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WILFRIED FELDENKIRCHEN SUSANNE HILGER Menschen und Marken 125 Jahre Henkel

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WILFRIED FELDENKIRCHEN

SUSANNEHILGER

Menschenund

Marken125 Jahre Henkel

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Zu diesem Buch

Alles begann in einer kleinen Hinterhof-Fabrikin Aachen im Herbst 1876. Im Alter von nur28 Jahren begann der Kaufmann Fritz Henkel,aus Wasserglas und kalzinierter Soda seinerstes Produkt – ein pulverförmiges „Universal-Waschmittel“ – zu mischen und zu verkaufen.

Dass aus diesem Drei-Mann-Betrieb einmal einWeltunternehmen werden würde, ahnte zudieser Zeit noch niemand. Doch nur zwei Jah-re später machte sein erstes Erfolgsprodukt,Henkel's Bleich-Soda, den Umzug in das fürden Vertrieb verkehrsgünstiger gelegene Düs-seldorf notwendig. Der große und internatio-nale Durchbruch gelang Fritz Henkel 1907 mitPersil, dem ersten selbsttätigen Waschmittelder Welt.

Fritz Henkel und seine beiden Söhne geltenbis heute zu Recht als Markenartikel-Pionierein Deutschland. Sie und ihre Nachfolger mach-ten aus einem Waschmittelbetrieb einen welt-weit tätigen Spezialisten für Markenartikel undSystemgeschäfte mit Tochtergesellschaften inüber 75 Ländern.

Seit 125 Jahren prägen Menschen und Mar-ken die Kontinuität und den Wandel des Unter-nehmens. Es waren aber auch 125 Jahre derInnovation und mit dem Fokus auf die Zukunft.

Aus Anlass des 125-jährigen Bestehens desUnternehmens veröffentlicht Henkel nun erst-mals eine wissenschaftlich fundierte Darstel-lung der großen und spannenden Unterneh-mensgeschichte.

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Menschenund

Marken 125 Jahre

Henkel1876–2001

FELDENKIRCHENHILGER

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Menschenund

Marken 125 Jahre

Henkel1876–2001

WILFRIEDFELDENKIRCHEN

SUSANNEHILGER

Herausgegeben im Auftrag der Henkel KGaA von Ernst Primosch und Wolfgang Zengerling

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Inhalt Seite Seite

I Einleitung 7

II Gründerzeiten: Die Jahre von 1876 bis 1918

Politische und wirtschaftliche 16Hintergründe: Die Reichsgründung von 1871

Henkel von 1876 bis 1918 22

Die Gründung des 22Unternehmens und seine Entwicklung bis 1914

Marken und Märkte 33

Beschäftigung 39

Umsatz 44

Henkel im Ersten Weltkrieg 45

III Zwischen Diversifizierung undDemontage: Die Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

Deutschland zwischen 52Demokratie und Diktatur

Henkel von 1918 bis 1945 57

Die allgemeine Entwicklung 57des Unternehmens

Marken und Märkte 73

Beschäftigung 84

Umsatz 86

Henkel im Zweiten Weltkrieg 88

Produktion und Absatz 88

Beschäftigungsverhältnisse 91

IV Zwischen Wieder-aufbau und Weltmarkt:Die Jahre von 1945 bis 1973

Vom Vierzonenland zum 102internationalen Bündnispartner

Henkel ab 1945 110

Die unmittelbare Nachkriegs- 110situation bis zur Wieder-einsetzung der Familie 1947

Die allgemeine Firmen- 118entwicklung ab 1948

Marken und Märkte 124

Beschäftigung 138

Umsatz 145

V Horizonte und Herausforderungen: Henkel auf dem Wegins 21. Jahrhundert

Von der „Ölkrise“ zum 148wiedervereinigten Deutschland

Die Henkel-Gruppe seit den 1501970er Jahren

Die allgemeine Entwicklung 150des Unternehmens

Marken und Märkte 161

Beschäftigung 179

Umsatz 186

Umweltpolitik 187

VI Vom Drei-Mann-Betrieb zur internationalen Firmengruppe: Die Gesellschafts-form und ihre Veränderungen

Von der Privat- zur Kapital- 193gesellschaft (1876–1950)

Dekonzentrations- 194bestrebungen nach 1945

Persil GmbH und Henkel 198& Cie GmbH (1950–1968)

Henkel GmbH und Henkel 199& Cie GmbH (1969–1974)

Die Einführung der 200divisionalen Organisation

Henkel KGaA (seit 1975) 204

Die Modifizierung 205der Spartenorganisation

Denken in Strategischen 208Einheiten

Die Reorganisation von 1992 209

4

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VII Finanzpolitik zwischen Familien-bindung und internationalerFinanzwelt

Kapitalstruktur und 214-entwicklung

Der Gang zur Börse 228

VIII Zwischen Emotionund Information: Werbung und Absatzpolitik

Die Absatzstrategien 238Fritz Henkels

Zur Organisation 250der Werbung

Werbeinhalte und 252Werbemedien

Imagewerbung 266

Seite Seite

IX Der Mensch imMittelpunkt:Von der Wohlfahrts-pflege zur betrieb-lichen Sozialpolitik

Formen der betrieblichen 272Sozialpolitik bei Henkel

Werksversorgung und 273Gesundheitsfürsorge

Versicherungen 278

Familienpflege 280

Werkswohnungsbau 285

Betriebliches Vorschlagswesen 288

Betriebliche Freizeitangebote 290

Industrielle Beziehungen 296zwischen Weimarer Republikund Nationalsozialismus

Die allgemeine Entwicklung 298der betrieblichen Sozialpolitik bei Henkel nach dem Zweiten Weltkrieg

Zur Geschichte der Unter- 299nehmenskultur des HausesHenkel

X Das Auslands-geschäft:Henkel auf dem Wegzum Global Player

Zur Strategie und Organisation 306des Auslandsgeschäfts

Die regionalen Aktivitäten 312

Europa 312

Nordamerika 349

Lateinamerika 357

Afrika 364

Asien und Australien 370

XI Schlussbetrachtung 391

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Tabellen und Grafiken

394

399

Gremien 83

Chronik 1

5

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Impressum

Herausgegeben im Auftrag der Henkel KGaAvon Ernst Primosch und Wolfgang Zengerling

Copyright © 2001 Henkel KGaA,Düsseldorf

Koordination und Redaktion

Wolfgang Zengerling

Dokumentation

Wolfgang BügelThomas Wölk

Bildredaktion

Wolfgang BügelKlaus Dettmann, Langenfeld

Assistenz

Katharina Woithe

Fotos

Abert, H. Bauer, T. Bauer, Bogler, von Brauchitsch, Bügel, Dannenmann, Dick, Fein, Hauser, Haverkamp, Holtappel, Hympendahl, Koch, Lichtenberg, McAndrews, Moog, Parik, Quedenfeldt, Röhrig, Schatten, Schelp, Schneider, Senn, Stachelscheid, Windstosser, Wolff & Tritschler, Wolter

Konzernarchiv Henkel

Gesamtgestaltung

Walter Schlamann, Langenfeld

Produktion

Klaus Dettmann, LangenfeldTeam Industrie, Stürtz AG, Würzburg

Gesamtherstellung

Stürtz AG, Würzburg

PR-Nr. 11 01 14.000

Mat.-Nr. 4691075

ISBN 3-923324-79-0

Die in diesem Buch genanntenProduktnamen sind überwiegendeingetragene Marken der HenkelKGaA, Düsseldorf.

Das Werk einschließlich allerseiner Teile ist urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung,auch nur auszugsweise, dienicht ausdrücklich durch dasUrhebergesetz gestattet ist,bedarf der vorherigen schrift-lichen Zustimmung durch dieHenkel KGaA. Dies gilt insbeson-dere für Vervielfältigungen,Bearbeitungen, Übersetzungen,Nachdruck, Entnahme vonAbbildungen, Wiedergabe auffotomechanischem, digitalemoder ähnlichem Wege sowieSpeicherung und Verarbeitung inelektronischen Systemen.

