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Mittwoch, 7. August 2019 Stefan von Bergen Die nationalen Wahlen vom 20. Oktober gleichen im Kanton Bern einem Sesseltanz. Wie beim Spiel, in dem es weniger Stühle als Teilnehmer gibt, muss der Kanton Bern ab 2020 auf einen seiner derzeit 25 Sitze im Natio- nalrat verzichten. Eine zentrale Frage der Wahlen lautet also: Welche Partei muss einen Sitz- verlust befürchten? Schon 2015 wurde die Berner Delegation im Bundeshaus um einen auf 25 Sitze verkleinert. Für jede Legislatur legt der Bun- desrat aufgrund der ständigen Wohnbevölkerung die National- ratssitze pro Kanton neu fest. Mitte der 1960er-Jahre belegten die Berner noch 34 der 200 Plät- ze. Weil Berns wirtschaftliche Anziehungskraft mittelmässig und die Zuwanderung schwach ist, verlor es im Nationalrat seit- her an Boden. In der kommen- den Legislatur geben Bern und Luzern deshalb je einen Sitz an die Waadt und Genf im boomen- den Genferseebecken ab. Wacklige Restmandate Die 651 Bernerinnen und Berner, die sich bis zum Montag bei der Staatskanzlei für die National- ratswahlen angemeldet haben (siehe Zweittext), müssen sich also neu auf 24 Sitze beschrän- ken. Um einen Sitz zu erringen, braucht es nun mehr Wähler- stimmen als bisher. Drei Berner Nationalratsmitglieder treten ab: Adrian Amstutz von der SVP, Hans Grunder von der BDP und Margret Kiener Nellen von der SP. Für die 22 Bisherigen, die wieder antreten, gibt es also theoretisch genug Plätze. Zittern müssen wohl vor al- lem jene Parteien, die vor vier Jahren nur knapp ein sogenann- tes Restmandat errungen haben, für das es weniger Stimmen braucht als für ein Vollmandat. Es waren dies die SVP, die einen neunten Sitz gewann, und die SP, die einen sechsten Sitz holte. 2015 lag der Berner Mehrfach- parlamentarier Erich Hess auf Platz neun der SVP-Liste. Bei der SP reichte es knapp für den frü- heren Berner Stadtpräsidenten Alex Tschäppät, nach dessen Tod rückte Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich aus Huttwil auf. Ob Hess oder Wüthrich aller- dings um ihre Wiederwahl fürch- ten müssen, liegt am 20. Oktober in der Hand der Wählerinnen und Wähler. Mark Balsigers Modelle Der Berner Politberater Mark Balsiger erkennt noch einen drit- ten «Wackelsitz»: in der politi- schen Mitte bei der BDP oder den Grünliberalen (GLP). Er kann sich für die Wahl im Oktober zwei Modelle vorstellen. Für Modell 1 überträgt er die heutige Sitzver- teilung auf noch 24 Sitze. Die jüngst kriselnde Grosspartei SVP würde dann einen Sitz verlieren. «Die SVP hat 2015 überraschend und aufgrund des damals viru- lenten Flüchtlingsthemas einen zusätzlichen Sitz geholt», be- gründet Balsiger die Annahme. Für sein zweites Modell hat Balsiger die Wähleranteile bei den Kantonswahlen 2018 (siehe Grafik) auf die anstehenden na- tionalen Wahlen hochgerechnet. Die SP hat damals im Kantons- parlament um 3,2 Prozent zuge- legt, und die Grünen haben zu- mindest keine Verluste erlitten. Daraus folgert Balsiger, dass das linke Lager im Nationalrat einen zusätzlichen neunten Sitz holen könnte. Denkbar wäre, dass ihn die Grünen erobern, die 2015 einen ihrer drei Nationalratssit- ze verloren haben. Nach Balsi- gers Rechnung müsste dann nicht nur die SVP, sondern auch eine Mittepartei – die BDP oder die GLP – einen Platz hergeben. Für einen Zuwachs des linken Lagers könnten gemäss Balsiger die zwei aktuellen Megatrends sprechen: die grüne Welle des Klimaprotests und der Aufbruch der Frauen seit dem Frauenstreik vom 14. Juni. Ein Signal ist, dass der Frauenanteil bei den bis zum Montag eingegangenen Berner Bewerbungen bei bisher un- erreichten 42 Prozent liegt. «Von einer Themenführung zu einem Sitzgewinn ist aber ein weiter Weg», mahnt Balsiger zur Zu- rückhaltung. Piraten verstärken Mitte Bei der Ausmarchung um die Restmandate spielen Listenver- bindungen eine Rolle, die ent- scheidende Zusatzstimmen ein- bringen können. Die Parteibünd- nisse müssen bis kommenden Montag der Staatskanzlei mitge- teilt werden. Gemäss den Berner Parteispitzen von SVP und FDP ist noch offen, ob es zu einem Schulterschluss der beiden bür- gerlichen Parteien kommt. Klar ist aber schon jetzt: Die Pi- ratenpartei wird sich überra- schend der Listenverbindung der Mitteparteien mit BDP, GLP, CVP und EVP anschliessen. Das be- stätigen auf Anfrage die Kanto- nalpräsidenten der Piraten und der BDP. Bei den nationalen Wahlen 2015 erreichten die Pira- ten im Kanton Bern einen Wäh- leranteil von 0,9 Prozent. Das könnte helfen, am 20. Oktober einen Sitz der BDP oder der GLP zu retten. Zehn Wochen vor derWahl