheinen im Beta-Nebel erregthatte. Die Verfolger würden sich müde suchen. Siewürden zu ihren Stützpunkten zurückkehren. Bisdahin tat die erzwungene Ruhepause den Terranernnur gut.

Der Weg nach Andromeda war mit Hindernissengepflastert.

Im Flaggschiff CREST herrschte an diesem drittenSeptember des Jahres zweitausendvierhundertzweieine ungewohnte Stille. Die Mannschaft genoß dieRuhepause. Nur in der Zentrale saßen dieWachoffiziere vor den Orterschirmen und

2

Page 3: Welt unter heisser Strahlung

beobachteten die Oberfläche des Eisplaneten und densich darüber spannenden Weltraum. Das war nurdeshalb möglich, weil vor dem Zufrieren derEisdecke Verbindungskabel zur Oberfläche gelegtworden waren. Winzige Antennenblöcke verrietenwo diese Kabel endeten.

Immer wieder erschienen auf den Orterschirmendie eiförmigen Suchschiffe der Twonoser. InGeschwadern zogen sie durch das System, ohne diegeringste Spur der verschwundenen Terraner zuentdecken. Das Universum schien sie verschluckt zuhaben.

Als Rhodan erwachte, fühlte er sich frisch und gutaufgelegt. Und doch war in ihm eine Unruhe, die ersich zuerst nicht erklären konnte. Er verließ sein Bettund ging in die Badekabine. Als er unter der Duschestand und das heiße Wasser über seinen Körperströmte und die Haut rötete, wußte er plötzlich, wassich in seinem Unterbewußtsein regte und ihm keineRuhe ließ.

Der Planet „Destroy“!Die Sonne Alurin hatte zwei Planeten. Der äußere

war der Eisplanet Arctis, den sie sich als Zufluchtsortausgesucht hatten. Der innere hingegen war allesandere als vereist. In aller Eile angestellteUntersuchungen hatten eine Sauerstoffatmosphäreergeben, dazu eine wilde und völlig verwüsteteOberfläche mit abgetragenen Gebirgszügen undverdampften Meeren. Es gab zahlreicheRuinenstädte, aber kein Leben. Starke Radioaktivitätließ vermuten, daß ein fürchterlicher Atomkriegstattgefunden hatte. Als Versteck kam Destroy somitnicht in Frage.

Wirklich nicht?Rhodan trocknete sich ab und zog sich an. Der

Gedanke an Destroy ließ ihm plötzlich keine Ruhemehr.

Was wußte er überhaupt über diesen Planeten? Erließ sich noch einmal die Daten durch den Kopfgehen, die sie in der Eile hatten sammeln können.

Durchmesser sechzehntausendzweihundertKilometer.

Schwerkraft etwa eineinviertel Erdgravitation.Rotation nahezu dreiunddreißig Stunden.Umlaufzeit unbekannt.Eine Strahlenhölle.Das war alles. Viel zu wenig, dachte Rhodan.Viel zu wenig jedenfalls, um sich in seiner Nähe

sicher fühlen zu dürfen.Rhodan rückte den Rock zurecht und verließ die

Kabine. Unterwegs sah er auf seine Uhr.Vierundzwanzig Stunden Ruhepause. Das genügte.Offiziere und Mannschaften waren ausgeruht. Es warhöchste Zeit, die versäumte Erkundung des erstenPlaneten von Alurin nachzuholen.

Er betrat die Zentrale der CREST.

Der wachhabende Offizier sprang auf understattete Meldung.

„Keine besonderen Vorkommnisse Sir. VereinzelteSchiffe der Twonoser überflogen Arctis. Entferntensich wieder.“

„Danke, Richter.“ Rhodan setzte sich in einen derSessel, die vor den Kontrollen standen. Er schien zuüberlegen. Endlich sagte er: „Bitten Sie Atlan, Tolotund Kasom in einer halben Stunde in meiner Kabinezu sein. Ebenfalls Oberst Cart Rudo.“ Er standwieder auf und ging einigemal hin und her. „Daswäre alles. Danke.“

Er verließ die Zentrale und kehrte in seine Kabinezurück.

*

Genau neunundzwanzig Minuten nach Rhodansletzten Worten erschien Mausbiber Gucky inRhodans Kabine.

„Erschien“ war die richtige Bezeichnung für seinAuftreten, denn er kam nicht etwa durch die Tür wiejedes normale und vernünftige Lebewesen, sonderner materialisierte einfach aus dem Nichts. Alsperfektem Teleporter bereitete ihm das keine Mühe.Da er außerdem noch Telekinet und Telepath war,brauchte Rhodan sich eigentlich über nichts mehr zuwundern. Aber er tat es doch.

„Ach ... du? Ich dachte, du würdest schlafen?“„Falsch gedacht, Perry.“ Gucky watschelte

behäbig zu Rhodans Bett und ließ sich darauf nieder.„Es war reiner Zufall, daß ich gerade wach war, alsdu über Destroy nachdachtest. Du willst eineErkundungsexpedition unternehmen, zusammen mitden beiden Bullen und noch einigen Spezialisten. Anmich hast du dabei auch ein wenig gedacht ...“

Rhodan lachte.„Laß die ‚Bullen‘ das nicht hören, Kleiner. Sie

spielen dann Fußball mit dir. Besonders der HaluterIcho Tolot ist da etwas empfindlich.“

Gucky grinste. Sein einziger Nagezahn wurdedabei sichtbar.

„Soll er doch! Nicht die körperliche Größe,sondern die Qualität des Gehirns ist entscheidend.Und da ist er mir gegenüber sichtlich im Nachteil.“

„Mein lieber, kleiner Freund“, machte Rhodan ihnaufmerksam, „du scheinst vergessen zu haben, daßTolot zwei Gehirne besitzt.“

Gucky nickte traurig.„Wie recht du doch hast - ich hätte es wirklich fast

vergessen!“Die Tür öffnete sich. Gebückt kam einer der

„Bullen“ herein, der Haluter Tolot, gefolgt von dem„nur“ zweieinhalb Meter großen Kasom. Atlanbildete den Abschluß. Sie begrüßten Rhodan undnahmen Platz. Lediglich Kasom deutete mit dem

3

Page 4: Welt unter heisser Strahlung

Daumen auf Gucky und fragte:„Was will denn der Kleine dabei? Können sich

denn Erwachsene nicht einmal unterhalten, ohne aufKinder Rücksicht nehmen zu müssen?“

Guckys Haltung versteifte sich.„Nicht die körperliche Größe ist entscheidend“,

wiederholte er feierlich. „Die Wissenschaft hat längstfestgestellt, daß gerade die kleinen Lebewesen mehrIntelligenz besitzen als die Riesen. Denke nur an dieHirne der Saurier, hochverehrter Kasom.“

„Was soll der Quatsch?“ fragte Kasom und grinste.„Unterbrich mich nicht!“ fuhr Gucky ihn wütend

an und überzeugte sich davon, daß Rhodan keineAnstalten traf, die Auseinandersetzung zu beenden.„Ich halte einen gelehrten Vortrag. Hör lieber zu,dann kannst du noch etwas lernen. Tolot übrigensauch. Wo war ich stehengeblieben?“

„Bei den Sauriern“.„Stimmt, beim Gehirn der Saurier. Es war nur eine

Handvoll in einem Riesenkörper. Das Biest wußtenichts damit anzufangen. Der große Körper regiertedas Gehirn, nicht umgekehrt. Immer waren es dieKleinen, die im Vergleich zum Körper, ein größeresGehirn besaßen. So ist es auch bei uns. Ich bin vongeringer Größe, besitze jedoch ein gutfunktionierendes Gehirn. Du aber bist groß. Und deinGehirn bedarf einer gründlichen Überholung. Falls esda etwas zum Überholen gibt“ fügte er mit giftigklingender Stimme hinzu.

Kasom hob die riesige Hand. Er sah Rhodan an.„Soll ich ihn hochnehmen und in der Luft

verhungern lassen?“ erkundigte er sich freundlich.„Manchmal ist er wirklich zu frech.“

Gucky watschelte auf ihn zu. Er lächelteentwaffnend.

„Aber, aber“, sagte er. „Deinen besten Freund?“Kasom ließ die Hand sinken.Rhodan erklärte:„Mir macht der erste Planet dieses Systems

Sorgen. Was wissen wir schon von ihm? EineStrahlungshölle und Ruinenstädte. Das ist alles, abernicht genug. Ich fühle mich hier auf Arctis nichtsicher. Logische Folge: Ich schlage eine Expeditionvor.“

„Nach Destroy?“ Atlan fragte es erstaunt, dannaber nickte er. „Hm, diese Absicht hast du schoneinmal geäußert. Mit der IMPERATOR?“

„Ich dachte mehr an eine Kaulquappe“, gabRhodan zu.

„Sie fiele weniger auf, das stimmt. Ein Beiboot istklein, damit wäre es allerdings möglich, unbemerktdas System zu durchqueren. Die Entfernung ist nichtgroß.“

„Sie wird noch kleiner, wenn wir es im Linearflugversuchen.“

Oberst Rudo schaute Rhodan verblüfft an.

„Im Linearflug, Sir? Auf so geringe Entfernungwäre das lebensgefährlich.“

„Wir müssen es riskieren. Tolot und Kasomwerden mich begleiten. Dazu Gucky und WuriuSengu, der Späher.“ Er wehrte mit einerHandbewegung ab. „Tut mir leid, Rudo, Sie bleibenauf der CREST zurück. Atlan übernimmt dasOberkommando. Ich kann Sie beide hier nichtentbehren. Außer mir und den vier Genannten wirddie Kaulquappe eine Besatzung von dreißig Mannerhalten, ausgesuchte Leute, Wissenschaftler undMänner des Landekommandos. Nähere Einzelheitengebe ich noch bekannt. Ich wollte Sie nurunterrichten, bevor ich die Expedition vorbereitenlasse. Hat jemand Bedenken?“

Atlan räusperte sich.„Davon gäbe es eine ganze Menge“, sagte er.

„Aber wahrscheinlich ist das Risiko größer, wenn wireinfach hier unter dem Eis hocken bleiben und VogelStrauß spielen.“

„Genau das ist auch meine Meinung“, gab Rhodanzu. „Erst wenn wir sicher sein können, daß uns ausdiesem System keine Gefahr droht, können wir dienächsten Schritte planen und einleiten. Außerdemhabe ich so ein komisches Gefühl, das mich warnt ...“

Es sollte sich bald herausstellen, daß man hin undwieder doch etwas auf Gefühle geben konnte.

*

Die Kaulquappe mit der Bezeichnung „C-17“stand startbereit im Hangar neben der CREST. Siewirkte mit ihren sechzig Metern Durchmesser wie einZwerg neben dem gigantischen Schlachtraumer. DieBesatzung war bereits an Bord gegangen, nurKommandant Peanut stand noch vor dem Schiff undüberwachte das Freischmelzen des Ausflugschachtes.Das verdampfende Wasser wurde vonGravitationsfeldern abgesaugt. Ein breiter Schachtentstand bis hinauf zur Oberfläche.

Rhodan und Atlan kamen aus der CREST. NebenPeanut blieben sie stehen.

„Nun, Major, werden wir es schaffen?“Peanut nickte mit betonter Lässigkeit.„Kein Problem, Sir. Hauptsache ist, die Techniker

schließen den Eisdeckel sofort wieder, damitniemand den Hangar entdeckt.“

„Keine Sorge, Major. Niemand wird‚Louvre-Station‘ entdecken. Noch fünf Minuten. Istalles an Bord?“

„Wir sind startbereit, Sir.“Rhodan nickte Atlan zu.„Dann ist es bald soweit. Du wartest höchstens

drei Tage, Atlan. Wenn bis dahin keineLandebestätigung erfolgt oder auch sonstFunknachrichten ausbleiben, kommst du uns mit der

4

Page 5: Welt unter heisser Strahlung

IMPERATOR holen. Vergiß aber nicht, daß wiräußerst sparsam mit Funkmeldungen umgehenmüssen, um die Anpeilungsgefahr herabzumindern.Das gilt auch für euch.“

Gucky und Sengu kamen herbei.„Sind die Bullen schon an Bord?“ erkundigte sich

der Mausbiber.„Meinst du Kasom und Tolot?“ fragte Atlan

höflich.Gucky nickte.„Ja, die meine ich.“„Ihr seid die Letzten“, eröffnete ihm Rhodan und

beantwortete zugleich seine Frage. „Geht schon. Wirkommen gleich nach.“

Die Techniker meldeten, daß der Eisdeckel obenim Schacht nur noch zehn Meter dick war.

Rhodan klopfte Atlan auf die Schultern.„Bis später - hier oder auf Destroy“, sagte er und

ging mit Major Peanut davon.Atlan sah hinter ihnen her, bis sie in der Unterluke

verschwunden waren.Dann kehrte er in die CREST zurück, um seinen

Beobachtungsposten einzunehmen.Rhodan begab sich in die Zentrale der C-17.Zwei Minuten später stieg das kleine Schiff

senkrecht nach oben. Die glattgeschmolzenenEiswände des Schachtes blieben immer schnellerzurück.

Zwei, drei, fünf Kilometer.Und dann schoß die C-17 hinaus ins Freie.Inzwischen war es Nacht geworden. Nur der nahe

Andromedanebel stand am Himmel und gabgenügend Licht, das blanke Eis der Oberfläche biszum Horizont in einem milchigen Glanz schimmernzu lassen.

Die Orterschirme der Kaulquappe waren leer.Rhodan saß neben Peanut, der selbst die

Kontrollen bediente.„Die Luft scheint rein zu sein“ meinte er. „Gehen

Sie auf Höchstgeschwindigkeit, so schnell wiemöglich. Im Linearraum sind wir vor Ortung sicher.“

Der Planet Arctis versank scheinbar imAndromedanebel, als die C-17 den Kurs änderte undder wieder aufgetauchten Sonne entgegenflog. DerNavigationscomputer arbeitete ununterbrochen undgab Korrekturen durch. Der geringste Fehler konnteden sicheren Tod bedeuten.

Die C-17 erreichte die Lichtgeschwindigkeit undüberschritt sie.

Nun flog das Schiff blind, wenn man von demSteuerkomputer absah, aber der hatte seine Datenursprünglich auch von Menschen erhalten. Rhodanverließ sich darauf daß sie richtig waren.

Nach zehn Minuten bereits wurde die C-17 wiederlangsamer. Auf den Bildschirmen traten die Sternehervor. Unverändert leuchtete die rote Sonne, jetzt

allerdings auf dem Heckschirm. Man war an ihrvorbeigeflogen. Arctis war langst verschwunden.

Auf dem Frontschirm stand deutlich undungemütlich nah der Planet Destroy, das Ziel dergefährlichen Reise.

Die Spektraluntersuchungen liefen an, währendMajor Peanut die Kaulquappe an dem Planetenvorbeischießen ließ und eine weite Schleife zag, umsich dann von der anderen Seite erneut zu nähern.

Destroy war die Hölle, das hatten schon die erstenVoruntersuchungen ergeben. Ein Wunder, daß esnoch eine Sauerstoffatmosphäre gab. Aber sie warstrahlenverseucht. Jeder Aufenthalt in ihr war ohneSchutzanzug unmöglich. Die Messungen ergaben,daß ein Mensch bereits nach wenigen Stunden totwäre.

In geringer Höhe strich die Kaulquappe über dievon Zeit und Witterung abgeflachte Oberflächedahin. Es gab keine steil aufragenden Gebirgszügeund keine tiefen Schluchten, sondern nur welligeEbenen und breite Täler, in denen einst Flüsse undStröme geflossen sein mochten. Heute war das nichtmehr der Fall. Der Planet Destroy war ausgetrocknet.

Die erste Stadt kam in Sicht - oder vielmehr das,was einst eine Stadt gewesen war. Major Peanutverringerte auf Rhodans Zeichen hin dieGeschwindigkeit des Schiffes. Sie gingen tiefer.

„Es muß eine große Stadt gewesen sein“, sagteKasom verwundert.

Rhodan nickte nur.Die Ruinenlandschaft besaß eine Ausdehnung von

vielen Quadratkilometern. Ihr Rand verschmolz mitder Wüste. Die Straßenzüge waren aus der Höhenoch undeutlich zu erkennen, aber von den einstigenGebäuden war nichts geblieben - nichts außerabgerundeten Hügeln, die nur durch ihreRegelmäßigkeit auffielen. Vielleicht waren die einenoder anderen höher und breiter, aber ihn Grundeähnelten sie sich alle. Auf keinen Fall konnte einZweifel daran bestehen, daß dort unten einmal eineriesige Stadt gestanden hatte.

„Wann mag es geschehen sein?“ fragte MajorPeanut leise.

„Wir werden das feststellen“, versprach Rhodan.„Vielleicht ist es wichtig für uns, das zu wissen.Überlebende werden wir wohl kaum noch vorfinden,aber vielleicht Hinweise, wer sie waren.“

Gucky sah ungewöhnlich ernst aus, als er sagte:„Es ist eigentlich sehr entmutigend, finde ich.

Wohin wir auch kommen überall finden wir dieSpuren des Krieges. Kann es denn keine Zivilisationohne den Krieg geben? Keine Intelligenz ohnesinnlosen Mord? Die einfachen Tiere töten nur dann,wenn sie dazu gezwungen werden oder wenn sieNahrung brauchen. Die Intelligenzen morden, weil esihnen Spaß macht. Und wenn sie morden, dann tun

5

Page 6: Welt unter heisser Strahlung

sie es gründlich. Das ist in unserer Milchstraße so,das ist auch hier vor dem Andromedanebel so. Wirdsich das niemals ändern?“

Rhodan wandte sich um. Er legte dem Mausbiberdie Hand auf die Schulter.

„Wir haben uns schon einmal darüber unterhalten,Kleiner“, sagte er behutsam. „Es gibt vieleAntworten auf deine Frage, aber keine istbefriedigend. Ich gebe es zu, daß ich mich manchmalschäme, obwohl ich mir einbilde, besser zu sein.Sicherlich bin ich es nicht, aber wenigstens versucheich es. Viele Kriege entstehen nur deshalb, weil sichjemand bedroht fühlt und sich verteidigen möchte -es sind die vermeidbaren Kriege. Aber es gibt auchAggressoren, daran kann kein Zweifel bestehen. Undsie sind in der Überzahl. Der Unterschied zum Tierbesteht darin, daß sie mit Verstand und Plan anderesLeben vernichten.“ Er deutete mit der freien Handauf die Bildschirme. „Dieser Planet dort unten wurdenach einem solchen Plan vernichtet und entvölkert.Es war kein Krieg der Eingeborenen unter sich, daswage ich schon jetzt zu behaupten. Es war ein Krieg,der aus dem All kam und die Bevölkerung fastunvorbereitet traf.“

„Woher stammt Ihre Vermutung?“ fragte Kasom.„Ganz einfach. Sehen Sie sich nur die

Zerstörungen an. Alle Städte sind nach der gleichenMethode vernichtet worden. Sogar die Kapazität dereingesetzten Vernichtungsmittel dürfte gleichgewesen sein. Es war somit ein Angreifer, der dieseWelt überfiel. Folglich kann er nur aus demWeltraum gekommen sein.“

„Ja, das klingt logisch.“ Kasom schwieg eineWeile, dann fragte er: „Und wer könnte das IhrerMeinung nach getan haben?“

Rhodan hob die Schultern.„Wie soll ich das wissen? Vielleicht ist es leichter

herauszufinden, wer |das Ziel des Angriffs war.“ Ernickte Peanut zu. „Noch eine Umkreisung, Major,dann werden wir landen. In der Nähe einer Stadt.“

Von nun an sprachen sie nicht mehr viel.Sie hatten die Stadt schon weit hinter sich

gelassen, als einer der Wissenschaftler die Zentralebetrat. Er brachte die Ergebnisse der ersten genauenUntersuchungen und Strahlungsmessungen. Rhodankannte ihn von der CREST her.

„Schon was herausgefunden, Dr. Berger?“„Eine ganze Menge, Sir.“ Er gab Rhodan einen

Zettel. „Das Ergebnis, kurz zusammengefaßt.“Rhodan überflog die wenigen Zeilen und sah auf.„Vor dreihundert Jahren, meinen Sie?“„Eher weniger, Sir.“Rhodan lehnte sich zurück und schaute

nachdenklich auf den Zettel.„Eigentlich war das, wenn man so sagen darf,

schon zu unserer Zeit. Sie verstehen, wie ich das

meine ...? Dreihundert Jahre sind kurz, in kosmischenMaßstäben betrachtet. Als das hier geschah, bautenwir unser galaktisches Imperium auf. Vor knappdreihundert Jahren wagten wir unseren erstenVorstoß in den Leerraum, in den großen Abgrundzwischen den Galaxien.“

Er sagte das so merkwürdig, daß Kasom unsicherfragte:

„Sehen Sie da einen Zusammenhang, Sir?“Rhodan schüttelte den Kopf.„Nein, Melbar, das wäre wohl zu vermessen, nicht

wahr? Ich wollte nur auf den Zufall hinweisen. Wirunternahmen den ersten Schritt in RichtungAndromeda, und hier wurde eine Welt vernichtet. Esgibt aber solche Zufälle, das kann niemandabstreiten. Ich stelle ihn lediglich fest, das ist alles.“Er sah wieder auf den Zettel. „Die noch herrschendeStrahlung ist stark, extrem stark sogar. Sie ist absoluttödlich.“ Und nach einer winzigen Pause fügte erhinzu: „Wenigstens auf der Oberfläche.“

Dr. Berger sagte:„Unsere Untersuchungen sind noch nicht

abgeschlossen, Sir. Sobald wir gelandet sind, könnenwir sie intensiver fortsetzen. Meine Kollegen und ichglauben, daß wir auch die Art der Vernichtungsmittelgenau analysieren können. Daraus ließe sichvielleicht etwas auf den Angreifer schließen.“

„Danke, Dr. Berger. Wir werden in etwa zweiStunden landen. Gönnen Sie sich bis dahin ein wenigRuhe.“

Der Wissenschaftler verließ die Zentrale Kasomsah ihm nachdenklich nach, bis er verschwundenwar.

„Dreihundert Jahre“, sagte er vor sich hin. „Undder Planet strahlt noch immer wie radioaktivesKobalt.

Wer immer auch der Angreifer war, er wolltesichergehen. Und wer immer auch einst diesenPlaneten bewohnte, er muß gefährlich gewesen sein.“

„Das stimmt nicht ganz“, sagte Rhodan. „Ware erwirklich gefährlich gewesen, hätte man ihn nichtderart überraschend schlagen können.“

Sie schwiegen.Die C-17 setzte unterdessen ihren Flug über die

Oberfläche fort.Sie ließen die Bildschirme keinen Augenblick

unbeobachtet, aber der Anblick veränderte sich nicht.Immer wieder die flachgelegten Städte, dieabgetragenen Gebirge, die flachen Riesenmulden derverdampften Meere und die ausgedörrte Wüste, KeinZeichen von Leben.

Als die nächste große Stadt mitten in der welligenWüste in Sicht kam, gab Rhodan den Befehl zurLandung.

*

6

Page 7: Welt unter heisser Strahlung

Die Teleskopstützen waren tief eingesunken, ehesie auf festen Widerstand trafen und hielten. DerSand und der strahlende Staub lagen fast fünf Meterdick über den Felsen der eigentlichen Oberfläche. Erwar jedoch fest genug, geringere Lasten als einRaumschiff zu tragen.

Rhodan ließ Major Peanut die Rundrufanlageeinschalten. Nur so war es möglich, daß er von derZentrale aus überall im ganzen Schiff gehört wurde.

„Es ist zwar wahrscheinlich, daß es auf diesemPlaneten kein Leben mehr gibt, aber wir wollen dievon uns selbst aufgestellten Vorsichtsmaßnahmennicht außer acht lassen. Ich werde mit fünf Männerndas Schiff verlassen und eine erste Erkundungvornehmen. Sollte diese in unserem Sinne positivverlaufen, können mehrere Gruppen vonWissenschaftlern folgen, um die abschließendenUntersuchungen vorzunehmen. Sie bleiben vorerst imSchiff und zwar in voller Alarmbereitschaft. Im Falleeines Angriffs hat Major Peanut den Befehl, sofort zustarten und später wieder zurückzukehren.“

Rhodan schaltete den Interkom ab.„Vielleicht sind wir zu vorsichtig“, meinte Kasom

skeptisch, „aber ich hörte noch nie daß so etwasschadet. Wer kommt mit Ihnen, Sir?“

Rhodan lächelte.„Sie natürlich, auch Tolot. Dazu Sengu und

Gucky. Ja, und der fünfte Mann ... vielleicht nehmenwir da einen Shiftpiloten.“

„Wir nehmen einen Shift?“„Wollen Sie zu Fuß gehen?“Ein Shift war ein Flugpanzer, in dem sechs

Männer bequem Platz fanden. Die Kabine wardrucksicher und bot Ausblick nach allen Seiten. Erkonnte sich schnell auf der Oberfläche bewegen undim Notfall fliegen. Es gab kein geeigneteresFahrzeug, einen fremden Planeten zu erforschen.

„Ich bin für den Shift“, knurrte Gucky.Kasom schaute ihn prüfend an und grinste.„Kann ich verstehen - bei deinen kurzen Beinen.

Und wenn du es ganz genau wissen willst - krummsind sie auch noch.“

Gucky schnappte nach Luft, hielt sie einenAugenblick an, um sie dann mit einem verächtlichenSchnauben wieder aus den Lungen zu lassen.

„Dabei bist du selbst zu faul, auch nur einenSchritt zu machen.“

„Wir nehmen den Shift, weil ich keine Lust habe,zu Fuß durch den Sand zu laufen“, entschied Rhodanden Streit. „Wir nehmen die leichten Kampfanzüge.Dazu entsprechende Ausrüstung. Im Shift sindLebensmittel für einige Wochen. EineExpeditionsausrüstung sollten wir auch nichtvergessen. Wenn Sie das alles schleppen wollten,Kasom ...“

Gucky warf dem Ertruser einen triumphierenden

Blick zu und verließ hocherhobenen Hauptes dieZentrale, um sich aus seiner Kabine denSpezialanzug zu holen, der extra für ihn angefertigtworden war.

