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M AG A Z I N
R A SA N T E PH YS I K |Wenn es knallt und krachtAn die Knallgasprobe erinnert sich wohl noch jeder aus dem Chemie-unterricht. Die Zeitskala, auf der Wasserstoff und Sauerstoff reagierenhängt davon ab, ob die beiden Reaktionsgase zu Beginn getrennt odergemischt vorliegen. Dies zeigt sich deutlich in Hochgeschwindigkeits-Aufnahmen von Experimenten, bei denen Luftballons entweder mitreinem Wasserstoff oder aber mit Knallgas gefüllt werden.
aus Sicherheitsgründen an einer einMeter langen Stativstange befestigtwar (von rechts ins Bild ragend).
Abbildung 1 zeigt einige Mo -mentaufnahmen des Experiments.(Videoaufnahmen finden Sie aufwww.phiuz.de, Special Features,Zusatzmaterial zu den Heften und auf unserem Youtube-Kanal).
Nachdem die Flamme ein Loch indie Gummihaut des Ballons gebrannthat, zerreißt diese sehr schnell mitGeschwindigkeiten in der Größen-ordnung der Schallgeschwindigkeitdes Materials, also einigen 100 m/s[3]. Innerhalb weniger Millisekundenist die Gummihaut vollständig ent-fernt. Parallel hierzu beginnt die Ver -brennung der anfangs noch ballon-förmigen Wasserstoffwolke.
Es dauert etwa 10 ms, bevor sichdie Verbrennungsfront von außennach innen in das ganze Gasvolumen
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ausgebreitet hat. Diese „Explosions-reaktion“ verläuft relativ langsam, dader Sauerstoff der Umgebungsluftnach Reißen der Ballonhaut Zeitbenötigt, um sich mit dem Wasser-stoff zu durchmischen. Um diesenEffekt deutlich sichtbar zu machenwurde deshalb bewusst das fürDemonstrationsexperimente rechtgroße Volumen gewählt. Nach etwa100 ms schwächt sich die Reaktionab und ist nach etwa 300 ms been-det.
Abhängig davon, wie die Ballon-haut platzt, unterscheiden sich dieZeitskalen bei wiederholten Versu-chen etwas. Dies liegt daran, dass dieschnelle Bewegung der reißendenGummihaut bereits zu einer teilweiseturbulenten Durchmischung desWasserstoffs mit dem umgebendenSauerstoff führen kann. Bei der Was -serstoff-Verbrennungsreaktion wirdinnerhalb von 0,1 s die erwähnteEnergie von etwa 26 kJ freigesetzt. Esist klar, dass hierdurch eine deutlichhörbare Druckwelle entsteht. Auf-grund des entsprechend lautenKnalls spricht man deshalb bereitshier häufig von einer Explosion.
Wie Abbildung1 zeigt, kann derFeuerball während der Verbrennungdurchaus Durchmesser von etwaeinem Meter erreichen. Daher sollte
Verbrennungsvorgänge sind ein kom -plexes Thema [1]. So beschreibt dieSummenformel der einfachsten Ver -brennung von reinem Wasserstoff2H2 + O2 = 2H2O das integrierteErgebnis von über 30 verschiedenenElementarreaktionen. Die Reaktions-enthalpie beträgt ΔH = 286 kJ/Mol,was bei Verbrennung von 2 Litern H2
etwa 26 kJ freigesetzter Energieentspricht.
Zunächst analysierten wir dieExplosion eines mit Wasserstoffgefüllten Luftballons [2]. Wir füllteneinen Luftballon mit etwa 2 Literreinem Wasserstoff, der Einfachheithalber aus kleinen Gasflaschen, daein Überdruck erforderlich ist, umden Ballon aufzublasen. Dann klebtenwir den Ballon an eine Stativstange(in Abbildung 1 von links ins Bildragend) und entzündeten das Gas miteinem brennenden Streichholz, das
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Abb. 1 Momentaufnahmen der Verbrennungsreaktion eines mit reinem Wasserstoff (H2) gefüllten Luftballons (Aufnahmenmit 3000 Bildern/s, Integrationszeit 1/3000 s).
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man beim Entzünden Vorsicht waltenlassen sowie in kleinen Räumen dieFenster öffnen und Ohrschützertragen.
