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FALTER Die besten Konzerte. Alle Termine Nr. 42b/12 Wien Modern 12 Erscheinungsort: Wien P.b.b. 02Z033405 W Verlagspostamt: 1010 Wien laufende Nummer 2371/2012 Olga Neuwirth: Statements von Marino Formenti, Elfriede Jelinek, Andrew Was · Beat Furrer über sein neues Stück · Sven Hartberger: Cage, Pilzkunde und Neue Musik · Komponistinnen im Kabelwerk FOTO: OLGA NEUWIRTH FOTOGRAFIERT VON MARION KALTER

Wien Modern 12

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Wien Modern 12

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FALTERDie besten Konzerte. Alle Termine Nr. 42b/12

Wien Modern 12

Erscheinungsort: Wien P.b.b. 02Z033405 WVerlagspostamt: 1010 Wien laufende Nummer 2371/2012Olga Neuwirth: Statements von Marino Formenti, Elfriede Jelinek,

Andrew Wa� s · Beat Furrer über sein neues Stück · Sven Hartberger: Cage, Pilzkunde und Neue Musik · Komponistinnen im Kabelwerk

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Vorreiter der Innovation grüßt Vorreiter der Moderne.Seit mehr als 20 Jahren unterstützen wir Wien Modern – und damit den Anspruch und die Bedeutung von Wien als internationale Stadt der Kultur. Wie das Festival mit seinen Künstlern und interpretationen, war und ist auch Kapsch stets ein „Vorreiter der Moderne“. Mit technischen innovationen für eine bessere Zukunft. www.kapsch.net

Kapsch Group

always one step ahead

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Liebe Falter-Leser,Liebe Wien-Modern-Besucher,

W ien Modern feiert dieses Jahr seine 25. Saison. Seit der Gründung im Jahr 1988 auf Initiati-

ve von Claudio Abbado bietet das Festival dem Plu-ralismus musikalischer Stilistiken ein Podium und trägt der Vernetzung mit anderen Medien und Gen-res Rechnung. Das Festival für zeitgenössische Musik dockt an andere Sparten an, agiert grenzüberschrei-tend. In diesem Sinn widmet Wien Modern einen seiner Schwerpunkte einer Künstlerin, die nicht nur eine der international gefragtesten Komponistinnen ist, sondern gleichzeitig wie kaum eine andere an den Schnittpunkten mit verschiedenen Formaten anzutref-fen ist – Olga Neuwirth.

Das Begehen einer Jubiläumssaison ist eine hervor-ragende Gelegenheit, allen Mitstreitern der vergange-nen Jahrzehnte zu danken – den Initiatoren und bishe-rigen Verantwortlichen, die dieses Festival als unver-zichtbar für die Stadt etabliert haben, ein Festival, das in seiner Strahlkraft weit über unsere Landesgrenzen hinaus wirkt. Dank gebührt natürlich allen Künstle-rinnen und Künstlern, den zahlreichen Partnern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Stadt Wien als Trägerin des Festivals sowie den Sponsoren Kapsch und Erste Bank.

Die Falter-Beilage, die Sie in Händen halten, bie-tet Ihnen einen Überblick über die zahlreichen Veran-staltungen des Festivals, das heuer von 22. Oktober bis 16. November an 16 Orten stattfi ndet. Ein idea-ler Begleiter durch das Festival ist der Generalpass, der zu den meisten Veranstaltungen freien Zugang ermöglicht. Das Café Heumarkt ist während des ge-samten Zeitraums Festivaltreff punkt – ich freue mich, Sie dort zu sehen.

Viele inspirierende Stunden bei Wien Modern wünscht Ihnen

InhaltOlga Neuwirth und die permanente InstabilitätLena Dražić über Olga Neuwirths Suche nach Freiheit und Selbstbestimmung

Olga Neuwirth will keine petrifi zierten HirneEin Kurzstatement der Komponistin

Elfriede Jelinek, Marino Formenti und Andrew Wa� s füllen einen Fragebogen über Olga Neuwirth aus

Beat Furrer refl ektiert das Entstehen neuer musikalischer Ordnungund gibt im Interview Auskun� über sein neues Stück und seine Art zu komponieren

Lothar Knessl erklärt seine EntscheidungDer Mitbegründer von Wien Modern kuratiert den Erste Bank Kompositionspreis

Das RSO spielt selten gehörten CageChristian Scheib erklärt, worum es dabei geht

Was sonst noch an Cage zu hören ist,von Andrew Wa� s bis zu den Tonkünstlern, erläutert Heinz Rögl

LexikonSämtliche Veranstaltungen, alphabetisch geordnet (chronologisch geordnet sind sie auf der Rückseite)

Wien Modern, topografi sch: die ÜbersichtskarteBianca Tschaikner hat die Karte der Veranstaltungsorte gezeichnet, Heinz Rögl kommentiert diese

Cage & Co: Mykologen und MusikologenSven Hartberger über Zusammenhänge zwischen Neuer Musik und Pilzleidenscha�

Pulsinger/Fennesz spielen ein Stück von John CageSebastian Fasthuber haben die beiden erklärt, warum sie dabei auch improvisieren

Musik und Tanz sprechen die gleiche SpracheWolfgang Kralicek interviewte den Komponisten Arturo Fuentes und den Choreografen Chris Haring

Frauen, die ganze NachtMarie-Therese Rudolph über die Nacht der Komponistinnen im Palais Kabelwerk

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Vorwort

Falter 42b/12 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschri� en GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, E: [email protected], www.falter.at Redaktion: Heinz Rögl, Armin Thurnher Produktion, Grafi k, Korrektur: Falter Verlagsges.m.b.H. GRAFIK: Marion Großschädl, Raphael Moser LEKTORAT: Wolfgang Fasching, Helmut Gutbrunner, Patrick Sabbagh Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau DVR: 047 69 86. In Kooperation mit dem Musikverein Wien Modern. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Off enlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/off enlegung/falter ständig abru� ar.

Impressum

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Ma� hias Lošek Künstlerischer Leiter Wien Modern

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Instabilität!Permanente

Über Olga Neuwirths Musik auf der Suche nach künstlerischer Freiheit und Selbstbestimmung

Olga Neuwirth:Faszination fürs

Mechanische, „androgyne“

Klangmischungen

T e x T :

L e N a D r a Ž i Ć

Bleich geschminkt und in futuristi-scher Fantasieuniform sah er aus, als sei er einem Science-Fiction-Film

der 1920er entsprungen. Mit einer Stimme, die vom Brustregister plötzlich ins opern-hafte Falsett hochschnellte, schmetterte er Popsongs der 1960er ebenso wie barocke Arien in verfremdender Disco-Ästhetik.

Der deutsche Countertenor, der unter dem Künstlernamen Klaus Nomi den New Yorker Underground der 1970er-Jahre auf-mischte, fasziniert Olga Neuwirth schon seit ihrem zwölften Lebensjahr. Seit nun-mehr anderthalb Jahrzehnten hinterlässt diese Faszination auch im Werk der Kom-ponistin ihre Spuren: Bereits 1998 wur-de Neuwirths Bearbeitung von vier Songs des Pop-Barden bei den Salzburger Fest-spielen uraufgeführt. 2007/2008 erweiterte sie die ursprüngliche Fassung zu der nun-mehr neun Lieder umfassenden „Hommage à Klaus Nomi“, deren doppeldeutiger Un-tertitel „A Songplay in Nine Fits“ auf Lewis Carrolls Nonsensballade „The Hunting of the Snark“ verweist.

Die Hommage an den „intergalaktischen Pierrot“, die am Eröffnungsabend von Wien Modern mit eigens verfassten Texten von Elfriede Jelinek zur Aufführung gebracht wird, enthält viele Elemente, die für das Schaffen der Komponistin insgesamt von zentraler Bedeutung sind: die Transfor-mation bereits vorhandener Musik ebenso wie die Aneignung vermeintlich „trivialer“ Formen von Kultur, das Einbeziehen un-terschiedlicher Medien gleichermaßen wie das Changieren zwischen ironischer Künst-lichkeit und authentischer Suche nach Aus-druck. Nicht zuletzt die Frage nach künst-lerischer Freiheit und Selbstbestimmung in einer zunehmend von Konformitätsdruck geprägten Gesellschaft.

Diese Frage thematisiert in zugespitzter Form auch die zweite Komposition des Eröff-nungskonzerts: In „Kloing!“ für compu-tergesteuertes Klavier, Live-Pianisten und Live-Film lässt die Urheberin den Pianisten Marino Formenti gegen ein modernes Play-er-Piano des Typs CEUS von Bösendorfer antreten. Dieses computergesteuerte Inst-rument ist nicht nur in der Lage, das Spiel eines Pianisten zu reproduzieren – es reali-siert darüber hinaus halsbrecherische Läufe und Cluster, die keine menschlichen Hände jemals hervorbringen könnten.

Indem Olga Neuwirth den Solisten in diesen aussichtslosen Kampf schickt, the-matisiert sie die menschliche Unterlegen-heit gegenüber der grenzenlosen Virtuosität der Maschine. Dabei hat das Einbeziehen modernster Technologie bei Olga Neuwirth stets doppelte Bedeutung: Einerseits ist die

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„Mir ist nur eines wichtig: keine petrifizierten Hirne bitte!“

Zur Person

Olga Neuwirth österreichische Komponistin, 1968 geboren, studierte in Wien, San Francisco und Paris (IRCAM). Wichtige Aufführungen Musiktheater: „Bählamms Fest“ (Wien 1999, Libretto. Elfriede Jelinek), „Lost Highway“ (Graz 2003), jüngst „The Outcast“ sowie „American Lulu“ (Mannheim und Berlin 2012); Trompeten-konzert (Salzburger Festspiele 2006)

Elfriede Jelinek schrieb eigens die Texte für Neu-wirths „Hommage an Klaus Nomi“

Klaus Nomi: Der Countertenor faszinierte Olga Neuwirth seit ihrem 12. Lebensjahr

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Aneignung sämtlicher technischer Möglich-keiten für sie eine unabdingbare Vorausset-zung wahrhaft zeitgemäßen Komponierens. Andererseits beinhaltet die Verwendung der Technologie in ihrem Schaffen immer auch Technologiekritik. Wenn der Pianist in „Kloing!“ – wie Charlie Chaplin in „Mo-dern Times“ – dem maschinellen Räder-werk hilflos ausgeliefert ist, gilt die Sympa-thie der Komponistin jedenfalls rückhaltlos der menschlichen Unvollkommenheit.

Neben dieser ambivalenten Faszination für das Mechanische bildet auch die Verschmelzung von natürlichem und künstlichem Instru-mentalklang eine Konstante im Werk von Olga Neuwirth. Immer wieder kreiert die Komponistin durch die Kombination tra-ditioneller und elektronischer Instrumen-te hybride Klangmischungen, die sie selbst als „androgyn“ bezeichnet, und verwickelt die Zuhörer damit in ein bewusstes Verwirr-spiel: Was ist hier natürlich, was künstlich? Zum Erzeugen solch irritierender Wirkun-gen sieht sie in ihren Partituren des Öfte-ren Klangerzeuger vor, die nicht dem klas-sischen Instrumentarium entstammen.

So kommt etwa in „Quasare/Pulsare“ oder in „locus … doublure … solus“ ein E-Bow zum Einsatz – ein ursprünglich in der Pop-musik beheimatetes Gerät, das durch elek-tromagnetische Einwirkung auf eine Sai-te Schwingungen erzeugt, die an Si nus-tö ne erinnern. In „Clinamen/Nodus“ wird die Besetzung wiederum durch eine Ha-waii-Gitarre und zwei im Vierteltonabstand gegeneinander verstimmte bayerische Zi-thern angereichert. Das bewusste Verstim-men von Instrumenten (wie auch in „… ad auras … in memoriam H.“) oder das Prä-parieren von Streicher- oder Klaviersaiten (etwa in „Akroate Hadal“ und „incidendo/fluido“) dient dabei dem Zweck, das Ge-fühl von Stabilität und Eindeutigkeit durch ein permanentes Verwischen von Grenzen zu unterlaufen.

Gegen solche Eindeutigkeiten lehnte sich die 1968 geborene Musikerin bereits mit sieben Jahren auf, als sie das Klavier mit seinem unflexiblen Klang gegen die Trom-pete eintauschte – für ein Mädchen in der ländlichen Steiermark damals eine durch-aus unübliche Entscheidung. Eine Kiefer-verletzung machte ihren Plan, ein weibli-cher Miles Davis zu werden, zunichte. Ein Glücksfall, dass just zu diesem Zeitpunkt Hans Werner Henze das mittlerweile le-gendäre Jugendmusikfest in Deutschlands-berg initiierte. Dort begann Olga Neuwirth zu komponieren, dort schrieb sie 1985 ge-meinsam mit anderen Jugendlichen die Kommunaloper „Robert der Teufel“ nach einem Libretto von Elfriede Jelinek. Aus der Begegnung mit der Schriftstellerin ent-stand eine langjährige Freundschaft, die

eine ganze Reihe an gemeinsamen Projek-ten mit sich brachte: von der frühen Mini-Oper „Der Wald – Ein tönendes Fastfood-gericht“ (1989/90) über das Musiktheater „Bählamms Fest“ (1998) bis zum Kurzfilm „Die Schöpfung“, entstanden anlässlich des Haydn-Jahres 2009.

Olga Neuwirths Affinität zur Literatur, für die das Werk Elfriede Jelineks nur das prägnanteste Beispiel darstellt, geht dabei über das übliche Interesse einer Kompo-nistin an zur Vertonung geeigneten litera-rischen Vorlagen weit hinaus. Sie ist Aus-druck eines umfassenden Interesses an den Künsten, das sich nicht auf eine Sparte re-duzieren lassen will.

In ihr Werk integriert die Künstlerin Po-esie, Architektur und bildende Kunst nicht als Illustration musikalischer Vorgänge, sondern als gleichberechtigte Ausdrucks-mittel. Damit befreit sie die Musik aus ih-rer historisch bedingten Isolation, die sie in die esoterische Einsamkeit des Spezia-listentums verbannt.

Besonders das Medium Film hat Olga Neuwirths Schaffen wesentlich geprägt. Nicht nur zeichnet sie für zahlreiche Film-musiken, Werke mit Videozuspielung und eigene filmische Arbeiten verantwortlich, von denen einige im Rahmen von Wien Modern präsentiert werden. Auch kompo-sitorische Verfahrensweisen wie Schnitt, Zoom oder Überblendung entstammen we-niger der abendländischen Musiktradition als einer intensiven Auseinandersetzung mit der Theorie und Praxis des Films.

In der Art einer filmischen Monta-ge zwingt die Komponistin musikalische Bruchstücke unterschiedlichster Provenienz zusammen, ohne deren verschiedenartige Beschaffenheit nivellieren zu wollen. In ei-nem Gespräch mit Christian Baier, das in dem 2008 von Stefan Drees herausgegebe-nen Band „Olga Neuwirth – zwischen den Stühlen“ nachzulesen ist, meint sie dazu: „Die Fusion, die ich mir vorstelle, ist keine glatte Oberfläche, denn die Elemente sind heterogen.“ So entsteht eine Musik, die sich in einem Zustand permanenter Instabilität befindet, ständig in Gefahr, aus dem Gleich-gewicht zu geraten.

Mit ihren künstlerischen Vorstellungen hatte es Olga Neuwirth in Österreich nicht im-mer leicht. Bereits nach der Matura kehr-te sie der als konservativ empfundenen ös-terreichischen Komponistenlandschaft den Rücken, um ein Jahr lang in San Francisco Komposition, Malerei und Film zu studie-ren. Auch als sie danach ihr Kompositions-studium bei Erich Urbanner an der Wiener Musikhochschule begann, fühlte sie sich weiterhin als Außenseiterin, die immer wie-der auch aneckte.

Ungewöhnlich ist hierzulande etwa die Selbstverständlichkeit, mit der die Kom-ponistin für sich die Rolle einer öffentlich Sprechenden reklamierte, wie sie dies an-lässlich der Regierungsbeteiligung der FPÖ tat. Doch liebt es die heimische Öffentlich-keit bekanntlich, ihre Künstler im einen Moment links liegen zu lassen, um sie da-für im nächsten umso inniger an die kol-lektive Brust zu drücken. 2010 wurde Olga Neuwirth jedenfalls mit dem Großen Ös-terreichischen Staatspreis geehrt. F

Durch permanentes Verwischen von Grenzen wird das Gefühl von Eindeutigkeit unterlaufen

Falter: Was ist „Kloink“? Worum geht es bei diesem Stück?Olga Neuwirth: Mein Stück heißt aber „Kloing!“. „Kloink“ klingt wie das Oink der Wildschweine in „Asterix“-Heften, die ich übrigens liebe.

Was freut Sie daran, Hauptkomponistin von Wien Modern zu sein?Neuwirth: Es ist schön und irritierend zu-gleich, alte Stücke wiederzuhören. Und noch dazu von exzellenten Musikern interpretiert. Besonders freut mich, dass es möglich war, die wunderbaren und offenen jungen Musi-ker der beiden New Yorker Ensembles nach Wien zu holen. Ich habe mit ihnen schöne musikalische und menschliche Erfahrungen in NYC gemacht. Auch freut es mich, das Konzert aus der Pariser Oper vom Vorjahr mit Marino Formenti, Lillevan Popjoi, Peter Pleassas und Andrew Watts in Wien noch-mals hören und sehen zu können.

Warum wurde die von Ihnen mit Elfriede Jelinek geplante Oper abgelehnt?Neuwirth: Das müssen Sie die Herren von Festspielen und Oper fragen, die sie ab-gelehnt haben. Ein ganz ähnliches The-ma durfte letztes Jahr aber von zwei Her-ren sehr wohl realisiert werden. Wir waren 2002 anscheinend zu früh. Oder zwei Frau-en dürfen eben nicht. Was soll ich da noch dazu sagen, und warum werde ich danach immer wieder gefragt? Wieso soll ich mich ständig rechtfertigen und nicht die, die es abgelehnt haben? Wir haben uns ja nicht selber abgelehnt.

Warum wurden Ihre letzten Opern in Mannheim bzw. Berlin aufgeführt? Neuwirth: Auch das müssen Sie die Veran-stalter und Intendanten fragen. Ich ent-scheide das ja nicht. Vielleicht interessieren sich ja österreichische Institutionen nicht für österreichische Komponisten oder glau-ben nicht an ihr Können. Ich weiß es nicht. Und auch wenn ich eine Antwort für mich habe, werde ich sie nicht öffentlich äußern. Und übrigens mögen mal die Herren Kol-legen die Köpfe hinhalten und sprechen, wenn es um Probleme in unserem Musik-betrieb geht, und nicht immer ich.

Was sind Ihre nächsten Pläne? Was haben Sie in Arbeit?Neuwirth: Ich habe immer viele Pläne. Mein erster Spielfilm wurde leider nicht finan-ziert, trotz der Zusage zweier wunderbarer englischsprachiger Schauspieler, daher ar-beite ich nun an anderen Plänen weiter.

Wie würden Sie einem Menschen, der noch nie ein Stück von Ihnen gehört hat, erklären, was ihn erwartet?Neuwirth: Ihn erwartet? Er kommt ja nicht auf eine Folterbank, wo er die Torturwerk-zeuge nicht kennt. Mir ist nur eines wich-tig: keine petrifizierten Hirne bitte! F

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Zur Person

Marino Formenti 1965 geborener italienischer Pianist und Dirigent, hat sich vor allem als Interpret zeitgenössischer Musik (er war lange Solist im Klangforum Wien) und mit seiner Suche nach einer Verbindung von Alt und Neu profi liert. Seine Vorliebe für neue, ungewöhnliche Zusammenhänge schlägt sich in sehr unterschiedlichen Projekten nieder (Epicycle, Kurtág’s Ghosts, Sieben Letzte Worte, Nowhere).

Drei Fragebögen zu Olga Neuwirth

Welches Stück von Olga Neuwirth spielen Sie bei Wien Modern?

