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39 N. Hebenstreit, K. Hinzdorf, E. Schmid Schulleiter entdecken das Management Wirtschaftspsychologie aktuell 1/2006 Dipl.-Soz.Päd. Elisabeth Schmid, Bereichsleiterin von Wirtschaft im Dialog und Geschäftsführerin Arbeits- kreis Schule/Wirtschaft, Bildungswerk der Bayrischen Wirtschaft, München [email protected] Dipl.-Psych. Dr. Katrin Hinzdorf, geschäftsführende Gesellschafterin, Sophus GmbH, Ingolstadt [email protected] Dipl.-Psych. Nadjeschda Hebenstreit, Associate Certified Coach (ICF), Inhaberin circumplex coaching, Berlin [email protected] Die Qualität des deutschen Schulsystems steht aktuell wieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. In der (soge- nannten freien) Wirtschaft ist es mittlerweile kein Ge- heimnis mehr, dass der Erfolg von Unternehmen zu einem großen Prozentsatz abhängig ist von der Quali- tät der Führung. Im Kontext Schule wird das Thema Führung oftmals nur am Rande betrachtet, da andere Aufgaben größere Dringlichkeit zu haben scheinen. Die Vermutung liegt nahe, dass auch im „Unternehmen Schule“ die Qualität der Lehre maßgeblich beeinflusst wird von der Motivation der im System Tätigen, wel- che wiederum gefördert oder beeinträchtigt wird von der Führungsqualifikation der Schulleitungen. Anders als in der Wirtschaft sind Schulleiter häufig mit über- proportional großen Teams ohne mittlere Führungs- ebene konfrontiert, was die Gestaltung des Führungs- raums erschwert. Schulleiter sein SchulleiterInnen haben große Verantwortung – nicht nur für das „Produkt“ Bildung und Erziehung, sondern auch als Vorgesetzte von oft über 100 MitarbeiterInnen und als ver- antwortlich für hunderte von SchülerInnen. Zu den Aufga- ben von Schulleitern im täglichen Umgang mit Lehrern, Schülern und auch den betroffenen Eltern gehören unter anderem die Steigerung der Motivation, die Senkung innerer Kündigung, die Stärkung der Verantwortung und Kreativität, die Erhöhung des persönlichen Engagements unter zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen und nicht zuletzt der Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten. „Die Schulen, die immer mehr in die Selbstständigkeit entlassen werden sollen, müssen, soweit es das Manage- ment und die Verwaltung betrifft, immer mehr wie Wirtschaftsunternehmen oder Dienstleistungsbetriebe ge- führt werden. Die Bandbreite der Tätigkeiten eines Schul- leiters reicht vom Personalmanager bis zum Öffentlichkeits- arbeiter, vom Finanzmanager – unter anderem mit der Aufgabe betraut, Sponsorengelder angesichts leerer öffent- licher Kassen einzuwerben – bis zum Vermögensverwalter, vom pädagogischen Leiter bis zum Leiter der juristischen Abteilung. Dass hinter dem Unterrichtsbetrieb eine sehr Wenn Schule in Führung geht – Schulleiter entdecken das Management komplexe Organisation abläuft, ist meines Erachtens für Außenstehende nicht ganz so klar,“ mutmaßt Dr. Reinhard Kammermayer, Schulleiter eines Gymnasiums in Ingolstadt. Das Thema Führung wird im Kontext Schule oftmals nur am Rande betrachtet, da andere Aufgaben größere Dring- lichkeit zu haben scheinen. Während in der „freien“ Wirt- schaft die Qualifizierung, Begleitung und Beratung von Führungskräften eine Selbstverständlichkeit ist, ist die kon- tinuierliche Begleitung und zielgerichtete Unterstützung von Schulleitern bis heute leider die Ausnahme. Managementtraining, Führungsseminare oder Einsatz von Assessment-Centern bei der Führungsnachwuchssuche sind im Schulbereich kaum zu finden. Und die Weisungs- N. Hebenstreit, K. Hinzdorf, E. Schmid Schulleiter entdecken das Management

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N. Hebenstreit, K. Hinzdorf, E. Schmid Schulleiter entdecken das Management