Henkel KGaA, Oktober 2001

Weitere Informationen

Henkel KGaACorporate Communications40191 Düsseldorf

Telefon: +49-211-797-3533Telefax: +49-211-798-4040

E-Mail: [email protected]

Henkel im Internet

http://www.henkel.com oder http://www.henkel.de

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Einleitung I

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„Das Beste, das durch mein Werk gemacht wurde, ist nicht meinenGedanken entsprungen, sondern meinen Mitarbeitern [...] im gegen-seitigen Zusammenarbeiten.“ So die Einschätzung von Unterneh-mensgründer Fritz Henkel im Rückblick auf sein Lebenswerk. Men-schen und Marken spielten in der nunmehr 125-jährigen Geschichteder Düsseldorfer Unternehmensgruppe stets eine entscheidende Rol-le: Mit Markenprodukten ist Henkel groß geworden. Den Menschen,die mit ihren Ideen in Entwicklung und Vertrieb Produkte immerbenutzerfreundlicher, kostengünstiger und umweltverträglichergestalteten und zunächst regional, dann national und heute globalverkaufen, verdankt das Unternehmen seinen Erfolg. Somit ist dieUnternehmensgeschichte des Hauses Henkel immer auch eineGeschichte von „Menschen und Marken“.

Die Henkel KGaA gehört heute mit ihren Tochtergesellschaften zuden weltweit führenden Unternehmen auf dem Markenartikel- undChemiesektor. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich derdeutsche Markenartikelhersteller von Wasch- und Reinigungsmittelnzum internationalen Spezialisten für chemische Rohstoffe und Sys-temlösungen. Dieser Werdegang soll im folgenden anhand der Hen-kel-Stammgesellschaft, der heutigen Henkel KGaA mit Sitz in Düs-seldorf, nachgezeichnet werden. Als Führungsgesellschaft derHenkel-Gruppe ist die Henkel KGaA in den UnternehmensbereichenKlebstoffe, Kosmetik, Wasch-/Reinigungsmittel, Hygiene/Oberflä-chentechnik sowie Chemieprodukte (über die rechtlich verselbstän-digte Tochtergesellschaft Cognis) tätig.

Henkel gestaltet in diesen 125 Jahren nicht nur nachhaltig sein Pro-duktportfolio um, sondern entwickelt sich ebenso von einem über-wiegend auf dem deutschen und europäischen Markt tätigen Unter-nehmen zum „Global Player“. Seit Mitte der 1980er Jahre erzielt dieHenkel-Gruppe höhere Umsätze auf den Auslandsmärkten als imInland, wobei neben dem Europa-Geschäft die Marktaktivitäten inNord- und Südamerika sowie vor allem im Raum Asien/Australiensukzessive ausgebaut werden.1

Henkel & Cie erobert ab 1907 mit dem „selbsttätigen“ WaschmittelPersil die unangefochtene Führung auf dem deutschen Waschmittel-markt. Neben Waschmitteln wurde die Herstellung von Wasserglas,Glycerin und Soda aus Gründen der Rohstoff- und Qualitätssicherungmit in die Produktionspalette aufgenommen. Während die Klebstoff-produktion und die Herstellung der Verpackungsmittel ebenfallszunächst aus Gründen der Selbstversorgung erfolgte, stellte die Pro-duktion des Industriereinigers P3 die erste „echte Diversifikation“dar, die jedoch in enger Nachbarschaft zum Kerngeschäft angesiedeltwar. Die wesentlichen Standbeine des Henkel-Konzerns – nebenWaschmitteln die Grundstoffe Wasserglas, Fettsäuren/Glycerin, Soda,Verpackungsmittel sowie Klebstoffe und Industriereiniger – warendamit schon lange vor 1945 geschaffen und über Tochtergesellschaf-ten und Beteiligungen zum Teil auch auf Auslandsmärkte übertragenworden.

1 Wie aus 153/22, Postproto-koll vom 9.7.1963, hervorgeht,setzte diese Tendenz bereits zuBeginn der 1960er Jahre ein: Imersten Halbjahr 1963 hattebeispielsweise „die tatsächlicheUmsatzentwicklung in denertragsstärkeren Verkaufsberei-chen Markenartikel undGroßverbrauch eine geringereSteigerung [...] als [...] imExport“. 153/56, Post ZGF,11.2.1975: „Seit Beginn dersiebziger Jahre wurde einestarke Expansion im Ausland“verzeichnet.

Alle Signaturen KonzernarchivHenkel; bei Belegen ohneSignatur handelt es sich umPublikationen oder um unver-zeichnete Bestände.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderten sich die Wettbewerbsver-hältnisse nachhaltig. Multinationale Mischkonzerne wie Unileveroder amerikanische Mitbewerber wie Colgate-Palmolive und Procter& Gamble nutzten alliierte Restriktionen gegenüber den deutschenUnternehmen (Produktions- und Exportverbote, Konfiskationen vonLizenzen, Markenrechten, Demontagen, Sequestrierungen sowieLiquidationen) und zwangen Henkel durch eine aggressive Produkt-und Marketingpolitik zu einer strategischen Neuorientierung. Wäh-rend der Markenname Persil bereits nach dem Ersten Weltkrieg fürdie Commonwealth-Staaten und Frankreich (einschließlich ihrerKolonien) bei der heutigen Unilever lag, hielt Henkel die Rechte fürDeutschland, die USA und Kanada sowie für andere Staaten. Da sichaber der Waschmittel- und Seifenmarkt zu einem preislich und pro-duktmäßig äußerst stark umkämpften Bereich entwickelt hatte, zeigtesich das Unternehmen davon überzeugt, dass – mit Blick auf die star-ke internationale Konkurrenz – die „größtmögliche Erweiterung“ derProduktpalette der „Trend des 20. Jahrhunderts“ sei, dem es sichanzuschließen gelte.2

9

Umsätze der Henkel-Gruppe nach Unternehmensbereichen und Regionen im Jahr 2000

Klebstoffe 2.959 23 %

Kosmetik/Körperpflege 2.029 16 %

Wasch-/Reinigungsmittel 2.835 22 %

Hygiene/Oberflächentechnik 1.952 15 %

Chemieprodukte (Cognis) 2.921 23 %

Sonstiges 83 1 %

Gesamtumsatz 12.779 100 %

Angaben in Millionen Euro

Deutschland 3.201 25 %

Europa (ohne Deutschland) 5.291 41 %

Nordamerika 2.215 17 %

Lateinamerika 577 5 %

Afrika 216 2 %

Asien/Australien 1.279 10 %

Gesamtumsatz 12.779 100 %

Quelle: Henkel Geschäftsbericht2000. Regionen-Umsätze nachSitz der Gesellschaften.

2 153/17, Postprotokoll vom18.4.1961.

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Statt einer „mühevollen und kostspieligen Eigenentwicklung“ favori-sierte die Geschäftsleitung häufig externe Wachstumsmaßnahmen:Beteiligungen und Tochtergesellschaften, denen in aller Regel dieAufgabe eines „Vorpostens“ zukam, dienten dazu, „den Markt zu öff-nen, [...] zu testen und im Markte Fuß zu fassen“.3 Die auf diese Weiseerschlossenen Produktfelder und Marktnischen reichen von der Kos-metik und Körperpflege (beispielsweise Poly Color, Aok, Barnängen,Schwarzkopf, Dep) sowie den Wasch- und Reinigungsmitteln(Thompson, Siegel, L’Union Générale de Savonnerie) über Kleb-stoffe (Sichel, Loctite, Manco, Dexter) bis hin zur Hygiene/Oberflä-chentechnik (Collardin, Teroson, Henkel-Ecolab) und tragen dazubei, dass die Henkel-Gruppe heute zahlreiche Spezialunternehmenunter ihrem Dach vereinigt. Dabei sorgt der Grad der Diversifikation,„aus dem Impuls der Rückwärtsintegration entstanden, [...] für eineausbalancierte Mischung von Risiken und Chancen“.4

Die lückenhafte Überlieferung insbesondere für die Frühzeit und fürdie erste Expansionsphase des Unternehmens bis zum Ersten Welt-krieg macht die Erstellung einer Unternehmensgeschichte des HausesHenkel nicht einfach. Während die Bereiche Werbung und Produkt-entwicklung offenbar zu den Hauptsammelbereichen des Henkel-Archivs gehören und bis auf kriegsbedingte Verluste recht gutdokumentiert sind, sind für die ältere Zeit Hauptbücher, Kontokor-rent-Bücher, Kassabücher und Hauptjournale lediglich lückenhaftvorhanden. Eine quantitative Darstellung der Unternehmensentwick-lung bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts ist damit nur eingeschränktmöglich.