Der Shift stand im Hangar der C-17.Der Pilot, Tom Jones, hatte seine Vorbereitungen

beendet und erwartete seine Fahrgäste. Er strich dieUniform glatt, als Rhodan mit seinen Begleitern denHangar betrat. Allen voran schaukelte Gucky mitseinem so unbeholfen wirkenden Watschelgang

„Shift startbereit, Sir“, meldete Jones.Gucky baute sich vor ihm auf und ließ den

Nagezahn blitzen.„Mann, sind Sie aber zackig! Wohl auf der

Akademie gelernt, was?“„Jawohl, Guck ... ahem ... Leutnant ... äh ...“„Wohl 'nen Kloß im Hals, was?“ erkundigte sich

Gucky gönnerhaft und fügte großmütig hinzu: „Es seiIhnen verziehen, Sergeant. Man begegnet nicht alleTage dem Retter des Universums.“

Sprach's und stolzierte mit steifen Beinen an ihmvorbei, hinein in die Kabine des Shifts.

Sergeant Jones sah mit offenem Mund hinter ihmher.

Rhodan klopfte ihm auf die Schulter.„Zeigen Sie ihm Ihre Bewunderung nicht zu sehr,

Sergeant, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf. DasGegenteil auf keinen Fall!“

Damit wußte Tom Jones zwar nicht vielanzufangen, aber er beschloß, den Rat nachMöglichkeit zu beherzigen. Seine Aufgabe war es,den Flugpanzer zu steuern. Und das wurde er auchtun.

Er stieg als letzter ein und verschloß diehermetische Luke. Die Sauerstoffversorgung desPanzers begann automatisch zu arbeiten. Rhodan undseine fünf Begleiter trugen die verbessertenKampfanzüge der alten Arkoniden. Sie warenleichter, aber nicht weniger leistungsfähig In einemkleinen Rückentornister befanden sich dieverschiedenen Aggregate, die in jeder Hinsicht wahreWunder vollbringen konnten. Sie erzeugten kleineEnergieschirme, richtige Sphären, in deren Schutzder Träger eines solchen Anzuges vor jedem Angriffund vor jeder noch so tödlichen Strahlung sicher war.Ein raffiniertes Erneuerungssystem garantierteAtemluft für mindestens hundert Stunden.Antigravprojektoren machten den Träger desSpezialanzuges flugfähig, und die eingebautenDeflektorprojektoren konnten ihn unsichtbar werdenlassen.

Rhodan nahm Funkverbindung mit Major Peanutauf.

„Alles wie besprochen, Sir. Sie können sich aufuns verlassen.“

„Gut. Setzen Sie eine geraffte Kodemeldung an

7

Page 8: Welt unter heisser Strahlung

Atlan ab. Unterrichten Sie ihn, was wir vorfanden.Hyperfunk. Teilen Sie ihm weiter mit, daß wir uns invierundzwanzig Stunden wieder melden.“

„Jawohl, Sir.“„Gut.“ Er schaltete den Sender ab und wandte sich

an Sergeant Jones. „Jetzt sind Sie dran, Sergeant.“Tom Jones nickte gelassen. Er betätigte einen

Knopf, der dem Personal im Hangar dasentsprechende Zeichen gab. Die Luke schwang weitauf und ließ die tödliche Strahlung ins Schiff. Aberihn Hangar war kein Mensch mehr. Nur dieBesatzung des Shifts, und der war abgeschirmt.

Langsam setzte sich das schwache Gefährt inBewegung, rollte aus der Luke hinaus und schwebtemit eingeschalteten Antigravfeldern in die Wüstehinaus. Langsam sank es dem Boden entgegen undsetzte schließlich sanft auf. Jones schaltete dieAntigravfelder ab. Sie verbrauchten eine Unmengean Energie, die man sich für den Notfall aufhebenwollte.

Das Kabinendach und die Seitenwände warendurchsichtig. Sie gestatteten einen ungehindertenBlick nach allen Seiten.

Langsam rollte der Shift auf die regelmäßigenTrümmerhügel zu, die den Anfang der zerstörtenStadt markierten. Rechts und links war Wüste, aberauch sie verriet, daß hier einstmals Gebäudegestanden hatten, wenn auch nicht so engnebeneinander wie in der eigentlichen Stadt. Derganze Planet mußte hochindustrialisiert gewesensein. Rhodan versuchte sich vergeblich vorzustellen,wer die unglückliche Rasse gewesen sein mochte, diehier von einem übermächtigen Gegner vernichtetworden war.

Er ahnte noch nicht, welche Überraschung ihmbevorstand.

*

Die Straßen waren breit und schnurgerade.Natürlich waren es keine richtigen Straßen mehr,sondern flache Sandtäler, die durch gradlinigeSandhügel führten. Rhodan begann sich zuüberlegen, wo der ganze Sand herkam. Vielleichtwußte Dr. Berger bald eine Antwort daruf.

„Die Sandschicht muß viele Meter dick sein“,stellte Kasom fest, als sie im Zentrum der ehemaligenStadt einen runden Platz erreichten. „Sie hat dieeinstigen Ruinenerhebungen weitgehendausgeglichen. Aber noch nicht genug, um dieUmrisse völlig zu verwischen.“

Tom Jones hatte den Shift angehalten.Aufmerksam sahen sich die Insassen nach allenSeiten um. Gucky meinte:

„Es wäre gut, wenn man sich jetzt eine Schaufelschnappte und zu buddeln anfinge. Dann wüßten wir,

woran wir wären.“„Schnapp' dir eine Schaufel“, riet Kasom

gutmütig. „Da kommst du aber ganz schön insSchwitzen.“

„Hast du auch wieder recht“, gab Gucky zu undhüllte sich in Schweigen. Man sah ihm an, daß er fürderartige Arbeiten, auch wenn er sie telekinetischwürde vollbringen können, doch nicht das rechteInteresse aufbringen konnte. Aber es war ja auch nurein Vorschlag gewesen. Und sicherlich nicht für ihnselbst gedacht. Kasom war viel kräftiger, undaußerdem ...

„Man sollte in so ein Gebäude eindringen können“,schlug Tolot vor. „Müßte doch möglich sein. So tiefkönnen die nun wieder auch nicht unter dem Sandliegen. Ein paar Meter, schätze ich.“

Rhodan sagte überhaupt nichts. Er sah sich nur um.Sie schienen mitten in einer Wüste angehalten zu

haben. Vegetation gab es auf diesem Planetenüberhaupt nicht, wenigstens nicht hier, wo einmaleine Stadt gewesen war. Die Strahlung mußte allesverbrannt haben. Die Fronten der ehemaligen Häuserhoben sich in Form kleiner Erhebungen gegen denfernen Horizont ab. Und das nach allen Seiten.

„Wir werden unter der Erde auch nichts finden“,sagte Rhodan endlich. „Hier oben lebt niemand, undwovon sollte jemand existieren können, wenn erunter der Oberfläche haust?“

„Ich dachte eigentlich weniger an Überlebende, alsvielmehr an Hinweise, wie die ausgerottetenBewohner dieser Welt aussahen“, verbesserte Tolot.„Denn das ist es doch wohl, was uns in erster Linieinteressiert.“

„Sie haben natürlich recht“, stimmte Rhodan zu.„Wir werden einen Bagger herschicken. Oder bestehtGucky vielleicht noch auf seinem Vorschlag, miteiner Schaufel ...?“

Gucky bestand nicht mehr darauf.Schon wollte Rhodan das Zeichen zum Aufbruch

geben, als der Empfänger des Shifts das Rufzeichengab. Sergeant Jones sah Rhodan an bevor er sichmeldete.

Es war Major Peanut.„Wir haben Ortungen auf dem Schirm“, sagte er

aufgeregt. „Eine ganze Menge Ortungen. Es sindSchiffe. Sie nähern sich.“

„Verhalten Sie sich passiv“, riet Rhodan.„Vielleicht übersehen sie uns.“

„Und wenn sie angreifen?“Rhodan zögerte.„Das müssen wir riskieren. Aber wenn Sie das

Feuer nicht eröffnen und wenn der Schutzschirmnicht eingeschaltet wird, ist die Chance, daß wirentdeckt werden, wesentlich geringer. Im übrigenhaben Sie Entscheidungsfreiheit. Wir beeilen uns.“

Die rote Sonne Alurin stand noch hoch am

8

Page 9: Welt unter heisser Strahlung

Himmel. Es würde noch gut sieben Stunden Tagbleiben, aber das hatte mit dem Terra-Datum nichtszu tun. Im Universum gab es soviel Zeiten wie esWelten gab.

„Fahren Sie schon los, Sergeant“ befahl Rhodan,als er Jones' fragenden Blick sah. „Fliegen dürftejetzt zu riskant sein. Am Boden wird man wenigerschnell geortet.“

Sie fuhren los, aber sie kamen nicht weit.

*

Major Peanut war klug genug, die Besatzung derC-17 von den fremden Schiffen zu unterrichten. Daer außerdem alle Vollmachten von Rhodan erhaltenhatte, entschloß er sich zu einer weiteren MaßnahmeAls die Orterschirme zehn Objekte zeigten, die sichin direktem Anflug der Kaulquappe näherten, befahler der Besatzung, sich im unteren Hangar zuversammeln. Die Schleuse wurde geöffnet. Die Leutetrugen Schutzanzüge und ihre Waffen.

Dr. Berger kam in die Zentrale.„Was hat das zu bedeuten?“ wollte er wissen.

„Warum errichten Sie keinen Energieschirm undversetzen das Schiff in den Verteidigungszustand? Essollte doch leicht sein, mit dem Angreiferfertigzuwerden.“

„Vielleicht“, sagte Peanut fast phlegmatisch.„Aber Rhodan hat Passivität befohlen. Vielleichtvermutet er weitere Angriffskräfte in unmittelbarerNähe und möchte sie nicht unnötig aufmerksammachen. Jedenfalls ist der Hangar der sichersteRaum, falls die fremden Schiffe wirklich das Feuereröffnen sollten. Ich bleibe in der Zentrale.“

„Das alles ist eine Maßnahme, die mir höchstunlogisch erscheint.“

„Mir auch, lieber Doktor, mir auch. Aber Siewissen auf der anderen Seite so gut wie ich, daß esfalsch wäre, unsere Gegenwart hier zu verraten, Kanndoch sein, daß die Twonoser oder wer immer in denfremden Schiffen sitzt - einfach weiterfliegen, wennsie annehmen müssen, daß unsere C-17 ohneBesatzung ist.“

„Das nehmen uns selbst die dümmsten Twonosernicht ab.“

„Bleibt abzuwarten, ob es überhaupt Twonosersind. Nun verschwinden Sie aber. Die fremdenSchiffe sind keine zehn Kilometer mehr entfernt. Siemüssen jeden Augenblick ihre Absichten zu erkennengeben.“

Dr. Berger rannte davon. Er ließ die Tür derZentrale offen, was Peanut nur recht sein konnte.Über den Interkom vergewisserte er sich, daß alleLeute in dem unteren Hangar versammelt waren. Erlegte die rechte Hand auf die Automatiksteuerung derHauptenergiestrahler und sah auf die Orterschirme.

Dann auf die Bildschirme.Die fremden Schiffe - es waren zehn an der Zahl -

waren nun deutlich zu erkennen. Sie hatten keineEiform, sondern waren rund. Ihr Kurs deutete an, daßsie die C-17 entdeckt hatten. Sie flogen genau auf dasin der Trümmerwüste liegende Raumschiff zu.

Peanut begann einzusehen, daß er doch bessergegen Rhodans Befehl gehandelt hätte. Aber nochwar es dazu nicht zu spät. Seine rechte Hand bliebauf dem Knopf der Feuerautomatik liegen. Wenn erihn eindrückte, würde dem Angreifer einmörderisches Feuer entgegenschlagen.

Der Empfänger gab das Rufzeichen.„Hier Peanut.“„Rhodan hier. Wie ist die Situation? Wir sind noch

zwei Kilometer entfernt.“„Die fremden Schiffe greifen an. Offensichtlich

keine Twonoser. Sie können jeden Augenblick dasFeuer eröffnen.“

„Gut. Dann den Energieschirm einschalten. Wennman Sie ohnehin entdeckt hat, spielt auch das keineRolle mehr ...“

„Es ist zu spät, fürchte ich“, sagte Peanut, derinzwischen die zehn Kugelschiffe nicht aus denAugen gelassen hatte. Fünf von ihnen wareneingeschwenkt und rasten auf die C-17 zu, ohne ihreGeschwindigkeit zu verringern. „Sie eröffnen dasFeuer. Entweder Schutzschirm oder Gegenfeuer, Sir.Ich habe mich für die Waffen entschieden.“

Peanut hieb den Feuerknopf in den Sockel.Die Zielerfassungsautomatik peilte den Gegner an,

richtete die Geschütze ein und betätigte denentsprechenden Abzug. Das alles dauerte nur wenigeSekunden - aber eben um diese wenigen Sekunden zulange.

Peanut erkannte, daß er den Gegner unterschätzthatte. Kein vernünftiges Wesen hätte einenüberlegenen Gegner so offen und ohne Deckungangegriffen, wie die Kugelschiffe das nun taten. Siehatten den Riesen - und die C-17 war ihnengegenüber ein Riese - ausgemacht und angeflogen.Und genauso zielbewußt griffen sie ihn an underöffneten das Feuer.

„Kein vernünftiges Wesen ... “, dachte Peanut,während er aufsprang und auf den Korridorhinauseilte. Sein Versuch, den Energieschirmeinzuschalten, war fehlgeschlagen, weil diepausenlos eingesetzten Abwehrgeschütze alleEnergie verbrauchten.

Wenn kein vernünftiges Wesen die angreifendenSchiffe steuerte, wer dann?

Er stürmte in den Hangar. Die Leute sahen ihm mitfragenden Blicken entgegen. Sie begriffen nicht,warum man sich so schnell einem unbekanntenGegner ergab. Wäre der Energieschirm rechtzeitigum das Schiff gelegt worden, hätte eigentlich nichts

9

Page 10: Welt unter heisser Strahlung

passieren können. Aber dann wäre Alarm geschlagenworden. So aber ... vielleicht ...

Peanut hegte verschiedene Vermutungen, und erwußte nicht, welche zutreffend war. Immerhin schienes unwahrscheinlich, daß Rhodan die Kaulquappenur deshalb opferte, um den Gegner zu täuschen.

Eine furchtbare Detonation erschütterte das Schiff.Beißender Qualm drang in den Hangar. Eine zweiteExplosion erfolgte. Dann kippte die C-17. Diefremden Schiffe mußten eine der Landestützenzerschossen haben.

„Warum unternehmen wir denn nichts?“ fragte einMann wütend.

Peanut rutschte gegen eine Strebe und hielt sichfest. Der Boden des Hangars hatte sich umfünfundvierzig Grad geneigt. Die geöffnete Lukeführte auf den Wüstensand hinaus. Es war ein Glück,daß alle Leute den Schutzanzug trugen.

Peanut hörte plötzlich Rhodans Stimme imHelmempfänger.

„Hören Sie, Major? Was ist los?“„Die Fremden schießen die Kaulquappe lahm. Das

Tarnmanöver blieb ohne Erfolg. Sie müssen schonvorher gewußt haben, daß wir hier sind.“

„Das ist unmöglich, Major. Haben Sie sich nichtzu früh verraten?“

„Bestimmt nicht, Sir. Kein Schutzschirm, nichts.Das Feuer habe ich erst durch die Automatik eröffnenlassen, als wir den ersten Treffer zu verzeichnenhatten. Inzwischen schießen sie uns zusammen.“

„Verlassen Sie das Schiff, Major. Suchen Sie inden Ruinen Schutz. Vielleicht gelingt dieTäuschung,“

„Täuschung, Sir ...?“„Ich erkläre es Ihnen später. Handeln Sie jetzt.

Lassen Sie die C-17 im Stich und fliehen Sie. Wirwarten hier in der Stadt auf Sie.“

„Das Schiff verlassen ...?“ Der Gedanke alleinging Peanut so gegen den Strich, daß sich alles inihm gegen die Ausführung sträubte. Aber dann siegtedas Vertrauen zu Rhodan über alle Bedenken. „InOrdnung, Sir. Wir sehen uns dann in Kürze. Abergefallen tut mir die ganze Sache nicht, Sir ...“

„Mir auch nicht, Peanut.“Die zehn Kugelschiffe, keins größer als fünf Meter

im Durchmesser, waren weit abgeflogen, bildeteneine Keilformation und kehrten zurück. Noch immerschlug ihnen das mörderische Automatikfeuer derC-17 entgegen, und diesmal saß es richtig. Sechs derKugeln zerplatzten und stürzten ab. Die Trümmerverstreuten sich in der ganzen Umgebung.

Die anderen vier hielten stur ihre Richtung,schossen und zogen wieder hoch.

Peanut sah, daß sie erneut zum Sturzflug ansetzten.Es war für ihn jetzt zu spät, noch in die Zentrale zugelangen. Der Schutzschirm war illusorisch

geworden. Man hatte die C-17 umsonst geopfert.„Das Schiff wird aufgegeben!“ befahl er, obwohl

sich alles in ihm gegen den scheinbar sinnlosenBefehl sträubte. „Jeder versucht, sich zur Stadtdurchzuschlagen. Dort treffen wir uns mit Rhodan.“

Peanut sprang aus der Luke und raste auf dieRuinenstadt zu. Aus den Augenwinkeln heraus sah erdie vier restlichen Kugeln auf die C-17 herabstürzenwie gierige Raubvögel. Zwei detonierten imAbwehrfeuer der todwunden Kaulquappe, ehe dieseselbst einen weiteren Treffer erhielt.

Dreißig Männer liefen durch die Wüste. Hinterihnen brach die Hölle los, aber sie wurden nichtverfolgt. Peanut registrierte es ein wenig verwundert,machte sich aber weiter keine Gedanken. Man wollteanscheinend nur ihr Schiff vernichten, nicht aber sieselbst. Kein Wunder, denn wie sollten sie auch aufdiesem Höllenplaneten länger als ein paar Stundenoder Tage überleben ...?

Die C-17 wurde von einer furchtbaren Explosionauseinandergerissen. Ein Feuerball entstand, und dieHitzewelle raste über die flüchtenden Männerhinweg.

„Flugaggregate einschalten!“ befahl Peanut underhob sich in die Luft. In geringer Höhe glitt er überden Wüstensand dahin. Die Stadt kam nun schnellnäher. Er sah, daß die Männer ihm folgten. Weiterhinten verglühte die Kaulquappe in einer Muldegeschmolzenen Sandes.

Die beiden fremden Kugeln umkreisten nocheinmal das Wrack, dann drehten sie ab und flogendavon. Sie taten beide so, als hätte es keineÜberlebenden gegeben. Seltsamerweise war diesesmerkwürdige Verhalten keine Beruhigung für Peanut.Ganz im Gegenteil. Erst jetzt begann er, sichernsthafte Sorgen zu machen.

Weit vor sich entdeckte er einen dunklen Punkt imGelände. Das mußte Rhodans Shift sein. Er standzwischen zwei Sandhügeln, unter denen die Ruinenehemaliger Gebäude verborgen sein mochten. Peanutkorrigierte seinen Kurs und flog genau darauf zu.Seine Männer folgten ihm. Über den Anzugsenderkonnte er ihre nicht gerade freundlichen Kommentaremithören. Die Leute waren über die Tatsacheverbittert, daß man die Kaulquappe verloren hatte.Ihrer Meinung nach wäre man leicht mit den zehnFeindschiffen fertiggeworden.

Sie haben recht, dachte Peanut bei sich. Sie habennur zu recht. Aber wer weiß, was geschehen wäre,wenn wir den Schutzschirm um die C-17 gelegthätten. Wären dann nicht zehn weitere Feindschiffegekommen, oder hundert? Oder was sonst noch ...?

Er landete dicht neben dem Shift. Rhodan warausgestiegen und empfing ihn.

„Hatten Sie Verluste?“ lautete seine erste Frage.Ein Menschenleben war ihm mehr wert als ein

10

Page 11: Welt unter heisser Strahlung

Schiff, das viele Millionen Solar kostete. „Es täte mirleid, wenn ...“

Peanut antwortete rasch: „Keinen einzigen Verlust,Sir ... bis auf das Schiff.“

„Gott sei Dank!“ Rhodan atmete erleichtert auf.„Vielleicht hat es sich doch ausgezahlt, daß wir dieC-17 opferten. Denn wir haben sie geopfert, darübersind wir uns alle klar. Der Gegner ist nun beruhigt. Erhat den Eindringling vernichtet, und damit ist es fürihn überflüssig geworden, Großalarm zu geben.“

Er nickte den anderen zu, die nach und nachlandeten und die Flugaggregate abschalteten. „HabenSie übrigens die Schiffe erkannt? Waren esTwonoser?“

Peanut schüttelte bedächtig den Kopf.„Es waren keine Schiffe der Twonoser, Sir. Sie

waren rund - und auf keinen Fall Eischiffe mitHeckflossen.“

Rhodan biß sich auf die Lippen.„Wenn es keine Twonoser waren ... wer war es

dann?“Peanut setzte sich auf einen kleineren Sandhügel.„Ich weiß es nicht, Sir. Vielleicht wäre auch noch

ihre seltsame Art des Angriffs zu erwähnen.Kompromißlos und unbeirrt, ohne Rücksicht aufeigene Verluste.“

Rhodan sah auf.„Als wäre es ihnen egal, ob sie dabei draufgehen

oder nicht?“„So etwa, Sir.“Rhodan schaute in den losen Sand zu seinen

Füllen, dann sah er hinauf in den grünblauen Himmelvon Destroy.

„Das vergrößert das Problem, Major Ich fürchte,Ihre Angreifer waren Roboter.“

„Roboter?“ Peanuts Augen vergrößerten sichschreckhaft. „Roboter? Hm, das wurde die Reaktionerklären, die Art ihres Anfluges, ihr konsequentesAuftreten ... hm, das wird es sein. Roboter!“

Rhodan deutete in Richtung der Rauchwolke, dieüber der vernichteten Kaulquappe stand.

„Die meisten der Angreifer wurden abgeschossen.Wir werden sie untersuchen, und dann haben wirGewißheit. Ich gehe selbst, und einige derSpezialisten werden mich begleiten. Der Rest bleibthier beim Shift. Versuchen Sie, eine behelfsmäßigeUnterkunft zu bauen. Ein Loch im Sand genügt:Vielleicht schmelzen Sie die Wände glatt, damit sienicht einstürzen.“

Rhodan suchte sich einige Spezialisten aus, unteranderem auch Dr. Berger. Sie schalteten dieFlugaggregate ein und landeten Minuten später nebeneinem Trichter, auf dessen Grund eine der Kugeln lagoder vielmehr das, was von ihr übriggeblieben war.

Die ehemalige Form war nicht mehr zu erkennen,denn das Schiff war von einer Explosion zerrissen.

Während Rhodan die nähere Umgebung absuchte,beschäftigten sich die Techniker in aller Eile mit denTrümmern. Ihnen fehlte die notwendige Ausrüstung,aber auch so kamen sie zu einem Ergebnis. AlsRhodan nach zehn Minuten zurückkehrte, konntensie ihm berichten:

„Fremdartige Legierung, Sir.“ Dr. Berger hob dieSchultern. „Nicht genau zu bestimmen, wenn ichehrlich sein soll. Ziemlich widerstandsfähig. Von deneigentlichen Steuerkontrollen blieb kaum etwasübrig. Soweit wir feststellen konnten, war allesautomatisch und mit Computern. Der Antrieb istatomar. Die entsprechenden Maschinen undLichtdruckerzeuger müssen ein Wunderwerk derTechnik gewesen sein, schon wegen ihrer geringenGröße. Was die Waffen angeht, so handelt es sichwahrscheinlich um normale Energiestrahler mitatomarer Kraftquelle. Also nichts Neues. Wenn Siedaraus auf die Herkunft schließen wollen, Sir ...“

„Kaum“, erwiderte Rhodan nachdenklich „SagtenSie: automatisch und mit Computern?“

„Ganz richtig.“„Besteht also die Möglichkeit, daß die Schiffe

überhaupt keine Besatzung hatten?“„Sie meinen, daß die Schiffe Roboter waren?“

Berger sah Rhodan aufmerksam an. „Vielleicht.Durchaus möglich, Sir. Das wurde dievollautomatische Steuerung erklären.“

„Noch einiges mehr, Doktor. In erster Linie dieAngriffsweise der Kugelschiffe und ihr Verhalten.Sie nahmen keine Rücksicht auf sich. Lebewesen,gleich welcher Art, hatten das immer getan.“

„Jeder hängt an seinem Leben“ meinte Berger undnickte. „Man merkt es ja schon bei uns.“

„Noch nicht so sehr“, berichtigte ihn Rhodan.„Aber wenn unsere Lage bedrohlicher wird, dannvielleicht.“ Er deutete auf den Krater. „Was habenSie sonst feststellen können? Strahlung? Herkunft?“

„Nichts, Sir. Strahlung ist ohnehin vorhanden.Niemand kann feststellen, ob neue hinzugekommenist. Ich wurde aber gern bei Gelegenheit einmal dieÜberreste der C-17 untersuchen, Sir ...“

„Da werden Sie nicht mehr viel finden.“ RhodansStimme klang trocken und hart. „Wenigstens nichts,was noch zu gebrauchen wäre. Wir haben ja denShift. Mit dem müssen wir uns behelfen, bis Atlaneintrifft.“

„Sie glauben, daß er kommt?“„Es war so ausgemacht, Berger.“Sie kehrten in das vorläufige Versteck zurück.

Inzwischen hatte man eine Grube ausgehoben unddie Seitenwände mit Energiestrahlern gehärtet. DerShift stand im Schatten einer Ruine. Gucky unterhieltsich mit Major Peanut und gab ihm gute Ratschläge,wie man sich im Falle eines Angriffs zu verhaltenhabe, wenn man Kommandant einer Kaulquappe sei.

11

Page 12: Welt unter heisser Strahlung

Er nahm dabei den Mund so voll, daß Peanut ihn baldnicht mehr ernst nahm - und genauso war es auch vonGucky gemeint, der in den Gedanken des Majorsdessen Gewissensbisse über den Verlust des Schiffeslas.

„So haben eben auch die Nachteile ihre Vorteile“,philosophierte er tröstend und stelzte mitherausgedrückter Brust in der Grube auf und ab.„Diese Ruinenstadt hat mich von Anfang aninteressiert. Nun werden wir wohl endlich Zeithaben, sie näher zu untersuchen. Was meinen Sie,Major?“

„Ruinen haben mich noch nie interessiert“, gabPeanut zu.

„Sie sind eben ein Banause, ein richtigerKunstbanause“, empörte sich der Mausbiber. „AlleTrümmer sind Kunstwerke. Je älter, desto mehrKunst. Je dicker der Staub, desto mehr sind die Dingewert, die man darunter findet. Ich kannte mal einenProfessor, der war nur durch seine Buddelei berühmtgeworden. Und wissen Sie, Major, worin derbuddelte?“

Major Peanut konnte nicht mehr erfahren, inwelchem Medium der Professor herumgegrabenhatte, denn Rhodan unterbrach denvielversprechenden Vortrag.