„Kloing!“ (Kloing! kloing! Ein Kampf zwi-schen Mensch und Maschine, ich wäre der Mensch, und ich verliere immer.)

Welche Musik von ihr haben Sie sonst schon gespielt?

„incidendo/fl uido“ für Klavier in Auf-trag gegeben, das Klavierkonzert (am schönsten war es mit dem Cleveland Or-chester und Franz Welser-Möst), an den ersten beiden Opern („Bählamms Fest“ und „Lost Highway“) damals als Diri-gierassistent mitgearbeitet, und einiges dirigiert, zum Beispiel die abgründigen Miniatures.

Wie würden Sie Olgas Musik beschreiben, welches Eigenscha� swort fällt Ihnen zuerst ein?

Abgründig, tripelbödig, frech, spielerisch, unabhängig, eigenbrötlerisch, grinsend, verzweifelt, schmerzenslustig ...

Mit welcher Literatur ließe sich ihre Musik vergleichen?

Ich habe ein bisschen Probleme, Lite-ratur mit Musik zu vergleichen. Sicher-lich steht Olgas Musik in der österreichi-schen Tradition (und in der amerikani-schen, der französischen, der kongolesi-schen, der aserbaidschanischen ... )

Auf welche Art ist Olga Neuwirth bei der Auff ührung beteiligt?

Olga ist, wenn sie Zeit hat, sehr präsent, sie ist im Grunde darauf bedacht, dass man ihre Stücke möglichst nicht miss-versteht, was ja auch – nicht zuletzt we-gen der Tripel- und Nochmehrbödigkeit – nicht immer und für jeden leicht ist.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Musik von Olga Neuwirth generell?

Für mich ist sie eine dieser – seltenen – musikalischen Erscheinungen, wo man den Verdacht kriegt, das etwas dahinter-steckt. Ein bisschen wie in manchen Fil-men von Chabrol, wo mit der Darstel-lung einer „normalen“ Familiensituati-on gleich auch das „unsichtbare“ Gefühl vermittelt wird, dass irgendwann einmal jemand jemanden grausamst umbringen wird. Und man weiß nicht, warum man es gleich weiß.

Marino Formenti

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Worin liegt die besondere Herausforderung, Neuwirth zu spielen?

Die Werke sind sehr unterschiedlich, es ist schwierig, zu verallgemeinern. Mit echtem Pathos kann man jedenfalls ihre Fragilität nur umbringen. Lieber echt falsches Pa-thos als falsch echtes.

Welche halten Sie für ihre besten Werke?

Besonders liebe ich zum Beispiel die Klanginseln aus „Lost Highway“ und ihre Arbeiten mit Sound Domes, den langsa-men Satz aus dem Klavierkonzert, den Purcell aus den Nomi-Songs, die No-Smo-king-Szene aus „Lost Highway“ ...

Was würden Sie ihr am liebsten ausreden, wenn Sie könnten?

Ich glaube kaum, dass es ginge, ihr et-was auszureden, also lasse ich es lieber bleiben ...

Was ist Olgas größte Stärke?

Im Allgemeinen und künstlerisch ihre Ei-genständigkeit. Musikalisch fi nde ich, dass sie – statt Pseudotiefe mit Betriebspathos – eigentliche Tiefe durch Mehrdeutigkeit, Ambiguität, echte Ironie usw. erreicht. Das fi nde ich „tief “ – und einzigartig (nennen Sie mir eine/-n andere/-n).

Nennen Sie Olgas größte Schwäche

Falls ich es wüsste – man hat schon bei sich selbst die Qual des Rankings –, wür-de ich es durch „off enes“ Posaunen der Öf-fentlichkeit nicht verraten. Sie liebt Blech-bläserdämpfer – und ich auch.

Welches Libre� o würden Sie ihr empfehlen?

Die „Götterdämmerung“? Ich würde so gerne Wotan als koloraturgeilen Counter-tenor mal erleben. Ein bisschen im Erns-teren: Grimm-Märchen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit ihr? Gibt es einen Austausch, kümmert sie sich nicht um die Interpretation? Oder will sie ihren Standpunkt exakt durchsetzen?

Sie weiß genau, was sie nicht will. Und sie kümmert sich schon genau, wie gesagt, um die Auff ührungen, wenn sie kann. Aber wir haben uns grundsätzlich musi-kalisch immer gut verstanden. Ich selber möchte nie von vornherein etwas „aus den Stücken machen“, bei interessanter Musik ist es schön und schwer genug, ihr zu fol-gen, ihren eigenen Geheimnissen nachzu-schnüff eln. Natürlich führt diese Suche zu einer Identifi kation, die am Ende auch wie eine Aneignung aussieht. In ihrem Fall ist diese Spiegelung irgendwie, irgendwo, vielleicht immer doch fruchtbar gewesen – zumindest für mich.

Welches Stück von ihr mögen Sie am liebsten und warum?

Das nächste Stück und dann das nächste.

Teilen Sie mit ihr den Standpunkt, dass „Neue Musik“ auch andere Genres einbeziehen soll?

Es gibt etwas wie zwei Urprinzipien, den-ke ich: Das der konzentrierten Vertiefung in einer eingeschränkten Gattung (das französische „Artisanat“) und das, sagen wir, des Gesamtkunstwerks, der gegensei-tigen Befruchtung der Genres. Beide Prin-zipien haben etwas an sich und beide sind wichtig. Eine gute Balance ist aber vonnö-ten, denke ich, und in dieser Zeit der zu-nehmenden fachidiotischen Sterilisierung ist Befruchtung eigentlich ganz besonders nötig. Also: Nur zu, Olga.

Welches Genre ist Olga Neuwirth Ihrer Meinung nach besonders wichtig?

Überdrehung, Surrealismus, Schubertis-mus, Pamphlet, Guerilla, Godzilla.

Und welches ist Ihnen wichtig?

Immer: Gebratenes, Gegrilltes, Faschier-tes, Trüff el, alle Schinkensorten. Im Mo-ment: Zweigelt (ausnahmslos aus Ö).

Wenn Sie Olga eine geheime Botscha� zukommen lassen könnte, wie würde die lauten?

(... psst ...! Olga ...! sie stellen mir Fra-gen über Dich ...!! was soll ich denn ant-worten?! ...)

Was würden Sie ihr schenken?

Den gesamten Chabrol, „Totò e Maciste“, Godard der 60er- und 70er- und die „Te-letubbies“. Ich glaube, sie sollte sie neu orchestrieren (alle vier).

Was wünschen Sie ihr zu Wien Modern?

Kloing! (Kloing! kloing!)

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Elfriede Jelinek

Zur Person

Elfriede Jelinekgeboren 1946, ist Autorin von Romanen, Stücken und für die Bühne verwendeten Texten. Jelinek erhielt für ihr Werk zahlreiche Preise, darunter 2004 den Nobelpreis. Mit Olga Neuwirth arbeitet sie mehrfach zusammen

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Welche Musik von ihr haben Sie sonst schon gespielt?

Es ist genau andersherum: Zuerst kommt der Text, dann spüt die Musi. Ich habe schon für die Kinderoper, zu der Olga mit anderen jungen Komponisten (sie war die einzige Frau), noch als Schülerin, die Musik mitkomponiert hat, den Text ge-schrieben (auch zusammen mit Schüle-rinnen und Schülern): „Robert, der Teu-fel“, das hat damals Henze in Deutsch-landsberg initiiert. Dann kamen die bei-den Kurzopern nach Texten von mir, dann die großen Opern „Bählamms Fest“ und „Lost Highway“, beides aber nicht meine Stoff e, sondern nur Einrichtungen als Li-bretto. Unser gemeinsames Projekt, „Der Fall Hans W.“, wurde nie realisiert. Au-ßerdem hat Olga Musiken zu Hörspielen von mir geschrieben, bei denen die Mu-sik aber gleichberechtigt neben der Spra-che steht.

Wie würden Sie Olgas Musik beschreiben, welches Eigenscha� swort fällt Ihnen zuerst ein?

Das ist unmöglich assoziativ zu beant-worten. Sie hat jedenfalls eine ungeheure musikalische Fantasie und kann wirklich alle musikalischen Formen nutzen, vom witzigen Chanson bis zur diff erenziertes-ten Klangfärbung in den Opern, Konzer-ten und Orchesterwerken.

Mit welcher Literatur ließe sich ihre Musik vergleichen?

Werke der Musik und der Literatur las-sen sich generell nicht miteinander vergleichen.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Musik von Olga Neuwirth generell?

Ich bin inzwischen leider als Hörerin et-was ungeübt geworden, ich höre sicher längst nicht alle Diff erenzierungen und Farben. Aber ich bewundere die Sinn-lichkeit und klangliche Vielfältigkeit ih-res Werks, die mir so noch nicht begeg-net sind.

Wie ist die Zusammenarbeit mit ihr? Gibt es einen Austausch, kümmert sie sich nicht um die Interpretation? Oder will sie ihren Standpunkt exakt durchsetzen?

Wir haben leider schon lange nicht mehr zusammengearbeitet, seit unsere gemein-same Oper damals verhindert worden ist. Das war ein Einschnitt, der mich entmu-tigt hat. Olga hat seither ja noch bedeu-tende Arbeiten geschaff en.

Welches Genre ist Olga Neuwirth Ihrer Meinung nach besonders wichtig?

Ich glaube, dass Olga das Musiktheater nach wie vor am wichtigsten ist. Aber da-bei ist man natürlich von sehr vielen an-deren Menschen abhängig, man muss so-zusagen die Oberhoheit über sein Materi-al teilweise abgeben, sodass man irgend-wann einmal vielleicht verzagt. Oder auch nicht. Ich weiß nicht, wie viel Kraft Olga hat, sich dem auszusetzen. Musiktheater unterliegt ganz anderen Kriterien als The-ater. Und es braucht eine ganz andere Art von Regisseurinnen und Regisseuren.

Und welches ist Ihnen wichtig?

Kann ich nicht sagen, denn auch mei-ne Stücke sind ja, wie die Prosa, in ers-ter Linie literarische Texte, nur werden sie halt gesprochen, nicht gelesen. Beim Sprechtheater, so wie ich es verstehe, kann ich den Text den Regisseuren ausliefern und sie zu Co-Autoren machen. Auf die-se Weise entsteht jedes Mal ein anderes Werk, das im besten Fall auch für mich neu und überraschend ist (im schlimms-ten Fall manchmal auch ärgerlich). Aber im Musiktheater funktioniert das nicht, denn die Musik ist eine gegebene Kons-tante. Sie bestimmt alles. Da muss man den Regisseur, die Regisseurin viel stren-ger an die Kandare nehmen und auf eine bestimmte Ästhetik verpfl ichten, was ich für meine Stücke ablehne (und ablehnen kann).

Worin liegt die besondere Herausforderung, Neuwirth zu spielen?

Das kann ich nicht beurteilen. Aber na-türlich gibt es nicht viele Musikerinnen und Musiker, die solch komplizierte Mu-sik überhaupt spielen können, und die be-wundere ich zutiefst. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie man so was spie-len kann.

Welche halten Sie für ihre besten Werke?

Die Frage nach der Rangordnung der einzelnen Werke in einem so bedeuten-den Gesamtwerk kann man einfach nicht stellen.

Was würden Sie ihr am liebsten ausreden, wenn Sie könnten?

Wer bin ich denn, ihr irgendwas aus-reden zu wollen? Das wäre wirklich anmaßend.

Was ist Olgas größte Stärke?

Das ist jetzt nur so dahergeredet, aber, wie ich schon gesagt habe, der unglaub-liche formale Reichtum und die Diff e-renziertheit der Klangfarben, aus denen sie schöpft , dazu der Einsatz von Elek-tronik. Und auch die Sinnlichkeit, denn neue Musik kann zwar sehr avanciert sein, deswegen muss sie aber nicht unbedingt nach was klingen. Und ja, ihr Humor, ihr Witz, die Ironie, die sie im musikalischen Material selbst verarbeitet. Ironie in die Musik zu bringen, das ist für mich das schwierigste.

Nennen Sie Olgas größte Schwäche

Schwächen könnte ich nicht nennen. Ich habe aber Angst, die habe ich bei jeder Künstlerin – und in der Musik war der Ausschluss der Frau ja immer am wir-kungsvollsten, und wenn man sie nicht ausschließen konnte, hat man sie über Jahrhunderte hinweg totgeschwiegen –, Angst, dass sie sich irgendwann mal fer-tigmachen lässt. Dass die Widrigkeiten ei-nes Tages so groß werden, dass sie nicht mehr kann ... Ja, das ist eine reale Angst, die ich habe.

Welches Libre� o würden Sie ihr empfehlen?

Ich habe ihr nichts zu empfehlen.

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Andrew Watts

Welches Stück von Olga Neuwirth spielen Sie bei Wien Modern?

Ich singe „Hommage à Klaus Nomi“ beim Eröff nungskonzert im Theater an der Wien und „Tintarella di luna“ für Stimme und Klavier am 24.10. im Casi-no Baumgarten

Welche Musik von ihr haben Sie sonst schon aufgeführt?

„Bählamms Fest“ (Oper) – „Lost High-way“ (Oper) – „The Outcast“ (Oper) – „Hommage à Klaus Nomi“ – „Five Daily Miniatures“ – „No More Secrets, No More Lies“ – „La Vie – … ulcérant(e)“ – „… mor-phologische Fragmente …“

Wie w ürden Sie Olgas Musik beschreiben, welches Eigenscha� swort fällt Ihnen zuerst ein?

Individuell und höchst einfallsreich. Sie hat ihre eigene Stimm- und Klangwelt entwickelt, die man sofort erkennt. Fast unmöglich, ein einziges Adjektiv dafür zu fi nden. Vielleicht passen die: stark, enga-giert, lebendig, originell.

Mit welcher Literatur ließe sich ihre Musik vergleichen?

Mit vielen Arten von Literatur, von großen Philosophen bis zu eher banalen Kinder-buchautoren. Sie ist so unterschiedlich wie jede Literatur: genau, aber nicht betulich. Auf welche Art ist Olga Neuwirth bei der Auff ührung beteiligt?

Sie ist oft an meinen Auff ührungen ih-rer Musik beteiligt. Unsere Zusammenar-beit verbindet uns persönlich und musi-kalisch, das Vertrauen in die Komponistin wird erwidert vom Vertrauen in den aus-übenden Künstler

Wie ist Ihr Verhältnis zur Musik von Olga Neuwirth generell?

Ich wusste nichts von ihr, bis ich vor fast 15 Jahren in eine Aufnahme ihres Stücks „Five Daily Miniatures“ mit dem Klangfo-rum hineingeriet. Nach zahlreichen Drinks und einer ordentlichen Dosis nächtlichen Geplauders waren wir Freunde. Ich war sofort ein Fan von Olgas Musik. Mittler-weile hat sie ein paar Dinge für mich ge-schrieben. Ihre Kompositionen sind ehr-lich, engagiert und wahr. Schnörkellos, ohne Tricks. Man muss nur tun, was auf dem Blatt steht, alles ist klar defi niert, man braucht es nur zu befolgen.

Worin liegt die besondere Herausforderung, Neuwirth zu spielen?

Sie weiß sehr genau, was sie will. Ihre Par-tituren sind in Bezug auf Artikulation und

Dynamik unglaublich genau markiert, dar-an muss sich eine gute Auff ührung halten. Olga hält die Countertenorstimme für ein Instrument mit Höhe und Tiefe. Wir expe-rimentieren beide mit der modalen Qua-lität der Stimme und mit deren höchsten Tönen. Sie ist ein großer Fan von Nonvi-brato-Gesang, das führt zu interessanten Diskussionen zwischen uns über Vokal-stil und Stimmbildung. Viele Herausfor-derungen, großer Lohn!

Welche halten Sie für ihre besten Werke?

Olgas Musik ist unglaublich visuell und dramatisch, sogar opernhaft . Neben ihre zarten Stücken für kleines Ensemble tre-ten solche für großes Orchester. Man emp-fi ndet Klarheit und weiß, dass man Neu-wirth hört und in ihrer Klangwelt ist. Ich genieße den tollen Spaß der Nomi-Arran-gements und Olgas dramatisches Gespür für Vokal- und Opernwerke. Erstaunli-ches, makelloses Komponieren.

Was ist Olgas größte Stärke?

Ihr Wille, als Person und Komponistin zu wachsen. Sie geht keine Kompromisse ein, der exakte Klang ihrer Welt ist ihr überaus wichtig. Ihre Stärke ist es, das zu errei-chen, was ihre Vision eines Stücks ist, und das den Beteiligten zu kommunizieren.

Nennen Sie Olgas größte Schwäche

Schwere Frage. Wir habe eine professio-nelle Beziehung und eine Freundschaft , die damit nichts zu tun hat. Viele Leu-te können das nicht trennen, wir beide schon. Manche sagen, sie sei schwierig, ich fi nde das nicht. Sie ist anspruchsvoll, fordernd und kann erschöpfend sein. Ihre Schwäche könnte sein, das sie zu viel von denen verlangt, die mit ihr ar-beiten. Das zeigt aber eher die Schwäche der Betroff enen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit ihr? Gibt es einen Austausch, kümmert sie sich nicht um die Interpretation? Oder will sie ihren Standpunkt exakt durchsetzen?

Mit Olga zu arbeiten, macht immer viel Spaß und geht einher mit gutem Essen, großartigem Wein und Gesprächen bis in die Früh. Sie ist anspruchsvoll und sehr besorgt über die Art, wie ihre Musik auf-geführt wird. Sie sorgt sich auch um die Auff ührenden. Ich habe die Carte blanche, die Vokallinien so zu interpretieren, wie es mir richtig erscheint, sie kommentiert das und macht Vorschläge, etwas zu ändern. Auch ich mache Vorschläge, wir diskutie-ren, so entsteht die fertige Idee. Olga hat nie einem Ausführenden etwas draufge-drückt, die Partitur ist eine Anleitung, die

endgültige Ausformung kommt von den Auff ührenden.

Welches Stück von ihr mögen Sie am liebsten und warum?

Die schwerste Frage. So viel hat sie für mich geschrieben, so viel hat mich bewegt. Die Einfachheit von „Five Daily Minia-tures“ mit ihren feinen Details und epi-schen Proportionen turnt mich als Sänger an, aber die Rolle in „Bählamms Fest“, die sie für mich schrieb, ist eine der schöns-ten Countertenorrollen, die in neuerer Zeit geschrieben wurden. Die schiere vo-kale Kraft und die dramatische Würze, die Olgas Klangwelt evozieren, sind erstaun-lich. Aufregend zu singen, aufregend zu hören.

Welches Genre ist Olga Neuwirth Ihrer Meinung nach besonders wichtig?

Ich denke, ihre Musik eignet sich wirk-lich fürs Gesangliche. Olga ist unglaub-lich musikalisch und ihre Kompositionen kommen aus tiefster Seele. Sie ist ehrlich und wahrhaft ig! Sie ist eine echte Künst-lerin, kein Fake. Ihre Musik dreht sich um Drama, ob es um Text geht oder ob eines ihrer nichtvokalen Stücke die Hörerschaft in Bann schlägt

Und welches ist Ihnen wichtig?

Bei jeder Arbeit sind mir Respekt und Wahrhaft igkeit wichtig. Dass Dinge fl ie-ßen können. Ein Gefühl für Zusammen-arbeit in Freiheit, ohne Wertung.

Wenn Sie Olga eine geheime Botscha� zukommen lassen könnte, wie würde die lauten?

Du kannst nicht jedem gefallen, vielleicht nur einigen wenigen, aber bleib dir sel-ber treu!

Was würden Sie ihr schenken?

Eine Flasche Cannonau-Wein oder Grap-pa, und für jeden von uns beiden ein gro-ßes Glas davon.

Was wünschen Sie ihr zu Wien Modern?

