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1 Institut für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen - Destrukturierung in Vietnamkriegsfilmen Bachelorarbeit im Studiengang „Medienbildung: Visuelle Kultur und Kommunikation“ Stefanie Wetteborn Matrikelnummer: 173270 Magdeburg, August 2008

Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

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Inszenierungsstrategien in KriegsfilmenDestrukturierung in Vietnamkriegsfilmen-Bachelorarbeit von Stefanie Wetteborn im Studiengang Medienbildung

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Institut für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften

Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

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Destrukturierung in Vietnamkriegsfilmen

Bachelorarbeit im Studiengang

„Medienbildung: Visuelle Kultur und Kommunikation“

Stefanie Wetteborn

Matrikelnummer: 173270

Magdeburg, August 2008

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Inhalt

1. Einleitung ........................................................................................................ 4

2. Genre Kriegsfilm ............................................................................................. 6

2.1 Definition des Genres ................................................................................................ 6

2.2 Funktionsweisen von Kriegsfilmen ......................................................................... 13

3. Interpretationshypothese .................................................................................17

4. Vorstellung der Untersuchungsmethode..........................................................18

4.1 Vorgehensweise bei der Filmanalyse ...................................................................... 18

4.2 Vorgehensweise bei der Filmauswahl ..................................................................... 19

4.2.1 Vietnamkrieg und seine Besonderheit ............................................................. 19

4.2.2 Begründung der Wahl von Vietnamkriegsfilmen ............................................ 21

4.3 Begründung der Filmauswahl ................................................................................. 23

4.4 Begriffsklärung „Destrukturierung“ ........................................................................ 24

5. Filmanalysen ..................................................................................................25

5.1 Platoon .................................................................................................................... 25

5.1.1 Entstehungsgeschichte des Films .................................................................... 25

5.1.3 Historischer Hintergrund ................................................................................. 26

5.1.4 Narrationsstruktur ............................................................................................ 27

5.1.5 Stilistische Gestaltungsmittel .......................................................................... 31

5.1.6 Auswertung ..................................................................................................... 36

5.2 Full Metal Jacket .................................................................................................... 44

5.2.1 Entstehungsgeschichte des Films .................................................................... 44

5.2.2 Historischer Hintergrund ................................................................................. 45

5.2.3 Narrationsstruktur ............................................................................................ 46

5.2.4 Stilistische Gestaltungsmittel .......................................................................... 50

5.2.5 Auswertung ..................................................................................................... 55

6. Vergleich Platoon und Full Metal Jacket ........................................................63

7. Fazit ...............................................................................................................69

8. Quellen ...........................................................................................................78

8.1 Literaturquellen ....................................................................................................... 78

8.2 Internetquellen ........................................................................................................ 80

9. Anlage ............................................................................................................82

9.1 Filmdaten ................................................................................................................ 82

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9.1.1 Platoon ............................................................................................................ 82

9.1.2 Full Metal Jacket ............................................................................................. 83

9.2 Sequenzprotokoll .................................................................................................... 83

9.2.1 Platoon ............................................................................................................ 83

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1. Einleitung

Kriege sind schon immer Gegenstand von Erzählungen gewesen. Fast jeder

historisch bedeutsame Krieg oder folgenschwere militärische Konflikt hat seine

direkte oder indirekte Darstellung im Medium Film gefunden. Auch wenn die

Darstellbarkeit oder Nichtdarstellbarkeit stets diskutiert werden, haben Regisseure

allezeit versucht, Kriege filmisch aufzuarbeiten. Auf Grund der im Krieg

immanenten physischen und psychischen Bedrohungen, bot sich dieser schon

immer an, um eine dramatische Erzählstruktur entstehen zu lassen.

Der Krieg schafft eigene Gesetze und Regeln und bricht mit den moralischen

Konventionen des Alltagslebens. Dabei stellt er absolute moralische

Vorstellungen in Frage, die Grenzen zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse

verschwimmen (vgl. Mikos, 2004, S.132). So verändert er die Weltanschauung

und spielt auf besondere Weise mit den Gefühlen jedes Einzelnen. Das alltägliche

Verständnis der Welt setzt aus und routinierte Handlungsweisen können in einer

Kriegssituation möglicherweise zum Tode führen (vgl. Mikos, 2004, S.132).

Krieg macht die Befriedigung normaler menschlicher Bedürfnisse nach Nahrung,

Sicherheit und Liebe schwer, bis unmöglich. Emotionale und kognitive

Unsicherheit stellt sich ein, das alltägliche Funktionieren der Welt ist nicht mehr

sichergestellt (vgl. Mikos, 2004, S.132). Dies ist erschreckend und faszinierend

zugleich.

Das Chaos des Krieges, seine Zerstörungskraft, Gesetzlosigkeit und seine

Orientierungslosigkeit finden in den Gewaltdarstellungen in Kriegsfilmen ihre

Abbildung. Diese Darstellungen erschrecken einerseits, auf Grund ihres

Gewaltpotentials und der visualisierten Konsequenzen auf den menschliche

Körper, andererseits faszinieren sie aber auch, weil sie tragische menschliche

Schicksale, aber auch Gefühle wie Liebe, Hass und Angst aufgreifen und um ein

Vielfaches verstärken.

Die Emotionalisierung des Zuschauers erfolgt über die direkte physische und

psychische Gewalt an den Menschen. Um dem Anspruch auf möglichst

realistische Darstellung im Kriegsfilm gerecht zu werden, setzen die Filmemacher

verschiedene Visualisierungstechniken ein. Die Authentizität in der

Kriegsdarstellung kann sowohl durch Kameraästhetik (Kameraperspektive, -

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einstellung, -position und -fahrt) als auch durch die Montage, Sprache, Musik,

Ton, die narrative Struktur und den Einsatz von realen Schauplätzen erzeugt

werden.

Mein Ziel ist es, mich mit formatspezifischen Strategien der Inszenierung von

Kriegsgeschehen auseinanderzusetzen.

Zuerst definiere ich den Begriff Kriegsfilm und erläutere die Merkmale des

Genres in Abgrenzung zu ähnlichen Filmgenres und gehe auf unterschiedliche

Wirkungsweisen von Kriegsfilmen ein. Als nächstes gehe ich auf mein

Forschungsthema ein und formuliere meine Interpretationshypothese. Im

Anschluss daran stelle ich meine Untersuchungsmethode vor, erläutere meine

Vorgehensweise bei der Filmanalyse, meine Vorgehensweise bei der

Filmauswahl, die ich auch begründe und kläre dann den Begriff der

„Destrukturierung“. An die Vorstellung meiner Untersuchungsmethode schließen

sich die Analysen der Filme Platoon und Full Metal Jacket an, um sie im

nächsten Schritt hinsichtlich meiner Interpretationshypothese miteinander zu

vergleichen und den Vergleich auszuwerten.

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2. Genre Kriegsfilm

2.1 Definition des Genres

Schlachtenszenarien und Kriegsgeschehen sind seit der Entstehung des Mediums

Film fundamentale und genreübergreifende Bestandteile der Erzählungen (vgl.

Klein, 2006, S.9). Dabei sind Kriegsfilme als mediale Reflexionen moderner

Kriege zu verstehen.

Ich beziehe mich in meiner Definition von Kriegsfilm auf diejenigen fiktionalen,

nicht dokumentarischen Spielfilme, die kriegerische Auseinandersetzungen seit

dem Ersten Weltkrieg zum Thema haben. Ich gehe also von den modernen und

technisierten Kriegen aus, deren filmische Reproduktion zum Zeitpunkt ihres

Stattfindens schon möglich war und genutzt wurde (vgl. Mikos, 2004, S.130). Die

Unterscheidung zu anderen Filmen, die eine Darstellung von Kriegen inne haben,

die länger zurückliegen, ist die, dass Filme, wie Der Patriot (USA 2000), der den

amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aufgreift, zwar die Ikonografie eines

Kriegsfilms zitieren, allerdings eher ein Ereignis der amerikanischen Geschichte

mit den Mitteln des Genres Kriegsfilm darstellen. Hier ergibt sich eine Mischung

der Genres Historienfilm und Kriegsfilm, die auch auf andere Filme, wie

Alexander (USA 2004) von Oliver Stone, zutrifft.

Es gibt zahlreiche Hybridformen von Filmen, die einen Krieg zum Hintergrund

ihrer Narration haben und typische Handlungsmuster von Kriegsfilmen

aufgreifen, wie Kriegskomödien, Kriegsdramen, Lagerfilme,

Widerstandsgeschichten, Flüchtlingsschicksale oder Spionagefilme (vgl. Klein,

2006, S.11). Deshalb ist es von Bedeutung, für den Kriegsfilm eigene

genrespezifische Merkmale zu finden, die ihn von den Filmen trennt, deren

erzählerische Standards auch Kriege und Schlachten sind.

Ich erläutere im Folgenden verschiedenen genrespezifischen Gestaltungselemente,

die im Kriegsfilm eine wesentliche Rolle spielen.

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Gewaltszenen

Ein essentielles Merkmal von Kriegsfilmen ist die explizite Darstellung von

Gewalt und Kämpfen zwischen Soldaten. Für Filme, die sich auf die Darstellung

von Kampf- und Gefechtsszenen beschränken, kann als genauere Bezeichnung der

im Englischen verwendete Begriff Combat Film (englisch für „Kampffilm“)

genannt werden (vgl. Klein, 2006, S.11). Für die Gewaltdarstellung sind Kampf-

und Schlachtszenen zentral. Dabei nehmen Schlachten dramaturgisch eine

herausragende Funktion ein, denn sie können beispielsweise der Wendepunkt der

Geschichte sein, an dem sich das weitere Schicksal des Helden entscheidet (vgl.

Mikos, 2004, S.132). Kampfszenen bergen einerseits höchste brutale und

kaltblütige Emotionslosigkeit und andererseits sind sie durch Themen wie Hass,

Tod und Gewalt stark emotional besetzt (vgl. Mikos, 2004, S.132). Gerade durch

die Darstellung psychischer und physischer Gewalt am Menschen erfolgt eine

Emotionalisierung des Zuschauers. So gelingt es dem Regisseur und Autor

Michael Cimino in Die durch die Hölle gehen eine Folterszene im

Gefangenenlager, in welchem die Gefangenen zum russischen Roulette

gezwungen werden durch die realistische Darstellung eines Kopfschusses und der

Todesangst der Delinquenten so stark emotional aufzuladen, dass sich der

Zuschauer der Bedrohungssituation kaum entziehen kann (vgl. Kladzinski, 2005,

S.41).

Gewalt kann im Kriegsfilm auch implizit dargestellt werden, denn selbst in der

Darstellung der Leiden und Schmerzen der Opfer, die ein Krieg hervorbringt, ist

eine Gewaltdarstellung enthalten. Gewalt wird hierbei nicht direkt visualisiert,

sondern dem Zuschauer als Ursache der Leiden präsentiert, ist also mittelbar

wahrzunehmen (vgl. Mikos, 2004, S.138).

Es ist wichtig für die Bewertung von Kriegsfilmen, die Gewaltszenen im Kontext

der Handlung und Erzählung des Films zu sehen, denn dieser Kontext strukturiert

die Rezeption des Zuschauers. Die Narration des Films wird zu einem großen Teil

durch die Darstellung des Protagonisten, der Heldenfigur, bestimmt.

Gewaltszenen haben innerhalb dieser Narration eine wichtige Funktion, allerdings

ist die Funktion je nach Heldentypus unterschiedlich (vgl. Mikos, 2004, S.132).

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Inszenierung des Helden

Die soeben erläuterte Gewaltdarstellung im Kriegsfilm geht also einher mit der

narrativen Einbindung des Helden in die Geschichte des Films. Verschiedene

Inszenierungsweisen sind mit der unterschiedlichen Darstellung von Helden

gekoppelt (vgl. Mikos, 2004, S.134). Wie die Helden (ob als Individuum oder in

der Gruppe) mit den Erfordernissen des Krieges umgehen, bestimmt deren

Entwicklung. In Schlachtszenen ist der Typus des Helden allerdings

hintergründig, da hier die immer wiederkehrenden Muster des Actionkinos

aufgegriffen werden (vgl. Mikos, 2004, S.134).

Der Fernsehwissenschaftler Prof. Dr. Lothar Mikos1 unterscheidet in dem Buch

„Krieg in Medien“ drei unterschiedliche Heldentypen, deren Inszenierung die

Erzählstruktur der Geschichte mitbestimmen:

I. Der patriotische Held folgt der Logik des Krieges überzeugt und

unhinterfragt. Die Geschichte wird meist aus der Perspektive dieses

Helden erzählt. Rambo kann als Prototyp für diesen Typus gelten, der

ähnliche Eigenschaften hat, wie ein Westerner: Er ist eigenbrötlerisch,

schweigsam und vollkommen seiner Mission verschrieben. Der Feind und

die Opfer bleiben anonym und werden entindividualisiert (vgl. Mikos,

2004, S.138). Die Narration folgt somit einem eindeutigen Freund-Feind-

Schema. Ein Beispiel für diese Darstellung des Helden ist auch der Film

Die grünen Teufel (USA 1968) mit John Wayne. Hier zeigt sich auch, dass

in Zusammenhang mit diesem zum Actiongenre tendierenden Filmen klar

die Inszenierung von Männlichkeit steht. Die angewandte Gewalt kann als

Mittel zur Darstellung dieser Männlichkeit verstanden werden (vgl. Mikos,

2004, S.135).

II. Der durch die Umstände des Krieges moralisch desorientierte Held versucht

der Kriegslogik so gut es geht zu folgen, um zu überleben. Seine

1 Lothar Mikos ist Autor, Journalist und Redakteur mit Arbeitsschwerunkten, wie Fernsehtheorie,

Film- und Fernsehanalyse, Gewaltdarstellungen in den Medien oder Rezeptionstheorie und –

forschung. Seit 1999 ist er Professor für Fernsehwissenschaft an der Hochschule für Film und

Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg (vgl. Mikos, 2008).

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patriotischen Absichten bleiben eher im Hintergrund. Die Anwendung von

Gewalt passiert hier von Seiten des Helden nur dann, wenn es einen Befehl

dazu gibt oder wenn das Leben des Helden davon abhängt. Dieser Einsatz

wird so gut wie immer mit der persönlichen Konfrontation des Helden

begründet und dadurch rationalisiert (vgl. Mikos, 2004, S.136).

III. Der zu Desillusionierung und Fatalismus neigende Held versucht trotz der

Grausamkeiten des Krieges, Individuum zu bleiben und wendet sich im

Erkennen der Kriegslogik von ihr ab. Durch diese Bewusstwerdung findet er

zu sich selbst zurück.

Der Logik des Kriegsfilms folgend sind positive Helden solche, die körperlich

unversehrt sind und gestärkten aus dem Kampf hervorgehen. Negative Helden

hingegen sind die körperlich und moralisch geschwächten Protagonisten (vgl.

Mikos, 2004, S.133).

Im Gegensatz zu dem unter I. vorgestellten Heldentypus haben die Opfer bei den

anderen beiden Heldeninszenierungen ein Gesicht. Ihr Tod ist nicht durch die

allgemeinen Umstände der Kriegsführung begründet hinzunehmen, sondern

narrativ in den Kontext des Film eingebunden und aus diesem heraus begründet

(vgl. Mikos, 2004, S.137).

Identifikationsangebote

Bei der Visualisierung von Kriegshandlungen und Gewaltakten geht, liegt der

Fokus von Kriegsfilmen klar auf der Darstellung von Männern. Als Protagonisten,

die als Einzelkämpfer oder in einer Gruppe auftreten, die sich aus

Persönlichkeiten unterschiedlicher sozialer Herkunft und gesellschaftlicher

Schichten zusammensetzt, bestimmen sie die Narration (vgl. Kladzinski, 2005,

S.42). Die Einstellungen der Gruppenmitglieder zum Krieg, ihre persönlichen

Ansichten und Standpunkte werden dann meist in ihrem Verhalten in

verschiedenen Situationen sichtbar. Die gefährliche Lage, in der sich die Gruppe

befindet, zwingt diese zu Zusammenhalt, der sich in Krisensituationen als

überlebenswichtig erweist. Durch die Darstellung so unterschiedlicher Charaktere

kann der Kriegsfilm eine hohe Zahl an Identifikationsfiguren bereitstellen. Diese

Identifikationen offerieren dem Zuschauer einen gefahrenfreien Raum, in dem

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Problembehandlungen durchgespielt werden können (vgl. Kladzinski, 2005,

S.43).

Frauen bergen in Kriegsfilmen selten Identifikationspotential, da sie als

Identifikationsfiguren kaum angeboten werden. Sie treten als Mütter, Ehefrauen,

Krankenschwestern, Opfer oder Prostituierte auf und wenn sie nicht als sexuelle

Objekte angesehen werden, stehen sie für Heimat, Geborgenheit und Frieden (vgl.

Klein, 2006, S.14).

Gut-Böse-Schema

Um dem Zuschauer diese Identifikation zu erleichtern, arbeitet der Kriegsfilm in

vielen Fällen mit dem polaren Grundmuster des Freund-Feind- oder Gut-Böse-

Schemas. Mit Hilfe von festgelegten Merkmalen, wie Mimik, Gestik, einer

unsympathischen Physiognomie, dunkler Kleidung und unangemessenem

Verhalten, werden dem Gegner negative Eigenschaften zugeschrieben (vgl.

Kladzinski, 2005, S.43). Daneben erfolgt eine Entindividualisierung des Feindes

in Vietnamkriegsfilmen. Der Feind ist oft anonymisiert und kaum sichtbar. Dies

verhindert die Solidarisierung des Zuschauers mit dem Gegner und erleichtert die

Solidarisierung mit dem Helden. Eine moralische Rechtfertigung der Gewalttaten,

die von dem ersten Heldentypus verübt werden, wird in solcher Art von

Kriegsfilmen wenig oder gar nicht differenziert erörtert (vgl. Gottberg, 2004,

S.93). Vielmehr kann der Held seine überlegene Kraft und Strategie beweisen,

tritt furchtlos auf und hält größte Anstrengungen und Verletzungen aus (vgl.

Gottberg, 2004, S.93).

Bilder vom Tod

Die Darstellung von Tod auf der Leinwand hat im Laufe der Entwicklung des

Mediums Film einen Wandel vollzogen. Der Tod oder tote Soldatenkörper wurde

so gut wie nie visualisiert. Dies ist vor allem für Filme signifikant, die während

eines Krieges produziert wurden und Propagandazwecken dienten. Eine

kriegführende Partei musste die direkte Darstellung der negativen Seiten des

Krieges, des Leidens und der Schmerzen vermeiden, um die Kriegsmoral und

damit den Rückhalt der Bevölkerung nicht zu gefährden. Nach dem Zweiten

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Weltkrieg nahmen dann Darstellungen des Todes zu (vgl. Kladzinski, 2005, S.

44).

Bei der Visualisierung des Todes, ist es wichtig, zwischen dem Tod des Helden

und dem des Feindes zu unterscheiden. Der Filmtod es Helden ist oft persönlicher

und emotionaler dargestellt als der des Gegners. Das Sterben des Feindes ist eher

nüchtern und unspektakulär inszeniert, was wieder verhindert, dass sich der

Zuschauer emotional mit dem Bösen verbunden fühlt (vgl. Kladzinski, 2005,

S.44).

Ein Gestaltungsmittel zur Verdeutlichung der Auffassung, dass im Krieg auf

beiden Seiten nur Opfer agieren und das Kriegsgeschehen einen komplexeren

Blickwinkel als das Gut-Böse-Schema erfordere, ist die zumeist unspektakuläre

und nüchterne Darstellung des Todes einer Identifikationsfigur, des Protagonisten

beispielsweise oder aber die hoch emotionale Darstellung des Todes eines

Feindes.

Schauplätze

Die Schauplätze, an denen ein Film spielt, bestimmen maßgeblich die

Dramaturgie und sind wie die Inszenierung des Helden und die Darstellung des

Feindes ein ikonographisches Merkmal von Kriegsfilmen. Typische Settings im

Kriegsfilm sind beispielsweise Schützengräben mit Maschinengewehrstellungen

und Unterständen oder von Leichen und Stacheldraht übersäte und von

Bombenkratern zerfurchte Schlachtfeld zwischen feindlichen Stellungen.

Genretypische Inszenierungsräume, die die Destruktionskraft der Waffengewalt

am eindrucksvollsten darstellen, sind Landschaften und die Natur. Die Zerstörung

und Ausrottung als die Bestimmung von Kriegstechnologie wird durch die

Darstellung im starken Kontrast zu einer prosperierenden Naturumgebung

besonders bekräftigt, wie beispielsweise in den Bildern des brennenden

Palmenwalds in Francis Ford Coppolas Apocalypse Now (USA 1979) (vgl.

Kladzinski, 2005, S.41).

Sonderformen des Kriegsfilms und Phänomene des Krieges sind dabei an die

Schauplätze gebunden und wirken sich auf die Gestaltung der Filme aus (vgl.

Klein, 2006, S.13).

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Für den Vietnamkrieg ist das Setting des Dschungels charakteristisch. Er steht für

die Unübersichtlichkeit des Geländes, die Orientierungslosigkeit durch fehlende

Anhaltspunkte, die Fremdheit der landschaftlichen Gegebenheiten und die Gefahr,

die vom fast unsichtbaren Gegner ausgeht (vgl. Klein, 2006, S.14).

Für Kriegsfilme, die sich auf den Kampf in der Wüste beispielsweise

konzentrieren, sind Aspekte wie weite Distanzen, Hitze, Durst,

Orientierungslosigkeit und Sonne maßgeblich an der Formung der Geschichte

beteiligt (vgl. Klein, 2006, S.14).

Motive

Kriegsfilme arbeiten mit einer Vielzahl von Motiven, die als wiederkehrende

Muster herauszulesen sind.

Kameradschaft, Männlichkeit und Zusammenhalt nehmen dabei eine spezifische

Rolle ein. Dabei ist ein Motiv beispielsweise der innere Konflikt der Gruppe, die

sich aus unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Persönlichkeiten

zusammensetzt. Diese zum Beispiel hierarchischen Konflikte können den Kampf

gegen den Feind erschweren und die Gruppenmitglieder psychisch belasten (vgl.

Klein, 2006, S.15).

Ein Motiv kann auch die Eingliederung eines neuen unerfahrenen Soldaten in die

Gruppe sein, der sich und seinen Mut den anderen und selbst gegenüber zunächst

beweisen muss. Der meist adoleszente Protagonist wird sich durch die Teilnahme

an dem, ihn auf jeder Ebene fordernden Krieg ohne heimatliche

Rückzugsmöglichkeit zum ersten Mal seiner Verantwortung bewusst und darüber

zum Mann (vgl. Büttner, 2004, S.80). Hier wird der Krieg als Initiation

dargestellt, als Plattform für Entwicklungs-, Lern- oder Erziehungsprozesse. Die

im Kampf enthaltene Aggressivität kann wie in Pearl Harbour (USA 2001) als

Reifeprozess kanalisiert werden (vgl. Büttner, 2004, S.80).