„Major Peanut, machen Sie aus dem Loch da eineFestung. Wir bleiben hier, bis wir eine bessereUnterkunft gefunden haben. Ich werde inzwischenmit fünf Mann in die Stadt vordringen und mich dortumsehen.“

„Sir, wir haben einen Hyperkomsender dabei.Halten Sie es nicht für ratsam, wenn wir einenFunkspruch nach Arctis senden und Atlan vonunserer Lager unterrichten?“

„Es wird besser sein, wenn wir warten, Major. Ichhabe mit Atlan vereinbart, daß er sich um unskümmert, wenn keine Nachricht eintrifft. Auf keinenFall möchte ich jetzt dem unbekannten Gegner dieGelegenheit geben, uns einzupeilen. Vergessen Sienicht: Wir wurden von Robotschiffen angegriffen.Ihre Auftraggeber sind überzeugt, daß wir getötetwurden. Ich möchte sie in diesem Glauben lassen.Wenn Atlan mit der IMPERATOR eintrifft, habenwir nichts mehr zu fürchten. Im Augenblick aber ...“

Er deutete auf die Grube und überließ es MajorPeanut, aus dieser Geste seine Schlüsse zu ziehen.

Sergeant Jones wartete im Shift. Außer ihmbegleiteten Rhodan noch Dr. Berger, Wuriu Sengu,Kasom und Gucky. Tolot blieb im Stützpunkt zurück.

Jones schaltete die Antigravfelder so ein daß derShift wenige Zentimeter über der Oberflächedahinglitt und immer noch im Schutz der Ruinenblieb. Sie nahmen Kurs auf das Zentrum derehemaligen Stadt.

Rhodan sah aufmerksam in Fahrtrichtung. Seine

Augen waren ganz eng zusammengekniffen, alswürde ihn das rötliche Licht der Sonne blenden. Erbegann die Expedition nach Destroy zu bereuen. Siehatte ihn bisher ein gutes Schiff gekostet, wenn auchzum Glück keine Menschenleben. Aber wenn derGegner erneut zuschlug ...

„Fällt Ihnen auf, Sir“, fragte Sergeant Jonesplötzlich, „daß die Ruinen stärker als bisher aus demSand hervortreten? Gibt es dafür eine Erklärung -außer der, daß jemand den Sand beseitigte, umvielleicht Eingänge freizulegen?“

„Der Wind hat den Sand verweht“ sagte Dr.Berger, als Rhodan keine Antwort gab. „Wer sollschon ein Interesse daran gehabt haben, die Ruinenfreizulegen?“

„Vielleicht jene, die unser Schiff zerstörten“,meinte Kasom ruhig.

Rhodan ließ die Ruinen nicht aus den Augen, als ersagte:

„Sie können kein Interesse daran haben. Jones hatrecht: Das sind keine einfachen Verwehungen. DerSand liegt nicht im Windschatten. Es muß ihn alsowirklich jemand von einer Stelle zur anderengebracht haben. Jemand, der in die Ruinenhineinwollte.“ Er drehte sich um und sah WuriuSengu an. „Was meinen Sie, Sengu?“

Sengu wußte, daß das eine Aufforderung war,seine Fähigkeiten einzusetzen. Über sein breitesGesicht huschte ein Lächeln. Als Mutant verstand eres, seinen Sichtbereich beliebig zu erweitern undeinfallende Lichtwellen zu modulieren. Das Ergebniswar verblüffend. Er konnte durch jede Materiehindurchsehen, wenn er sich entsprechend auf sieeinstellte.

„Vielleicht halten wir einen Augenblick an, damitich mich konzentrieren kann“, schlug er vor.

Jones reagierte sofort, als Rhodan ihm zunickte.Sie standen auf der breiten Straße, mitten zwischen

halb freigelegten Ruinen. In den Seitenstraßen lagenhohe Sandhaufen. Schräg von oben fielen dieStrahlen der roten Sonne. Sie tauchten die Szenerie ingeisterhaftes Dämmerlicht.

Sengu konzentrierte sich auf die hohe Ruine, undsein Blick durchdrang die festen Mauern.

„Es ist dunkel“, berichtete er. „Hohlräume sindvorhanden, aber ich sehe nichts. Unter der Ruinemüssen gewaltige Hohlräume sein aber ich kann dieBegrenzungen nicht abtasten. Sie sind leer. Und ohneLicht.“

Gucky bewegte sich unruhig auf seinem Sitz.„Wenn du mir hilfst, Sengu, könnte ich

teleportieren.“„Du bleibst hier“, befahl ihm Rhodan. „Vorerst

wenigstens.“Gucky brummte vor sich hin, verzichtete aber auf

weitere Äußerungen.

12

Page 13: Welt unter heisser Strahlung

In die Stille hinein schrillte der Funkempfängerdes Shifts. Eine Stimme, aufgeregt und sichüberschlagend, rief:

„Die Kugelschiffe ... sie greifen uns an. Sie stehentief über dem Horizont und jagen in Formation aufuns zu. Sir ... hören Sie ...?“

Sengu sank auf seinen Sitz zurück.Sergeant Jones hieb auf die Flugtaste.Der Shift stieg senkrecht in die Höhe und raste in

geringer Höhe zum Stützpunkt zurück.

2.

Fünf Minuten vorher hatte Major Peanutbeschlossen, einen Laufgraben zu den nächstenRuinen ziehen zu lassen. Sie boten im Notfall Schutznach allen Seiten, und wenn man mit denEnergiestrahlern eine Höhle in die Seitenwändeschmolz, sogar nach oben.

Nach oben, dachte Peanut, ist es besonderswichtig.

Er stellte zwei Männer außerhalb der Grube alsWachposten auf.

Tolot, der unermüdliche Haluter, nahm denschweren Energiestrahler und begann mit der Arbeit.Der Sand verflüssigte sich und verdampfte in derunvorstellbaren Hitze. Tolot veränderte dieMolekularstruktur seines Körpers, und die Hitzekonnte ihm nichts mehr anhaben. Die anderenMänner zogen sich in die äußerste Ecke der Grubezurück Tolot kam schnell voran, aber über der Grubestand bald eine dunkle Wolke, die langsam nachNorden abzog. Major Peanut machte sich ernsteSorgen. Hatte er Rhodans Befehl, eine Festung zubauen, nicht vielleicht doch etwas zu wörtlichgenommen?

Die Wolke konnte den unbekannten Gegner erneutherbeilocken Kaum hatte Peanut daran gedacht, alsdie beiden Posten Alarm gaben. Tolot stellte sofortdie Arbeit ein und schaltete den Strahler ab. Er legteihn am Rand der Grube nieder und korrigierte dieWirksamkeitsentfernung. Notfalls war der Strahlerals Kanone mit großer Reichweite zu verwenden.

Fünf Schiffe näherten sich von Osten her. Sieflogen sehr tief und in Keilformation. Peanuterkannte die Form wieder. Es waren die gleichenSchiffe, die auch seine C-17 angegriffen undvernichtet hatten.

Jemand unterrichtete Rhodan in aller Eile.Aber die ganze Aufregung war umsonst, denn die

fünf Kugeln griffen nicht direkt an. Sie schwenktenherum, als Rhodans Shift erschien und dieEnergiestrahler auf sie richtete. Dr. Berger, der in dieGrube gesprungen und zu seinen Geräten geeilt war,begann plötzlich heftig zu winken, als wolle - er einewichtige Mitteilung machen. Rhodan blieb im Shift.

Er nickte Gucky zu.Der Mausbiber teleportierte in die Grube und

rannte zu Berger.„Was ist denn los? Sie winken, als würde Ihre

Schwiegermutter ...“„Die Kugelschiffe!“ unterbrach ihn Berger hastig.

„Sie versenden eine Art Strahlung - unsichtbar undoffensichtlich harmlos. Sie überschütten uns damit,aber ich kann keine Wirkung feststellen. Sie istwesentlich schwächer und harmloser als dieNormalstrahlung dieses Planeten. Was soll dasbedeuten? Man versucht doch nicht, jemand miteinem Eimer Wasser zu ertränken, der im Meerschwimmt.“

Rhodan, der noch im Shift geblieben war, konnteüber den Interkom verstehen, was der Physiker sagte.

„Strahlung? Das wäre doch völlig sinnlos ...“„Natürlich ist es sinnlos“, rief Berger dazwischen.

„Gut, ich könnte verstehen, wenn man uns mitEnergie- und Todesstrahlen überschüttete, dennschließlich hat man die C-17 auch so vernichtet. Abernein, man greift uns mit völlig harmlosen Strahlenan. Das verstehe, wer will.“

Rhodan blieb unbewegt sitzen. Sein Gehirn begannzu arbeiten, aber es kam zu keinem Ergebnis. DieHandlungsweise der Robotschiffe schien unlogisch,und gerade von Robotern konnte man doch Logikerwarten. Die Strahlung hatte also einen Sinn. Mannwollte etwas mit ihr erreichen. Und wenn sie eben fürmenschliche Organismen ungefährlich war, dann füretwas anderes logischerweise nicht.

Fragte sich nur: wofür nicht?Die fünf Kugeln flogen erneut an. Peanut fragte:„Sollen wir nicht das Feuer auf sie eröffnen, Sir?“„Lieber nicht, Major. Solange sie uns nicht mit

tödlichen Waffen angreifen, lassen wir ihnen denSpaß. Übrigens drehen sie bereits ab.“

Das stimmte.Die fünf Kugeln regneten ein letztesmal ihre

merkwürdigen Strahlenschauer auf die GruppeMenschen hinab, dann verschwanden sie wieder inöstlicher Richtung. Man sah ihnen mit gemischtenGefühlen nach.

Rhodan verließ den Shift und ging zu MajorPeanut. Berger und die anderen Wissenschaftlerkamen ebenfalls herbei. Sie diskutierten immer nochmiteinander und äußerten ihre Vermutungenhinsichtlich der Natur der Strahlung.

Rhodan wandte sich zuerst an sie:„Berger, Sie versuchen auf jeden Fall

herauszubekommen, was es mit der Strahlung aufsich hat. Vergessen Sie nicht, daß uns Robotschiffeangriffen, wahrscheinlich Wacheinheiten. Sie habenirgendeinen Auftrag, der sich nicht auf uns bezieht,sondern auf andere Lebewesen, die einst hier lebtenoder noch hier leben. Für diese Unbekannten mag die

13

Page 14: Welt unter heisser Strahlung

Strahlung tödlich sein. Für uns eben nicht. Eineandere Erklärung gibt es nicht.“

Ein etwas korpulenter Mann mit denÄrmelschildern eines Physikers drängte sich vor. Miteinem Griff schob er Berger zur Seite und nahmseinen Platz ein. Seine rötlichen Stoppelhaarestanden senkrecht nach oben, und durch dieSichtscheibe seines Raumhelms waren die gerötetenWangen deutlich zu erkennen.

„Sir“, sagte er eifrig, „ich habe eine Vermutung.“Rhodan schaute ihn fragend an.„So, Dr. Fuxer, haben Sie? Dann schießen Sie los

...“Der Physiker räusperte sich und warf Berger einen

triumphierenden Blick zu.„Es sind nicht immer streng wissenschaftliche

Untersuchungen, die zu einem Ergebnis führenmüssen, sondern viel öfter logische Überlegungen.Wir wurden von Robotschiffen angegriffen, das stehtdoch einwandfrei fest, nicht wahr? Die Vermutungliegt doch nun nahe, daß nicht organische Wesen,sondern ebenfalls Roboter angegriffen werdensollten. Nicht wahr? Die Robotschiffe hielten unsalso für Roboter. Die Strahlung ist dazu bestimmt,irgendwelche motorischen Funktionen außer Betriebzu setzen. Darum und nur darum schadet sie unsnicht, nicht wahr?“

„Nicht wahr, nicht wahr!“ fuhr Berger wütenddazwischen. „Werter Herr Kollege, Ihre Phantasie inallen Ehren, aber wir haben es hier doch mit hartenTatsachen zu tun und ...“

„Einen Augenblick!“ sagte Rhodan und stoppteden sich anbahnenden Streit. „Jeder hat hier dasRecht, seine Meinung zu äußern, und so sehrabwegig sind Dr. Fuxers Gedankengänge nun auchwieder nicht.“

Fuxer strahlte über das ganze Gesicht. Allerdingswurde es um einige Zentimeter länger, als Rhodanfortfuhr:

„Sie haben die Meßergebnisse, Fuxer. VersuchenSie, daraus greifbare Schlüsse zu ziehen. Wir müssenmehr über die Strahlung erfahren, damit wir auchmehr über die Robotkugeln und derenwahrscheinliche Gegner wissen. Ich erwarte einschnelles Ergebnis.“

Dr. Fuxer nickte und verzog sich in denHintergrund. Berger grinste hämisch hinter ihm her.Dann aber, als er Rhodans Blick auffing, verschwanddas Grinsen. Er folgte Fuxer, und gemeinsambegannen die beiden Physiker, die gespeichertenDaten auszuwerten.

Jones hatte inzwischen den Shift in Deckunggebracht. Mit Tolots Hilfe war eine Art Garage ausdem Boden geschmolzen worden, in die daswertvolle Fahrzeug hineinpaßte. Jones und Tolotkehrten zu den anderen in die Grube zurück.

„Wir haben noch für achtzig bis neunzig StundenLuft“, sagte Rhodan. „Bis dahin muß uns Atlanabgeholt haben.

Um sicherzugehen, werden wir in genau dreiTagen einen Hilferuf ausstrahlen. Die IMPERATORkann notfalls in wenigen Stunden hier sein, es bestehtalso keine unmittelbare Gefahr für uns. Aber dieC-17 darf nicht umsonst geopfert worden sein. Wirmüssen herausbringen, was auf dieser Welt gespieltwurde - und was noch gespielt wird. Denn dieRobotkugeln beweisen, daß hier noch etwas ist, vondem wir nichts ahnen.

Das herauszufinden ist unsere vordringlicheAufgabe.“

Gucky hielt es nun nicht mehr länger aus. Dieganze Zeit schon hatte er im Hintergrund mit Sengugeflüstert. Dabei waren die beiden klug genuggewesen, die Lautstärke ihrer Helmsender auf einMinimum herabzusetzen, so daß niemand sieverstehen konnte. Jetzt schalteten sie wieder aufnormale Lautstärke herauf.

„Ich habe einen Vorschlag zu machen“, übertönteGucky schrill alle anderen Stimmen. „Malherhören!.“

Rhodan schaute pikiert, sagte aber nichts. MajorPeanut tat so als befürchte er das Schlimmste. Bergerund Fuxer ließen sich nicht stören. Sie ging das allesnichts mehr an. Ihre Aufgabe war es, die Natur derStrahlung zu enträtseln.

„Nun rede schon endlich“, sagte Kasom gutmütigGucky warf sich in die Brust und zeigte dann aufSengu.

„Sengu und ich werden die Ruinen erkunden“, riefer mit dramatischer Gebärde, um dann auf dengeparkten Shift zu deuten. „Mit dem Ding dakommen wir doch nicht weiter. So ein Karren fälltüberall auf, besonders dort, wo es solche Karrenüberhaupt nicht geben dürfte. Ich kann mit Senguüberallhin teleportieren und uns notfalls schnell inSicherheit bringen. Außerdem haben wir ja dieAnzüge. Wir können uns sogar unsichtbar machen.Kurz: Sengu und ich werden alle eure Fragenbeantworten können, wenn wir ein oder zwei StundenZeit erhalten.“

Kasom sagte dröhnend:„Ihr nehmt mich aber besser mit, schlage ich vor.“„Du bist nur eine Belastung“ belehrte ihn Gucky

barsch.Kasom schwieg.„Ich wäre bestimmt keine Belastung“, bot sich

Tolot an.Gucky maß ihn von unten bis oben.„Du bist noch ein paar Zentner schwerer als

Kasom“, eröffnete er dem Haluter höflich. „Duwürdest uns nur behindern.“

Der Japaner sagte:

14

Page 15: Welt unter heisser Strahlung

„Gucky meint es nicht böse, aber ich muß ihmbeipflichten. Wir haben nur dann unseregrößtmögliche Bewegungsfreiheit, wenn wir alleingehen.“

Rhodan stand am Rand der Grube. Er lehnte sichgegen die Wand.

„Ich habe nichts gegen euren Erkundungsgang.Gucky, aber du mußt mir versprechen, sofort hierherzurückzukehren, wenn wir dich rufen. Außerdemmußt du mir jede Entdeckung sofort mitteilen.Wahrend ihr unterwegs seid, vermeidet jedenunnötigen Funkverkehr. Legt die Helme aufeinander,wenn du Sengu etwas sagen willst. Umgekehrt ist esja einfach, weil du seine Gedanken lesen kannst. Istdas klar?“

„Alles klar“, versprach Gucky. „Aber ich kann dirschon jetzt verraten: Wir werden nicht viel finden.Diese Welt ist tot und verlassen. Und wenn nochjemand außer uns hier leben sollte, dann werden wirihn auch finden. Kann mir mal jemand eine guteTaschenlampe borgen?“

Sengu nahm einen leichten Handstrahler, Guckydie starke Lampe.

Dann teleportierten sie hinein in die Ruinenstadt.

*

Der lange Nachmittag ging allmählich zu Ende.Die rote Sonne stand dicht über dem Horizont, unddie Robotschiffe hatten sich nicht mehr sehen lassen.Die Männer hatten es sich in der Grube so bequemwie möglich gemacht, aber das dauernde Tragen derSchutzanzüge wurde mit der Zeit lästig. Rhodan hattedafür gesorgt, daß immer sechs oder sieben Leute imShift sein konnten. Dort war es möglich, wenigstensdie Helme zu öffnen und normal zu essen.

Gucky und Sengu hatten sich noch nicht gemeldet.Rhodan begann, sich ernstlich Sorgen um die

beiden Mutanten zu machen.„Ihnen ist schon nichts passiert“ beruhigte ihn

Peanut, der mit Rhodan in den Shift gegangen war.„Sie sind gerade vier Stunden unterwegs. Wer weiß,wieviel Häuser und Keller es in der Stadt gibt. ImFalle einer Gefahr können sie in wenigen Sekundenhier sein.“

„Trotzdem mache ich mir Sorgen, Major. Es istnicht Guckys Art, mich solange im Ungewissen zulassen. Auf der anderen Seite haben Sie natürlichrecht; hätte er etwas entdeckt wäre er bereits hier.“

Sie aßen mit gutem Appetit von den reichlichenVorräten.

„Die Sonne geht bald unter, Sir. Wir haben dannmehr als sechzehn Stunden Nacht. Sie haben dochnichts dagegen, wenn ich Wachen einteile?“

„Im Gegenteil, ich wollte Sie darum bitten.“Rhodan blieb wortkarg. Auch als er später wieder

draußen in der Grube war, hielt er sich abseits.Kasom und Tolot schliefen, sie hatten sich einfachauf die Erde gelegt und die Heizung desSchutzanzuges eingeschaltet. Im Falle einer Gefahr,so wußte Rhodan, waren sie innerhalb wenigerSekunden einsatzbereit und würden sich in furchtbareKampfmaschinen verwandeln - wenn das nötig seinsollte.

Die Sonne ging unter. Schnell wurde es dunkel.Gucky und Sengu waren noch immer nicht

zurückgekehrt.

*

Nach weiteren Teleportersprüngen kamen Guckyund Sengu in eine Region der Stadt, die sie nochnicht kannten. Hier standen die Ruinen noch aufrechtund frei. Die Wände verrieten die Spuren dereinstigen Hitze, der die Stadt zum Opfer gefallenwar. Sie waren glatt und glasig.

„Atomare Vernichtung“, flüsterte Sengu, undGucky verstand ihn auch ohne Funkgerät. „Jemandhat diese ganze Welt einfach ausgelöscht - mitmodernsten Vernichtungsmitteln. Wer?“

Gucky legte seinen Helm gegen den Sengus.„Wer wohl? Ich tippe auf die, ‚Meister der Insel‘.“Sengu nickte. Das war auch seine Vermutung. Nur

das Motiv war unklar, solange man nicht wußte, wervernichtet worden war.

Sie hielten sich bei den Händen damit Gucky siebeide jederzeit in Sicherheit bringen konnte. SengusBlick durchdrang die verglasten Mauern. Hier, wo esnoch freie Fenster gab, wo Licht in die Räume fielkonnte Sengu etwas sehen.

„Alle Räume sind leer und verraten keine Spurenjüngster Benutzung“, berichtete er. „Es sind große,weite Räume. Meist ist der Boden mitherabgefallenen Trümmern übersät. Schächte führenin die Tiefe, aber dort ist es dunkel. Ob die Lifts nochfunktionieren?“

Gucky rührte sich nicht. Er stand ganz still undschien zu lauschen. Sein Nackenfell sträubte sichetwas. Sengu spürte, wie die Hand des Mausbiberszitterte.

„Was hast du denn?“ fragte er besorgt.„Impulse, Sengu. Gedankenimpulse. Ich weiß

nicht, woher sie kommen, aber sie sindbeunruhigend. Es sind merkwürdige Impulse. Ganzverworren und ohne Sinn.“

„Nicht die unserer Leute?“Gucky schüttelte den Kopf.„Keine menschlichen Gedankenimpulse, Sengu.“Sie standen beide mitten auf der breiten Straße und

sahen sich nach allen Seiten um. Die Sonne warschon nicht mehr zu sehen. Bald würde die Nachthereinbrechen. Die Ruinen glühten blutigrot, oben,

15

Page 16: Welt unter heisser Strahlung

wo die letzten Sonnenstrahlen sie noch erreichten.„Kehren wir zu Rhodan zurück“, schlug Sengu

vor.„Kommt nicht in Frage. Erst muß ich wissen, was

hier los ist. Keine halben Ergebnisse, Sengu. Ich mußGewißheit haben! Diese Impulse ... sie stammen vonorganischen Wesen. Sie leben hier in den Ruinen.Wir müssen sie finden. Ihnen galt wahrscheinlich dieAktivität der Robotschiffe.“

Sie teleportierten ein Stück weiter. Guckybemerkte, daß die Gedankenimpulse derUnbekannten stärker wurden. Die Richtung stimmtealso. Damit wuchs die Gefahr der Entdeckung.

„Das ist aber ein Riesengebäude da vor uns“,stellte Sengu fest und Gucky fing seine Gedankenmühelos auf. „Es ist auch nicht so sehr zerstört.Warte ... Das ist ja interessant ...“

„Was ist interessant?“„Die Räume sind ... sind von den Trümmerstücken

befreit worden. Eine Treppe führt in die Tiefe, undAntigravschächte. Alles sieht so neu und benutzt aus.Die Kellergewölbe ... Gucky! Licht! In den Kellernbrennt Licht! Maschinen stehen da ...“

„In Deckung!“ rief Gucky, aber Sengu konnte ihnnicht verstehen, weil er vergessen hatte, die Helmeaneinanderzulegen. Aber er begriff Guckys Geste.Ohne zu teleportieren rannten sie auf diegegenüberliegende Seite der Straße. Hier hatte einstein Haus gestanden, aber es war eingestürzt. DieTrümmer boten Dutzende Verstecke. Hinter einernoch stehenden Wand machten sie halt. „Ich habeeine Bewegung gesehen.“

„Ich auch“, gab Sengu zu. „Aber nur undeutlichund schemenhaft. Es ist schon zu dunkel. Aber in denKellern brennt Licht. Licht, Gucky!“

„Es gibt also noch Energie und Überlebende.“„Vielleicht sollten wir jetzt Rhodan unterrichten

...“„Auf keinen Fall. Es ist noch zu früh. Wir finden

dann vielleicht das Haus hier nicht wieder, oder dieÜberlebenden wechseln ihr Quartier. Ich will jetztendlich wissen, was auf dieser Welt los ist.“

Sengu seufzte, sagte oder dachte aber nichts.Sie spähten quer über die Straße zu dem

einigermaßen intakten Gebäude. In der Hand desJapaners lag die Impulswaffe. Ihr kühles Griffstückwirkte beruhigend.

Drüben rührte sich nichts, aber es war auch schondunkel. Von dem Licht, das in den Kellern brennensollte, war nichts zu erkennen. An der Stelle, an derGucky vorher eine Bewegung gesehen hatte, wartiefer Schatten. Die Außenmikrophone nahmen keinGeräusch auf. Es war totenstill.

Der Andromedanebel stieg am Horizont auf.Gucky legte seinen Helm gegen den Sengus.„Kannst du mich verstehen?“ flüsterte er. Der

Japaner nickte. „Ich werde die Lampe auf das Hausgegenüber richten und sie dann einschalten. Nichtschießen! Erst dann, wenn uns jemand angreift.“

Sengu nickte abermals.Gucky hob die Lampe und richtete sie ungefähr

dorthin, wo er etwas vermutete - und schaltete ein.Der helle Lichtkegel reichte leicht bis auf die

andere Straßenseite, außerdem hatte er genügendStreuung, fast zehn Meter der Ruinenfront in grellesLicht zu tauchen. Der Eingang war genau in derMitte der plötzlichen Lichtflut.

Die Gestalten die auf einmal sichtbar wurden,rührten sich nicht. Es war, als habe die Überraschungsie an Ort und Stelle gebannt.

Es waren fürchterliche Gestalten. Sie alsmenschenähnlich bezeichnen zu wollen, warunmöglich. Es waren bizarr geformte Ungeheuer,Phantasiegebilde aus einem Angsttraum, zu Formerstarrte Nebelschleier einer unwirklichen Welt.

Guckys Hand begann zu zittern, der Lichtkegelwanderte hin und her.

Als er wieder an die alte Stelle zurückkehrte, warder Spuk verschwunden.

Gucky schaltete die Lampe aus.„Was war das?“ fragte er benommen. „Lieber

Himmel, was war das?“„Lebewesen“, gab Sengu zurück, den Daumen

immer noch auf dem Feuerknopf seiner Waffe. „Siewohnen unter den Ruinen. Schrecklich!“

„Lebewesen?“ Gucky schüttelte sich. „Phantomewaren das, Gespenster. Grauenhafte Erscheinungendie niemals Wirklichkeit sein können. Einige hattenkeinen Kopf, andere waren weiß und farblos -wahrscheinlich Albinos. Ich habe welche mit vierund acht Armen gesehen solche ohne Beine undandere wiederum mit zwei oder drei Köpfen. Ichglaube, wir haben uns das alles nur eingebildet.“

„Sie sind Wirklichkeit“, erinnerte ihn Sengu ernst.„Denke an die Impulse, die du aufgefangen hast.“

Gucky lauschte in sich hinein, dann schüttelte erden Kopf.