Das Allerbeste! Es ist eine Chance für Wien und Österreich, einen seiner hells-ten Stars zu umarmen und ihre Arbeit und Kreativität zu feiern. Man sollte diese Ge-legenheit als Erinnerung an den Kampf der Komponistin sehe, und eine Gelegen-heit, ihre Werke auf dem höchsten Le-vel aufzuführen und sie nicht herunter-zuvereinfachen. Das Jubiläum von Wien Modern ist eine passende Gelegenheit für ein Porträt von Olga Neuwirth. Ohne sie wäre die Welt der Neuen Musik ein we-niger interessanter Ort.

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Zur Person

Andrew Wa� s ist ein englischer Countertenor, wurde in Middlesex geboren und studierte an der Londoner Royal Academy of Music. Er gastierte an allen großen Opernhäusern. Sein Repertoire umfasst große Rollen der Alten Musik, Klassik, aber auch des modernen Musikthe-aters (Urauff ührungen wie in Olga Neuwirths „Bählamms Fest“ und „Lost Highway“, in Birtwistles „The last Supper“, in Henzes „L’Upupa). und vielen anderen). Auch als Konzert- und Liedsänger ist Andrew Wa� s sehr gefragt.

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„ Der Kontrabassklang hat eine archaische Kraft“I n t e r v I e w :

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Der geborene Schweizer Beat Furrer lebt seit Jahrzehnten als Kompo-nist und Dirigent in Wien; durch

die Gründung des Klangforums hat er die hiesige Musikwelt maßgeblich mitgeprägt; heuer ist er Träger des Erste-Bank-Kompo-sitionspreises (siehe auch die Begründung von Lothar Knessl auf Seite 10). Wir spra-chen mit ihm über das Programm des ihm gewidmeten Abends, sein neues Stück und seine Verfahrensweisen als Komponist.

Falter: Beat Furrer, können Sie Ihr für Wien Modern komponiertes Stück „ira-arca“ für Bassflöte und Kontrabass für uns beschreiben?Beat Furrer: Das Projekt hatte ich schon lan-ge im Kopf. Der Titel umreißt ein forma-les Prinzip, das ich in Bolivien kennenge-lernt habe. Ich habe dort mit einem bolivi-anischen Orchester gearbeitet und „indige-ne“ Inkamusik gehört. Die war mir völlig fremd. Ich hatte die Gelegenheit, in La Paz diese Musik und deren Instrumentarium kennenzulernen.

Was sind das für Instrumente?Furrer: Vor allem Flöten aller Größen, von ganz kleinen bis zu sehr großen, deren Reich-tum des Obertonspektrums deutlich hörbar ist. Als ich sie zum ersten Mal hörte, habe ich erfahren, wie die bolivianische Musik ei-nem ganz anderen Denken entspringt. Zu-nächst konnte ich schwer entscheiden, wie gut diese Musik interpretiert war, ob Intona-tionsabweichungen aus Nachlässigkeit ent-stehen oder es einer spezifischen Klangvor-stellung entspricht. Durch die starken mik-rotonalen Reibungen entsteht in einem Or-chester ein frenetisch flirrender Klang. Es werden auch Flöten benutzt, die bei einem bestimmten Anblasdruck unharmonische Mehrklänge erzeugen.

Was hat Sie selbst nach Bolivien gebracht?Furrer: Es war eine Idee von Peter Paul Kain-rath, der das Festival Klangspuren in Tirol leitet und der das Orchester auch dahin ein-geladen hat. Es ist ein von der lateinameri-kanischen Jugendorchesterbewegung in spi-riertes Ensemble, das sich ausschließlich um indigene Musik und deren eigenes In-strumentarium kümmert. Ebenso werden ei-gens dafür komponierte Werke zur Auffüh-rung gebracht. Dieses Orchester wird jetzt ein eigens für es gebautes Haus für Proben und Konzerte erhalten. Ich erachte es für wichtig, diese Initiative zu unterstützen. Was bedeutet ira-arca?Furrer: Ira-arca stammt aus der Inkasprache, heißt so viel wie „führen – folgen“ und be-deutet, dass die Töne einer jeden Melodie auf zwei Spieler aufgeteilt sind. Es entsteht ein kleingliedriges Hin und Her zwischen zwei Orchestergruppen. Von der kleinen

bis in die große Struktur setzt sich dieses Prinzip fort. Es ist ein symbolisches Prin-zip. Dieses habe ich in meinem Stück zur Darstellung gebracht. Ansonsten verwen-de ich keine direkten Zitate aus der Inka-musik. Diese Hoquetus-artige Technik hat mich schon in früheren meiner Stücke in-teressiert. Die Inkamusik ist eine rituelle und wird heute noch bei Hochzeiten, Be-gräbnissen und anderen Anlässen gespielt. In Bolivien gibt es noch lebendige Überres-te, da der Genozid der spanischen Eroberer dort Gott sei Dank nicht restlos durchge-führt werden konnte. Die Inkas haben sich teils in die Berge geflüchtet oder etwa auf eine Insel im Titicaca-See, wo die Erobe-rer schwer Zugang hatten. Auf der ande-ren Seite des Sees haben sie dafür ein rie-siges Kloster hingebaut. Die Sprache der Inkas war lange Zeit verboten und deren Musik verpönt. Die ganze Kultur ist sozu-sagen mit den Wurzeln ausgerissen worden. Wer kann heute sagen, ob das, was wir zu hören bekommen, authentisch ist? Wahr-scheinlich hat es sich stark verändert. Lei-der gibt es viel zu wenige wissenschaftliche Arbeiten über diese Musik, auch viel zu we-nige Sammlungen. Bei Radio La Paz gibt es eine Sammlung von Aufnahmen, diese hal-ten sie aber unter Verschluss, aus Angst vor deren kommerzieller Verwertung.

Gibt es auch dort Kommerzialisierungs-tendenzen der Volksmusik?Furrer: Ja klar. Wenn für eine Tradition kein Bewusstsein vorhanden ist, ist sie unge-schützt der Kommerzialisierung ausgelie-fert. Bei den Antworten auf meine Fra-gen bemerkte ich oft Unsicherheit. Es war schwer, Auskünfte über die Feinheiten der Intonation und der rhythmischen Artikula-tion zu erhalten. Die vorhandene Notation ist sehr rudimentär und vereinfachend.

Arbeiten Sie mit diesen Instrumenten in Ihrem Stück? Furrer: Nein, aber es wäre eventuell interes-sant, gewisse Instrumente mit unserem tra-ditionellen Instrumentarium zu mischen, so zum Beispiel die schrillen hohen Flöten oder die Mehrklangflöten. Auch der große klangliche Reichtum der tiefen Instrumen-te fasziniert mich.

Wenn Sie hauptsächlich mit Flöten zu tun hatten, wie kamen Sie darauf, eine Flöte mit einem Kontrabass zu verbinden? Furrer: Der Kontrabass hat zwischen tasto und ponticello, den Flageolettklängen und der enormen Kraft der tiefen Klänge ein großes Spektrum an Differenzierungsmög-lichkeiten. Auch gibt es Klänge, die durch ihre unharmonische Strukturierung eine ar-chaische Kraft haben. So zum Beispiel die hohen Doppelflageolettklänge, die, im For-tissimo gespielt, durch die Torsion der Sai-

ten ein unharmonisches Spektrum kreie-ren. Dieser Klang hat eine archaische Kraft. Ebenso verhält es sich mit den Obertönen der tiefen Flöte, die ich mir als Verlänge-rung des Rachen-Kehlkopf-Raumes in einer Nähe zur menschlichen Stimme vorstelle. Beide Instrumente decken ein klangliches Spektrum vom geräuschhaften Konsonan-ten über deren Ordinario-Klang bis hin zum Inharmonischen des Schreis ab.

Muss man denn nach Bolivien gehen, weil die Traditionen bei uns ausgereizt sind? Furrer: Ein Komponist kann nicht nach Bo-livien fahren und sich wie im Supermarkt verschiedener exotischer Kulturen bedienen und hoffen, etwas zu finden, was man bei uns nicht mehr finden kann. Diese Mentali-tät des Einkaufens, des Sich-Bedienens mit Elementen einer Kultur, die wir gar nicht mehr verstehen, ist meist ein großer Trug-schluss. Zu jeder Zeit waren Komponisten konfrontiert mit fremden Kulturen, und zu jeder Zeit haben sie diese fremden Kultu-ren auch falsch verstanden. Diese Missver-ständnisse können produktiv sein oder eben zu Kitsch führen. Ein formales Prinzip zu übernehmen, dem nachzuforschen, schien mir viel interessanter, als zu zitieren oder zu versuchen, das Rituelle zu imitieren.

Könnten Sie verständlicher machen, was das für unsere Tradition heißen kann? Furrer: Es fällt mir sehr viel schwerer, dar-über zu sprechen, weil ich ja bestrebt bin, aus dem Kanon unserer Tradition auszu-brechen. Formal gibt es beispielsweise bei Schubert Dinge zu entdecken, die noch Früchte tragen könnten. Etwa das, was bei Schubert anders ist in der Sonate, was schon über die klassische Sonate hinaus-weist. Das hat auch eine Perspektive, die inspirierend ist.

Was davon können wir im Programm Ihres Konzerts wiederfinden?Furrer: Nehmen wir das Klavierkonzert. Das Konzert ist geprägt von einer großen Tra-dition. Was interessiert mich heute dar-an, ein Klavierkonzert zu schreiben? Mit allen Gefahren einer Virtuosität, die zur Schau gestellt wird? Ich musste einen Zu-gang über den Klavierklang selbst finden! Für mich ergab sich eine klare Problem-stellung, nämlich dem Klavierklang einen Resonanzkörper zu verschaffen. Wir haben die Tonalität nicht mehr, die diesen Reso-nanzkörper garantiert. Und dadurch wird je nach Orchester- und Ensembledichte der Klavierklang matt, wie wir aus einigen Bei-spielen in der Musik des 20. Jahrhunderts erfahren haben. Als ich anfing zu schrei-ben, habe ich mit Maurizio Pollini dar-über gesprochen. Pollini sagte: „Das Kla-

Der Komponist Beat Furrer über seine art des umgangs mit tradition und seine weise, musik zu schreiben

zur Person

Beat Furrer, geboren 1954, ist einer der renommiertesten Komponisten Neuer Musik. Der in Österreich lebende Schweizer erhält heuer den Erste-Bank-Kom-positionspreis. Furrer, der auch als Dirigent auftritt, gründete das Klangforum Wien. Er schrieb zahlreiche Werke, Kammermusik, Ensemble- und Orchestermusik und Bühnenwerke. Beim Festival Wien Modern ist ihm ein Konzert-abend gewidmet

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der Hamburger Oper (Termin 2015) wählte Furrer aus den orphischen Ge-sängen des Dichters Dino Campana (1855–1932) „La Chimera“, nacht-seitig bildhafte Poesie, beeinflusst von Nietzsche und Rimbaud. Chimä-re: griechische Sagengestalt, zugleich Löwe, Ziege und Schlange, Trugbild, Utopie inkludiert, Ambiguität der Ge-dankenflüsse. Ein Stoff, der ihn, be-denkt man Furrers literarische Vorlie-ben, seine Belesenheit insgesamt, si-cherlich animierend berührt.

Ein Jahr darauf, 2016, wird der Auf-trag der Berliner Oper fällig. Hier-für gibt es ein von Wladimir Sorokin (*1955) eigens zu verfassendes Lib-retto. Der russische Erzähler und Ro-mancier – Furrer traf ihn in Berlin –, anfangs Buchillustrator, zeitweilig zur Postmoderne gesteckt oder zur Kon-zeptkunst, 2010 mit dem Gorki-Preis ausgezeichnet, hat schon früher ein Opernlibretto verfasst, „Rosenthals Kinder“ (2005, Musik: Leonid Des-jatnikow), worin ein Genforscher und tote Komponisten wie Mozart, Ver-di, Tschaikowski und andere als Klo-ne sich herumtummeln. Sorokins brei-tes Themenspektrum erweckt Neugier,

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vier ist doch ein sehr lautes Instrument!“ Natürlich ist das Klavier ein sehr lautes In-strument. Aber wie schnell ist die Plastizi-tät des Klanges verloren. Wenn wir einen ganzen Abend ein Klavier solo hören, ge-winnt der Klang eine orchestrale Präsenz. Wie kann ich diese erhalten, wenn ich das Klavier mit dem Orchester konfrontiere? Der Klang kann sehr schnell flach werden. Das hängt mit dem Resonanzkörper zu-sammen. Das war die erste Aufgabe, die ich mir gestellte habe: Wie kann ich mit instrumentalen Mitteln dem Klavier einen Resonanzkörper bauen? Ich habe den Kla-vierklang in den verschiedenen Registern analysiert und war sehr bald fasziniert von den Phänomenen in den tiefen Regionen, wo die Saiten „unharmonisch“ schwingen. Dann habe ich die Nachklänge mit dem Gehör analysiert und aufgeschrieben. Die-se klanglichen Ergebnisse habe ich darauf-hin instrumentiert.

Im Orchester als zweitem Resonanzkörper?Furrer: Genau. Das ist in der Anfangspha-se des Stücks sehr leicht zu hören. Dass das Orchester sehr im Hintergrund leise die mitschwingenden Obertöne spielt, die das Klavier anschlägt. Erst im Lauf des Stücks tritt das Orchester in den Vordergrund. Da wir bei der Form sind: Bei einer Probe frag-

te mich einmal ein Musiker: Ja, und wann proben wir den zweiten Satz? – Aha, aber es gibt ja gar keinen zweiten Satz. Aber natür-lich gibt es einen, weil man das so hört. Es gibt einen Mittelteil, der sehr gedehnt ist.

Wie ein langsamer Satz. Der ist Ihnen beim Komponieren hineingeraten?Furrer: Ja. Ich war von dieser Frage zunächst überrascht und habe hier mit einer Deut-lichkeit gesehen, wie sehr die Geschich-te des Klavierkonzertes unsere Hörerfah-rung prägt.

Wie wichtig ist eigentlich beim Komponieren das mechanische Moment beim Schreiben? Sie notieren ja nicht grafisch, sondern schreiben Noten auf. Wie wichtig ist das Manuelle, Haptische, der Akt des Schreibens selber? Verselbstständigt sich das mitunter? Oder ist das nur eine Notierfunktion?Furrer: Das Aufschreiben lässt sich nicht entkoppeln vom Klangdenken. Der Pro-zess des Komponierens muss immer wie-der reflektiert werden, das ist ganz wichtig. Wie entsteht eine Ordnung? Wo entschei-de ich mich für diesen Weg, warum bin ich nicht einen anderen gegangen? Wann wer-den Dinge fixiert? Ich sage nicht, so, jetzt habe ich diese Tonleitern und Skalen, die-se Rhythmen, was mache ich damit? So ist das nicht. Das wäre schon das Gefängnis ei-

nes hoffnungslos Verendenden. Ich notiere Einfälle, Ideen. Ohne System. Ohne Wissen, was ich nachher benötige an formalen und harmonischen Hilfsmitteln, an Konzeptuel-lem. Sowie ich genug gesammelt habe, kann ich anfangen zu komponieren. Ich brauche nicht alle Skizzen noch einmal durchzu-schauen. Die habe ich präsent und kann nun beginnen zu bauen. Die Entscheidung für diesen oder jenen Weg darf aber nicht zu früh getroffen werden. Es ist eine Art chao-tisches Vorgehen. Die Dynamik des Prozes-ses könnte auch woanders hinführen.

Sie haben also nicht die Struktur eines Stücks vorgeplant. Sie haben Klänge und vielleicht Motive. Anfang und Ende gibt es ja auch nicht unbedingt bei Ihnen …Furrer: Genau. Das Schöne an diesem Pro-zess ist, dass lange etwas da ist, in Be-wegung gekommen ist, aber sich irgend-wann einmal zu einer Ordnung formiert, die mich dann auf einen Weg bringt. Wo schlagen Ordnungen um? Wenn ich mich für eine bestimmte Ordnung entscheide, in-teressiert mich auch immer, was an deren Grenzen passiert. Wenn ich zum Beispiel eine rhythmische Struktur festlege, ist es für mich spannend zu erfahren, wo diese in an-dere Qualitäten umschlagen kann.

Hier liegt wohl auch ein Unterschied zum Erzählen, das immer etwas Lineares hat?

:: Nimbus der Inspiration – das hören wir ungern. Lieber musikalisches Mate rial, eo ipso musikalisch. So lapi-dar formuliert aber auch wieder nicht. Wäre missverständlich. Denn kompo-sitorisches Material birgt einen gan-zen Kosmos in sich, sagt Beat Furrer. Man kann sich das vorstellen. Zell-verschlossene Vielfalt, Ausgangspunkt vorgeprägter Entfaltung. (Womöglich doch In spiration?) – Jedenfalls soll-ten die Einfälle sprudeln. Denn seit Monaten ist er umfangen von Groß-aufträgen. Und da auch noch hinein-gezwängt das Duo für Bassflöte und Kontrabass, tiefe Lagen lassen sich hochdrehen, UA bei Wien Modern (3. November). Noch hat der Kopf den Überblick.

Nicht mit den Händen komponieren, soll heißen nicht am Klavier, sondern mit dem Kopf, empfahl einst der verehrte Lehrer Roman Haubenstock-Ramati. Seinetwegen landete Furrer 21-jährig in Wien. Er blieb und wurde Österrei-cher schweizerischer Herkunft. – Jetzt aber der Kopf. Er hat das Ensemb-lestück „Linea dell’orizzonte“ für die heurigen Donaueschinger Musikta-ge gerade noch knapp nach dem letz-ten Abliefertermin fertiggestellt (Ur-aufführung am 21.10.). Unterschwel-lig wahrnehmbare Klangverzerrungen durch Live-Elektronik. – Parallel ru-mort in anderen Kopfregionen die Ar-beit an zwei Bühnenwerken.

Schon definitiv ausgewählt sind die Textvorlagen. Für den Auftrag

Joonas Ahonen muss in Furrers Klavier-konzert für plastischen Klavierklang sorgen

Eva Furrer rückt bei „Ira-arca“ die Flöte in die Nähe der menschlichen Stimme

Carlo Emilio Gadda und wieder Luk-rez. Das alles spiegelt eine ästhetisch sehr spezifische Herangehensweise ab-seits sogenannter linearer Vertonung.

Vorrangig das Hören, Horchen. Akustische Abenteuer bis hin zu ungesungenen Arien, erstickten Klängen, hörbarer Stille. Auch das Kopfarbeit, emotio-nal angereichert. Meditierender Anbe-ter des bedingungslos Leisen ist Furrer freilich gar nicht, denn das sei poetisch befrachtet mit Weltabgeschiedenheit. Im Gegenteil, aktiv reflektierendes Hi-neinhören in fremde Klangwelten. Bo-livien zum Beispiel, Musik der Inka, gespielt auf indigenen Instrumenten, viel Holzrohr, Schilf, Ober- und Inter-ferenztöne, Schwebungen, geräusch-haftes Raunen und Rauschen.

Damit sind wir endlich im Duo für Bassklarinette und Kontrabass, Ins-trumente mit reichen Obertonspekt-ren, Titel: „ira-arca“, nicht etwa Spa-nisch oder Italienisch, sondern Inka-sprache. Furrers Reise-Reminiszenz. Das Stück allein begründet nicht die Zuerkennung des diesjährigen Erste-Bank-Kompositionspreises. Ausge-zeichnet ist sein bisheriges Schaffen, vor allem seine Gründung der Socié-té de l’Art Acoustique 1985 in Wien (passend sperriger Titel, Furrer ist zu-weilen sperrig), aus der 1988 nahtlos übergehend das Klangforum Wien er-blühte, dessen Ehrenmitglied er seit drei Jahren ist – wirklich kein Syno-nym für Ruhestellung. L o t H A r K N E S S L

Beat Furrer erhält den Erste Bank Kompositionspreiskonkrete Figuren bevölkern das Lib-retto für Furrer.