Die Situation des Wartens auf Feindkontakt kann durch die Darstellung des

Verhältnisses von Zeit und Raum visualisiert werden, wie in Das Boot (D 1981)

von Wolfgang Petersen. Die Belastungssituation der Protagonisten entsteht dort

paradoxerweise durch das Fehlen einer Kampfsituation. Durch Untätigkeit ist der

Soldat mit seinen Gedanken allein und wird sich seiner Angst vor dem Tod und

der Unausweichlichkeit schmerzlich bewusst. Die Freude über einen

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Kampfeinsatz, ist mehr die Freude darüber, sich aktiv am Verlauf des eigenen

Schicksals beteiligen zu können und dem Feind nicht passiv ausgeliefert zu sein

(vgl. Klein, 2006, S.12 f.).

Genretypische Stationen auf dem Weg in den Kriegsalltag als Standards der

Erzählung sind die Heimat, der Erhalt des Einberufungsbescheids oder die

freiwillige Meldung zum Kriegsdienst und die damit verbundene Euphorie und

die Situation des Abschieds. Im Feindgebiet oder auf dem Schlachtfeld

angekommen erfährt der Held dann die ganze harte Brutalität des Krieges, macht

die ersten Begegnungen mit dem Tod. Auch die Heimkehr wird in manchen

Kriegsfilmen, auch „Coming Home“-Filme genannt, inszeniert und ist ein

gängiges Motiv des Kriegsfilms.

2.2 Funktionsweisen von Kriegsfilmen

Fiktion und Realität

Kriegsfilme dienen oft als Informationsquelle für historisches Wissen, da sie einen

vermeintlich dokumentarischen Charakter haben. Auf der einen Seite ist der

Kriegsfilm nicht mit der Realität des Krieges vergleichbar. Zum Beispiel

unterscheidet sich die zivilisierte Logik der Zuschauer, die einen Film vor dem

Hintergrund zivilisierter Werte betrachten, von der unzivilisierten Logik des

Kriegs, in dem es um Überleben und Töten geht (vgl. Mikos, 2004, S.133). Und

auf der anderen Seite besitz er eine gewisse Ähnlichkeit zur Realität (vgl. Büttner,

2004, S.81). Der Kriegsfilm folgt einem bestimmten Drehbuch und den

Anweisungen eines Regisseurs, während der reale Krieg mehren Regisseuren

folgt und dessen Verlauf nicht einem festgeschriebenen Drehbuch folgt, sondern

unvorhersehbar ist (vgl. Büttner, 2004, S.81). Kriegsfilme verweben Realität und

Fiktion wie kein anderes Genre (vgl. Mikos, 2004, S.129). Sie erzählen meist eine

erfundene Geschichte mit erfundenen Charakteren, doch spielen in Kriegen, die

tatsächlich stattgefunden haben. Solche Kriegsfilme haben daher einen gewissen

Mindestgrad von Authentizität, weil der Zuschauer häufig mit dem Krieg, dessen

Verlauf und Ausgang vertraut ist, zumindest aber weiß, dass der dargestellte Krieg

nicht fiktional ist.

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Kriegsfilm und Politik

Die in Kriegsfilmen dargestellte Komplexität politisch militärischer Prozesse wird

höchst unvollkommen erzählt (vgl. Büttner, 2004, S.82), da die künstlerische

Freiheit mit Umgestaltungen arbeiten muss, will sie künstlerisch überzeugen und

gleichzeitig publikumswirksam sein. Vor diesem Hintergrund wird die Story

meist auf einen Zweikampf reduziert, der die komplexen gesellschaftlichen und

historischen Verhältnisse für den Zuschauer vereinfacht. Der Kriegsfilm bedient

sich für diese Vereinfachung häufig eines familiären Rahmens, in dem die

Protagonisten präsentiert werden (vgl. Büttner, 2004, S.82). Die Reduzierung der

Fakten und Zusammenhänge ist ein gebräuchliches Vorgehen Kriege auch in dem

Fall zu legitimieren, in denen sie als unmenschlich und ungerecht gelten (vgl.

Büttner, 2004, S.82). Die meisten Menschen lehnen Krieg als Alternative ab und

Medien als Schauplatz des Rechtfertigungsdiskurses sind das effektivste Mittel,

militärisches Eingreifen zu legitimieren und so politische Steuerungsprozesse

voranzutreiben (vgl. Müller, 2004, S.15).

Dass der Kriegsfilm auch als Entwurf politisch-militärischer Realität

funktionieren kann, ist an der Zusammenarbeit zwischen US-Militär und

Produktionsfirmen wie während der Planung und des Drehs von Black Hawk

Down (USA 2001) zu erkennen. Das Pentagon der Vereinigten Staaten stellte den

Filmemachern ca. 100 Elitesoldaten und 8 Helikopter für die Dreharbeiten bereit,

da der Film seiner Ansicht nach geeignet war, die öffentliche Meinung über das

Engagement der US-Truppen in Somalia 1993 zu begünstigen (vgl. Büttner, 2004,

S.80). Seit dem Beginn der Kooperation mit Hollywood hat das amerikanische

Militär mehr als 150 Filmproduktionen mit Beistellungen unterstützt (vgl.

Büttner, 2004, S.80).

Kriegsfilm und Jugendschutz

Gesellschaftliche Tabus und die zivile Ordnung sind im Krieg außer Kraft gesetzt.

Verwundungen, Sterben und der Tod sind allgegenwärtig. Kriegsfilme stellen dies

auf sehr unterschiedliche Art dar. Auf der bildlichen Ebene kann Gewalt direkt

oder implizit dargestellt werden. Schon auf Grund dieser Gewaltthematik sind

Kriegsfilme jugendschutzrelevant.

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Nach dem Jugendschutzgesetz dürfen Filme nicht freigegeben werden, wenn der

Krieg verherrlicht oder verharmlost wird, oder Krieg als Plattform männlichen

Abenteuer- und Heldentums dient. Es droht die Indizierung durch die

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, wenn die Entwicklung von

Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und

gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährdet wird (vgl. Gottberg, 2004, S.92).

Künstlerische Produkte mit Kriegsthematiken sind dann verboten, wenn sie

Strafbestände wie „Verherrlichung von Gewalt“, „Aufstachelung zum

Rassenhass“, „Volksverhetzung“, „Belohnung und Billigung von Straftaten“ oder

„Vorbereitung eines Angriffskriegs“ erfüllen (vgl. Büttner, 2004, S.75).

Kriegsszenarien können als Projektionsfläche für unmoralische Gefühle herhalten.

Denn wenn der Krieg beispielsweise als Folie für männliche Abenteuerlust

benutzt wird und das Töten anderer zur Tugend wird, besteht besonders für junge

Zuschauer die Gefahr, Krieg als etwas Positives wahrzunehmen (vgl. Gottberg,

2004, S.94). Solche eine Identifikation wird dann durch eindringliche Bilder und

eine eindringliche Dramaturgie erleichtert: der Zuschauer leidet mit den Figuren

mit und die Gefühle des Zuschauers werden positiv bestätigt, wenn der Held am

Ende gewinnt.

Wirkungspsychologisch verfolgt der Kriegsfilm ähnliche Dramaturgie wie der

Actionfilm: Der Held gerät in eine Situation, in der ihm nichts anderes übrig

bleibt, als der Bedrohung mit Gewalt zu begegnen (vgl. Gottberg, 2004, S.94).

Der Feind ist meist selber gewaltorientiert und skrupellos und seine Bedrohung ist

die moralische Rechtfertigung und Legitimation für das Handeln des Helden (vgl.

Gottberg, 2004, S.94). Der Kriegsfilm kommt also nicht ohne moralische

Kategorie aus. Der Zuschauer will die Gewaltrezeption genießen, braucht also

eine Legitimation, diese Gewalt ohne Mitleid dem Feind gegenüber konsumieren

zu können. Gleichzeitig muss er eine gewisse Akzeptanz für das Handeln des

Helden aufbringen. Je brutaler der Feind dargestellt wird, desto größer ist das

Rachebedürfnis des Zuschauers und desto größer ist auch die Akzeptanz von

Gewaltanwendung (vgl. Gottberg, 2004, S.101).

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Antikriegsfilm

Filme mit der Intention beim Zuschauer eine Ablehnung des Kriegs zu erzeugen,

die sogenannten Antikriegsfilme, versuchen, beim Zuschauer zu beiden Seiten

Empathie aufzubauen und das Gut-Böse-Schema aufzuheben (vgl. Gottberg,

2004, S.102). Sie verzichten dabei auf den Aufbau von Rachegedanken, der beim

Zuschauer Gewalt legitimieren würde.

Allerdings arbeitet auch der Antikriegsfilm mit Identifizierungsangeboten, denn

nur wenn der Zuschauer die Gewalt aus der Perspektive einer ihm nahe stehenden

Person miterleben kann, kann er die menschenverachtende Brutalität, die dem

Krieg innewohnt, mitfühlen und ablehnen (vgl. Gottberg, 2004, S.102). Die

Kriegsseite, aus derer Perspektive der Zuschauer den Film verfolgt, ist nicht

heldenhaft oder moralisch einwandfrei inszeniert, sondern geht auch brutal und

menschenverachtend vor. Manchmal bedient sich der Antikriegsfilm der

Gegenüberstellung von Privatsphäre und Kriegsszenario, um zu zeigen, wie sich

freundliche junge Männer durch die Kriegssituation verändern.

Ein weiteres formales Mittel des Antikriegsfilms ist die Verwendung extrem

abstoßender brutaler Bilder, um beim Zuschauer eine ablehnende Haltung

gegenüber Gewalt an Menschen zu erreichen.

Der Antikriegsfilm und der Krieg teilen eine Gemeinsamkeit: Sie handeln beide in

dem Glauben, die moralisch richtige Auffassung zu vertreten und die

„Ungläubigen“ zu belehren (vgl. Schmitt, 2004, S.122).

Jeder Film verfolgt ein bestimmtes Unterhaltungsziel. Emotionen wie Trauer,

Freude und Angst sollen hervorgerufen werden. Da menschliche Emotionen aber

individueller Natur sind, können bestimmte Darstellungen unterschiedliche

Empfindungen beim Zuschauer hervorrufen. Dies wirkt sich auf die Bewertung

des Gesehenen aus. Die Szenen eines Antikriegsfilms müssen daher nicht bei

allen Zuschauern eine abschreckende Wirkung erzeugen. Auch bei der

intensivsten antimilitärischen Absicht kann der Zuschauer auch positiv

angesprochen werden (vgl. Mikos, 2004, S.133). Die Wahrnehmung ob ein

Kriegsfilm nun auch als Antikriegsfilm wahrgenommen wird, ist demnach hoch

subjektiv. Hier wird deutlich, dass sich Filme in den Köpfen der Zuschauer ganz

unterschiedlich zusammensetzen und biographische Voraussetzungen und

Voreinstellungen für die Interpretation verantwortlich sind.

Page 17: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

17

3. Interpretationshypothese

Kriege stehen für Chaos, Gesetzlosigkeit und Orientierungslosigkeit. Ein

wesentliches Merkmal von Kriegsfilmen ist die zerstörerische Gewalt, die dem

Zuschauer in Form von Bildern der Destruktion nahe gebracht wird. Doch diese

Destruktion findet in verschiedenen Kontexten statt und kann daher nicht immer

als Destruktion in Sinne von reiner Zerstörung bezeichnet werden. Hier tritt der

Begriff der Destrukturierung in den Vordergrund. Diese meint den Prozess der

Abtragung und Zerstörung von Strukturen, um diese Strukturen durch ihre

Reduzierung umzuformen und möglicherweise andere Sachverhalte sichtbar zu

machen. Meine Interpretationshypothese lautet infolgedessen:

In Kriegsfilmen finden auf verschiedenen Ebenen

Destrukturierungen statt, die je nach Art und Beschaffenheit der

Ebene durch unterschiedliche Inszenierungsstrategien filmisch

umgesetzt werden.

Gemeint ist hiermit, dass die Strukturen der Gegenstände auf der materiellen

Ebene andere sind als die der Gegenstände, die auf der narrativen Ebene behandelt

werden. Diesem Unterschied ist dann die differenzierte Inszenierung geschuldet.

Es gibt verschiedene Arten von Destrukturierung im Film und verschiedene

Ebenen auf denen Destrukturierung funktioniert, wie zum Beispiel der Bildebene

und der Erzählebene. Auf der Bildebene wird eine Destrukturierung von

Körpergefügen oder Städten beispielsweise inszeniert. Auf der narrativen Ebene

erfolgen Sinndestrukturierungen.

In den folgenden Filmanalysen gehe ich drauf ein, auf welche Ebenen der Begriff

der Destrukturierung angewendet werden kann und welche

Inszenierungsstrategien genutzt werden, um dem Zuschauer diese Zerstörung von

Strukturen deutlich zu machen.

Page 18: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

18

4. Vorstellung der Untersuchungsmethode

4.1 Vorgehensweise bei der Filmanalyse

Die Filmwissenschaft ist als eine ganzheitliche Disziplin zu sehen und darf sich

nicht auf die literaturwissenschaftlich orientierte Filmwissenschaft reduzieren

lassen. Es wäre fatal, sich hermeneutisch auf eine Teildisziplin der

Filmwissenschaft zu beschränken, da ihr Gegenstand der Film selbst mit einer

Gleichbehandlung von unterschiedlichen Zeichensystemen wie Bild, Ton und

Sprache arbeitet. Dabei ist die wichtigste Eigenschaft des Films, erzählerische

Bedeutungszusammenhänge zu schaffen, indem er mehrere Zeichen- und

Handlungssysteme miteinander verbindet. Deshalb ist für die besondere Wirkung

des Films die Synchronisierung des Zusammenspiels der Zeichensysteme

entscheidend, die bedeutungstragende, bedeutungsändernde und

bedeutungsbildende Elemente, wie Dramaturgie, Fotografie, Sprache und Musik

organisieren. Dabei muss eine Gleichbehandlung von Sprache, Ton und Bild

erfolgen, um eine ganzheitliche Analyse vornehmen zu können.

Der Ansatz des Neoformalismus, wie ihn David Bordwell und Kristin Thompson

in ihrem Buch „Film Art. An Introduction“ beschreiben, ist ein geeigneter Ansatz,

um dieser Ganzheitlichkeit entgegenzukommen und in der Filmanalyse Ausdruck

zu verleihen. Auch ich bediene mich in dieser Arbeit des neoformalistischen

Analysemodells.

Bei meiner Arbeit am Film werde ich zuerst Platoon auf seine Narrationsstruktur

und seine stilistischen Gestaltungsmittel hin untersuchen und meine Erkenntnisse

abschließend zusammenfassen. Daran schließt sich die Filmanalyse von Full

Metal Jacket an. Im nächsten Schritt vergleiche ich die beiden Filme in Bezug auf

ihre gestalterischen Unterschiede und ziehe dann im Fazit meine Schlüsse

hinsichtlich der Interpretationshypothese.

Page 19: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

19

4.2 Vorgehensweise bei der Filmauswahl

4.2.1 Vietnamkrieg und seine Besonderheit

Die USA begannen im Februar 1965 mit systematischen Bombenangriffen auf

strategisch wichtige, wirtschaftliche und militärische Ziele in Nord-Vietnam.

Auch der so genannte Ho-Chi-Minh-Pfad in Laos und Kambodscha, über den der

Vietcong seinen Nachschub aus dem Norden Vietnams erhielt, wurde angegriffen.

Die USA versuchten das Vordringen des Kommunismus von Nordvietnam nach

Südvietnam zu verhindern. Dabei stellte Vietnam einen Vorposten der freien Welt

in Südostasien dar, den es zu verteidigen galt (vgl. Greiner, 2007, S.11).

Der Vietnam-Krieg war ein asymmetrischer Krieg, was bedeutet, dass die

Kriegsparteien mit einer qualitativ unterschiedlichen Ausrüstung kämpften, die

Kämpfer unterschiedlich ausgebildet waren und auch das grundsätzliche

Verständnis eines Krieges differierte (vgl. Greiner, 2007, S.44). Die

Überlegenheit in der Bewaffnung der Vereinigten Staaten war nicht unbedingt

von Vorteil. Solange der Vietcong als der schwächere Gegner nicht verloren hatte,

war er der Sieger und je länger sich dieser Zustand hinzog, desto schwerer wurde

es für die USA den Sieg davon zu tragen (vgl. Greiner, 2007, S.44). Der Feind

war in Vietnam war für die US-Army weder wirklich greif- noch sichtbar und so

dominierte der Vietcong das Kampfgeschehen, indem er bestimmte, wann und wo

die Angriffe passierten (vgl. Greiner, 2007, S.35). Die technische Überlegenheit

der Amerikaner nutzte ihnen wenig, da sie den Nordvietnamesen und dem

Vietcong keine sichtbaren Schäden zufügen konnten, aber umso mehr an

Verlusten in den eigenen Reihen litten (vgl. Greiner, 2007, S.35). Die

Kampftruppen, die die größte Last des Krieges trugen, stellten nicht etwa einen

repräsentativen Querschnitt der amerikanischen Bevölkerung, sondern bestanden

überwiegend aus den jungen und sozial schlechter gestellten Menschen der

Gesellschaft (vgl. Greiner, 2007, S.33). Durch die fehlenden sichtbaren Erfolge

sanken die Motivation und die Bereitschaft der Soldaten, eigene Verluste in Kauf

zu nehmen. Die Bereitschaft zu exzessiver Gewalt jedoch nahm in diesem

Kriegsmilieu allerdings drastisch zu (vgl. Greiner, 2007, S.44).

Page 20: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

20

Den Beginn des Jahres 1968 feierten die Vietnamesen mit den traditionellen Tet-

Feierlichkeiten, während die nordvietnamesischen Truppen die sogenannte Tet-

Offensive einleiteten (vgl. Klein, 2006, S.301). Mit der Tet-Offensive stieg die

Zahl der Gewaltakte amerikanischer Soldaten gegen vietnamesische Zivilisten

sprunghaft an und die Zahl der blutigen Auseinandersetzungen erreichte ihren

Höhepunkt. Presse und Berichterstattung nahmen sich dem Thema nur eher

beiläufig an und im Fernsehen wurde kaum darüber berichtet. Die öffentliche

Berichterstattung hielt an der Meinung fest, man müsse in Vietnam weiter die

Demokratie verteidigen. Zwar wurde in der Öffentlichkeit gerade nach der Tet-

Offensive die Kritik immer lauter, diese galt allerdings eher der amerikanischen

Vorgehensweise und nicht der Kriegsziele im Allgemeinen (vgl. Greiner, 2007,

S.11). Erst als das “Massaker von My Lai“, bei welchem US-Soldaten am 16.

März 1968 ca. 500 Menschen, darunter überwiegend Frauen, Kinder und Greise

getötet hatten, mehr als ein Jahr später bekannt wurde, gab es einen Umschwung

der öffentlichen Meinung in den USA.

Die Bilanz des Krieges war erschütternd. In Vietnam wurden soviele

Vernichtungsmittel eingesetzt, wie nirgends sonst in einem Krieg (vgl. Greiner,

2007, S.41). „In den Jahren 1966 bis 1968 klinkten Kampfflugzeuge der USA und

ihrer Verbündeten 2.865.808 Tonnen Bomben über Vietnam, Laos und

Kambodscha aus- das waren gut 80.000 Tonnen mehr als auf allen Schauplätzen

des gesamten Zweiten Weltkrieges zusammen“ (vgl. Greiner, 2007, S.41).

Der Status als Vietnamveteranen galt in der Heimat nicht als etwas, auf das ein

zurückkehrender Soldat stolz sein konnte. Da die amerikanische Gesellschaft in

Folge der Enthüllungen über die Realität des Krieges desillusioniert war und weite

Teile der Bevölkerung die aufkommende Friedensbewegung unterstützten,

wurden die Heimkehrer aus Vietnam im Gegensatz zu den Veteranen des Zweiten

Weltkriegs nicht mit Paraden, Reden oder Feierlichkeiten geehrt.

Trotz eines massiven Aufgebots an Berichterstattern, Journalisten, Kamerateams

und investigativen Reportern ist der Vietnam-Krieg der am wenigsten verstandene

Krieg der amerikanischen Geschichte (vgl. Greiner, 2007, S.12 f.). Die

Journalisten vor Ort lieferten lediglich News im Sinne von Neuigkeiten ohne

wirklichen informativen Gehalt. Dieses ambivalente Verhältnis zwischen

Page 21: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

21

investigativer Berichterstattung auf der einen und einem Informationsdefizit auf

der anderen Seite ist der Grund, warum die nachträgliche Beschäftigung der US-

Filmindustrie mit dem Thema so interessant ist. Erst in der filmischen

Auseinandersetzung wurden der Vietnam-Krieg und seine Facetten eingehend

erörtert und verarbeitet.

4.2.2 Begründung der Wahl von Vietnamkriegsfilmen

Der Vietnamkrieg war der erste Krieg ohne offizielle Zensur. Das bedeutet, dass

sich Journalisten und Kameramänner im Kampfgebiet relativ frei bewegen

konnten. Durch die konstante journalistische Begleitung wurde der Vietnamkrieg

zu einem spektakulären Medienereignis hochstilisiert. Der Südostasienkonflikt

wurde zur allabendlichen Unterhaltung und gehörte für Amerikaner zum

Fernsehalltag. Die großen US-Fernsehstationen räumten der Vietnam-

Berichterstattung zwischen 1968 bis 1973 einen Anteil von 20-25% ein (vgl.

Wende, 1999, S.1075). Da das Gelände im Kriegsgebiet meist unübersichtlich war

und für Fernsehteams mit sperrigen Ausrüstungen schwer zugänglich, zeigt das

Filmmaterial nur wenige Kampfaufnahmen. Teilweise wurden Kampfszenen für

das US-Fernsehen inszeniert. Hieran zeigt sich, dass schon die Berichterstattung

aus Vietnam fast cineastische Züge hatte: durch die Gewöhnung der GIs an die

Präsenz der Kamerateams fühlten diese sich schon wie Helden aus Hollywood

und begannen, vor der Kamera zu posieren (vgl. Wende, 1999, S.1076).

Die Berichterstattung aus Vietnam war zu Beginn des Krieges patriotisch und

euphorisch, was zum Teil durch eine wenig informative, mehr actionreiche und

auf Einschaltquoten konzentrierte Berichterstattung hervorgerufen wurde. Dabei

wurden die Darstellung konkreter Kriegsziele und Hintergrundinformationen zu

Vietnam, seinem Volk, dessen Geschichte und Kultur ausgespart (vgl. Wende,

2006, S. 1076). Mit zunehmender Dauer des Krieges wurde Kritik am Vorgehen

der Amerikaner laut und Skepsis trat an die Stelle unhinterfragten Opportunismus.