Eine zentrale Quelle für die ältere Unternehmensgeschichte von Hen-kel bilden die Düsseldorf-Holthausener Betriebsbesprechungen, dieallerdings ebenfalls nicht chronologisch durchgängig erhalten sind(1911 bis 1931, 1934 bis 1942). Die Betriebs-Konferenz war 1911 insLeben gerufen worden, „um die Einheitlichkeit in der Betriebsfüh-rung des Werkes durch Erörterung der allgemeinen Betriebsfragenund ihrer grundsätzlichen Regelung zu wahren und die Fühlungnah-me unter den leitenden Herren der Betriebe zu fördern“.5 In den Kon-ferenzen, die häufig unter dem Vorsitz von Kommerzienrat Fritz Hen-kel selbst oder einem seiner beiden Söhne stattfanden, wurden Fragendes täglichen Betriebsablaufs wie etwa des Arbeitsschutzes, derAblauforganisation sowie technische und versorgungstechnischeAspekte diskutiert. Die mit dem Anwachsen des Unternehmens ein-tretende Spezialisierung der Betriebsorganisation führte allerdingsdazu, dass die Einrichtung an Bedeutung verlor. Ab 1912 sollten dieBetriebsdirektoren, Meister und Abteilungsleiter daher „auch mehrallgemeine Fragen zur Sprache“ bringen. Der Kommerzienratwünschte zum Beispiel „Mitteilungen, welche die Geschäftsleitungüber Arbeiterverhältnisse unterrichten, wie über die Frage der Gärten,Aufnahme der Tätigkeit der Krankenschwester seitens der Arbeiter,Annahme von Arbeitern, Wohnungsfrage usw., andererseits auchAnregungen jeder Art über Änderungen oder Verbesserungen vonEinrichtungen, Maschinen und für den Betrieb“.6

3 455/76, Reinold M. Fries,Aktennotiz über ein Gesprächmit Konrad Henkel, 19.4.1968.

4 Henkel KGaA, 1876–1976.Hundert Jahre Henkel, Düssel-dorf 1976, S. 127.

5 J 105, Ingenieurbüro, Betr. Betriebs-Konferenz,12.12.1931.

6 J 105, Betriebs-Konferenz,4.9.1912. Laut Konferenz vom5.9.1912 sollte künftig alle zweiMonate eine „allgemeine Konfe-renz“ und jeden Monat eine Abtei-lungskonferenz stattfinden. Dieprogrammmäßige Koordinationoblag Bürochef Schifferdecker.

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7 55/2, Friedrich Bohmert an K. Henkel, 9.4.1968.

8 153/46, Gemeinsame Post,16.5.1972; Geschäftsführungs-Sekretariat, Post Geschäftsfüh-rung (GF) Nr. 7, 16.2.1988.

9 Intern 6/1989, S. 15.

10 Damit sollte eine „verbesser-te Information der Führungskräf-te über wichtige Ereignisseinnerhalb der Henkel-Gruppe“sichergestellt werden.

Auf Konzernebene wurde erst 1968 die regelmäßige Beschickung desArchivs mit Protokollen des Gesellschafterausschusses, des Verwal-tungsrats sowie der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats einge-führt, der allerdings bis heute offensichtlich nicht sehr gewissenhaftnachgekommen wird, wie die Lückenhaftigkeit der Bestände doku-mentiert.7 Zwar findet sich die überwiegende Zahl der Jahresab-schlüsse der beiden Stammgesellschaften sowie der wichtigsten Toch-tergesellschaften zumindest ab den dreißiger Jahren in den Beständendes Henkel-Archivs. Doch erst seit 1971 veröffentlicht die Henkel-Gruppe einen Jahresabschluss und entsprach damit den Auflagen des1969 verabschiedeten Publizitätsgesetzes. Dabei handelte es sichzunächst um den inländischen Konzernabschluss, der die Einzelab-schlüsse der Henkel GmbH, Henkel & Cie GmbH, Henkel Internatio-nal GmbH und der übrigen 21 Tochtergesellschaften zu einem konso-lidierten Abschluss zusammenfasst.8 Die internen Konzernabschlüssewerden erst seit dem Börsengang 1985 veröffentlicht. Der Konzern-abschluss enthält die Jahresabschlüsse der Muttergesellschaft, derHenkel KGaA, sowie der in- und ausländischen Tochtergesellschaf-ten, der sogenannten Verbundenen Unternehmen.9

Neben derartigen Unterlagen ermöglichen die ab Juni 1945 überlie-ferten „Postprotokolle“ der Geschäftsleitung, in denen sowohl Fragendes Tagesgeschäfts als auch strategische Überlegungen erörtert wer-den, die qualitative Einordnung und Bewertung des Unternehmens-fortgangs. Allerdings wurde dieses Material vom Sekretariat derGeschäftsführung nicht vollständig zur Einsicht freigegeben, sondernstand nur bis einschließlich 1990 zur Verfügung, so dass für die neu-este Entwicklung Lücken in der Darstellung unvermeidlich sind. Dieeingesehenen Unterlagen wurden durch die Papiere der sogenanntenStrategie-Runden sowie durch die seit 1969 erscheinenden Control-ling-Papiere zur Unternehmensplanung ergänzt. Interne Publikatio-nen wie „Intern“, die von 1971 bis 2000 erschienene „VertraulicheFührungsinformation der Geschäftsführung für die Leitenden Ange-stellten der Henkel KGaA“, enthalten im wesentlichen Angaben zurGeschäftsentwicklung der Henkel-Gruppe und der Unternehmensbe-reiche sowie über Produkte, Märkte, Verbundene Unternehmen, Che-mie und Technik, Organisation und Personal.10

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Die Haus- und Werkzeitschriften, etwa die ab 1914 erschienenen„Blätter vom Hause“ (BvH) und das ab 1972 erscheinende Nachfol-georgan, der „Henkel-Blick“, stellen eine reichhaltige Quelle nichtnur zur Unternehmenspolitik, sondern auch zum sozialen Mikrokos-mos des Unternehmens dar. Die Blätter vom Hause erschienenzunächst bis 1919 und wurden erst 1927 wieder aufgenommen.11 Bis1940 richtete sich das Monatsblatt in erster Linie an den Außendienstund die Angestellten und wurde erst allmählich zu einer Werkzeit-schrift für die gesamte Belegschaft der Henkel-Werke.12 1972 lösteder Henkel-Blick die Blätter vom Hause ab und fungierte nicht nur alsWerkzeitung für die Düsseldorfer Betriebe, sondern für alle Henkel-Mitarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland.13 Ab 1976 wurde diemonatliche Zeitung um die Beilage „Blick in Verbundene Unterneh-men“ (VU) ergänzt, die in unregelmäßiger Folge „über die großenund kleinen Ereignisse in den VU der Henkel-Gruppe in der BRD“berichtete.14 Seit 1979 zielt das Unternehmen mit einer Henkel-Nach-barschaftszeitung darauf, das Unternehmen imagewirksam bei denAnliegern im Düsseldorfer Süden zu positionieren.

Auf dem Material des Henkel-Archivs basiert die Reihe „Schriftendes Werksarchivs“, die seit 1969 erscheint, und ebenfalls für die Aus-arbeitung herangezogen wurde. Die Einzelbände beschäftigen sichnicht nur mit der Geschichte des Stammwerks in Düsseldorf-Holt-hausen, sondern behandeln ebenso einzelne Tochtergesellschaften,Unternehmensbereiche und Funktionen sowie Spezialeinrichtungendes Unternehmens und die Markengeschichte.

Auch eine Auswahl an geschäftlichen Korrespondenzen und Unterla-gen des Unternehmensgründers, seiner Söhne und Enkelsöhne hältdas Henkel-Archiv in Verwahrung. Eine wichtige Quelle für dieUnternehmensgeschichte der frühen Zeit bildet die autobiographischeAbhandlung „An meine Mitarbeiter“, die Fritz Henkel sen. 1916 inden Blättern vom Hause veröffentlichte. Zudem liefern Unterlagenaus den Büros ehemaliger Geschäftsleitungsmitglieder oder Direkto-ren wertvolle Hinweise zu Teilbereichen des operativen Geschäfts,der Funktionseinheiten oder der strategischen Geschäftsführung.Dazu gehört zum Beispiel auch der „Aktenbestand Kobold“, der aufWalter Kobold zurückgeht, einen engen Vertrauten der Familie Hen-kel und langjähriges Mitglied der Geschäftsführung.