Wirtschaftspsychologie aktuell 1/2006

Dipl.-Soz.Päd. Elisabeth

Schmid, Bereichsleiterin von

Wirtschaft im Dialog und

Geschäftsführerin Arbeits-

kreis Schule/Wirtschaft,

Bildungswerk der Bayrischen

Wirtschaft, München

[email protected]

Dipl.-Psych. Dr. Katrin

Hinzdorf, geschäftsführende

Gesellschafterin, Sophus

GmbH, Ingolstadt

[email protected]

Dipl.-Psych. Nadjeschda

Hebenstreit, Associate

Certified Coach (ICF),

Inhaberin circumplex

coaching, Berlin

[email protected]

Die Qualität des deutschen Schulsystems steht aktuellwieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. In der (soge-nannten freien) Wirtschaft ist es mittlerweile kein Ge-heimnis mehr, dass der Erfolg von Unternehmen zueinem großen Prozentsatz abhängig ist von der Quali-tät der Führung. Im Kontext Schule wird das ThemaFührung oftmals nur am Rande betrachtet, da andereAufgaben größere Dringlichkeit zu haben scheinen. DieVermutung liegt nahe, dass auch im „UnternehmenSchule“ die Qualität der Lehre maßgeblich beeinflusstwird von der Motivation der im System Tätigen, wel-che wiederum gefördert oder beeinträchtigt wird vonder Führungsqualifikation der Schulleitungen. Andersals in der Wirtschaft sind Schulleiter häufig mit über-proportional großen Teams ohne mittlere Führungs-ebene konfrontiert, was die Gestaltung des Führungs-raums erschwert.

Schulleiter sein

SchulleiterInnen haben große Verantwortung – nicht nurfür das „Produkt“ Bildung und Erziehung, sondern auch alsVorgesetzte von oft über 100 MitarbeiterInnen und als ver-antwortlich für hunderte von SchülerInnen. Zu den Aufga-ben von Schulleitern im täglichen Umgang mit Lehrern,Schülern und auch den betroffenen Eltern gehören unteranderem

■ die Steigerung der Motivation,■ die Senkung innerer Kündigung,■ die Stärkung der Verantwortung und Kreativität,■ die Erhöhung des persönlichen Engagements unter

zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen undnicht zuletzt

■ der Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten.

„Die Schulen, die immer mehr in die Selbstständigkeitentlassen werden sollen, müssen, soweit es das Manage-ment und die Verwaltung betrifft, immer mehr wieWirtschaftsunternehmen oder Dienstleistungsbetriebe ge-führt werden. Die Bandbreite der Tätigkeiten eines Schul-leiters reicht vom Personalmanager bis zum Öffentlichkeits-arbeiter, vom Finanzmanager – unter anderem mit derAufgabe betraut, Sponsorengelder angesichts leerer öffent-licher Kassen einzuwerben – bis zum Vermögensverwalter,vom pädagogischen Leiter bis zum Leiter der juristischenAbteilung. Dass hinter dem Unterrichtsbetrieb eine sehr

Wenn Schule in Führung geht – Schulleiterentdecken das Management

komplexe Organisation abläuft, ist meines Erachtens fürAußenstehende nicht ganz so klar,“ mutmaßt Dr. ReinhardKammermayer, Schulleiter eines Gymnasiums in Ingolstadt.

Das Thema Führung wird im Kontext Schule oftmals nuram Rande betrachtet, da andere Aufgaben größere Dring-lichkeit zu haben scheinen. Während in der „freien“ Wirt-schaft die Qualifizierung, Begleitung und Beratung vonFührungskräften eine Selbstverständlichkeit ist, ist die kon-tinuierliche Begleitung und zielgerichtete Unterstützungvon Schulleitern bis heute leider die Ausnahme.

Managementtraining, Führungsseminare oder Einsatz vonAssessment-Centern bei der Führungsnachwuchssuchesind im Schulbereich kaum zu finden. Und die Weisungs-

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kompetenz bezüglich Personalauswahl und-entwicklung ist durch die zentralisierteStruktur des Bildungssystems und die Ver-beamtung von Lehrern eingeschränkt. Auchauf ein begleitendes Coaching könnenSchulleiter selten zurückgreifen, obwohlsich gerade solches angesichts des zuneh-menden Veränderungsdrucks und der alsschwierig erlebten Rahmenbedingungenangezeigt wäre. Schulleiter fühlen sich oftalleine gelassen und überfordert. So istes nicht verwunderlich, dass es oft schwie-rig ist, Bewerber für frei werdende Schul-leiterstellen zu finden.