Dieser Wandel der Einstellung zum Krieg wurde durch die Tet-Offensive der

nordvietnamesischen Truppen eingeleitet. In der Kriegsberichterstattung kamen

immer häufiger Kriegsgegner zu Wort, die zu Beginn des Konflikts in der

öffentlichen Berichterstattung kein Gehör gefunden hatten. Als das Massaker von

Page 22: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

22

My Lai im November 1969 an die Öffentlichkeit gelangte, „suchten ehemalige

Angehörige der dort eingesetzten Einheit sowie dutzende andere GIs die

Öffentlichkeit und legten Zeugnis von den Verbrechen ab, die sie nicht als

Ausnahme, sondern als Alltag in Vietnam verstanden wissen wollten“ (Greiner,

2007, S. 18). Es reichten bereits wenige kritische Berichte, um eine Wende in der

öffentlichen Meinung herbeizuführen (vgl. Wende, 1999, S. 1077).

Einem oft zitierten Sprichwort nach verloren die USA den Krieg weniger auf den

Schlachtfeldern Vietnams als viel mehr auf den Bildschirmen der Fernsehgeräte in

der Heimat. Der damalige Meinungswandel der amerikanischen Öffentlichkeit,

ausgelöst durch die sich ändernde Berichterstattung ist ein einzigartiges Beispiel

für die polarisierende Rolle, die Medien in einer modernen Gesellschaft spielen

können. So erfolgreich die zunächst positive Medienberichterstattung einen

großen Teil der amerikanischen Bevölkerung für den Krieg gewann, so

einflussreich waren auch die Medien, als sie im Verlauf des Krieges die

Trendwende der öffentlichen Meinung einleiteten (vgl. Wende, 1999, S.1078).

Mit der Niederlage in Vietnam war das starke amerikanische Selbstbewusstsein

erschüttert. In Frage gestellt wurde der Glaube an die moralische, soziale und

militärische Überlegenheit der Amerikaner. Das Vietnam-Trauma war schließlich

ein Thema, dessen sich die amerikanische Filmindustrie nach und nach annahm

und es zu verarbeiten begann (vgl. Wende, 1999, S.1078). Vietnam bot den

Filmemachern individuelle Schicksale von Helden, Geschichten von Trauer, Tod,

Hölle und Gewalt. Der Vietnamkrieg gab der US-Filmbranche ganz neue Impulse

und brachte eine neue Kriegsfilmästhetik hervor (vgl. Kladzinski, 2005, S.39).

Nach dem Ende des Krieges beschäftigten sich ca. 400 fiktionale

Filmproduktionen mit der Verarbeitung des Vietnamkriegs (vgl. Reinecke, 1993

zitiert nach Kladzinsik, 2005, S.39). Mit kritischen und persönlichen Filmen wie

Die durch die Hölle gehen (USA 1978), über fast poetische Filme wie Apocalypse

Now (USA 1979) bis hin zu actiongeladenen Spektakeln wie Rambo II – Der

Auftrag (USA 1982) arbeitete die amerikanische Gesellschaft ihr Vietnamtrauma

auf. Auch die Alltagsperspektiven im Krieg, die in Filmen wie Good Morning

Vietnam (USA 1987) aufgegriffen wurden, waren in der Berichterstattung über

Page 23: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

23

Vietnam kaum präsent, sondern erst Jahre später in der filmischen

Auseinandersetzung.

Interessant ist aus medienwissenschaftlicher Sicht das gegensätzliche Verhältnis

zwischen der Abendunterhaltung Vietnamkrieg und dem wahren

Kriegsgeschehen. Der Zwiespalt zwischen der eigentlich positiven Mission und

der negativen Außenwirkung ist faszinierend, denn beide Ansichtsweisen wurden,

wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, von den amerikanischen Medien

initiiert und mitgetragen.

Ich habe deshalb den Vietnamkrieg und seine filmische Darstellung als Thema

gewählt und beschränke mich auch auf diesen, um innerhalb meiner Filmanalysen

einen einheitlichen Bezugsrahmen zu gewährleisten. Bei der Interpretation vonder

Filmen, die vor dem Hintergrund verschiedener Kriege spielen, sind die

Unterschiede zwischen diesen Kriegen, die Schauplätze, die historischen

Rahmenbedingungen und damit auch die Art und Weise der filmischen

Aufarbeitung so groß, dass sich diese Filme schwer anhand gleicher Maßstäbe

vergleichen lassen.

4.3 Begründung der Filmauswahl

Für die Untersuchung meiner Interpretationshypothese habe ich mich für die

beiden Filme Platoon von Oliver Stone aus dem Jahr 1986 und Full Metal Jacket

von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1987 entschieden. Platoon und Full Metal

Jacket beinhalten auf besondere Art und Weise Destrukturierungen und setzen

diese unterschiedlich und interessant in Szene. Beide Filme erfüllen die

Genremerkmale eines Kriegsfilms.

Neben dem Lob der Kritik erkannten auch viele Vietnam-Veteranen in Platoon

eine wirklichkeitsnahe Darstellung des Vietnamkrieges und eine adäquate

Wiedergabe der Kriegsgeschehnisse (vgl. Klein, 2006, S.297). Oliver Stones Film

stellt eine starke Visualisierung der sich zum Ende der sechziger Jahre drastisch

verschlechternden Situation im manchen Einheiten der US-Army dar.

Page 24: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

24

In Stanley Kubricks Werk beginnt der Krieg nicht erst auf dem Schlachtfeld,

sondern früher, bei der militärischen Erziehung, beim unmenschlichen Drill und

der Erniedrigung, bei denen die Zerstörungskraft des Krieges im Sinne einer

alltäglichen Demütigung bereits die Psyche angreift (vgl. Descourvières, 2002).

Full Metal Jacket ist einer der konsequentesten Kriegsfilme, weil er keine

Widersprüchlichkeiten duldet. Der FSF2- Ausschuss von 1997, der Full Metal

Jacket unter Richtlinien des Jugendschutzes betrachtete, würdigte ihn als

pädagogisch wertvollen Film über die menschenverachtende Brutalität des

Krieges (vgl. Mikat, 2005, S.94).

Da die beiden Filme sowohl unter Kritikern als auch unter Filminteressierten als

Klassiker gelten, spreche ich ihnen eine zeitlose und daher auch aktuelle Relevanz

zu.

4.4 Begriffsklärung „Destrukturierung“

Mit dem Begriff Destrukturierung beschreibe ich einen Prozess, in dem

bestehende Gefüge und Strukturen zerstört werden, um sie zu deformieren und

ihre bisherige Gestalt oder ihr bisheriges Vorkommen zu verändern. Solche

Gefüge können beispielsweise Körpergefüge, Ideologien, Werte oder auch

Landschaften und Städte sein. Die Destrukturierung im Kontext von Destruktion

meint hier auch die die Abtragung oder den schrittweisen Abbau von Schichten,

aus denen sich eine Struktur zusammensetzt. In diesem Sinne kann die

Destrukturierung auch ein Prozess sein, in dessen Verlauf neue Dinge aus der

abgetragenen Struktur entstehen. Destrukturierung ist also auch im

Zusammenhang mit Neugliederung und Neuordnung zu sehen.

2 Die 1993 gegründete Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. ist seit 2003 eine anerkannt

Selbstkontrolleinrichtung mit Sitz in Berlin. Die FSF ist für die Programmprüfung der bundesweit

ausstrahlenden Sender des Privatfernsehens zuständig.

Page 25: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

25

5. Filmanalysen

Während des Krieges und auch in den späten siebziger Jahren vermied die US-

Filmindustrie eine direkte Konfrontation mit dem Krieg in Vietnam und widmete

sich dem Thema nur zögerlich. Filme wie Taxi Driver (USA 1976) oder Die

durch die Hölle gehen (USA 1978) griffen das Thema zwar auf, taten dies

allerdings mit wenig Zuversicht in Bezug auf Institutionen wie die Familie, die

Liebe zum Vaterland oder zur Gemeinschaft. Filme wie Coming Home - Sie

kehren Heim (USA 1978) entlarvten vielmehr die rassistischen und ökonomischen

Aspekte des Krieges, den sie als ungerecht identifizierten. Mitte der achtziger

Jahre, in der Amtszeit Ronald Reagans, warben die Filme dann für eine neue

Interpretation des Vietnamkriegs, die durch Charaktere wie Sylvester Stallones

John James Rambo oder Chuck Norris´ Colonel James Braddock getragen wurde.

Filme wie Platoon aus dem Jahr 1986 und Full Metal Jacket aus dem Jahr 1987

stehen für eine differenzierte und kritische Sicht auf das Kapitel der

amerikanischen Geschichte und setzen sich ernsthaft mit dem Krieg und seinem

Erscheinungsbild auseinander. Ich werden beide Filme im Folgenden analysieren,

wobei ich mich an dem Filminterpretationsmodell von David Bordwell und

Kristin Thompson orientiere.

5.1 Platoon

5.1.1 Entstehungsgeschichte des Films

Platoon ist vor Geboren am 4.Juli (USA 1989) und Zwischen Himmel und Hölle

(USA 1993) der erste Film in Oliver Stones Vietnam-Trilogie. Oliver Stone diente

von Herbst 1967 bis zum Ende des Jahres 1968 in Vietnam. Als Achtzehnjähriger

war er jedoch schon 1965 in einem Vorort von Saigon als Lehrer in einer

katholischen Schule tätig (vgl. Hillstrom, 1998, S.231). Seine im Krieg

gewonnenen Eindrücke spiegeln sich in der Darstellung der Figur Chris Taylor,

Stones Alterego im Film, wider. Drogenkonsum, das angespannte Verhältnis

zwischen weißen und schwarzen Soldaten, das sogenannte Fragging, Konflikte

Page 26: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

26

zwischen den karriereorientierten Soldaten und Wehrpflichtigen und Brutalität

sind Probleme, die er hautnah miterlebt hat und diese später filmisch zu

verarbeiten versuchte (vgl. Hillstrom, 1998, S.227). Die Gegenüberstellung der

weißen Karrieristen, die sich dem Alkoholkonsum hingaben und der Marihuana

rauchenden, schwarzen und urbanen weißen Hippies, zu denen sich Stone selbst

zählte, basiert ebenfalls auf seinen persönlichen Erfahrungen in Vietnam (vgl.

Hillstrom, 1998, S.231). Stones Intention war es, ein Dokument des Krieges zu

schaffen und dadurch zu erinnern (vgl. Hillstrom, 1998, S.232).

Der Film wurde auf den Philippinen gedreht. Vor den Dreharbeiten mussten alle

Schauspieler ein zweiwöchiges Training, das von dem dekorierten Vietnam-

Veteranen Dale Dye3 geführt wurde, durchlaufen. Die 20 Männer, die zur

Hauptbesetzung zählten, mussten die gesamte militärische Ausrüstung tragen und

Schützenlöcher ausheben (vgl. Beaver, 1994, S.93). Die Darsteller sollten so mit

den Umständen in der freien Natur vertraut gemacht werden das Gefühl von

Angst, von Verunsicherung, von Müdigkeit und in einer Weise auch Brutalität

und Härte erleben (vgl. Hillstrom, 1998, S.232).

5.1.3 Historischer Hintergrund

Als sich in den späten sechziger Jahren die amerikanischen Bemühungen in

Vietnam mehr und mehr in die Länge zogen, sank die Moral in vielen Einheiten

der US-Army und die Motivation wandte sich zur Frustration. Faktoren wie das

Image des Krieges als „working class war“, militärische Korruption und

Profitorientierung begünstigten diese Frustration (vgl. Hillstrom, 1998, S.227).

Ein anderer Grund für den Zusammenbruch der Disziplin war, dass die Situation

in Vietnam eine Reflexion der Realität in den Vereinigten Staaten darstellte:

Drogenmissbrauch, rassistische Spannungen und die Konflikte mit Autoritäten.

Die Army füllte ihre Reihen mit Männern aus genau diesem Umfeld und machte

3 Der Amerikaner Dye ist ein ehemalige Captain der U.S. Marines und ein hochdekorierter

Vietnam-Veteran. Seit über 20 Jahren ist er als Berater für Filmproduktionen tätig und hat

fortwährend mit Oliver Stone, aber auch mit Regisseuren wie Steven Spielberg für „Der Soldat

James Ryan“ (USA 1998), zusammengearbeitet (vgl. Bayer, o.J.).

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27

es unausweichlich, dass sich Tatsachen den Erfolg der US-Army beeinflussten

(vgl. Hillstrom, 1998, S.228). Die fehlende Disziplin und Leistung in einigen

Einheiten der Armee machten es den Soldaten schwer, ihre ethische und

moralische Orientierung zu bewahren. Vielen gelang dies es trotz der zerfallenden

Umgebung und Andere streiften ihre Ideale auf den Touren durch das

kriegszerfurchte Vietnam ab, wurden zynisch, verzweifelt. Der Krieg machte sie

emotionslos und manchen gab nur das brutale Töten ein Gefühl von Lebendigkeit

(vgl. Hillstrom, 1998, S.229).

Die Praktik des Fragging, des Tötens von Offizieren oder Unteroffizieren durch

die eigenen Truppenmitglieder, war die bitterste Manifestation der

Demoralisierung in den US-Truppen. In anwachsender Frequenz stiegen die

Berichte über Übergriffe auf US-Offiziere in den Jahren 1967 und 1968 vor allem

in der Region des Mekong Delta. Im Jahr 1969 hatte die amerikanische

Militärführung Kenntnis von über 200 Fällen, in denen Angriffe vornehmlich auf

Unteroffiziere verübt wurden (vgl. Hillstrom, 1998, S.229). Ein Grund für diese

Kriegsführung innerhalb der eigenen Armee war die Tatsache, dass sich junge

Offiziere durch fehlende Erfahrung und Kompetenz oft nicht im Klaren über die

Tragweite ihre Befehle waren und die ohnehin schon demotivierten Soldaten nicht

ihr Leben nicht die Ausführung eines solch unbedachten Befehls aufs Spiel setzen

wollten (vgl. Hillstrom, 1998, S.230). Der Selbsterhaltungstrieb kombiniert mit

der fehlenden Disziplin und dem Versagen des Autoritätsbewusstseins sorgte in

einigen Einheiten dazu, dass Soldaten bereit waren, eine Gefahr für ihr Leben

unter allen Umständen aus der Welt zu schaffen.

5.1.4 Narrationsstruktur

Plot

Der Film beginnt im September 1967, als College-Student Chris Taylor als Soldat

in Vietnam ankommt. Er dient in einer Infanterieeinheit, die sich schon bald durch

den vietnamesischen Dschungel kämpfen muss. Dabei lernt er die beiden

Sergeants Elias Grodin und Bob Barnes kennen. Taylor beobachtet während

seines Dienstes die tiefe Kluft zwischen Elias und Barnes. Nachdem Taylor sich

nach einer Verletzung wieder dem Platoon angeschlossen hat, führt sie der Tod

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28

von zwei Soldaten der Einheit in ein vietnamesisches Dorf, in dem ein blutiger

Angriff auf die Bewohner stattfindet. Taylor verliert sich kurzzeitig in dem Chaos

des Übergriffes, fängt sich zwar schnell wieder, kann dann aber nur mit ansehen,

wie einige seiner Kameraden, ihnen voran Seargent Barnes das Dorf zerstören und

wehrlose Zivilisten hinrichten. Sergeant Elias ist erschüttert von Barnes

menschenverachtender Brutalität und macht deutlich, dass er rechtliche Schritte

gegen diesen einleiten wird.

Kurze Zeit später gerät die Einheit in einen Hinterhalt, in dessen Kampfverlauf

Elias einige angreifende Vietcong-Soldaten tötet, sich allerdings durch die

Verfolgung der Gegner sehr weit von dem Rest der Einheit entfernt. Barnes

besteht darauf sich allein auf die Suche nach Elias zu begeben, spürt ihn auf und

erschießt ihn mit drei gezielten Schüssen. Zurück bei seiner Einheit gibt er an,

Elias’ toten Körper gesehen zu haben. Das Platoon wird nun durch Helikopter

evakuiert und beim Abheben, sieht Taylor Elias aus dem Dschungel fliehen,

verfolgt von Vietcong-Soldaten. Elias wird mehrere Male in den Rücken

geschossen. Er stirbt, seine Arme zum Himmel gestreckt.

Als sich Taylor kurze Zeit später an andere Mitglieder seiner Einheit wendet, um

sie davon zu überzeugen, dass Barnes Sergeant Elias auf dem Gewissen hat,

geraten er und Barnes aneinander. Als dann die Stellung des Platoons vom

Vietcong überrannt wird und der Captain einen Luftschlag gegen seine eigene

Position anfordert, versucht Barnes das Chaos der Situation zu nutzen, um Taylor

umzubringen. Doch Barnes wird verwundet kurz bevor er Taylor töten kann. Als

Taylor am Morgen nach dem Angriff aufwacht, verletzt aber am Leben, findet er

den schwer verwundeten Barnes und erschießt ihn.

Story

Platoon ist die Geschichte des jungen College-Studenten Chris Taylor, der sich

freiwillig für den Kriegsdienst in Vietnam gemeldet hat. In Briefen an seine

Großmutter, die in Off-Kommentaren wiedergegeben werden, erzählt Taylor von

seinen Erfahrungen im Krieg. Taylor bemerkt schnell, dass ein Neuankömmling

in der Truppe nichts zählt. Seine Wertigkeit wird nach den ihm verbleibenden

Tagen in Vietnam berechnet.

Page 29: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

29

Früh bemerkt er, dass die Einheit, die offiziell von Lieutenant Wolfe geführt wird,

tatsächlich von zwei Sergeants dominiert wird. Er sieht sich mit zwei konträren

Vaterfiguren konfrontiert. Eigentlich möchte er anonym bleiben und eine

Positionierung vermeiden, gerät aber in einen Konflikt zwischen den beiden

Sergeants, die ihn beide auf unterschiedliche Arten faszinieren. Als das Platoon

sich mehr und mehr spaltet und sich die Soldaten entweder zu Elias oder zu

Barnes bekennen, bleibt Taylor unentschlossen.

Nach dem Überfall auf ein vietnamesisches Dorf, bei dem Barnes ein

Kriegsverbrechen begeht, will Elias dafür sorgen, dass sich Barnes dafür

verantworten muss und den Vorfall vor das Kriegsgericht bringen. Als das

Platoon in einen Hinterhalt der Vietcong gerät, verfolgt Elias einige Gegner durch

den Dschungel. Barnes gibt derweil die Befehle so, dass Elias von dem Rest der

Einheit abgeschnitten ist. Der Kampf der beiden Sergeants gipfelt in der Szene, in

der Barnes Elias kaltblütig erschießt. Im Glauben, Elias sei von Vietcong-

Soldaten erschossen wurden, wird das Platoon mit Hilfe von Helikoptern

evakuiert. Die Männer können nur zusehen, als der schwer verwundete Elias

versucht, vor dem Vietcong zu fliehen und erschossen wird. Barnes

Verantwortlichkeit für den Tod Elias´, ist nun offensichtlich. Auch Chris, der um

die Schuld Barnes weiß, ist diesem nun im Weg und entgeht kurze Zeit später nur

knapp einem Mordversuch. Als Taylor dann an dem Morgen nach einem

schweren Angriff den stark verwundeten Barnes findet, trifft er eine Entscheidung

-letztendlich für Elias- und tötet Barnes.

Der Film endet dann mit der Heimkehr Taylors. Von einem Helikopter aus

betrachtet er unter Tränen das Schlachtfeld unter ihm. Aus dem Off ertönt der

Kommentar, dass die beiden Sergeants eigentlich um seine Seele gekämpft haben.

Charaktere

Private Chris Taylor

Der 19-jährige Chris Taylor, der das College abgebrochen hat, um sich zum

Kriegsdienst zu melden, ist der Typ von Held, der Gewalt nur in Situationen der

Bedrohung anwendet, wenn sein Leben in Gefahr ist oder er den Befehl dazu

bekommt. Der Zuschauer erfährt über die Briefe an seine Großmutter, dass

Page 30: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

30

Taylors bürgerliche Eltern nicht wollten, dass ihr Sohn in den Krieg zieht, doch

dass er selbst den Wunsch hatte, etwas für sein Land zu tun, wie es sein Großvater

im Ersten Weltkrieg und sein Vater im Zweiten Weltkrieg taten. Chris ist in der

Auseinandersetzung zwischen Barnes und Elias hin und her gerissen und der

Konflikt der beiden Sergeants prägt seine Erfahrungen beim Militär.

Sergeant Elias Grodin

Sergeant Elias Grodin wird als kameradschaftlicher, verständnisvoller und

hilfsbereiter Mensch mit humanistischer Orientierung vorgestellt. Er ist schon seit

mehreren Jahren in Vietnam und durch seine Erfahrungen in Krieg ein guter

Soldat. Trotz der Schrecken des Krieges hat er seine moralische Überzeugung

nicht verloren und seine Ideale nicht aufgegeben, wofür er von Chris bewundert

wird. Als sich Elias dann Barnes zum Feind macht, stirbt er einen doppelten Tod:

den durch seinen Kameraden Bob Barnes und den durch die Soldaten des

Vietcong.

Sergeant Bob Barnes

Im Gegensatz zu Sergeant Elias ist Sergeant Bob Barnes ein unbarmherziger,

abgebrühter und kompromissloser Kämpfer, der zu Grausamkeit neigt. Auch sein

Ton ist rauer und der Zuschauer erlebt ihn als rüde und emotionslos. Barnes, der

ein vernarbtes Gesicht hat, das auf viele Verletzungen in kämpferischen

Auseinandersetzungen deutet, umgibt eine unverwundbare und unzerstörbare

Aura. Seine Gefolgsleute werden von ihm eher geschont und die anderen Soldaten

höheren Risiken ausgesetzt.

Erzählmuster

Der Film Platoon folgt in seinem formalen Aufbau einer für den Kriegsfilm

typischen Dramaturgie und nutzt dafür das Strukturmuster. Es gibt den Helden

Chris Taylor aus dessen Perspektive das Geschehen erzählt wird. Seine

Entwicklung ist Thema des Films. Der Held muss sich im Krieg beweisen und

sieht sich dabei mit zwei konträren Vaterfiguren konfrontiert. Verkörpert werden

diese von zwei Sergeants, die mit ihren Rollen das Gut-Böse-Schema aufgreifen.

Page 31: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

31

Der junge Held muss im Laufe der Geschichte Entscheidungen treffen, die

Einfluss auf seine persönliche Entwicklung haben und diese vorantreiben.

Der Handlungsverlauf in Platoon ist linear angelegt und folgt einem

chronologischen Aufbau. Der Film ist dicht und geschlossen, dass heißt, dass die

formale Beziehung der Elemente des Films keine Lücken aufweist.