Als grundlegend sind auch die im Rahmen einer Studie des StanfordResearch Institute (SRI) seit 1966 gesammelten Unterlagen anzuse-hen, die die strategische Ausrichtung der einzelnen Geschäftsbereicheund die organisatorische Umstrukturierung des Gesamtkonzerns zumInhalt haben. Planaufstellungen und die Entwicklung von Sparten-strategien führten geradezu zu einer Inflationierung der Unterlagen.Zu einer Fokussierung und Bewertung gerade der jüngeren Vergan-genheit können mündliche Auskünfte und Interviews beitragen, zudenen sich die beiden ehemaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung,Prof. Dr. Dr. Helmut Sihler und Dr. Hans-Dietrich Winkhaus, zur Ver-fügung stellten.15

11 Siehe „25 Jahre ‚Blätter vom Hause‘“ (BvH) 19, 1939, S. 282, sowie ebenda, „1927 –Ein geschichtlicher Rückblick bei der Neu-Herausgabe“, S. 283–285.

12 Siehe zur Gründung undGeschichte der Hauszeitschriftauch BvH 7, 1927, S. 2–4. Diegebundenen Jahrgangsbändewurden den Angestellten alspersönliche „Handexemplare“überlassen. Zwischen 1932 und1940 erschien als zusätzlicheWerkzeitschrift für die Beleg-schaft in Düsseldorf-Holthausender Henkel-Bote. Siehe auchWolfgang Zengerling, Mitwissen,Mitdenken, Mitarbeiten.Geschichte der Henkel-Publika-tionen für Mitarbeiter undNachbarn. (= Schriften desWerksarchivs, Band 24),Düsseldorf 1990.

13 „Für und wider. Meinungenzum Henkel-Blick“, in: Henkel-Blick 2/1972, S. 7.

14 Henkel-Blick 4/1976, BeilageBlick in VU.

15 Die beiden Interviews liegendem Konzernarchiv Henkel inAbschrift vor.12

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16 Die Forschungstätigkeit vonHenkel, die ebenfalls einenzentralen Aspekt des Unterneh-menserfolgs darstellt, wird indem 1996 erschienenen Band„Der Sturm aus dem Wasser-glas. 100 Jahre weltbewegendeForschung bei Henkel“, Düssel-dorf 1996, gewürdigt.

Neben dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates und des Gesellschafter-ausschusses der Henkel KGaA, Herrn Dipl.-Ing. Albrecht Woeste,haben auch die heutigen beziehungsweise früheren Mitglieder derGeschäftsführung Dr. Ulrich Lehner, Dipl.-Ing. Guido De Keers-maecker, Dr. Klaus Morwind, Prof. Dr. Uwe Specht, Dr. RolandSchulz, Dr. Hans-Otto Wieschermann und Dr. Harald Wulff, die ehe-maligen Bereichsdirektoren Dr. Friedrich Bohmert und Theo Schattensowie im Konzernarchiv Wolfgang Bügel und Wolfgang Zengerlingdas Zustandekommen dieses Buches mit hilfreichen Empfehlungenund Hinweisen begleitet.

Unternehmenshistorische Untersuchungen müssen stets auch dieexternen Rahmenbedingungen, innerhalb derer ein Unternehmen imzeitlichen Verlauf operierte, berücksichtigen. Aus diesem Grund wird die Betrachtung in vier Querschnitt-Kapitel eingeteilt, die sichim wesentlichen an den übergeordneten zeitlichen Zäsuren orientie-ren. Die chronologische Betrachtung der Unternehmensentwicklungkonzentriert sich auf die Bereiche Produktion, Absatz und Beschäfti-gung. Nach den „Gründerzeiten“ von 1876 bis 1914/18 folgt dasKapitel über die in vielerlei Hinsicht krisengeschüttelte Zeit derzwanziger und dreißiger Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnteine Phase der „Herausforderungen und Horizonte“, die sich vonWiederaufbau und „Wirtschaftswunder“ nach dem Krieg bis hin zurersten Rezession der ausgehenden 1960er Jahre erstreckte. Die Ölkri-se 1973 leitet eine Phase von Strukturkrisen und Rezessionen ein, diedurch die „Wiedervereinigungskonjunktur“ zu Beginn der 1990erJahre nur kurz unterbrochen wird und erst im ausgehenden 20. Jahr-hundert einer weltwirtschaftlichen Erholung weicht, die allerdingsvon den Unternehmen vielfältige Anpassungsmaßnahmen erfordert.Im Anschluss an diese Querschnittbetrachtungen werden einige zen-trale Funktionen des Unternehmens wie Organisation, Finanzpolitik,Marketing und Sozialpolitik sowie das Auslandsgeschäft längs-schnittartig betrachtet um herauszufinden, welche strategischenSchritte den Bestand des Unternehmens über die Jahre hinweggeprägt haben.16

Den ausführlichen Überblick über die Auslandsentwicklung habenTheo Schatten und Wolfgang Zengerling unter Mitarbeit von Wolf-gang Bügel verfasst.

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Gründerzeiten:Die Jahre

1876 bis 1918

II

15

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II

16

Politischeund wirtschaftliche

Hintergründe:Die Reichsgründung

von 1871

Am 18. Januar 1871 wurde der preußische König Wilhelm I. im Spie-gelsaal zu Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt. Die Gründungdes „Zweiten Reiches“ erfolgte im Anschluss an den Sieg über Frank-reich im Krieg von 1870/71 und wurde zum Startschuss für die zwei-te Phase der Industrialisierung, in deren Verlauf Deutschland zu einerder führenden Industrienationen aufstieg.

Das sich selbst tragende wirtschaftliche Wachstum des Industrialisie-rungsprozesses basierte auf einem anhaltenden Bevölkerungsanstiegin Europa. Dieser erreichte in wirtschaftlichen Ballungsgebieten biszu 100 Prozent und bildete die Grundlage für das wachsende Arbeits-kräftepotential. Insgesamt stieg in Deutschland die Bevölkerung zwi-schen 1850 und 1913 aufgrund weiterhin hoher Geburtenraten undbereits sinkender Sterblichkeit von 35 auf knapp 67 Millionen Men-schen. Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts rückläufige Sterberate,vor allem bei Säuglingen, die verbesserte Ernährung und medizini-sche Versorgung führten dazu, dass sich die Lebenserwartung deutlicherhöhte. Lag diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch bei durch-schnittlich 47 Jahren, so stieg sie bis heute auf fast 75 Jahre bei Män-nern und 79 Jahre bei Frauen an.

Neben dem anwachsenden Pool von Arbeitskräften bildeten bahnbre-chende technische Innovationen wie die Dampfmaschine, Textilma-schinen für den Spinn- und Webprozess sowie neue Verfahren in derSchwerindustrie weitere Voraussetzungen der Industrialisierung. DerAusbau des deutschen Eisenbahnwesens blieb mit seinen Auswirkun-gen auf die Schwerindustrie und die Standortentwicklung bis zumletzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts einer der zentralen Wachs-tumssektoren der deutschen Wirtschaft. Ähnlich wie heute vom Fahr-zeugbau gingen von ihm zahlreiche Impulse für die vor- undnachgelagerten Industrien aus. 1881 verkehrte die erste elektrischeStraßenbahn in Berlin, 1886 entwickelten Carl Benz und GottliebDaimler ihre ersten „Benzinautos“, und 1893 führte Rudolf Dieselden ersten nach ihm benannten Motor vor. Nicht von ungefähr feiertedas späte 19. Jahrhundert seine bahnbrechenden Erfindungen in denBereichen Energie, Bauwesen, Nachrichten und Verkehr auf interna-tionalen Weltausstellungen: Als höchstes Bauwerk seiner Zeit wurdeim Jahr 1889 der Eiffelturm in Paris errichtet, der das „stählerne Zeit-alter“ eröffnete.

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Die volkswirtschaftliche Gesamtleistung stieg zwischen 1871 und1913 in Deutschland auf mehr als das dreifache, allerdings mit deut-lichen Unterschieden in den einzelnen Konjunkturperioden: Währendzwischen 1871 und 1890 das durchschnittliche jährliche Wachstumnoch 2,4 Prozent betrug, beschleunigte es sich von 1891 bis 1913 auf3,2 Prozent pro Jahr. Gegenüber diesem schnellen und beeindrucken-den Anstieg in der Periode der Hochindustrialisierung lag der Ver-gleichswert nach dem Ersten Weltkrieg nur noch bei durchschnittlichknapp 1 Prozent. Dass es insbesondere nach 1890 zu einem deut-lichen Wachstumsschub kam, war in erster Linie dem Aufschwung inden Bereichen Infrastruktur und Bauwesen, der Schwerindustrie undden damals neuen Industrien Chemie und Elektro zu verdanken.