Im Rahmen eines Pilotprojektes des Bil-dungswerks der Bayrischen Wirtschaft wur-de 32 bayerischen Schulleitern ein JahrBegleitung und Coaching ermöglicht. Wirkombinierten das Coachingprogramm„LeadershipCircle“ effektiv mit gezielt sys-temübergreifenden Netzwerken zwischenSchulen und Wirtschaft. Eingebunden ist dasGesamtprojekt in die Initiative der Arbeits-kreise „SchuleWirtschaft“ (s. Kasten).

Das Projekt – Führungerfahren

Grundlegend für das Coaching-Projekt wardie Frage, wie ein Schulleiter als Führungs-

kraft seine Kompetenzen entwickeln kannund welche Faktoren zu nachhaltigem Ler-nen und Verhaltensänderung beitragen. Fürdas Pilotprojekt unter dem Namen „Füh-rung und Schulmanagement“ wurden Coa-ching, Seminar-Elemente, kollegiale Bera-tung und systemübergreifender Austauschmit Wirtschaftsvertretern zu einem kom-pakten und zielorientierten Gesamtkonzeptverknüpft.

Im Rahmen des Coachings (s. Abb. 1) be-gleiteten wir als Coachs jeweils zwei Grup-pen von Schulleitern über einen Zeitraumvon vier Monaten. Jede Gruppe, bestehendaus 16 Schulleitern, durchlief hierbei einmalpro Monat die folgenden Elemente desmodular aufgebauten Coachingprogrammsdes LeadershipCircle (s. Tabelle 1):

■ jeweils ein voller Tag Gruppencoaching,■ zwischen den Terminen ein Einzelcoa-

ching,■ eine gemeinsame Telefonkonferenz und■ programmbegleitend die kollegiale Be-

ratung durch die anderen Teilnehmer(wöchentlicher Austausch von zweiSchulleitern im monatlich wechselnden„Buddy-Team“).

Aufbau und theoretischerHintergrund

Grundlage des Coachingkonzepts ist dieAnnahme, dass Veränderungsarbeit in ge-eigneter Weise die Grundbedürfnissenach Kontrolle, Bindung und Herausfor-derung bedienen muss [1]. Als Coachs imSystem Schule sahen wir die Aufgabe darin,unsere Schulleiter (Coachees) bei der Ent-wicklung ihrer eigenen und passgenauenLösungen im Hinblick auf ihre persönlichenEntwicklungsziele zu unterstützen.

■ Kontrolle: Die Teilnehmer behaltengrundsätzlich die Kontrolle über ihren

Lernprozess und steuern Tempo sowieTiefe eigenständig. Zu diesem Zweckführen die Teilnehmer während der vierMonate ein Lerntagebuch, in das siepersönliche Erkenntnisse und selbstgesteckte Aufgaben notieren. Fernerbestimmen sie selbst die Themen derEinzelcoachings. Der Aufbau des Pro-gramms ermöglicht den Teilnehmern,jene Aspekte der Inhalte, die sie selbstals nützlich erlebt haben, in eigene Zie-le zu formulieren und ihrer Person undArbeitsumgebung anzupassen.

■ Bindung: Durch den Austausch von fürdie Teilnehmer relevanten Erfahrungenmit den anderen Mitgliedern derGruppe entstehen Nähe und Bindung.Statt sich als Konkurrenten zu erleben,werden andere als Ressource entdeckt.Geben und Nehmen werden Teil einerneuen Kommunikationskultur. Im Kon-takt mit dem Coach erlebt der Coacheeden Effekt einer nicht wertenden Aus-einandersetzung über persönliche Ein-stellungen und Verhaltensweisen. Eswerden gemeinsam alternative Lö-sungswege entwickelt. Auch in diesemKontakt entsteht eine Beziehung, diedem Coachee zukünftig als positivesRollenmodell für die Beziehungsge-staltung (zum Beispiel: zu Mitarbeitern)dienen kann.