5.1.5 Stilistischen Gestaltungsmittel

Bildkomposition

Immer wieder werden Soldaten in Einstellungen gezeigt, in denen sie vor dem

Hintergrund der vietnamesischen Natur und Landschaft zu sehen sind. Meist sind

dies weite Einstellungen und Totalen, die die Einbettung der GIs in die Kulisse

Vietnams visualisieren. Dabei nutzt Oliver Stone verschiedene landschaftliche

Umgebungen, wie Berge und Hügel, dichte Palmenwälder, weite

Graslandschaften oder Flussläufe, und gibt dem Zuschauer so einen Überblick

über die geographischen Besonderheiten Vietnams. Der Aufenthalt der

amerikanischen Soldaten in Vietnam wird also immer wieder zur Geographie und

zu den landschaftlichen Begebenheiten des Landes in Beziehung gesetzt. Die

landschaftlichen Gegebenheiten werden dann noch durch originale Geräusche der

Umgebung, wie Vogelgezwitscher oder das Rascheln der Blätter beispielsweise,

hervorgehoben.

Page 32: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

32

Einen Bezug zu zeithistorischen Anhaltspunkten dagegen findet der Zuschauer in

Platoon fast gar nicht. Nur die Musik im Film kann als Hilfe für die zeitliche

Einordnung des Konflikts dienen.

Einstellungsgröße

Um das erschreckende Chaos des Krieges zu verstärken, werden visuelle

Gestaltungsmittel, wie schnelle Kamerafahrten, Überkopf-Aufnahmen aus der

Luft und schnelle Schnitte verwendet. Durch häufig verwendete Aufnahmen einer

mobilen Kamera kann das Publikum näher an das Geschehen und die Atmosphäre

im dichten Dschungel herangebracht werden.

Lange Einstellungen und lange Schwenks nehmen dem Film sein Tempo. Meist

sind dies auch solche Aufnahmen, in denen ein Off-Kommentar Chris’ zu hören

ist. Diese ruhigen Abschnitte des Films bilden einen starken Kontrast zu den

plötzlich aufkommenden, hektischen und schnell geschnittenen Kampfszenen.

Ein wesentliches Mittel, das zur Authentizität des Films beiträgt, sind die

Detailaufnahmen von Moskitos auf Chris’ Nacken, festgesaugten Blutegeln,

Feuerameisen, Eidechsen auf buddhistischen Statuen oder giftigen Schlangen.

Diese Aufnahmen unterstreichen die Fremdartigkeit des Landes und schaffen eine

atmosphärische Dichte.

Kameraperspektive

In weiten Einstellungen und Totalen, oft aus einem fliegenden Helikopter gefilmt,

visualisiert Oliver Stone die Landschaft Vietnams. Sie zeigen eine intakte Natur.

Doch die Idylle wird immer wieder aufgebrochen und das Ausmaß der Zerstörung

der Landschaft durch den Krieg wird dem Zuschauer mit Hilfe von Aufnahmen

aus der Vogelperspektive vor Augen geführt.

Page 33: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

33

Kamerabewegung

Langsame Kameraschwenks von Gesicht zu Gesicht oder die Montage der

Gesichter der einzelnen Soldaten, wie bei dem Fund von Mannys Leiche oder

nach der Exekution der vietnamesischen Frau durch Barnes, sind ein häufig

genutztes Mittel, um die Reaktion der Beteiligten auf den Tod zu zeigen. Die

Soldaten werden in einer Nah- oder Großaufnahme gezeigt. Für den Zuschauer

sind also die sich in der Mimik darstellenden Emotionen, wie Trauer,

Erschütterung, Fassungslosigkeit und Wut, gut abzulesen.

Montage

Als sich eines Nachts der Vietcong der Stellung des Platoons nähert und Chris ihr

leises Vordringen beobachtet, wird die Dramatik der Situation durch die hohe

Schnittfrequenz potenziert. Detailaufnahmen seiner wachsamen und weit

aufgerissenen Augen, die nervös die nächtliche Umgebung abtasten, der Blick zu

seiner Waffe, der Blick zu den anderen schlafenden Soldaten und zurück zu den

Vietcong-Kämpfern werden in einer schnellen Abfolge aneinandergereiht. Der

Zuschauer wird hierbei stark physisch und psychisch beansprucht und kann sich

dem Druck der Situation nur schwer entziehen.

Als Chris in dem vietnamesischen Dorf seine Beherrschung verliert und einem

ganz offensichtlich behinderten jungen Mann vor die Füße schießt, wird die

Situation von seinen lauten Schreien dominiert. Die hohe Frequenz der Schnitte

unterstreicht die Angespanntheit und Hektik der Situation. Nahe Einstellungen

von Chris, Bunny, dem jungen Mann und seiner schreienden und flehenden

Mutter wechseln sich in hohem Tempo ab. Die verkrampften Gesichtsausdrücke

der Beteiligten sind gut zu erkennen. Das Chaos der Szene wird dadurch für den

Zuschauer greifbar gemacht.

Eindrucksvoll ist die Situation dargestellt, in der sich Sergeant Barnes auf die

Suche nach Elias macht und beide im Dschungel aufeinandertreffen. Die rasche

Montage spielt hier für die Dramatik und die Spannung der Szene eine zentrale

Rolle. Als Elias in seinem Gegenüber Barnes erkennt, lächelt er und ist erleichtert,

nicht auf einen Vietcong gestoßen zu sein. Zuerst sind beide jeweils in einer

Halbtotalen zu sehen, in mitten von Bäumen, Sträuchern und Blättern. Dann

werden halbnahe Aufnahmen ihrer Gesichter und ihrer Körperhaltung montiert, in

Page 34: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

34

den zu sehen ist, dass Barnes sein Gewehr nicht herunternimmt und Elias ohne

Schutzweste vor ihm steht. Dann folgen Detailaufnahmen ihrer Augen. Barnes,

dessen Blick Entschlossenheit demonstriert und Elias, dessen Lächeln in eine

ernsten Blick übergeht. Das Publikum wird Zeuge des Mordes an Elias. Die

Schüsse Barnes sind aus einer Überschulter-Einstellung zu sehen. Kurz bevor

Elias in einer weiteren Halbnahen Einstellung zu Boden geht.

Ton

In Off-Kommentaren hört man Chris Briefe an seine Großmutter schreiben, die

die Handlung fragmentieren und den Zuschauer etwas über die Empfindungen des

Helden erfahren lassen.

„Jemand hat mal geschrieben, die Hölle ist Abwesenheit von

Vernunft. So kommt mir das hier vor, wie die Hölle. Ich hasse das

Ganze schon jetzt und bin erst eine Woche hier […]“ (Chris).

Schon in seinem ersten Brief an die Großmutter vergleicht er seinen Aufenthalt in

Vietnam mit dem in der Hölle. In ruhiger Tonlage und in langsamem Tempo

beschreib Chris seine Situation. Er berichtet der Oma und dem Zuschauer von

dem Chaos, seiner Müdigkeit, von den nächtlichen Angriffen des Vietcong und

von seinem Status als Neuling. Darüber hinaus erfährt der Rezipient über die

Briefe Taylors von seiner Persönlichkeit, seiner Herkunft und seiner Intention, in

Vietnam zu dienen.

Eindrücke der Natur sind in Platoon immer wieder präsent und werden in die

Visualisierung des Krieges einbezogen. Dabei spielt die Geräuschkulisse des

Dschungels eine wichtige Rolle. Vogellaute oder das Rascheln der Blätter lassen

den Zuschauer die Umgebung und die Landschaft Vietnams als friedlich und

idyllisch wahrnehmen.

Als Chris am Morgen nach dem Napalm-Angriff im Bunkergebiet des Vietcong

erwacht, ist das erste, was er in der zerstörten Landschaft sieht, ein Wildtier, was

durch die Bomben und Flammen ein verbranntes Fell hat. Dominiert wird die

Szene von Vogelgezwitscher und Geräuschen des Waldes, die im starken Kontrast

Page 35: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

35

zu den Bombendetonationen und dem Maschinengewehrdonner der vergangenen

Nacht stehen.

Musik funktioniert in Platoon als Unterscheidungsmittel. Als die beiden Lager

des Platoons gegenübergestellt werden, dient die Musik der Zuordnung der

verschiedenen Gruppen. Die Männer in der „Unterwelt“, zu denen King, Rhah,

Elias oder Big Harold gehören, tanzen gemeinsam zu dem Lied „Tracks of my

Tears“ von Smokey Robinson oder hören Jefferson´s Airplane und rauchen

Marihuana. Die Stimmung ist ausgelassen und das Thema Krieg spielt hier keine

Rolle. Die Gruppe der mehrheitlich weißen Soldaten um Sergeant Barnes und

Sergeant O´Neill trinkt Alkohol und spielt Poker. Die Stimmung ist eher

bedrückend und das Thema Krieg ist hier allgegenwärtig. Die Szene wird mit der

Zeile „We don´t smoke marihuana…“ aus dem Country-Western-Lied „Okie from

Muskogee“ von Merle Haggard eröffnet. Beide Songs lassen auf einen deutlich

gegensätzlichen Standpunkt und eine unterschiedliche Lebenseinstellung

schließen.

Als Chris und ein paar andere Männer seiner Einheit in der Nacht Wache halten

müssen, schreckt Chris ruckartig aus seinem Schlaf hoch. Sein wachsamer Blick

tastet die Umgebung nach Bewegungen ab und plötzlich bemerkt er eine Gruppe

von Vietcong-Kämpfern, die auf ihn zukommt. In dieser Sequenz ist Chris’

Herzschlag zu hören, der mit jedem Schritt, den sich der Vietcong seiner Stellung

nährt, schneller und auch lauter wird. Die schnelle Montage steigert die Spannung

der Szene. Die Einspielung Chris’ Herzschlags unterstreicht seine zentrale

Position im Film. Immer wieder beziehen sich auch Einstellungen und

Perspektiven auf Chris’ Figur. Seine subjektive Wahrnehmung von Vietnam ist

das leitende Motiv des Films, der dadurch weniger einen Gesamtkontext darstellt,

sondern eher die ganz persönliche Sicht eines jungen Mannes.

In der Sequenz, in der die Einheit das vietnamesische Dorf erreicht, um dort nach

Vietcong-Kämpfern zu suchen, dominieren die Schreie der Frauen und Kinder,

aber auch die der GIs die Situation. Unter den lauten flehenden Schreinen der

Bewohner wird das Dorf in Brand gesetzt, Bunker und Verstecke ausfindig

gemacht und gesäubert. Auch die GIs brüllen und schreien, womit ihre

Anspannung, Angst und Wut zum Ausdruck kommt. Die Sprache wirkt durch die

Page 36: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

36

Lautstärke und durch die Hektik der Situation sehr bedrohlich und

furchteinflößend.

Als die Soldaten dann den Befehl bekommen, das Dorf niederzubrennen, sieht das

Publikum verschiedene Einstellungen seiner Zerstörung. Hütten werden in Brand

gesetzt, Gefangene abgeführt, Verstecke gesprengt und das gefundene

Waffenmaterial vernichtet. Untermalt wird die Szene mit dem melancholischen

und bedrückenden Stück „Adagio for Strings“ von Samuel Barber, dem

musikalischen Motiv des Films, dass die tragische Bedeutung der Situation

hervorhebt.

Setting

Oliver Stone präsentiert den dichten Regenwald in alternierenden Bildern, die die

Landschaft einerseits ästhetisch darstellen und andererseits zeigen, wie bedrohlich

und tödlich die Natur sein kann. Noch im Vorspann sieht der Zuschauer, Soldaten

durch den idyllischen und friedlich erscheinenden Dschungel streifen. Kurz darauf

entdeckt Chris dann eine giftige Kobra im Laub.

Gleich zu Beginn des Films wird Vietnam als undurchsichtig vorgestellt. Schon

beim Verlassen des Flugzeugs, das die neuen GIs, unter denen sich auch Chris

befindet, nach Vietnam brachte, verhindert aufgewirbelter Staub einen

ungehinderten Blick. Auch später im Dschungel bekommt der Zuschauer durch

die Verwendung der mobilen Handkamera eine Ahnung davon, wie dicht und

unübersichtlich der Wald ist.

Nach dem ersten Angriff der amerikanischen Soldaten in dem Bunkergebiet des

Vietcong nahe der kambodschanischen Grenze, folgt ein zweiter Einsatz. Der

Kampf zwischen Gut und Böse kehrt also an den Ort des Verbrechens zurück.

Den Ort, an dem Sergeant Elias durch Barnes in den Tod geschickt wurde. Hier

soll sich der Kampf entscheiden.

5.1.6 Auswertung

„Mit Platoon hatte Oliver Stone ein Deutungsschema für die

amerikanische Geschichte gefunden, das im Folgenden weitgehend

unverändert blieb“ (Klein, 2006, S.297).

Page 37: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

37

Platoon sei der Film, an dessen Bilder sich die Menschen in 30 Jahren erinnern,

wenn sie an den Vietnamkrieg denken (vgl. Klein, 2006, S.297). Seine

gesellschaftliche und politische Legitimation bekommt der Film dadurch

verliehen, dass der Drehbuchautor und Regisseur des Films Oliver Stone selber in

Vietnam gedient hat. Daher ist Platoon eher ein persönlicher, weniger

ideologischer oder politischer Film, bei dem Oliver Stone auf eine metaphorische

Darstellung des Kriegs, wie sie in anderen Filmen anzutreffen ist, verzichtete (vgl.

Beaver, 1994, S.91). Bezeichnend für Platoon ist dagegen eher seine

Realitätsnähe. Die Aufnahme der toten Soldaten, denen durch den Wind des

Helikopters die Plane von ihren Körpern geweht wird und der Blick des

Zuschauers auf ihre blutigen Körper frei wird, sind detailierte Beobachtungen, die

dem Films seine Authentizität verleihen.

Oliver Stone bedient sich in Platoon einer Reihe von Destrukturierungen, die

verschiedene Arten von Gefügen betreffen. Im Folgenden erläutere ich, welche

Gefüge und Strukturen dies sind und stelle heraus, welche Strategien der

Inszenierungen von Destrukturierung hier vom Regisseur angewandt werden.

Destrukturierung des Gut-Böse-Schemas

Oliver Stone destrukturiert in Platoon zunächst das Gut-Böse-Schema, indem er

zwei US-Sergeants diese Pole verkörpern lässt. Nicht nur der Vietcong stellt eine

Bedrohung dar, sondern auch die eigenen Kameraden. „Der Feind taucht also

tatsächlich zweimal auf. Diesseits und jenseits des Frontverlaufs“ (Wenk, 2004).

Selten sind die Gesichter von Vietcong-Kämpfern zu sehen und nie werden sie in

einer Großaufnahme gezeigt. Die Mimik des Feindes, auf Grund dessen der

Zuschauer Empfindungen und Gefühle ableiten könnte, ist selten wahrzunehmen.

Schon in der ersten kämpferischen Auseinandersetzung, die im Film inszeniert ist,

steigt der Vietcong aus dem Nebel auf und verschwindet auch wieder gesichtslos

im Nebel des Waldes.

Kurz bevor die Einheit das vietnamesische Dorf erreicht, in dem es die Vietcong-

Soldaten vermutet, die Manny auf dem Gewissen haben, beschreibt Chris in

einem Off-Kommentar den „Sog des Untergangs“, der sie alle langsam zu

erfassen droht. Als das Zentrum dieses Untergangs nennt er Sergeant Barnes. Die

Page 38: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

38

negativen und destruktiven Kräfte der Einheit konzentrieren sich also in seiner

Person. Doch Chris bewundert Barnes auch auf eine Art und Weise. Die

eigentliche Gefahr besteht für Chris also eher darin, seine moralischen Grundsätze

zu verraten und sich auf die Seite Barnes’ und somit in den Sog ziehen zu lassen.

Als Barnes in einer Gefechtssituation in dem Bunkergebiet des Vietcong versucht,

Chris zu erschlagen und eine Ausholbewegung macht, werden die beider

Gesichter in einer Nahaufnahme gegenübergestellt. Barnes ist in Untersicht

gefilmt und hat einen wahnsinnigen Gesichtsausdruck, der durch seine

rotglühenden Augen noch unterstrichen wird. Er wird wie der Teufel dargestellt,

der versucht, von Chris’ Seele Besitz zu ergreifen. Chris ist in Draufsicht gefilmt,

in der unterlegenen Position. Sein Gesicht ist angstverzerrt und mit seinen Armen

versucht er, den Angriff Barnes’ abzuwehren. Kurz bevor Barnes den Schlag

ausführen kann, wird er durch die Wucht einer Detonation umgerissen.

Im zweiten Schritt dann nimmt Oliver Stone die Struktur des üblichen Ausgangs

dieses Konflikts auseinander, indem der Gute dem Bösen unterliegt. Der böse

Vater, hier verkörpert von Sergeant Barnes, ist der Triumphierende in diesem

Kampf. Zwar wird er von Chris getötet, womit Chris eine eindeutige

Entscheidung gegen ihn trifft und sich so dem Sog entziehen kann, aber Menschen

wie Barnes bestimmen weiterhin die Regeln, nach denen der Krieg geführt wird.4

Destrukturierung der Vorstellung von Truppenzusammenhalt

Mit dem Konflikt zwischen Gut und Böse transportiert Platoon nicht die

kameradschaftliche Einstellung einer Einheit, die noch den Filmen über den

Zweiten Weltkrieg immanent war. Während sich der Zuschauer ein Platoon als

funktionierende solidarische Gruppe von Männern vorstellt, die ein Schicksal

teilen und durch dieses Schicksal miteinander verbunden sind, ist die Einheit in

Platoon in zwei Lager gespalten. Es herrschen ein rauer Ton und derbe

Umgangsformen, Schimpfwörter werden oft benutzt und die Soldaten stacheln

sich gegenseitig zu Gewalt an. Chris beschreibt die Situation im Platoon in einem

seiner Briefe als Bürgerkrieg. Soldaten, die eigentlich gemeinsam für eine Sache

4 Die Erzählung in Platoon weißt Parallelen zu Shakespeares Hamlet auf, mit Chris Taylor als

Hamlet, Sergeant Elias als ermordetem König und Sergeant Barnes als Claudius, dem Thronräuber

(vgl. Klein, 2006, S.298).

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39

kämpfen sollten, bekriegen sich gegenseitig und machen den Kampf gegen den

Vietcong dadurch umso schwerer. Visualisiert wird diese Teilung des Platoons

durch die gegensätzliche Darstellung der beiden Lager. Die Männer um Sergeant

Elias, Mexikaner, Schwarze und Weiße hören psychodelische Hippie-Musik und

rauchen Marihuana. Die Szenerie in der „Unterwelt“ ist in rotes Licht getaucht,

was dem Bunker eine anrüchige Atmosphäre verleiht. In der Unterkunft der

Gruppe um Sergeant Barnes ist die Stimmung weniger ausgelassen und schon die

Beleuchtung der Szene ist nüchterner. Hier spielen die vornehmlich weißen

Soldaten vom Land, die sogenannten Rednecks, Poker und betrinken sich. Die

Gegenüberstellung mit Hilfe der Montage macht die Unterschiede zwischen den

beiden Lagern für den Zuschauer offensichtlich.

Diese Spaltung der Einheit impliziert auch eine Destrukturierung des Status der

militärischen Führung, die im Platoon eigentlich Lieutenant Wolfe inne hat. Doch

Wolfe wird als unsicherer und unerfahrener Emporkömmling in Szene gesetzt, der

vergeblich um die Anerkennung und Respekt in der Einheit kämpft.

Destrukturierung von Chris’ Psyche

In Platoon erfolgt eine Inszenierung der Destrukturierung von Chris’ Psyche.

Chris wird zu Beginn des Films als ein cleverer, aber unentschlossener junger

Mann vorgestellt, der das College abgebrochen hat und nun hofft, in Vietnam

neue wertvolle Lebenserfahrungen sammeln zu können. Über die Briefe an seine

Großmutter erfährt der Zuschauer, dass die Heimat und das College Chris nichts

mehr bieten konnten und sein bisheriges Leben unerfüllt war. Mit seinem

Kriegsdienst wollte er der Kontrolle seiner Eltern entkommen, nach deren Vorbild

er nicht leben wollte.

Bereits bei seiner Ankunft in Vietnam wird Chris dann mit der Realität des Kriegs

konfrontiert, als er sieht, wie Leichensäck in die Maschine transportiert werden,

mit der er gerade erst angekommen ist. Schon nach der ersten Woche gesteht

Chris sich und seiner Großmutter ein, einen schweren Fehler gemacht zu haben.

Bei seinem ersten Einsatz im Dschungel ist Chris alleine vom Fußmarsch

körperlich am Ende. Er schwitzt, hat fürchterlichen Durst, ist müde und wird

zudem auch noch von seinen Kameraden als Hosenscheißer und Grünschnabel

beschimpft.

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40

Im Laufe des Films verändert sich Chris dann zusehends. Glaubt er zu Beginn

seines Einsatzes noch, in einem sinnvollen Krieg zu dienen und seine Pflicht für

sein Vaterland zu erfüllen, fällt es ihm im Verlauf der Handlung immer schwerer,

einen klaren Kopf zu bewahren und nicht durchzudrehen. Seine Psyche und seine

Gedankenstrukturen werden durch seine Erlebnisse in Vietnam, durch die Angst

und durch die Anspannung im Krieg destrukturiert. Durch Chris’ Kommentare

wird dem Zuschauer nähergebracht, wie Chris Tag für Tag desillusionierter und

emotionsloser wird.

„[…] Der Sog des Untergangs zog uns alle langsam in den Strudel

[…]“ (Chris).

Mit Untergang meint Chris hier, den schrittweisen Abbau der physischen und

psychischen Kräfte, der moralischen Stabilität der Soldaten, der Motivation und

der Bereitschaft zur Disziplin. Dieser Kommentar von Chris bildet den Auftakt zu

der Ankunft in dem vietnamesischen Dorf in dem Barnes sich dann des

Kriegsverbrechens schuldig macht. Auch Taylor verliert für einen Moment die

Kontrolle und schießt wie von Sinnen vor die Füße eines offensichtlich

behinderten jungen Mannes und zwingt ihn so dazu, zu tanzen.

Chris, der in Form von Briefen an seine Großmutter Kontakt zu seiner Familie

gehalten hat und ihnen so von seinen Erfahrung berichtete, hat bald kein Interesse

mehr daran, sich jemandem aus der Heimat mitzuteilen. Zum Schreiben fehlt ihm

die Energie. Er hat keine Kraft mehr, seine moralischen Vorstellungen aufrecht zu

halten, noch zwischen Richtig und Falsch unterschieden zu können. Chris muss

weniger gegen den Feind kämpfen, als vielmehr darum, in der Hölle von Vietnam

nicht seinen Verstand zu verlieren.

Auch Chris’ Rolle als Heldenfigur wird destrukturiert. Denn Chris ist nicht der

selbstsichere und entschlossene Kämpfer, der immer die richtigen Entscheidungen

trifft. Chris weiß lange Zeit nicht, wie er sich in dem Konflikt zwischen Elias und

Barnes positionieren soll. Den Moment, in dem er Barnes erschießt, erfährt Chris

als symbolischen Moment der Erkenntnis. Das Gute in ihm hat zwar über das

Böse gesiegt, doch Taylor macht sich in diesem Moment des Mordes schuldig.