Doch auch die Vereinigung zu einem Nationalstaat bot neue Chancenfür die politische und wirtschaftliche Entwicklung. Ein einheitlichesMaß- und Währungssystem, das an die Stelle der regionalen Vielfaltvon Münz-, Maß- und Gewichtseinheiten trat, förderte neben Zentral-institutionen wie der 1876 gegründeten Reichsbank die Bedeutungeines geschlossenen Binnenmarktes. Die Handels- und Wettbewerbs-politik der neuen Reichsregierung unter Reichskanzler Otto von Bis-marck sorgte für zusätzliche Wachstumsimpulse. Der Liberalisierungdes Aktienrechts mit der Aufhebung der staatlichen Konzessionie-rungspflicht für Aktiengesellschaften 1870 folgten bis 1873 Boom-jahre am Aktienmarkt. Dividendenausschüttungen in Höhe vondurchschnittlich mehr als 12 Prozent eröffneten beispiellose Chancender Kapitalmobilisierung und wurden gleichzeitig zum Schrittmacherder Unternehmenskonzentration: Als Folge des günstigen Wirt-schaftsklimas der Gründerzeit entstanden nicht nur zahlreiche neueUnternehmen, sondern viele der bereits bestehenden wurden erheb-lich erweitert und oft in die Rechtsform Aktiengesellschaft umgewan-delt.

Die konjunkturelle Überhitzung und die überhandnehmende Spekula-tion der Gründerjahre endeten im Mai 1873 in einem Banken- undBörsenkrach. Die im Mai 1873 einsetzende „Gründerkrise“ erfasstebis 1879 die deutsche Industrie- und Agrarwirtschaft gleichermaßen.Die Unternehmen versuchten, die sinkenden Einnahmen durch dieErhöhung ihrer Produktion auszugleichen, trugen jedoch damit letzt-endlich zur Verschärfung der krisenhaften Erscheinungen bei: Preis-verfall, Absatzprobleme und Insolvenzen – die Gefahrensignale einesübersättigten Marktes – kündigten nur zwei Jahre nach der Reichs-gründung den konjunkturellen Klimawechsel an, demzufolge sich dieAnzahl der deutschen Aktiengesellschaften allein zwischen 1873 und1874 von 928 auf 318 reduzierte.

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Das Patentrezept gegen Rezessionserscheinungen schienen Unterneh-menszusammenschlüsse und Marktabsprachen. Die für Deutschlandtypischen, von den Zeitgenossen als „Kinder der Not“ bezeichnetenVereinigungen, Kartelle und Syndikate sollten durch eine Beschrän-kung des Wettbewerbs die Preisentwicklung stabilisieren und denBinnenmarkt sichern. Nachdem mit der einsetzenden Krise von 1873der liberale Glaube an die Selbstregulierungsfähigkeit der Marktwirt-schaft erschüttert worden war, setzte ab 1879 – mit der Wende zumProtektionismus – der Interventionsstaat den Rahmen für die wirt-schaftliche und soziale Entwicklung und beeinflusste die Funktions-fähigkeit der Märkte für Boden und Waren, Kapital und Arbeit. HoheSchutzzölle und die Ausschaltung der ausländischen Konkurrenz aufdem Binnenmarkt zählten fortan ebenso wie die staatliche Exportför-derung zu den wichtigsten Krisenstrategien.

Für den Export bot die sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundertentwickelnde Weltwirtschaft bislang ungekannte Chancen der Roh-stofferschließung und neue Absatzmöglichkeiten. Die hohen Wachs-tumsraten des deutschen Außenhandels bis 1913 waren neben den„alten“ Industrien nicht zuletzt den technologisch überlegenen neuen„Leitsektoren“ der Chemie- und Elektroindustrie zu verdanken. Vonden Vorteilen der „späten Industrialisierung“ profitierend und mitihrer klaren Ausrichtung auf Forschung und Entwicklung trugen die-se Industrien zu der erstaunlichen Steigerung des deutschen Anteilsan der Weltindustrieproduktion bei: Im Jahr 1913 rangierte der einsti-ge industrielle Nachzüglerstaat Deutschland hinter Großbritannienund Frankreich und vor den USA auf dem dritten Platz in der inter-nationalen Außenhandelsbilanz.

Doch die Industrialisierung war nicht nur ein wirtschaftliches Phäno-men, sondern sie schuf auch den Typus der modernen Industriegesell-schaft. Die steigenden Realeinkommen und der wachsendeLebensstandard trugen dazu bei, das vorindustrielle Phänomen sozia-ler Ungleichheit, den unüberwindlich scheinenden Graben zwischenArm und Reich, Kapitaleignern und -besitzlosen, langfristig zu über-winden. Zur Verbesserung des sozialen Gleichgewichtes sowie alssystemerhaltendes Programm führte die Reichsregierung unterReichskanzler Otto von Bismarck ab 1883 die Sozialversicherungs-gesetzgebung ein; das Versicherungspaket gegen Krankheit, Unfallund Alter bildet bis heute die Grundlage des modernen Sozialstaates.

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Mit dem Ersten Weltkrieg riss das seit Mitte der 1890er Jahre fastununterbrochene gesamtwirtschaftliche Wachstum jäh ab. Ausbruch,Verlauf und Ergebnis dieser Auseinandersetzung, die in sehr viel stär-kerem Maße als alle Kriege vorher auch unter wirtschaftlichen Aspek-ten geführt wurde, sollten nachhaltigen Einfluss auf die StellungDeutschlands in der Weltwirtschaft in den darauffolgenden Jahrzehn-ten haben.

Für die eigentlichen Kriegsjahre liegen keinerlei Schätzungen überdie Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität vor, denn diestatistische Erfassung der volkswirtschaftlichen Leistung stieß durchdie Aufblähung des Geldvolumens und der schon im Ersten Weltkriegeinsetzenden Inflation bald an ihre Grenzen. Doch gehen Schätzun-gen davon aus, dass die Industrieproduktion im Jahr 1914 auf 83 Pro-zent des Standes von 1913 zurückfiel und 1918 nur noch 57 Prozentbetrug. Die Gründe für diese Entwicklung liegen vor allem in derReduzierung der qualifizierten Arbeitskräfte, in der unzureichenden,im Laufe des Krieges immer schlechter werdenden Rohstoffversor-gung, in der mangelhaften Ernährung, in der Abschnürung desAußenhandels und schließlich in der allgemeinen Desorganisationdes wirtschaftlichen Lebens, das seit 1916 einer erheblichen Steue-rung von Seiten des Staates ausgesetzt war.

Lebenshaltungskosten

Realeinkommen

100

80

60

40

Lebenshaltungskosten und Realeinkommen im Deutschen Reich 1850 bis 1913 (1913 = 100)

18501852

18541856

18581860

18621864

18661868

18701872

18741876

18781880

18821884

18861888

18901892

18941896

18981900

19021904

19061908

19101912

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GründerzeitenDie Reichsgründung von 1871

Die Eisenbahn ist das neueVerkehrsmittel für dieIndustrialisierung: Bei Henkelgeht die erste firmeneigeneDampflokomotive „Persil“1911 in Betrieb.

Unerlässlich für eine moderne Produktion:Energieversorgung durch dieDampfmaschine im Kesselhaus von Henkel inHolthausen, 1913.

Mit dem Wachstum derFirmen wächst auch die Zahlder Büro-Angestellten: dieKassenabteilung von Henkel, 1912. Das Kontor leitet Prokurist Peter Schifferdecker (links).

Bereits vor dem ErstenWeltkrieg werden Lastwagenals Transportmittel einge-

setzt: Lieferwagen derBerliner Henkel-

Vertretung,1911.

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Eigene Forschungsabteilungals Basis für zukünftige

Markterfolge: Der ChemikerDr. Hugo Henkel errichtet1905 das erste Laborato-

rium (Foto von 1912).

Industrialisierung im Düssel-dorfer Süden: Für den

Schiffstransport von Roh-stoffen und Fertigwaren wird

1901 in Reisholz eineWerftanlage am Rhein

errichtet.

Damals das modernste vomModernen: Blick in das

Laboratorium OrganischeChemie, 1911. Sitzend links:

Hugo Henkel.

Neueste Geräte für zukunfts-orientierte Arbeiten: Kapillar-

elektrometer, 1890.

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II

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1 Josef Wilden, Fritz Henkel. Ein deutscher Unternehmer,Düsseldorf 1933. ElisabethSchmitt, Henkel & Cie AG,Chemische Produkte, Düssel-dorf 1932. August Lomberg,Vöhl. Bilder aus der Heimatunseres alten Herrn, in: Blättervom Hause (abgekürzt: BvH) 7,1927, S. 167–170. Siehe auchzu den Anfängen der chemi-schen Industrie im Rheinland:Hans Pohl u.a., Die chemischeIndustrie in den Rheinlandenwährend der industriellenRevolution, Bd. 1: Die Farben-industrie (= Zeitschrift fürUnternehmensgeschichte,Beiheft 18), Wiesbaden 1983.