Etwas wie Umkrempelung ist zu entdecken, ein deutlich neuer Zugang in Richtung Oper, oder eine Metamor-phose, wie etwa 1995, als – auf ande-rer kompositorischer Ebene – mit dem Ensemblestück „Nuun“ bis dahin un-beachtete Möglichkeiten vernetzbarer Schreibweise prägend zum individuel-len Markenzeichen aufrückten. Was in den Bühnenwerken der vergangenen zwölf Jahren quasi verpönt war, wird nun zum Fundament. Jene für Ham-burg und Berlin stützen sich auf je-weils nur einen Autor, davor sind pro Werk jeweils mehrere eingebunden.

Zur Erinnerung: Im Musiktheater „Be-gehren“ (2001) beziehen sich Texte von Cesare Pavese, Günter Eich, Ovid und Vergil musikalisch-dramaturgisch aufeinander. Der Kriminalroman „Mo-derato cantabile“ von Marguerite Du-ras ist in „Invocation“ (2002/03, initia-ler Impuls: der Schrei) das verbale Ge-rüst, mehrfach unterbrochen von Juan de la Cruz, Pavese und Ovid sowie ei-ner orphischen Hymne. Im Musikthe-ater „Wüstenbuch“ (2009), Textparti-kel von Händl Klaus, Ingeborg Bach-mann, Antonio Machado, Lukrez und aus dem alt ägyptischen Papyrus Ber-lin 3024, korrelieren Sprach- und Mu-sikstrukturen. „Wüste“ umfängt me-taphorisch akustische wie visuelle Phänomene. Das Hörtheater „Fama“ (2004/05) verquickt Schnitzlers No-velle „Fräulein Else“ mit Texten von

Lothar Knessl ist Mitbegründer von Wien Modern und kuratiert den Erste Bank Kompositionspreis

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chen der damals 13 Gründerstaaten gesungen wurden. Es sind einfache Choräle und Hymnen, oft vierstim-mig zu singen.

John Cage wählte acht originale Hymnen aus, löste Fragmente mit Hil-fe des I-Ging-Orakels aus ihren alten Zusammenhängen und ließ sie vom Orakel neu ordnen. Aber – typisch John Cage – natürlich nicht wirklich zufällig, sondern nach strengen, vorausgedach-ten Regeln: Nie sollten mehr als vier der 93 Orchesterinstrumente gleichzei-tig erklingen, und das alles in einem ununterbrochenen ruhigen Flow.

Seltsam schöne, „zufällige“ neue Har-monien entstehen, die alte Welt ame-rikanischer Hymnen schimmert durch ein ab straktes Gemälde des 20. Jahr-hunderts. Seit Jahren ist das circa drei-viertelstündige Stück „Quartets I–VIII“ in seiner Version „for 93 play-ers“ nicht mehr zur Gänze aufgeführt werden.

Chefdirigent Cornelius Meister und das RSO Wien spielen die – laut Ver-lagsauskunft – nach der Uraufführung erst dritte Gesamtaufführung. F

Konzert mit Cage ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Konzerthaus, Großer Saal, 9.11., 19.30 Uhr

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Furrer dirigiert Furrer Klangforum Wien 3. November, 18.30 Uhr, Konzerthaus, Mozartsaal

ne Weisen, wie man eine Person verstehen könnte. Die Frage ist immer: Wie kann ich einen zwei-, dreistündigen Abend so gestal-ten, dass er einen im Bann hält?

Noch ein Wort zu ihrem Stück „Aer“, das auch auf dem Programm steht. Furrer: „Aer“ war für mich ein Stoff, aus dem Verschiedenes entstehen kann. Es geht darum, wie aus einer Ordnung eine andere entstehen kann, etwa aus dieser Linie von der Klarinette gespielt, zunächst als Uniso-no mit den anderen Instrumenten. Plötzlich öffnet sich ein anderer Raum. Bei „Aer“ habe ich angefangen, auf diese Weise mit Linien zu arbeiten. Diese Arbeitsweise hat in der Folge zur Entdeckung einer Form geführt, die aus verschiedenen Filtereinstellungen auf eine Matrix entsteht, die ein Geflecht aus sich wiederholenden Linien immer wie-der aus einer anderen Perspektive erschei-nen lässt, gleichsam ein Objekt, das mit ei-ner Kamera aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet zum Leben erweckt wird. F

Uli Fussenegger Sein Kontrabassspiel umfasst das ganze Spektrum an Differen-zierungsmöglichkeiten

Furrer: Das Prozesshafte ist in der instru-mentalen Musik immer anwesend. Das habe ich bei meinem 3. Streichquartett, das unge-fähr eine Stunde dauert, erprobt, in dem es Stellen gibt, die diesen oder einen anderen Weg der Fortsetzung erlauben würden, wo man also das Gefühl für die Richtung ver-liert. Da erzähle ich zunächst eine Geschich-te von einem Klang zu einem anderen mit verschiedenen Stationen dazwischen, und dann drehe ich die Geschichte um und zer-schneide sie. Wo ist die Richtung noch spür-bar? Es war sehr interessant: Es gibt einen Punkt, wo diese Gerichtetheit nicht mehr spürbar ist, wo das Geschehen kreist. Wenn wir etwas „statisch“ nennen, ist dies ohne das „Prozesshafte“ nicht denkbar. Beide Be-griffe sind Abstrakta, die es kompositorisch zu erforschen gilt. Was heißt in der Musik, eine Geschichte erzählen? Das Nichtlineare entsteht aus der Interpolation von Schich-ten linearer (prozesshafter) gerichteter Be-wegung. Diese Problematik beschäftigt mich auch im Musiktheater.

Sie machen ja aus verschiedener Literatur gerne selber ein Libretto.Furrer: Ich habe in letzter Zeit immer wieder gestaunt über die Formen bei Dostojewski: wie unglaublich raffiniert er mit dem Tem-po der Erzählung arbeitet. Manchmal stockt das Tempo, es wird nur noch „konversiert“. Und plötzlich bewegt sich alles wieder in atemberaubendem Tempo dahin und wird – etwa im „Idioten“ – zu einem Ende mit ei-ner Dramatik geführt, wie ich sie mir nicht wirkungsvoller vorstellen könnte.

Aber auf der Opernbühne erzählen Sie nicht in diesem Sinn, oder?Furrer: Ich hatte ein spannendes Gespräch mit dem Regisseur Jossi Wieler. Er erklärte mir, dass er kein stationäres Drama insze-nieren könne, dass er beim Erzählen immer die Psychologie, die Bewegung seiner Figu-ren brauche. Ich habe mich danach gefragt, ob es stationäres Theater überhaupt gibt. Es braucht immer Geschichten, viele Geschich-ten, die ineinandergreifen, oder verschiede-

Cornelius Meister dirigiert das RSO mit Cage

John Cage, das RSO und The Pursuit of HappinessSeit Jahren sind John Cages Quartets I–VIII nicht mehr zur Gänze aufgeführt worden. Hier kann man sie wieder hören

T e x T :

C H R I S T I a n S C H e I b

A m 4. Juli 1776 verabschiedet der amerikanische Kongress die

Unabhängigkeitserklärung der Ver-einigten Staaten, ein – abgesehen vom konkreten politischen Kampf um Unabhängigkeit vom britischen „Mutterland“ – bedeutender demo-kratiepolitischer Meilenstein, dessen schon im ersten Absatz festgeschrie-bene Gleichheit aller Menschen ein-schließlich des Rechts auf „pursuit of happiness“ legendär werden sollte: „We hold these truths to be self-evi-dent, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“

200 Jahre später, 1976, wird die-ses Jubiläum gefeiert, und der Kompo-nist John Cage bekommt im Zuge des-sen einen Kompositionsauftrag. Man könnte es auch so sehen: Es war Ca-ges lebenslanges künstlerisches Ziel, auf seine sehr persönliche, von den amerikanischen Philosophen des 19. Jahrhunderts, von Ralph Waldo Emer-son und Henry David Thoreau gepräg-te Art eines sanften Anarchismus, das Recht auf „pursuit of happiness“ künstlerisch zu formulieren, zu skiz-zieren und selbst zu leben. Als er 1976 zum Zweihundertjahr-jubiläum diesen Auftrag für ein Or-chesterstück bekommt, erinnert er sich an alte amerikanische Kirchen-hymnen, wie sie zur Zeit der Unab-hängigkeitserklärung in allen Kir-

T e x T :

H e I n z R ö G l

C ountertenor Andrew Watts führt im Casino Baumgarten zwei

„Songs“ von John Cage auf, „A Flo-wer“ für Stimme und geschlossenes Klavier und „The Wonderful Widow of Eighteen Springs“, 1942 der Sän-gerin Janet Fairbank gewidmet und etwa von Cathy Berberian unzählige Male aufgeführt. Während die Stim-me in nur drei Tonhöhen („pitches“) vibratolosen, ritualisiert gregoriani-schen, auch immer wieder verstum-menden Gesang verströmt, bleibt der Klavierdeckel geschlossen, der Pianist kann die Tasten nicht erreichen und die Komposition nur auf den Holz-rahmen tappen und klopfen.

Cage hat aus einer Passage aus „Finnegans Wake“ von James Joyce für die Komposition Passendes her-ausgeschnitten. Der Beginn umreißt die Stimmung: „night by silentsailing night … Isobel … wildwoods’ eyes and primarose hair, quietly, …“.

Das Niederösterreichische Ton-künstler-Orchester führt Werke der amerikanischen Moderne bei Wien Modern auf, so auch eine „Partita für großes Orchester“ von dem über 104 Jahre alten Elliot Carter und das Kon-zert für präpariertes Klavier und Kam-merorchester von John Cage. Cage gab die Präparation von insgesamt 53 Tö-nen der Klaviatur exakt vor. Sie beste-he, schrieb Cage in den 1950er-Jah-ren an Pierre Boulez, „in einer Brü-cke, die sich vom Resonanzboden zu den Saiten spannt und die so plat-

… noch viel mehr Cage bei Wien Modernandrew Watts im Casino baumgarten, die Tonkünstler im Konzerthaus und alexander Stankovski in der alten Schmiede

ziert ist, dass sie ganz kleine Mikro-töne hervorruft“.

In Cages berühmtestem Werk für präpariertes Klavier, den 1946 bis 1948 komponierten „Sonatas and Interludes“, die auch aus der Be-schäftigung mit Emotionen in indi-scher Hindu-Philosophie resultieren, ist das Klangbild in den unteren La-gen besonders aufgrund der doppel-ten Präparierungen mit Metall oder Plastik und Gummi deutlich verän-dert, mit klaren Assoziationen zu Perkussionsinstrumenten.

In den mittleren Lagen der Klavia-tur dominieren gedämpftere Timbres, in den hohen Lagen nimmt der Klang an Helligkeit zu. In seinem Auftrags-werk, das in der Alten Schmiede von dem in Linz tätigen Dänen Sven Birch uraufgeführt wird, will der Komponist Alexander Stankovski sie nicht als ka-nonisierten Text aufgeführt wissen, sondern versieht sie mit „Interventi-onen, Kommentaren und Tropierun-gen“. Das Stück heißt „Sonatas, Inter-ludes and Interventions für (un)prä-pariertes Klavier“ und nennt natür-lich Cage weiter als Co-Komponisten. Der hätte an diesem Unterfangen si-cher seine Freude gehabt. F

Konzerte mit CageAndrew Watts (Countertenor), Volker Krafft (Klavier). Casino Baumgarten, 24.10., 19.30 Uhr

Tonkünstler-Orchester NiederösterreichMusikverein, Großer Saal, 28.10.,19.30 Uhr

Sven Birch, Klavier, Alte Schmiede, 3.11., 16.30 Uhr

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Lontano (1967), Olga Neuwirth: Remnants of songs ... an Amphigory / Konzert für Viola und Orchester (2009), Bernhard Gander: dirty angel (2010), György Ligeti: Atmosphères (1961). Konzerthaus, Großer Saal, Mo 5.11., 19.30Pulsinger/Fennesz Patrick Pulsinger (Remote Modular/Electronics), Christian Fennesz (E-Gitarre/electronic devices) Patrick Pulsinger, Christian Fen-nesz: In Four Parts. Inspiriert von John Cages String Quartet in Four Parts UA. Konzerthaus, Berio-Saal, Fr 26.10., 20.30Talea Ensemble, James Baker Olga Neuwirth: incidendo/fluido (2000), In Nacht und Eis für Fagott, Violoncello mit Ringmodulator (2006), … ad auras … in memoriam H. (1999), Akroate Hadal (1995), torsion: transparent variation. Konzerthaus, Berio-Saal, So 4.11., 17.30Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Brad Lubman Emanuele Acriuli (Klavier) Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich kooperiert mit Wien Modern und spielt in diesem Konzert ausschließlich Neue Musik. Elliott Carter: Partita für großes Orches-ter (Sum fluxae spei / Symphonisches Tryptichon Teil 1) (1993–1996), John Cage: Konzert für präpariertes Klavier und Kammerorchester, Augusta Read Tho-mas: Helios Choros I (Helios Choros / Ein Triptychon für großes Ochester) (2006), Jay Schwartz: Music for Orchestra II (2010). Musikverein, Großer Saal, So 28.10., 19.30Watts/Krafft Andrew Watts (Countertenor), Volker Krafft (Klavier) John Cage: A Flower (1950) für Stimme und geschlossenes Klavier, Judith Weir: The Voice of Desire (2003) für Countertenor und Klavier, Raymond Yiu: A Whorl of Knowings Dim and Bright (2004) für Countertenor, Wolfgang Fortner: Shakespeare-Songs für mittlere Stimme und Klavier (1946), Torsten Rasch: Ferdinand dreams (vier Songs aus: The Duchess of Malfi) für Countertenor und Klavier (UA der bearbeiteten Fassung); John Cage: The Wonderful Widow of Eighteen Springs (1942) für Stimme und geschlossenes Klavier, Aribert Reimann: Fünf Lieder nach Gedichten von Paul Celan (1960) für Countertenor und Klavier, David Bedford: Thirst for Shadows für Countertenor, Olga Neuwirth: Tintarella di luna, cold songs für Stimme und Klavier (2005) nach Texten von Michelangelo Buonarotti, Giacomo Leopardi und Sappho (UA der Fassung für Counter-tenor), Thomas Adès: Life Story op. 8a (1994) für Countertenor und Klavier. Casino Baumgarten, Mi 24.10., 19.30Wien Modern StudioNACHT I–IV An vier Aben-den bespielt Tingel Tangel die ehrwürdigen Räume des Cafés mit ausgesuchten Beispielen musikalischer Sammlerstücke. Café Heumarkt, Fr 26.10., 2.11., 9.11., 16.11., 22.00Wie Wir Wollen – all night long Phace (D: Simeon Pironkoff ), Jean-Bernard Matter (Dirigent), Pia Palme & Gina Mattiello (Künstlerische Leitung e_may), Sylvia Wendrock (Wissenschaftliche Beratung), Ruth Ranacher (Assistenz), Reinhard Fuchs & Simeon Pironkoff (Künstlerische Leitung Phace), Christina Bauer & Alfred Reiter (Klangregie); Koproduktion von Wien Modern, e_may und dem Palais Kabelwerk, in Zusammenarbeit mit Phace. Anne La Berge: Swamp für drei Musikerinnen und Filmprojektor, Elisabeth Schimana: Virus #2 für Elektronik, zwei Schlagwerke und fünf Blechblasin strumente (UA, Auftragswerk e_may), Luna Alcalay: A Game for Two für zwei Schlag-werke, Verwobene Pfade – verlorene Wege, neues

Wien Modern 12Klangforum Wien, Beat Furrer Bernhard Zachhu-ber (Klarinette), Andreas Lindenbaum (Violoncello), Joonas Ahonen (Klavier), Eva Furrer (Flöte), Uli Fussenegger (Kontrabass) Den diesjährigen Erste-Bank-Kompositionspreis erhielt Beat Furrer, der das Konzert mit anderen Werken von ihm auch selber dirigiert. Beat Furrer: „Aer“ (1991), „still“ (1998), „ira-arca“ für Bassflöte und Kontrabass (2012, UA, Erste Bank Kompositionspreis), Konzert für Klavier und Orchester (Fassung für Klavier und Ensemble, 2007). Konzerthaus, Mozart-Saal, Sa 3.11., 18.30Klangforum Wien, Jean Bernard Matter Marcelo Toledo: „Luminous Emptiness“ für sieben Instrumente (UA, Auftragswerk Sammlung Essl Privatstiftung). Bustransfer ab Wiener Konzerthaus um 18.30. Schömerhaus, Sa 27.10., 19.30Klangforum Wien, Sian Edwards Peter Böhm, Florian Bogner (Klangregie) Olga Neuwirths „Cons-truction in space“ (2000) ist die Pierre Boulez zum 75. Geburtstag gewidmete Konzertfassung des Film/Musikprojekts „The Long Rain“. Odeon, Di 6.11., 21.00Olga Neuwirth: Music for Films Ein Screening von Kurzfilmen. The Calligrapher (1991), Miramondo Multiplo (2006–2007), No more secrets, no more lies (2005), Disenchanted Time (2005), Canon of Funny Phases (1992), Symphonie Diagonale (2006), Die Schöpfung (2010). Olga Neuwirth bedient sich in ihren Arbeiten immer wieder gestalterischer Mittel des Films wie Montage und Schnitt und geht in der Kombination visueller und auditiver Ebenen weit über das Prinzip des „Vertonens“ hinaus. Konzert-haus, Berio-Saal, So 4.11., 15.00oenm. oesterreichisches ensemble für neue musik, Johannes Kalitzke Ausgewählt von Lothar Knessl. Manuel de Roo (E-Gitarre), Theodor Burkali (Klarinette) Dai Fujikura: Abandoned Time für E-Gitarre und Ensemble (2004–2006), Adriana Hölszky: Wolke und Mond (1996–2006), Veli-Matti Puumala: Ghirlande für Ensemble (1992) EA, Stefan Niculescu: Ison Ia für vierzehn Soloinstrumente (1971–73), Arnulf Hermann: Monströses Lied für Soloklarinette und kleines Ensemble (2007) EA. Es gibt bei Wien Modern immer Lücken, meint Knessl: rumänische Schätze, Girlanden aus Finnland, japani-sches Klangbild und das Lied des Nachbarn – wirklich monströs? – Bleibende Neugier auf die Musik der Welt … Konzerthaus, Berio-Saal, So 11.11., 19.30ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Cor-nelius Meister David Philip Hefti: Changements (2011) EA, Olga Neuwirth: Clinamen/Nodus, (1999), John Cage: Quartets I–VIII for an orchestra of 93 instruments (1976). Konzerthaus, Großer Saal, Fr 9.11., 19.30ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Corne-lius Meister Ausgewählt von Lothar Knessl. Bruno Maderna: Quadrivium (1969), Pierre Boulez: Rituel in memoriam Bruno Maderna (1974–1975). Zwei große Beispiele zum Finale der Knessl-Auswahlen für Wien Modern. Nicht zuletzt kommt hier Bruno Maderna, Komponist, Dirigent und Mentor der Neu-en Musik, zum Zug. Zu aktivieren ist das Vermächtnis jener Komponistengeneration, die nach 1945 der Musik des 20. Jahrhunderts die Zukunft erschlossen hat: die evolutionär stürmischen Jahre. Musikverein, Großer Saal, Fr 16.11., 19.30ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Susanna Mälkki Antoine Tamestit (Viola), Anders Nyqvist (Flü-gelhorn), Krassimir Sterev (Akkordeon) György Ligeti:

Dmitri Kourlianski: Une histoire de la musique (2001)Witold Lutoslawski: Chain I (1983)Vinko Globokar: Eppure si muove (2003)Der Anfang: Von Beginn an mit dabei und jetzt das Jubiläum: zwingender Grund, zu wünschen, ihn zu bitten, zu drängen, ein paar Konzerte zu gestalten. Was wird Lothar Knessl aber liefern? Einen Überblick? Die Großen des Anfangs? Pluralismus? Lieblingswerke? Hat er nicht. Jetzt horcht er ostwärts. Der Wind trägt ihm so manches zu. Ehern gemeißelte Urkraft der Klänge. Elegant gebändigte Aleatorik. – Neugier auf die Buntheit des Donaurau-mes. Und ...?Konzerthaus Berio-Saal, Di 23.10., 19:30 Ensemble intercontemporain, Enno Poppe Iannis Xenakis: „Anaktoria“ (1969), Jonathan Harvey: „Sringara Chaconne“ (2008), Bernhard Gander: „Take nine (for twelve)“ EA, Enno Poppe: „Speicher III–V“ (2012). Konzerthaus, Mozart-Saal, Sa 10.11., 19.30Ensemble Kontrapunkte, Peter Keuschnig Alda Caiello (Mezzosopran) Gerd Kühr: Streifton für Ensemble, Luigi Dallapiccola: Commiato (1972), Gérard Pesson: Récréations françaises / Neun Ba-gatellen für Flöte, Oboe, Klarinette und Streichtrio (1993–1995), Anton Webern: Zwei Lieder für Gesang und acht Instrumente op. 8 (Textautor: Rainer Maria Rilke) (1910), Symphonie op. 21 (1928), Luigi Dallapiccola: Goethe-Lieder für Frauenstimme und drei Klarinetten, Edgard Varèse: Octandre (1923). Musikverein, Brahms-Saal, Di 13.11., 19.30Eröffnung Wien Modern Eröffnungsrede: Armin Thurnher; Klangforum Wien, D: Clement Power, An-drew Watts (Countertenor), Marino Formenti (Klavier), Peter Plessas IEM Graz (Klangregie und Sonifikation „Kloing!“), Peter Böhm & Florian Bogner (Klangre-gie „Hommage à Klaus Nomi“) Olga Neuwirth: „Kloing!“ für computergesteuertes Klavier (CEUS von Bösendorfer), Live-Pianisten und Live-Film (2007–2008), „Hommage à Klaus Nomi – a songplay in nine fits“ (1998–2008). Wien Modern eröffnet seine 25. Ausgabe mit Werken der österreichischen Komponistin Olga Neuwirth, erstmals im Theater an der Wien. Marino Formenti nimmt in „Kloing!“ den Kampf zwischen Mensch und Maschine mit einem computergesteuerten Klavier auf. In der „Hommage à Klaus Nomi“, für Countertenor und kleines En-semble zusammengestellt und arrangiert von Olga Neuwirth, ist Andrew Watts ein „intergalaktischer Pierrot“: „So simple“, „Remember“, „Can’t help it“, „The witch“, „Awake from winter“, „I like to be free“, „Last dance“, „My time“, „Wünsch dir nichts“. Theater an der Wien, Mo 22.10., 19.30Fluxus Ensemble L’art pour l’art. Empfohlen ab zwölf Jahren, in Zusammenarbeit mit der Jeunesse und Wien Modern. Das Percussionensemble L’art pour L’art präsentiert anlässlich des 50. Jubiläums der Flu-xusbewegung einige ausgewählte Kompositionen des Klangtheaters von Arthur Köpcke („Music while you work“), Alison Knowles („Nivea Cream Piece“, 1962), George Maciunas (In memoriam Adriano Olivetti), Mauricio Kagel („Acustica“,1968–1970). Konzerthaus, Mozart-Saal, Di 6.11., 19.00International Contemporary Ensemble, Joyce Ogren Sylvian Cadars (Klangregie), Markus Noisternig (Live-Elektronik) Olga Neuwirth: „locus...doublure...solus“ (Fassung für Klavier und Ensemble) (2001), „... ce qui arrive ...“ (2003–2004). Konzerthaus, Mozart-Saal, Do 8.11., 19.30

Friedrich CerhaBernhard Gander Arditti Quartet

KonzerteAlte Schmiede I Sven Birch (Klavier) John Cage / Ale-xander Stankovski: Sonatas, Interludes and Interven-tions für (un)präpariertes Klavier UA (Auftragswerk von Wien Modern). Alte Schmiede – Kunstverein, Sa 3.11., 16.30Alte Schmiede II Ensemble Wiener Collage Grzegorz Pieniek: „Zeitlupe“ für Sextett UA (Auftragswerk von Wien Modern), Roman Pawollek: „Crisis, Catharsis & Chant“ UA (Auftragswerk), Thomas Wally: „Caprice“ (2009), Martin Kapeller: „Siebenhundertundzwei-undsechzig Rosenknospen. Kleine Hausmusik“ für Klarinette (Bassklarinette), Viola und Kontrabass UA (Auftragswerk), Julia Purgina: „1:3:1“ für Klarinette, Akkordeon, Violine, Viola und Violoncello (2011), Bernd Richard Deutsch: Variationen für Klarinette, Akkordeon, Violine, Viola und Kontrabass (2006). Next Generation: Ausgehend von der nicht alltägli-chen Besetzung der Variationen von Bernd Richard Deutsch haben drei junge Komponisten zugesagt, Uraufführungen beizusteuern: Martin Kapeller, Roman Pawollek und Grzegorz Pieniek schrieben im Auftrag von Wien Modern Werke für Klarinette, Violine, Bratsche, Cello, Kontrabass und Akkordeon. Alte Schmiede – Kunstverein, Sa 10.11., 16.30Alte Schmiede III Yaron Deutsch (E-Gitarre), Kras-simir Sterev (Akkordeon) Franck Bedrossian: Neues Werk für Akkordeon und E-Gitarre UA (Auftragswerk von Wien Modern), Fausto Romitelli: „Trash TV trance“ (2002), Clemens Gadenstätter: bodies – ICONOSONICS II (2009–2010). Alte Schmiede – Kunstverein, So 11.11., 16.30Arditti Quartet Ausgewählt von Lothar Knessl. Gy-örgy Kurtág: Hommage à Mihály András / Zwölf Mik-roludien op. 13 für Streichquartett, Georg Friedrich Haas: Streichquartett Nr. 2, Bernd Richard Deutsch: Streichquartett Nr. 2 (2012) UA (Auftragswerk von Wien Modern), Luigi Nono: Fragmente – Stille, An Diotima für Streichquartett. Lothar Knessl will niemand bevorzugen. Aber manche Komponisten stehen ihm näher. Konzerthaus, Mozart-Saal, Fr 2.11., 19.00Friedrich Cerha: Orgelwerke Martin Haselböck (Orgel), Gordon Murray (Cembalo) und Student_innen von Martin Haselböck, Pier Domiano Peretti und Roman Summereder Friedrich Cerha: Neun Präludien für Orgel UA, Johann Sebastian Bach: Fünfzehn zweistimmige Inventionen BWV 772 – BWV 786 (Auszüge), Fünfzehn dreistimmige Sinfonien BWV 787 – BWV 801 (Auszüge), Friedrich Cerha: Neun Inventionen für Orgel UA. Kirche St. Ursula, Do 15.11., 19.30Coincidentia Oppositorum Limpe Fuchs (Schlag-werk, akustisches Klangmaterial), Brunnenchor (Dirigent: Michael Fischer), Caroline Profanter, Daniel Lercher, Richard Bruzek, Stefan Fraunberger, Vinzenz Schwab (Elektronik) Auf dem Programm steht eine „Instant-Komposition“ aller Beteiligten. Limpe Fuchs mit ihrem skulpturalen Instrumentarium trifft auf Mehrkanal-Live-Elektronik. Als Verbindungs-element zwischen diesen Klangwelten fungiert die menschliche Stimme in ihrer Gegenwart. Eine Koproduktion von Wien Modern mit Brunnenpassa-ge. Brunnenpassage, Mi 14.11., 19.30die reihe Peter Keuschnig, Dirigent; Daniel Riegler Dirigent/Posaune; Mauricio Kagel: Nordosten (Die Stücke der Windrose) Galina Ustwolskaja: Compositi-on I «Dona nobis pacem» (1970-1971)

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W i e n M o d e r n 1 2 F A L T E R 4 2 / 1 2 13Wien Modern Tipps

Werk für Streichquintett (UA, Auftragswerk e_may), Tamara Friebel: „… I’m out of breath … all for you“ für eine Zirkusartistin/hula hooper, Stimme, Tamtam, Akkordeon, Live-Elektronik mit Messingfolie und Objet trouvé (UA Neue Fassung), Elisabeth Harnik: Performanz für Klavier, Skulptur und Video (2012) UA, „floating shadows on flatland“ für Saxofon, Violoncello und Kontrabass (2012), (Auftragswerk Phace und Klangspuren), Joanna Wozny: diffraction courses (2012) UA, Liza Lim: Ochred String (2008), Electric Indigo: Chiffres für Computer und 5 diskrete Kanäle (UA), Tamara Wilhelm & Caroline Profanter: offshore soundings 0.0.0.2 für No-input Mixer und einfachste Oszillatoren (UA), Olga Neuwirth: Quasare/Pulsare (1995–1996) für Violine und Klavier, Rebecca Saunders: The Under-Side of Green für Klarinette, Violine und Klavier, Pia Palme: Bare Branches – weltliches Requiem und Raumanordnung (2012) UA, Giuliano Obici, Klaus Karlbauer: Der übergangene Mensch (Filmprolog zur gleichnamigen Oper von Luna Alcalay), Susanne Kirchmayr: Chiffres (2012) UA. Palais Kabelwerk, Do 25.10., 19.30Wie Wir Wollen – all night long CLUB meets AVANTGARDE Electric Indigo (Computer), Burkhard Stangl (Gitarre / Elektronik), Gernot Tutner (Heavy Dope Beats), Elisabeth Schminana (digitaler Rosengarten), Norbert Math (Bildprogrammie-rung/Live-Projektion), Irradiation (Elektronische Mehrkanal-Inszenierung), Thomas Wagensommerer (visuelle Interpretation) u.a. Electric Indigo, Burkhard Stangl: impromptu électronique UA, Gernot Tutner, Elisabeth Schimana, Norberth Math: Dope Beat Rosengarten, Irradiation, Thomas Wagensommerer: Patterns of Symmetry Beaking, Jorge Sánchez-Choing aka JSX, Martin Siewert: sprl2. Nächtliche Zwischenwelten mit kompositorischem Kalkül und Improvisation zwischen E-Musik und Elektronik. Sitzend, tanzend oder auf Matten am Boden liegend, kann das Publikum bis in den frühen Morgen im Palais Kabelwerk verweilen: Silent Break & Breakfast. Palais Kabelwerk, Do 25.10., 23.50

Musiktheater und TanzDschungel Wien Modern: Das Kind der See-hundfrau Für Kinder ab 8 Jahren. Musik von Jesse Broekman ÖE von Sophie Kassies (Übersetzung Eva Maria Pieper), R: Sara Ostertag, Ausstattung: Nanna Neudeck, Christian Schlechter, Birgit Kellner, Choreo-grafie: Katrin Blantar, Dramaturgie: Maria Tunner, Pro-duktionsleitung: Julia Wiggers; Mit Michèle Rohrbach, Simon Dietersdorfer (Darstellung), Anna Clare Hauf (Stimme), Jelena Poprzan (Viola), Maja Osojnik (Flöte), Mona Matbou Riahi (Klarinette) Zwei Schauspielerin-nen, eine Sängerin und drei Musiker_innen, umhüllt von einem flirrenden Klangteppich aus Liedern, Sprechgesängen, Soundelementen und einer knar-renden Eisscholle erzählen die zeitlose Geschichte über Liebe, Verlust und Identitätskonstruktionen. Eine Szenerie über das Kindsein, Beziehungen und die zerstörerische und leidenschaftliche Kraft der Sinnlichkeit für Klein und Groß. Koproduktion von Wien Modern, Dschungel Wien und makemake Pro-duktionen Dschungel Wien, Saal 1, Di 13.11., 10.30, Di 13.11., 18.00, Mi 14.11., 10.30, Mi 14.11., 14.30, Do 15.11., 17.00, Fr 16.11., 17.00, Sa 17.11., 16.00, Sa 17.11., 19.30, So 18.11., 17.00, Mo 19.11., 10.30, Mo 19.11., 14.30

Clemens Gadenstätter Alexander StankovskiSusanna Mälkki

Alle Termine, Tag für Tag, vom 22. Oktober bis zum 16. November

Edenarabeske/AZRAEL Instrumentalensemble, Sänger_innen des Konservatoriums Wien Privatuni-versität, Bühne und Kostüme: Studierende der Klasse für Bühnen- und Filmgestaltung, Universität für ange-wandte Kunst Wien, R: Michael Pinkerton, D: Vinicius Macedo Kattah Zwei zeitgenössische Kammeropern. Wolfgang Liebhart: Edenarabeske / Paradiesisches Kammerspiel (Libretto: Jessica Hujien) UA; Dirk D’Ase: AZRAEL / Tango Oper (Libretto: Silke Hassler, Dirk D’Ase). Konservatorium Wien Privatuniversität, Leonie-Rysanek-Saal, Mo 12.11., 19.30, Di 13.11., 19.30, Mi 14.11., 19.30, Fr 16.11., 19.30grace note (UA) Arturo Fuentes (Idee, Komposition), Chris Haring (Choreografie), Liquid Loft (choreografi-sches Konzept), Luke Baio, Stephanie Cumming, Ian Garside (Tanz, Choreografie), Günter Brus (Bühnenbild), Thomas Jelinek (Licht), Reinhard Fuchs (Dramaturgie), Phace: Berndt Thurner (Percussion), Roland Schueler (Violoncello), Lars Mlekusch (Saxofon), Maximilian Ölz (Kontrabass), Alfred Reiter (Tontechnik) Fünf Essays von Italo Calvino sind thematische Grundlage für die Pro-duktion, in der Phace mit einer Gruppe international renommierter Künstler zusammenarbeitet: Arturo Fuentes, der österreichische Choreograf Chris Haring sowie Günter Brus. In dem spartenübergreifenden Projekt durchdringen einander Visuelles (Perfor-mance), Auditives (akustische Instrumente) und Elekt-ronik zu einer dynamischen Struktur von Reaktion und Interaktion, Klang und Bewegung. Einem Film gleich, in dem es parallele Geschichten und Zeitebenen in einer Erzählung gibt, werden fünf Szenen entworfen, in denen eine Körperbewegung einen klanglichen Rhythmus brechen kann oder ein gezeichneter Strich eine Reihe von neuen Ereignissen bestimmt. Eine Pro-duktion von Phace, in Koproduktion mit Tanzquartier Wien und Wien Modern, in Zusammenarbeit mit dem Institute for Computer Music and Sound Technology Zürich und Liquid Loft, mit Unterstützung der Kultur-abteilung der Stadt Wien. Tanzquartier Wien, Halle G, Mi 31.10., 20.30, Do 1.11., 20.30, Fr 2.11., 20.30, Sa 3.11., 20.30

Gespräche und Workshops mica-focus bei Wien Modern Eine Gesprächsrunde u.a. mit Mathias Spahlinger, Thomas Schäfer, Martha Brech, Stephan Wunderlich, Ludger Hofmann-Engl, Thorsten Wagner, Hans Schneider, Dörte Schmidt, Eleonore Büning, Alfred Smudits, Peter Tschmuck, Johannes Kreidler, Curt Cuisine, Barbara Lüneburg, Lothar Knessl, Emilija Jovanovic, Marie-Luise Maintz, Markus Hinterhäuser Neue Musik – heute? Sympo-sium zur aktuellen Situation der Neuen Musik. Das Neue im Neuen: Der auch heute noch spürbare elitä-re Anspruch der Neuen Musik steht immer mehr im Widerspruch zu aktuellen Tendenzen künstlerischen Agierens. So gilt es, die zeitgenössische Kunstmusik im Kontext des heutigen Wertewandels und der technischen, medialen sowie gesellschaftlichen Ver-änderungen zu begreifen, zu hinterfragen und gege-benenfalls neu zu bewerten. Eine Kooperation von Wien Modern, mica – music austria und Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Universität für Musik und darstellende Kunst/ Franz-Liszt-Saal, Di 23.10., 10.00, Mi 24.10., 10.00mica-focus bei Wien Modern Eine Gesprächsrunde u.a. mit Mathias Spahlinger, Thomas Schäfer, Martha Brech, Stephan Wunderlich, Ludger Hofmann-Engl,

Märchen für Groß und Klein mit neuer Musik

E in Inuit-Märchen aus dem hohen Norden: „Das Kind der Seehund-

frau“ erzählt die traurig-schöne Ge-schichte von einem einsamen Eskimo, der einst einem wunderschönen See-hundmädchen das Fell gestohlen hat-te, wie dieses Mädchen mit ihm ge-gangen ist, wie sie sich geliebt haben und für einige Zeit glücklich waren. Aber ein Sohn ist auch da, und der Frau geht es immer schlechter. Was tun? Anschauen, was eine neue Mu-sik aus dem Stück gemacht hat und wie zwei Schauspieler, eine Sängerin und eine kleine Musikband das Pro-blem mit Musik, Stimme und Tanz lö-sen. Bei Regisseurin Sara Ostertag, die im vergangenen Jahr bereits „Momo“ inszenierte, soll Klang tragendes Ele-ment werden. Und Lieder, Sprechge-sänge, Soundelemente und eine knar-rende Eisscholle.Dschungel Wien von 11. bis 23.11.

Ausgerechnet Lothar Knessl. Wer sonst?

Z usammen mit Claudio Abbado be-gründete der Redakteur, der als

Radiostimme seit 1967 im „Studio Neuer Musik“ aus Warschau und Do-naueschingen berichtete, das Festival Wien Modern. Der als Pressesekretär ein halbes Dutzend Staatsoperndirek-toren überdauerte, erwirkte dort 1988 gleich einmal einen Opernauftrag für Beat Furrer. 25 Jahre später musste er nun die Programme unter dem Motto „Ausgewählt von Lothar Knessl“ zu-sammenstellen. Die Auswahl fiel ihm nicht leicht, aber sie ist überraschend geworden. Ja, es fehlt noch was, fin-det Knessl und lässt außer Galina Ust-wolskaja auch Dmitri Kourliandski aufführen (kennt den jemand?), bit-tet natürlich das Arditti Quartet, Lu-igi Nono zu spielen, aber auch Kur-tág, Haas und Bernd Richard Deutsch. Das fünfte Konzert der Auswahl ist ein Orchesterkonzert mit dem RSO Wien, da hat Knessl um ein Werk Bru-no Madernas gebeten und gleich noch um das diesem gewidmete „Rituel in memoriam“ von Pierre Boulez.Konzerthaus, Berio-Saal 23.10., 11.11., 19.30 Uhr, Mozartsaal 2.11., 19.30 Uhr, Musikverein, Brahmssaal 13.11., 19.30 Uhr, Großer Saal 16.11., 19.30 Uhr