Oliver Stone präsentiert hier also nicht den sauberen Helden, sondern einen, den

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der Krieg verdorben hat und der beschmutzt ist von seinen Erfahrungen und Taten

(vgl. Beaver, 1994, S.95). Dennoch ist Chris’ letzter Kommentar positiv angelegt

und gibt Hoffnung für die Zukunft5:

„Ich denke heute, wenn ich zurückblicke, wir haben nicht gegen den

Feind gekämpft, wir haben gegen uns selbst gekämpft. Der Feind war

in uns. Der Krieg ist jetzt für mich vorbei, aber er wird immer

bestimmend sein, bis ans Ende meiner Tage. […] Diejenigen von uns,

die davon gekommen sind, haben die Verpflichtung etwas Neues zu

schaffen, Anderen das weiterzugeben, was wir wissen. Und mit all

dem, was von unserem Leben übrig geblieben ist, zu versuchen, einen

Wert und eine Bedeutung zu finden für dieses Leben“ (Chris).

Destrukturierung des historischen Kontexts des Vietnamkriegs

Als Besonderheit von Platoon kann gelten, dass der Film ein Gefühl von

geographischer Präsenz transportiert. Somit bricht der Film die bisher beim

Zuschauer bestehende Vorstellung auf, dass Krieg eher in einem historischen

Kontext zu sehen ist. Platoon destrukturiert also den bisherigen zeitlichen

Zusammenhang in dem der Vietnamkrieg wahrgenommen wurde und bringt ihn in

Verbindung mit der geographischen und sogar meteorologischen Lage Vietnams.

Im Gegensatz zu anderen Vietnamkriegsfilmen, wie Die durch die Hölle gehen,

definiert Platoon den Krieg über das Land Vietnam und seine landschaftlichen

Begebenheiten und definiert ihn weniger als eine Zeit oder ein Ereignis in der

amerikanischen Geschichte. Dies wird über die Bildkomposition erreicht, in der

die amerikanischen Soldaten in der Landschaft untergehen.

5 Kritiker bemerkten bei der Darstellung Taylors eine Diskrepanz zwischen seinem Alter und

seinen Gedankenäußerungen. Dies sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Oliver Stone

seine Erlebnisse, die er mit 19 hatte, mit 30 Jahren in Form eines Drehbuches niederschreibt und

im Alter von 40 Jahren verfilmte. Die Perspektive auf den Krieg ist also zum Zeitpunkt der

Verfilmung schon lange nicht mehr die eines 19-Jährigen. So ist die Hauptfigur des Films zwar der

junge Chris Taylor, doch seine Gedanken gehören einer älteren Person, die schon zurückgeblickt

hat, die Guten von den Bösen unterscheiden kann und ihre Lektion gelernt hat (vgl. Beaver, 1994,

S.96).

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Als Taylor seine Verletzungstage überstanden hat und ins Lager zurückkehrt,

passiert er einen Wegweiser auf dem die Entfernungen zu Hongkong (685 km)

und Hanoi (710 km) zu lesen sind. Zwischen beiden Städten gibt es auch ein

Schild, dem die Entfernung zu Kansas entnommen werden kann: Es sind 9896

km. Hieran wird die geographische Lage Vietnams verdeutlicht. Auch die

Fremdartigkeit der Landschaft und der Vegetation, die sich aus dieser Lage ergibt,

wird immer wieder visualisiert.

Destrukturierung der Landschaft

Auch die Landschaft Vietnams verändert im Lauf des Films ihre Struktur. Lange

Einstellungen von der landschaftlichen Schönheit Vietnams, aus einer

Vogelperspektive gefilmt, veranschaulichen die intakte Natur. Doch mit Hilfe von

Schwenks und weiteren Aufnahmen werden die Bilder des grünenden dichten

Regenwalds Bildern einer vom Napalm zerstörten, brennenden, kahlen Landschaft

gegenübergestellt. Als Chris in einem Helikopter die Stellung seines Platoons

Richtung Heimat verlässt, zeigt seine Perspektive eine Totale des Schlachtfelds.

Bombenkrater, Leichen und die zerstörte Natur dominieren das Bild. Die Szenerie

gleicht einem Massengrab.

Destrukturierung von Körpergefügen

Mit Hilfe von visuellen und akustischen Gestaltungsmitteln zeigt Platoon auch die

Destrukturierung von Körpergefügen. Dem Tod des ersten Soldaten, der im Film

stirbt, geht ein schmerzerfülltes Geschrei und Gebrüll voraus. Barnes Worte, die

er an die Überlebenden richtet, weisen darauf hin, welchen Wert ein toter Soldat

in einem Krieg hat.

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„[…] Seht euch diesen blutigen Klumpen Fleisch genau an […]“ (Barnes)!

Der Tod von Soldaten wird leise und unspektakulär inszeniert. Die Soldaten

nehmen das Ableben eines ihrer Kameraden wortlos und sichtlich betroffen auf,

was mit Hilfe von langen ruhigen Schwenks über die Gesichter der Soldaten

visualisiert wird.

Die meist blutüberströmten Körper der Toten sind je nach Art der Verletzung

entstellt, die Augen meist weit aufgerissen. Detailierte oder schockierende

Darstellungen von Leichen werden vermieden.

Einen relativ brutalen Tod sterben die Soldaten Bunny und Junior. Beide werden

brutal zuerst niedergeschossen und erstochen. Im Unterschied zu den Toden der

anderen Kämpfer, sieht der Zuschauer hier die aggressiven Gesichter der

Vietcong-Kämpfer und den Tötungsvorgang. Mit der eindringlichen Darstellung

ihres Todes wird das Rachebedürfnis des Zuschauers bedient. Bunny und Junior

werden als Charaktere vorgestellt, die sich durch ihre Brutalität,

Unkameradschaftlichkeit und Dummheit auszeichnen. Ihre negativen

Eigenschaften legitimieren einen so grausamen Tod, der vom Zuschauer nur durch

ihre vorhergehende Unmenschlichkeit und Verständnislosigkeit angenommen

wird.

Der einzige, dessen Tod tragisch und heroisch visualisiert wird, ist der Sergeant

Elias´. Unter den Klängen des „Adagio for Strings“ ist er in Halbtotalen,

Halbnahen oder nahen Aufnahmen gezeigt, in denen er versucht, sich vor den

Schüssen des Vietcong zu retten. Auch die Totale, die Chris’ Perspektive aus dem

Helikopter darstellt, zeigt Elias´ Kampf ums Überleben. Trotzdem Elias unzählige

Male in den Rücken geschossen wird, richtet er seinen blutüberströmten Körper

immer wieder auf. Auch ihn umgibt in dieser Szene eine unzerstörbare Aura. Elias

stirbt unter dem Kugelhagel, mit zum Himmel ausgestreckten Armen.

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5.2 Full Metal Jacket

5.2.1 Entstehungsgeschichte des Films

Full Metal Jacket ist nach Fear and Desire (USA 1953), Wege zum Ruhm (USA

1957) und Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben (USA 1964) der

vierte Film Kubricks, der sich mit dem Thema Krieg auseinandersetzt. Doch auch

in Filmen wie 2001: Odyssee im Weltraum (USA 1968) oder Uhrwerk Orange

(USA 1971) hatte sich Stanley Kubrick schon mit den dunkleren Seiten des

menschlichen Seins beschäftigt. Full Metal Jacket untersucht zwei verschiedene

Stationen des Lebens eines Infanterie-Soldaten: die Grundausbildung und den

Kampf.

Full Metal Jacket basiert auf dem 1979 erschienenen autobiographischen Roman

„The Short Timers“ des Vietnam-Veteranen Gustav Hasford, der als

Kriegskorrespondent bei der Marine gedient hatte (vgl. Wende, 1999, S.1078).

Das Drehbuch stammt von Hasford, Kubrick und Michael Herr, der ebenfalls in

Vietnam Korrespondent war. Stanley Kubrick, der zu der Zeit er Dreharbeiten

schon seit ca. 20 Jahren in Großbritannien lebte, hat mehrere Jahre an dem Film

gearbeitet (vgl. Wende, 1999, S.1078). Gedreht wurden die Szenen für Huế auf

einem zum Abriss freigegebenen Gelände in der Nähe von London (vgl. Wende,

1999, S.1078).

Die Rolle des Ausbilders Sergeant Hartman besetzte Stanley Kubrick mit Lee

Ermey, der auch im wahren Leben Ausbilder auf Parris Island6 gewesen ist und

die Filmproduktion eigentlich nur für Beratungstätigkeiten begleiten sollte. Doch

sein Engagement und schauspielerisches Talent führten dazu, dass Kubrick ihm

die Rolle anbot.

6 Das Marine Corps Recruit Depot Parris Island ist eine militärische Einrichtung, die der

Ausbildung von Marine-Soldaten dient. In Parris Island werden alle männlichen Rekruten östlich

des Mississippis und alle weiblichen Rekruten des Landes trainiert. Pro Jahr absolvieren ca.

17.000 Rekruten die Grundausbildung auf Parris Island (vgl. o.N., 2008).

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5.2.2 Historischer Hintergrund

Amerikaner, die zum Kriegsdienst einberufen wurden oder sich freiwillig

meldeten, begannen ihren Dienst mit einer 8-wöchigen harten militärischen

Ausbildung (vgl. Hillstrom, 1998, S.123). Schon die ersten Stationen dieser

Ausbildung waren so angelegt, dass die Rekruten ihr bisher gelerntes Verhalten

abstreiften und nur die elementaren Gewohnheiten, wie Essen, Hygiene oder

Sprechen beherrschten. So konnten die Rekruten ganz im Sinne der Army neu

erzogen werden (vgl. Hillstrom, 1998, S.124). Besonders in den Marine Corps

waren die Ausbilder für ihren harschen Umgang mit den Rekruten bekannt (vgl.

Hillstrom, 1998, S.123). Die Marines sahen sich demoralisierenden

Beschimpfungen gegenüber, die das Pendant zu den hohen körperlichen

Ansprüchen war, die an die Männer gestellt wurden. Das Training funktionierte

durch die enormen körperlichen Anstrengungen und durch den starken mentalen

Druck, der auf die von ihrer zivilen Umgebung isolierten Männer ausgeübt wurde.

Die Individualität war ein erstes Opfer dieses Trainings. Den Rekruten war es

verboten, von sich in der ersten Person zu sprechen und Privatheit wurde durch

die gemeinschaftliche Umgebung, in der die Rekruten gemeinsam aßen, schliefen

und trainierten ausgelöscht. Innerhalb der Identität des Einzelnen wurde Platz

geschafft für neue Gefühle der Loyalität gegenüber dem Corps und Liebe zu den

Vereinigten Staaten (vgl. Hillstrom, 1998, S.124). Die Methoden der

Grundausbildung waren hart, wurden allerdings aus der Auffassung heraus

angewandt, den Rekruten so eine größtmögliche Überlebenschance im Kampf zu

geben. Die Rekruten sollten für die Situation in Vietnam physisch und psychisch

gestärkt sein. Nur mit einem Vollmantelgeschoss (deutsch für „Full Metal

Jacket“) - einer besonders harten Ummantelung, die das weiche bleierne Innere

einer Kugel umhüllt - würden es den Soldaten möglich sein, Vietnam und seine

Herausforderungen zu überstehen (vgl. Hillstrom, 1998, S.125).

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5.2.3 Narrationsstruktur

Plot

Der Film beginnt in dem Ausbildungslager Parris Island in South Carolina. Zwei

Soldaten stehen dabei im Mittelpunkt des Films, denen der Ausbilder Sergeant

Hartman, wie den anderen Rekruten auch, Spitznamen gegeben hat. Joker ist ein

scharfsinniger, zynischer Rekrut; Leonard ist ein übergewichtiger und unsicherer

Rekrut, der schnell zur primären Zielscheibe Hartmans Beschimpfungen wird.

Leonard fällt es schwer, die harte Grundausbildung durchzustehen und versagt

immer wieder beim Training. Doch sein Werdegang erreicht einen Wendepunkt,

als er eines Nachts von seinen Kameraden zusammengeschlagen wird. Dieser

Überfall bringt Leonard völlig aus dem Gleichgewicht. Er besteht zwar die

Grundausbildung, erschießt dann aber Sergeant Hartman und sich selbst in dem

Toilettenraum der Baracke.

Die ausgebildeten Soldaten gehen nach Vietnam. Joker ist nun als Reporter für die

Zeitung „Stars and Stripes“7 tätig und soll den Einsatz der US-Army in der Stadt

Huế auf die Titelseite bringen. Joker stößt zu einer Einheit, die systematisch die

Ruinen der Stadt durchkämmt. Kurze Zeit später werden 3 der Soldaten der

Gruppe von einem Scharfschützen getroffen. Letztendlich kann das Versteck des

Scharfschützen ausfindig machen, der sich als junge vietnamesische Frau

herausstellt. Schwer verletzt von den Schüssen der Soldaten, bittet sie Joker

darum, sie zu erschießen. Nachdem er zögert, tötet der die Frau und kann somit

seinen ersten offiziellen „Kill“ vorweisen.

Story

Der erste Teil des Films zeigt die Ausbildung der amerikanischen Rekruten im

Camp auf Parris Island in South Carolina. Zunächst werden den jungen Rekruten

die Haare geschoren. Dies soll der erste Schritt sein, um sie zu uniformieren.

7 Die Zeitung „Stars and Stripes“ wird vom US-Verteidigungsministerium für Angehörige des

Militärs und deren Familien herausgegeben. Sie erscheint täglich in fünf verschiedenen Ausgaben

für die Regionen Mittlerer Osten, Europa, Japan, Korea und Okinawa. Laut einer Erhebung aus

dem Jahr 2002 erreicht sie täglich ca. 365.000 Leser (vgl. o.N., 2007).

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Durch die harte Ausbildung werden sie weiter entpersönlicht und gehen als

Individuen mehr und mehr unter. Der Tagesablauf der Rekruten ist monoton, ein

Privatleben auf Parris Island ist ausgelöscht. Es existieren noch nicht einmal

Schamwände zwischen den Toiletten. Private Pyle, wie Leonard von Sergeant

Hartman genannt wird, gilt die besondere Aufmerksamkeit des Ausbilders. Seine

körperliche Unförmigkeit, fehlende Kondition und seine motorische

Unzulänglichkeit lassen ihn in der Gruppe ständig auffallen und gefährden den

erzieherischen Erfolg der Ausbildung. Um ihn besser in die Gruppe zu integrieren,

wird ihm Private Joker zur Seite gestellt. Als dann die gesamte Gruppe für

Leonards Unzulänglichkeiten bestraft wird, rächen sich die Rekruten an ihm mit

einer nächtlichen Prügelaktion. Zunächst zögert Private Joker, schlägt dann aber

umso härter auf den am Bett gefesselten Pyle ein. Joker hat hiermit eindeutig eine

Entscheidung getroffen. Er akzeptiert nun, dass Moral und Humanität in der

militärischen Welt nicht existieren (vgl. Wende, 1999, S.1080). Leonard zieht sich

immer mehr zurück, ist geistig verwirrt und entwickelt eine fast sexuelle

Beziehung zu seinem Gewehr „Charline“. Am letzten Tag der Ausbildung zeigt

sich dann gerade in Leonard die Wirkung des militärischen,

menschenverachtenden Drills. Die auf den Kampf ausgerichtete Erziehungspraxis

für eine fragwürdige militärische Zielorientierung entpuppt sich in seinem Fall als

selbstzerstörerisch. Er ist zu einer Kampfmaschine geworden, die in letzter

Konsequenz den Ausbilder, seinen Erschaffer, tötet und im Anschluss sich selbst.

Der zweite Teil zeigt den Einsatz der Soldaten in Vietnam. Der Szenenwechsel ist

radikal. Die Soldaten werden nun mit einem fremden Land konfrontiert, das ihre

Wahrnehmungsgewohnheiten auf den Kopf stellt. Joker, inzwischen als Reporter

für „Stars and Stripes“ tätig, und sein Kollege Rafterman werden an die Front zu

einem Platoon geschickt und sollen die Kämpfe in Huế auf die Titelseite bringen.

Kurz nachdem sie die Einheit erreichen, nähren sie sich der Betonlandschaft der

Stadt Huế. Als sich die Einheit in den Häusertrümmern verläuft, geraten sie in das

Visier eines Heckenschützen, der drei Männer des Trupps ermordet. Nachdem sie

den Scharfschützen aufgespürt haben, entpuppt dieser sich als junge Frau, was die

amerikanischen Soldaten vollkommen verwirrt. Sie stehen dem zuvor immer als

männlich vermuteten Feind zum ersten Mal gegenüber. Als Joker dann die um

Erschießung bittende Frau tötet, zeigt sich darin die Zweideutigkeit Jokers

Page 48: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

48

Handeln: einerseits ist der Akt der Tötung seine „Geburt als Soldat“ (Weigel-

Klick, 1996, S.96) und andererseits auch ein „Akt der Humanität“ (Weigel-Klick,

1996, S.96). Die überlebenden Soldaten kehren nach der Sequenz in Huế zu dem

Stützpunkt am nahe gelegenen Perfume River zurück und singen beim Abzug aus

der brennenden Stadt das Mickey-Mouse-Lied.

Charaktere

Private Joker

Schon zu Beginn des Films reizt Joker den Ausbilder Sergeant Hartman durch

seine unorthodoxe Einstellung und durch renitente Bemerkungen. Doch er besitzt

Willensstärkere und Schneid, was ihn vor den direkten Angriffen Sergeant

Hartmans schützt. Jokers Person wird nicht gesondert vorgestellt, der Zuschauer

erfährt über ihn recht wenig. In einem Interview mit einem Filmteam beschreibt er

seine Intention, nach Vietnam zu kommen, mit den Worten:

„Ich wollte das exotische Vietnam sehen, das Kleinod von

Südostasien. Ich hab mir gedacht, ich treff’ interessante, anregende

Menschen aus einer alten Kultur - und kill sie. Ich wollte unbedingt

der erste in meinem Block sein, der einen amtlichen Kill vorweisen

kann“ (Joker).

Private Joker ist ein nüchterner, sarkastischer, ja zynischer Soldat, mit einem

fatalistischen Blick auf das Kriegsgeschehen. Er hat in Full Metal Jacket die Rolle

des kühlen, distanzierten und emotionslosen Beobachters, den die Absurditäten

des Kriegs nicht wirklich überraschen.

Gunnery Sergeant Hartman

Der Ausbilder der US-Marines wird mit seiner Liebe zum Corps und seinem

schier unerschöpflichen Repertoire an Beschimpfungen als harter Drill Instructor

von Parris Island vorgestellt. Mit biblischen Vergleichen und mit gebetsartigen

Rezitieren von „My Rifle“, dem Glaubensbekenntnisses eines US-Marines,

verfolgt Sergeant Hartman eine perfide Schein-Religiosität in der Parris Island

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49

eine Art militärischen Himmel darstellt (vgl. Klein, 2006, S.300). Mit aller Härte

bestraft Hartman jeden, der Schwäche zeigt und den körperlichen und psychischen

Ansprüchen der Ausbildung nicht gewachsen ist.

Leonard Lawrence/ Private Pyle

Als übergewichtiger und unsportlicher junger Mann sticht Leonard Lawrence von

Beginn der Ausbildung an aus der Gruppe heraus. Dieses Auffallen macht ihn zur

Zielscheibe Sergeant Hartmans. Jedes Versagen Leonards wird von Hartman mit

erniedrigenden Demütigungen bestraft. Ein erzieherischer Erfolg stellt sich bei

Private Pyle erst dann ein, als er nach einer sogenannte „blanket party“ auch den

Rückhalt in der Gruppe verliert. Während von da an Leonards psychische

Labilität immer mehr zunimmt, entwickelt er sich zu einer Killermaschine und

kann die Ausbildung erfolgreich durchlaufen. In der letzten Nacht im Camp

erschießt er dann in letzter Konsequenz Sergeant Hartman und begeht

anschließend Selbstmord.

Erzählmuster

Der Film gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil ist ca. 44 Minuten lang. Er

spielt in einem Ausbildungslager der Marines und zeigt die Soldaten beim

militärischen Drill. Der zweite Teil des Films ist ca. 74 Minuten lang und zeigt die

Soldaten, die in Vietnam mit der Realität des Krieges konfrontiert sind.

Die Diskrepanz zwischen beiden Teilen des Films ist sehr radikal. Zwei

unterschiedliche Zeichensysteme stehen sich hier kontrastierend gegenüber. Das

Zeichensystem, das den Rekruten auf Parris Island indoktriniert wurde, verliert in

Vietnam gänzlich seine Bedeutung und wird destrukturiert. Dieser Fakt stellt die

eigentliche, eher kulturelle Hölle für die Soldaten dar. Die gewohnten Zeichen der

Heimat verlieren ihre Gültigkeit, ein Stoffspielzeug wird zur Sprengfalle oder ein

Teenager zur mörderischen Scharfschützin. Das zu Beginn des Films fast

himmlisch dargestellte Parris Island kontrastiert stark zu dem am Ende des Films

brennenden Huế.

Doch der erste und zweite Teil bergen trotz ihrer Gegensätze ein gemeinsames

Thema: der Erziehungsprozess der Rekruten. Während im erstem Teil die

institutionalisierte Ausbildung inszeniert, setzt im zweiten Teil ein

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50

Erziehungsprozess ein, der die Soldaten wieder zu eigenständigem Handeln und

Denken in Kriegssituationen führt.

Die Erzählung in Full Metal Jacket ist linear angelegt und zeigt eine

chronologische Abfolge von Sequenzen. Diese Sequenzen sind allerdings eher

freistehend, beziehen sich nur lose aufeinander und stellen keine typische

Hollywood-Dramaturgie dar. Vielmehr wirken die einzelnen Stationen der

Soldaten autonom und sind nicht Teil einer großen zusammenhängenden

Erzählung.

5.2.4 Stilistischen Gestaltungsmittel

Bildkomposition

Die Einstellungen im Ausbildungslager auf Parris Island zeichnen sich durch ihre

geometrische Bildkomposition aus. Soldaten, Betten, Gewehre und Säulen im

Bild sind symmetrisch angeordnet und vermitteln dem Zuschauer

Übersichtlichkeit. Die langen Kamerafahrten unterstreichen dann die

Künstlichkeit der Szenerie, in der klare Linien und Formen dominieren. So wird

die Entmenschlichung des militärischen Drills visualisiert. Die Stätte der

Ausbildung, deren Ziel es ist, Synchronität zu erreichen, bekommt so einen

überschaubaren und übersichtlichen Charakter.