be- finden sich alle Parteispitzen im Selbstbestärkungsmodus und glauben, dass nicht sie den Schwarzen Peter des Sitzverlus- tes ziehen müssen. Die SVP hat Wer zieht beim Berner Sesseltanz den Nationalratswahlen 2019 Weil die Berner Delegation nur noch 24 statt 25 Sitze zählt, wird die Ausmarchung enger. Wacklige Sitze verteidigen müssen die SVP, die SP und die Mitteparteien BDP und GLP. Überraschende Unterstützung erhält die Mitte von der Piratenpartei. Am 20. Oktober bei den Wahlen im Scheinwerferlicht: das Bundeshaus in Bern. 651 Bernerinnen und Berner wollen «Von der Themen- führung beim Klimaprotest bis zu einem Sitzgewinn im Nationalrat ist ein weiter Weg.» Mark Balsiger Politikberater 1. Treten am Buskers eigentlich nur echte Strassenmusiker auf? Damit wären wir bei der Frage: Bis wann gilt ein Musiker noch als Strassenmusiker? Festivallei- terin Christine Wyss sagt es so: «Unser Ziel ist es primär, Musik, Theater, Tanz und Kunst auf die Strasse zu bringen.» Viele Auf- tretende spielten auch sonst im- mer wieder auf der Strasse, aber auch an Festivals und in Clubs. Klar ist: Am Buskers gibt es kein Pardon. Egal, wie bekannt die Musikerinnen und Musiker schon sind, hier müssen sie seit jeher ihre Ins- trumente selber schleppen. Es gibt kei- ne Soundtechniker, Stagemanager, Roadies – «nix», wie Wyss sagt. 2. Wie viel kommt in der Hutkollekte zusammen? Offenbar nicht wenig. Zumindest sagt das Matthias Urech, Gitar- rist von Troubas Kater, für die das Buskers 2015 der Karriere- startschuss war. Urech spricht von rund 1000 Franken für jeden der acht Musiker für total neun Konzerte. Die total fast 10000 Franken, die Troubas Kater er- wirtschaftet haben, sind aber zu relativieren. Schliesslich konn- ten acht Musiker mit dem Hut die Runde machen. Das war beim Berner Troubadour OIi Kehrli noch anders, als er 2010 auftrat. Erst am zweiten Abend habe er eine junge Frau einspannen kön- nen, die dann mit dem Hut umhergegangen sei. So habe er am Donnerstag so 1500 Franken eingenommen und am Freitag 3000. Am Samstag kaum mehr etwas, weil es nur geregnet habe. Es zeigt sich: Nicht nur das Wet- ter muss stimmen, sondern auch die Taktik. 3. Regnet es wirklich immer? Tatsächlich kommt das Buskers selten ganz trocken über die Runden. Komplett verregnet hats die dritte Ausgabe 2006, ganz so schlimm war er seither nicht mehr. Festivalleiterin Christine Wyss weist zwar auf den bis- weilen überraschenden Charme des Festivals bei Regen hin und sagt dennoch: «Das Wetter ist nervlich eine grosse Belastung für uns im Vorfeld und beschert viele schlaflose Nächte.» Gemäss Wetterbericht sieht es dieses Jahr für alle drei Tage nach freundli- chem Wetter aus. 4. Ist das Buskers nicht einfach jedes Jahr das Gleiche? Jein. Zum einen hat sich das Kon- zept nicht verändert. Gleichzei- tig ist das Festival gewachsen. Mehr Stände und auch mehr Be- sucher. An der ersten Ausgabe kamen rund 25 000 Zuschaue- rinnen und Zuschauer. Letztes Jahr waren es 70000. Das Re- kordjahr war 2009 mit rund 80 000 Besuchern. 2004 waren noch 50 Helferinnen und Helfer im Einsatz. 2018 waren es 300. Musikalisch betrachtet ist jede Ausgabe freilich etwas ganz an- deres. Heuer sind laut Christine Wyss 33 der total 39 eingelade- nen Gruppen das erste Mal am Buskers. Und sowieso dürfe eine Band nur maximal zweimal am Buskers auftreten. An der ers- ten Ausgabe zählte das Buskers 29 Gruppen und total 104 Künstlerinnen und Künstler. 5. Das Buskers ist doch ein verkapptes Food festival. Man könnte es meinen: Schliess- lich gibt es inzwischen mehr Ess- stände als Bands. Es sind näm- lich zwischen 50 und 60 gegen- über 39 Gruppen, wie Christine Wyss sagt und ihre Freude über das reichhaltige Angebot auch nicht verhehlt: «Im Foodbereich ist das Buskers Bern unter den grossen Festivals eine absolute Ausnahmeerscheinung und – ohne Übertreibung – führend im deutschsprachigen Raum.» Laut Wyss sind die Momos der Berner Tibetergemeinschaft dicht ge- folgt von den Churros die Ren- ner. Sehr beliebt sind auch die Paella von Peppino’s Catering, die brasilianischen Coxinhas von Agua na Boca und die Bielersee- Fischchnuschperli vom Kiwanis- Club. 6. Ich hasse Menschen massen. Wie kann ich das Buskers trotzdem geniessen? Festivalveranstalterin Christine Wyss hat den Tipp, dem es nichts hinzuzufügen gibt: «Kommen Sie um 18 Uhr, am besten schon am Donnerstag. Dann läuft ge- nau das gleiche Programm wie Mehr Foodstände als Künstlergruppen: Das Buskers geht in die 16. Runde Strassenmusikfestival Gibt die Hutkollekte was her? Sind das wirklich alles echte Strassenmusiker? Und: Was machen all die Zürcher in Bern? Fotos: iStock 3 Region Es ist keine zwei Monate her, dass in der Schweiz Hundert- tausende Frauen auf die Stras- sen gingen. Sie forderten Gleich- stellung im Job, in der Familien- arbeit, in der Politik. In National- und Ständerat ist die- se noch längst nicht erreicht. Während der Frauenanteil in der grossen Kammer seit 2015 bei 32 Prozent liegt, so beträgt er im Stöckli gerade mal 15 Prozent. Am 20. Oktober, wenn das na- tionale Parlament neu gewählt wird, könnte sich das ändern. Schon nur im Kanton Bern sind 42 Prozent der Kandidierenden für die nunmehr 24 Nationalrats- sitze Frauen. Das ist neuer Re- kord. Der bisherige Höchststand betrug 37,9 Prozent und stamm- te aus dem Jahr 2003. Insgesamt kämpfen in Bern 651 Kandida- tinnen und Kandidaten um einen Platz in der grossen Kammer, wie die Staatskanzlei gestern mitteil- te. Den höchsten Frauenanteil unter den grösseren Parteien verzeichnen die Grünen. Auf ihrer Liste sind 58 Prozent weib- lich. Die SP und die GLP haben auf eine exakte Ausgeglichenheit geachtet. Am anderen Ende be- finden sich die EDU (17 Prozent) und die SVP (29 Prozent). Wie viele Frauen am 20. Ok- tober dann tatsächlich in den Na- tionalrat gewählt werden, ist schwierig abzuschätzen. Bei den letzten beiden Wahlen schafften verhältnismässig mehr Frauen den Sprung ins Parlament, als ihr Anteil an den Kandidierenden vermuten liess. 2015 etwa betrug dieser 27 Prozent. Gewählt wur- den im Kanton Bern aber 10 Frauen und 15 Männer, was einer Quote von 40 Prozent entspricht. Bis 2007 war es umgekehrt. Der Anteil der Kandidatinnen war je- weils höher als jener der effektiv gewählten Nationalrätinnen. Dieses Jahr wollen nicht nur mehr Frauen in die grosse Kam- mer, sondern generell mehr Po- litikinteressierte. Mit 651 Kan- didierenden liegt die Zahl um 84 Personen höher als 2015. Die Anzahl Listen ist von 26 auf 34 gestiegen, 9 stammen von Jung- parteien. Das Durchschnittsalter ist denn auch tiefer als in voran- gehenden Jahren. 37,8 Prozent sind jünger als 30 Jahre (2015: 31,9). Erneut treten auch einige Exoten an. So gibt es etwa eine Liste mit dem Namen «Die liebe, sehr sehr liebe Partei». Überraschungen hingegen bleiben weitgehend aus. Von den bisherigen Nationalräten treten lediglich Adrian Amstutz (SVP), Hans Grunder (BDP) und Mar- gret Kiener Nellen (SP) nicht mehr an. Und dass Ex-TeleBärn- Moderatorin Michelle Renaud und Regierungsrätin Beatrice Si- mon für die BDP um einen Sitz kämpfen, ist bekannt. Ebenso die Kandidaturen des Stadtberner Gemeinderats Reto Nause (CVP) und des Ex-Gemeinderats Alex- andre Schmidt. Dass allerdings Schmidts Sohn Adrien ebenfalls in den Ring steigt, ist neu. Der Jung-FDPler ist gerade erst 18 Jahre alt geworden. National bekannte Gesichter sind zudem Dimitry Rougy (SP), der das Referendum gegen die Sozialdetektive organisierte, oder der Vater der Hornkuhin- itiative, Armin Capaul, der auf einer eigenen Liste kandidiert. Am 20. Oktober wird neben dem Nationalrat auch der Stän- derat gewählt. Die Kandidaturen für die beiden Berner Sitze im Stöckli müssen bis zum 19. Au- gust eingereicht werden. (mab) Neuer Frauenrekord bei den Kandidierenden Kürzeren? das doppelte Handicap, dass sie ein wackliges Restmandat ver- teidigen und auf einen Bisheri- gen verzichten muss. Dennoch erklärt die kantonale Parteise- kretärin Aliki Panayides: «Wir sind entschlossen, wieder neun Sitze zu holen. Wir glauben nicht, dass wir zittern müssen.» Die BDP hat 2015 einen ihrer vier Sit- ze an die SVP verloren. Sie habe aber sicher das Wählerpotenzial für drei Sitze, sagt deren Kanto- nalpräsident Jan Gnägi. Seit 2014 hat die Berner BDP kontinuier- lich Wähleranteile verloren. «Man prophezeit seit fünf Jahren unseren Untergang, aber Totge- sagte leben länger», erwidert Gnägi. Und er verweist auf sein Wahlzugpferd Beatrice Simon. Die populäre Regierungsrätin kandidiert nicht nur für den Stände-, sondern auch für den Nationalrat. SP-Kantonalsekretär David Stampfli ist überzeugt, dass sei- ne Partei wie auch die Grünen zulegen werden – so wie bei den jüngsten Berner und Zürcher Kantonswahlen. Der SP kommt zugute, dass sie eine abtretende Frau statt einen Mann ersetzen muss. Denn die SP-Frauenliste erhält jeweils mehr Stimmen als die Männerliste. Stampfli rech- net damit, dass die zugkräftige SP-Frauenliste auch mit den zwei Bisherigen Nadine Mass- hardt und Flavia Wasserfallen wieder drei Sitze holen kann. Ein Platz wäre dann frei für eine Neue – etwa die streitbare, na- tional bekannte Ex-Juso-Präsi- dentin Tamara Funiciello. Gut gelaunte Grüne