Thorsten Wagner, Hans Schneider, Dörte Schmidt, Ele-onore Büning, Alfred Smudits, Peter Tschmuck, Johan-nes Kreidler, Curt Cuisine, Barbara Lüneburg, Lothar Knessl, Emilija Jovanovic, Marie-Luise Maintz, Markus Hinterhäuser Neue Musik – heute? Palais Kabelwerk ARTspace, Do 25.10., 14.00, Fr 26.10., 10.00Studio neue Orgelmusik: Gespräch mit Fried-rich Cerha und Studierenden des Instituts für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der Universität f. Musik und darstellende Kunst. Kirche St. Ursula, Do 15.11., 15.00Symposion Wien Modern U.a. mit Peter An-draschke, Katharina Bleier, Stefan Drees, Constantin Floros, Daniel Ender, Elisabeth Haas, Hartmut Krones, Manfred Wagner, Annette Kreutzinger-Herr, Eero Tarasti. Botschaften des Klanges: Das bereits zur Tradition gewordene Symposium Wien Modern in Zusammenarbeit mit dem Institut für musikalische Stilforschung der Universität für Musik und darstel-lende Kunst Wien setzt sich in seiner 24. Ausgabe mit der Frage „Neue Musik als weltanschauliche Botschaft“ auseinander. Universität für Musik und darstellende Kunst / Rennweg, Mo 12.11., 10.00, Di 13.11., 10.00Wie klingt der Vampirtintenfisch? Ein Film-Musik-Workshop Workshop mit Axel Petri-Preis für Schulklassen (Anmeldung: [email protected]) Umgeben von den Klangwelten von Olga Neuwirths „Vampyrotheone“ beginnt die Suche nach den unheimlichen und skurrilen Klängen des geheimnis-vollen Wesens „vampyrotheutis infernalis“ auf den ei-genen Instrumenten. In der bewussten Kombination mit dem Denkansatz von John Cage („alle Klänge sind sinnvoll“) werden auch die klanglichen Möglichkei-ten der eigenen Stimme und des Körpers erforscht. Konzerthaus Schönbergsaal, Mi 24.10., 9.00, Di 30.10., 9.00, Mi 31.10., 9.00, Mi 7.11., 9.00Wien Modern: Im Gespräch Axel Petri-Preis (Mode-ration, Konzept), Cornelius Meister, Patrick Pulsinger, Alexander Stankovski, Christian Scheib Konzerthaus, Wotruba-Salon, Fr 9.11., 18.00Wien Modern: Im Gespräch (Olga Neuwirth) Claus Philipp, Olga Neuwirth Konzerthaus, Wotruba-Salon, So 4.11., 16.45Edenarabeske/AZRAEL Einführungsgespräch Zwei zeitgenössische Kammeropern. Wolfgang Lieb-hart: Edenarabeske / Paradiesisches Kammerspiel (Libretto: Jessica Hujien) UA; Dirk D’Ase: AZRAEL / Tango Oper (Libretto: Silke Hassler, Dirk D’Ase). Kon-servatorium Wien Privatuniversität, Mo 12.11., 18.30Edenarabeske/AZRAEL: Vorträge der Kompo-nisten Zum Entstehungsprozess der Kammeropern Zwei zeitgenössische Kammeropern. Wolfgang Lieb-hart: Edenarabeske / Paradiesisches Kammerspiel (Libretto: Jessica Hujien) UA; Dirk D’Ase: AZRAEL / Tango Oper (Libretto: Silke Hassler, Dirk D’Ase). Kon-servatorium Wien Privatuniversität, Fr 16.11., 15.00grace note – Einführungsgespräch Arturo Fuentes (Musik), Günter Brus (Bühnenbild), Chris Haring (Cho-reografie), Moderation: Felicitas Thun-Hohenstein Tanzquartier Wien, Studios, Mi 31.10., 19.45, Do 1.11., 19.45, Fr 2.11., 19.45, Sa 3.11., 19.45grace note – Künstlergespräch Mit Arturo Fuentes (Musik), Günter Brus (Bühnenbild), Chris Haring (Cho-reografie), Moderation: Felicitas Thun-Hohenstein Tanzquartier Wien, Halle G, Do 1.11., 22.00Roundtable zur Zukunft der zeitgenössischen Oper Konservatorium Wien Privatuniversität, Fr 16.11., 16.30

Rohrbach, Dietersdorfer, Hauf

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Das Klangnetz überspannt die StadtFestival ist überall – nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in der Vorstadt und außerhalb von Wien

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6 Casino Baumgarten 14., Linzer Straße 297, www.casinobaumgarten.at Die exzellente Akustik im einstmals legendären Pla� en-Aufnahmestudio von Friedrich Gulda, Helmut Qualtinger, Fa� y George, Georg Kreisler & Co ist Austragungsort für den Countertenor Andrew Wa� s, der dort mit seiner Stimme nicht nur Olga Neuwirths Neufassung ihrer „cold songs“ nach Texten von Michelangelo Buonaro� i , Giacomo Leopardi und Sappho urauff ühren wird, sondern auch John Cage, Wolfgang Fortner, Judith Weir, Aribert Reimann und andere.

7 Charim Galerie 1., Dorotheergasse12/1, www.charimgalerie.at Mi� en im Zentrum lagern in dieser Galerie breite Bestände von Arbeiten des Wiener Akti-onismus (O� o Muehl, Günter Brus, Hermann Nitsch). Da sie auch Erstgalerie von VALIE EXPORT, einer herausragenden Künstlerin der österreichischen Nachkriegsavantgarde, ist, zeigt sie am Ende von Wien Modern eine zum Festival passende Ausstellung: Zu einer der zwei fotografi schen Serien von Olga Neuwirth hat Elfriede Jelinek einen Text verfasst, der von ihr und Sophie Rois eingelesen und von Olga Neuwirth zu einem Video montiert wurde. VALIE EXPORT präsentiert ihre Videoinstallati-on „Die Macht der Sprache“.

8 Dschungel Wien 7., MQ, Museumsplatz 1, www.dschungelwien.at Situiert im Museumsquartier, hat das Theater für junges Publikum beim vergangenen Festival mit „Momo“ eine der besten szenischen Musikthea-terauff ührungen (nicht nur) für Kinder ab 8 Jahren gezaubert. Auch heuer inszeniert dort wieder die Regisseurin Sara Ostertag, diesmal „Das Kind der Seehundfrau“. Unter den Musikerinnen fi nden sich die Sängerin Anna Clare Hauf und und die Flötistin Maja Osojnik.

9 Kirche St. Ursula 1., Johannesgasse 8 Die Barockkirche in der Johan-nesgasse gehört zum Kloster der Ursulinen, das das Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der Universität für Musik und darstellende

Kunst beherbergt. Bei Wien Modern konfrontieren die Professoren auf der Orgel und am Cembalo gemeinsam mit Studierenden neueste Inventionen von Friedrich Cerha mit ebensolchen von Johann Sebastian Bach, Cerha hat dafür extra noch neun Präludien komponiert.

10 Konservatorium Wien Privatuniversität 1., Johannesgasse 4A, www.konservatorium-wien.ac.at Die „KONSuni“ macht sich für gute Ausbildung in allen Genres der neuen Musik und des Musiktheaters stark und ist wie ihre „Konkurrentin“, die Musikuni, immer sehr aktiv als Veranstalterin. Für zwei Kammeropern österreichischer Komponisten kooperiert sie diesmal auch mit einer Universität, nämlich der für angewandte Kunst.

11 Palais Kabelwerk 12., Oswaldgasse 35A, www.palaiskabelwerk.at Hier fi ndet bis in den frühen Morgen ein „All night long“-Marathon mit Musik sta� , der von Pia Palme und Gina Ma� iello organisiert wird.

12 Schömer-Haus Aufeldstraße 17–23,3400 Klosterneuburg, www.esslmuseum.at Neben Bürogebäude ist das von Heinz Tesar erbaute Haus mit drei Emporen in off ener Architektur auch Konzert- und Ausstellungshalle der Samm-lung Essl. Das Klangforum Wien füllt es am 27.10. mit „Luminous Emptiness“.

13 Odeon 2., Taborstraße 10, www.odeon-theater.at Ausgerechnet im traditionsrei-chen Saal der Getreidebörse am Anfang der Taborstraße im zweiten Bezirk lässt das Klangforum Wien mit der Konzertfassung von „The Long Rain“ von Olga Neuwirth den Regen prasseln. Da werden die beiden Klangregisseure alle Hände voll zu tun haben, um eine live-elektronische „Construction in Space“ hinzukriegen.

14 Tanzquartier Wien 7., MQ, Museumsplatz 1, www.tqw.at In einer der europaweit führenden Institutionen für zeitgenössischen Tanz und Performance im Museums-quartier fi ndet „grace note“, eine transdisziplinäre Arbeit des Komponisten Arturo Fuentes, des Choreografen Chris Haring und des Künstlers (als Bühnenbildner) Günter Brus viermal ab 31.10. seine Auff ührungen.

15 Theater an der Wien 6., Linke Wienzeile 6, www.theater-wien.at Die traditionsreiche Bühne am Naschmarkt, Wiens „dri� es“ Opernhaus, bietet heuer den Raum für das Eröff nungskon-zert mit Andrew Wa� s, Marino Formenti, dem Klangforum Wien und natürlich Werken der „Hauptkomponistin“ bei Wien Modern. Eine Eröff nungsrede gibt’s zuvor auch.

16 Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Konzert-saal am Rennweg 3., Rennweg 8, www.mdw.ac.at Ob es „Neue Musik als weltanschauliche Botscha� “ gibt, fragt das zur Tradition gewordene Symposion Wien Modern in Kooperation mit dem Institut für musikalische Stilforschung am 12. und 13.11. Alle, die wollen, können den Referenten und Diskussionen bei freiem Eintri� zuhören. Oder sich zu Wort melden.

17/11 Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Franz-Liszt-Saal 3., Lothringerstraße 13, www.mdw.ac.at12., Oswaldgasse 35A, www.palaiskabelwerk.at

Noch ein Symposion, an der Musik-Universität in der Lothringerstraße, ist der „mica focus“ zum Thema „Neue Mu-sik – heute?“ mit interessanten Referenten. Der Eintri� ist frei, und da die Fragen zu aktuellen Situation Neuer Musik an den beiden ersten Tagen nicht alle beantwortet sein dür� en, übersiedelt man am 25. und 26. Oktober ins Palais Kabelwerk.

1 Wiener Konzerthaus 3., Lothringerstraße 20, www.konzerthaus.at Errichtet 1913, war das Konzerthaus von Anfang an auch als ein Ort für zeitgenös-sische Musik konzipiert. Dort gab es nach 1945 über 1600 Urauff ührungen. Es wurde das „Stammhaus“ von Wien Modern, als das Festival ge-gründet wurde. Unter den drei traditionellen Konzertsälen ist neben dem Großen und dem Schubert-Saal der Mozart-Saal

Festival Wien Modern und setzt damit weiterhin Akzente im zeitgenössischen Musikleben. Schauplatz großer Orchester-projekte ist dabei der Große Musikvereinssaal, während im Brahms-Saal Kammermusik- und Ensemblekonzerte von Wien Modern sta� fi nden. Die neuen Säle unter der Erde bieten immer mehr auch Platz für Zeitgenössisches. Im gläsernen spielte bei Wien Modern schon einmal Irvine Ardi� i Sologeigenmusik von John Cage, Berio & Co.

3 Alte Schmiede 1., Schönlaterngasse 9, www.alte-schmiede.at Bei freiem Eintri� gibt es in der Alten Schmiede neben Literatur übers ganze Jahr Veranstaltungen zeitgenös-sischer Musik erster Güte, derzeit vor allem kuratiert vom Komponisten Gerald Resch. Bei Wien Modern gibt’s das Neueste vom Neuen. Etwa John Cage neu gedacht von Alexander Stankovski (3.11.), und andere Urauff ührungen.

4 Brunnenpassage 16., Brunnengasse 71/Yppenplatz, www.brunnenpassage.at Das ist der Brunnenmarkt Neu-O� akring mit Multikulti-Vielfalt am Yppenplatz. Heuer trommelt dort Limpe Fuchs mit Gleichgesinnten und dem Brunnenchor ein Wien-Modern-Programm mit Mehrkanal-Elektronik und lateinischem Titel (dort ist’s ja multikulturell): „Coincidentia oppositorum“ (14.11.).

5 Café Heumarkt 3., Am Heumarkt 15 Das traditionsreiche Café mit schützenswertem Lokalkolorit war immer schon beliebter Warte- und Après-Ort für Kom-ponisten und Musikfreunde in der Nähe des Konzerthauses, es ist Wien-Modern-„Lounge“ und fungiert als Wien-Modern-Bibliothek, wo es auch heuer Tingel-Tangel-Studionächte mit musikalischen Sammlerstücken gibt.

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B I A N C A T S C H A I K N E R

der von der Akustik her beste Saal der Stadt für Kammermu-sik. Auch der neuere Berio-Saal bietet für Experimentelles und Neues optimale Bedingungen. Etwa für Pulsinger & Fennesz (26.10.).

2 Musikverein 1., Musikvereinsplatz 1, www.musikverein.at Seit 1988 veranstaltet der traditionsreiche Musikverein gemeinsam mit dem Wiener Konzerthaus das

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„100 Jahre wäre Pilzkenner John Cage geworden, und man hätte es ihm wohl kaum angemerkt, wäre er noch da …“

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Tricholomopsis rutilans!Über den Zusammenhang zwischen Neuer Musik und Pilzkennerschaft am Beispiel John Cages und andererW a l d g a N g :

S v e N H a r t B e r g e r

J a, was ich sagen wollte: Tricholomopsis rutilans eben. Oder eigentlich: Tricholo-mopsis rutilans! Und das wäre eigent-

lich auch schon alles, was zum Thema ab-schließend zu sagen wäre. Man wird verste-hen. John Cage, jedenfalls, hätte verstanden. Und nicht nur, ja nicht einmal in erster Li-nie in seiner Eigenschaft als ausgewiesener Pilzkenner, sondern hauptsächlich in seiner Eigenschaft als Musiker. Musik als ein Weg gemeinschaftlichen Verstehens, ohne Wor-te, natürlich, aber auch ohne eine erklären-de oder ordnende Instanz, die zu sein er als Komponist nach Kräften verweigerte, und daher eben: Tricholomopsis rutilans!

Die nachfolgenden Zeilen sind nur noch als ein Tribut an das allgemeine Verlangen nach Erklärungen und Begründungen zu verstehen, als Gelegenheit, in vielfältiger Weise die Namen der Verehrten und Ge-liebten aufzurufen: der Komponistinnen, Musiker, Musikschriftstellerinnen und ih-rer Pilze.

dass John Cage nicht nur ein Faible für das ge-heimnisvolle Zwischenreich hatte, sondern als veritabler Mykologe bezeichnet werden darf, ist als Faktum ebenso bekannt, wie es unbedeutend wäre, handelte es sich um eine einzelne Doppelbegabung in den Reichen von Musik und Pilzkunde. Nicht genug damit, dass dem nicht so ist, ergibt schon die oberflächlichste Recherche den Befund, dass just das Gegenteil der Fall ist. Wo im-mer man unter Komponisten, Musikerin-nen, Musikschriftstellern und verwandtem Personal vorsichtig nachfragt, trifft man auf Pilzfreunde, um das Mindeste zu sagen.

Dass Friedrich Cerha ein ausgewiese-ner Kenner ist, dürfte bekannt sein. Lo-thar Knessls Expertise versteigt sich bis zu Lackporlingen, die nach seiner beiläufigen Auskunft nicht nur in der chinesischen Me-dizin eine wichtige Rolle spielen, sondern auch an heimischen Baumstämmen zu fin-den seien.

Georg Friedrich Haas (Fachgebiet: Schnecklinge) hat den durch Verehelichung erreichten Zugewinn japanischer Familie auch zur Erweiterung seiner ohnedies be-trächtlichen Kenntnisse um jene der Pil-ze Nippons genutzt. Gerne hört man seine Erzählungen über schmackhafte Täublinge, die entgegen der bekannten Faustregel, wel-che die bedenkenlose Genießbarkeit wohl-schmeckender Exemplare der Gattung be-sagt, schwerst giftig sein sollen. Olga Neu-wirth wiegelt ein bisschen ab (wenig glaub-würdig) und verweist wegen ihrer nicht bestreitbaren Bildung in Pilzfragen einer-seits auf ihre Herkunft aus Waldnähe, an-dererseits auf ihren Onkel, Gösta Neuwirth, der nun freilich zu den notorischen Pilzge-lehrten unter den Komponisten zählt.

Ernst Kovacic wiederum gehört ebenfalls zur Gruppe derer, die ihr Fachwissen ger-ne kleinreden, geradeso wie Klaus Lang, der seine Behausung im natürlichen Ha-

bitat der Waldbewohner als gleichsam na-turgegebenen Grund einer indigenen Sach-kenntnis angibt. Beide erwecken nicht den Eindruck, als wüssten sie nicht jederzeit ei-nen Parasol von seinem Verwandten, dem Safranschirmling, auf den ersten Blick zu unterscheiden.

Nämliches trifft auch auf Bernhard Zach-huber (Klarinette, Klangforum Wien) und seine Frau, Bärbel Bellinghausen (Geigen-bauerin), zu, die zur Herbsteszeit gerne mit einem bunten Bouquet apokrypher Spei-sepilze überraschen, von welchem sie vor-geben, sie würden ihre Bestimmungskräfte übersteigen. Das Menü, welches Una Abra-ham im Frühherbst 2009 in ihrem Restau-rant in der Wiener Burggasse daraus hat zu-bereiten lassen, ist den Teilnehmern der Ta-felrunde bis heute unvergessen. Klaus Stef-fes-Holländer (Klavier/ensemble recherche) wiederum ist sich seiner Sache so sicher, dass er nicht immer ganz genau hinsieht: Er gehört zum sehr exklusiven Kreis der Er-wählten, welche eine Degustation von Gale-rina marginata überlebt haben. Der kleine, den Stockschwämmen und Schwefelköpf-chen lästig ähnliche Pilz enthält denselben Giftcocktail wie Amanita phalloides, a.k.a. der Grüne Knollenblätterpilz.

Ja, und da wären wir also wieder, bei Tricho-lomopsis rutilans nämlich, der korrekten botanischen Bezeichnung für den im deut-schen Sprachraum z.B. als Purpurfilziger Holzritterling bekannten Pilz. Über die Fra-ge seiner Genießbarkeit scheiden sich die Geister der Gourmets. Die durchaus wider-sprüchlichen Angaben in den Pilzbüchern kreisen lediglich um die Bewertung des Ge-schmacks, für eine Delikatesse wird er von niemandem gehalten – obwohl er, gut ge-würzt, zu einer ordentlichen Portion Reis durchaus verträglich erscheint –, als giftig wird der fröhlich-bunte Geselle bislang aber auch von niemandem bezeichnet. Bislang ist wichtig.

Der Stand der Kenntnisse ist in ständi-ger Änderung begriffen, und neue setzen sich nur äußerst langsam durch. Das wohl rührendste Beispiel für diesen Befund ist die Geschichte von Paxillus involutus, dem Kahlen Krempling, den die Pilzbücher bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts jeden-falls als genießbar, häufig auch als vorzüg-lichen Speisepilz bezeichnen.

In den späten 1950er-Jahren tauchen dann erste, düstere Andeutungen auf, dass die Art „neuerdings ins Gerede gekommen“ sei oder dass „empfindlichen Personen von ihrem Genuss abgeraten“ werde. Allmählich finden sich Hinweise auf „ernsthafte Kom-plikationen, welche sich nach dem ausgie-bigen Verzehr von Paxillus involutus ein-gestellt haben sollen“, bis hin zu Berichten über vereinzelte Todesfälle, welche „unter Umständen auf seinen wiederholten Ge-nuss zurückzuführen sein könnten“, bis sich schließlich in den späten 1970ern der

Sven Hartberger ist Intendant des Klangforum Wien

Olga Neuwirth „Sie wiegelt ein wenig ab (wenig glaubwürdig)“

Bernhard Zachhuber „Überrascht zur Herbs­teszeit gern mit einem Bouquet apokrypher Speisepilze“

Friedrich Cerha „Dass er ein aus­gewiesener Kenner ist, dürfte bekannt sein“

John Cage „Nicht die einzige Doppelbegabung in Musik und Pilzkunde“

schlichte Vermerk „tödlich giftig“ allgemein durchsetzt.

Damit hätten wir Beobachtungen ge-macht, an die sich unter Nutzung der von John Cage geschätzten I-Ging-Methode zwanglos einige unbewiesene Vermutungen über den Zusammenhang von zeitgenös-sischer Musik und Pilzleidenschaft knüp-fen lassen. Zunächst wären da Melodik und Rhythmik der lateinischen Gattungs- und Artnamen: Tricholomopsis rutilans eben oder Cantherellus infundibuliformis, eine Erscheinungsform des in Westösterreich unter dem Codenamen „Pfifferling“ bekann-ten Eierschwammerls. Auch der Name von Sparassis crispa, der Krausen Glucke, ist eigentlich schon eine Komposition per se, während Lentinellus cochleatus (der Anis-Zähling) zum Kanon zumindest einlädt, wo er nicht überhaupt schon als fertiger solcher betrachtet werden kann.

eine verwandtschaft der nur scheinbar dispa-raten Gebiete liegt auch in der Bedeutung der Empirie für beide. Für die komposito-rische Tätigkeit bedarf das kaum der wei-teren Erklärung. Für die Welt der Pilze ist die Bedeutung von (im konkreten Fall über Jahrzehnte hingehenden) praktischen Ver-suchen am Beispiel des Kahlen Kremplings gezeigt worden. Im Jahr 2000 sind ähnli-che Ergebnisse unfreiwilliger empirischer Forschung in Hinblick auf Tricholoma fla-vovirens, den Grünling, bekanntgeworden, der bis dahin als ausgezeichneter Speise-pilz gegolten hatte. Nach Ansicht franzö-sischer Ärzte sind mehrere Todesfälle auf seinen Genuss zurückzuführen. Vor seinem Verzehr wird seither gewarnt. – Praktische Erfahrung bringt nicht nur in der Musik voran.