Page 51: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

51

Dem gegenüber steht die Bildkomposition im zweiten Teil des Films. Die

Bildinhalte sind nun chaotischer, unüberschaubar und bruchstückhafter. Nichts

folgt mehr der kontrollierten und präzisen Ordnung des Ausbildungslagers (vgl.

Wende, 1999, S.1081).

Einstellungsgröße

Den Auftakt des Films bilden Nahaufnahmen, in denen den Neuankömmlingen im

Ausbildungslager die Haare geschoren werden. Diese Einstellungsgröße lässt die

Männer noch als Individuen erkennen. Dabei stellt die Uniformierung durch die

Rasur nur den ersten Schritt zur Entindividualisierung dar. Dem Zuschauer

werden hier schon die Gesichter der Figuren vorgestellt, die er im weiteren

Verlauf des Films öfter sehen wird. Stanley Kubrick bedient sich häufiger

Nahaufnahmen der Hauptcharaktere des Films, um immer wieder so etwas wie

eine Bestandsaufnahme zu machen.

Trotzdem das Publikum nicht direkt etwas über Joker erfährt, verrät sein

Gesichtsausdruck in manchen Situationen etwas über seine Gefühle. Ob Joker vor

einem Massengrab vietnamesischer Zivilisten steht oder auf die Scharfschützin

niederschaut, die er erschossen hat - die meist in Nah- oder Großaufnahme

gedrehten Einstellungen lassen Emotionen wie Trauer, Verwunderung oder

Schmerz erkennen, durch die dem Zuschauer die Person Joker nähergebracht

wird.

Als sich der Zug um Private Cowboy in den Ruinen vor der Stadt Huế verläuft,

geraten die Männer in das Visier eines Scharfschützen. Als sich zuerst Albino auf

den Weg macht, um die Situation einzuschätzen, wird der dreimal von den Kugeln

des Heckenschützen getroffen. So lockt der Scharfschütze Doc Jay, der Albino

nicht kampflos aufgeben will, in seine Falle und schießt auch ihn nieder. Die

Schüsse auf die Soldaten werden jeweils in Zeitlupeneinstellung gezeigt, in der

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52

sich auch die qualvollen Schreie in die Länge ziehen und die schmerzerfüllten

Gesichtsausdrücke genauestens wahrzunehmen sind.

Kameraperspektive

Während des ersten Teils des Films dominiert Sergeant Hartman visuell und

akustisch den Raum. Oft ist er in Groß- und Nahaufnahmen zu sehen und dabei

aus der Untersicht gefilmt. Diese Perspektivwahl bildet das visuelle Pendant zu

seiner akustischen Präsenz, die in starkem Kontrast zu der der Rekruten steht.

Seine Überlegenheit wird beispielsweise in der Szene offensichtlich, in der es sich

Joker nicht nehmen lässt, auf die selbstherrlichen Ausführungen Hartman mit dem

Spruch zu reagieren:

„Sind Sie vielleicht John Wayne? Oder bin ich das“ (Joker)?

Prompt wird er von Sergeant Hartman zu Boden gebracht, der ihm in einer

Großaufnahme aus der Untersicht gefilmt beibringt:

„[…] Hier wird nicht gelacht. Hier wird nicht geheult. Garantiert“

(Sergeant Hartman).

Die Blickwinkel der amerikanischen Soldaten auf das Geschehen in Vietnam

werden immer wieder von der Perspektive des Opfers beziehungsweise des

Feindes aufgebrochen. Als die Soldaten um Joker in die Ruinen von Huế

einziehen und sie von dem Heckenschützen in Schach gehalten werden, nimmt die

Kamera die Perspektive des Schützen ein. Der Zuschauer beobachtet so die

Orientierungslosigkeit der Soldaten, die aus dieser beobachtenden Perspektive

noch offensichtlicher wird. Auch als die Soldaten einen Kreis um zwei der

amerikanischen Opfer bilden, wird von der Kamera die Perspektive der Toten

eingenommen. Die Männer schauen herunter auf die Leichname und die Kamera

sieht praktisch mit den Augen des Opfers zu den GIs auf.

Die anschließende Interviewsequenz, in der die Soldaten direkt in die Kamera des

Fernsehteams schauen, hat einen fast dokumentarischen Charakter. Die

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53

üblicherweise klar gezogene Grenze zwischen authentischer Kriegsdarstellung

und konstruierter Fiktion verschwimmt hierbei (vgl. Wende, 1999, S.1083).

Kamerabewegung

In den Bildern Full Metal Jackets ist kontinuierlich Bewegung zu sehen, was den

Rezipienten immer wieder in das Gesehene einbindet.

Schon im ersten Teil des Films begleitet die Kamera Sergeant Hartman in langen

Einstellungen durch die Reihen des Schlafsaals. Auch während der Marsch- und

Gewehrübungen, während des Frühsports und der täglichen Drillsituationen ist die

Kamera immer in Bewegung. Frontal blickt sie auf die meist in einer Halbtotale

gefilmte Formation der Rekruten und bewegt sich rückwärts zu der Bewegung der

Männer. Diese Art der Kamerabewegung wird vielfach genutzt und zieht sich

durch den gesamten Film.

Lange Schwenks werden in die Erzählung eingebunden, um dem Zuschauer einen

Überblick über das Gelände zu geben und ihn gleichzeitig in die Situation

einzuführen, wie es bei der Inszenierung des Einzugs in Huế genutzt wird. Hier

dienen die Totale vom Schlachtfeld und der Schwenk über die Gesichter der

Hauptfiguren, wie bereits in der Eröffnungsszene des Films, der Vorstellung der

Szenerie. Dem Zuschauer wir hierbei ein weiter Blick über die zerbombte Stadt

gewährt.

Ton

Während des ersten Teils von Full Metal Jacket sind die jungen Rekruten dem

hasserfüllten und gleichzeitig selbstherrlichen Gebrüll Sergeant Hartmans

ausgesetzt. Die auditive Ebene ist bei der Inszenierung der Schikanen wichtig,

denn der Zuschauer ist den Äußerungen des Sergeants genau wir Leonard und die

anderen Rekruten wehrlos ausgesetzt. Dabei gehören Hartmans Beleidigungen zur

Strategie des militärischen Drills, der aus den Männern emotionslose

Kampfmaschinen formen soll. Die Demütigung und Verachtung zeigt den

Männern ihre Minderwertigkeit und soll ihr Selbstwertgefühl destruieren (vgl.

Wende, 1999, S.1079). Dem permanenten Schreien des Ausbilders steht dann das

reglementierte Sprechverhalten der Rekruten gegenüber. Sie müssen ihre Sätze

mit „Sir“ beginnen und mit „Sir“ beenden und dürfen von sich selbst nicht in der

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54

ersten Person reden. Sprache ist hier nichts anderes als ein Instrument der Macht

(vgl. Wende, 1999, S.1079).

Ein musikalisches Muster, welches der Regisseur an bedeutungstragenden

Positionen im Film nutzt, ist das düstere und bedrückende Thema von Abigail

Mead. Die für Full Metal Jacket komponierte Klangfolge, erinnert durch ihren

dumpfen und düsteren Charakter an das Horror-Genre (vgl. Wende, 1999,

S.1081). Es stellt die akustische Untermalung der Racheaktion an Leonard dar und

ist ebenfalls während seines Selbstmordes zu hören. Auch die Dramatik der finale

Szene, in der sich die GIs um die im Streben liegende und um ihren Tod bittende

Scharfschützin gruppieren, wird durch die immer lauter werdende Klangfolge

Meads potenziert.

Die Handlung von Full Metal Jacket wird von den Kommentaren des „Stars and

Stripes“-Reporters Joker aus dem Off begleitet. Diese haben meist einen

zynischen Unterton und verraten seinen fatalistischen Blick auf das

Kriegsgeschehen (vgl. Wende, 1999, S.1082). Neben der begleitenden Funktion

der Kommentare werden diese darüber hinaus dafür verwendet, dem Publikum

eine Einführung in die Situation zu geben oder eine Sequenz zu resümieren. Dabei

wird Jokers Erzählperspektive im Laufe des Films zunehmend distanziert und

entwickelt sich zu der eines Medienmenschen, der zu Beginn den durchaus

männlichen John Wayne zitiert und am Ende des Films das infantile Mickey-

Mouse-Lied singt (vgl. Corrigan, 1991, S.43).

Popmusik spielte in Vietnam als Bestandteil der Truppenbetreuung eine

entscheidende Rolle (vgl. Wende, 1999, S.1082). In Filmen, wie Good Morning

Vietnam (USA 1987) kommt diese Bedeutung zum Ausdruck. Popsongs sind in

Full Metal Jacket ein bedeutungstragendes Gestaltungsmittel. Von Songs wie dem

Country-Song “Good bye my darling, hello Vietnam“ von Johnny Wright über

“These boots are made for walking“ von Nancy Sinatra bis hin zu “Paint it black“

von den Rolling Stones werden eine Reihe von Liedern aus der US-Hitparade

Ende der sechziger Jahre eingespielt. Die leichte Musik und die gewaltvollen

Bilder stehen sich dabei nicht unbedingt gegensätzlich gegenüber, sondern

transportieren gemeinsam die Trivialität des Bösen: durch die harmlosen, seichten

Hitparaden-Songs wird die Banalität der Brutalität und die Alltäglichkeit von

Page 55: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

55

Gewalt in Vietnam noch unterstrichen und manifestiert. Sie stellen das Schrecken

hinter der arglosen Fassade noch signifikanter heraus (vgl. Wende, 1999, S.1079).

Setting

Kubrick inszeniert den Vietnamkrieg in einer urbanen Umgebung und lässt ihn

nicht, wie viele andere Filme, im dichten Blätterwald eines Dschungels spielen.

Gleich zu Beginn des zweiten Teils wird die Handlung des Films in die städtische

Kulisse ðà Nangs verlegt. Zu sehen ist eine Straßenszene, in der Autos durchs

Bild fahren, bunte Reklametafeln den Blick auf sich lenken und eine geschäftige

Atmosphäre herrscht.

Als die Soldaten dann in Huế einrücken und den Häusertrümmern näher kommen,

wird eine Handkamera benutzt, um dem Rezipienten die Perspektive eines GIs zu

vermitteln. Aus dieser leicht gebückten Haltung sieht man dann ausgebrannte

Autowracks, Reifenhaufen, verbrannte Palmen, ausgebrannte Häuser und

Straßenzüge aus denen Qualm und Rauch emporsteigt. Visuell wird die Szenerie

also von urbanen Symboliken dominiert.

5.2.5 Auswertung

Full Metal Jacket gibt der Szenerie in Vietnam keine mythische Aura, sondern

besticht durch seinen Realismus und durch seine distanzierte Beobachtung des

Kriegsgeschehens. Full Metal Jacket unterscheidet sich von den für Hollywood

üblichen Darstellungen des Vietnamkriegs dadurch, dass er dem Zuschauer kein

individuelles Heldenschicksal präsentiert. Er zeigt die Unfähigkeit der

amerikanischen Soldaten, sich ein Bild vom Krieg zu machen, zeigt den Kampf

gegen einen unsichtbaren Feind, zeigt einen sinnlosen Krieg und stellt mit seiner

Fragmentierung der Erzählung eher eine strukturelle Analyse des Phänomens

„Krieg“ dar.

Auch in Full Metal Jacket bedient sich der Regisseur einer Reihe von

Destrukturierungen. Diese betreffen verschiedene Arten von Gefügen, die ich im

Folgenden näher erläutere und dabei detailiert herausstelle, welchen Strategien der

Inszenierung von Destrukturierung sich Stanley Kubrick hier bedient.

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56

Destrukturierung ziviler Identität durch Ausbildung

Die schrittweise Destrukturierung der zivilen Identität der jungen Rekruten wird

mit Hilfe unterschiedlicher Gestaltungsmittel im ersten Teil des Films inszeniert.

Zunächst bebildern die Nahaufnahmen der Neuankömmlinge bei ihrer Rasur den

ersten Schritt der Destrukturierung ihrer Persönlichkeit. Als erstes erfolgt also die

äußerliche Uniformierung, um sie dann auch mental gleichzuschalten (vgl.

Wende, 1999, S.1079). Verlieren sie in dieser Szene nur ihre Haare und ihr

gewohntes Aussehen, wird ihnen während der harten Ausbildung dann auch noch

die Identität genommen. Als nächstes gibt ihnen Sergeant Hartman neue Namen,

wie „Schneewittchen“, „Cowboy“, „ Joker“ oder „Pyle“, welche sie im Laufe des

Films nicht mehr ablegen.

In der einheitlichen und symmetrischen Bildkomposition werden Rekruten

entpersönlicht und gehen als Individuen unter. Es gibt kein Privatleben auf Parris

Island, Gespräche sind verboten und der streng monotone Tagesablauf unterbindet

jede Form von Individualität. Der Zweck der militärischen Ausbildung ist die

totale Homogenisierung (vgl. Wende, 1999, S.1079). Der Handlungsspielraum der

Rekruten wird auf das Ausschalten des Gegners durch die Anwendung von

Gewalt reduziert. Menschliche Triebe werden auf fast spirituelle und gebetsartige

Weise auf kämpferische Energie umgelenkt und der Akt des Tötens als

Lebenszweck des Soldaten kommuniziert. Aus den Rekruten wird so keine

funktionierende Einheit geformt, sondern enthumanisierte Tötungsmaschinen.

Die auditive Ebene spielt bei der Inszenierung der Demütigungen und Schikanen,

mit Hilfe derer die Identitäten der jungen Männer deformiert werden, eine

bedeutende Rolle. Wie die Rekruten auch, so empfindet der Zuschauer die

unablässige akustische Präsenz Sergeant Hartmans als unerträglich und fühlt sich

mit dessen Erschießung fast „befreit“.

Auch die Werte der zivilen Welt werden durch die Kommentare Hartmans

destrukturiert. Wenn Sergeant Hartman den Kennedy-Mörder Lee Harvey Oswald

und Massenmörder Charles Whitman durch ihre außergewöhnlichen

Schießleistungen als vorbildliche Marines bezeichnet, bedeutet dies nicht anderes,

als dass die Werte des bisherigen Lebens auf Parris Island und dann auch im

Krieg ihre Bedeutung verloren haben (vgl. Wende, 1999, S.1079).

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57

Destrukturierung der genretypischen Ikonographie

Full Metal Jacket geht über die genretypische Deutung von Bildinhalten und

Mustern der Kriegsdarstellung hinaus und zeigt nicht einseitig Kampfszenen und

Schlachtengemälde (vgl. Descourvières, 2002).

Indem sich Kubrick im ersten Teil des Films der Ausbildung der Soldaten

widmet, bricht er radikal mit der genretypischen Ikonographie und Erzählweise

des Kriegsfilms. Er destrukturiert die Vorstellung des Publikums, dass der Krieg

erst auf dem Schlachtfeld beginnt, denn in Full Metal Jacket beginnt er schon in

der Ausbildung der Rekruten zu harten Marines. Für die destruktive und

autodestruktive Energie wird der Grundstein bereits in der militärischen

Umerziehung gelegt, womit der Film die narrativen Strukturen des Kriegsfilms

aufbricht.

Im nächsten Schritt bricht der Film mit dem für den Vietnamkrieg üblichen

Setting. Stanley Kubrick entschied sich in Full Metal Jacket für eine Verlagerung

der Kulisse des Krieges in die urbane Szenerie der Hafenstadt Huế. In langen

Schwenks über die Silhouette der Stadt nimmt er dem Krieg sein, auch durch das

amerikanische Fernsehen etabliertes, exotisch-fremdländisches Gesicht (vgl.

Wende, 1999, S.1078). Anstatt eines undurchsichtigen und schwer

überschaubaren Dschungels, ist das Setting des zweiten Teils des Films zu großen

Teilen die Stadt Huế und ihre zerbombten Straßenzüge.

Nur als Joker und Rafterman auf dem Weg nach Phú Bài sind, kann das Publikum

die landschaftliche Schönheit Vietnams wahrnehmen. Aus einem Helikopter

heraus aus der Vogelperspektive gefilmt, sieht es die Weite des Dschungels,

Nebelfelder, die über den Wäldern liegen, die glühendrote aufgehende Sonne und

den blassen Mond, der noch über der Szenerie wacht.

Die Abkehr von der genreüblichen Ikonographie des Kriegsfilms zeigt sich auch

in der Destrukturierung des typischen Feindbildes. Der Vietcong hat in Full Metal

Jacket nur das Gesicht der jungen Heckenschützin. Sie ist die einzige Kämpferin,

die man in einer amerikanischen Einstellung sieht und nicht nur in einer

anonymen Totalen.

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58

Als sich der Heckenschütze als junge Frau entpuppt, sind Joker und seine Gruppe

völlig irritiert. Durch die dunkle musikalische Begleitung der Szene, die dazu

noch in Zeitlupeneinstellung gezeigt wird, wird dieses Irritation auch für den

Zuschauer nachvollziehbar. Die GIs stehen dem zuvor immer als männlich

vermuteten Feind zum ersten Mal direkt gegenüber und ihre

Wahrnehmungserwartungen werden nicht bestätigt. Den „Feind“ gibt es nicht

mehr. Das konstruierte Feindmodell kann nicht aufrecht erhalten werden. Durch

die Konfrontation mit der Realität des Krieges, stellt sich dieser als viel

komplexer heraus, als den Rekruten auf Parris Island indoktriniert wurde (vgl.

Wende, 1999, S.1084).

Es ist genau diese Andersartigkeit, die den eigentlichen Feind der amerikanischen

Soldaten in Vietnam darstellt. Aus kultureller Sicht sind die Soldaten gar nicht auf

die Situation vorbereitet gewesen, in der jeder Mann und jede Frau zum Vietcong

gehören konnte. Das in der militärischen Ausbildung eliminierte Bewusstsein für

die Andersartigkeit, wird in Vietnam letztendlich zu Blindheit gegenüber der

Gefahr.

Auch die genretypische Heldenfigur wird durch die Rolle von Joker destrukturiert.

Der Zuschauer erfährt nichts über Jokers Denken und Fühlen. Eine

Emotionalisierung durch seine Person findet also nicht statt und er stellt so auch

keine Identifikationsfigur dar. Dem Rezipienten wird es eher schwer gemacht,

Jokers Handeln zu beurteilen. Schon sein Name lässt auf Zweideutigkeit

schließen, denn ein „Joker“ ist einerseits eine Witzfigur und andererseits eine

Spielkarte, die erst in entscheidenden Momenten zum Zug kommt. Äußerlich fällt

Joker dann durch sein Peace-Button auf der Brust und seine Helm-Aufschrift

„Born to Kill“ auf. Hierin zeigt sich erneut die Schwierigkeit, Jokers Handeln

einzuschätzen. Denn was vom Betrachter als Bedeutungslosigkeit der Werte oder

als nihilistische Einstellung Jokers gedeutet werden kann, wird von Joker selbst

mit der Dualität des Menschen nach C. G. Jung8 begründet (vgl. Wende, 1999,

S.1082). Joker funktioniert im Film gleichzeitig als agierender und beobachtender

8 Der Schweizer Psychologe und Mediziner Carl Guatv Jung ist einer der Begründer der modernen Tiefenpsychologie. Er entwickelte unter anderem das Behandlungsverfahren der Analytische Psychotherapie (vgl. Hollis, 2006).

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59

Kommentator. Er macht Bestandsaufnahmen der Widersprüchlichkeiten, die ihm

begegnen, allerdings ohne sich von ihnen allzu gerührt zu zeigen (vgl. Wende,

1999, S.1082). In der Figur Jokers geht das Kalkül des Militärs auf. Körperlich in

der Perfektionierung seines sogenannten „war face“ und psychisch in dem Angriff

auf Leonard. Doch Joker richtet sein Handeln nicht an seinen in der Ausbildung

und im Krieg gewonnenen Erkenntnissen aus und behält sich seinen kritischen

Blick.

Destrukturierung der Perspektive der Soldaten

Die Medien stellen in Full Metal Jacket das Verfehlen des Ziels der militärischen

Ausbildung dar, dem Krieg in Vietnam seine Andersartigkeit nehmen zu wollen,

ob in Form einer Redaktionskonferenz oder in Form der Interviewsequenz mit den

Soldaten. Diese offiziellen Bilder, die die Wahrnehmung der Zuschauer lenken

sollen, werden immer wieder von der Perspektive der Opfer oder auch der Gegner

verdrängt und so die Perspektive der GIs destrukturiert. Dies geschieht

beispielsweise in der Situation, in der die Soldaten einen Kreis um die Leichen

zweier US-Soldaten bilden und nacheinander in Nahaufnahme gefilmt, die

Situation kommentieren. Sie blicken dabei in die Kamera, die hier die Position des

Opfers eingenommen hat und der Zuschauer sieht die Soldaten aus der

Perspektive eben dieses Opfers. Auch der Blickwinkel der Heckenschützin wird in

der Sequenz in Huế von der Kamera eingenommen und bebildert die

Andersartigkeit, der sich die Soldaten entgegenstellen müssen. Durch die

subjektive Kameraperspektive sieht man in einer Großaufnahme das Zielfernrohr

des Gewehrs. So wird der Zuschauer in die Täterperspektive versetzt. Durch die

Musik von Mead wirkt die Situation dann wie eine Horrorszenerie (vgl. Wende,

1999, S.1084).

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60

Destrukturierung der genretypischen Dramaturgie und Struktur des Films

Full Metal Jacket dekonstruiert auch die typische Hollywood-Dramaturgie, denn

der Film bildet eher die strukturale Analyse eines Kriegsgeschehens ab (vgl.

Wende, 1999, S.1084). Im Gegensatz zu traditionellen Filmen, die auf die

Entfaltung der Narration angelegt sind, dominiert hier die Struktur die Narration

(vgl. Wende, 1999, S.1084). Der Film analysiert die Bedingungen und

Konsequenzen eines Krieges und widmet sich so eher der Beschreibung eines

individuellen Zustands, als der Beschreibung der individuellen Geschichte einer

Person, ihrer subjektiven Motive oder Anschauungen (vgl. Wende, 1999, S.1084).

Und obwohl der Film linear aufgebaut ist, zergliedert er sich in einzelne Teile und

destrukturiert so den Gedanken vom Film als Gesamtwerk (vgl. Wende, 1999,

S.1085). Eine Destrukturierung des Glaubens an die Überlegenheit der

amerikanischen Kriegsführung, wird in den beiden kontrastierenden Teilen des

Films übermittelt. Auf der einen Seite wird die ansehnliche US-Militär-Macht

visualisiert und auf der anderen Seite die Unfähigkeit und Gelähmtheit der

Soldaten beim Anblick der jungen vietnamesischen Heckenschützin.