Bester Laune ist derzeit Natalie Imboden, kantonale Co-Präsi- dentin der Grünen. «Wir sind op- timistisch und kämpfen dafür, den dritten Sitz zurückzuholen, den wir 2015 verloren haben», sagt sie. Und sie verweist darauf, dass die zwei Megatrends – Kli- maprotest und Frauenpower – ihrer Partei entgegenkommen. Mit 58 Prozent haben die Grü- nen den höchsten Frauenanteil der grösseren Berner Parteien. dort einen Nationalratssitz erobern. Foto: Valérie Chételat Die Berner Wahlen – Ausgangslage 25 Sitze Grafik: kmh/Quelle: Staatskanzlei Kanton Bern Nationalrat Aktuelle Sitzverteilung der Berner Parteien, Wahlen 2015 Stimmenanteile in Prozent BDP 3 EVP 1 GLP 2 SP 6 Grüne 2 SVP 9 FDP 2 Parteien im Berner Kantonsparlament (Grosser Rat), Grossratswahlen 2018 Berner Parteien Nationalratswahlen 2015 26,6 22,2 9,0 9,9 11,6 6,9 6,1 3,7 SVP SP BDP Grüne FDP CVP GLP EVP EDU Div. SVP SP BDP Grüne FDP CVP GLP EVP EDU Div. 19,7 33,1 11,8 7,5 9,3 6,0 4,3 4,0 1,5 2,8 3,5 0,4 Zehn Fragen und Antworten rund um das Buskers. um 21 Uhr – denn wir haben ja keine ‹Headliner›. Und dann hat es noch nicht zu viele Leute.» 7. Was sollte man nicht verpassen? Das 16. Buskers bietet mit 39 Gruppen aus 24 Nationen wie- derum ein reiches Programm aus Musik, Theater, Tanz und Kunst. Nicht verpassen sollte man die Flamenco-Show der Formation Alikindoi aus Barcelona am Don- nerstag um 18 Uhr. In der ähn- lichen Ecke ist das Duo Opal Ocean zu verorten, das letztes Jahr auch auf dem Gurten zu se- hen war: Die rhythmusgetriebe- ne Mischung aus Pop, Rock und Flamenco – fabriziert nur mit zwei akustischen Gitarren – ist grosse Kunst. Ebenso gekonnt, aber von der Musik her ganz an- ders geartet sind die Auftritte von Murray Kyle aus England, der mit der Bassistin Cekka Lou aus Ita- lien einen herrlichen Slide-Gui- tar-Blues und wunderbare Ame- ricana spielt. Native Young ist ein Indie-Kollektiv, gegründet in Südafrika, das eine Mischung aus psychedelischem Afropop und Folk musiziert. Strassenmusik, wie sie im Buche steht, macht die aus Grenoble stammende For- mation Faut qu’ça guinche. Les Fils Canouche wiederum spielen den Gipsy Swing, der einem di- rekt in die Beine geht. Die drei Damen von Assurd zeigen, wie echte neapolitanische Popmusik klingt. Zum «Totlachen» ist laut Christine Wyss die belgische Slapstick-Comedy von Sitting Duck. Verpassen sollte man auch nicht die Grossinstallation auf dem Münsterplatz mit acht Me- ter grossen Vögeln. 8. Wieso hört man am Buskers eigentlich so viel Zürcher Dialekt? Viele Zürcherinnen und Zürcher fliehen traditionell von der Street Parade, die am selben Wochen- ende stattfindet. Wobei, so viele können es nicht sein: Laut einer Umfrage von 2016 kommen 34 Prozent der Besucherinnen und Besucher aus der Stadt, 29 Pro- zent aus der Region, 12 Prozent aus dem übrigen Kanton und 13 Prozent aus der Rest- schweiz. Wie viele davon Zür- cher sind, wissen wir nicht. 11 Pro- zent kommen aus dem Aus- land. 9. Wer macht eigentlich die legendären Buskers-Plakate mit den grandiosen Motiven und dem öden Schriftzug? Von Anfang an schon ist Duplex, das Atelier für Gestaltung von Reto Meichtry, für die Plakate zu- ständig. Für jede neue Ausgabe kreiert Meichtry ein eigenes Su- jet. Der tolle Aufziehvogel in die- sem Jahr ist auch dem Motto «Sind alle schon da?» geschul- det, so à la «Alle Vögel sind schon da». Und schliesslich müssen die Plakate ja auch immer etwas mit Musik, mit Bern und Sommer zu tun haben. Der Vogel referenziert hier auf Spatzen, die etwas von den Dächern pfeifen, und die Zahnräder verweisen auf den Zytglogge. In den letzten fünf- zehn Jahren gab es etliche tolle Plakate. Der ewige Fa- vorit ist für viele immer noch jenes der ersten Ausgabe mit der Berner Altstadt als Archi- pel. Wie originell derweil der Schriftzug noch ist, mit dem U, das einen Hut darstellen soll, lassen wir mal dahingestellt. 10. Verkauft Alec von Graffenried eigentlich wieder Bändeli? Ja, wird er und muss er wohl auch. Denn zum einen sucht das Buskers immer ein bisschen ver- zweifelt nach Helferinnen und Helfern. Zum anderen kaufen immer noch zu wenige Besucher ein Bändeli. Laut Christine Wyss haben letztes Jahr Stichproben ergeben, dass nur rund 40 Pro- zent der Festivalbesucher eines kaufen, also Eintritt bezahlt ha- ben. Das sei enttäuschend. «Wir würden diese Quote gern auf über 50 Prozent steigern», so Wyss. Ein Dreitagespass kostet 10 Franken – oder 20 für Gönne- rinnen. Helferinnen und Helfer erhalten ein T-Shirt, ein Drei- gangmenü vom Sternekoch und einen Getränkegutschein. Martin Burkhalter und Michael Feller Fotos: PD