Henkelvon 1876 bis 1918

Die Gründungdes Unternehmens

und seine Entwicklung bis 1914

Vor diesem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichenHintergrund errichtete Fritz Henkel (1848–1930) im September 1876seine Aachener „Universalwaschmittelfabrik“, die die Keimzelle derheutigen Henkel-Gruppe bildete. Der aus Hessen stammende Kauf-mann hatte die Firma zusammen mit zwei Geschäftsfreunden gegrün-det. Als Sohn eines Lehrers in Vöhl geboren hatte er nach demSchulbesuch in Korbach die hessische Heimat verlassen, um in Elber-feld eine kaufmännische Lehre in einer chemischen Fabrik aufzuneh-men. Es war die „Take-off“-Phase der chemischen Industrie, die ihrekleingewerblichen Anfänge nun hinter sich ließ und – gestützt aufvielfältige Basisinnovationen, etwa im Bereich der Farbsynthese –großindustrielle Strukturen entwickelte.1

Schon „als Knabe“ hatte Fritz Henkel nach eigenem Bekenntnis eine„lebhafte Neigung“ für chemische Vorgänge empfunden, die er dannab 1865 während der kaufmännischen Ausbildung bei der Farben-und Lackfabrik der Gebrüder Gessert in Elberfeld nutzen konnte. DieFirma hatte gerade die Herstellung des künstlichen Farbstoffs Aliza-rin aufgenommen, ein Produktionszweig, der für die rheinischeIndustrie wegweisend wurde. Nach seiner Ausbildung wurde FritzHenkel als Prokurist in die Geschäftsführung der Firma Gessert beru-fen. 1874 machte sich der Kaufmann als Teilhaber der Aachener Fir-ma Fellinger & Strebel, einer Großhandlung für Chemikalien undFarbwaren, selbständig. Nunmehr unter Henkel & Strebel firmierend,übernahm Fritz Henkel den Alleinverkauf für chemische Grundstoff-lieferanten wie die Ammoniaksodafabrik von Moritz Honigmannoder die Rheinische Wasserglasfabrik in Herzogenrath, die zu denPionieren der industriellen Großchemie gehören.2

Der Konjunktureinbruch nach den Gründerjahren hinterließ deutlichseine Spuren, die auch in den Jahresberichten der Aachener Handels-kammer Erwähnung finden. So heißt es zum Jahr 1876: „[...] viel-leicht niemals seit dem Dreißigjährigen Kriege sah man eine Krisevon dieser Dauer.“ Diese Situation hielt Fritz Henkel aber nicht davonab, weiter nach neuen Geschäftsmöglichkeiten Ausschau zu halten.Noch vor seiner Trennung von Strebel im September 1877 hatte derUnternehmer gemeinsam mit den Aachener Kaufleuten Otto Scheffenund Otto Dicker, den Besitzern der Rheinischen WasserglasfabrikHerzogenrath, die Handelsgesellschaft Henkel & Cie ins Leben geru-fen, wie das Aachener Handelsgericht unter dem 26. September 1876

2 Neben der belgischen Solvay AG hatte Moritz Honig-mann als einer der ersten dieSodagewinnung nach demAmmoniakverfahren betrieben.Siehe Franz W. Stehlik, Aus derGeschichte der Soda, in: BvH 15, 1935, S. 441f. zu denVerbindungen zwischen FritzHenkel und Honigmann.

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im Gesellschaftsregister anzeigte. Als Produktionsbetrieb war in derRudolfstraße im Nordosten Aachens eine ehemalige Schuhfabrikbezogen worden, wo man die Produktion von Waschmitteln aufneh-men wollte.3 Die Fabrikanten beabsichtigten, eine aus dem US-ameri-kanischen Bürgerkrieg (1861–1865) stammende neue Waschmethodeauch in Deutschland zu vermarkten: Sie ersetzte bei der HauswäscheSeife, die teuer war und eine aufwändige Bearbeitung durch Waschen,Spülen, Bleichen erforderte, durch auf Soda basierende Substanzenwie „Waschmehl, Fettlaugenmehl oder Waschkrystall“, die sich alsechte Alternative erweisen sollten.

Nachdem das „Universal-Waschmittel“ aufgrund der beschränktenWaschwirkung noch nicht voll überzeugte und die Herstellungskostenzu hoch waren, kam Henkel im Frühjahr 1878 mit dem neuen ProduktHenkel’s Bleich-Soda auf den Markt. Die Herstellung erforderteweder großen personellen noch maschinellen Aufwand; und beimVertrieb konnte Fritz Henkel über bereits bestehende Geschäftskon-takte einen größeren Kundenkreis ansprechen.4

Da die Produktion in Aachen aufgrund der geographischen Randlageder Stadt die Transportkosten in die Höhe trieb, verlegte Henkel sei-ne Firma im Spätsommer 1878 wegen der besseren Verkehrs- undAbsatzsituation nach Düsseldorf. Die ehemalige kurfürstliche Resi-denzstadt war zu dieser Zeit ein aufstrebender Industriestandort, dervor allem von seiner Funktion als Eisenbahnknotenpunkt und Rhein-hafen profitierte. Doch verzögerte sich die Geschäftsaufnahme ineiner angemieteten Seifensiederei in der Schützenstraße in Düssel-dorf-Flingern zunächst durch die Proteste der benachbarten Grund-und Hausbesitzer: In einem Schreiben an den Magistrat äußerten siedie Befürchtung, dass „sowohl in sanitärlicher Hinsicht als auch indem Umstande, dass die umliegenden Häuser und Grundstücke durchdie entstehenden Dämpfe der projektierten Anlage an ihrem Werteverlieren, die Einwohner ausziehen und wir somit nicht mehr in derLage bleiben, unsere Steuern [...] bezahlen zu können.“5 Die siebzehnMänner und Frauen, die das Gesuch unterzeichnet hatten, beriefensich auf das in der Gewerbeordnung begründete Einspruchsrecht, dasbereits damals für industrielle Ansiedlungen bestand. Damit hatten siezunächst offenbar Erfolg, denn Henkel wurde die Betriebserlaubnisfür die Produktion erst im Mai 1879 nach achtmonatiger Wartezeiterteilt. Nicht nur, um diesen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen,sondern auch, weil sich der Betrieb in der Schützenstraße für dieexpandierende Produktion bald als zu klein erwies, errichtete derUnternehmer ein Jahr später einen Neubau an der Gerresheimer Stra-ße in Düsseldorf-Oberbilk.

3 Siehe dazu die Schilderung von Fritz Henkel sen., An meineMitarbeiter, in: BvH 3, 1916, S. 485–489. Auch ErichHeinerth, Aus der Geschichtedes Wasserglases, in: BvH 14,1934, S. 253–257, sowieCornelia Goosmann, Ein Jahrhundert Wasserglas von Henkel (= Schriften des Werksarchivs 17), Düsseldorf 1985.

4 Henkel & Cie, Werden undWirken. 1876–1926, Düsseldorf, 1926, S. 12–14. Manfred Schöne, Die Anfängeder Firma Henkel in Aachen und Düsseldorf (= Schriften des Werksarchivs 5/6),Düsseldorf 1973, S. 18.

5 Schöne, Anfänge, S. 33.

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Wie schon zuvor handelte sich auch bei dem Werk an der Gerreshei-mer Straße um einen sogenannten Konfektionierungsbetrieb, in demdie angelieferten Grundstoffe zu einem neuen Produkt verarbeitet wur-den. Die Abhängigkeit von externen Zulieferern ließ Fritz Henkeljedoch nicht ruhen: Bereits bei der Übersiedlung von Aachen nachDüsseldorf hatte er an die Errichtung einer eigenen Wasserglasfabrikgedacht. Als ihm 1884 die Rheinische Wasserglasfabrik in Herzogen-rath, sein bisheriger Lieferant, zum Kauf angeboten wurde, griff derUnternehmer zu und verlegte den Betrieb nach Düsseldorf. Auch jetzthatte es Henkel wieder mit einer Vielzahl aufgebrachter Anwohner zutun, die auf gerichtlichem Wege versuchten, den Bau abzuwenden, dasie eine Vergiftung der umliegenden Felder und Gärten durch nieder-gehende Ausdünstungen befürchteten. Doch unbeirrt von diesenWiderständen war der Unternehmer davon überzeugt, „dass ich meinerKundschaft gegenüber eine größere Bürgschaft für die Güte undGleichmäßigkeit des Fabrikates geben könne, wenn ich das Wasserglasherstellte“. Mit dem Bau der Wasserglasanlage konnte Henkel schließ-lich aufgrund der besonderen Güte seiner Produkte nicht nur an die„Spitze der deutschen Wasserglasfabriken“ aufrücken, sondern ebneteseinem Werk auch den Weg von der kleinen Fabrik zum Großbetrieb.6 6 Hundert Jahre Henkel, S. 34.