■ Herausforderung: Im Rahmen desCoachingprogramms vermitteln wir denTeilnehmern eine systemisch-lösungs-orientierte Sichtweise und die dazu pas-senden Coachingtools. Die Auseinan-dersetzung mit dieser für viele Teilneh-mer neuen Perspektive erfordert dasHinterfragen eigener Glaubenssätzeund das Erproben neuer Verhaltens-weisen. Die Vorteile einer systemisch-lösungsorientierten Grundhaltung in derBewältigung von Führungsaufgabenwerden erlebbar und als wertvoll, inspi-

Arbeitskreis„SchuleWirtschaft“

Seit mehr als 50 Jahren vernetzen die-se Arbeitskreise mit regionaler Veran-kerung Lehrkräfte und Vertreter aus derfreien Wirtschaft mit dem Ziel, den Di-alog zwischen Schule und Wirtschaftvor Ort zu fördern und damit einenBeitrag zur Weiterentwicklung der Schu-le zu leisten. Sie entwickeln Veranstal-tungen und Projekte, die zum gegen-seitigen Verständnis und zu einer praxis-nahen Berufsorientierung der Jugend-lichen beitragen. Über 20.000 Lehrkräf-te und Vertreter aus Unternehmen ar-beiten in 450 regionalen Arbeitskreisen,die auf Länderebene von 15 Landes-arbeitsgemeinschaften koordiniert undunterstützt werden. Auf Bundesebenesorgt die Bundesarbeitsgemeinschaft„SchuleWirtschaft“ für Vernetzung.www.schule-wirtschaft.de

Tabelle 1: Die Ziele des Coachings

Schulleitern konkrete Tools für ihren Führungskontext an die Hand geben

Diese Tools im Einzelcoaching für den persönlichen Bedarf anpassen - unter Berücksichtigungpersönlicher Stärken und Talente sowie den speziellen Anforderungen ihrer Schule

Durch den Kontakt mit anderen Schulleitern Best Practice-Erfahrungen austauschen und dasVerständnis für das Thema Führung vertiefen

Langfristig die Kommunikation, das zwischenmenschliche Miteinander und die Effektivität imschulischen Alltag spürbar verbessern - und damit die Freude an der eigenen Tätigkeit erhöhen

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rierend und manchmal auch als provo-zierend wahrgenommen.

Zum Zwecke der Qualitätssicherung wirddas Gesamtprogramm evaluiert, indemdie Beteiligten vor Beginn, zum Abschlussund drei bis vier Monate danach zu wahr-genommen Veränderungen in Einstellungund Handlungen befragt werden. Erste Er-gebnisse werden im Rahmen der Ab-schlussveranstaltung für die erste Projekt-phase im Januar 2006 präsentiert (s. Ta-belle 2).

Schulleiter und Wirtschafts-partner – von einander lernen

Als weiterer Erfolgsfaktor im Pilotprojektwurde der Austausch zwischen denFührungskräften der unterschiedlichen Sys-teme Schule und Wirtschaft etabliert.

■ Was bedeutet Führung?■ Wo liegen die Vor- und Nachteile im

jeweiligen System?■ Was lässt sich vom jeweils anderen ler-

nen?

Die gegenseitigen Einblicke in denArbeitsalltag führten für beide Parteien zuneuen Anregungen und Lernerfahrungen.„Der Wirtschaftspartner wurde dem Schul-leiter mit Unterstützung durch die Arbeits-kreise SchuleWirtschaft vermittelt. Wichti-ge Voraussetzung waren regionale Näheund die beidseitige Bereitschaft, in diesenAustausch zu gehen. Angestrebt war dieVernetzung mit einer Führungsperson desmittleren bis höheren Managements odereiner Fachkraft aus dem Bereich Personal-wesen. Während der einjährigen Projekt-laufzeit bestimmten die Schulleiter undWirtschaftspartner die Häufigkeit, Dauerund Inhalte Ihrer Kontakte selbstständig.