WerziehtbeimBernerSesseltanzden Kürzeren? · 2019-08-08 · sagtdasMatthiasUrech,Gitar-rist von Troubas Kater, für die dasBuskers2015derKarriere-startschuss war. Urech spricht vonrund1000Frankenfürjeden

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Page 1: WerziehtbeimBernerSesseltanzden Kürzeren? · 2019-08-08 · sagtdasMatthiasUrech,Gitar-rist von Troubas Kater, für die dasBuskers2015derKarriere-startschuss war. Urech spricht vonrund1000Frankenfürjeden

Mittwoch, 7. August 2019

Stefan von Bergen

Die nationalen Wahlen vom20. Oktober gleichen im KantonBern einemSesseltanz.Wie beimSpiel, in dem es weniger Stühleals Teilnehmer gibt, muss derKanton Bern ab 2020 auf einenseiner derzeit 25 Sitze imNatio-nalrat verzichten. Eine zentraleFrage der Wahlen lautet also:Welche Partei muss einen Sitz-verlust befürchten?

Schon 2015 wurde die BernerDelegation im Bundeshaus umeinen auf 25 Sitze verkleinert.Für jede Legislatur legt der Bun-desrat aufgrund der ständigenWohnbevölkerung die National-ratssitze pro Kanton neu fest.Mitte der 1960er-Jahre belegtendie Berner noch 34 der 200 Plät-ze. Weil Berns wirtschaftlicheAnziehungskraft mittelmässigund die Zuwanderung schwachist, verlor es imNationalrat seit-her an Boden. In der kommen-den Legislatur geben Bern undLuzern deshalb je einen Sitz andieWaadt und Genf im boomen-den Genferseebecken ab.

Wacklige RestmandateDie 651 Bernerinnen und Berner,die sich bis zum Montag bei derStaatskanzlei für die National-ratswahlen angemeldet haben(siehe Zweittext), müssen sichalso neu auf 24 Sitze beschrän-ken. Um einen Sitz zu erringen,braucht es nun mehr Wähler-stimmen als bisher. Drei BernerNationalratsmitglieder treten ab:Adrian Amstutz von der SVP,Hans Grunder von der BDP undMargret Kiener Nellen von derSP. Für die 22 Bisherigen, diewieder antreten, gibt es alsotheoretisch genug Plätze.

Zittern müssen wohl vor al-lem jene Parteien, die vor vierJahren nur knapp ein sogenann-tes Restmandat errungen haben,für das es weniger Stimmenbraucht als für ein Vollmandat.Es waren dies die SVP, die einenneunten Sitz gewann, und die SP,die einen sechsten Sitz holte.2015 lag der Berner Mehrfach-

parlamentarier Erich Hess aufPlatz neun der SVP-Liste. Bei derSP reichte es knapp für den frü-heren Berner StadtpräsidentenAlexTschäppät, nach dessenTodrückte Travailsuisse-PräsidentAdrianWüthrich ausHuttwil auf.Ob Hess oder Wüthrich aller-dings um ihreWiederwahl fürch-tenmüssen, liegt am 20.Oktoberin der Hand der WählerinnenundWähler.

Mark BalsigersModelleDer Berner Politberater MarkBalsiger erkennt noch einen drit-ten «Wackelsitz»: in der politi-schenMitte bei derBDPoder denGrünliberalen (GLP). Er kann sichfür die Wahl im Oktober zweiModelle vorstellen. Für Modell 1überträgt er die heutige Sitzver-teilung auf noch 24 Sitze. Diejüngst kriselnde Grosspartei SVPwürde dann einen Sitz verlieren.«Die SVPhat 2015 überraschendund aufgrund des damals viru-lenten Flüchtlingsthemas einenzusätzlichen Sitz geholt», be-gründet Balsiger die Annahme.

Für sein zweites Modell hatBalsiger die Wähleranteile beiden Kantonswahlen 2018 (sieheGrafik) auf die anstehenden na-tionalenWahlen hochgerechnet.Die SP hat damals im Kantons-parlament um 3,2 Prozent zuge-legt, und die Grünen haben zu-mindest keine Verluste erlitten.Daraus folgert Balsiger, dass daslinke Lager imNationalrat einenzusätzlichen neunten Sitz holenkönnte. Denkbar wäre, dass ihndie Grünen erobern, die 2015einen ihrer drei Nationalratssit-ze verloren haben. Nach Balsi-gers Rechnung müsste dannnicht nur die SVP, sondern aucheine Mittepartei – die BDP oderdie GLP – einen Platz hergeben.

Für einen Zuwachs des linkenLagers könnten gemäss Balsigerdie zwei aktuellen Megatrendssprechen: die grüne Welle desKlimaprotests und derAufbruchder Frauen seit demFrauenstreikvom 14. Juni. Ein Signal ist, dassder Frauenanteil bei den bis zumMontag eingegangenen Berner

Bewerbungen bei bisher un-erreichten 42 Prozent liegt. «Voneiner Themenführung zu einemSitzgewinn ist aber ein weiterWeg», mahnt Balsiger zur Zu-rückhaltung.

Piraten verstärkenMitteBei der Ausmarchung um dieRestmandate spielen Listenver-

bindungen eine Rolle, die ent-scheidende Zusatzstimmen ein-bringen können.Die Parteibünd-nisse müssen bis kommendenMontag der Staatskanzleimitge-teiltwerden. Gemäss den BernerParteispitzen von SVP und FDPist noch offen, ob es zu einemSchulterschluss der beiden bür-gerlichen Parteien kommt.

Klar ist aber schon jetzt: Die Pi-ratenpartei wird sich überra-schend der Listenverbindung derMitteparteienmit BDP, GLP, CVPund EVP anschliessen. Das be-stätigen auf Anfrage die Kanto-nalpräsidenten der Piraten undder BDP. Bei den nationalenWahlen 2015 erreichten die Pira-ten im Kanton Bern einenWäh-

leranteil von 0,9 Prozent. Daskönnte helfen, am 20. Oktobereinen Sitz der BDP oder der GLPzu retten.