„Ich empfange nichts mehr. Entweder bin ichwirklich verrückt oder sie können ihr Gehirnabschirmen. Ist dir aufgefallen, daß nicht eins derWesen wie das andere aussah? Als ob wir eineMischung aus tausend verschiedenen Rassen vor unshätten.“

„Mutationen“, vermutete Sengu. „Natürlich, esmüssen Mutationen sein. Sie leben seit Generationenin der Strahlenflut. Der Genkode muß sich da javerändern. Deshalb wirkten sie so furchtbar undunwirklich.“

„Wir müssen sie näher kennenlernen, Sengu. Ichhabe eine Idee der Deflektor! Wir machen unsunsichtbar, dann können sie uns nicht entdecken. Wirteleportieren und machen uns dann unsichtbar.“

16

Page 17: Welt unter heisser Strahlung

Sengu zögerte. Aber dann nickte er und gab Guckydie Hand.

Der Mausbiber wußte, daß er sich auf ein gewagtesSpiel einließ. Aber immerhin bot der Spezialanzugmit seinem Energieschirm Schutz gegen fast jedenAngriff. Außerdem wenn man sich unsichtbarmachen konnte, war die Gefahr der Entdeckung nochgeringer.

Unwillkürlich suchte seine Hand in der er dieLampe hielt, den Kontrollschalter für den Deflektor.Eine Umdrehung würde genügen, und er warunsichtbar.

Er konzentrierte sich auf das unterirdischeGewölbe, in dem die Maschinen standen, dannsprang er mit Sengu.

Es war hell, als er wieder sehen konnte. An dergewölbten Decke brannten lange Reihen vonLampen. Darunter standen die Maschinen- undGeneratorenblöcke - auch in langen, schier endlosenReihen. An den Wänden waren Bildschirme dunkelund verstaubt. Man sah ihnen an, daß sie schon langeaußer Betrieb waren.

Ganz am anderen Ende des Ganges waren hohe,hagere Gestalten. Sie bewegten sich seitwärts undverschwanden.

„Sie haben uns gesehen“, flüsterte Gucky.„Machen wir uns unsichtbar.“

Er schaltete den Deflektorschirm ein und sah, daßSengu es ebenso machte.

Aber Sengu wurde nicht unsichtbar. Er bliebmitten auf dem Gang stehen, obwohl er daslichtbrechende Schutzfeld eingeschaltet hatte.

Gucky erschrak. Was war denn mit Sengus Anzuglos? Es war noch niemals vorgekommen, daß einAggregat versagte. So ein verrückter Zufall! Dabeiwaren die tappenden Schritte derhereinschleichenden Mutanten bereits deutlich zuhören.

Sengu fixierte ihn durch die Helmscheibe undmachte aufgeregte Gesten. Natürlich, der Japaner warerschrocken, weil er immer noch sichtbar war. KeinWunder, wenn er da ...

Plötzlich erschrak Gucky.Er war doch unsichtbar ... und doch machte Sengu

ihm Zeichen.Sengu konnte ihn also sehen!Gucky hielt die Hände vor - und er sah sie.Er war ebensowenig unsichtbar wie Sengu.Beide Deflektoren versagten!Das allerdings konnte kein Zufall mehr sein. Die

Mutanten mußten die technische Möglichkeitbesitzen, Deflektoren unwirksam zu machen. Damitwaren sie weiter als die meisten hochzivilisiertenRassen der eigenen Galaxis.

Es kam Gucky nicht zu Bewußtsein, wie unsinnigseine Überlegung sein mußte. Selbst wenn die

Fremden eine solche Möglichkeit gehabt hätten, wärediese schnelle Reaktion so gut wie unmöglichgewesen. Die Mutanten konnten überhaupt nichtdamit rechnen, daß die Eindringlinge Deflektorenbesaßen.

Was immer auch geschehen war, Sengu undGucky standen einigermaßen verdutzt in derMaschinenhalle unter den grellen Lampen. Von allenSeiten näherten sich die grauenhaftestenMonstrositäten, die sie je in ihrem Leben gesehenhatten. Und der einzige Ausweg war nur schnelleFlucht.

Aber damit wartete Gucky noch.Er wich bis zur Wand zurück und wartete, bis

Sengu neben ihm stand. Mit freiem Rücken konnte ersich auf den Hauptkorridor konzentrieren, ohne dieabzweigenden Gange beachten zu müssen. Wennjetzt jemand angreifen wollte, konnte er nur aus einerRichtung - und in dieser Richtung paßte Gucky auf.

Telekinese!Guckys Gehirn nahm die Befehle auf und leitete

sie an die mutierte Sektion weiter. Sekunden späterentstand die unsichtbare und bewegliche Wand vorden beiden Freunden die Gucky schon so oft dasLeben gerettet hatte. Sie war noch verläßlicher als diebeiden Energieschirme der Anzüge, die zum Glücknoch funktionierten.

Gucky schaltete das Funkgerät ein. Sengu auch.Nun spielte es keine Rolle mehr, ob man sie noch aufdiesem Weg entdeckte oder nicht.

„Perry, melde dich! Oder irgend jemand ...“„Gucky!“ Es war Tolots Stimme, erleichtert und

überrascht zugleich. „Wir haben uns schon Sorgengemacht ...“

„Aber doch nicht um mich!“ unterbrach Guckyhastig. „Trotzdem, wir stecken in einer eigenartigenKlemme. Ich könnte teleportieren, aber wir wollendoch erst wissen, mit wem wir es zu tun haben und...“

„Rede nicht soviel! Wo seid ihr?“„Unter den Ruinen. Wir werden von Mutationen

eingekreist. Leider versagen unsere Deflektoren; wirkönnen uns nicht mehr unsichtbar machen. Ichversuche es mit Telekinese. Vielleicht können wirwenigstens einen Gefangenen mitbringen.“

Im Kopfhörer war Gemurmel, dann sagte Rhodan:„Gucky, ihr kommt sofort zurück, verstanden!

Keine Experimente!“„Aber ich will doch nur ...“„Du hast gehört, was ich sagte. Sofort ins Lager

zurück. Übrigens - alle Deflektoren versagen!Vielleicht begreifst du nun, daß wir es mit Gegnernzu tun haben, die nicht zu unterschätzen sind.Vielleicht setzen sie auch die Energieschirme undFlugaggregate außer Betrieb.“

Gucky schnappte erschrocken nach Luft. Aus den

17

Page 18: Welt unter heisser Strahlung

Augenwinkeln heraus sah er mehrere Gestalten, diesich aufrecht näherten. Er hörte Sengu aufschreien,dann summte der Impulsstrahler wie eine watendeHornisse auf.

„Wir kommen!“ rief er in sein Mikrophon undgriff nach Sengus freier Hand. „Hör auf zu schießen,Sengu! Du verdirbst noch alles!“

Zwei der Mutanten waren zusammengebrochen.Die anderen liefen weiter, aber Gucky packte sietelekinetisch und wirbelte sie zurück. Das gab Luft.

Zwei Sekunden später standen Sengu und Guckyauf der dunklen Straße. Ein rötlicher Schimmer amwestlichen Himmel erlaubte Gucky Orientierung, ummit drei weiteren Teleportersprüngen das Lager zufinden.

3.

Dr. Berger beendete seinen Vortrag:„Damit ist der Zusammenhang klar. Die

merkwürdige Strahlung, mit der uns die Robotschiffestrichen, war nicht ganz so harmlos, wie wir zuerstglaubten. Natürlich, für unseren Organismus war sieharmlos, zumindest harmloser als die andereStrahlung, die überall auf diesem Planetenvorherrscht. Aber sie beeinflußte die Energieeinheitunserer Deflektorgeräte. Ob das Zufall oder Absichtwar, ist uns unbekannt, aber vielleicht lassen sichspäter daraus einige Schlüsse ziehen. Das wäre alles,was ich zu sagen habe.“

Der Morgen begann zu grauen. Im Osten war derHimmel brennend rot. Am Westhorizont verblaßteder Andromedanebel. Sonst waren keine Sterne zusehen. Rhodan und seine Männer saßen oder standenin der Grube herum. Eine Wache war im Shiftgeblieben. Darin hatte man auch denHyperkomempfänger untergebracht. Bisher warkeine Meldung an Atlan abgestrahlt worden.

„Vielleicht war es Absicht“, sagte Rhodannachdenklich. „Aber warum gerade die Deflektoren?Die Auftraggeber der Robotschiffe konnten dochnicht wissen, daß wir welche haben. Oder doch?“

„Kann sein“, gab Dr. Fuxer zu bedenken, „daß sieüberhaupt nicht uns meinten, als sie angriffen.“ Erlächelte verlegen. „Nur so eine Vermutung von mir,Sir. Schließlich haben Roboter ein langes Gedächtnis.Sie vergessen niemals etwas, und wenn es hundertoder tausend Jahre her ist nicht wahr?“

„Und der Krieg hier fand vor dreihundert Jahrenstatt“, ergänzte Rhodan und nickte ihm anerkennendzu.

„Vielleicht haben Sie recht. Man sollte dieRobotschiffe mit den Mutanten in Verbindungbringen, die unter oder in den Ruinen hausen.Trotzdem ... warum wurden die Deflektorenunschädlich gemacht?“

„Mit noch so harter Strahlung ist den Mutantennicht beizukommen, sonst könnten sie auf dieserWelt nicht existieren.“ Berger deutete in Richtungder Stadt. „Was dort lebt braucht diese für unstödliche Strahlung. Gäbe es sie nicht mehr, müßtensie wahrscheinlich sterben. Also versucht man, denMutanten mit anderen Mitteln beizukommen. Wiesoallerdings mit Strahlen, die Deflektoreinheiten außerBetrieb setzen, ist auch mir schleierhaft.“

„Hier ist einiges schleierhaft“, gab Rhodan ihmrecht. „Aber sobald der Tag anbricht, werden wirversuchen, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Ichhabe ja geahnt, daß einiges auf Destroy nichtstimmt.“

„Wenn du die Mutanten gesehen hättest ...!“ sagteGucky und schüttelte sich vor Entsetzen. „Ihre jetzigeForm läßt keinen Schluß auf die ursprünglicheGestalt der hier vernichteten Rasse zu. Sie sind meistlang und hager, haben viele Beine und Arme, fastTentakel. Ihre Hautfarbe ist weiß. Sie bewegen sichunbeholfen. Ich wette, wir sind ihnen noch nie zuvorbegegnet.“

„Eine Mutation vollbringt wahre Wunder -negative und positive“, sagte Rhodan. „Wir wollenversuchen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Nochhaben wir zwei Tage Zeit. Bis dahin muß es unsgelungen sein.“

„Ich schlage vor, wir benutzen den Shift“, warfPeanut ein.

„Selbstverständlich“, stimmte Rhodan ihm zu.„Eine richtige Expedition, sonst ist es sinnlos. Wennunsere Vermutungen stimmen, müssen uns dieMutanten für ihre Todfeinde halten. Sie werden unsmit allem angreifen, was ihnen zur Verfügung steht.“Er sah Tolot an. „Sie bleiben hier und übernehmendas Kommando, Tolot. Es ist möglich, daß dieMutanten unruhig geworden sind und versuchen, unszu finden. Wenn sie angreifen, wehren Sie sich.Geben Sie uns dann sofort Bescheid.“

Tolot schien sich in einer passiven Rolle nichtwohlzufühlen, aber widerstandslos fügte er sichRhodans Befehl. Er wußte außerdem, daß er im Shiftden Platz von drei anderen Männern einnehmenwurde.

Rhodan wählte zehn Männer aus, unter ihnenMajor Peanut, Kasom, Sengu und Dr. Fuxer. DaßGucky mitkam, bedurfte keiner Erwähnung.

Der Shift erhob sich langsam aus seiner Grube undstieg bis in drei Meter Höhe. Gucky saß nebenSergeant Jones und versuchte, ihm dieeinzuschlagende Richtung klarzumachen. Das jedochwar schwieriger, als der Mausbiber sich dasvorgestellt hatte. Erstens sahen die Ruinen fast allegleich aus, und zweitens war er ja teleportiert.

„Es muß mehr in Richtung Zentrum gewesensein“, sagte Gucky, der wie alle anderen dankbar die

18

Page 19: Welt unter heisser Strahlung

Gelegenheit wahrnahm, den Helm zu öffnen. „Dortsind die Ruinen hoher und besser erhalten. SteigenSie doch höher, damit wir einen besseren Überblickerhalten.“

„Dann ist die Gefahr der Entdeckung aber auchgrößer.“

„Wenn schon - wir wollen ja Verbindung mitihnen aufnehmen.“

Der Shift stieg höher und schwebte bald fünfzigMeter über den Konturen von ehemaligenStraßenzügen. Die rote Sonne Alurin stand bereitszwei Handbreit über dem Osthorizont. Der Himmelwar ein rosiges Flammenmeer mit grünenWolkenfetzen. Die Ruinen schienen zu brennen.

„Mehr westlich“, sagte Gucky plötzlich. „Dortunten liegt das große Gebäude, in dessen Keller wirwaren. Neben der breiten Straße. Gehen Sie wiedertiefer, Jones.“

„Keine Gedankenimpulse?“ erkundigte sichRhodan, der gespannt in die Ruinen hinabsah, abernichts entdecken konnte, was wie ein Lebewesenaussah. „Landen Sie, Sergeant. Direkt neben demSandhaufen dort.“

Der Shift setzte auf. Jones drehte ihn so, daß dieHauptsichtluke und die Frontseite auf daslanggestreckte Gebäude gerichtet war, das Guckynun nicht mehr aus den Augen ließ.

„Ist es das?“ fragte Rhodan den Japaner. Sengunickte.

„Es kann kein Zweifel daran bestehen. Ich erkenneden Eingang wieder. Dort standen die Mutantengestern. Jetzt, wo es hell ist, wären sie nicht zuübersehen.“

Rhodan überlegte einige Sekunden.„Wenn sie nicht zu uns kommen“, entschied er

dann, „werden wir wohl zu ihnen gehen müssen.Glaubst du, daß sie Energiewaffen haben, Gucky?“

„Gestern waren keine zu sehen. Sie kamen mit denbloßen Fäusten auf uns zu - wenn sie Fäuste haben.“

„Also unbewaffnet.“ Rhodan schaute angestrengtzum Eingangsportal hinüber. Die Füllung fehlte. DasPortal war ein schwarzes Loch in der glasiertenhellen Außenwand. „ Ich habe das Gefühl, wirwerden beobachtet.“

„Keine Impulse“, beharrte Gucky auf seinerfrüheren Beobachtung.

„Hat nicht viel zu sagen. Du sagtest schon gestern,daß sie ihr Gehirn abschirmen können. Sie sindMutanten, vergiß das nicht.“

Kasom begann, seinen Helm zu schließen.„Soll ich mal nachsehen, Sir“, erbot er sich. „Der

Shift kann mir ja Feuerschutz geben, falls dasnotwendig sein sollte - glaube ich aber nicht. Wennmich diese sagenhaften Mutanten sehen ...“

„... wird ihnen bestimmt schlecht“ meckerte Guckydazwischen.

Rhodan wiegte den Kopf hin und her.„Ich weiß nicht, Kasom, ob das zu riskant ist.

Nehmen Sie jemand mit. Ich überlasse Ihnen dieWahl.“

Ohne Kasoms Entscheidung abzuwarten,verschraubte Gucky seinen Helm. Kasom grinste undsagte:

„Einen hätten wir schon. Dazu noch einenFreiwilligen.“

Sofort begannen die anderen acht Männer damit,ihre Helme zu schließen. Rhodan protestierte:

„So war das nicht gemeint. Außer Gucky kann nurnoch einer Kasom begleiten. Sie, Dr. Fuxer.Einverstanden, Kasom?“

„Ich werde ja wohl nicht gefragt“, rief Guckyerbost und stieß dem Physiker seine kleine Faust indie Gegend, wo er die Rippen vermutete. „Was sollenwir mit einem Eierkopf anfangen?“

Fuxer klopfte an den Kolben seiner Impulswaffe.„Beim letzten Wettbewerb auf Terra habe ich den

ersten Preis ...“„Ja, da haben Sie auch auf Robothasen

geschossen“, erinnerte ihn Gucky verächtlich.„Immer so peng ... peng, und keiner schoß zurück.Sie werden sich wundern, wenn Sie die Gespensterhier zu sehen kriegen.“

„Vorläufig wird nicht geschossen“ sagte Rhodanmit Nachdruck. „Ich möchte Verbindung aufnehmenkein Blutbad anrichten. In meinen Augen ist der voneuch der Held, der das Gespräch mit den Mutanteneinleitet. Ist das klar, Kasom, Fuxer?“

Fuxer nickte.„Wenn es Mutanten sind“, sagte er.Sie verließen den Shift durch die Bodenluke, was

sich als schwieriges Unterfangen erwies. Jones mußteden Shift zwei Meter steigen lassen, damit Kasom insFreie gelangen konnte.

Rhodan setzte sich hinter die Kontrollen derBordgeschütze und ließ den Eingang gegenüber nichtaus den Augen. Wie alle anderen in der geräumigenKabine versäumte er dabei, den übrigen Ruinen dienotwendige Beachtung zu schenken.

Als Kasom glücklich wieder aufrecht stehenkonnte, sah er sich aufmerksam nach allen Seiten um.Die Funkgeräte waren eingeschaltet. Jeder konntenun jeden verstehen und mit jedem sprechen. Daserforderte eine gewisse Disziplin, sonst hätte man beider Anzahl der Teilnehmer sein eigenes Wort nichtmehr verstanden.

Es war nichts zu sehen.Kasom ging quer über die Straße auf das Gebäude

zu. Gucky und Fuxer folgten ihm in einem MeterAbstand. Vorsichtig wichen sie den riesigenTrümmerstücken aus, die ihnen den Weg versperrten- und natürlich auch die Sicht.

So kam es, daß die Mutanten die Überraschung auf

19

Page 20: Welt unter heisser Strahlung

ihrer Seite hatten.Sie stürmten aus der Seitenstraße und griffen die

drei an.Sekunden später waren sie bereits so nahe, daß

Rhodan vom Shift aus nicht mehr das Feuer eröffnenkonnte. Gucky hätte sich zwar durch einen schnellenTeleportersprung in Sicherheit bringen können, aberFlucht mißfiel ihm. Außerdem hätte er dann seinebeiden Kameraden im Stich lassen müssen.

Kasom riß die Energiewaffe aus dem Gürtel, aberer feuerte nicht.

Die Mutanten waren nur mit Steinen undMetallstangen bewaffnet. Damit stürzten sie sichstumm und in verbissener Wut auf denvermeintlichen Todfeind. An ihrer ganzen Haltungwar zu erkennen, daß sie Kasom, Fuxer und Guckyfür jemand anders hielten.

Das war es auch, was Kasom zögern ließ, von derWaffe Gebrauch zu machen.

Die Schutzschirme der Kampfanzüge genügten.Die Mutanten prallten gegen das unsichtbare

Hindernis und blieben zunächst ratlos stehen.„Alles in Ordnung“, sagte Kasom ruhig zu den

anderen. „Sie kommen nicht an uns 'ran. Kein Grundzur Beunruhigung. Mal sehen, was sie nununternehmen.“

Der erste Angriff der Mutanten war zunächstabgeschlagen, aber schon Sekunden später folgte derzweite. Er bewies, daß die Mutanten von einer Rasseabstammten, die technisch auf der Höhe gewesenwar. Sie kannten die Struktur eines schützendenEnergieschirms und wußten auch, daß er unterUmständen wie feste Materie wirkte. Mit allen ihrenVor- und Nachteilen.

Es waren an die fünfzig Mutanten - grauenhafteUngeheuer - die sich erneut auf Kasom, Fuxer undGucky stürzten, doch diesmal nicht, um sie selbst zuergreifen, sondern nur, um die Schutzschirmeabzudrängen. Und mit den Schirmen ihre Träger.

Langsam aber sicher bewegte sich die ganzeGruppe auf den großen Eingang des Gebäudes zu.

„Sie tragen uns einfach weg“, sagte Kasomverblüfft. „Sie schleppen uns in ihr Versteck -mitsamt den Schirmen.“

„Was bezwecken sie damit?“ rief Fuxer wütendund fummelte an seiner Waffe herum. „Sie könnenuns höchstens aushungern. Warum wehren wir unsnicht? Wir könnten ihnen sogar davonfliegen.“

„Abwarten“, befahl Kasom und war Rhodandankbar, daß er sich nicht einmischte. „Sie könnenuns nichts tun, vielleicht erfahren wir, was sie vonuns wollen und für wen sie uns halten.“

„Feine Gesellschaft“, quetschte Gucky hervor undwar froh, einen Schutzschirm um sich zu haben. Diegräßlichen Gesichter waren keinen Meter von demseinen entfernt und er vermeinte, ihren Atem zu

spüren. „Soll ich sie mal fliegen lassen?“„Warte noch“, knurrte Kasom. „Wenn es ernst

wird, kannst du ihnen immer noch zeigen, was für eingewaltiger Kämpfer du bist.“

Gucky las in Kasoms Gedanken die Ironie, aber erverzichtete auf eine Entgegnung. Er hatte genugdamit zu tun, die Mutanten zu betrachten.

Wie eine riesige Traube schoben sich die Mutantenmit ihren Gefangenen in die Vorhalle des Gebäudes.Rhodan fragte über Telekom:

„Alles in Ordnung?“„Machen Sie sich keine Sorgen, Sir“, erwiderte

Kasom. „Wir melden uns schon, wenn es brenzligwerden sollte. Aber ich glaube nicht, daß dieMutanten die technischen Mittel besitzen, einenSchutzschirm zu knacken.“

„Ich will mich aber nicht knacken lassen“, riefFuxer in hilfloser Wut. „Bin ich eine Nuß?“

„Ja, eine taube“, zischte Gucky und fletschteseinen Nagezahn, als einer der Mutanten ihm genauins Gesicht blickte. Das fürchterliche Lebewesenwich zurück. Es sah richtig erschrocken aus.

Sie wurden über den Rand eines Schachtesgedrängt und sanken langsam in die Tiefe. DasAntischwerkraftfeld funktionierte also noch. Es gabEnergie in der Ruinenstadt!

Zuerst wurde es dunkel, dann wieder heller. Guckybegann zu ahnen, daß er bald dort sein würde, wo erauch gestern mit Sengu gestanden hatte. In derMaschinenhalle nämlich.

Während sie nach unten sanken, konnten sie hören,was die Männer im Shift sprachen. Es waren meistVermutungen, die sie äußerten. Sergeant Jonesschlug vor, in das Gebäude einzudringen und „reinenTisch zu machen“. Sengu berichtete laufend, was erdurch die Mauern hindurch beobachten konnte. Erwar es schließlich dann auch, der das Leben der dreiFreunde rettete. Denn er sah etwas, das kein anderersehen oder auch nur ahnen konnte.

„Komisch“, berichtete er mit leiser Stimme. „Inder Halle ist es hell, sehr hell. Es ist, als sei einatomarer Brand ausgebrochen. Ich kann nichthineinblicken. Mutanten sind dort nicht zu sehen. Ichglaube auch nicht, daß es in der eigentlichen Halleist, sondern mehr dort, wo der Schacht endet. Wartet... jetzt erkenne ich eine Trennwand. Sie ist zwischendem Schachtende und der Maschinenhalle errichtetworden. Die Halle selbst ist unverändert. Aber dort,wo der Schacht endet ...“

„Ein atomares Feuer?“ erkundigte sich Rhodanmißtrauisch. „Was meinen Sie damit, Sengu?“

„Es ist, als sähe ich in das Innere eines Reaktors“,sagte der Japaner unsicher. „Aber dort ist doch keinReaktor. Meiner Schätzung nach müßte dort derSchacht enden.“

Kasom, der dem Gespräch aufmerksam gefolgt

20

Page 21: Welt unter heisser Strahlung

war, sah nach unten.„Wie weit reicht der Schacht in die Tiefe, Sengu?“

fragte er.„Schwer zu schätzen. Fast fünfzig Meter, würde

ich sagen.“„Dreißig etwa sind wir gesunken. Also noch

zwanzig Meter.“ Er schwieg einige Sekunden. „Es istdunkel, ich kann nichts sehen.“

„Im Schacht selbst ist eine Trennplatte. Sie wirderst im letzten Augenblick, wenn ihr über ihr seid,weggezogen. Und dann ... Kasom! Wenn sieweggezogen wird, landet ihr im Atomreaktor! Ihrmüßt euch sofort in Sicherheit bringen!“

Kasom wurde blaß. Fuxer begann laut zu fluchen,ohne auf Guckys empfindliche Ohren Rücksicht zunehmen.

„Schaltet die Flugaggregate ein!“ befahl Rhodan.„Beeilt euch! Und dann hoch! Mit voller Kraft, dannfegt ihr die Mutanten oben beim Schachtauseinander. Beeilt euch gefälligst, oder wollt ihrgeröstet werden?“

„Ich gehe vor“, sagte Kasom und drehte an denFlugkontrollen. Sein Fall nach unten wurde gestoppt,dann begann er zu steigen, langsam zuerst, dannrasend schnell. Gucky und Fuxer folgten ihm, ohneauch nur ein Wort zu verlieren. Als sie zufällig nachunten blickten, sahen sie, wie die Trenndeckeverschwand. Das grelle Licht blendete sie.

Wenn Sengu sie nicht gewarnt hätte, wären siegeradewegs in der Hölle gelandet. Vielleicht hättendie Schutzschirme für kurze Zeit der einfallendenEnergiemenge standgehalten, aber sicherlich wäre bisdahin auch die Trenndecke wieder geschlossenworden. Und ehe Gucky teleportiert wäre ...

Wie Projektile schossen sie aus der oberenÖffnung des Schachtes. Einige Mutanten, dieneugierig in die Tiefe schauten, wurden zur Seitegeschleudert.

Diesmal zögerte Kasom nicht mehr. Er riß seinenImpulsstrahler aus dem Gürtel und eröffnete dasFeuer auf die Ungeheuer. Auch Fuxer reagierteseinen Schock ab.

Gucky schleuderte einige der Mutantentelekinetisch in den Schacht, was im Endergebnisauch nicht gerade als human bezeichnet werdenkonnte. Aber immerhin war die Wut der drei Freundeverständlich. Erst Rhodans Befehl brachte sie wiederzur Besinnung.

Ungehindert erreichten sie die Straße und warenMinuten später in der Sicherheit des Flugpanzers.

Genau in diesem Augenblick meldete sich Tolotaus dem Lager.