„Die Gespräche in zwei Stunden pro Wo-che sind sehr intensiv durch den wechsel-seitigen Blick über den Zaun in eine andersstrukturierte Organisation, aber auch sehrergiebig für Perspektivenwechsel, Infor-mationsgewinn, Kompetenzzuwachs undZugewinn an Rollensicherheit,“ berichtetWerner Sprick, Schulleiter der VolksschuleMemmingerberg, über den Austausch mitseinem Wirtschaftspartner Klaus Metzgerder Sparkasse Memmingen.

Als Motivation für den Austausch mit ei-nem Vertreter der freien Wirtschaft benenntdie Schulleiterin Margit Mintzel vom Gym-nasium Penzberg ihr „Interesse an Profes-sionalisierung! Ich wollte über den Teller-rand hinausschauen, wissen, wie Ma-nagementaufgaben in der Wirtschaft an-gepackt werden, meine persönliche unddie Position der Schule durch Vernetzungstärken sowie auf Augenhöhe erweitertkommunizieren.“ Zu den greifbaren Ergeb-nissen des regelmäßigen Austauschs mitihrem Wirtschaftspartner Dr. Arno Deger,Geschäftsführer von Roche Diagnostics inPenzberg, zählte sie „den Abbau vonBerührungsängsten, größeres Selbstver-ständnis beim Agieren auf gesellschaftlicherEbene sowie Entlastung hinsichtlich derSchwere eigener Führungsaufgaben durchdie Erkenntnis, den anderen geht es auchnicht besser.“

Schulisch konnte aus dem Kontakt eineganz konkrete Zusammenarbeit entstehen,die zu einer Wirtschaftsinitiative führte: DerErrichtung eines Chemielabors; einer infra-strukturellen Verbesserung also, die ohnediesen Einsatz nicht möglich gewordenwäre. „Eine Erweiterung des Engagementsdurch neue Vorhaben in vielerlei Richtungist in konkreter Planung,“ ergänzt Mintzel.

Dr. Reinhard Kammermayer, der als Schul-leiter etwa hundert Lehrer zu betreuen hat,beschreibt den Kontakt mit seinem Wirt-schaftspartner Jürgen Stolte, Leiter desBildungswesens der Audi AG in Ingolstadt,als geprägt von konkreten Fragen aus demBereich der Personalführung, die auch imschulischen Kontext Relevanz haben: “Wiewerden Mitarbeitergespräche vorbereitetund geführt? Von welcher Art sind die Ziel-vereinbarungen, die geschlossen werden?Wie wird beurteilt? Für wie viele Beurtei-lungen ist ein Vorgesetzter in der Wirtschaftverantwortlich? Wie viel Idealismus erwar-tet der Arbeitgeber – ist eine Erhöhung derArbeitszeit ohne irgendeinen Lohnaus-gleich die Regel?“

Neben den „weichen Faktoren“ wie einererhöhten Selbstreflektion, Austausch überFührung und Umgang mit zwischen-menschlichen Herausforderungen sowieder Möglichkeit des gegenseitigen Feed-back-Gebens, berichteten die Schulleiter,dass sich aus der systemübergreifendenZusammenarbeit auch eine spürbare Stär-kung der Position einiger Schulen im regi-onalen Bereich ergeben habe.

Der Austausch gestaltete sich auch für dieWirtschaftspartner als fruchtbar, deren eh-

Abb. 1: Das Design des Projekts

4 Monate

Laufzeit

Buddysystem, Hausaufgaben und Lerntagebuch

1x Gruppencoaching

1x Einzelcoaching

1x Telefonkonferenz

1x Gruppencoaching

1x Einzelcoaching

1x Telefonkonferenz

1x Gruppencoaching

1x Einzelcoaching

1x Telefonkonferenz

1x Gruppencoaching

1x Einzelcoaching

1x Telefonkonferenz

Tabelle 2: Pilotprojekt, Gesamtlaufzeit: zwölf Monate

27. Januar 2005 Auftaktveranstaltung mit 32 Schulleitern und 32Wirtschaftspartnern

Februar – Juli 2005 Coaching im „LeadershipCircle“

Januar 2005 – Januar 2006 Lernpartnerschaft: FührungskraftSchule/Führungskraft Wirtschaft