Durch die relativ autonome Gestaltung der einzelnen Sequenzen des Films, wird

eine gewisse Künstlichkeit der Szenen transportiert, die mehrere Gestaltungsmittel

verdeutlichen. Zunächst bedient sich der Film immer wieder langer Einstellungen

und Kamerafahrten, die die einzelnen Sequenzen vorstellen. Der Einsatz der

Handkamera, in die die Soldaten während der Interviewsequenz direkt sprechen,

bricht die Grenze zwischen der fiktiven Inszenierung des Krieges und seiner

dokumentarischen Abbildung auf (vgl. Wende, 1999, S.1085). Und letztlich heben

auch die trivialen Popsongs aus der Zeit der Tet-Offensive die Künstlichkeit der

Szenen hervor. Das Spannungsverhältnis zwischen Musik und dem dazu

abgebildeten Kampfhandlungen entsteht dadurch, dass die triviale und harmlose

Musik die Brutalität des Krieges grotesk erscheinen lässt (vgl. Wende, 1999,

S.1082). Es erfolgt also auch eine Destrukturierung auf akustischer Ebene, bei der

die Songs im Kontrast zum auf der Leinwand Sichtbaren stehen.

Diese Gestaltungsmittel destrukturieren die Vorstellung von einem Kriegsfilm,

der nur dann authentisch sein kann, wenn der Zuschauer sich möglichst nah am

Geschehen empfindet und sich mit der Hauptfigur identifizieren kann.

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Destrukturierung der Fernsehnachricht als Informationsträger

Eine gewisse Banalisierung des Bösen wird auch in den Szenen deutlich, in der

die Soldaten für die Kamerateams posieren und die mediale Inszenierung von

Kriegsgeschehen einen Unterhaltungswert bekommt, der die Bilder für jede

abendliche Nachrichtensendung tauglich macht. Szenen wie diese destrukturieren

die Idee von der Fernsehnachricht als Informationsträger.

Bei dem Einsatz des Fernsehteams nimmt dieses beim Dreh des Filmmaterials

eine ähnliche Haltung an, wie ein Soldat, der in Deckung geht. Sie bewegen sich

etwas gebückt und ihre Kamera ist als andere Art von Waffe genauestens auf das

Ziel gerichtet (vgl. Wende, 1999, S.1083). Der Auftritt des Fernsehteams verleiht

dem Krieg das Gesicht eines Medienereignisses (vgl. Wende, 1999, S.1083). Das

Medium Film thematisiert sich hier also selbst.

In der sich anschließenden Interviewsequenz, hört das Publikum die

zusammenhangslosen und nichtssagenden Kommentare der GIs, die

symptomatisch für den Sinngehalt der Berichterstattung aus Vietnam sind. Dabei

stehen die sinnentleerten Statements auch für die Orientierungslosigkeit der

Soldaten in Vietnam. An wirklichen Informationen ist den Reportern nicht

gelegen (vgl. Wende, 1999, S.1083). Die Nachricht wird hier als anspruchslos

dargestellt, sie gibt keine Informationen und dient nur der Verzerrung des

tatsächlichen Kriegsgeschehens (vgl. Wende, 1999, S.1083).

Dem Zuschauer wird durch die Verschiebung der Perspektive die Orientierung

genommen und die Glaubwürdigkeit des vorher im Film Wahrgenommenen und

dessen Echtheit werden zur Illusion (vgl. Wende, 1999, S.1083).

Auch die zwei Redaktionskonferenzen, denen Joker und Rafterman beiwohnen,

verdeutlichen dem Zuschauer, wie die Kriegsberichterstattung zu funktionieren

hat. Stories, die bei „Stars and Stripes“ erscheinen, haben entweder das Ziel, die

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62

amerikanischen GIs als human und freundlich zu präsentieren, oder militärische

Siege zu zeigen.

Destrukturierung von Körpergefügen

Stanley Kubrick verzichtet in Full Metal Jacket auf eine dramaturgische,

bildsprachliche oder rhetorische Kritik an den Verhältnissen. Der Film versteht

sich nicht als Anklage, was seine Radikalität ausmacht (vgl. Klein, 2006, S.304).

Dies spiegelt sich auch in der nüchternen und unmissverständlichen Darstellung

des Todes und der Opfer des Krieges wider. Beispielhaft hierfür ist die

Darstellung zweier Leichen von US-Soldaten. Eingeführt wird die Szene durch

eine aus der Draufsicht gefilmten Totale der blutüberströmten Leichname. Die

Gruppe um Cowboy und Joker sieht auf die beiden Toten hinab. Diese direkte

Darstellung destrukturierter Körper ist typisch für Full Metal Jacket. In der

Situation, in der der Scharfschütze die Männer in Schach hält, wird eine

Zeitlupeneinstellung benutzt, um die Schmerzen und Schreie der angeschossenen

Soldaten deutlicher zu visualisieren. Durch die Verlangsamung der Bilder sieht

der Zuschauer sehr deutlich, wie das Blut aus ihren Schussverletzungen

herausspritzt und sich die Gesichtszüge der GI vor Schmerzen verziehen. Das

gleiche stilistische Mittel wird verwendet, als Private Pyle den Ausbilder Sergeant

Hartman erschießt.

Dieser direkten Darstellung von Gewalt und Destrukturierung von Körpern steht

dann die Szene gegenüber, in der Joker die vietnamesische Scharfschützin

erschießt. Die Kamera bleibt bei dem tödlichen Schuss und noch lange danach auf

Jokers Gesicht. Durch die Großaufnahme wird der Zuschauer Zeuge seines

Zögerns und seiner Anspannung.

Page 63: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

63

6. Vergleich Platoon und Full Metal Jacket

Nachdem ich die unterschiedlichen Formen von Destrukturierungen und ihre

Kontexte nun für die beiden Filme analysiert habe, folgt nun eine Erörterung der

Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Platoon und Full Metal Jacket

hinsichtlich der in den Filmen zu findenden Destrukturierungen und deren

Inszenierung. Bei dem Vergleich der Filme lege ich den Fokus auf die formalen,

narrativen und inhaltlichen Gestaltungsmittel, auf denen die Destrukturierungen

basieren.

Gemeinsamkeiten

Gemeinsam ist beiden Filmen, dass sie die Destrukturierung von menschlichen

Körpern thematisieren, die eine für Kriegsfilme essentielle Relevanz hat.

Visualisiert werden hierbei der Akt der Tötung, der Prozess des Sterbens,

Verwundete, aber auch die Zeugen der Tötungen. Während für Platoon die

Darstellung der Destrukturierung von Körpergefügen eher über die Inszenierung

der Zeugen funktioniert, erfolgt in Full Metal Jacket eine direkte visuelle und

akustische Konfrontation mit dem Prozess des Strebens und dem Tod. Oliver

Stone hält sich im Gegensatz zu Stanley Kubrick nicht lange an der Inszenierung

des Sterbeprozesses oder des Todes auf. Weder der Tod der Frau in dem

vietnamesischen Dorf, noch der Tod Elias’ oder Barnes’ wird gesondert in Szene

gesetzt. Dagegen wird der Zuschauer bei dem Tod Albinos, Docs oder Cowboys

beispielsweise durch die akustische Untermalung der Szene oder die Größe der

Einstellung und deren Dauer in die Sterbeprozesse einbezogen.

Weiterhin destrukturieren beide Filme das beim Zuschauer vorherrschende

Feindbild. Während Oliver Stone in Platoon mit Hilfe der Gestaltungsmittel

Montage und der Narration das genretypische Gut-Böse-Schema ergänzt, indem

er die Rolle des Gegners zusätzlich zum Vietcong noch einem US-Sergeant

zuweist, bricht Stanley Kubrick das erwartete Bild des Feindes auf und lässt den

Gegner von einer jungen vietnamesischen Frau mit Zöpfen darstellen. In Full

Metal Jacket spielt unterdessen Ton und die Nutzung der Zeitlupe eine wichtige

Rolle bei der Destrukturierung des Feindbildes.

Page 64: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

64

Eine Übereinstimmung findet sich auch im Bezug auf die Darstellung der

Destrukturierung von Persönlichkeiten. In Platoon wird die Destrukturierung der

Psyche des Hauptdarstellers Chris Taylor visuell, vornehmlich durch Montage,

und auditiv, vornehmlich durch seine Kommentare, in Szene gesetzt. Die

Destrukturierung passiert hier auf einer subjektiven Ebene, die sich nur auf Chris’

Person beschränkt. In Full Metal Jacket dagegen wird die zivile Identität der

Rekruten nicht erst im Krieg, sondern schon früher beim militärischen Drill

destrukturiert. Diese gewählte Perspektive ist weniger subjektiv und bezieht sich

auf eine Gruppe von jungen Männern. Für die Darstellung werden dann auch

andere stilistische Mittel herangezogen, wie die geometrische Bildkomposition

oder die akustische Dominanz Hartmans. In dem Zusammenhang mit der

Destrukturierung der Persönlichkeiten in Full Metal Jacket stehen auch die

Destrukturierung der Wertesysteme der jungen Männer und die Destrukturierung

der Vorstellung des Zuschauers, die militärische Ausbildung diene alleine der

Erlangung von militärischer Fertigkeiten, wie dem Schießen oder der sportlichen

Fitness. Denn eine höhere Priorität als der physischen, gilt der psychologischen

Umerziehung der Rekruten zu Killern.

Die Soldaten in Full Metal Jacket und in Platoon stellen keine

zusammenarbeitende Einheit dar. Eine gemeinschaftliche Bekämpfung des

Feindes ist in beiden Filmen nicht als realistische Option dargestellt. Verdeutlicht

wird dies dadurch, dass die Soldaten eher mit sich selbst zu kämpfen haben und

dass es ihnen an einer klaren Vorstellung eines Kriegsziels mangelt (vgl. Dittmar,

1990, S.4). Während in Filmen über den Zweiten Weltkrieg die Gemeinschaft und

Kameradschaftlichkeit unter den Soldaten eine starke Präsenz hatte,

destrukturieren Platoon und Full Metal Jacket dieses beim Zuschauer

vorherrschende Bild einer solidarischen und zusammenarbeitenden Truppe.

Auch die Ausdehnung des Kontextes differiert in Platoon und Full Metal Jacket

im Gegensatz zu Filmen über den Zweiten Weltkrieg. In Full Metal Jacket und

Entscheidung vor Morgengrauen (USA 1950) beispielsweise stehen sich

Visualisierungen gegenüber, die ihren Handlungsrahmen und ihren Kontext

unterschiedlich weit definieren. Während in Filmen über den Zweiten Weltkrieg

die Intention im Vordergrund steht, dem Zuschauer den gesamtpolitischen

Page 65: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

65

Kontext näher zu bringen und dem Publikum zu helfen, den Krieg, seine Ursachen

und Ziele zu verstehen, wird in Vietnamkriegsfilmen eine eher subjektive und von

Einzelpersonen bestimmte Sichtweite auf den Krieg, seine Ursachen und

Konsequenzen praktiziert (vgl. Dittmar, 1990, S.171). Der bis zum Vietnamkrieg

für das Kriegsfilmgenre übliche Versuch der Einbindung des Großen und Ganzen

in den narrativen Zusammenhang, wurde in vielen Filmen über Vietnam, wie auch

in Full Metal Jacket und Platoon gar nicht erst versucht und somit der bis dahin

standardisierte Rahmen reduziert. Die Struktur, der die Filme nach 1945 auf dieser

kontextuellen Ebene folgten, wurde mit Full Metal Jacket und Platoon also

aufgebrochen und somit auch ihrer bestehenden Form beraubt- eben

destrukturiert.

Eine weitere Gemeinsamkeit zeigen beide Filme in der Erzählung des Krieges aus

der Perspektive eines Soldaten. Sowohl in Platoon, als auch in Full Metal Jacket

nutzen die Regisseure Voice-Over-Kommentare der Protagonisten. Sie

unterscheiden sich letztlich nur durch ihren Grad an Subjektivität. Während

Glaube und Vertrauen in Platoon essentielle Bestandteile in Chris’ Erzählung sind

und der Mensch hier grundsätzlich gut ist, beherrscht Full Metal Jacket eine

zynische Grundstimmung, die durch den nüchternen und fatalistischen Blick

Jokers getragen wird (vgl. Corrigan, 1991, S.41).

Dadurch, dass beide Filme so subjektiv sind, müssen sie nicht dem historischen

Wahrheitsanspruch genügen. In Platoon beispielsweise ist die Geschichte so nah

am individuellen Geschehen um den jungen Soldaten Chris Taylor gestrickt, dass

sie für eine Totalaufnahme der politischen Realität keinen Platz bietet (vgl.

Corrigan, 1991, S.42). Stattdessen stellt der Film Personen, moralische

Zwiespälte, Emotionen und Ängste in den Vordergrund, die einer historischen

Betrachtung nicht bedürfen (vgl. Corrigan, 1991, S.43).

Unterschiede

In der Szene aus Full Metal Jacket, in der die Soldaten um die toten Körper der

Gefallenen stehen, und in Großaufnahmen gezeigt werden, kommentieren die GIs

die Situation mit redensartlichen Phrasen und Banalitäten. Die Soldaten, deren

Köpfe das Bild füllen, werden durch die trivialen Äußerungen zu gesichtslosen

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Symbolen und gleichen so der Leere der toten Körper in ihrer Mitte. Dem

Heldenhaften des Individualismus wird hier jede Substanz genommen. Die

Emotionalisierung durch das Subjektive und Persönliche, wie sie in Platoon

geschieht, wird in Full Metal Jacket zur Parodie menschlichen Ausdrucks,

bewiesen von den trivialen und emotionslosen Bemerkungen der GIs. Die

Zeichnung der Charaktere in Full Metal Jacket, allen voran Joker, destrukturiert

eine persönliche Darstellung, so wie sie in Platoon zu sehen ist. In Full Metal

Jacket erreicht Joker die Anonymität, nach der sich Chris Taylor so sehnt. Ein

wesentlicher Unterschied zwischen Platoon und Full Metal Jacket ist somit die

Inszenierung ihrer Protagonisten. Während Oliver Stone gleich zu Beginn des

Films eine Reihe von Nah- und Großaufnahmen nutzt, um seinen Helden Chris

Taylor dem Publikum näher zu bringen und sogar Aufnahmen einbindet, die aus

der Perspektive des Protagonisten aufgenommen sind, verweigert Stanley Kubrick

dem Zuschauer die Empathie, indem er seinen Helden Private Joker zu Beginn des

Films unidentifiziert lässt.

Gemeinsam ist den Filmen auf der Ebene allerdings, dass sie beide versuchen, mit

ihrer Art der Inszenierung der Protagonisten ein größtmögliches Publikum

anzusprechen und mit auf ihre Reise zu nehmen. Sie bemühen dafür nur

verschiedene visuelle und narrative Mittel. Dieser Prozess der emotionalen

Einbindung des Zuschauers dient dazu, eine rationale und kritische Sicht des

Zuschauers zu verhindern, um ihn für die Botschaft des Films empfänglicher zu

machen.

Ein weiterer Unterschied besteht in der unterschiedlichen Perspektive auf das

Verhältnis von Verantwortung und Schuld der Soldaten. Oliver Stone stellt die

amerikanischen Soldaten in Platoon und vor allem Chris Taylor als Opfer dar; als

Opfer der Umstände der Kriegssituation (vgl. Beaver, 1994, S.91) und der daraus

resultierenden sozialethischen Desorientierung. Chris’ Figur ist allerdings so

angelegt, dass er sich seiner moralischen Maßstäbe trotz der Kriegswirren immer

wieder erinnert, wie dem Zuschauer in der Situation klar wird, in der Taylor eine

vietnamesische Frau vor der Vergewaltigung durch die eigenen Kameraden rettet.

In Full Metal Jacket dagegen sind die Soldaten für ihr Handeln selbst

verantwortlich. Dadurch, dass Kubrick die erfolgreiche Umerziehung der

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67

Rekruten und späteren Soldaten zeigt, stellt er diese weniger als Opfer der

Verhältnisse dar, sondern visualisiert das destruktive und auch autodestruktive

Potential eines Menschen.

In Platoon und Full Metal Jacket unterscheiden sich die Settings grundsätzlich

voneinander. Die Natur hat in Platoon eine starke Präsenz. Oft kann sich der

Zuschauer von der landschaftlichen Schönheit Vietnams mit Hilfe der meist aus

einem Helikopter aufgenommenen Totalen überzeugen. Dabei variieren die

Naturaufnahmen und reichen von Aufnahmen von Tieren, über dichte Wälder, bis

hin zu weiten Hügellandschaften. Die Komposition des Bildes ist oft so angelegt,

dass die amerikanischen Soldaten inmitten dieser Natur dargestellt werden.

Platoon folgt mit der Wahl der Drehorte einem genreüblichen Muster.

In Full Metal Jacket dagegen sieht der Zuschauer nur einmal eine Aufnahme aus

der Vogelperspektive, in der ein Helikopter ein Waldgebiet und Felder

vietnamesischer Bauern überfliegt. Ein Großteil des Films spielt in der urbanen

Kulisse der Städte ðà Nang und dem zwar zerbombten aber noch als Stadt

erkennbaren Huế. An Stelle von Bergen und Wäldern macht sich das Publikum

hier ein Bild von geschäftigen Straßenzügen, bunten Werbetafeln und

ausgebrannten und zerklüfteten Betonschluchten. Auch im Falle von Full Metal

Jacket kann sich der Zuschauer über langgezogene weite Einstellungen einen

Überblick über die örtlichen Begebenheiten machen.

Auf der auditiven Ebene lassen sich bei beiden Kriegsfilmen ebenfalls

Differenzen feststellen. Während in Platoon die Voice-Over-Kommentare Chris’

und die eingespielten Songs dazu dienen, das Verständnis von

Truppenzusammenhalt zu destrukturieren, werden sie in Full Metal Jacket vor

allem zur Destrukturierung der genreüblichen Ikonographie und der Rolle der

Medien genutzt.

Die Songs „White Rabbit“ von Jefferson´s Airplane, Merle Haggard´s „Okie from

Muskogee“ und Smokey Robinson´s “Tracks of my tears” beschreiben in Platoon

die stereotypen sozialen Gruppierungen innerhalb der Einheit (vgl. Corrigan,

1991, S.41). Die Alkohol trinkenden, Karten spielenden, mehrheitlich weißen

„Rednecks“ werden in einer Sequenz den Marihuana rauchenden und

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68

psychedelische Musik hörenden, mehrheitlich schwarzen Soldaten

gegenübergestellt. Die visuelle Gruppierung durch die Beleuchtung und die

auditive Gruppierung durch die Lieder ermöglichen eine klare gesellschaftliche

und generationale Identifikation innerhalb der sozialen und ethnischen

Differenzen des Platoons.

In Full Metal Jacket greift der gestammelte Text von „Surfin´ Bird“ von

Trashman das Durcheinander von Kameracrew und Frontgeschehen auf, als die

Journalisten die Reihe der in Deckung liegenden GIs abfilmt. Als Teil einer

kritischen und zynischen Darstellung korrespondiert der eher sinnlose Song mit

den belanglosen Kameraaufnahmen, deren journalistische Wahrheit auf

kinematographische Klischees reduziert wird (vgl. Corrigan, 1991, S.41):

„Hey, lasst die Kamera laufen! Das ist Vietnam, der Film“ (Cowboy).

Die Kommentare Jokers dienen im Gegensatz zu den Off-Kommentaren Taylors

in Platoon nicht dazu, die Gedanken und Gefühle des Protagonisten zum

Ausdruck zu bringen. Die Äußerungen Jokers bergen kein

Identifikationspotential, da dem Rezipient nicht die Möglichkeit gegeben wird,

Emotionen des Helden abzuleiten, etwas über seine Herkunft oder seinen sozialen

Hintergrund zu erfahren. Vielmehr sind Jokers Anmerkungen die, eines neutralen

Beobachters, der den Zuschauer auf sachliche Art und Weise in die Sequenz

einweist.

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7. Fazit

Cineastische Auseinandersetzungen mit dem Vietnamkrieg haben oft einen

nostalgischen Charakter. Viele der Filme, wie auch Platoon und Full Metal

Jacket, haben dabei nicht den Anspruch, historisch korrekt zu sein. Vielmehr

können sie in ihrer Darstellung des Geschehens eine verzerrte, vielleicht sogar

fortschrittliche Sicht auf die historischen Umstände präsentieren. Die Subjektivität

der Regisseure schafft so eine immer neue Sicht auf das Vergangene. Die

Möglichkeit, innerhalb der historischen Realität neue Aspekte aufzudecken oder

Sachverhalte neu zu beleuchten, ist eine wichtige Funktion derjenigen Filme, die

sich mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigen. Auch die Neuordnung

von geschichtlichen Wahrheiten und die Fähigkeit, Begebenheiten in einen neuen

Zusammenhang zu stellen, obliegen dem Filmischen. So gelingt es dem Film

auch, die Perspektive der Zuschauer zu erweitern und deren Orientierung

umzulenken. Der Film hat das Vermögen, bisherige beim Zuschauer stabile

Sichtweisen aufzubrechen, bestehende Strukturen einzureißen und Platz zu

schaffen für neue Blickwinkel. Da die Destrukturierungen die beim Zuschauer

bestehenden stereotypen Bilder von Heldenfiguren oder der Rolle der Medien

beispielsweise nicht bedienen, geben sie dem Rezipienten die Möglichkeit, eine

neue Perspektive auf die Aspekte der Inszenierung von Krieg zu erlangen. Eine

differenzierte Auseinandersetzung seitens des Publikums wird somit begünstigt

und die kritische Hinterfragung erst möglich.

Der Vergleich der Filme Platoon und Full Metal Jacket hat gezeigt, dass dieses

Aufbrechen von Sichtweisen und Einreißen bestehender Strukturen in

Kriegsfilmen in ganz unterschiedlichen Kontexten zu finden ist und verschiedene

stilistische Gestaltungsmittel zur Inszenierung dieser Destrukturierungen

herangezogen werden können. Im Falle der beiden Filme überschneiden sich die

Kontexte Körpergefüge, Feindbilder, Persönlichkeiten und Identitäten und die

Truppe als zusammenarbeitende Einheit, wobei die Destrukturierung von

Körpergefügen ein Wesensmerkmal des Kriegsfilms ist. Dahingegen

kristallisieren sich in beiden Filmen auch Destrukturierungen in ganz

unterschiedlichen Zusammenhängen heraus, wie der historische Kontext, in dem

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70

der Vietnamkrieg oftmals gesehen wird, die Inszenierung der Heldenfigur, das

genreübliche Setting, die Perspektive der Soldaten auf den Krieg, die

Fernsehnachricht als Informationsträger und die Landschaft.

Die Beispiele Platoon und Full Metal Jacket zeigen, dass Kriegsfilme innerhalb

bestimmter Kontexte die beim Zuschauer bestehenden Strukturen und Gefüge mit

Hilfe der filmischen Stilmittel destrukturieren.