Er rief:„Wir werden angegriffen ... sie kommen zu

Hunderten. Mit unseren Handwaffen können wir sienicht aufhalten. Melden Sie sich bitte ...“

Rhodan schaute verbissen auf den Empfänger.„Jones“, sagte er dann mit ruhiger Stimme.

„Fliegen Sie einen Gegenangriff ... aber beeilen Siesich!“

4.

Der Wachposten auf der Ruine beim Stützpunktentdeckte die Mutanten zuerst. Er sah eine Bewegungin den Trümmern gab aber noch keinen Alarm.Vielleicht war es nur ein vereinzelter Überlebenderdes Höllenplaneten, der keine Gefahr für dieBesatzung des Stützpunktes darstellte.

Aber dann sah er andere Gestalten von Deckung zuDeckung huschen Gestalten, die einem Alptraum zuentstammen schienen. Sein Gefühl weigerte sich,diese Schreckgespenster als Wirklichkeitanzuerkennen, aber glücklicherweise konnte ihn dasnicht, nun nicht mehr, daran hindern, endlich seineGefährten zu alarmieren.

Tolot organisierte in wenigen Sekunden dieAbwehr.

Aber wenn auch die Mutanten keine Strahlwaffenbesaßen, waren sie der Besatzung des Lagers alleinan Menge überlegen. Als sie einsahen daß ihreAnnäherung bemerkt worden war, verzichteten sieauf jede Tarnung. Sie tauchten praktisch überall auf,einige sogar nur wenige Meter von der schützendenGrube der Terraner entfernt.

Sie stürmten.Tolot unterrichtete Rhodan, dann gab er

Feuererlaubnis.Wenn die Terraner nicht einfach überrannt werden

wollten, hatten sie keine andere Wahl, als auf dieAngreifer zu schießen, und zwar mit allen Waffen,die ihnen zur Verfügung standen.

Das Feuer riß furchtbare Lücken in die Front derMutanten, die einen unbeschreiblichen Haß auf ihrAngriffsziel haben mußten. Es war ein Haß, wie ernicht in Minuten, Stunden oder gar Tagen entstehenkonnte. So konnten nur Wesen hassen, die Jahre oderJahrhunderte von einem Feind gedemütigt undniedergehalten wurden.

Über Berge gefallener Mutanten hinweg klettertenneue Angreifer.

Da tauchte über den Ruinen der Shift auf,schwebte heran und landete zwischen demStützpunkt und den heranstürmenden Mutanten.

Die Front geriet ins Stocken.Aber nur für Sekunden.Dann rollte sie weiter auf den Stützpunkt zu.„Tolot“, sagte Rhodan in den Interkom. „Hören

Sie mich?“„Sehr deutlich, Sir. Was ist?“„Geben Sie den Stützpunkt auf. Jeder soll tragen

was er tragen kann. Versuchen Sie zum Shift zu

21

Page 22: Welt unter heisser Strahlung

gelangen.“„Aber, Sir ... die Ausrüstung ...“„Muß mit.“„Wir werden doch mit den Mutanten fertig. Wenn

ich aufspringe und zu ihnen laufe, rennen sie davon.Unsere Feuerwaffen ...“

„Es hat schon zu viele tote Mutanten gegeben,Tolot. Merken Sie denn nicht, daß wir die falschenGegner sind? Die Feinde der Mutanten sindwahrscheinlich auch unsere Feinde, aber machen Siedas den Unglücklichen mal klar. Also, was ist?“

„In Ordnung, Sir. Wir sind in ein paar Minuten beiIhnen. Können Sie nicht etwas näher an denStützpunkt herankommen?“

„Wir landen neben der Grube.“„Danke, Sir.“Jones ließ den Flugpanzer dicht über die Köpfe der

Angreifer hinweggleiten und landete unmittelbar amRand der Grube. Gleichzeitig öffnete er dieSeitenluke. Die ersten Männer sprangen in dieKabine.

„Runter in den Frachtraum, hier oben ist nichtgenügend Platz“, befahl Jones. „Beeilt euch!“

Tolot kam als letzter. Er jagte den Mutanten, diebis auf wenige Meter herangekommen waren, einenFeuerstoß entgegen, der sie zurückwarf. Dannschaltete er seinen Schutzschirm ab und sprang inden Shift.

Jones schloß die Luke.„Starten!“ rief Rhodan.Die Mutanten blieben zurück. Sie stürzten sich in

die Grube und suchten nach vergessenenGegenständen aber außer einigen leerenEnergiemagazinen und Konservendosen fanden sienichts. Ihre Enttäuschung machte sich in einemAufschrei Luft den selbst die Außenmikrophone desFlugpanzers deutlich aufnahmen und weiterleiteten.

„Arme Teufel“, meinte Rhodan mitleidig, aberdiesmal fand er bei Gucky keine Gegenliebe.

„So, arme Teufel nennst du sie? Wohl weil siemich braten wollten was? Bei Kasom kann ich dasverstehen, an dem ist wenigstens was dran. Aber washätten sie schon davon gehabt, wenn sie mich alsGrillspezialität verspeist hätten?“

„Zumindest Bauchschmerzen“, eröffnete ihmRhodan trocken

„Ich tippe mehr auf äußerst fataleVergiftungserscheinungen“, meinte Dr. Fuxerhämisch, um sogleich hinzuzusetzen: „Trotzdem mußich Gucky zustimmen. Mir sind die Mutanten nichtsympathisch - das verstehen Sie doch, nicht wahr?“

„Ob sympathisch oder nicht, das ist nichtentscheidend. Sie haben ein Motiv, ihre Gegner, fürdie sie uns halten, anzugreifen. Das müssen wirberücksichtigen. Es liegt in unserem Interesse, diesengroßen Unbekannten zu ermitteln.“

„Es ist unmöglich, mit den Mutanten Verbindungaufzunehmen“, sagte Sengu überzeugt. „Sie sindblind vor Haß und greifen alles an, was nicht zuihnen gehört. Wie sollen wir Kontakt mit ihnenaufnehmen? Wie sollen wir jemals den Irrtumaufklären, dem sie zum Opfer fallen?“

Dr. Berger, der sich bisher schweigsam verhaltenhatte, behauptete:

„Ich bin überzeugt davon, daß es in anderenStädten und Kontinenten weitere Überlebende gibt.Wir sollten die Suche hier aufgeben und woandersnachsehen. Mit den Mutanten hier ist keinAuskommen, das dürfte klar erwiesen sein. Aberwenn wir noch Überlebende in unverändertemZustand vorfinden, wäre eine Verständigungmöglich.“

Rhodan nickte bedächtig.„Vielleicht hat Berger recht. Was meinen Sie,

Tolot, Kasom?“„Diese Stadt oder eine andere ... warum sollte es

da einen Unterschied geben?“ Tolot hob dieSchultern, und der ganze Shift schwankte, als wolleer abstürzen. Immerhin war Tolot dreieinhalb Meterhoch und wog mehrere Tonnen. „Aber von mir aus.Vielleicht haben wir auf einem anderen Teil diesesPlaneten wirklich mehr Glück. Im übrigen hätte ichnichts dagegen, wenn Atlan endlich käme. Waswollen Sie eigentlich hier herausfinden, Sir?“

„Ich weiß es selbst nicht“, gab Rhodanunumwunden zu. „Aber hier gibt es ein Geheimnis.Vielleicht ein gefährliches Geheimnis, oder einsolches, das tausend bisher ungelöste Fragenbeantwortet. Lohnt es sich nicht, dafür ein Risikoeinzugehen?“

„Sicher lohnt sich das“, stimmte Tolot ihm zu.„Wenn es so ist, wie Sie vermuten.“

„Es ist bestimmt so“, versicherte Rhodan.Kasom meinte: „Wir sind einer Sache auf der

Spur, daran kann kein Zweifel bestehen. Diese Weltwurde vernichtet. Noch heute versuchen Roboter, diewenigen Überlebenden unschädlich zu machen - mitMitteln die scheinbar harmlos sind. Dann der Haß.Ich weiß nicht, aber ich werde ebenfalls das Gefühlnicht los, daß wir hier auf eine Sache gestoßen sind,die für unsere Zukunft von entscheidender Bedeutungsein kann.“

„Oder für die Vergangenheit war“, sagte Gucky.Rhodan blickte ihn forschend an.„Wie meinst du das?“Der Mausbiber zeigte sich betroffen, weil man

seine nur so hingeworfene Bemerkung ernst nahm.„Oh ... eigentlich meinte ich es nur so ... weißt du,

der Krieg hier ist fast dreihundert Jahre her. Damalsalso muß sich das entscheidende Ereignis abgespielthaben, nicht in jüngster Gegenwart. Das Geheimniskann also nur in der Vergangenheit gelöst werden,

22

Page 23: Welt unter heisser Strahlung

weil es nur damals wichtig war. Die Mutanten, diewir hier finden, sind Reste jener Vergangenheit.Wenn sie uns erzählen wurden, was geschah undwarum es geschah ...“

„Wenn sie das tun“, unterbrach Rhodan, „dannwissen wir auch, wer sie sind ... oder wer sie waren.Hast du einen Vorschlag, wie das zu bewerkstelligenist?“

Gucky nickte.„Ja, man muß einen Gefangenen beschaffen, das

ist alles. Und ich wüßte auch schon wer von uns diegeeignete Persönlichkeit wäre, das schierUnmögliche zu erreichen - eine Persönlichkeit, überderen Tapferkeit und Fähigkeiten es keinen Zweifelgeben kann, deren Ruf durch die ganze Galaxisverbreitet ist und vor der die Feinde Terras erbleichenund zu zittern beginnen, wenn sie nur den Namenhören. Ein Kämpfer für Recht und Freiheit, einunerschrockener Rächer aller Enterbten und vomSchicksal Benachteiligten, der Gerechteste derGerechten und der größte Freund aller Armen undHilflosen ...“

„Kurz gesagt“, unterbrach ihn Rhodanrücksichtslos, „du meinst dich.“

Gucky holte tief Luft und nickte.„Richtig kombiniert“, gab er zu.Tolot brach in ein dröhnendes Gelächter aus und

hielt sich die Seiten. Kasom warf ihm einenwarnenden Blick zu, aber der Riese achtete nichtdarauf. Er schien sich köstlich über GuckysSelbstanpreisungen zu amüsieren.

Gucky stemmte die Arme in die Hüften. Er sahrichtig wütend aus.

„Du Fleischklops!“ zeterte er erbost, ohne aufRhodans Handzeichen zu achten. „Du kannst vonGlück reden, daß ich auf die anderen Rücksicht zuüben habe, sonst würde ich dich jetzt grillfertigmachen.“

Es war ein komisches Bild. Der Mausbiber, geradeeinen Meter groß, stand mit drohender Gebärde vordem riesenhaften Haluter, der vor Lachen fast keineLuft mehr bekam. Die Männer in der Kabineverkniffen sich alle Sympathiekundgebungen, wederfür die eine noch für die andere Seite.

Die Vorstellung, Gucky könnte Tolot „grillfertigmachen“, war so grotesk, daß selbst Rhodan lächelnmußte. Er gab inzwischen Sergeant Jones einigeAnweisungen. Der Shift ging auf neuen Kurs. Er warso hoch gestiegen, daß die Stadt nur noch einregelmäßig angelegter Trümmerhaufen in der Wüstewar. Dicht daneben lag der dunkle Fleck derzerstörten Kaulquappe.

„Hohoho!“ machte Tolot und beugte sich vor. Fasthätte der Flugpanzer das Gleichgewicht verloren.„Du Zwerg willst mich zu einem Steak verarbeiten?Paß bloß auf, daß ich nicht tief Luft hole, sonst

landest du in meiner Nase.“Gucky verzog angeekelt das Gesicht.„Vielleicht würde sie bei der Gelegenheit mal

sauber“, entgegnete er. „Aber Scherz beiseite -befassen wir uns lieber mit den ernsten Seiten desLebens. Bist du damit einverstanden, daß ich einenGefangenen hochhole? Und wirst du wohl endlichaufhören zu lachen? Guck in einen Spiegel, dann hastdu wenigstens Grund zum Lachen.“

Tolot schwieg, denn er hatte einen Blick Rhodansaufgefangen.

„Wohl die Sprache verschlagen, was?“ erkundigteGucky sich giftig.

Hinter ihm sagte Rhodan ruhig, wie immer:„Großer Kämpfer und Rächer der Unschuldigen -

wie wäre es, wenn wir uns mal über dein Angebotunterhielten? Du möchtest einen Gefangenenbringen? Gut. Wie hast du dir das vorgestellt?“

Gucky vergaß Tolot.„Ganz einfach. Ich springe in die Stadt dort unten

und ...“ Er sah aus der Luke und stockte. „Wo ist siedenn?“

„Wir werden ein Stück abseits landen, damit wirRuhe vor den Mutanten haben. Dir machen jaEntfernungen nichts aus.“

„Stimmt auch wieder“, knurrte Gucky.„Landet wo ihr wollt. Meinetwegen auf dem

Grunde des Meeres.“„Kunststück“, sagte Kasom. „Wo es gar keine

Meere gibt.“„Aber es gab welche“, belehrte ihn Rhodan. „Und

so dumm ist Guckys Vorschlag auch wieder nicht.Wir werden in einer der Senken landen, wo einstMeer war. Dort gibt es wahrscheinlich keineMutanten.“

Gucky stolzierte hocherhobenen Hauptes zwischenden gedrängt sitzenden Männern umher und genoßihre Bewunderung. Vor Rhodan blieb er stehen.

„Du bist doch der einzige von allen“, sagte ergerührt, „der meine Fähigkeiten richtig erkannt hat.Zum Dank werde ich dir einen prächtigenGefangenen bringen. Den prächtigsten, den du jemalshattest.“

„Da bin ich aber gespannt“, meinte Rhodanlächelnd.

Er ahnte noch nicht, daß Gucky wieder einmalrecht behalten sollte.

*

Der Shift stand zwischen sanften und welligenHügeln in einer flachen Senke. Darüber spannte sichder grünblaue Himmel, der einen seltsamen Stich insRötliche besaß. Der Boden des ausgetrocknetenMeeres war hart und fast ohne Sand. An manchenStellen gab es Vertiefungen und enge Schluchten. In

23

Page 24: Welt unter heisser Strahlung

einiger Entfernung erhob sich ein Tafelberg derfrüher vielleicht einmal eine Insel gewesen war. Anseinem Fuß gab es Höhlen, die früher das Wasserausgewaschen haben mochte.

Die Atmosphäre war hier genausostrahlenverseucht wie überall.

„Ziemlich übersichtlich“, bemerkte SergeantJones. „Hier werden uns die Mutanten kaumüberraschen können. Auf dem Tafelberg wäre esallerdings noch sicherer gewesen.“

„Es ist jetzt Mittag.“ Rhodan sah hinauf inRichtung der roten Sonne. „Vielleicht warten wir biszum Abend. Im Schutz der Dunkelheit hat GuckysUnternehmen mehr Aussicht auf Erfolg.“

„Ich mache mich sofort auf den Weg“, lehnteGucky das Anerbieten ab. „Bis zum Kaffee habt ihreuren Gefangenen. Lebt wohl!“

Ehe jemand protestieren konnte, teleportierte erauf den Tafelberg, von wo aus er eine grandioseAussicht auf die Urlandschaft des ehemaligen Ozeanshatte. Der Luftvorrat im Kampfanzug reichte nochfür sechzig Stunden. Lebensmittelkonzentrate führteer auch mit, dazu eine leichte Handwaffe. Aber seingrößter Trumpf war wohl sein Selbstbewußtsein unddas Gefühl seiner Überlegenheit anderen Geschöpfengegenüber. Obwohl er seinen Gefährten gegenübermanchmal sehr dick auftrug, war Gucky im Grundeseines Herzens ein bescheidener Mausbiber, aber erhielt es für verkehrt, das jemals auch nur zuzugeben.

Der Shift war ein winziger Punkt tief unten in derEbene. Über den Telekom konnte Gucky hören, wasRhodan und die Männer sprachen. Er fing sogar ihreGedankenimpulse auf.

„Dieser Lausebengel!“ sagte Tolot gutmütig. „Mankann ihm einfach nicht böse sein, und wenn er nochso angibt.“

Gucky grinste in sich hinein und schaltete denTelekom leiser.

Der abgeflachte Gipfel lag etwas höher als dasehemalige Festland. Am Horizont war dieRuinenstadt zu erkennen. Sie mochte zwanzigKilometer entfernt sein. Für den Mausbiber war daskeine Entfernung.

Schon wollte er sich auf den Teleportersprungvorbereiten, als er plötzlich innehielt undunbeweglich stehenblieb. Mit einer schnellenBewegung schaltete er das Funkgerät völlig ab, umsich besser konzentrieren zu können.

Kein Zweifel!Er empfing Gedankenimpulse.Aber das allein war es nicht, was ihn so verblüffte.

Es war vielmehr die unbestreitbare Tatsache, daß erdas Muster dieser Impulse kannte.

Irgendwo auf diesem Planeten dachten Wesen,denen er schon einmal irgendwo vor langer Zeitbegegnet war.

Er konzentrierte sich erneut und begann, denAusgangspunkt der Gedankensendungen anzupeilen.Zu seiner Überraschung kamen die Impulse vonunten, aus dem Berg. Ihr Ursprung lag direkt unterseinen Füßen.

Innerhalb der alten Insel, mitten in ihremHöhlensystem, existierten Lebewesen. Ihre Gedankenkonnten aufgefangen werden, aber es waren so vieledurcheinander, daß es Gucky nicht möglich war,einen Impuls herauszukristallisieren und zu deuten.

Er vergaß sein Versprechen, einen Mutanten zufangen.

Dies hier war viel interessanter.Er mußte herausfinden, wer in der Felseninsel

wohnte.Nach einigem Überlegen teleportierte er zum Fuß

der Insel hinab, wo er die Höhlen bemerkt hatte.Wenn es einen Eingang in das unterirdische Reichgab, dann nur an dieser Stelle.

Er überlegte.Wenn er blind teleportierte, wußte er niemals, wo

er rematerialisierte. Da er das Gelände und vor allenDingen die innere Beschaffenheit des Tafelbergesnicht kannte, war er dann zweifellos im Nachteil.Wenn er dagegen ganz normal vorging, konnte ersich jeden Schritt genau merken und sich orientieren.Im Notfall konnte er jeden Augenblickzurückteleportieren und sich so in Sicherheit bringen.

Die Gedankenimpulse bewiesen, daß in dem BergLebewesen waren. Außerdem bewiesen die Muster,daß es sich um Lebewesen handelte, denen er schoneinmal begegnet war. Es mußte vor längerer Zeitgewesen sein, was wiederum eindeutig bewies, daßes in der heimatlichen Milchstraße geschehen war.

Grund genug, doppelt vorsichtig zu sein.Er schaltete den Telekom wieder ein.„Hallo, Perry?“Das Stimmengewirr im Kopfhörer verstummte jäh.

Rhodan meldete sich sofort:„Gucky? Was ist? Wo steckst du? Was entdeckt?“„Was für eine Menge Fragen auf einmal, Perry ...!

Natürlich habe ich etwas entdeckt. Aber nicht in derStadt. Ich stehe am Fuße des Tafelberges, den ihr gutvon euch aus sehen könnt. Bleibt aber noch dort, woihr seid. Ich werde mir den Berg mal näher ansehen.Da wohnt jemand drin.“

„Im Berg wohnt jemand? Drücke dich gefälligstdeutlicher aus.“

„Geht nicht deutlicher, Perry. Wohnt jemand drin;das ist bisher alles, was ich feststellen konnte.“

„Mutanten?“„Weiß ich noch nicht. Jedenfalls kenne ich die

Gehirnwellenmuster. Und zwar von früher her. Nichtvon hier. Sind also alte Bekannte, die im Innern desbesseren Maulwurfshügel hausen. Vielleicht sogargute alte Bekannten.“

24

Page 25: Welt unter heisser Strahlung

Pause.Dann sagte Rhodan:„Sei vorsichtig, Gucky. Wir haben keine guten,

alten Bekannten, die du von der Milchstraße herkennst und die hier wohnen. Irrst du dich auchnicht?“

„Bestimmt nicht. Ich marschiere also los. Wennich mich in zwei Stunden nicht wieder melde, siehmal hier nach.“

„Warum schaltest du den Interkom nicht ein?“„Ich will mich nicht ablenken lassen. Alles klar

soweit?“„Wie du willst. Wir warten zwei Stunden. Aber

wenn wir bis dahin nichts von dir hören, rücken wiran. Auf alles gefaßt, Gucky.“

Gucky kicherte.„Es tut gut, eine solche Streitmacht im Rücken zu

wissen.“Er schaltete das Funkgerät ab. Die Ruhe war

unheimlich, aber sie tat gleichzeitig auch gut. Errückte den kleinen und leistungsfähigenImpulsstrahler im Gürtel zurecht, ehe er seineWanderung ins Ungewisse begann.

Der Boden des ausgetrockneten Meeres war andieser Stelle ungewöhnlich eben und fast ohneGeröll. In breiten Rinnen, deren Umrisse noch zuerkennen waren, mochten einst submarineStrömungen verlaufen sein. Die Wand desTafelberges ragte steil und senkrecht in die Höhe.Fast wie eine riesige Säule dachte Gucky undversuchte sich vorzustellen, wie er als Insel gewirkthatte.

Unschlüssig stand er da in der einsamen Wüstenei,über die sich der strahlenverseuchte Himmel spannte.Die Außenmikrophone fingen keinen Laut auf. Alshier an dieser Stelle noch Meeresgrund war, konntees auch nicht stiller gewesen sein.

Aber jetzt gab es Gedankenimpulse!Gucky versuchte, die Richtung anzupeilen, aber

das erwies sich als ziemlich schwierig. Die Gedankenkamen zwar nur aus der ehemaligen Insel, aber vondort aus allen Richtungen. Einzelne zu lokalisierenwar beinahe unmöglich. Nur für Sekunden gelang esihm manchmal, einen stärkeren Impuls auszumachenund in klare Gedanken umzuwandeln. Sie besagtennicht viel.

„... bei Xeresta unzulässig hohenAtemluftverbrauch registriert wurde vomAufsichtsorgan verwarnt ...“

Wenn auch kein ganz klarer, so doch einvernünftiger Gedankengang. Die Bewohner desTafelberges hatten jedenfallsLuftversorgungsschwierigkeiten. Das erschien weiternicht verwunderlich auf dieser Welt, aber esunterschied sie gewaltig von den Mutanten, denen diestrahlenverseuchte Atmosphäre nichts ausmachte. Im

Innern der Insel lebten also Wesen, derenOrganismus noch auf saubere und strahlenfreie Luftangewiesen war.

Im Berg gab es also keine Strahlung!Während Gucky langsam weiterging, dämmerte

ihm die Erkenntnis, daß in dem Berg dieNachkommen der wirklichen Urbevölkerung desPlaneten Destroy leben mußten, und zwar in derursprünglichen Form und keineswegs mutiert. Dasalles ging aus dem einzigen Gedankenimpuls hervor,den er bisher klar aufgefangen hatte.

Die Wand des Tafelberges wich plötzlich zurückund gab einen wohl zwanzig Meter breiten Eingangfrei. Drüben setzte sich die Wand fort. Der Einschnittwar vielleicht fünfzig Meter tief und endete erneutvor einer glatten und scheinbar fugenlosen Wand.

Gucky sah sofort, daß es sich um keinennatürlichen Felseinschnitt handelte. Dazu waren diedrei senkrecht nach oben strebenden Wände zu glattund eben. Man kam sich vor wie auf dem Grundeines riesigen Schachtes.

Es war die Wand, die den Weg in den Bergversperrte, die Gucky interessierte. Dahinter mußtedie geheimnisvolle Welt der Überlebenden verborgenliegen.

Der Weg durch die Wand brachte vielleicht dieAntwort auf alle Fragen, derentwegen Rhodan dieseExpedition unternommen hatte.

Es hängt wieder einmal alles von mir ab, dachteGucky und schmunzelte nachsichtig. Aber er warehrlich genug, sich jetzt den Späher Senguherbeizuwünschen. Der Japaner hätte durch dietrennenden Felsen hindurchsehen und erkennenkönnen, was dahinter lag.

Ach was, dachte Gucky weiter und marschiertelangsam auf den inneren Felsen zu, ich werde auchallein herausfinden, wer dahinter wohnt. Im Notfallspringe ich einfach blind nach oben, zehn oderzwanzig Kilometer. Während ich dann falle, kann ichmich orientieren und erneut springen. Passieren kannmir ja nichts.

Er stand vor der glatten Wand.Wenn er auch kein Späher wie Sengu war, so half

ihm hier doch die Telekinese etwas weiter. EinTelekinet konnte kraft seines Geistes Gegenständebewegen, die er nicht körperlich berührte. Aber erberührte sie geistig, er tastete sie ab, bewegte siedann.

Gucky tastete die Wand ab und stellte fest, daß sienicht dicker als einen Meter war. Dahinter befandensich Hohlräume. Und ein Mechanismus, der dasÖffnen und Schließen der Wand bewirkte. Vielleichtzwanzig Meter hinter der Wand war eine zweite mitähnlichem Mechanismus. Somit war klar, daß derEingang zur Behausung der Überlebenden durch einegewaltige Luftschleuse führte.

25

Page 26: Welt unter heisser Strahlung

Ein weiterer Beweis, daß sie nichts mit denMutanten zu tun hatten, und zugleich einHoffnungsschimmer, daß mit ihnen vielleicht eineVerständigung möglich war.

Gucky überlegte, ob er Rhodan unterrichten sollte,entschied sich aber dagegen. Wenn schon, dann kamer mit vollendeten Tatsachen, nicht nur mit vagenVermutungen und Hoffnungen.

Er konzentrierte sich und teleportierte durch dieerste Wand.

Zuerst sah er überhaupt nichts, aber als seineAugen sich umstellten, gewahrte er einen schwachenLichtschimmer der aus der hochliegenden Decke zuihm herabdrang. Er tastete telekinetisch und stelltefest, daß die Decke glatt und mindestens dreißigMeter hoch über ihm war. Wenn dies ein Eingangwar - und das war er zweifellos -, dann diente erdazu, große Gegenstände durchzuschleusen.Maschinen oder Fahrzeuge viel leicht.Wahrscheinlich hatte man ihn schon lange nicht mehrbenützt.

Gucky spürte das Vibrieren unter seinen Füßen.Irgendwo liefen Maschinen. Die Welt im Innern desBerges mußte in ihrer ganzen Anlage einem riesigenRaumschiff gleichen das ebenfalls von seinerUmwelt unabhängig war. Die Maschinen sorgten fürWärme, für Energie und für Atemluft. Wie siebetrieben wurden blieb vorerst unklar.

