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What it means to be a teacher – Professionsbezogene Selbst-Verständnisse von Lehrkräften an BMHS und Lernen Mag. Hannes Hautz, MSc – [email protected] assoz. Prof. Dr. Michael Thoma – [email protected] Institut für Organisation und Lernen Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung

What it means to be a teacher Professionsbezogene Selbst ...“ (I6) „Ich muss jederzeit auch der Direktion vorzeigen können, wie meine Unterrichtsplanung, wie die Lehrstoffverteilung,

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Page 1: What it means to be a teacher Professionsbezogene Selbst ...“ (I6) „Ich muss jederzeit auch der Direktion vorzeigen können, wie meine Unterrichtsplanung, wie die Lehrstoffverteilung,

What it means to be a teacher – Professionsbezogene Selbst-Verständnisse von Lehrkräften an BMHS

und Lernen

Mag. Hannes Hautz, MSc – [email protected] assoz. Prof. Dr. Michael Thoma – [email protected] Institut für Organisation und Lernen Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung

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Ausgangssituation

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» seit geraumer Zeit umfassende Reform- maßnahmen im österreichischen berufsbildenden Schulwesen

» zentrales Ziel: Herstellung, Sicherung und Weiterentwicklung von Qualität beruflicher Bildung (u.a. Horschinegg 2015)

Grafik: BMUKK 2012: 5

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Problemstellung

» pädagogische Reformen führen tendenziell zu gewandelten Anforderungen an Lehrkräfte (Schultheis 1997)

» bisher wenig darüber bekannt, was diese veränderten Anforderungen mit der Lehrperson und ihrem professionsbezogenem Selbst-Verständnis machen (z.B. Seitz 2008, Bargen 2014)

subjektive Erfahrungen des beruflichen Kontextes prägen das Handeln von Lehrkräften

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» Wie Lehrpersonen den normativ-programmatischen Qualitäts-Empfehlungen und -Vorgaben Geltung verschaffen?

» Wie sie diese unterlaufen?

» Inwiefern ihr berufliches Selbst-Verständnis dadurch beeinflusst wird?

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Relationierung von bildungspolitischen Empfehlungen und Vorgaben mit empirisch erfassten Selbst-Verständnissen von Lehrkräften

Fragestellung

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» qualitativ-explorative Vorgehensweise

» zwei analytische Schritten:

Dokumentenanalyse bildungspolitischer Texte zum Thema Qualität

• Datenkorpus: 25 Dokumente, die zwischen 2005 und 2016 im Rahmen von QIBB veröffentlicht wurden

• Analyse: induktive Kategorienbildung (Mayring 2015)

• Ergebnisse: spezifische Idealentwürfe von Lehrpersonen

Interviewstudie

• Datengenerierung: ‚narrativ fundierte Interviews‘ (Nohl 2012) mit 11 ‚erfahrenen‘ Lehrpersonen von BMHS in Westösterreich

• Analyse: systematischer und interpretativer Analyseprozess (Strauss & Corbin 1996)

• Ergebnisse: subjektive Erfahrungen in Bezug auf Qualitätsnormen

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Forschungsdesign

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Idealentwürfe von Lehrpersonen: Ergebnisse der Dokumentenanalyse I

» Lehrkräfte als aktiv-engagierte Organisationsentwickler*innen

aus eigenem Antrieb heraus Qualität sichern und weiterentwickeln

Qualitäts-Kultur entwickeln und aktiv an der Einführung und Aufrechterhaltung des QMS partizipieren

» Lehrkräfte als vernetzte und kooperative Personen

Teamplayer auf allen schulischen Ebenen

Kooperation mit schulexternen Akteur*innen

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» Lehrkräfte als performance-orientierte Inszenierer*innen von Unterricht

Tätigkeiten an im Vorhinein definierten Lernergebnissen und outputorientierten Standards ausrichten

» Lehrkräfte als transparente Informations-Subjekte

laufend Informationen produzieren, nutzen und an unterschiedliche Adressat*innen weitergeben

» Lehrkräfte als wandlungsfähige und ihr professionelles Selbst optimierende Akteur*innen

„regelmäßig und selbstverständlich Individualfeedback einholen, und die Ergebnisse zur Weiterentwicklung ihres beruflichen Handelns nutzen“ (BMBF 2015, S. 37)

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Idealentwürfe von Lehrpersonen: Ergebnisse der Dokumentenanalyse II

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narrativ-fundierte Interviews mit Lehrkräften an BMHS

» Auf welche Art und Weise setzen sich Lehrkräfte in Beziehung zu den Anforderungen?

» Welchen verschaffen sie Geltung?

» Welche Anforderungen unterlaufen sie?

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Ergebnisse der Interviewstudie

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Lehrkräfte als partizipative Akteur*innen im Rahmen von Qualitäts-Arbeit

„Das (Qualitätsarbeit, M.T./H.H.) kann eine Person allein nie machen, es müssen immer ganz viele miteinander vernetzt sein, um das gut umsetzen zu können.“ (I3)

„Und ich sehe es auch mittlerweile als Aufgabe von mir, wenn ich schon in diesem System bin, dass ich hier versuche, was zu bewirken.“ (I5)

„Ich finde Qualität bedeutet aber auch, dass ein Austausch noch oben hin möglich ist. Dass das nicht so diktatorisch ist, sondern dass mit der Administration ein demokratischer Austausch passiert. Dass man da auch hinhört, was gebraucht wird, und es dann Unterstützung gibt.“ (I8)

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Lehrkräfte als flexible, nach permanenter Selbst-Verbesserung strebende Akteur*innen