ZehnWochenvorderWahl be-finden sich alle Parteispitzen imSelbstbestärkungsmodus undglauben, dass nicht sie denSchwarzen Peter des Sitzverlus-tes ziehen müssen. Die SVP hat

Wer zieht beim Berner Sesseltanz den Kürzeren?Nationalratswahlen 2019 Weil die Berner Delegation nur noch 24 statt 25 Sitze zählt, wird die Ausmarchung enger. Wacklige Sitze verteidigenmüssen die SVP, die SP und die Mitteparteien BDP und GLP. Überraschende Unterstützung erhält die Mitte von der Piratenpartei.

Am 20. Oktober bei den Wahlen im Scheinwerferlicht: das Bundeshaus in Bern. 651 Bernerinnen und Berner wollen dort einen Nationalratssitz erobern.

«Von der Themen-führung beimKlimaprotest bis zueinem SitzgewinnimNationalrat istein weiterWeg.»

Mark BalsigerPolitikberater

1. Treten amBuskerseigentlich nur echte

Strassenmusiker auf?Damit wären wir bei der Frage:Bis wann gilt ein Musiker nochals Strassenmusiker? Festivallei-terin Christine Wyss sagt es so:«Unser Ziel ist es primär,Musik,Theater, Tanz und Kunst auf dieStrasse zu bringen.» Viele Auf-tretende spielten auch sonst im-merwieder auf der Strasse, aberauch an Festivals und in Clubs.Klar ist: Am Buskers gibt es keinPardon. Egal, wie bekannt dieMusikerinnen und Musikerschon sind, hier müssensie seit jeher ihre Ins-trumente selberschleppen. Es gibt kei-ne Soundtechniker,Stagemanager, Roadies– «nix», wieWyss sagt.

2. Wie viel kommt in derHutkollekte zusammen?

Offenbarnichtwenig. Zumindestsagt das Matthias Urech, Gitar-rist von Troubas Kater, für diedas Buskers 2015 der Karriere-startschuss war. Urech sprichtvon rund 1000 Franken für jedender acht Musiker für total neunKonzerte. Die total fast 10000Franken, die Troubas Kater er-wirtschaftet haben, sind aber zurelativieren. Schliesslich konn-ten achtMusikermit demHut dieRunde machen. Das war beimBerner Troubadour OIi Kehrlinoch anders, als er 2010 auftrat.Erst am zweiten Abend habe er

eine junge Frau einspannen kön-nen, die dann mit dem Hutumhergegangen sei. So habe eramDonnerstag so 1500 Frankeneingenommen und am Freitag3000. Am Samstag kaum mehretwas,weil es nur geregnet habe.Es zeigt sich: Nicht nur dasWet-termuss stimmen, sondern auchdie Taktik.

3. Regnet eswirklichimmer?

Tatsächlich kommt das Buskersselten ganz trocken über dieRunden.Komplett verregnet hatsdie dritteAusgabe 2006, ganz soschlimm war er seither nichtmehr. Festivalleiterin ChristineWyss weist zwar auf den bis-weilen überraschenden Charmedes Festivals bei Regen hin undsagt dennoch: «Das Wetter istnervlich eine grosse Belastungfür uns im Vorfeld und beschertviele schlafloseNächte.» Gemäss

Wetterbericht sieht es dieses Jahrfür alle drei Tage nach freundli-chemWetter aus.

4. Ist das Buskers nichteinfach jedes Jahr

das Gleiche?Jein. Zum einen hat sich das Kon-zept nicht verändert. Gleichzei-tig ist das Festival gewachsen.Mehr Stände und auchmehr Be-sucher. An der ersten Ausgabekamen rund 25000 Zuschaue-rinnen und Zuschauer. LetztesJahr waren es 70000. Das Re-kordjahr war 2009 mit rund80000 Besuchern. 2004 warennoch 50 Helferinnen und Helferim Einsatz. 2018 waren es 300.Musikalisch betrachtet ist jedeAusgabe freilich etwas ganz an-deres. Heuer sind laut ChristineWyss 33 der total 39 eingelade-nen Gruppen das erste Mal amBuskers. Und sowieso dürfe eineBand nur maximal zweimal am

Buskers auftreten.An der ers-ten Ausgabe zählte dasBuskers 29 Gruppen undtotal 104 Künstlerinnenund Künstler.

5. Das Buskers ist dochein verkapptes Food­

festival.Man könnte esmeinen: Schliess-lich gibt es inzwischenmehrEss-stände als Bands. Es sind näm-lich zwischen 50 und 60 gegen-über 39 Gruppen, wie ChristineWyss sagt und ihre Freude überdas reichhaltige Angebot auchnicht verhehlt: «Im Foodbereichist das Buskers Bern unter dengrossen Festivals eine absoluteAusnahmeerscheinung und –ohneÜbertreibung – führend imdeutschsprachigen Raum.» LautWyss sind dieMomos derBernerTibetergemeinschaft dicht ge-folgt von den Churros die Ren-ner. Sehr beliebt sind auch die

Paella von Peppino’s Catering,die brasilianischen Coxinhas vonAgua na Boca und die Bielersee-Fischchnuschperli vomKiwanis-Club.

6. Ich hasseMenschen­massen.Wie kann ich das

Buskers trotzdem geniessen?Festivalveranstalterin ChristineWyss hat denTipp, dem es nichtshinzuzufügen gibt: «KommenSie um 18 Uhr, am besten schonam Donnerstag. Dann läuft ge-nau das gleiche Programm wie

Mehr Foodstände als Künstlergruppen: Das Buskers geht in die 16. RundeStrassenmusikfestival Gibt die Hutkollekte was her? Sind das wirklich alles echte Strassenmusiker? Und: Was machen all die Zürcher in Bern? Zehn Fragen und Antworten rund um das Buskers.

Fotos: iStock

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Region

Es ist keine zwei Monate her,dass in der Schweiz Hundert­tausende Frauen auf die Stras­sen gingen. Sie forderten Gleich­stellung im Job, in der Familien­arbeit, in der Politik. InNational­ und Ständerat ist die­se noch längst nicht erreicht.Während der Frauenanteil in dergrossen Kammer seit 2015 bei32 Prozent liegt, so beträgt er imStöckli gerade mal 15 Prozent.