Langsam ging Gucky bis zur zweiten Trennwand.Inzwischen konnte er gut sehen. Der Mechanismusder Öffnungskontrollen war ihm fremd, aber erkonnte sich vorstellen, wie sie funktionierten.Vorsichtshalber merkte er sich das um sie im Notfalltelekinetisch bedienen zu können, auch wenn er nichthier in der Kammer stand.

Die Gedankenimpulse waren stärker geworden undnoch schwerer zu unterscheiden als vorher. Siedrangen nun von nahezu allen Seiten auf ihn ein. Eswaren Tausende und aber Tausende. Wenn die ganzeInsel in ihrem Innern ausgehöhlt und bewohnt war,hätten es eigentlich noch mehr sein müssen.

Er konzentrierte sich auf die zweite Trennwandund sprang.

Noch wahrend er materialisierte bereitete er sichauf sofortige Flucht vor, aber dieVorsichtsmaßnahme erwies sich zum Glück alsunnötig. Zwar war es in der riesigen Halle etwasheller als in der Schleusenkammer, aber sie wargenauso leer.

Leer wenigstens bis auf die Maschinenanlagen undStromgeneratoren, die in langen Reihen die Wändeverdeckten und deren Summen Guckys empfindlicheOhren störte. Er schaltete die Außenmikrophoneleiser.

Die fast einen Meter durchmessenden Leitungenließen die Vermutung zu, daß hier das Zentrum der

Lufterneuerung war. Die Leitungen teilten sich aufund verschwanden in den Wänden. In ihnen strömtefrische Atemluft zu den einzelnen Sektionen desunterirdischen Reiches, und wie Gucky schon wußte,hatte man sie rationiert.

Er stand da und prägte sich alles genau ein, als seier davon überzeugt, sein Wissen später einmalbrauchen zu können. Das Prinzip einerLufterneuerungsanlage mußte sich überall gleichen;große Unterschiede konnte es da kaum geben. Somitbot auch diese Anlage keinen Hinweis auf dieHerkunft oder Abstammung ihrer Erbauer.

An der anderen Seite des Saales war eineBewegung.

Sie war nur flüchtig und erzeugte bei derherabgeminderten Empfangskapazität derAußenmikrophone kein Geräusch mehr. Aber Guckyhatte sie aus den Augenwinkeln herauswahrgenommen. Er blieb stehen und duckte sich nuretwas. Ein querliegender Maschinenblock gab genugDeckung.

Gucky versuchte, die Gedankenimpulse desWesens aufzufangen, das zu ihm in die Hallegekommen war. Eigentlich hätte das leicht gelingenmüssen, denn er kannte nun Richtung undEntfernung. So war es möglich, alle anderen Impulseauszuschalten und sich nur auf diesen einzigen zukonzentrieren.

Aber nichts.Das Wesen dachte nicht.Gucky wartete fast zwei Minuten, aber nichts

geschah. Trotz der Maschinengeräusche erhöhte erdie Empfindlichkeit der Mikrophone. Im erstenAugenblick glaubte er, die Trommelfelle müßten ihmplatzen, aber dann gewöhnte er sich an den Lärm.

Er hörte plötzlich das metallische Schleifen, daslangsam näherkam.

Es war rhythmisch und unterbrach dasgleichmäßige Konzert der anderen Geräusche, nurdeshalb konnte es Gucky heraushören, der gespannthinter seinem Maschinenblock wartete. Seine rechteHand ruhte auf dem Kolben der Strahlwaffe. Erplante nicht, so einfach in Sicherheit zu teleportieren.Er wollte einen Gefangenen. Und wenn sich dasfremde Lebewesen wehrte, mußte man es ebenüberwältigen.

Gucky ahnte noch nicht, welche Enttäuschung ihmbevorstand.

Langsam schleppten sich die Minuten dahin.Gucky wagte es nicht, sich zu rühren. Der Fremde

konnte keine zehn Meter mehr entfernt sein. Bevor erseine Deckung verließ, wollte er ihn gesehen haben.Der Mausbiber kannte den Schock, den derunverhoffte Anblick eines fremdartig gestaltetenLebewesens hervorrufen konnte, und zwar auchdann, wenn man keine Vorurteile hatte.

26

Page 27: Welt unter heisser Strahlung

Das metallische Schleifen verstummte plötzlich.Immer noch keine Gedankenimpulse. Das warungewöhnlich und ließ nur zwei Schlüsse zu.

Gucky wußte plötzlich, was auf der anderen Seitedes Maschinenblocks war. In seine Enttäuschungmischte sich vorerst einmal Erleichterung. Für dengeplanten Gefangenen war noch immer Zeit. Wichtigwar vorerst, daß er nicht entdeckt wurde und seinEindringen unbekannt blieb.

Langsam richtete er sich auf.Er hatte richtig vermutet.Der Fremde war ein Roboter.Er besaß keine menschliche Gestalt, und seine

Formen ließen keine Rückschlüsse auf seine Erbauerzu. Er hatte drei klobige Fuße, mit deren Hilfe er sichnur langsam voranbewegen konnte. Auf den dickenSäulenbeinen ruhte ein kubischer Körper mitverschiedenartigen Auswüchsen, die Tentakel oderArme sein mochten. Da jeder anders geformt war,dienten sie unterschiedlichen Zwecken. Einen Kopfhatte der Roboter nicht, aber auf dem rechteckigenHauptkörper saß eine faustgroße Kugel, die sichpausenlos drehte. In ihr waren vier oder fünfdaumennagelgroße Kristallinsen. Der Robot konntegleichzeitig das gesamte Blickfeld vondreihundertsechzig Grad übersehen.

Er sah Gucky sofort und blieb stehen.Obwohl der Mausbiber im ersten Augenblick fest

entschlossen war, den Roboter daran zu hindern,seine Anwesenheit hier seinen Herren zusignalisieren, zögerte er doch, ihn unschädlich zumachen. Der Roboter hatte ihm nichts getan. Erkonnte ihn nicht so einfach vernichten.

Es schien sogar wahrscheinlich, daß der Roboterkeine Sendeanlage besaß. Allem Anschein nachhandelte es sich um einen ganz normalenArbeitsrobot, dem die Aufgabe zugefallen war, dieMaschinen der Lufterneuerung zu überwachen.

Gucky entspannte sich und nahm die Hand von derWaffe. Notfalls konnte er immer noch telekinetischzupacken. Die Decke war sehr hoch. Wenn er denRobot emporschweben und dann fallen ließ, war ersicherlich nicht mehr zu gebrauchen.

Der Roboter machte kehrt und schlurfte in dieRichtung zurück, aus der er gekommen war. Guckysah sprachlos hinter ihm her, dann kam Bewegung inihn. Eilig watschelte er hinter dem sonderbarenGebilde her. Er tippte ihm auf das, was er für dieSchulter halten mußte.

„He, du, nicht so hastig. Ich möchte dich etwasfragen ...“

Der Robot kümmerte sich nicht um dieAufforderung, sondern schlurfte ungerührt weiter.

Gucky wurde wütend, beherrschte sich jedoch. Erholte den nur langsam Vorankommenden wieder einund stellte ihm ein Bein. Das aber hätte er lieber

nicht tun sollen. Die Beine des Robots waren ausMetall, und die Kraft, die sie in Bewegung hielt, warstärker als die des Mausbibers. Wenigstens dann,wenn er sich normal bewegte. Mit einemschmerzhaften Ruck verlor er den Halt und setztesich auf den glatten und harten Boden.

Der Roboter aber schlurfte weiter.Dieses Schlurfen war es wohl, das Gucky

besonders auf die ohnehin genug strapaziertenNerven ging. Noch im Sitzen konzentrierte er sichauf seinen Gegner und packte telekinetisch zu.

Der Roboter blieb ruckartig stehen, als wäre ergegen eine nicht sichtbare Mauer gerannt. DasAnhalten geschah so abrupt, daß er fast dasGleichgewicht verloren hätte und es war Gucky, derihn festhielt. Sonst wäre er sicherlich gestürzt undhätte vielleicht ein paar Schrauben verloren - wenn erSchrauben hatte.

„Willst du vielleicht jetzt endlich den Mundaufmachen, falls du einen hast?“ knurrte derMausbiber, der inzwischen aufgestanden war undnäherkam. „Kannst du überhaupt reden?“

Der Roboter reagierte nicht.„Nutzloser Blechhaufen - genau das bist du!“

zeterte Gucky aufgebracht, als er keinerlei Reaktionerhielt. „Man sollte dich verschrotten. Wer sind deineHerren? Wer erbaute dich? Was tust du hier?“ Guckyschnaubte verächtlich. „Ja, ich weiß schon, du biststumm. Dabei gibt es so stumme Roboter wie dichgar nicht. Ich wette, wenn jetzt so ein Angehörigerdeiner Erbauerrasse vorbeikäme, würdest du ganzschön loslegen und mich verpetzen. Habe ich recht?Na, die Suppe werden wir dir versalzen, Kleiner.Hast du irgendwo einen Hebel zum Abstellen?“

Gucky fand den Hebel natürlich nicht. Ratlosuntersuchte er den hilflosen Roboter und lockertedabei die telekinetische Klammer um keinen Deut.Endlich gab er es auf.

„Was machen wir nun mit dir? Laufenlassen kannich dich nicht, denn du würdest mich verraten. Aufder anderen Seite widerstrebt es mir, ein hilflosesWesen, auch wenn es ein Roboter ist, einfachgrundlos zu vernichten. Ja, was machen wir denn da...?“

Ihm blieb keine andere Wahl.Die Halle und ihre Lage innerhalb des Tafelberges

war ihm bekannt. Er würde jederzeit blind hierzurückfinden. Also ging er kein Risiko ein, wenn erden Roboter auf das Gipfelplateau brachte, wo erkeinen Schaden mehr anrichten konnte. Und bis ihndort seine Herren entdeckten, spielte es ohnehinkeine Rolle mehr.

Er berührte den Kubuskörper mit beiden Händenund teleportierte auf den Gipfel des Tafelberges. DerSprung gelang, und er fiel nur wenige Meter, bis erauf dem Plateau landete. Der Roboter klirrte heftig,

27

Page 28: Welt unter heisser Strahlung

als seine plumpen Füße etwas hart den Felsenberührten, aber dann begann er wiederdavonzuschlurfen.

„Alter Schlurfer“, schimpfte Gucky hinter ihm her.„Hättest doch wenigstens Dankeschön sagen können.Das nächstemal bringe ich dir den Tanz derMuscheleule bei. Wirst du dich wundern!“

Er sah dem Roboter nach und erinnerte sich derMuscheleule. Das war nun schon lange her. Erverbrachte gerade seinen Weihnachtsurlaub inTerrania, als er ein Paket erhielt. Ein Zettel machteihn darauf aufmerksam, daß in dem Paket etwasLebendiges war. Vorsichtig hatte er es ausgepackt,und dann kam ein kleiner Käfig zum Vorschein, indem verschüchtert und hilflos ein winziges Wesenhockte, das ihn traurig aus seinem einzigenschwarzen Auge anblickte.

Ein Zettel lag in dem Paket. Der Inhalt besagte,daß es sich bei dem merkwürdigen Lebewesen umeine Muscheleule handelte, die ein weitgereisterRaumkapitän von der Ostseite der Milchstraßemitgebracht hatte. Er hatte sie seinem besten Freundgeschenkt, und dieser Freund - der Absender desPaketes war ein großer Verehrer Guckys. Wenigstensging das aus dem Begleitschreiben hervor. Leiderwar der Absender so unleserlich, daß Gucky niemalsGelegenheit erhielt sich für die Muscheleule zubedanken. Und diese Muscheleule war es, an dieGucky jetzt denken mußte. Sie gab niemals einenLaut von sich aber sie besaß telepathischeFähigkeiten. In vielen Stunden hatte sie Gucky vonihren Reisen durch die Galaxis erzählt, denn sie warein kluges, fähiges und nahezu unsterbliches Tier. Sielebte von der Zeit und ihren Erinnerungen. Und wenndie Muscheleule besonders gut aufgelegt war, danntanzte sie.

Es war der Tanz einer ganzen Rasse und zugleichder Tanz eines einsamen Lebewesens, denn es gab inder ganzen Galaxis nur diese einzige Muscheleule.

Gucky hatte plötzlich Sehnsucht nach derMuscheleule und nach der unendlich weit entferntenErde. Fast anderthalb Millionen Lichtjahre trenntenihn davon. Vielleicht würde er nie mehr ...

Wenn er so weitermachte, ganz bestimmt nicht!Der Traum verblaßte. Die Muscheleule ... sie

würde auf ihn warten. Sie lebte in seinem Haus amGoshun-See, tanzte im Garten und hockteverschlafen auf dem Bücherschrank. Vielleichtdachte sie auch manchmal an den Mann, der sieverschenkt hatte.

Irgendwie erfahre ich schon mal seine Adresse,dachte Gucky wehmütig. Oder er schreibt mir nocheinmal, irgendwann, eines Tages ...

Er schrak auf, denn er hörte das bekannteSchlurfen.

Der Roboter kehrte zurück. In zwei seiner „Hände“

hielt er einen länglichen, schimmernden Gegenstand,den er nun auf Gucky richtete.

Gucky hatte gerade noch Zeit, sich darüber zuwundern, wie der Roboter in den wenigen Sekundenzu einer ziemlich schweren Strahlwaffe gekommenwar, da zischte auch das erste Energiebündel anseinem rechten Ohr vorbei, so dicht, daß er die Hitzespüren konnte.

Er teleportierte in die Halle der Lufterneuerungzurück.

„So ein Mistvieh von einem Roboter!“ sagte erwütend vor sich hin, während er sich davonüberzeugte, daß er allein war. „Da schont man soeine positronische Nichtexistenz und dafür wird manbeinahe umgebracht! Undankbarkeit macht sich alsoauch schon in Roboterkreisen breit. Na, wenn ichdem Kerl noch einmal begegne - er wird das Fliegenlernen!“

Er marschierte quer durch die Halle, bis er eine fürerreichte. Sie war geöffnet. Wahrscheinlich war esdieselbe Tür, durch die der Roboter die Hallebetreten hatte. Dahinter lag ein Korridor, in dem dasLicht ein wenig heller als in der Halle brannte.

Rechts und links waren weitere Korridore.Niemand war zu sehen, aber die Gedankenimpulsefielen ein wie Mückenschwärme. Einige warenbesonders stark. Sie ließen wieder die bekannten unddoch so rätselhaften Muster erkennen.

Allmählich wurde es ihm egal, ob man ihnentdeckte oder nicht. Der Roboter würde ohnehinAlarm geschlagen haben. Außerdem konnte erjederzeit flüchten. Er lief also, so schnell ihn seinekurzen Beine trugen, den Hauptkorridor entlang,immer tiefer in das Innere des Berges hinein. Baldkamen die Gedankenimpulse von allen Seiten, sogarvon oben und unten.

Das Licht, wenn auch heller als in der Luftschleuseund Maschinenhalle, war immer noch relativ dunkel.Die Tatsache, daß er niemand begegnete, ließ inGucky die Vermutung aufkeimen, daß hier im BergNacht herrschte. Die Bewohner hielten sich nicht andas, was draußen an der Oberfläche vor sich ging.Vielleicht hatten sie bereits die Verbindung zu ihrverloren, im Gegensatz zu den Mutanten.

„Dreihundert Jahre sind eine lange Zeit“, meinteGucky, als er stehenblieb, um die Veränderung desKorridors in sich aufzunehmen. Der Korridormündete in eine breite, hellerleuchtete Straße. „Ja,wo bin ich denn da gelandet? Eine Straße - einerichtige Straße.“

In der Mitte blitzten elektronische Leitschienen,aber kein Fahrzeug war zu sehen. In regelmäßigenAbstanden hingen Lampen über der Fahrbahn.Rechts und links waren breite Transportbänder fürFußgänger, aber auch sie standen nun still. DieWände der Straße - oder der Tunnels, wenn man

28

Page 29: Welt unter heisser Strahlung

wollte - waren glatt wie Hauswände. Es gabÖffnungen und Fenster, aber aus ihnen drang keinLicht.

Eine schlafende Stadt, im Hohlraum eines Berges,der eine Insel in einem längst ausgetrockneten Meerwar ... Draußen eine Welt voller Strahlung, die jedesLeben außer das der Mutanten ausgelöscht hatte, undhier drinnen eine Welt, in der man des Nachts ruhigschlafen konnte, eine Welt ohne ...

Gucky sah auf den eingebauten Strahlenmesser.Ja, eine Welt ohne Strahlung.Und eine Welt voller Atemluft und Wärme -

erträglicher Wärme.Gucky duckte sich unwillkürlich als er das

torpedoförmige Fahrzeug heranschießen sah. Es warim Dunkel der künstlichen Nacht aufgetaucht undkam in seine Richtung. Vorn am Bug brannte einhelles Licht, ein Scheinwerfer. Damit wurde dieStraße in ihrer ganzen Breite in strahlende Helligkeitgetaucht.

Das Innere des Wagens war dunkel. Guckyerkannte nur zwei schlanke Schatten, ohne die Formausmachen zu können. Ihre Gedanken waren starkund konzentriert. Sie dachten beide an den Fremden,der in ihr unterirdisches Reich eingedrungen war undden es unter allen Umständen zu töten galt.

Es waren Gedanken voller Haß und Rache, wiejene der Mutanten.

Es gab also in dieser Hinsicht keinen Unterschiedzwischen ihnen.

Sekunden später war der Wagen verschwunden.Gucky wanderte weiter. Er hoffte, daß er einemeinsamen Bewohner der Stadt begegnen wurde, dener vorsichtig und unbemerkt beobachten konnte.Mehr wollte er nicht. Sein einziger Wunsch war,endlich zu erfahren, wie die Fremden aussahen.

Die Illusion, in einer wirklichen Stadt unter freiemHimmel einherzuwandern, war so vollkommen, daßGucky fast die Sterne vermißte. Die Hauswänderechts und links der Straße trugen gleichzeitig auchdie Decke, die sich über die Straße spannte. AlleHohlräume dieser unterirdischen Welt waren aus demUrgestein herausgebrannt worden, und zwar vor sehrlanger Zeit.

Von weiter vorn hörte Gucky plötzlich einGeräusch.

Im ersten Augenblick wollte er teleportieren, aberdann überlegte er es sich anders. Wenige Meter vonseinem augenblicklichen Standort entfernt befandsich in der Hauswand eine Nische. Er sprang hineinund stellte fest, daß kein Licht in sein Versteckdrang. Von hier aus konnte er die ganze Straßebeobachten, ohne selbst gesehen zu werden.

Er lauschte und wartete gespannt.Das Geräusch kam nur langsam näher. Es war

schlecht zu definieren, aber auf keinen Fall handelte

es sich um ein Fahrzeug. Es hörte sich vielmehr nachSchritten an.

Und dann erblickte Gucky fünf Gestalten, die ineiner Art Postenkette mitten auf der Straße gingen, inden Händen schwere Energiestrahler.

Ihre Gedankenimpulse waren stark und deutlich.Sie suchten den Eindringling.

Aber die Gedankenmuster waren auch bekannt,genauso bekannt wie sie selbst.

Gucky sah sie, und in der gleichen Sekundeflammte die Erinnerung an sie auf - und er wundertesich gleichzeitig, daß er die Fremden sehen konnte.

Sie waren ungemein schlank und dünn. IhreKörper erinnerten an Pfähle, farblos und wie dünneRüssel. Wie Rüssel wirkten auch die drei überallbeweglichen Beine, auf denen sie sich bewegten. Siebesaßen zwei schlauchartige Arme mit feingliedrigenHänden, in denen sie die Waffen hielten.

Der Hals war ein dünner Schlauch von dreißigZentimeter Länge, an dessen oberem Ende der nurfaustgroße Kopf saß, in dem drei Augen funkelten.

Laurins!Gucky entsann sich.Die Laurins waren jene Wesen, denen die Terraner

vor dreihundert Jahren am Rande der Galaxisbegegneten Sie konnten sich dank eines sogenanntenFlexo-Organs unsichtbar machen, und man hatte siedieser Eigenschaft wegen, „Laurins“ genannt. Auch„Schatten“. Sie hatten sich als harte und gefährlicheGegner erwiesen, bis man ihnen endlich beikommenkonnte. Dann waren sie verschwunden. Man hatte niewieder von ihnen gehört.

Bis zu dieser Sekunde.Sie vegetierten als Überlebende unter der

Oberfläche eines Planeten, der vor nahezudreihundert Jahren von Unbekannten unbewohnbargemacht worden war.

Das Rätsel war nicht kleiner, es war größergeworden.

Gucky rührte sich nicht. Er sah hinter den fünfLaurins her und überlegte, wie er einen von ihnengefangennehmen konnte.

5.

Zum zehntenmal innerhalb von fünf Minuten sahRhodan auf seine Uhr.

„Die zwei Stunden sind vorbei“, sagte er nervös.„Wir sollten etwas unternehmen.“

Sie saßen im Shift, die Raumhelme geöffnet.Kasom rückte seinen mächtigen Körper zurecht.

„Natürlich sollten wir das“, bestätigte er und sahniemanden an.

„Ich kann auch allein nachsehen“ erbot sich Tolot.Rhodan schüttelte den Kopf.„Wir nehmen den Shift. Damit sind wir praktisch

29

Page 30: Welt unter heisser Strahlung

unangreifbar. Der Rest bleibt hier. Wir müssen nochauf Berger und Fuxer warten.“

Berger und Fuxer hatten eine Expedition in dienähere Umgebung unternommen. Sie wolltenfeststellen, ob der Meeresgrund seit derVerdampfung des Ozeans nicht betreten worden war.Rhodan wußte, daß das ein sehr fadenscheinigesMotiv war er tat ihnen den Gefallen, es zuakzeptieren. Zwei weitere Wissenschaftlerbegleiteten die beiden, und sie waren seit einerStunde unterwegs.

„Die vier werden sich schon wieder einfinden“,sagte Kasom, „aber wir können Gucky nicht im Stichlassen. Er wollte sich nach zwei Stunden wiedermelden. Die zwei Stunden sind um.“

„Richtig“, sagte Rhodan und sah erneut auf dieUhr. „Sie sind um. Kasom und Tolot kommen mit.Dazu ...“

Der Lautsprecher des Shifts knackte laut undvernehmlich. Dann ertönte Bergers Stimme, etwasheiser und aufgeregt:

„Mutanten! Sie haben uns gesehen und verfolgenuns ... hört ihr uns überhaupt?“

„Hier Rhodan. Was ist los?“„Mutanten, eine ganze Horde.“ Berger schnaufte

vernehmlich, als müsse er laufen. „Sie holen uns ein,wenn wir nicht wie die Verrückten rennen. Odersollen wir sie erledigen?“

„Das kommt nicht in Frage. Wie weit sind Sienoch vom Shift entfernt?“

„Wir sehen ihn schon. Machen Sie die Schleuseauf damit wir gleich hineinkönnen. Die Mutanten,etwa vierzig, sind keine dreihundert Meter hinter uns.Sie haben Energiewaffen.“

„Beeilen Sie sich! Wir warten.“Rhodan sah Kasom an.„Müssen wir unseren Plan ändern?“ fragte der

Riese.„Natürlich. Wir nehmen Berger und seine drei

Begleiter auf, dann verschwinden wir von hier. ZumTafelberg. Bis die Mutanten dort sind, vergehen dreioder vier Stunden bei dem unwegsamen Gelände. EinGlück, daß sie keine Fahrzeuge besitzen.“

Berger, Fuxer und zwei andere Männer erschienenin westlicher Richtung, rannten einen sanften Hügelherab und erreichten den Shift. Sie kletterten durchdie Bodenschleuse und sanken erschöpft zu Boden.Die Luke wurde geschlossen. Langsam stieg der Shiftin die Höhe.

Es waren in der Tat vierzig Mutanten, die nunstehengeblieben waren und in ohnmächtiger Wutdem Shift nachsahen, der ihnen die fast sichere Beutevor der Nase weggeschnappt hatte.

„Arme Teufel“, sagte Rhodan, und seine Stimmeverriet seine Verbitterung. „Jemand hat ihnen einstübel mitgespielt - wenigstens ihren Vorfahren. Sie

müssen uns ja hassen. Sie müssen jedes normalgebliebene Lebewesen hassen. Lieber fliehe ich vorihnen, als daß ich sie vernichte, obwohl es für sievielleicht eine Erlösung bedeutete. Aber wer kann soetwas wirklich beurteilen?“

Ein altes Thema, eine uralte Frage.Sie war bis heute nicht beantwortet worden.Der Shift nahm Kurs auf den Tafelberg.

*

Gucky hatte die Zeit vergessen. Dabei hätte einkurzes Telekom-Gespräch genügt, die Lage zu klärenund Entschlüsse zu fassen.

Er sah hinter den fünf Laurins her.Es hatte wenig Sinn, sich ihnen zu zeigen und zu

versuchen, einen von ihnen zu fangen. Er würde sichin der gleichen Sekunde unsichtbar machen undentwischen. Es war schwer, einen unsichtbarenGegner festzuhalten. Sicher, er könnte mit ihm aufden Tafelberg teleportieren, aber der Laurin würdedann innerhalb einer Stunde tot sein, da er dieStrahlung nicht gewohnt war. Höchstens im Shift ...

Die Laurins waren stehengeblieben. Sie schienensich zu unterhalten. Da sie an der Stelle angelangtwaren, an der Gucky durch den Korridor die Straßeerreicht hatte, lag die Vermutung nahe, daß derRoboter seine Herren sehr genau unterrichtet hatte.Die Laurins wußten ungefähr, wo der Gesuchtesteckte.

Gucky verließ sein Versteck und pirschte sichnäher an sie heran, jede noch so kleine Deckunggeschickt ausnutzend. Dabei gelang es ihm dieGedankenimpulse der Laurins immer besser zuempfangen und zu verstehen. Endlich klappte es mitdem Kontakt, wenn er auch vorerst nur einseitig war.

„Er kam aus dem Klimazentrum“, sagte ein Laurinzu dem anderen.

„Dann kann er auch dorthin zurückgeflohen sein.“„Unwahrscheinlich. Er muß noch in der Stadt

stecken. Ob es ein Mutant ist?“„Die Aussagen des Roboters sind ungenau. Der

Fremde war klein und trug einen Schutzanzug.Mutanten bewegen sich ungeschützt in der Giftwelt.Ihnen macht der Atem des Todes nichts aus. Siekönnen ohne ihn nicht leben. Der Eindringling istsomit kein Mutant.“

„Ein Fremder?“Gucky war so nahe herangekommen, daß er sie

wieder gut sehen konnte. Sie standen an derEinmündung des Korridors, die Waffen achtlos inihren Händen.