Diese unterschiedlich kontextuell eingebundenen Destrukturierungen lassen auf

bestimmte Ebenen schließen, auf denen Gefüge und Strukturen zerstört, neu

geordnet oder deformiert werden können. Hierbei unterscheide ich vier Ebenen,

auf deren Grundlage Destrukturierungen in Kriegsfilmen stattfinden können:

− Strukturelle Ebene

− Ikonographische Ebene

− Visuelle Ebene

− Narrative Ebene

Ich werde nun die Destrukturierungen, die sich bei meiner Filmanalyse

herausgestellt haben, den verschiedenen übergeordneten Ebenen zuweisen. Diese

sind auf Kriegsfilme im Allgemeinen zu beziehen und geben dem Zuschauer die

Möglichkeit zu erkennen, in welchen Zusammenhängen Destrukturierungen zu

finden sind und wie sich unterschiedliche Inszenierungsstrategien auf die

Sehgewohnheiten des Publikums auswirken.

Strukturellen Ebene

Die strukturelle Ebene bezieht sich auf die Gestalt, also auf den formalen Aufbau

eines Films. Die Anordnung der einzelnen Teile eines Werkes und deren

Verbindung untereinander werden auf dieser Ebene analysiert.

Gerade das Beispiel Full Metal Jacket beweist, dass die Authentizität eines Films

nicht unbedingt davon abhängt, ob der Film eine für Hollywood übliche Form

aufweist. Der Realismus von Full Metal Jacket begründet sich also nicht darauf,

dass er einer für das Genre typischen dramaturgischen Struktur folgt, sondern dass

er das Kriegsgeschehen episodenhaft und fragmentiert erzählt und mit der

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71

eigentümlichen Struktur bricht. Diese Abkehr von der üblichen Dramaturgie steht

damit im Zusammenhang, dass in Full Metal Jacket nicht die Geschichte einer

bestimmten Person und ihrer individuellen Motivation nachgezeichnet wird. Die

Qualität und Authentizität der Inszenierung des Kriegsgeschehens muss also nicht

immer auf der Basis einer geschlossenen, sich steigernden Narration erfolgen, die

an eine Person geknüpft ist, sondern kann auch mit der Destrukturierung des

typischen formalen Aufbaus einsetzen. So ist Full Metal Jacket eine

Grenzüberschreitung auf struktureller Ebene und damit fast schon ein

Formexperiment.

Ikonographische Ebene

Die Analyse spezifischer Bildinhalte und die Deutung bestimmter

wiederkehrender Motive eines Werkes ist eine Voraussetzung für die

Interpretation eines Films. Auf der ikonographischen Ebene werden also Motive

der Kriegsdarstellung untersucht und deren symbolische Relevanz gedeutet.

Solche wiederkehrende Elemente in der Inszenierung des Krieges sind

beispielsweise die Visualisierung des Feindes, die des Helden oder die des

Schauplatzes. Kriegsfilme bedienen sich der Destrukturierung dieser

Ikonographie, um Kritik an den gefestigten Symbolen zu üben. Diese bergen

oftmals undifferenzierte Verallgemeinerungen, die nicht zeitgemäß sind und eine

komplexe Betrachtung der Zusammenhänge behindern.

Das Bild des Gegners wird in Kriegsfilmen zum Beispiel destrukturiert, um dem

Rezipienten vor Augen zu führen, dass es nicht den einen, definitiven Feind gibt.

Das Feindbild muss individuell aufgebaut werden, da die Soldaten in

Kriegsfilmen nicht immer dem Feind begegnen, gegen den sie zu kämpfen

glauben. Manchmal erscheint das Böse auch in der Uniform der eigenen Truppe.

Der Feind kann auch, wie die junge vietnamesische Scharfschützin in Full Metal

Jacket beweist, so aussehen, wie jemand, den es im Krieg eigentlich zu schützen

gilt. Auf der anderen Seite stehen die GIs in Platoon zu dem offiziellen Feind

auch noch dem Feind in sich selbst gegenüber.

Wie in Full Metal Jacket dargestellt muss der Held des Films nicht jemand sein,

für den der Zuschauer eine besondere Sympathie hegt oder jemand, mit dem sich

das Publikum besonders gut identifizieren kann. Aus der Tatsache, dass sich

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72

Stanley Kubrick nicht auf einen spezifischen Charakter festlegt, seine Herkunft,

Ansichten oder Emotionen vorstellt, begründet sich die Möglichkeit, ein großes

Publikum für die Botschaft des Films empfänglich zu machen. Zwar ist der

Zuschauer durch die Intensität der Sequenzen in Full Metal Jacket emotional

berührt, doch es sind gerade die Off-Kommentare des Hauptdarstellers die ihm

immer wieder eine rationale Sicht aufdrängen (vgl. Wende, 1999, S.1085).

Während Kubrick Nah- oder Großaufnahmen seines Helden meidet und so keine

Identifikation mit ihm forciert, nutzt Oliver Stone in Platoon eine gegenteilige

Inszenierungsstrategie, um ein großes Publikum anzusprechen. Stone bedient mit

der Inszenierung seines Helden allerdings die genretypische Ikonographie. Sein

Held ist vielfach in nahen Einstellungen im Bild zu sehen. Über seine sehr

persönlichen Kommentare, in denen der Rezipient den Protagonisten kennenlernt

und Empathie aufbauen kann, erfährt das Publikum Details aus dem Leben des

Helden, was sein Identifikationspotential steigert.

Eine weitere Möglichkeit der Destrukturierung auf der ikonographischen Ebene

stellt die Wahl des Settings dar. Mit dem Drehort des Films werden bestimmte

Aussagen über die Gültigkeit der Inszenierung gemacht. Kriegsfilme, die sich

einer Darstellung des üblichen Settings verweigern, verfolgen mit dieser

Inszenierungsstrategie das Ziel, ihren Bildern einen universelleren und

allgemeingültigeren Charakter zu geben. Der Film kann also auf einen größeren

Rahmen bezogen werden und unterliegt nicht allein dem Kontext eines Krieges.

Im Gegensatz zu Apocalypse Now beispielsweise, in dem Francis Ford Coppola

einen hohen Wert auf ein besonders vietnamesisches Ambiente gelegt hat (vgl.

Wende, 1999, S.1079) und so das typische, auch durch das amerikanische

Fernsehen produzierte Bild eines Dschungel-Krieges inszenierte, kann Kubricks

Film zumindest von den Schauplätzen her eher verallgemeinert und auf das

Phänomen Krieg an sich bezogen werden.

Visuelle Ebene

Für die Inszenierung von kriegerischen Auseinandersetzungen ist die

Visualisierung der Destruktion von Materiellem und auf der Leinwand Sichtbarem

essentiell. Die Zerstörung von Häusern, Dörfern, Landschaften oder auch

Page 73: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

73

menschlichen Körpern ist ein wesentliches Merkmal von Kriegsfilmen und die

Inszenierung dieser Destrukturierungen ein häufig aufgegriffenes Motiv.

Die Zerstörungsmacht der Kriegstechnologien lässt sich durch die

Destrukturierung von zerbrechlichen, menschlichen Körpergefügen verdeutlichen,

was oftmals eine ablehnende Haltung gegenüber dem Krieg seitens des Publikums

begünstigt. Auch die Filme Platoon und Full Metal Jacket zeigen die

Destrukturierung von menschlichen Körpern. Stanley Kubrick wählte für die

Visualisierung von Verletzungen, Sterbeprozessen und Toten eine direkte

Konfrontation und verstärkt die Bilder durch visuelle und akustische Effekte sogar

zusätzlich. Oliver Stone dagegen entschied sich für eine zurückhaltendere

Darstellung menschlichen Leidens und fokussiert vor allem die Reaktion der

Überlebenden auf den Tod.

Für die Destrukturierung der Landschaft Vietnams, nutzt der Regisseur von

Platoon vornehmlich die Mittel der Kameraarbeit, um die Ausmaße der

Zerstörungsgewalt moderner Kriegstechnik, so wie sie in Vietnam eingesetzt

wurde, zu bebildern.

Durch die immer wiederkehrende Visualisierung der geographischen

Begebenheiten, hat die Landschaft Vietnams in Platoon eine starke Präsenz. Der

Krieg wird in Form von Hubschraubern, Soldaten und Waffengewalt auf der

visuellen Ebene beständig mit der natürlichen Umgebung verknüpft. Auch die in

die Szenen eingearbeitete Geräuschkulisse des Dschungels trägt zur

Authentisierung des Gesehenen bei. In anderen Kriegsfilmen wie Full Metal

Jacket beispielsweise wird es dem Zuschauer eher ermöglicht, Rückschlüsse auf

den zeitlichen Rahmen des Krieges zu ziehen und ihn historische einzuordnen.

Diesen zeitlichen Kontext, in dem der Vietnamkrieg vorrangig wahrgenommen

wird, destrukturiert Oliver Stone.

Narrative Ebene

Die narrative Ebene fokussiert die mit Hilfe von Gestaltungsmitteln, wie der

Montage, verknüpfte Erzählung der Geschichte, die jedem Film zugrunde liegt.

Die kaum visuell umsetzbaren psychischen oder ideologischen

Destrukturierungen können durch deren narrative Einbindung in den Film, zum

Ausdruck gebracht werden.

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74

Dass eines der ersten Opfer des Krieges die Identität und Psyche der Soldaten ist,

präsentieren die beiden analysierten Filme eindrucksvoll. In Full Metal Jacket

wird der Zuschauer Zeuge, wie junge Männer zu Kampfmaschinen erzogen

werden, die es kaum erwarten können ihrem neu eingeimpften zerstörerischen und

selbstzerstörerischen Verlangen nachzugehen. Es ist vor allem die

Bildkomposition, in der das Individuum in der kollektiven Militärmaschinerie

aufgeht, die dem Zuschauer den Untergang des Einzelnen in der Masse vor Augen

führt. In Platoon wiederum zeugen die Off-Kommentare des Protagonisten von

der schrittweisen Destrukturierung seiner Psyche und von der Herausforderung,

seinen Werten und seiner Erziehung im Chaos und der Gesetzlosigkeit der

Krieges treu zu bleiben und sie im dichten Dschungel von Vietnam nicht aus den

Augen zu verlieren.

Die Vorstellung des Zuschauers vom Zusammenhalt und der Kooperation

innerhalb einer Einheit, in der die Kameraden gegenseitig auf sich acht geben

sollten, wird in Platoon durch die Spaltung der Truppe destrukturiert. Dabei kann

Chris’ innerer Konflikt als Symbol für die ambivalente Einstellung der

amerikanischen Bevölkerung zum Krieg in Vietnam gewertet werden, bei der ein

Teil der Bevölkerung eine kriegsbejahende und siegessichere Haltung einnimmt,

während der andere Teil am amerikanischen Sieg zweifelt und dessen

Kriegsablehnung zum Teil so weit geht, dass er zu derer Rechtfertigen sogar eine

Niederlage der eigenen Truppen bevorzugt.

Auf der narrativen Ebene geht aus beiden Filmen auch die Auffassung hervor,

dass ein Krieg auf allen Seiten nur Opfer hervorbringt. Durch die

Destrukturierung der Perspektive der amerikanischen Soldaten, indem gerade in

Full Metal Jacket immer wieder die Opferperspektive und auch die, des

vietnamesischen Gegners eingenommen wird, wird deutlich, dass es auf das

Kriegsgeschehen eine Vielzahl von Blickwinkeln gibt und jede Seite ihrer

Sichtweise eine alleinige Gültigkeit zuweist. Dazu werden die Soldaten, durch die

Gegenüberstellung mit der Perspektive der Toten und durch ihre sinnlose

Kommentierungen, selbst zu leblosen Hüllen, die dem Tod schon oft ins Gesicht

geschaut haben und die sich auf Grund ihre Emotionslosigkeit kaum noch von den

Opfern unterscheiden.

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75

Eine implizite Destrukturierung der Fernsehnachricht als Träger von

Informationen findet man in der Inszenierung des auftretenden Kamerateams und

der anschließenden Interviewsequenz in Full Metal Jacket. Dabei imitiert

Kubricks Kamera das im Bild dargestellte Verhalten des Filmteams und deren

Kamerabewegung. In der ersten Einstellung ahmt er die Kamerabewegung des

Filmteams nach und in der zweiten Sequenz weicht die Einstellung, die das

inszenierte Kamerateam auf die Interviewten einnimmt, nur leicht von der

Kameraposition Kubricks ab. Auch die Treffen der Redaktion der US-Army-

Zeitung „Stars and Stripes“ vermitteln dem Zuschauer die Vorstellung, das die

Nachrichten aus Vietnam wenig informativen Gehalt haben. Die Idee von einer

unabhängigen Presse und von uneingeschränkter Freiheit der Medien wird so

destrukturiert.

Das Medium Film und ganz besonders das Genre Kriegsfilm arbeiten mit

bestimmten Strukturen, die beim Zuschauer auf der kognitiven Ebene existieren

und die Wahrnehmung und Interpretation eines Films maßgeblich beeinflussen.

Bricht ein Film diese kognitiven Strukturen auf, kann dies als ein Mittel

verstanden werden, das Publikum von seiner starren Sichtweise zu befreien und es

für eine andere Wahrnehmung zu sensibilisieren. Auf der einen Seite verfolgen

Regisseure das Ziel, die Wahrnehmungsgewohnheiten der Zuschauer neu zu

ordnen, auf der anderen Seite sind sie auf das Vorhandensein genau dieser

vorgeformten Strukturen angewiesen, um ihre Wirkung beim Zuschauer erzielen

zu können. Denn nur ein Rezipient, der um die ikonographische Bedeutung der

Heldeninszenierung beispielsweise weiß und mit ihren stereotypen

Inszenierungsstrategien vertraut ist, kann einen Bruch mit dieser

Inszenierungsstrategie erkennen und aus ihr seine vom Filmemacher

intentionierten Schlüsse ziehen. Kriegsfilme wie Platoon und Full Metal Jacket

verändern also die Sehgewohnheiten des Publikums, gerade weil sie nicht die

typische Form eines Spielfilms haben, nicht die typischen Helden vorstellen, nicht

die typischen Feinde präsentieren oder an typischen Drehorten spielen. Es sind

genau diese Unterschiede und die Andersartigkeit der Inszenierung, durch die dem

aufmerksamen Publikum neue Zusammenhänge bewusst werden.

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76

Die in beiden Filmen zum Ausdruck kommenden Destrukturierungen zeichnet das

Bild eines ungerechten Krieges, der weder Gewinner, noch Verlierer hervorbringt.

Der Krieg destrukturiert daher als Ganzes: Menschen, Landschaften, Städte, aber

auch Ideologien, Wertesysteme, Freund- und Feindschemata. Diese

Destrukturierungen geben dem Krieg sein zerstörerisches Gesicht. Sie lassen die

Intention der Regisseure erkennen, den Krieg und seine Konsequenzen auf den

Menschen und seine Umwelt nicht verherrlichen oder schönen zu wollen. Die

Destrukturierungen sind vielmehr mit der Absicht verbunden, dem Krieg sein

heroisches Gesicht zu nehmen und den Zuschauer für die Schrecken zu

sensibilisieren. Sie führen darüber hinaus zu Sinndestrukturierungen der Gründen

für kriegerische Auseinandersetzungen und der Kriegsziele. Denn mit einem

Zerfall des Zusammenhalts und der Motivation innerhalb der Truppe oder mit

einer Auflösung der Perspektive der amerikanischen GIs, verschwindet auch die

klare Einsicht in die Notwendigkeit einer kriegerischen Handlung. Daneben

zerfällt auch mit einem Verschwinden eines eindeutigen Feindbildes die greifbare

Gefahr, die von ihm ausgeht und somit zerfällt auch das Ziel des Krieges diese

Gefahr auszuschalten.

Destrukturierungen können also auf ganz unterschiedlichen Ebenen mit

unterschiedlichen Reichweiten passieren, die je nach Ebene durch verschiedene

Stilmittel und Inszenierungsstrategien filmisch umgesetzt werden. Dabei bedingen

die einzelnen Ebenen spezifische Inszenierungsweisen, da der Filmemacher je

nach Beschaffenheit der Ebene nur mit bestimmten Gestaltungsmitteln arbeiten

kann.

Auf Basis der strukturellen Ebene nutzt ein Regisseur das Stilmittel der

Narrationsstruktur und transportiert so eine Aussage. Dabei stehen ihm eine

Vielzahl von Narrationsmustern zur Verfügung, die je nach Erzählmuster

unterschiedliche Zusammenhänge aufzeigen oder unterschiedliche Schwerpunkte

in der Darstellung setzen.

Auf der ikonographische Ebene eine Films kann durch ihren Fokus auf die

Bedeutung der symbolischen Bildinhalte mit den visuellen Gestaltungsmitteln

gearbeitet werden. Jedoch benötigt der Zuschauer für eine Interpretation auf der

Basis der strukturellen Ebene Wissen über die Bedeutung der Bildinhalte. Für den

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77

Kriegsfilm sind hier die Darstellung der Heldenfigur, die Darstellung des Feindes

oder auch die Wahl des Drehortes und der damit verknüpften Symboliken zentral.

Die visuellen Inszenierungsstrategien, die alle im Bild sichtbaren Elemente der

Filmgestaltung betreffen, umfassen Gestaltungsmittel wie die Montage, die

Beleuchtung, die Brennweite oder auch die schauspielerische Arbeit. Die

Bedeutung der visuellen Ebene ist besonders groß, lässt ja gerade sie bei einem

visuell orientierten Medium den Zuschauer die Destruktionsmacht der Waffen,

das Ausmaß der Gewaltanwendung oder die Weite der vietnamesischen

Landschaft wahrnehmen.

Einer Kooperation der visuellen und auditiven Inszenierungsmittel bedienen sich

die Regisseure bei Destrukturierungen auf der narrativen Ebene. Das

Zusammenwirken der verschiedenen Zeichensysteme ermöglicht dem Zuschauer,

die Einordnung des Geschehens auf der Leinwand. Durch Akustische Reize, wie

durch den Film führende Begleitkommentare, die meist aus dem Off zu hören

sind, kann sich der Zuschauer Zusammenhänge erschließen und somit der

Narration des Films folgen.

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78

8. Quellen

8.1 Literaturquellen

Baever, Frank Eugene: Oliver Stone. Wakeup Cinema. Twayne Publishers, New

York, 1994, S.91-97.

Bordwell, David; Thompson, Kristin: Film art: an introduction. McGraw-Hill,

Boston, 2004

Büttner, Christian: Kriegsfilme in Demokratien. In: Büttner, Christian; von

Gottberg, Joachim, Metze-Mangold, Verena (Hrsg.): Der Krieg in den

Medien. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2004, S.75-82 .

Corrigan, Timothy: A Cinema without Walls. Movies and Culture after Vietnam.

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Page 82: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

82

9. Anlage

9.1 Filmdaten

9.1.1 Platoon

Originaltitel Platoon

Entstehungsjahr 1986 (Orion)

Produktionsland USA

Länge f 120 min

Stab

Regie Oliver Stone

Drehbuch Oliver Stone

Musik Georges Delerue

Kamera Robert Richardson

Schnitt Claire Simpson

Cast

Charlie Sheen Private Chris Taylor

Wiliam Dafoe Sergeant Elias Grodin

Tom Berenger Sergeant Bob Barnes

Forest Whitaker Big Harold

John C. McGinley Sergeant Red O´Neill

Mark Moses Lieutenant Wolfe

Keith David King

Richard Edson Sal

Francesco Quinn Rhah

Kevin Dillon Bunny

Reggie Johnson Junior

Johnny Depp Private Lerner

Page 83: Wetteborn: Inszenierungsstrategien in Kriegsfilmen

83

9.1.2 Full Metal Jacket

Originaltitel Full Metal Jacket

Entstehungsjahr 1987 (Warner Brothers)

Produktionsland Großbritannien/ USA

Länge f 116 min

Stab

Regie Stanley Kubrick

Drehbuch Stanley Kubrick, Michael Herr, Gustav Hasford

(nach dessen Roman „The Short Timers“)

Musik Abigail Mead (alias Vivian Kubrick), Mick Jagger

Kamera Douglas Milsome

Schnitt Martin Hunter

Cast

Matthew Modine Private Joker

R. Lee Ermey Gunnery Sergeant Hartman

Vincent D´Onofrio Leonard Lawrence/ Private Pyle

Arliss Howard Private Cowboy

Kevyn Major Howard Rafterman

Adam Baldwin Animal Mother

Dorian Harewood Eightball/ Albino

9.2 Sequenzprotokoll

9.2.1 Platoon

Angriff des Vietcong

Einstellungsdaue

r in Sekunden

Einstellungsgröße Bildinhalt

6 Große (G) Chris befreit sich von Ameisen auf Nacken,

Gesicht und Hals

2 Halbtotale (HT) Lichtung, kein Vietcong (VC) zu sehen

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14 G Chris zieht sich ein Handtuch über den Kopf

und schaut noch einmal zur Lichtung

3 HT Silhouette eines VC zu sehen

7 G Chris befreit sich weiter von Insekten

5 Detail (D) Chris’ Augen blicken zur Lichtung

10 HT VC bewegt sich langsam

4 D Chris’ Augen blicken zur Lichtung

8 HT VC gibt Zeichen zum Weitergehen, mehrere

VC erheben sich aus der Deckung

1 D Chris’ Augen blicken zur Lichtung

5 Nahe (N) Chris’ Blick zu Boden, Schwenk zum

Auslöser der Tellerminen, Schwenk zurück

zu Chris’ Gesicht

2 D Chris’ Augen schauen zum Boden

2 HT Schwenk über die Waffen am Boden

2 D Chris’ Augen blicken zur Lichtung

4 HT VC kommt auf Chris’ zu

1 D Chris’ Augen blicken zum VC

2 HT Schlafender Kameraden

2 D Chris’ Augen blicken zur Seite

2 HT Schlafender Kamerad

3 D Chris’ Augen blicken zum VC

5 HT VC kommt näher

6 Amerikanische (A) Chris’ Helm aus Perspektive des VC

3 HT VC kommt näher

1 N Chris mit starrem Blick, der auf VC gerichtet

ist

3 N Blick des VC tastet die Umgebung ab,

Detonation einer Tellermine

6 A Chris zuckt zusammen und schützt sich,

schmeißt sich auf den Zünder der Tellermine

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85

Barnes erschießt Elias

Einstellungsdauer

in Sekunden

Einstellungsgröße Bildinhalt

7 HT bis N Zoom auf Barnes, der zwischen den Blättern

zu sehen ist, sein Gewehr hochnimmt und

zielt

3 T Elias erscheint zwischen Bäumen und

Sträuchern

3 T Barnes zielt

3 N Elias blickt in Richtung Barnes und beginnt

zu lächeln

3 N Barnes zielt, nimmt seinen Kopf hoch

2 N Elias geht lächelnd auf Barnes zu

4 N Barnes mit Gewehr im Anschlag,

2 D Elias lächelnde Augen werden ernst

3 D Barnes fester Blick, beginnt wieder zu zielen

1 HT Überschultereinstellung, in der Barnes

Schüsse auf Elias abfeuert

1 N Elias wird getroffen und fällt um

7 N Barnes mit Gewehr im Anschlag, nimmt es

herunter, atmet durch, blickt sich um