1400

1200

1000

800

600

400

200

Umsätze der Henkel & Cie 1884 bis 1900 in Tausend Mark

1884 0

1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900

239

362

361

415 44

0

462 51

8

504

589 65

0 715

695

740

799

914

1.08

2

1.15

5

Quelle: Schöne, Anfänge, S. 60.

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Nur kurze Zeit verging, bis das junge Unternehmen erneut aus seinemUmfeld herausgewachsen war. Weil die Werksfläche nicht mehr aus-zudehnen war und ein Eisenbahnanschluss fehlte, sah sich Fritz Hen-kel nach einer neuen Bleibe für seine Firma um: Im Jahr 1899 erwarbder Unternehmer im damaligen Düsseldorfer Vorort Holthausen zueinem Preis von 98.808 Mark ein 54.846 Quadratmeter großes Indus-triegelände. Es wurde mit einem Eisenbahnanschluss ausgestattet,erhielt einen Zugang zum 1901 errichteten Reisholzer Rheinhafenund bot ausreichend Raum für Erweiterungen.7 Das kleine, 600 Ein-wohner zählende Dorf Holthausen, zu dieser Zeit noch an der süd-lichen Stadtgrenze Düsseldorfs gelegen, sollte sich zu einem derwichtigsten Industriestandorte der Region entwickeln. Wie in anderenindustriellen und gewerblichen Zentren war innerhalb des Stadtgebie-tes längst nicht mehr genügend Fläche für industrielle Ansiedlungenvorhanden, so dass sich investitionswillige Unternehmen zunehmendan der Peripherie ansiedelten.

Mit dem Erwerb tat der Unternehmer einen mutigen Schritt, denn eswar ein außergewöhnlicher Sprung von dem bescheidenen Fabrikge-lände an der Gerresheimer Straße zu der ausgedehnten Industrieflächein Holthausen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Fritz Henkelnach Abschluss des Kaufvertrages Bedenken plagten. Doch bliebendiese unbegründet: Der Unternehmer hatte sich mit seiner Investitionnur vorübergehend „übernommen“; er handelte im Nachhineinbetrachtet überaus vorausschauend: Das Gelände bot zahlreicheErweiterungsmöglichkeiten, von der in der Folgezeit auch sukzessiveGebrauch gemacht wurde. Dass dieser Ausbau weitgehend den Erfor-dernissen des Augenblicks folgte und nicht strategisch geplant war,zeigt sich allerdings in der unsystematischen Lage und Linienführungder einzelnen Fabrik- und Verwaltungsgebäude. Mit seinen Pfeilernund Fensterbögen in gelben Verblendsteinen, den schlichten Back-steinflächen und Teerpappedächern wies das neue Werk die typischenAttribute der wilhelminischen Fabrikarchitektur auf.

In der schwierigen Aufbauzeit des Unternehmens fand Fritz HenkelUnterstützung bei seiner Familie. 1873 hatte er Elisabeth von denSteinen geheiratet. Aus der Ehe gingen die vier Kinder August, Fritz,Hugo und Emmy hervor, von denen der Älteste bereits 1879 mit fünfJahren starb. Der Unternehmer sorgte dafür, dass seine Söhne denBetrieb „von der Pieke auf“ kennen lernten: Fritz jun. begann seineLaufbahn im väterlichen Unternehmen 1893 mit einer kaufmänni-schen Lehre, erhielt 1899 Prokura und wurde 1904 zum persönlichhaftenden Gesellschafter ernannt. Ein Jahr später nahm auch dernachgeborene Sohn Hugo nach Abschluss seines Chemiestudiumsseine Tätigkeit in der Firma auf. Er war der erste voll ausgebildeteund promovierte Chemiker der Firma und wurde 1908 persönlich haftender Gesellschafter. Beide Söhne bildeten somit in kaufmänni-scher und technischer Hinsicht die ideale Doppelstütze des Geschäfts.Ihre Schwester Emmy, seit 1904 mit dem selbständigen KaufmannErnst Hugo Lüps verheiratet, wurde 1911 ebenfalls persönlich haftende Gesellschafterin, aber ohne an der Geschäftführung der Firma beteiligt zu sein.

7 Siehe dazu im einzelnenManfred Schöne, StammwerkHenkel. 80 Jahre in Düsseldorf-Holthausen (= Schriften desWerksarchivs 10/11), Düssel-dorf 1981, sowie HenkelKGaA,100 Jahre Holthausen (= Schriften des Werksarchivs,Sonderband 2), Düsseldorf 1999.

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Quelle: B 4, Produktion derHenkelwerke in Düsseldorf vom 21.9.1950

Durch die Umsiedlung nach Holthausen konnte Henkel einen Grund-satz der Unternehmenspolitik verwirklichen, der von nun an von aus-schlaggebender Bedeutung sein sollte, nämlich die Qualität derProdukte auch dadurch zu garantieren, dass sämtliche Grundstoffeaus eigenen Produktionsanlagen kamen. Bis Ende 1900 wurden vierGebäudekomplexe fertiggestellt: die Wasserglas- und die Bleichsoda-fabrik, das Bürogebäude und das Meisterwohnhaus. Die Produktionkonnte im März 1900 aufgenommen werden. Der gesamte Firmenor-ganismus mit seinen 80 Mitarbeitern war noch auf den Prinzipal, den„Alten Herrn“, zugeschnitten, der von seinem Sohn Fritz sowie demzweiten Prokuristen Peter Schifferdecker unterstützt wurde. DemBürochef Schifferdecker unterstanden Kontoristen, eine Schreibdameund kaufmännische Lehrlinge, während dem technischen Betriebslei-ter Matthias Klingenberger die Meister der Wasserglas- und Bleich-sodafabrik, die Facharbeiter, Handwerker, die jugendlichenmännlichen und weiblichen Hilfsarbeiter sowie die Meisterin derdamaligen Teepackerei unterstellt waren.

Produktionsmengen der Henkel & Cie 1900 bis 1913 in Tonnen

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Die nach der Einführung des Waschmittels Persil 1907 einsetzendeaußerordentlich starke Nachfrage nach Henkel-Erzeugnissen erfor-derte den raschen Ausbau der Werksanlagen. Neben Wasserglas wur-de bald Seife aus Fettsäuren hergestellt, schließlich auch die Fettsäureselbst aus Öl gewonnen. Als Ergänzungs- und Hilfsbetriebe wurdendazu 1908 eine Seifenfabrik sowie ab 1909 Ölgewinnungsanlagenerrichtet, in denen als Rohstoffe vor allem Palmkerne und Sojabohnenverarbeitet wurden. Als Nebenprodukt fiel hier Glycerin an, das ineiner eigens dazu errichteten Glycerinfabrik als Ausgangsstoff fürkosmetische Produkte oder Dynamit (Nitro-Glycerin) weiter verar-beitet wurde.8 So entstanden mit der Ölspaltungs-Anlage, den Ölraf-finationsanlagen und der Glycerinfabrik die Holthausener Öl-Betriebe. Die Glyzerinfabrik war 1914 die größte in Europa. Auchdie Verpackungsbetriebe expandierten: In der Karton- und Hüllen-fabrik wurden Pappen und Papier geschnitten, gefaltet, geklebt und zuPersil-Paketen verarbeitet. In der benachbarten Kistenfabrik fertigtenArbeiter Versandkisten. Bis nach dem Ersten Weltkrieg wurde Persilvon Hand abgefüllt und jedes Päckchen einzeln auf sein Füllgewichtgeprüft. Ab 1922 liefen die leeren Schachteln über ein Transportbandzu einer „Füllerin“, die sie mit Hilfe eines Trichters füllte und zumVerschließen an zwei „Kleberinnen“ weiterreichte. Das Team brachtees auf eine Tagesleistung von 12.000 Paketen.