„Besäßen wir noch unsere alte Fähigkeit, würdenwir ihn schnell fangen“, sagte einer der Laurins.„Aber so kann er uns rechtzeitig sehen und fliehen.Diese verfluchten Meister ...“

30

Page 31: Welt unter heisser Strahlung

Gucky war ganz Ohr. Er wagte kaum zu atmen.Die alte Fähigkeit ... sie war verlorengegangen?Damit konnte nur die Fähigkeit gemeint sein, sich

unsichtbar machen zu können. Das Flexo-Organ! Esfunktionierte nicht mehr. Vielleicht die Strahlung,vielleicht etwas anderes.

Und die ‚Meister der Insel‘ waren es gewesen, dieDestroy zerstörten.

Das Dunkel begann sich zu lichten.Gucky konzentrierte sich. Nun würde er endlich

einen Gefangenen machen können, ohne daß er ihmentwischte. Wenn sich die Laurins nicht mehrunsichtbar machen konnten, entkamen sie auch nichtmehr.

Er wartete noch und esperte, was die Laurinssprachen. Aus ihrer Unterhaltung erfuhr er, daß indem Tafelberg mehr als fünfhunderttausend Laurinslebten; vegetieren wäre vielleicht die zutreffendereBezeichnung gewesen. Jetzt war Nacht. DerEindringling sollte nicht getötet, sonderngefangengenommen werden - aber nicht aushumanen Gründen. Man wollte wissen, wer er war.Niemand jedoch zweifelte daran, daß er von den‚Meistern der Insel‘ geschickt worden war. Spätersollte er sterben.

Denen werde ich die Suppe versalzen, dachteGucky wütend. Ihr Haß auf die Meister kennt keineGrenzen. Vielleicht aber hassen sie auch alles, wasihnen fremd ist. Eine Einstellung die nicht sonderlichneu ist.

Die fünf Laurins beschlossen, in den Korridoreinzudringen. Sie waren überzeugt, den Gesuchtendort oder im Klimazentrum zu finden.

Gucky folgte ihnen auf den Fersen, nachdem ersich vor einem zweiten Suchfahrzeug in Sicherheitgebracht hatte. Er war davon überzeugt, daß dieunterirdische Stadt noch viele Straßen hatte und daßTausende von Laurins unterwegs waren, um ihneinzufangen.

Im Korridor war es dunkler. Gucky schlich sichganz nahe an die fünf Laurins heran und war bald sodicht hinter ihnen, daß er sie mit der Hand berührenkonnte. Sie hegten keinen Argwohn, denn sievermuteten den Eindringling nicht hier. Sie warenvielmehr der Auffassung, daß sie ihn nur dannerwischen konnten, wenn sie sich beeilten.

Gucky grinste, als er mit einem Kurzsprung vordie Laurins gelangte und ihnen den Weg versperrte.Er stellte sich mitten auf den Korridor und hob beideHände.

„Seid mir gegrüßt, ihr Bohnenstangen“, sagte er inInterkosmo. „Wer von euch kommt freiwillig mit?“

Er handelte mehr als leichtsinnig. Die Frage warohnehin sinnlos, auch wenn die Laurins die Spracheder Galaxis verstanden hätten. Keiner von ihnen hättedaran gedacht, freiwillig mitzukommen. Es war

Guckys Vorliebe für dramatische und besonderseffektvolle Auftritte, die ihn dazu verleitete. ZumGlück war es seine unwahrscheinlich schnelleReaktionsfähigkeit, die ihn erneut vor dem sicherenTod bewahrte.

Die Laurins zögerten keine Sekunde, ihre Waffenemporzureißen.

Sie hatten ihre Absicht vergessen, denEindringling lebendig zu fassen. In ihren Gehirnenwar nur noch ein einziger Gedanke, und kein andererhatte mehr Platz.

Sie wollten töten!Gucky handelte blitzschnell.Er sprang vor und ergriff den einen Laurin mit

beiden Händen um den Leib. Damit erreichte erzweierlei. Der Laurin und auch die anderen vierwurden daran gehindert, von ihren Waffen Gebrauchzu machen. Und zweitens stellte er den notwendigenkörperlichen Kontakt her, der zur Teleportationunentbehrlich war.

Zwei Sekunden später entmaterialisierte er mitseinem Gefangenen.

Er hatte unwillkürlich bei diesem Vorgang intensivan die Stelle gedacht, an der er zuletzt mit Rhodanund den anderen Gefährten zusammengewesen war,nämlich an jene Stelle, an der der Shift gestandenhatte.

Als er dort materialisierte und dem Laurin miteinem schnellen Zugriff die Strahlpistole abnahm,mußte er feststellen, daß er die Zeit vergessen hatte.Er hatte vergessen, rechtzeitig Funkverbindung mitdem Shift aufzunehmen.

Der Shift war verschwunden.Er stand mit seinem Gefangenen allein auf dem

Grund des ausgetrockneten Ozeans.

*

Der Flugpanzer stieg weiter und erreichteschließlich den Tafelberg. Gucky hatte sich zuletztvom Fuß der Insel aus gemeldet, was noch langenicht bedeutete, daß er sich auch jetzt noch dortaufhielt. Viel wahrscheinlicher war, daß er im Innerndes Berges versuchte, die Angelegenheit auf seineWeise zu erledigen.

„Wir landen“, entschied Rhodan. „Und dannversuchen wir, Verbindung mit Gucky zu erhalten.Vielleicht gelingt es Sengu, etwas zu sehen.“

Das Plateau war flach und ohne Vegetation. Dernackte Fels trat zu Tage, und nur an manchen Stellenwirkte der Boden wie ausgewaschen. Aber es gabkein Wasser.

Unten in der Ebene hatten die Mutanteninzwischen den Platz erreicht, an dem der Shiftgestanden hatte. Sie schwärmten auseinander,sammelten sich dann aber wieder und machten sich

31

Page 32: Welt unter heisser Strahlung

erneut an die Verfolgung. Sie nahmen Richtung aufden Tafelberg.

Der Shift setzte auf. Sergeant Jones schaltete denAntrieb aus.

Rhodan wußte, daß sie nun mehrere Stunden Zeithatten, ehe die Mutanten heran waren. Und dannbestand noch immer keine Gefahr, denn er sah keineMöglichkeit, wie die Mutanten auf das Hochplateaugelangen sollten.

Er schaltete den Telekom lauter und rief Gucky.Der Mausbiber meldete sich nicht.„Es muß etwas passiert sein“, meinte Kasom. „Der

kleine Kerl kann die Vereinbarung, sich in zweiStunden zu melden, doch nicht einfach vergessenhaben.“

„Zuzutrauen wäre ihm das schon“, meinte Rhodanund kam damit der Wahrheit sehr nahe. „Im Eifer desGefechtes ...“

„Dort drüben ist etwas“, rief Berger dazwischenund deutete vorn aus der Sichtscheibe des Panzers.„Hinter dem Felsvorsprung.“

„Was?“„Ich weiß es nicht. Etwas hat sich bewegt. Sehr

langsam zwar, wie jemand der sich seiner Sachenicht sicher ist, aber immerhin hat es sich bewegt.“

Sie sahen alle in die angegebene Richtung. Sengudurchspähte den Felsen und gab dann bekannt:

„Muß ein Roboter sein, wenn die molekulareZusammensetzung stimmt. Jedenfalls aus Metall.Bewaffnet dazu. Vorsicht also.“

„Ein Roboter?“ Rhodan fixierte den Felsen, den erleider mit seinen Augen nicht zu durchdringenvermochte. „Wie soll hierher ein Roboter kommen?Die Eingeborenen des Planeten wohnen unter derOberfläche. Was sollen ihre Roboter, wenn siewelche haben, hier oben?“

„Vielleicht weiß Gucky die Antwort“, vermuteteFuxer. „Oder?“

„Möglich.“ Rhodan sah Tolot an. „Das wäre dochetwas für Sie ...!“

Tolot nickte dankbar. Er war froh, wieder eineAufgabe zu erhalten auch wenn sie darin bestand,einen fremden Robot einzufangen. Er überprüfte denInterkom und bewegte sich vorsichtig in Richtungder unteren Ausstiegsluke. Jones ließ den Shift zweiMeter emporsteigen, um das Ausstiegmanöver zuerleichtern.

Der Haluter konnte seine Körperstruktur molekularderart verändern, daß er selbst ohne SchutzanzugAtmosphärelosigkeit und tödliche Strahlungen einegewisse Zeitspanne ertragen konnte.

Er kroch aus der Luke und winkte Jones zu. DerPanzer setzte wieder auf. Die Schleusenluke blieboffen.

Tolot marschierte unbeirrt auf den Felsvorsprungzu, hinter dem der Roboter lauerte.

„Er weiß, daß Sie kommen“, sagte Sengu über denInterkom. „Er hat seine Waffe entsichert.“

„So ein heimtückisches Biest“, wetterte Tolotverblüfft. „Ein Roboter handelt gewöhnlich nicht so.Meist zeigen sie offen ihre Absichten, wie es ihrerlogischen Denkweise entspricht. Na, den werden wirschon kriegen ...“

Er schaltete den Energieschirm ein und ging umden Felsvorsprung herum. Ein grellweißes Bündelschoß aus dem Versteck und floß auf seinem Schirmab. Nur undeutlich erkannte er den kleinen Roboterhinter dem gleißenden Lichtschein. Er war nichtgrößer als einen Meter, gegen Tolot ein wahrerZwerg.

Nach etwa zehn Sekunden hatte der Roboter seinEnergiemagazin geleert. In aller Ruhe machte er sichdaran, nachzuladen. Darauf hatte Tolot nur gewartet.Er sprang vor, indem er gleichzeitig seinenSchutzschirm abschaltete. Mit einem harten Griffpackte er den Robot, nahm ihm die Waffe fort undklemmte ihn unter einen Arm.

„Ich habe ihn“, gab er bekannt „Soll ich ihn insSchiff bringen?“

„Es würde uns nicht weiterhelfen“, erwiderteRhodan. „Lassen Sie ihn laufen. Vielleicht führt eruns zum Eingang ins Innere des Berges. Hauptsacheist, er hat keine Waffe mehr.“

Tolot zögerte. So ganz recht war ihm RhodansEntscheidung zwar nicht, aber er sah ein, daß es imShift ohnehin eng genug war. Außerdem konnte derRoboter nun keinen Schaden mehr anrichten.

Er setzte ihn ab.Der Kubus auf drei Beinen drehte sich um und

schlurfte davon, als sei nichts geschehen. Er schienden Vorfall vergessen zu haben.

Noch während Tolot ihm entgeistert nachsah,schrillte im Telekom eine nur zu bekannte Stimmeauf. Sie übertönte alle anderen Geräusche.

„Wo steckt ihr denn nur? Kann man sichheutzutage denn auf niemand mehr verlassen? Ichschlage mich da mit den Laurins herum, und ihr ...“

„Gucky!“ Aus Rhodans Stimme klangErleichterung. „Die Mutanten griffen uns an. Wirsind auf dem Tafelberg. Und du?“

„Ich bade auf dem Meeresgrund. Wartet, ichkomme.“

Erst jetzt schien Rhodan die Bedenken von GuckysBemerkung erfaßt zu haben.

„Was sagtest du ...? Laurins?“„Stimmt, fast hätte ich vergessen, es zu erwähnen.

Ich habe einen Gefangenen mitgebracht. KeinenMutanten. Einen nicht strahlenverseuchtenUreinwohner dieser Welt. Einen Laurin.“

Stille. Niemand sprach.Gucky räusperte sich.„Es hat euch wohl allen die Sprache verschlagen,

32

Page 33: Welt unter heisser Strahlung

was? Dachte ich mir doch, daß das eineÜberraschung sein würde. Ja, ich habe bei mir einenhübschen, dürren Laurin, der sich nicht mehrunsichtbar machen kann. Er wird uns die Geschichtedes Planeten Destroy und des Schicksals seinerBewohner erzählen.“

6.

Der Shift stand auf dem Tafelberg inmitten einerverhältnismäßig deckungsfreien Steinebene. Hierfühlte sich Rhodan vor Überraschungen sicher.Abermals hatte er den Notruf an den Stützpunkt aufArctis verschoben. Man hatte noch für vierzigStunden Atemluft.

Der Laurin hockte ruhig und apathisch in einemder Kontrollsessel, den man herumgedreht hatte, sodaß er in Richtung der Shiftkabine zeigte. Ein kleinerTranslator stand auf einem Tisch. Mit seiner Hilfewürde man die Sprache des Fremden übersetzenkönnen, und umgekehrt konnte der Laurin nunInterkosmo verstehen. Gucky diente als Kontrolledafür, daß der Gefangene die Wahrheit sprach. Erforschte in den Gedanken des Laurin und wurde jedeLüge sofort entdecken.

Trotzdem dauerte es fast eine Stunde, ehe derLaurin davon überzeugt werden konnte, daß seinSchweigen sich auf das weitere Schicksal seinerRasse nur verhängnisvoll auswirken konnte. ZumErstaunen der Terraner hielt er sie für die ‚Meisterder Insel‘. Es gehörten eine Unzahl von Argumentendazu, ihm das auszureden. Erst dann wurde ergesprächig, und vor Rhodan und seinen Freundenrollte in einer anschaulichen Schilderung dasSchicksal einer Rasse ab, die Herren gedient hatte,denen sie niemals von Angesicht zu Angesichtbegegnet war.

Es war das Schicksal einer verlorenen Rasse.

*

„Was ich Ihnen berichten kann, sind nichts alsÜberlieferungen, Sagen und Erzählungen, die vonGeneration zu Generation weitergegeben wurden.Vielleicht hat sich ihr Inhalt im Verlauf der Zeitgewandelt, aber der Kern dürfte derselbe gebliebensein. Vergessen Sie nicht, daß erst knapp dreihundertIhrer Jahre vergangen sind, seit unsere Zivilisationzerstört wurde.

Ich weiß, daß Sie die ‚Meister der Insel‘ dafürverantwortlich machen und ich gebe Ihnen recht. Siewaren es, die nach einigen Vorkommnissen denBeschluß faßten, uns auszurotten. Aber sie taten esnicht selbst.

Damals schon war unsere Rasse ein Hilfsvolkjener, die sich die Herren des Andromedanebels

nennen. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber,wie sie aussehen, denn bei allen Kontakten mitanderen Rassen benutzten sie Botschafter ihrerHilfsvölker. So kam es, daß wir Laurins wegenunserer einmaligen biologischen Fähigkeiten dazuausersehen wurden, die Botschafter desAndromedanebels in einer fremden Galaxis zuwerden. Sie wissen, welche biologische Fähigkeit ichmeine wenn es sie auch heute nicht mehr gibt.

Das Flexo-Organ ermöglichte uns eine Beugungder Lichtfelder, und wir konnten uns unsichtbarmachen. Wir überquerten also den Abgrund unddrangen in die Milchstraße ein. Dort stießen wir aufdie Terraner und ihre Verbündeten. Anfangsgestattete uns das Überraschungsmoment einigeErfolge, und fast wäre es uns gelungen, den Auftragder Meister auszuführen, aber dann entwickelten dieTerraner eine Waffe. Es gelang ihnen, uns sichtbar zumachen. Unsere Tarnung war verloren. Wir wurdengeschlagen und aus der Milchstraße verjagt.

Soweit kennen Sie die Geschichte. Was nun folgt,geschah später.

Die ‚Meister der Insel‘ sahen sich in ihrenHoffnungen betrogen. Es war uns nicht gelungen, dasZentralplasma der Posbis auf der Hundertsonnenweltzu vernichten. Im Gegenteil: wir kehrten als Besiegtein den Andromedanebel zurück. An dieser Stelle sindunsere geretteten Aufzeichnungen sehr genau. Sieschildern die fürchterliche Enttäuschung der Meisterund erwähnen Anzeichen von Furcht, als sie von denTerranern erfuhren. Warum - das wissen wir nicht.Tatsache ist jedenfalls, daß man unseren Vorfahrendie schrecklichste Bestrafung androhte.

Zu dieser Zeit fanden unsere Geschichtsforschereinen Bericht, der auf eine Expedition hindeutete, dievor mehr als zwanzig Jahrtausenden unternommenwurde. Es handelte sich um einen kleinenHohlplaneten, der in ein Raumschiff umgebautwurde. In ihm unternahm eine größere Gruppe vonLaurins den Versuch, zur Milchstraße zu gelangen.Sie waren nicht allein. Als Unterstützung undHilfsmannschaft nahmen sie Wesen mit, derenEigenschaften zumindest so ungewöhnlich wie dieunseren waren: sie ernährten sich von freier Energieund waren unersättlich, wenn man sie nicht isolierte.Einmal in der Milchstraße freigelassen, würden siesich auf jede Art von Energie stürzen und in sichaufnehmen, gleich, ob diese Energie eine Sonne, einorganisches Lebewesen oder eine Maschine war - siesaugten sie auf. Sonnen würden erlöschen, Rassenwürden sterben, Maschinen würden stillstehen.“

Der Laurin machte eine Pause. Er schien auf eineReaktion zu warten.

Rhodan sagte:„Sie sprechen von den Luxiden - so nannten wir

sie. Wir fanden den Planetoiden, nicht weit von

33

Page 34: Welt unter heisser Strahlung

unserer Galaxis entfernt, im Raum. Die Laurins inihm waren tot. Die Luxiden lebten noch. Wir konntensie vernichten. Es gibt also den Berichten zufolge nurdiesen einen Versuch, mit Hilfe der Luxiden fremdeWelteninseln zu erobern?“

Der Laurin brauchte lange, ehe er sich von seinerÜberraschung erholte:

„Ja, soweit uns bekannt ist. Wir haben auchniemals wieder von der Luxiden-Expedition gehört.Jetzt kenne ich ihr Schicksal.“

„Berichten Sie weiter“, bat ihn Rhodan. „Warumwollten die, ‚Meister der Insel‘ die Rasse der Laurinsauslöschen ... und was geschah?“

„Nach dem Scheitern unseres Angriffsvorhabenskehrten wir in den Andromedanebel zurück. Wirwurden nicht freundlich empfangen. Hinzu kam dieAussiedlung. Wir wurden von unseren Planetenvertrieben. Aber das lag schon länger zurück. Nachdem Scheitern der Mission wurden lediglich letzteReste unserer Rasse mit Gewalt vertrieben undgezwungen, hier auf der Welt der roten Sonne zuleben.

Später wurde offenbar, was die Meister damitbezweckten.

Sie schickten uns den Tod hierher.Es war ein unvergleichlicher Vernichtungsfeldzug,

für den die ‚Meister der Insel‘ die Rasse benutzten,die ihr Maahks nennt. Das allerdings geschah erst,nachdem wir noch einmal mit Hilfe derTransmitterbrücke versuchten, in Ihre Galaxis zugelangen. Wir wollten fliehen. Der Versuch schlugfehl.

Das Sonderkommando der Maahks erschien einesTages in unserem System und griff ohne Warnungan. Allerdings waren wir in gewisser Hinsicht aufdiesen Angriff vorbereitet. Unsere Techniker hattenunterirdische Städte erschaffen, in die wir unszurückziehen konnten. Die Zeit der Vorbereitung warjedoch zu kurz gewesen. Nur ein geringer Teil derBevölkerung unserer Welt konnte sich so inSicherheit bringen. Der Rest wurde mit den Städtenan der Oberfläche vernichtet. Die Maahks benutztenBomben deren tödliche Strahlung für vieleJahrhunderte wirksam war. Jeder an der Oberfläche,der den Angriff überlebte, mußte sterben. Jene aber,die sich in die Abstiegschächte zwischen Oberflächeund Bunkerstädte zurückgezogen hatten, überlebtenzwar den Angriff, mutierten aber im Verlauf derfolgenden Generationen. Sie sind unsere erbittertenFeinde, denn sie müssen annehmen, daß unsereVorfahren damals egoistisch handelten.

Natürlich erfuhren auch die ‚Meister der Insel‘,daß es Überlebende gab. Sie ließen durch die Maahksautomatische Wachstationen errichten. Seitdemgreifen kleine Robotschiffe jedes Raumschiff an, dasauf unserer Welt landet. Sie vernichten es.

Lebewesen allerdings werden nicht mehr getötet -und auch das hat einen Grund, der weit in derVergangenheit seine Aufklärung findet.

Die Robotschiffe hatten nur die eine Aufgabe, dasFlexo-Organ der Laurins unbrauchbar zu machen.Die Strahlen, die sie ausschickten, waren für unsverhängnisvoll. Wir konnten uns nicht mehrunsichtbar machen. Ein Mangel, der sich vererbte.

Wir haben uns oft gefragt, warum die Meisternicht einfach eine zweite Expedition schickten, umuns völlig auszulöschen. Die Antwort darauf isteindeutig. Die Meister müssen von unbeschreiblicherGrausamkeit sein. Selbst nach dreihundert Jahrensind sie noch immer nicht mit ihrer Rache zufrieden.Auch heute noch genießen sie unseren Todeskampf.Denn mehr ist unser Existieren nicht. Wir dürfennicht an die Oberfläche, weil uns sonst die Mutantentöten. Unter der Oberfläche aber sind wir zumDahinsiechen verurteilt. Eines Tages wird es alsokeine Laurins mehr geben.“

Es entstand ein langes, bedrücktes Schweigen.Endlich fragte Rhodan:„Die Luxiden - wo existiert diese Rasse?“Der Laurin überlegte, dann erwiderte er bedächtig:„Genau kann niemand diese Frage beantworten.

Die Berichte der damaligen Expedition sind, wie ichschon erwähnte, nicht mehr vorhanden. Wir hieltensie für eine Sage, erst Sie bestätigen, daß sietatsächlich stattfand. In der Sage wird auch erwähnt,daß jene Lichtwesen, die in dem hohlen Planeteneingeschlossen wurden, die letzten ihrer Art waren.Ihr habt sie vernichtet. Es gibt also keine Luxidenmehr.“

Rhodan lehnte sich zurück und atmete erleichtertauf. Die Gefahr ausgehöhlter Planeten, die mitausgehungerten Luxiden auf die Milchstraßezutrieben, war ein für allemal gebannt.

Auch die Gefahr der Laurins gab es nicht mehr.Die ‚Meister der Insel‘ hatten einen entscheidendenFehler begangen. Sie hatten sich selbst geschwächt.Sie beraubten sich ihrer besten und gefährlichstenVerbündeten. Wie lange noch würden sie auf dieMaahks zählen können, deren fähiger Vertreter Grek1 ein Freund der Terraner geworden war?

Weiter wußte Rhodan nun, warum die Strahlen derangreifenden Robotschiffe nach ihrer Landung aufDestroy scheinbar harmlos gewesen waren. Siehatten nur den Zweck, die Flexo-Organe der Laurinszu zerstören. Da die Deflektoren der Kampfanzügeauf einem verwandten Prinzip beruhten,funktionierten sie nun nicht mehr. Eine einfacheErklärung.

Der Laurin fragte:„Werden Sie mich nun töten?“Rhodan schüttelte den Kopf.„Wie kommen Sie auf die Idee? Sie haben uns

34

Page 35: Welt unter heisser Strahlung

nichts getan, und wir können Sie auch nicht für dasverantwortlich machen, was vor dreihundert Jahrenin unserer Milchstraße geschah. Im Gegenteil, Sie tununs leid, und wir würden Ihnen gern helfen.Befänden wir uns nicht selber in großer Bedrängnis,könnte das gleich geschehen, so aber müssen Sie sichdamit begnügen, unserem Versprechen zu glauben,daß wir eines Tages zurückkehren. Wir werden Sieauf eine neue, gesunde Welt bringen. Ich binüberzeugt, daß dort Ihre Rasse weiterleben wird - ander Oberfläche, unter einem blauen Himmel und imSchein einer wärmespendenden Sonne.“

„Das würden Sie für uns tun?“„Eine Selbstverständlichkeit. Aber vorher müssen

wir die ‚Meister der Insel‘ finden. Vielleicht lassensie mit sich reden - und wenn nicht, dann werden wirsie zwingen; andere Rassen als selbständige Wesenanzuerkennen, statt sie nur als willenlose Sklaven zubenutzen und nach Belieben zu vernichten. Sie habenrecht: sie müssen eine unglaublich grausame Rassesein und ich bin sehr gespannt, ihnen eines Tages zubegegnen.“

Von den Kontrollen her sagte Sergeant Jones:„Die Mutanten, Sir. Sie sind dem Blickfeld

entschwunden und müssen nun unten am Tafelbergsein. Wenn sie versuchen einzudringen, wird es zueinem fürchterlichen Blutbad kommen.“

Rhodan wandte sich an den Laurin:„Haben die Mutanten jemals versucht, in Ihre

Bunkerstadt einzudringen? Können sie dasüberhaupt?“

„Leider ja. Aber bisher ist es uns immer wiedergelungen, sie zu verjagen. Eines Tages werden sie inder Überzahl sein und wirksame Waffen entwickeln.Was dann geschieht weiß niemand.“

„Wir sind ihnen schon begegnet. Sie machtenkeinen besonders intelligenten Eindruck. Sie sind voneinem unglaublichen Haß erfüllt. Auch gegen Sie, dienormal gebliebenen Laurins?“

„Gerade gegen uns! Auf diesem Planeten wird eserst dann Frieden geben können, wenn entweder sieoder wir verschwunden sind.“

Rhodan nickte langsam vor sich hin. Das Schicksalder Laurins hatte sich zu einer Tragödie gewandelt.Einst eine stolze und fähige Rasse, waren sie nunzum Untergang verurteilt. Die Robotkommandosvernichteten nicht den Rest der Überlebenden,sondern führten noch immer das längst überflüssigeVernichtungswerk gegen die Flexo-Organe fort.Vielleicht aber hatten die ‚Meister der Insel‘ sielängst vergessen.

Rhodan ahnte nicht, daß er einem Trugschluß zumOpfer gefallen war. Die Theorie der Laurins stimmte.