Schließlich bleibt noch das hohe Be-harrungsvermögen der Jünger beider frei-en Künste als wichtige Gemeinsamkeit zu erwähnen. Neuen Ansichten, Meinungen, Techniken und Erkenntnissen begegnen Pilzfreunden mit dem gebührenden Miss-trauen („Blödsinn, den Kahlen Krempling hat mein Großvater immer gegessen, und der ist 87 Jahre alt geworden!“). Aber auch unter Musikfreunden wird, zumal in Wien, gerne am Generalverdacht gegen alles Neue festgehalten, und neu bleibt im Reich der Töne und Klänge vieles 100 Jahre lang: In unserer Stadt erscheint aus diesem Grund auch ein Periodikum zur Propagierung Schöner Neuer Musik, in welchem regel-mäßig mit erstaunlichem Variantenreich-tum gegen die Erfindung der Zwölftontech-nik polemisiert wird.

100 Jahre alt wäre auch John Cage heu-er geworden, und man hätte es ihm wohl kaum angemerkt, wäre er noch da. Als Musiker wie als Pilzfreund war er wohl jene Ausnahme, die die Regel bestätigt: „I can’t understand why people are frigh tened of new ideas. I am frightened of the old ones.“ F

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In Four Parts am 26.10., 20.30 Uhr, im Konzerthaus, Berio-Saal

„Ich weiß, dass John Cage Improvisation gehasst hat. Aber ganz ohne wird es bei uns beiden nicht ablaufen“Patrick Pulsinger

Cage auf Elektronik und GitarrenPatrick Pulsinger und Christian Fennesz übersetzen John Cages „String Quartet in Four Parts“ h e l d e n e r z ä h l u n g :

S e b a S t I a n F a S t h u b e r

Dass Wien Modern anlässlich des 100. Geburtstages des modernen Klassikers John Cage diesem heu-

er einen kleinen Schwerpunkt widmet, ver-wundert nicht. Und auch die Tatsache, dass Wiener Musiker aus dem Feld der elektro-nischen Musik gebeten wurden, sich über Cage produktiv Gedanken zu machen, stellt keineswegs eine Überraschung dar. Die Na-men der Beteiligten und die Auswahl des Cage-Stücks, über das sie sich hermachen, hätte man jedoch nicht so ohne weiteres erraten.

Mit Patrick Pulsinger und Christian Fennesz haben sich nämlich zwei Titanen des hie-sigen Elektroniksounds zusammengetan, um Cage auf ihre Weise zu würdigen. Auf den ersten Blick machen die beiden Herren höchst unterschiedliche Dinge: Pulsinger ist spezialisiert auf undogmatische Tech-nogrooves und zwischen Soundforschung und Jazzanleihen stets auf der Suche nach klanglichen Kicks, die das Musikerleben für ihn selber spannend halten. Wo der ge-bürtige Ostdeutsche Pulsinger immer ein bisschen auf der Flucht zu sein scheint, ist der aus dem Burgenland stammende Fen-nesz Meister seines ureigenen, auf Bear-beitungen und Schichtungen von Gitarren-klängen aufbauenden Sounds, den er seit vielen Jahren immer weiter verfeinert und verdichtet.

Respekt voreinander bewiesen die beiden Produzenten bereits, als Fennesz zuletzt auf Pulsingers Album „Impassive Skies“ (2010) an zwei Stücken mitwirkte. „Wir wollten schon lange was Größeres gemein-

sam machen“, erzählt Pulsinger. „Aber wir schaffen es nur extrem selten, uns zu tref-fen.“ Die Zeitpläne sind schuld: Während er ein Studio betreibt und ein gefragter Mann in Sachen Mastering ist, befindet sich Fen-nesz häufig auf Tournee.

beim durchhören von Cage-Stücken erwies sich die aus dem Jahr 1950 datierende Komposi-tion „String Quartet in Four Parts“ als be-sonders reizvoll, auch wenn es nicht unbe-dingt die naheliegendste Wahl ist. Warum keine Zufallskomposition? „Weil wir es uns nicht leicht machen wollten“, sagt Pulsin-ger. „Wir wollten auch keinen Remix oder eine bloße Interpretation machen, das ist schon unsere eigene, vom ,Quartet‘ ausge-hende Komposition, die wir da spielen wer-den.“ Cage hat stets sehr genaue Partituren angefertigt. Wie gehen die Musiker damit um? „Die Partituren waren sehr genau, aber er hat den Musikern auch immer Freihei-ten gelassen. Tempo zum Beispiel war ihm weniger wichtig.“

Fennesz und Pulsinger geht es in ihrer Arbeit nicht so sehr darum, einen intellek-tuellen Kommentar zu Cage abzugeben, sondern die Komposition gefühlsmäßig stimmig in die Gegenwart und auf ihr Ins-trumentarium zu übertragen: „Man soll das Gefühl des Originalstücks erkennen. Dieses Gefühl oder, wenn man so will, den Geist de Stücks wollen wir konservieren.“

„String Quartet in Four Parts“, das Cage 1949 in Paris begann und im Jahr darauf in New York abschloss, zählt zu seinen letz-ten Werken, die nicht aleatorisch kompo-niert waren. Beeinflusst von indischer Phi-losophie, stehen die vier Teile des Quar-tetts für die vier Jahreszeiten und dafür, wie sie in Indien wahrgenommen werden. Der

Sommer trägt den Zusatz „quietly flowing along“, der Herbst „slowly rocking“, der Winter „nearly stationary“, das Frühjahr „quodlibet“.

Wie das im Original recht ruhig und pha-senweise regelrecht zart tönende Stück mit Gitarre (samt diversen Effektgeräten) und Synthesizern gespielt klingen mag, kann man sich ohne entsprechende Hörproben allerdings nur schwer vorstellen. „Wir haben bei den ersten Proben bemerkt, dass es sehr gut geht“, beruhigt Patrick Pulsinger. „Wenn man genau hinhört, merkt man auch, dass das ,Quartet‘ nicht nur ruhig ist. Da ist die ganze Zeit etwas los. Zumindest zum Teil werden wir die Originalinstrumente über-nehmen. Ich übernehme mit der Elektro-nik die tiefen Lagen, Christian wird zwei Gitarren haben, die als die beiden Geigen fungieren.“ Augenzwinkernder Zusatz: „Ich weiß, dass Cage Improvisation gehasst hat, aber ganz ohne Improvisation wird es bei uns beiden nicht ablaufen.“

nervosität ist Pulsinger im Vorfeld keine an-zumerken, auch wenn zum Zeitpunkt des Gesprächs zwei Wochen vor dem Auftritt noch beileibe nicht das komplette Pro-gramm steht. Es überwiegt die Vorfreude, auch auf den Rahmen: „Der Berio-Saal ist perfekt dafür. Die Leute können sehr gut beobachten, was wir machen. Das ist wie eine Laborsituation. Und wir werden mit Mehrkanalton arbeiten, damit man die ein-zelnen Parts erkennt.“

Eine letzte Frage: Cage gilt vielen als et-was langweilig. Geht es Pulsinger und Fen-nesz auch darum, dieses Vorurteil zu ent-kräften? „In seinem Genre ist Cage Popmu-sik“, winkt Pulsinger ab. „Ich fand ihn nie fad.“ F

Christian Fennesz ist mit seinen

gitarren für die höhen zuständig

Patrick Pulsinger übernimmt mit der elektronik die tiefen lagen

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In „grace note“ spielen drei Tänzer und fünf Musiker zusammen: „Tanz und Musik werden gleichwertig behandelt“

„ Wir sprechen die gleiche Sprache“

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w o l f g a n g K r a l I c e K

Kooperationen von Komponisten mit Choreografen sind zum festen Bestandteil von Wien Modern ge-

worden. In Koproduktion mit dem Wiener Neue-Musik-Ensemble Phace und dem Tanzquartier Wien kommt dieses Jahr die Performance „grace note“ zur Uraufführung, die in enger Zusammenarbeit des Kompo-nisten Arturo Fuentes und des Choreogra-fen Chris Haring entstanden ist.

Inspiriert wurde das Stück von Italo Cal-vinos Buch „Sechs Vorschläge für das neue Jahrtausend“, einer 1988 posthum veröf-fentlichten Vorlesungsreihe, die der italie-nische Schriftsteller (1923–1985) kurz vor seinem Tod im Auftrag der Harvard Uni-versity verfasst hat.

Neben drei Tänzerinnen und Tänzern aus Harings Compagnie Liquid Loft und vier Musikern von Phace wird auch der bil-dende Künstler Günter Brus auf der Büh-ne sein. Brus, einst einer der Protagonisten des Wiener Aktionismus, fungiert als Büh-nenbildner des Abends. Der Falter traf den Komponisten und den Choreografen kurz vor einer Probe zu einem Interview über das ungewöhnliche Projekt „grace note“.

falter: In „grace note“ kommt einiges zusammen: literaturtheoretische Texte von Italo Calvino, Musik von Arturo Fuentes, eine Choreografie von Chris Haring und Kunst von Günter Brus. Was stand denn am Beginn des Projekts?arturo fuentes: Ich bin derzeit Composer in Residence beim Phace-Ensemble, und da haben wir über Projekte für 2012/13 ge-sprochen. Ich schlug vor, zu Calvinos „Sechs Vorschlägen für das neue Jahrtausend“ eine

Der Komponist arturo fuentes und der choreograf chris Haring erklären ihr Musik-Tanz-Projekt „grace note“

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Tanzperformance zu machen. In dem Buch geht es zwar um Literatur, ich fand aber, dass man die „Vorschläge“ auch auf die Mu-sik anwenden könnte. Gleichzeitig dach-te ich dabei schon an Bewegung, an eine Performance.

Das heißt: Die Komposition der Musik war von Anfang an eng mit der Performance verbunden?Chris Haring: Arturo arbeitet sehr stark mit dem Ensemble, er denkt sehr szenisch. Er kam mit seinem Konzept daher, und ich war sofort interessiert. Allein die Titel der Cal-vino-Vorlesungen lesen sich ja wie Bewe-gungsanleitungen: „Leichtigkeit“, „Schnel-ligkeit“, „Genauigkeit“, „Anschaulichkeit“, „Vielschichtigkeit“. Nachdem wir uns bei Liquid Loft schon lange mit der Frage be-schäftigen, was mit dem Körper in der Zu-kunft passiert, war ich sehr gespannt, was sich ein Autor wie Calvino dazu 1985 ge-dacht hat. Er konzentriert sich zwar sehr stark auf Literatur, aber die Texte sind sehr offen.

Inwiefern waren die Texte für Sie als Inspirationsquelle brauchbar?Haring: Wir lassen Themen immer zuerst durch eine Waschmaschine laufen. In die-sem Fall haben wir einmal ein Brainstor-ming gemacht und uns gefragt: Was den-ken wir zu „Leichtigkeit“ oder „Schnel-ligkeit“? Wir haben uns hauptsächlich von den Titeln inspirieren lassen. Calvi-nos „Vorschläge“ sind ja überhaupt nicht konkret.

Wie war das für den Komponisten? Haben Sie Calvino „vertont“?Fuentes: Nein. Für mich haben Begriffe wie „Leichtigkeit“ oder „Anschaulichkeit“ die Qualitäten von Farben. Sie stehen für verschiedene Rhythmen oder Harmonien. An der Zusammenarbeit mit Chris inter-essiert mich, dass es nicht nur Musik al-lein ist. Ich nenne das, was wir da machen, ein „Klangskript“ – und das entwickeln wir zusammen mit den Tänzern. Wir suchen immer eine Verbindung von Körper, Klang und Bühne. Haring: Die drei Tänzer von Liquid Loft, die das umsetzen, sind jene, die immer wie-der mit Sprache, Stimme und Text arbei-ten: Stephanie Cumming, Luke Baio und Ian Garside. Arturo arbeitet sehr assoziativ, so wie wir und auch das Phace-Ensemble. Wir schmeißen sozusagen alles zusammen und schauen, was sich entwickelt.

Gibt es gesprochenen Text?Haring: Ja, aber der läuft eben eher auf die-ser assoziativen Ebene, die Stimme wird als zusätzliches Instrument eingesetzt. Fuentes: Eine narrative Geschichte gibt es nicht, nur punktuelle Ideen, die aber auch eine Linie ergeben. Man sollte das nicht zu konkret machen, finde ich. Wir lesen ja kein Buch, wir sind in einer Live-Perfor-mance! Die Musiker sind zum Beispiel auch voll in die Bühne integriert. Das ist wirk-lich ein Ensemble.Haring: Die Musiker sind auch bei den Pro-ben immer dabei. Wir versuchen, den Tanz und die Musik wirklich gleichberechtigt zu behandeln.

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Zur Person

Arturo Fuentes, geb. 1975 in Mexiko-Stadt, lebt und arbeitet derzeit in Österreich. Er studierte bei Franco Donatoni und Horacio Vaggione und arbeitete am Ircam in Paris, im Experimentalstudio des SWR in Freiburg und am ZKM in Karlsruhe an Projekten, die Instrumentalmusik mit Live-Electronics und anderen Elementen verbinden. Beim Ensemble Phace in Wien ist Fuentes derzeit Composer in Residence

Zur Person

Chris Haring, geb. 1971 in Schattendorf (Burgenland), gehört zu Österreichs interna-tional meistbeachteten Choreografen. 2007 gewann er auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen. Charakteristisch für Harings Arbeit ist die Kooperation mit Künstlern aus anderen Disziplinen, mit seiner Compagnie Liquid Loft arbeitet er derzeit an der Performance-Serie „The Perfect Garden“

grace note 31.10. bis 3.11., 20.30 Uhr, Tanzquar-tier (Halle G)

Heißt das, dass sich die Partitur bei der Probe auch noch verändert?Fuentes: Ja. Es gibt eine durchkomponierte Basis von 70 Minuten, aber darin gibt es Fenster, die offen sind für Neues. Es erge-ben sich bei den Proben immer wieder Mo-mente, an die ich beim Komponieren nie-mals gedacht hätte – die aber perfekt pas-sen. Das verwenden wir dann natürlich. Ich würde das nicht Improvisation nennen, es ist eine Art Artikulationsprozess. Zugleich entspricht es auch dem, was Calvino unter „Leichtigkeit“ versteht.Haring: Bei der Arbeit mit den Musikern kommst du sofort drauf, dass das die glei-che Sprache ist. So wie wir unsere Stücke bauen, wo es um Parameter wie Dynamik oder Lautstärke oder Pausen geht, ist das eigentlich dasselbe wie in der Musik. Da verbindet sich das alles.

Wie würden Sie den Titel „grace note“ übersetzen?Haring: Das ist eine Vorhaltenote.

Was ist das?Fuentes: Eine kleine Note, die die „echte“ Note vorbereitet.Haring: Ein Schnörkel, könnte man sagen. Sie hat nicht die Wichtigkeit wie die Note selbst, sie weist auf die Note hin. Das hat uns gefallen – abgesehen davon, dass es ein sehr poetischer Begriff ist. Die grace note kann nicht alleine stehen. Sie ist ein Vor-schlag des Komponisten, wie es sein könn-te. Sie muss nicht einmal gespielt werden, oder?Fuentes: Man muss sie schon spielen, aber es kann so schnell sein, dass man sie manchmal gar nicht hört. Haring: Am Klavier würde ich dafür den gleichen Finger nehmen und in die Note rutschen.

Spielt der utopische Aspekt eine Rolle? Immerhin macht Calvino ja Vorschläge für eine nahe Zukunft.Haring: Das tut er ja nicht wirklich. Er bie-tet ja nur Lösungsvorschläge aus der Ver-gangenheit an – und versucht Brücken in die Gegenwart zu schlagen. Zum Thema „Geschwindigkeit“ etwa erzählt Calvino eine alte chinesische Geschichte, wo der Kaiser zu einem berühmten Maler sagt: Mal mir eine Krabbe! Und der sagt: „Gut, aber dafür brauche fünf Jahre, zehn Be-dienstete und ein Landhaus.“ Der Kaiser sagt: „Okay, ich vertraue dir, du bist der Künstler.“ Nach fünf Jahren fragt er: „Hast du die Krabbe jetzt fertig?“ Und der Ma-ler sagt: „Nein, ich brauche noch einmal fünf Jahre.“ Als der Kaiser im zehnten Jahr wiederkommt, zeichnet der Maler mit ei-nem Strich die beste Krabbe, die es je ge-geben hat. Geschwindigkeit bedingt in die-sem Fall also auch, sich lange vorzuberei-ten. Diese Diskrepanz versuchen wir aus-

„Ich hatte immer den Eindruck, dass die Arbeit von Chris etwas sehr Musikalisches hat“

zuloten. Was heißt es heutzutage, schnell zu sein? Wie kann man das auf der Büh-ne umsetzen?Fuentes: Das Alltägliche ist für Calvino auch sehr wichtig. Ich glaube, das suchen auch wir immer in dem Stück – es ist abstrakt und ganz alltäglich zugleich. Haring: Deshalb kommen auch unkonven-tionelle Instrumente zum Einsatz wie eine Schreibmaschine oder ein Fahrrad.

An „grace note“ ist noch ein Künstler beteiligt: Günter Brus. Welche Rolle spielt er?Haring: Arturo und Günter wollten schon länger einmal etwas zusammen machen. Jetzt hat sich das einfach einmal ergeben. Brus hat sich in letzter Zeit ja hauptsächlich mit Text beschäftigt, in die Richtung wird wohl auch sein Beitrag zur Performance ge-hen. Und er wird live auf der Bühne sein.

Auf der Besetzungsliste wird er unter „Bühnenbild“ geführt. Ist das irreführend?Haring: Kommt darauf an, was man un-ter dem Begriff versteht. Als wir mit Er-win Wurm gearbeitet haben, bestand das Bühnenbild darin, dass er mit den Tän-zern gearbeitet hat. Der Tänzer selbst war das Bühnenbild. Und auch mit Gün-ter ergibt sich jetzt etwas, was ich bis jetzt noch nicht anders benennen könnte als als „Bühnenbild“.

Herr Fuentes, was haben Sie bisher für Erfahrungen mit Tanz gemacht?Fuentes: „grace note“ ist mein zweites gro-ßes Projekt. Das erste war „Line of Oblivi-on“ vor zwei Jahren in Brüssel, nach einer Geschichte des mexikanischen Autors Car-los Fuentes. Choreografiert hat damals Jo-hanne Saunier. Dieses Stück hat Reinhard Fuchs vom Phace-Ensemble gesehen und gesagt: Wir müssen etwas machen.

Und wie ist das bei Ihnen, Herr Haring? Ist diese Art der Zusammenarbeit eine neue Erfahrung für Sie?Haring: In der Form sicher, weil das ein-fach Superprofis sind. Das ist natürlich ex-trem spannend. Aber ich habe ja selbst Mu-sik studiert, und da wurde die Verbindung von Musik und Bewegung natürlich auch praktiziert. Fuentes: Ich muss auch sagen, dass Chris und seine Tänzer sehr gut verstehen, was Musik und Klang bedeuten.

Wie sind Sie denn überhaupt auf Chris Haring gekommen? Was schätzen Sie an seiner Arbeit?Fuentes: Ich verfolge seine Arbeit schon seit vielen Jahren, und ich hatte immer den Ein-druck, dass das etwas sehr Musikalisches hat. Für mich war das wie inszenierte Mu-sik. Eine sehr feine, raffinierte musikali-sche Welt. Ich bin auch nicht der einzige Musiker, der so über die Arbeit von Chris denkt!