Januar 2006 Abschlussveranstaltung

Februar 2005 – Januar 2006 Prozessbegleitende Evaluation

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renamtliches Engagement einen wichti-gen Erfolgsbaustein darstellte. „Ich binselbst Vater von zwei Kindern, deshalb istmir die Qualität der Schulausbildung sehrwichtig,“ so die Reaktion von Klaus Metz-ger von der Sparkasse Memmingen: „DieBildungsarbeit mit Kindern und Jugendli-chen ist generell eine wichtige Basis fürdie Zukunft unser Volkswirtschaft undGesellschaft. Den Schulleitern vor Ort alsFührungskraft kommt dabei eine überauserfolgskritische Rolle zu. In der öffentli-chen Diskussion wird eher über die – inAnführungszeichen – nackten PISA-Ergeb-nisse gesprochen, weniger aber über dierealen Rahmenbedingungen, die letztlichfür die Vergleichswerte maßgeblich sind.Ich habe begriffen, dass die Verantwor-tung für Bildung und Erziehung nicht aufdie Schule abgeschoben werden kann.Weiter habe ich in der Diskussion immerwieder Parallelen zu meinem Berufsalltagziehen und meine Verhaltensweisen re-flektieren können.“

Schulleiterin Margit Mintzel merkt an: „Fürmeinen Wirtschaftspartner war die Er-kenntnis sehr aufschlussreich, dass beimDurchsetzen von Projekten (...) unerwar-tete Hemmnisse schulisches Handelnbremsen: Die Prinzipien Priorisierung undflexible materielle Unterstützung bei äu-ßerst einsichtigen Vorhaben greifen nicht

angesichts desolater Haushaltsverhält-nisse.“

Dieser Anteil des Projekts ermöglicht, dassSchulleiter und Wirtschaftspartner Ver-ständnis für die gegenseitigen Rahmen-bedingungen entwickeln und neue underfolgreiche Strategien erarbeiten, um auchscheinbar weit entfernte Ziele umzusetzen.

Ergebnisse

Die vorläufigen statistischen Evaluations-ergebnisse lassen darauf schließen, dasssich das Verhalten (nach Selbsteinschätzungder Teilnehmer) nachweisbar und anhaltendveränderte. Werner Sprick, Schulleiter derVolksschule Memmingerberg, über seineErfahrungen im CoachingprogrammSchuleWirtschaft: „Als Teilnehmer erlebte ichsehr anschaulich und hilfreich, wie uns un-sere beiden Coachs beim Entwickeln eige-ner Lösungsideen für unsere Problemeweiterhalfen. Wir erarbeiteten andere Denk-weisen, wechselten Perspektiven, variiertenProblemlösestrategien, reflektierten unserRollenverständnis und lockerten gelegent-lich auch Denkblockaden. Mit unserer Fach-kompetenz standen wir uns manchmalselbst im Weg – vielleicht war gerade des-halb der fachfremde Ansatz durch diebeiden Coachs hilfreich für uns, um neueDenk- und Verständnisansätze zu finden.“

Fazit und Ausblick

In den persönlichen und schriftlichen Rück-meldungen aller beteiligten Schulleiter undWirtschaftspartner wird die Hoffnung deut-lich, dass das Projekt nicht nur fortgeführt,sondern möglichst auf andere Bundeslän-der ausgeweitet wird. Das persönliche Fa-zit Peter Renoths, Schulleiter des Gymna-siums Landshut, steht repräsentativ für dieErfahrungen der im Projekt beteiligtenSchulleiter: „Ich würde dies sofort wiedermachen beziehungsweise an weiterenBausteinen teilnehmen. Es ist ein Gewinnfür jeden Schulleiter oder Funktionsträger.Es verleiht Sicherheit, regt an zum Nach-denken und zur eigenen Positionsbe-stimmung, und macht nicht zuletzt enormviel Spaß.“

Wie immer bei Projekten im öffentlichenRaum ist auch hier die Frage der Finanzie-rung zentral. Großzügige Unterstützung er-hielt das Projekt bislang durch denSparkassenverband Bayern, der als Haupt-sponsor die Durchführung der ersten beidenGruppen ermöglichte. Für 2006 sindmindestens vier weitere Gruppen geplant.

[1] Schmidt-Tanger, M.: Gekonnt coachen.Präzision und Pro-vocation im Coa-ching; Paderborn: Jungfermann; 2004.