„Wir lassen Sie jetzt frei“, teilte er demGefangenen mit. „Warnen Sie Ihre Freunde vor demAngriff der Mutanten. Es ist zum Teil unsere Schuld,

denn wir lockten sie unwissentlich hierher.“Der Laurin blieb sitzen.„Sie also sind jene Terraner, die wir vor

dreihundert Jahren angreifen sollten? Es ist Ihnengelungen, den Abgrund zu überwinden?“ Er schwiegeinen Augenblick, dann setzte er hinzu: „Ich glaube,nun haben die ‚Meister der Insel‘ einengleichwertigen Gegner gefunden. Schade, unsereVorfahren hätten das wissen müssen.“

„Sie haben es aber leider nicht gewußt“, erklärteihm Rhodan. „Mein kleiner Freund hier wird Sie indie Stadt zurückbringen. Wünschen Sie, daß wirIhnen helfen, wenn die Mutanten in die Stadteinzudringen versuchen?“

Jetzt stand der Laurin auf.„Ich will Ihnen nichts vormachen. Es hat wenig

Sinn, wenn Sie uns zu helfen versuchen. Selbst wennSie mich freilassen, werde ich mein Volk niemalsdazu bewegen können, Ihnen zu vertrauen. DieLaurins bekämpfen jeden. Sie kennen es nicht anders.Verlassen Sie unsere Welt, das ist der einzige guteRat, den ich Ihnen geben kann. Sie kennen unserSchicksal - warum sind Sie damit nicht zufrieden?Sie wissen, daß wir Ihnen nie mehr gefährlichwerden können - warum genügt Ihnen das nicht? Siehaben auch keinen Grund, uns dankbar zu sein - oderwarum wollen Sie uns helfen?“

Rhodan sagte ruhig:„Sie sind die letzten Überlebenden einer

intelligenten Rasse, und was vor dreihundert Jahrengeschah, hat heute keine Bedeutung mehr. Wolltenwir jede Tat über Generationen hinweg verurteilenund rächen, gäbe es im ganzen Universum das Wort‚Freiheit‘ oder ‚Frieden‘ nicht mehr. Jeder hätteetwas zu rächen, jeder hätte Rache zu befürchten.Auch wir. Auch Sie.“

„Danke“, sagte der Laurin. „Trotzdem bitte ichSie, sich nicht um uns und unsere Angelegenheitenzu kümmern. Unser Untergang ist nicht mehraufzuhalten, wir können nur versuchen, ihnhinauszuzögern. Eines Tages werden die Mutantensiegen, oder die ‚Meister der Insel‘ schicken ihrVernichtungskommando. Dann nämlich, wenn sieerfahren, daß wir uns verständigt haben. Wollen Siedas?“

Rhodan verneinte das.Gucky kam herbei und nahm die eine Hand des

Laurin.„Bringe ihn dorthin zurück, wo du ihn fandest“,

befahl Rhodan.Der Laurin sagte:„Ich werde meinen Freunden berichten, was

geschehen ist, aber wundern Sie sich nicht, wenn Sietrotzdem angegriffen werden. Es hat nichts mit Haßoder Dummheit zu tun, sondern nur mit unseremLeben. Wir kennen keine Freunde mehr, seit wir dort

35

Page 36: Welt unter heisser Strahlung

unten leben. Wir kennen nur noch Feinde. VersuchenSie, das zu verstehen - und verlassen Sie unsereWelt.“

„Sobald wir es können“, versprach Rhodan.Gucky und der Laurin entmaterialisierten.

*

Inzwischen unternahm Tolot einen zweitenSpaziergang.

In ziemlichem Tempo umrundete er den Tafelberg,dessen Plateau nicht allzu groß war. Er fand keinenRoboter mehr, aber dafür etwas anderes, daswenigstens ebenso beunruhigend war.

Als er zum Shift zurückkehrte, fehlte Gucky nochimmer.

„Er läßt sich mal wieder sehr viel Zeit“, bemerkteKasom.

„Hoffentlich nicht zuviel“, sagte Tolot und setztesich. „In einer halben Stunde haben wir hier dieMutanten und vielleicht auch die Laurins auf demHals. Ich habe einen Aufstieg gefunden, und dieMutanten werden ihn kennen. Außerdem entdeckteich fünf Eingänge zur unterirdischen Stadt.“

„Wo Gucky nur bleibt“, bemerkte Wuriu Sengu,der angestrengt auf den Boden sah und versuchte, indas Innere der unterirdischen Stadt zu blicken. „Ichkann nichts erkennen. Leere Straßen, riesigeMaschinenhallen, vereinzelte Patrouillen undgewaltige Wohnblöcke. Keine Spur von Gucky.“

„Er geht mal wieder auf Abenteuer aus“, vermuteteRhodan und rief Gucky über Funk, ohne Antwort zuerhalten. „Diesmal erwischt er aber eine Abreibung,wenn er nicht kommt.“

Kasom grinste und schwieg.Major Peanut, der vor den Bildschirmen saß, rief

plötzlich:„Die Mutanten! Sie kommen tatsächlich. Wenn

wir uns in Sicherheit bringen, kann Gucky in eineFalle springen. Er wird auf jeden Fall hierherzurückkehren.“

Quer über die felsige Ebene kam eine ganze Hordeder furchtbaren Ungeheuer auf den Shift zugerannt.Sie trugen diesmal nicht nur Stangen und andereprimitive Waffen, sondern richtige Energiestrahler.Die ersten Lichtbündel zischten über den Shifthinweg.

Sergeant Jones richtete die Bordstrahler auf dieAngreifer. Sein fragender Blick wanderte zu Rhodan,wobei sein Daumen bereits auf den Feuerknöpfenlag.

Rhodan schüttelte den Kopf.Er rief Gucky, bekam aber keine Antwort.Jones schaltete den Schutzschirm des Flugpanzers

ein. Er war stark genug, die vereinzeltenStrahlschüsse abzufangen, aber wenn die Mutanten

auf den Gedanken kamen, ein konzentrisches Feuerzu eröffnen könnte er zusammenbrechen.

Die Mutanten blieben plötzlich stehen undstoppten den Angriff. Der Grund für dieseÜberraschende Haltung wurde ersichtlich, als linkshinter einem Felsen die Laurins hervorbrachen. Siefackelten nicht lange, sondern eröffneten einverheerendes Energiefeuer auf die Mutanten, dieohne Deckung auf dem Plateau standen.

Ein wilder Kampf entbrannte, und niemandkümmerte sich noch um den Shift und seine Insassen.Es war für Rhodan unmöglich, in das Gescheheneinzugreifen, ohne der einen oder anderen Seiteschwere Verluste beizubringen. Ihm blieb nichtsanderes übrig, als abzuwarten.

In diesem Augenblick rematerialisierte Gucky.Zu Kasoms Erstaunen erhielt er nicht die

angekündigte „Abreibung“ von Rhodan, sondernwurde von diesem mit offensichtlicher Erleichterungempfangen.

„Wo hast du so lange gesteckt?“„Die Laurins gaben Alarm“, rechtfertigte sich

Gucky. „Ich mußte unseren Gefangenen in Sicherheitbringen, denn wie hätte er den Streifen seinVerschwinden und Wiederauftauchen erklärensollen? Ich las die Angst in seinen Gedanken. Alsosprang ich mehrmals, bis diese Angst nachließ und ersich sicher fühlte. Das nahm Zeit in Anspruch.“ Ersah durch die Frontscheiben des Panzers. „Was istdenn hier los?“

„Siehst du ja“, gab Rhodan zurück und nickteJones zu. „Starten Sie jetzt. DieMeinungsverschiedenheiten der Laurins undMutanten gehen uns nichts an.“

Kaum erhob sich der Shift, da schienen dieMutanten und Laurins ihren Streit zu vergessen. Wieauf Kommando richteten sie ihre Waffen auf denFlugpanzer und eröffneten das Feuer. Zum Glück fürRhodan und seine Leute waren es keine gezieltenSchüsse, die den Schutzschirm trafen.

Der Schirm hielt mühelos.Das Plateau fiel zurück, als der Shift senkrecht

nach oben stieg und Kurs auf die Ruinenstadt nahm.Dabei geschah etwas, an das Rhodan nicht gedachthatte.

Als der Shift an Höhe gewann, überschritt er einegewisse Grenze.

Es war die Alarmgrenze der Robotschiffe.Irgendwo auf dem Planeten klickte ein Relais.Eine dreihundert Jahre alte Maschinerie lief

automatisch an.

7.

Sie landeten an der alten Stelle. Die Mutantenwaren verschwunden. Der Panzer wurde in seiner

36

Page 37: Welt unter heisser Strahlung

Garage“ abgestellt und ein Wachkommandozurückgelassen. Rhodan hatte sich zu einer letztenExpedition entschlossen, ehe er denHyperkom-Notspruch an Atlan absetzen wollte.

Fast wäre das ein tödlicher Fehler gewesen.Sie hatten sich in der geräumigen Festungsgrube

versammelt, als Jones vom Shift her über Telekommeldete:

„Auf dem Orterschirm sind sechs Objekte zusehen, Sir. Sie bewegen sich sehr schnell in unsereRichtung. Höhe fünf Kilometer. Sie gehen tiefer.Sicht so aus, als meinten sie uns.“

„Die Robotschiffe“, rief Tolot.Rhodan befahl hastig:„Jones, 'raus aus dem Panzer! Schnell!“„Aber Sir, ich kann mit den Geschützen ...“„Raus, schnell! Sie können höchstens zwei

Robotschiffe unschädlich machen, mehr auf keinenFall. Denken Sie an die C- 17. Wenn keineGegenwehr erfolgt, haben wir vielleicht Glück. Wennnicht ...“

Jones kam quer über das Gelände gehetzt. Erschleppte einen schweren Strahler mit, den ererschöpft in den Sand warf, als er in der Grubeanlangte.

Am Horizont tauchten die sechs angekündigtenPunkte auf. Sie näherten sich so schnell, daß sie inwenigen Sekunden heran waren. Es waren sechskleine Kugelschiffe. Sie schossen in geringer Höheüber die Deckungsgrube hinweg und eröffneten dasFeuer auf den Shift, den die Automatik als deneigentlichen Gegner identifiziert haben mochte. Dieempfindlichen Geräte orteten Metallanhäufungen undwohl auch atomare Antriebsausstrahlungen.

Der Shift detonierte bereits beim ersten Anflug.Die sechs Schiffe zogen eine Schleife und

verschwanden steil hochziehend im Himmel.Rhodan sah ihnen verbittert nach. Er hob die

Fäuste in hilfloser Wut, dann sagte er mit unheimlichwirkender Ruhe:

„Im Shift war unser Hyperfunkgerät. Wir könnennun Atlan nicht mehr benachrichtigen. Vielleichthaben wir doch einen Fehler gemacht.“

*

Als die Nacht anbrach, hatten sie noch für zwanzigStunden Luft.

Sie wußten, daß sie nun vor den Robotschiffen inSicherheit waren. Der obligatorische Beschuß mit derharmlosen Strahlung erfolgte wenige Stunden vorSonnenuntergang. Die Automatik der Gegner wußtenicht, daß sie dieselben Personen nun zumzweitenmal „behandelte“.

Sie blieben in der Grube. Einmal kam in der Näheeine Gruppe von Mutanten vorbei, aber sie

bemerkten Rhodan und seine Gefährten nicht. Undwenn es geschehen wäre, hätten sie diesmal keineRücksicht erwarten können. Die Terraner warenbereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

Langsam verstrichen die Stunden. Stets warenzwei der Männer auf Wache. Einer blieb in derGrube, der andere spazierte draußen umher und bliebin ständiger Interkomverbindung. Gucky unternahmeinige Sprünge in die nähere Umgebung, fand aberkeine Mutanten.

Als der Morgen graute, kehrten die geschlagenenMutanten vom Tafelberg zurück. Es waren dieÜberlebenden, und sie mußten die ganze Nachtmarschiert sein.

Die Luft in den Kampfanzügen der Terranerreichte noch für fünf bis acht Stunden.

Mit dem Normalfunkgerät hatte Rhodan längsteinen Hilferuf an Arctis abgesandt, aber erbezweifelte, daß er die Empfangsstationen vonLouvre-Station erreicht hatte. Aber Atlan würde sichschon längst Sorgen um sie machen. Er mußte jedenAugenblick auftauchen, wie es verabredet war.

Die Sonne tauchte die trostlose Landschaft in roteFeuerglut. Eine Gruppe verletzter Mutanten schlepptesich in die Ruinenstadt. Sie achteten nicht auf ihreUmgebung, und es war fraglich, ob sie überhauptetwas unternommen hätten, wenn ihnen die Terraneraufgefallen wären.

„Sieht verdammt böse aus“, knurrte Major Peanut.„Zuerst verlieren wir unser Schiff, und nun auchnoch den Flugpanzer mit dem Sender. Wir sitzen inder Falle.“

„Atlan kann rechnen“, eröffnete ihm Rhodan. Ersaß auf einer Kiste und überprüfte seineEnergiemagazine für den Impulsstrahler. Er tat es miteiner Sorgfalt, die keine Zweifel daran ließ, daß erdie Waffe bei der nächsten Gelegenheit rücksichtsloseinzusetzen gedachte. „Er weiß, daß wir in derKlemme sitzen. Er wird jeden Moment eintreffen.“

„Und die Robotschiffe? Sie werden dieIMPERATOR angreifen. “

„Atlan wird mit ihnen fertig.“ Kasom gesellte sichzu den beiden.

„Das wird er, daran zweifelt niemand. Aberderartige Energieentladungen bleiben nichtunbemerkt. Irgendwo werden sie von irgendwemgeortet und richtig gedeutet werden.“

„Das ist nicht zu ändern.“ Rhodan legte seinenStrahler auf den Schoß und schloß die Seitentaschemit den Reservemagazinen. „Die Zeit desVersteckspiels ist ohnehin bald vorbei Wir haben aufArctis einen Stützpunkt, gut und schön. Aber wirkönnen nicht ewig unter dem Eis hocken und auf einebessere Gelegenheit warten. Vielleicht werden wirdurch die Ereignisse nun zum Handeln gezwungen.“

Die Sonne stieg höher. Die Männer waren nun alle

37

Page 38: Welt unter heisser Strahlung

wach. Rhodan teilte genug zur Beobachtung ein, daßer sicher sein konnte, nicht durch einenheimtückischen Angriff der Mutanten überrascht zuwerden. Er nutzte die Gelegenheit, sich mit Gucky zuunterhalten.

„Du hast einiges in der Stadt der Laurins gesehen,Kleiner. Was hältst du davon? Haben sie eineChance, weiterzuleben?“

„Natürlich. Sie stellen Nahrungsmittel und allesandere synthetisch her. Die Luft ist rationiert, aber siereicht aus. Strahlung ist keine vorhanden. EinesTages werden sie die Möglichkeit finden, ihremplanetarischen Gefängnis zu entrinnen und zu eineranderen Welt gelangen. Wenn meine Vermutungrichtig ist, steht die Bergstadt mit unterirdischenAnlagen hier unter den Ruinen in Verbindung. Siehaben richtige Straßen, die kilometerlang sind. Undgigantische Energieanlagen.“

„Die haben die Mutanten auch. Eines Tages wirdder Endkampf um die Vorherrschaft entbrennen.“

„Vorherrschaft auf einer toten Welt?“ Guckyschüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Keinerwill hier bleiben. Sie werden darum kämpfen, wer sieverlassen darf.“

Rhodan nickte.„Vielleicht hast du recht“, gab er zu.Leise Funksignale wurden plötzlich vernehmbar.

Der Sender war noch weit entfernt, aber die Art derSignale verriet nur zu gut, um was es sich handelte.

Orterpeilung.Rhodan sprang auf. Er eilte zu Jones, der mit

Berger das Funkgerät bediente. Es erzeugte nurlichtschnelle Wellen, aber das würde jetzt genügen.

„Rufen Sie die IMPERATOR mit Klartext,Sergeant. Verlangen Sie eine sofortigeStandortmeldung.“

Es dauerte keine drei Minuten, und die Verbindungwar hergestellt.

Die IMPERATOR kam.„Atlan, bereite dich auf den Angriff kleiner

Robotschiffe vor. Sie dürften ungefährlich für dieIMPERATOR sein, aber sie kämpfen ohne Rücksichtauf eigene Verluste. Die C-17 wurde von zehnSchiffen vernichtet. Du mußt uns abholen. UnsereLuft reicht noch für wenige Stunden.“

„Ich weiß“, gab Atlan zurück. Seine Stimme klangruhig, aber sie verriet auch Erleichterung. „Die C-17ist vernichtet, sagst du?“

„Vernichtet. Schieße die Roboter ab, wenn siekommen. Und zwar, bevor du landest. Sonst wird eszu gefährlich für uns. Weißt du, wo wir sind?“

„Schon auf dem Schirm. Dicht daneben ist dieRuinenstadt. Ihr sitzt ja in einem schönen Loch.“

„Es hat uns zweimal das Leben gerettet, Atlan.“Eine Weile schwieg Atlan, dann sagte er:„Wir stehen genau über euch, in fünfzig Kilometer

Höhe. Wir gehen langsam tiefer. Deine Robotschiffemüßten eigentlich jetzt kommen.“

„Vielleicht warten sie, bis der Gegner eine gewisseHöhe erreicht. Sie greifen nur in einer bestimmtenZone an. Geht tiefer.“

Zehn Minuten später sahen sie von der Grube ausdie IMPERATOR. Das gigantische Schlachtschiffstand als schimmernde Kugel hoch oben im klarenHimmel. Der Schutzschirm flimmerte im Licht derroten Sonne.

„Sie kommen“, sagte Atlan plötzlich. „Es sindganze Rudel.“

„Dann eröffne das Feuer“, forderte Rhodanungeduldig. Der Gedanke, nur noch für ein oder zweiStunden Atemluft zu haben, machte ihn allmählichnervös. „Nimm keine Rücksicht.“

Atlan gab keine Antwort.Vom Boden aus waren die blitzenden Punkte der

Kugelroboter deutlich zu erkennen. Ganze Schwärmevon ihnen kamen aus allen Himmelsrichtungen undstürzten sich auf die IMPERATOR. Aber diesmalhatten sie es nicht mit einem unvorbereiteten Gegnerzu tun. Was sie da empfing, war eine vernichtendeFeuer- und Energiehölle.

Organische Intelligenzen hätten sich niemals aufeinen so aussichtslosen Kampf eingelassen, aber dieKugelschiffe wurden von einer Robot-Automatikferngesteuert. Sie kannten nur ihren Auftrag undnahmen keine Rücksicht auf ihre eigene Existenz.Das machte sie gefährlich und außerordentlichzuverlässig.

Die IMPERATOR feuerte aus allen Geschützen.Die Kugelschiffe stürzten ab, verglühten in der

Atmosphäre und bohrten sich detonierend in denSand von Destroy. Es regnete Trümmer, und Rhodanwar froh, daß keine in ihre Grube fielen.

Auch die zweite Welle der Angreifer wurde vonAtlan vernichtet, dann blieben die Orterschirme leer.Es schien, daß der Vorrat an Wachrobotschiffenerschöpft war.

Rhodan nahm erneut Verbindung auf.„Lande in der Nähe der Grube, Atlan. Öffne die

untere Ladeluke, damit wir möglichst schnellaufgenommen werden können. Gib uns Feuerschutz,falls die Mutanten an: greifen ...“

„Wer soll angreifen?“„Mutanten, Atlan. Erklärungen folgen später.

Wenn du außer uns etwas siehst, das sich bewegt,halte es uns vom Leib. Das ist alles.“

Die IMPERATOR schwoll zu einer riesigen Kugelan. Sie kam sehr schnell näher, und Rhodan begannschon zu fürchten, daß Heske Alurin sie zu hartaufsetzen würde. Aber in letzter Sekunde wurde derFall gebremst und die Landestützen ausgefahren.Keine fünfhundert Meter von der Grube entferntsetzte die IMPERATOR auf. Gleichzeitig öffnete

38

Page 39: Welt unter heisser Strahlung

sich die große Ladeluke zwischen den Streben.„Los!“ befahl Rhodan.Die Männer hatten nur auf das Kommando

gewartet. Jeder trug, was er schleppen konnte. Siesprangen aus der Deckung und rannten auf dasRaumschiff zu. Nur wenige drehten sich während desLaufens noch einmal um, aber sie konnten keinenVerfolger entdecken.

Gucky lief nur ein Dutzend Schritte, dannteleportierte er direkt in die offene Schleuse derFrachtluke. Er setzte sich auf der Schwelle niederund ließ die Beine genußvoll nach unten baumeln. Indieser Pose unendlicher Überlegenheit wartete er aufRhodan und seine Männer.

Das oberste Geschütz gab einige Strahlschüsse ab.Drüben in den Ruinen verschwanden die Schatten derMutanten.

Atemlos erreichten Tolot und Kasom als erste dasSchiff. Sie warteten, bis die anderen heran waren,dann traten sie in den Zugstrahl und schwebten zurLuke empor. Ihr Abschied von Destroy war eineFlucht gewesen - eine Flucht vor einem Gegner, densie nicht zu töten wünschten.

Gucky grinste den heranschwebenden Männernentgegen.

„Da seid ihr ja endlich“, kicherte er belustigt.„Habt ihr euch die Beine krumm gelaufen?“

Rhodan segelte an ihm vorbei, nicht ohne ihmkräftig auf die Schulter zu klopfen.

„Krummer als deine können sie nicht mehrwerden“, meinte er und landete sanft im Innern derSchleuse Dr. Fuxer wurde mit der bissigenBemerkung des Mausbibers nicht so leicht fertig. Erfluchte erbittert und erklärte:

„Das ist eine bewiesene Tatsache, und gerade dieselächerliche Behauptung, vom Laufen bekäme mankrumme Beine, beweist es abermals, nicht wahr?Wer läuft denn von uns am wenigsten? Gucky, nichtwahr? Und wer hat die krummsten Beine ...? Au!Hilfe!“

Der Traktorstrahl ließ ihn plötzlich los -wenigstens schien es so. Unsanft landete er auf demKörperteil, auf dem er sonst zu sitzen pflegte. Ehe erzu schimpfen begann, sah er Guckys grinsendesGesicht. Klugerweise verkniff er sich eineBemerkung. Er knurrte nur wütend etwas vor sichhin.

Inzwischen hatte sich das Außenschottgeschlossen. Luft strömte in die Kammer, dannöffnete sich die Innenluke. Im Frachtraum wurden sievon Atlan erwartet.

Noch während sie in den Lifts nach obenschwebten, startete die IMPERATOR und ließDestroy schnell zurück. In der Kommandozentraleangekommen, ließ sich Rhodan in einen Sesselsinken. Atlan nahm neben ihm Platz. Kasom, Tolot,

Gucky und die anderen Teilnehmer der Expeditionentledigten sich der Kampfanzüge und genossen dasBewußtsein, wieder soviel Atemluft zur Verfügungzu haben, wie sie nur wollten.

„Mutanten?“ fragte Atlan endlich. Rhodan erklärtees ihm.

Lange schwieg Atlan, dann nickte er.„Also die Laurins ...! Und wir haben uns

dreihundert Jahre lang den Kopf zerbrochen, warumsie niemals mehr auftauchten. Die ‚Meister der Insel‘vergessen nichts - auch keinen Freundschaftsdienst.Ich bin auf unsere erste Begegnung mit diesenScheusalen gespannt. Was können wir für die Laurinstun?“

„Im Augenblick nichts. Wir müssen dafür sorgen,daß wir vorerst unentdeckt bleiben. Leider müssenwir damit rechnen, daß die Energieentladungen derIMPERATOR längst geortet wurden. Bald werdenwir die Flotten der Twonoser oder Maahks auf denFersen haben. Aber später wenn wir sicher sind,kümmern wir uns um die Überlebenden auf Destroy.Das wird uns zuverlässige Bundesgenossenverschaffen.“

Heske Alurin, der Epsaler, drehte sich um undfragte Atlan:

„Linearflugmanöver, Sir?“„So schnell und so kurz wie möglich, ja. Es hängt

viel davon ab, daß wir Arctis auch weiterhinunverdächtig erscheinen lassen. Unterrichten Sie dieLouvre-Station, daß der Eishangar geöffnet wird.Funkspruch erst dann, wenn wir in dasEinsteinuniversum zurückkehren.“

Die Minuten tropften förmlich dahin. Verfolgerwaren nicht zu orten. Die IMPERATOR ging für einekurze Zeitspanne in den Linearraum kehrte in dasnormale Kontinuum zurück und setzte denFunkspruch ab.

Als sie die Eisdecke des Polarplaneten unter sichsahen, erkannten sie das schwarze Loch desHangarabstiegs. Das Schlachtschiff sank tiefer undhinein in den riesigen Schacht. Oben schloß sich dieEisdecke, noch ehe es den felsigen Grund vieleKilometer unter der Oberfläche erreichte.

Funkspruch von Oberst Rudo, als dieIMPERATOR aufsetzte.

Text: „An Rhodan und Atlan! UnsereOrtungsstation hat eine starke Flotte ausgemacht. Sienähert sich diesem System. Genaue Identifizierungvorerst unmöglich. Ende.“

Rhodan sah Atlan an.„Da haben wir es“, sagte er gelassen.„War nicht anders zu erwarten. Aber“, fügte Atlan

hinzu, „ich kann nicht glauben, daß sie uns auf Arctismeinen. So schnell sind wir unter der gewaltigenEisschicht nicht zu entdecken. Vielmehr wirdDestroy gemeint sein. Unsere Aktivität dort ist

39

Page 40: Welt unter heisser Strahlung

geortet und gemessen worden. Ich fürchte, die letztenLaurins werden Schwierigkeiten bekommen.“Rhodan nickte, gab aber keine Antwort.Er war geflohen, und vielleicht hatte er die Laurinsim Stich gelassen - aber die Laurins hatten seineHilfe mit Waffengewalt abgelehnt. Sie allein warenverantwortlich für das, was geschehen würde. DieTerraner aber, so wenig schmeichelhaft das auchklingen mochte, versteckten sich unter einerkilometerdicken Eisdecke und warteten ab.Der Planet Arctis hing im Raum ein weißer undscheinbar toter Planet, der von einer roten Sonnebeschienen wurde. Er schwieg und gab keine

Antwort.Er schien auch zu warten.Vom Zentrum des Beta-Nebels her aber nahte nochetwas, das die Orterschirme der Louvre-Station nichtidentifizieren konnte, weil es noch zu weit entferntwar.Es kam schweigend und schnell und die Terranerunter dem ewigen Eis begannen zu ahnen, daß es denTod mit sich brachte.Den Tod aus dem fernen Andromedanebel ...

E N D E

Eine Gefahr, die einst die Galaxis bedrohte, ist nicht mehr - und das Rätsel um das plötzliche Auftauchen derLaurins wurde durch Perry Rhodans Expedition nach Destroy gelöst. Dabei erfuhren die Terraner einmal mehrvon den abscheulichen Methoden, deren sich die mysteriösen ‚Meister der Insel‘ bedienen, um ein Hilfsvolkauszuschalten, das ihre Befehle nicht hatte ausführen können.Der Schluß liegt nahe, daß die Herren Andromedas einen neuen Schachzug vorbereiten, um die im Beta-Nebeleingedrungenen Terraner zu beseitigen.

AN DER SCHWELLE DER HÖLLE

40