Extrembeispiel einer durch Dif -fusion von Sauerstoff ins Innere einerWasserstoffwolke erfolgenden, rechtlangsamen H2-Verbrennungsreaktionist das berühmte Unglück vom 6. Mai1937 von Lakehurst (New Jersey), alssich die Hülle des Zeppelins Hinden-burg entzündete und binnen einerMinute etwa 190000 m3 Wasserstoffvollständig verbrannten [4]. DasVerbrennungsprodukt Wasserdampfwar damals übrigens deutlich durchKondensation in Tröpfchen, alsoweiße Wolkenbildung, sichtbar.Zusätzlich entwickelten sich auchschwarze Rauchfahnen bei derVerbrennung des Dieselkraftstoffs. In unserem Laborexperiment war derWasserdampf wegen der geringenMange von 2 Litern nicht sichtbar.
Zündung eines KnallgasballonsOffensichtlich hängt die Reaktions -geschwindigkeit der H2-Verbrennungvon der Durchmischung der Wasser-stoffwolke mit Sauerstoff ab. Inso-fern sollte die Reaktion bei vorheri-
ger Durchmischung von H2 mit O2
deutlich schneller ablaufen. Für die -sen Zweck wurde ein Luftballon miteiner stöchiometrischen Mischungaus 2 Litern Wasserstoff und Sauer-stoff im Verhältnis 2:1 gefüllt (fürandere Mischungsverhältnisse ver-läuft die Reaktion nicht optimal).Hierbei ist wegen des Explosions -potenzials besondere Sorgfalt nötig.Insbesondere ist auch eine deutlichstärkere Druckwelle zu erwarten,weshalb in Räumen unbedingt alleFenster geöffnet sein sollten. Experi-mentatoren sollten deshalb einenGehörschutz tragen und zum Druck-ausgleich den Mund öffnen.
Das Experiment wird genausowie das des mit H2 gefüllten Ballonsgezündet. Abbildung 2 zeigt einigeMomentaufnahmen (Videos findenSie wie beschrieben im Internet).Der augenscheinlichste Unterschiedzur H2-Verbrennungsreaktion ist diewesentlich kürzere Zeitskala, was zueinem extrem lauten und kürzerenKnall führt. In der Nähe ist dieDruckwelle deutlich auf der Hautspürbar.
Da das Gasgemisch im Ballonbereits vorgemischt ist, entfällt die
„langsame“ Diffusion des Sauerstoffsaus der Umgebungsluft: Die Reaktionstartet im gesamten Ballon bereitsinnerhalb weniger Zehntel einerMillisekunde. Dadurch wird die Bal -lonhaut auch viel schneller aufgeris-sen als bei der H2-Verbrennung. Nachetwa 5 ms schwächt sich die Reak-tion bereits ab und ist nach 20 bis 30 ms vollständig beendet. Die Zeit -skala für die Knallgasreaktion ist alsoum etwa eine Größenordnung klei -ner als die der reinen H2-Verbren-nungsreaktion.
Da dieselbe Reaktionsenthalpie inkürzerer Zeit umgesetzt wird, habenwir die Integrationszeit der Kameraauf 1/20 000 s verringert, um denStart der Reaktion deutlich zu sehen.Selbst die minimal mögliche Zeitunserer Kamera von 1/200000 s warjedoch nicht ausreichend, um imZentrum der Verbrennung die Bild-sättigung zu vermeiden.
Die beobachtete, extrem schnelleReaktion wird für Knallgas aucherwartet. So sind Überschall-Ausbrei-tungsgeschwindigkeiten solcherFlammen üblich (Ref. 1 in [1]). Auf -grund der Überbelichtung ist es imbeschriebenen Experiment schwie-rig, die Flammenfront-Geschwindig-keiten direkt zu messen. Eine Ab-schätzung ist jedoch durch Analyseder Ausbreitung des roten kreisförmi-gen Bereichs in Abbildung 2 möglich.Er trennt den inneren gelben Farbbe-reich der sehr heißen Flamme vomkälteren äußeren, farblich dunklerenBereich ab. Dieser rote ringförmigeBereich breitet sich anfangs mitGeschwindigkeiten von etwa500 m/s aus.
Literatur[1] R. Schiessl, U. Maas, Phys. Unserer Zeit
2013, 44 (1), 12.[2] M.Vollmer, K.-P. Möllmann, Phys. Educ.
2013, 48 (1), 22.[3] M. Vollmer, K.-P. Möllmann, Phys. Unserer
Zeit 2011, 42 (3), 150.[4] de.wikipedia.org/wiki/Datei:Special_
Release_Zeppelin_Explodes.ogv
Michael Vollmer, Klaus-Peter Möllmann, FH Brandenburg
Abb. 2 Momentaufnahmen der Explosion eines mit Knallgas (H2 + O2 ) gefülltenLuftballons (5000 Bilder/s, 1/20000 s).