Hat es also doch etwas gebracht, dass Sie Musik studiert haben. Haben Sie das Studium abgeschlossen?Haring: Ja. Ich wäre Musiklehrer geworden, wenn mir der Tanz nicht dazwischengekom-men wäre. Fuentes: Das nächste Mal machst du die Musik, und ich choreografiere! F

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… Electric Indigo für den Ausklang zuständigPia Palme und Gina Matiello

Elisabeth Schimana und Gernot Tutner an Laptop und Mischpult Burkhard Stangl ist gemeinsam mit …

Kabelwerk – der Ort des Geschehens

Frühstück im KabelwerkVom 25. auf 26. Oktober laden e_may und Wien Modern in Kooperation mit dem Palais Kabelwerk zu einem Konzertmarathon. 14 Komponistinnen zeigen, wie vielfältig die heutige Musikszene ist

E I n f ü h r u n G :

M A r I E - T h E r E S E r u d O L P h

Der Spielplan macht kein schönes Bild. Erschreckend wenige Kom-ponistinnen weist die Analyse der

Wien-Modern-Festivals der letzten 24 Jah-re aus. Matthias Lošek wollte das heuer an-ders. Mit der langen Nacht „Wie wir wollen – all night long“ fällt die Statistik in diesem Jahr um einiges erfreulicher aus: 14 Kom-ponistinnen putzen die Bilanz auf, von Ver-treterinnen der jüngeren Generation wie Ta-mara Wilhelm und Caroline Profanter bis hin zur „Grande Dame der österreichischen Komponistinnenszene“ Luna Alcalay, deren Werke viel zu selten zu hören sind.

Sie treten bei Wien Modern im Rahmen einer Kooperation mit der Plattform e_may auf. Seit 2007 gestalten Pia Palme und Gina Mattiello das Festival gleichen Namens. Was als jährliches Festival für Komponis-tinnen mit Elektronikschwerpunkt im Mai begann, hat sich mittlerweile als Plattform

für zeitgenössische komponierte und impro-visierte Musik von Frauen etabliert. Zwar haben in den vergangenen Jahren Kompo-nistinnen vermehrt ihren Platz in den ein-schlägigen Festivalprogrammen gefunden – von Quote ist noch gar nicht die Rede –, aber auch die gezielte Förderung durch das kleine Festival brachte zusätzlich Schwung in die Szene.

Pia Palme, selbst Komponistin und Subbass-blockflötistin, und die Stimmperformerin und Schauspielerin Gina Mattiello mach-ten seit ihrer ersten Ausgabe von e_may Aufträge an Komponistinnen, Musikerin-nen und Performerinnen zum zentralen Ge-staltungselement ihres Programms. Diese neuen Werke sind nie einem Motto unter-stellt, befürworten den Einsatz von Elekt-ronik und richten sich auch an Musikerin-nen und Improvisatorinnen, die bisher noch

nicht als Komponistinnen in Erscheinung getreten sind.

Das Vertrauen in die Kolleginnen hat sich gelohnt und erwies sich auch in der kontinuierlichen Zusammenarbeit über mehrere Jahre mit Protagonistinnen wie etwa den Pianistinnen und Komponistin-nen Elisabeth Harnik und Katharina Kle-ment als höchst fruchtbar. Auch in diesem Jahr sind die beiden mit dabei.

Fand das zumeist zweitägige Festi-val in den ersten Jahren als eigenständi-ge Veranstaltung statt, setzen die Leiterin-nen seit vergangenem Jahr auf Kooperati-onen, etwa mit den Klangspuren Schwaz und dem Moozak Festival und heuer eben erstmals mit Wien Modern im Palais Ka-belwerk. Die professionelle Struktur des re-nommierten Festivals bietet den Organisa-

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torinnen neben erhöhter Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit eine absolute Planungs-freiheit, die sie gemäß ihren Grundsätzen erfüllten.

Neu ist, dass sich das gesamte Angebot im Palais Kabelwerk beim Festival Wien Modern komprimiert an einem Abend und in der anschließenden Nacht abspielt. Durchhaltevermögen und anhaltendes In-teresse seitens des Publikums sind jeden-falls gefragt. Abwechslung versprechen so-wohl die Interpretinnen und Interpreten als auch der Wechsel der Räumlichkeiten von Konzert zu Konzert.

Die künstlerische Zusammenarbeit mit dem Wiener Ensemble Phace, das sich in den letzten Jahren zu einer fixen Größe in der zeitgenössischen Musikszene entwickelt hat, hat sich bewährt, was sich an inter-disziplinären Projekten zeigt. Dementspre-chend finden sich einige Arbeiten mit Vi-deo in diesem Konzertmarathon: So setzen sich Elisabeth Harnik und Hannes Priesch in „Performanz“ für Klavier, Skulptur und Video mit dem gängigen Ritual musika-lischer Aufführungen auseinander, indem sie das Verhalten auf der Bühne im Pub-likum hinterfragen. Oder „Dope Beat Ro-sengarten“, für das Elisabeth Schimana ei-nen klingenden „digitalen Rosengarten“ entwarf, zu dem Norbert Maths visuel-le Umsetzung projiziert wird. Irradiation aka Patricia Enigl zeigt eine Neufassung ih-rer „Patterns of Symmetry Breaking“, eine elektronische Mehrkanal-Inszenierung, die heuer bei den Zehnjahresfeiern des Aust-rian Cultural Forum in New York uraufge-führt wurde.

Pia Palme, die seit einem Jahr bei Liza Lim an der Huddersfield University an einer künstlerischen Dissertation forscht, kompo-nierte „Bare Branches – weltliches Requi-em und Raumanordnung“ für zwei Solo-stimmen, zwei Vokalensembles, Schlagwerk und Elektronik nach einem speziell für die-ses Werk geschriebenen Text der amerika-nischen Dichterin Anne Waldman. Mit der Autorin verbindet Pia Palme eine langjähri-ge Zusammenarbeit, bei der sie Waldmans Texte ganz nach ihren Bedürfnissen verwen-den und dekonstruieren kann.

Wie ihre Kollegin Elisabeth Schimana in ihrer neuen Komposition „Virus #2“ für ei-nen live generierten elektronischen Klang-

körper, zwei Schlagwerker und fünf Blech-blasinstrumente wandte auch Palme eine über Jahre entwickelte Audio-Notationsme-thode an, die unmittelbar auf die Struk-tur des Werks Einfluss nahm. So singen etwa die beiden Chöre nicht nach einer vi-suellen Partitur, sondern angeleitet von ei-ner Audio-Partitur über Kopfhörer. Der Ti-tel „Bare Branches“ („Kahle Zweige“) be-zieht sich auf den Überschuss von etwa 100 Millionen Männern in Asien, der durch die Vermeidung weiblicher Nachkommen ent-stand. Es ist ein Requiem für die Mädchen, ein Stück über die Sehnsucht nach jenen Frauen, die der Bevölkerung im heutigen China und Indien fehlen.

Ergänzend dazu versucht eine Gruppe für das Projekt aufgerufener Mitwirken-der nach einem Konzept des brasiliani-schen Medienkünstlers Giulano Obici mit einem Chor aus Laptops „Verlorenes neu zu verorten“. Palme und Mattiello haben auch ein Werk von Liza Lim aufs Programm ge-setzt, „Ochred String“ für Oboe, Viola und Kontrabass. Die Australierin bezieht sich darin auf traditionelle Rituale der Abori-gines, in denen die Farberde Ocker sowie Saiten aus Menschenhaar oftmals zum Ein-satz kommen.

Olga Neuwirth, Liza Lim und Rebecca Saunders stehen symbolisch für 25 Saiso-nen Wien Modern, in denen diesen Kom-ponistinnen als einigen wenigen mehrere Aufführungen beschieden waren. Eine wei-tere internationale Position wird mit Anne La Berges „Swamp“ für vier Musikerinnen und Musiker, Filmprojektor und Elektronik präsentiert. Die niederländische Flötistin hielt eine „geführte Improvisation“ fest, in der der namensgebende „Sumpf“ gleichzei-tig für Gefahr und Vergnügen steht.

Mit einer Uraufführung von Luna Alcalay, der 1928 in Zagreb geborenen Komponistin, Pi-anistin und Malerin, die seit Anfang der 1950er-Jahre in Wien lebt, wird einer zu-tiefst humanistischen, in der europäischen Avantgarde verwurzelten Künstlerin Tri-but gezollt. Sie nahm als eine von weni-gen Frauen Anfang der 1960er-Jahre an den Darmstädter Ferienkursen teil und verdankt Bruno Maderna zahlreiche Anregungen. Ihr Werkkatalog umfasst beinahe alle Gattun-gen bis hin zur Oper. Sie selbst bezeichnet ihren Stil als „nonkonform“. Im Auftrag von

e_may komponierte sie ein Streichquintett, „Verlorene Wege, verborgene Pfade“.

Die Veranstaltung bietet eine der sel-tenen Gelegenheiten, ein Werk der mitt-lerweile völlig zurückgezogen lebenden Künstlerin zu hören. Für ihre bisher noch nicht aufgeführte Oper, „Der übergangene Mensch“, gestaltete sie gemeinsam mit dem Regisseur und Multimediakünstler Klaus Karlbauer einen zehnminütigen Präsentati-onsfilm, der auch an diesem Abend im Ka-belwerk gezeigt wird.

Die Anfänge dieser Oper reichen bis ins Jahr 1965 zurück, als sie sich mit den Schriften des Freud-Biografen und Begrün-der der psychoanalytischen Symboltheorie Ernest Jones beschäftigte. In Assoziation dazu entstanden sechs Grafiken mit Punk-ten, Linien und Kreisen. Erst über 30 Jahre später setzte sie diese „seriellen Spielereien mit Ziffern“ in Musik um. Karlbauers Film soll helfen, dass ihr Opus magnum, ein „abendfüllendes Sing-Sprech-Ballett-Or-chester-Werk“, den Weg auf die Bühne fin-det. Mit dem 2007 entstandenen „A Game for Two“ für zwei Schlagwerker ist ein zwei-tes Werk von Luna Alcalay bei Wien Mo-dern vertreten.

Wer bis zum fünften thematischen Block von „Wie wir wollen – all night long“ durchge-halten hat – es wird dann etwa Mitternacht sein –, hat eine spannende Reise durch die vielfältige Musik unserer Gegenwart hinter sich. Mit der Phase „Club meets Avantgar-de“, in der sich u.a. Electric Indigo am Com-puter gemeinsam mit Burkhard Stangl an Gitarren und Elektronik einem „impromp-tu électrique“ widmen, wird die Zielgerade des Abends erreicht.

Zum Finale spielen Jorge Sánchez-Chi-ong aka JSX an den Turntables und Mar-tin Siewert an E-Gitarren und Elektronik. Wie das männlich dominierte Ende zeigt, haben sich die e_may-Leiterinnen Pia Pal-me und Gina Mattiello zwar primär der Förderung von Komponistinnen verschrie-ben, sind aber dennoch nicht daran interes-siert, Musiker aus ihren Konzepten auszu-schließen. Schließlich geht es beim gemein-samen Musikmachen nicht um Konkurrenz, sondern darum, einen kreativen Prozess zu ermöglichen und Neues entstehen zu las-sen. Darüber zu reflektieren, gibt es beim abschließenden Frühstück Gelegenheit. F

Wie Wir Wollen – all night long Ein nächtlicher Konzertmarathon im Palais Kabelwerk, 25.10., 19.30 Uhr bis in den frühen Morgen

Luna Alcalay Die Komponistin verstarb am 9.10.2012, nachdem dieser Beitrag verfasst worden war

Phace Ensemble mit seinem Leiter Simeon Pironkoff (Mitte)

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Mo 22.10. | 10.00Spurensuche: Kompositionsworkshop Klangforum Wien

Talea Ensemble, James Baker Konzerthaus, Berio-SaalSo 4.11. | 17.30

Mi 31.10. | 20.30

Fr 2.11. | 20.30

Sa 3.11. | 20.30

grace note (UA)

grace note

grace note

Tanzquartier Wien, Halle G

Tanzquartier Wien, Halle G

Tanzquartier Wien, Halle G

Mo 22.10. | 19.30Eröffnungskonzert Wien Modern Theater an der Wien

Do 1.11. | 19.45

Fr 2.11. | 22.00

So 4.11. | 15.00

grace note – Einführungsgespräch

Wien Modern StudioNACHT II

Olga Neuwirth: Music for Films

Tanzquartier Wien, Studios

Café Heumarkt

Konzerthaus, Berio-Saal

Di 23.10. | 10.00, 14.30 mica focus bei Wien Modern Universität für Musik und dar-stellende Kunst / Franz-Liszt-Saal

Do 1.11. | 20.30

Sa 3.11. | 16.30

So 4.11. | 16.45

grace note

Alte Schmiede I

Wien Modern: Im Gespräch (Olga Neuwirth)

Tanzquartier Wien, Halle G

Alte Schmiede – Kunstverein

Konzerthaus, Wotruba-Salon

Di 23.10. | 10.00 „Neue Musik – heute ?“ Universität für Musik und dar-stellende Kunst / Bibliothek

Do 1.11. | 22.00

Sa 3.11. | 18.30

grace note – Künstlergespräch

Klangforum Wien, Beat Furrer

Tanzquartier Wien, Halle G

Konzerthaus, Mozart-Saal

Mi 24.10. | 10.00„Neue Musik – heute ?“ mica focus bei Wien Modern

Universität für Musik und dar-stellende Kunst / Franz-Liszt-Saal

Mi 24.10. | 9.00Wie klingt der Vampir tintenfisch? Konzerthaus, Schönberg-Saal

Mi 24.10. | 19.30 Watts/Krafft Casino Baumgarten

Do 25.10. | 14.00„Neue Musik – heute ?“ mica focus bei Wien Modern Palais Kabelwerk ARTspace

Do 25.10. | 19.30 Wie wir wollen – all night long Palais Kabelwerk

Wie wir wollen – all night long CLUB meets AVANTGARDEDo 25.10. | 24.00 Palais Kabelwerk

Fr 26.10. | 10.00„Neue Musik – heute ?“ mica focus bei Wien Modern Palais Kabelwerk ARTspace

Mi 31.10. | 19.45

Fr 2.11. | 19.45

Sa 3.11. | 19.45

grace note – Einführungsgespräch

grace note – Einführungsgespräch

grace note – Einführungsgespräch

Tanzquartier Wien, Studios

Tanzquartier Wien, Studios

Tanzquartier Wien, Studios

Fr 26.10. | 20.30 Pulsinger / Fennesz Konzerthaus, Berio-Saal

Fr 26.10. | 22.00 Wien Modern StudioNACHT I Café Heumarkt

Sa 27.10. | 19.30Klangforum Wien, Jean Bernard Matter Schömerhaus

So 28.10. | 18.45Tonkünstler-Orchester Niederösterreich Einführung Musikverein, Brahms-Saal

Di 30.10. | 9.00Wie klingt der Vampir tintenfisch? Konzerthaus, Schönberg-Saal

So 28.10. | 19.30Tonkünstler-Orchester Nie-derösterreich, Brad Lubman Musikverein, Großer Saal

Mi 31.10. | 9.00

Fr 2.11. | 19.00

Wie klingt der Vampir tintenfisch?

Arditti Quartet

Konzerthaus, Schönberg-Saal

Konzerthaus, Mozart-Saal

die reihe / Keuschnig Wiener Konzerthaus, Berio-Saal Di 23.10. | 19.30

Mi 7.11. | 9.00Wie klingt der Vampir tintenfisch? Konzerthaus, Schönberg-Saal

Di 6.11. | 19.00Fluxus – Ensemble „L’art pour l’art“ Konzerthaus, Mozart-Saal

Mo 5.11. | 19.30ORF Radio-Symphonieor-chester Wien, Susanna Mälkki Konzerthaus, Großer Saal

Di 6.11. | 21.00Klangforum Wien, Sian Edwards Odeon

Do 8.11. | 19.30International Contemporary Ensemble, Joyce Ogren Konzerthaus, Mozart-Saal

Di 13.11. | 19.30

Do 15.11. | 19.30

Fr 16.11. | 19.30

Ensemble Kontrapunkte, Peter Keuschnig

Friedrich Cerha: Orgelwerke

ORF Radio-Symphonieorches-ter Wien, Cornelius Meister

Musikverein, Brahms-Saal

Kirche St. Ursula

Musikverein, Großer Saal

Mi 14.11. | 10.30

Mi 14.11. | 14.30

Fr 16.11. | 15.00

Fr 16.11. | 22.00

Das Kind der Seehundfrau

Das Kind der Seehundfrau

Edenarabeske / AZRAEL: Vorträge der Komponisten

Wien Modern StudioNACHT IV

Dschungel Wien, Saal 1

Dschungel Wien, Saal 1

Konservatorium Wien Privat universität

Café Heumarkt

Mi 14.11. | 19.30

Fr 16.11. | 16.30

Sa 17.11. | 16.00, 19.30

Coincidentia Oppositorum

Roundtable zur Zukunft der zeitgenössischen Oper

Das Kind der Seehundfrau

Brunnenpassage

Konservatorium Wien Privat universität

Dschungel Wien, Saal 1

Mi 14.11. | 19.30

Fr 16.11. | 17.00

So 18.11. | 17.00

Mo 19.11. | 10.30, 14.30

Do 15.11. | 15.00

Fr 16.11. | 19.30

Edenarabeske / AZRAEL

Das Kind der Seehundfrau

Das Kind der Seehundfrau

Das Kind der Seehundfrau

Studio neue Orgelmusik: Gespräch mit Friedrich Cerha

Edenarabeske / AZRAEL

Konservatorium Wien Privat-universität, Leonie-Rysanek-Saal

Dschungel Wien, Saal 1

Dschungel Wien, Saal 1

Dschungel Wien, Saal 1

Di 20.11. | 19.00VALIE ExPORT / Olga Neuwirth Ausstellungseröffnung Charim Galerie

Fr 23.11. | 18.00VALIE ExPORT / Olga Neuwirth Führung Charim Galerie

Kirche St. Ursula

Konservatorium Wien Privat-universität, Leonie-Rysanek-Saal

Fr 9.11. | 18.00 Wien Modern: Im Gespräch Konzerthaus, Wotruba-Salon

Fr 9.11. | 19.30ORF Radio-Symphonieorches-ter Wien, Cornelius Meister Konzerthaus, Großer Saal

Fr 9.11. | 22.00Wien Modern StudioNACHT III Café Heumarkt

Alte Schmiede IISa 10.11. | 16.30 Alte Schmiede – Kunstverein

Sa 10.11. | 19.30Ensemble Inter contemporain, Enno Poppe Konzerthaus, Mozart-Saal

Di 13.11. | 19.30

Do 15.11. | 17.00

Edenarabeske / AZRAEL

Das Kind der Seehundfrau

Konservatorium Wien Privat-universität, Leonie-Rysanek-Saal

Dschungel Wien, Saal 1

So 11.11. | 16.30 Alte Schmiede III Alte Schmiede – Kunstverein

So 11.11. | 19.30oenm. oesterr. ensem ble für neue musik, Johannes Kalitzke Konzerthaus, Berio-Saal

Mo 12.11. | 10.00, 15.00 Symposion Wien Modern Universität für Musik und darstellende Kunst/Rennweg

Mo 12.11. | 18.30Edenarabeske / AZRAEL Einführungsgespräch

Konservatorium Wien Privat universität

Di 13.11. | 10.30, 18.00 Das Kind der Seehundfrau Dschungel Wien, Saal 1

Mo 12.11. | 19.30 Edenarabeske / AZRAEL Konservatorium Wien Privat-universität, Leonie-Rysanek-Saal

Di 13.11. | 10.00, 15.00 Symposion Wien Modern Universität für Musik und darstellende Kunst/Rennweg

Kalendarium Wien Modern 2012

Tel. 01/24 20 02 (Konzerthaus) oder 01/505 81 90 (Musikverein) www.wienmodern.at | Generalpass: € 84,– (ermäßigt: € 56,–)