„Insbesondere weil mir klar ist, dass alles im Wandel ist und dass sich alles verändert (…) ist mir völlig klar, dass auch ich mich ständig weiterentwickeln und an neue Gegebenheiten anpassen muss.“ (I5)

„Es ist ja immer interessant, wie Schüler meinen Unterricht wahrnehmen. Ich lasse diese Feedbackbögen ausfüllen und schaue mir diese natürlich auch an. Ich hoffe, dass die Schüler auch die offenen Fragen beantworten, um ein Bewusstsein zu entwickeln, was mache ich richtig und wo habe ich noch Handlungsbedarf. Das ist ja wohl spannend.“ (I4)

„Die Zusammenarbeit mit anderen Lehrern hat sehr stark zugenommen in den letzten Jahren. (…) Nicht nur unter Fachkollegen, sondern auch – was ich sehr spannend finde – mit ganz anderen Fachbereichen. (…) Es ist wichtig, dass man aus sich herausgeht, aus seiner kleinen Mikrowelt und mit anderen zusammenarbeiten kann.“ (I6)

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Lehrkräfte als prüfbare Dokumentierer*innen

„Es ist wesentlich mehr Administratives zu erledigen als früher. Also, dass man ständig alles dokumentieren muss, was sehr zeitaufwändig ist (…). Die Verwaltungstätigkeiten haben sehr zugenommen.“ (I9)

„Verwalter“, die alles dokumentieren und erfassen müssen, damit „alles überschaubar, überblickbar und transparent ist.“ (I6)

„Ich muss jederzeit auch der Direktion vorzeigen können, wie meine Unterrichtsplanung, wie die Lehrstoffverteilung, wie die Jahresplanung ist, und wie die Noten zustande kommen. Da muss der Lehrer einfach jederzeit Auskunft geben können und transparent sein. Und das zieht sich, finde ich, auch in den Unterricht hinein. So, du musst mir jederzeit sagen können, was hast du gemacht, wie hast du das umgesetzt im Unterricht.“ (I8)

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Lehrkräfte als kontrollierte und in Frage gestellte Autoritäten

„Manchmal zweifle ich, weil es sich so verändert. Es macht mir irgendwie Angst, dass man sich als Lehrer so extrem rechtfertigen muss und meine Person immer unter Beobachtung steht oder kritisiert wird. Eben, wie dieses Beispiel mit den Großeltern, die mit mir meinen Unterricht durchgegangen sind und ich musste alles begründen und erklären. (…) Die Kontrolle von Außen nimmt deutlich zu.“ (I6)

„Gerade heute sagt ein Mädchen zu mir, ob sie mit mir nach der Stunde sprechen kann und ich sage ja, worum geht es denn? Sie sagt: ‚Meine Mama ist mit der Note nicht einverstanden.‘ Da denke ich mir, das ist eigentlich schon eigenartig. Das Mädchen meint jetzt einfach, sie kann kommen und sagen, meine Mama ist nicht einverstanden und dann wird die Note geändert.“ (I9)

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Relationierung von Idealentwürfen und Qualitäts-Erfahrungen

» Lehrkräfte verstehen sich als zentral verantwortliche ‚Träger*innen‘ von Qualitätsarbeit

» kontinuierliche Selbst-Verbesserungen, permanente Selbstalarmierungs-bereitschaft als Facetten der artikulierten Selbst-Verständnisse

» Verinnerlichung einer „Dynamik der Selbstoptimierung“ (Bröckling 2000, S. 153)

» Problematisierung des Anspruchs, ‚transparent zu sein‘

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Transformation von ‚Verantwortung‘

» „regime of accountability“ (Biesta 2010, S. 59) Antworten in vor-definierten Kategorien

Legitimierung von Handlungen entlang dieser Kategorien

» versus: responsibility Hinwendung zum Besonderen

Überschreitung vorgegebener Rahmungen

» Erzeugung ambivalenter Spannungen

» Tendenz, die Entstehung von kreativ-Neuem zu konterkarieren

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!

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» BARGEN, I. (2014): Lehrkräfte in einer globalisierten Welt. Eine länderübergreifende Studie zu ihrem Selbstverständnis. Wiesbaden: Springer VS.

» BIESTA, G.J. (2010): Good education in an age of measurement: Ethics, politics, democracy. Boulder/Colorado: Paradigm Publishers.

» BMBF [Bundesministerium für Bildung und Frauen] (2015): Bundesqualitätsbericht der kaufmännischen Schulen für den Berichtszeitraum 2012-2014 und den Planungszeitraum 2014-2016. Bericht der Abteilung II/3 des BMBF. Wien: BMBF.

» BMUKK [Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur] (2012): Kompetenzorientiertes Unterrichten an berufsbildenden Schulen. Grundlagenpapier. Wien: BMUKK.

» BRÖCKLING, U. (2000): Totale Mobilmachung. Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement. In: BRÖCKLING, U. & KRASMANN, S. & LEMKE, T. (Hrsg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 131–167.

» HORSCHINEGG, J. (2015): Zentrale Stationen des Implementierungsprozesses. In: Wissenplus – Österreichische Zeitschrift für Berufsbildung, 3–14/15, S. 12.

» MAYRING, P. (2015): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 12. Auflage. Weinheim und Basel: Beltz.

» NOHL, A.-M. (2012): Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis. 4. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

» SCHULTHEIS, K. (1997): Deprofessionalisierung durch Schulreform? Analysen und Vorschläge zur Neubestimmung des Lehrberufs. In: Die Deutsche Schule, 89 (3), S. 323–334.

» SEITZ, S. (2008): Der Lehrer als Innovator von Schule. Ein neues Professionsverständnis? Hamburg: Verlag Dr. Kovac.

» STRAUSS, A. & CORBIN, J. (1996): Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz und Psychologie Verlags Union.

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Literatur