Am 20.Oktober,wenn das na­tionale Parlament neu gewähltwird, könnte sich das ändern.Schon nur im Kanton Bern sind42 Prozent der Kandidierendenfür die nunmehr 24Nationalrats­sitze Frauen. Das ist neuer Re­kord. Der bisherige Höchststandbetrug 37,9 Prozent und stamm­te aus dem Jahr 2003. Insgesamtkämpfen in Bern 651 Kandida­tinnen undKandidaten umeinenPlatz in der grossen Kammer,wie

die Staatskanzlei gesternmitteil­te. Den höchsten Frauenanteilunter den grösseren Parteienverzeichnen die Grünen. Aufihrer Liste sind 58 Prozentweib­lich. Die SP und die GLP habenauf eine exakteAusgeglichenheitgeachtet. Am anderen Ende be­finden sich die EDU (17 Prozent)und die SVP (29 Prozent).

Wie viele Frauen am 20. Ok­tober dann tatsächlich in denNa­tionalrat gewählt werden, istschwierig abzuschätzen. Bei denletzten beidenWahlen schafftenverhältnismässig mehr Frauenden Sprung ins Parlament, als ihrAnteil an den Kandidierendenvermuten liess. 2015 etwa betrugdieser 27 Prozent. Gewählt wur­den im Kanton Bern aber 10Frauen und 15Männer,was einerQuote von 40 Prozent entspricht.Bis 2007 war es umgekehrt. DerAnteil der Kandidatinnenwar je­

weils höher als jener der effektivgewählten Nationalrätinnen.

Dieses Jahr wollen nicht nurmehr Frauen in die grosse Kam­mer, sondern generell mehr Po­litikinteressierte. Mit 651 Kan­didierenden liegt die Zahl um84 Personen höher als 2015. DieAnzahl Listen ist von 26 auf 34gestiegen, 9 stammen von Jung­parteien. Das Durchschnittsalterist denn auch tiefer als in voran­gehenden Jahren. 37,8 Prozentsind jünger als 30 Jahre (2015:31,9). Erneut treten auch einigeExoten an. So gibt es etwa eineListemit demNamen «Die liebe,sehr sehr liebe Partei».

Überraschungen hingegenbleibenweitgehend aus.Von denbisherigen Nationalräten tretenlediglich Adrian Amstutz (SVP),Hans Grunder (BDP) und Mar­gret Kiener Nellen (SP) nichtmehr an.Und dass Ex­TeleBärn­

Moderatorin Michelle Renaudund Regierungsrätin Beatrice Si­mon für die BDP um einen Sitzkämpfen, ist bekannt. Ebenso dieKandidaturen des StadtbernerGemeinderats Reto Nause (CVP)und des Ex­Gemeinderats Alex­andre Schmidt. Dass allerdingsSchmidts Sohn Adrien ebenfallsin den Ring steigt, ist neu. DerJung­FDPler ist gerade erst 18Jahre alt geworden.

National bekannte Gesichtersind zudem Dimitry Rougy (SP),der das Referendum gegen dieSozialdetektive organisierte,oder der Vater der Hornkuhin­itiative, Armin Capaul, der aufeiner eigenen Liste kandidiert.

Am 20. Oktober wird nebendem Nationalrat auch der Stän­derat gewählt. Die Kandidaturenfür die beiden Berner Sitze imStöckli müssen bis zum 19. Au­gust eingereicht werden. (mab)

Neuer Frauenrekord bei den Kandidierenden

Wer zieht beim Berner Sesseltanz den Kürzeren?Nationalratswahlen 2019

das doppelte Handicap, dass sieein wackliges Restmandat ver­teidigen und auf einen Bisheri­gen verzichten muss. Dennocherklärt die kantonale Parteise­kretärin Aliki Panayides: «Wirsind entschlossen, wieder neunSitze zu holen.Wir glauben nicht,dass wir zittern müssen.» DieBDPhat 2015 einen ihrervier Sit­

ze an die SVP verloren. Sie habeaber sicher dasWählerpotenzialfür drei Sitze, sagt deren Kanto­nalpräsident Jan Gnägi. Seit 2014hat die Berner BDP kontinuier­lich Wähleranteile verloren.«Man prophezeit seit fünf Jahrenunseren Untergang, aber Totge­sagte leben länger», erwidertGnägi. Und er verweist auf sein

Wahlzugpferd Beatrice Simon.Die populäre Regierungsrätinkandidiert nicht nur für denStände­, sondern auch für denNationalrat.

SP­Kantonalsekretär DavidStampfli ist überzeugt, dass sei­ne Partei wie auch die Grünenzulegenwerden – sowie bei denjüngsten Berner und Zürcher

Kantonswahlen. Der SP kommtzugute, dass sie eine abtretendeFrau statt einen Mann ersetzenmuss. Denn die SP­Frauenlisteerhält jeweils mehr Stimmen alsdie Männerliste. Stampfli rech­net damit, dass die zugkräftigeSP­Frauenliste auch mit denzwei Bisherigen Nadine Mass­hardt und Flavia Wasserfallen

wieder drei Sitze holen kann. EinPlatz wäre dann frei für eineNeue – etwa die streitbare, na­tional bekannte Ex­Juso­Präsi­dentin Tamara Funiciello.

Gut gelaunte GrüneBester Laune ist derzeit NatalieImboden, kantonale Co­Präsi­dentin derGrünen. «Wir sind op­

timistisch und kämpfen dafür,den dritten Sitz zurückzuholen,den wir 2015 verloren haben»,sagt sie. Und sie verweist darauf,dass die zwei Megatrends – Kli­maprotest und Frauenpower –ihrer Partei entgegenkommen.Mit 58 Prozent haben die Grü­nen den höchsten Frauenanteilder grösseren Berner Parteien.

Am 20. Oktober bei den Wahlen im Scheinwerferlicht: das Bundeshaus in Bern. 651 Bernerinnen und Berner wollen dort einen Nationalratssitz erobern. Foto: Valérie Chételat

Die Berner Wahlen – Ausgangslage

25Sitze

Grafik: kmh/Quelle: Staatskanzlei Kanton Bern

NationalratAktuelle Sitzverteilung derBerner Parteien, Wahlen 2015

Stimmenanteile in Prozent

BDP 3EVP 1

GLP 2

SP 6

Grüne2

SVP 9

FDP 2

Parteien im Berner Kantonsparlament (Grosser Rat), Grossratswahlen 2018

Berner Parteien Nationalratswahlen 2015

26,6 22,2 9,09,911,6 6,9 6,1 3,7

SVP SP BDPGrüneFDP CVPGLP EVP EDU Div.

SVP SP BDP GrüneFDP CVPGLP EVP EDU Div.

19,733,1 11,8 7,59,3 6,0 4,3 4,0

1,52,8

3,5 0,4

Gibt die Hutkollekte was her? Sind das wirklich alles echte Strassenmusiker? Und: Was machen all die Zürcher in Bern? Zehn Fragen und Antworten rund um das Buskers.

um 21 Uhr – denn wir haben jakeine ‹Headliner›. Und dann hates noch nicht zu viele Leute.»

7. Was sollteman nichtverpassen?

Das 16. Buskers bietet mit 39Gruppen aus 24 Nationen wie­derumein reiches ProgrammausMusik,Theater,Tanz und Kunst.Nicht verpassen sollte man dieFlamenco­Show der FormationAlikindoi aus Barcelona amDon­nerstag um 18 Uhr. In der ähn­lichen Ecke ist das Duo OpalOcean zu verorten, das letztesJahr auch auf dem Gurten zu se­henwar: Die rhythmusgetriebe­ne Mischung aus Pop, Rock undFlamenco – fabriziert nur mitzwei akustischen Gitarren – istgrosse Kunst. Ebenso gekonnt,aber von derMusik her ganz an­ders geartet sind dieAuftritte vonMurrayKyle aus England, dermitder Bassistin Cekka Lou aus Ita­

lien einen herrlichen Slide­Gui­tar­Blues undwunderbareAme­ricana spielt. Native Young istein Indie­Kollektiv, gegründet inSüdafrika, das eineMischung auspsychedelischem Afropop undFolk musiziert. Strassenmusik,wie sie imBuche steht,macht dieaus Grenoble stammende For­mation Faut qu’ça guinche. LesFils Canouchewiederum spielenden Gipsy Swing, der einem di­rekt in die Beine geht. Die dreiDamen von Assurd zeigen, wieechte neapolitanische Popmusikklingt. Zum «Totlachen» ist lautChristine Wyss die belgischeSlapstick­Comedy von SittingDuck.Verpassen sollteman auchnicht die Grossinstallation aufdem Münsterplatz mit acht Me­ter grossen Vögeln.

8. Wieso hörtman amBuskers eigentlich

so viel ZürcherDialekt?

Viele Zürcherinnen und Zürcherfliehen traditionell von der StreetParade, die am selben Wochen­ende stattfindet.Wobei, so vielekönnen es nicht sein: Laut einerUmfrage von 2016 kommen 34Prozent der Besucherinnen undBesucher aus der Stadt, 29 Pro­zent aus der Region, 12 Prozentaus dem übrigen Kanton und 13Prozent aus der Rest­s c h w e i z .Wie vieledavon Zür­cher sind,wissen wirnicht. 11 Pro­zent kommenaus dem Aus­land.

9. Wermacht

eigentlich dielegendärenBuskers-Plakate

mit den grandiosenMotivenund dem öden Schriftzug?VonAnfang an schon ist Duplex,das Atelier für Gestaltung vonRetoMeichtry, für die Plakate zu­ständig. Für jede neue Ausgabekreiert Meichtry ein eigenes Su­jet. Der tolleAufziehvogel in die­sem Jahr ist auch dem Motto

«Sind alle schon da?» geschul­det, so à la «AlleVögel sind schonda».Und schliesslichmüssen diePlakate ja auch immer etwasmitMusik,mit Bern und Sommer zutun haben.DerVogel referenzierthier auf Spatzen, die etwas vonden Dächern pfeifen, und dieZahnräder verweisen auf denZytglogge. In den letzten fünf­

zehn Jahren gab es etlichetolle Plakate.Der ewige Fa­vorit ist fürviele immernoch jenes derersten Ausgabemit der BernerAltstadt alsArchi­pel. Wie originellderweil derSchriftzug noch ist,mit dem U, daseinenHut darstellensoll, lassen wir maldahingestellt.

10. Verkauft Alec vonGraffenried eigentlich

wieder Bändeli?Ja, wird er und muss er wohlauch. Denn zum einen sucht dasBuskers immer ein bisschen ver­zweifelt nach Helferinnen undHelfern. Zum anderen kaufenimmernoch zuwenige Besucherein Bändeli. Laut ChristineWysshaben letztes Jahr Stichprobenergeben, dass nur rund 40 Pro­zent der Festivalbesucher eineskaufen, also Eintritt bezahlt ha­ben. Das sei enttäuschend. «Wirwürden diese Quote gern aufüber 50 Prozent steigern», soWyss. Ein Dreitagespass kostet10 Franken – oder 20 fürGönne­rinnen. Helferinnen und Helfererhalten ein T­Shirt, ein Drei­gangmenü vom Sternekoch undeinen Getränkegutschein.

Martin Burkhalter undMichael Feller

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Fotos: PD