Im Laufe der Jahre entstand im Zuge der Vertikalisierung des Unter-nehmens Betriebsanlage nach Betriebsanlage, die mit den Verwal-tungs- und Laborgebäuden ein Ganzes bildeten, das vor dem ErstenWeltkrieg mehr als 1.000 Beschäftigten Arbeit bot.9 Das Wachstum desUnternehmens erforderte schließlich eine neue Organisationsstruktur,die in der Aufstellung vom Dezember 1911 zum Ausdruck kommt:

8 „Glycerin. Ein Star mit 75 Jahren“, in: Henkel-Blick10/1985, S. 5, und Friedrich Bohmert, 75 Jahre Henkel Glycerin (= Schriften des Werksarchivs18), Düsseldorf 1985.

9 „50 Jahre kaufmännischerTätigkeit“, in: BvH 2, 1915, S. 149. Siehe auch Fritz Picard,Die bauliche Entwicklung desStammhauses in Düsseldorf, in: BvH 12, 1932, S. 260–261.

Organisationsstruktur 1911

Quelle: J 105, Betriebs-Konferenz, 20.12.1911.

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Quelle: J 105, Betriebs-Konferenz, 22.4.1913.Die Abteilungen wurdenalphabetisch abgekürzt von A bis M.

Organisationsstruktur 1913

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Zur Vereinfachung und Rationalisierung sollte „insbesondere beiBestellungen die Abteilung nicht wörtlich“ genannt werden, sondernnur „deren Buchstabe“. Im April 1913 hatte sich die Organisation desBetriebes weiter differenziert.10

Die Expansion des Unternehmens machte die zunehmende Delega-tion von Leitungsfunktionen auf Direktoren und Meister unabdingbar.Um dennoch auch über innerbetriebliche Belange auf dem Laufendenzu bleiben, beschloss die Geschäftsleitung 1912, „dass die Meisterüber ihre Arbeiter im Privatbüro oder an anderer geeigneter Zentral-stelle von Zeit zu Zeit Bericht erstatten“ sollten.11

Zugleich begann sich auch die technische Ausstattung der Betriebe zuverbessern, wenn dabei auch noch vieles über Versuche und Experi-mente erfolgte. Dabei erging 1912 die Anweisung, den „gekapselte[n]Motor in der neuen Seifenfabrik [...] zu beobachten, vielleicht istunsere bisherige Ansicht, dass diese Motore keinen besonderen Vor-zug verdienen, zu revidieren. Vielleicht eignen sich gekapselte Motorefür staubige Betriebe, da dadurch das Motorhäuschen gespart wirdund Störungen durch Staub ausgeschlossen sind.“12 Aus Gründen derArbeitssicherheit und um einen kontinuierlichen Betrieb aufrechter-halten zu können, sollten Wartungsarbeiten, etwa an den Treibriemen,nicht mehr wie gewohnt einmal im Jahr, nämlich „nur während derWeihnachtszeit, sondern auch gelegentlich anderer Reparaturen vor-genommen werden“.13

Allem Neuem gegenüber aufgeschlossen verfügte Henkel seit 1884mit der Ruf-Nummer 75 nicht nur über einen Anschluss an das Düs-seldorfer Fernsprechnetz, sondern mit dem Aufkommen von Elektro-und Dieselmotoren dachte die Betriebsleitung auch über Möglichkei-ten zur „Entlastung unseres Fuhrwerkes“ nach. Der „Alte Herr“ selbstschlug vor, „ein Motor-Dreirad mit Transportkasten anzuschaffen, dasdie eiligsten kleinen Sachen aus der Stadt täglich holen könnte“.14

Henkel befand sich offensichtlich auf dem Weg zum Musterbetrieb:Als sich eine Delegation der Handelskammer im Mai 1912 zur Werks-besichtigung anmeldete, legte Firmengründer Fritz Henkel„besonders Wert darauf [...] dass alles in bester Ordnung ist“. Meisterund Vorarbeiter wurden deswegen angehalten, „für große Sauberkeitzu sorgen“.15

Nach Jahren knapper Kasse schien sich nun dauerhafter Wohlstandeinzustellen. Zum Preußischen Königlichen Kommerzienrat ernanntbezog der Unternehmensgründer im Jahr 1911 seinen repräsentativenAlterswohnsitz, ein Landhaus in Rengsdorf am Fuße des Westerwal-des.16

10 J 105, Betriebs-Konferenz,20.12.1911 und 26.8.1913.

11 J 105, Betriebs-Konferenz,31.1.1912.

13 J 105, Betriebs-Konferenz,15.5.1912.

12 J 105, Betriebs-Konferenz,10.4.1912.

15 J 105, Betriebs-Konferenz,1.5.1912.

14 J 105, Betriebs-Konferenz,6.12.1911.

16 Siehe zu Fritz Henkel sen.und seinem Sohn Fritz jun. auchdie beiden Nachrufe in den BvH 10, 1930, 34-51, 102-170.Siehe auch die Beilage zumHenkel-Blick anlässlich des 150. Geburtstages desUnternehmensgründers vomMärz 1998.

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Aachen, Rudolfstraße 15:Mit der Fabrik im Hinterhofmacht sich Fritz Henkelselbständig. Rechts: Die „Geburtsurkunde“der Firma Henkel – der Eintragins Aachener Handelsregisteram 26. September 1876.

1878 verlegt Fritz Henkelsein Werk nach Düsseldorf,zunächst in eine angemiete-te Fabrik in der Schützen-straße im Stadtteil Flingern.Pferdefuhrwerke ersetzenden fehlenden Bahn-anschluss.

Das erste eigene Henkel-Werk: die 1880 neu erbaute Fabrik in der Gerresheimer Straße inDüsseldorf-Oberbilk.

Hochzeitsfoto: 1873 heiraten Elisabeth von den Steinen und Fritz Henkel in Elberfeld.

Gründerzeiten Die Anfänge der Firma

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Familie Henkel 1901: Oben Firmengründer

Fritz Henkel und seine FrauElisabeth. Darunter (von

links) die drei Kinder Fritz jun., Hugo und Emmy.

Das Büropersonal vonHenkel im Jahr 1908.

Namentlich bekannt sind(sitzend von links): Oskar

Reich, Fritz Henkel jun. undPeter Schifferdecker.

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Zur Gewinnung von Wasser-glas schaufeln Arbeiter beiHenkel wöchentlich 20 Tonnen Sand, 10 Tonnen Soda und 20 Tonnen Kohlen in einenOfen. Gemälde von Hans Deiters Ende des 19. Jahrhunderts.

Henkel’s Bleich-Soda, dererste Markenartikel-Erfolg1878: Das Waschmittel wirdfür zehn Pfennig pro 200 Gramm in festenPapiertüten angeboten.

Das erste Persil-Paket von 1907. Rechts: Die „Geburts-anzeige” für Persil in derDüsseldorfer Zeitung vom 6. Juni 1907.

Zunächst wird Persil von den Packerinnen von Handin die Pakete eingefüllt und gewogen.

Eines der ältesten Persil-Plakate: das „Wäschermädel“ von 1910.

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17 So die Versprechungen aufeinem Handzettel mit Werbungund Anleitung für das Universal-Waschmittel aus dem Jahr1877, siehe Schöne, Anfänge,S. 17–20.

18 Siehe zur Pionierarbeit Fritz Henkels auch den gleich-lautenden Beitrag in: BvH 10,1930, S. 192f.

Marken und Märkte

Universal-Waschmittel und Henkel’s Bleich-Soda

Nach gemeinsamen Versuchen mit der Wasserglasfabrik Herzogen-rath entwickelte Henkel & Cie 1876 ein Waschmittel, „welches wirdamals unter dem Namen Universal-Waschmittel [...] in den Handel[...]“ brachten, wie Fritz Henkel rückblickend erinnerte. Dabei han-delte es sich um ein Gemisch aus den beiden waschwirksamen Stof-fen Wasserglas und kalzinierter Soda, das sich in pulverisierter Formals „vorzügliches und billiges Waschmittel“ erwies. Als Vorteile desneuen Produktes pries Henkel & Cie die Schonung von Wäsche undHänden, die rasche Reinigungsphase und die Kostenersparnis.Wäsche wurde auch ohne die bislang obligatorische Bleiche „blen-dend weiß“ und blieb zudem „vollständig geruchlos“.17 Das Univer-sal-Waschmittel wurde Anfang 1878 durch Henkel’s Bleich-Sodaabgelöst, wiederum eine konfektionierte Mischung aus Soda undWasserglas. Das Produkt, das Vergilbungserscheinungen an derWäsche reduzierte, die aufgrund des eisenhaltigen Brauchwassersauftraten, verzeichnete einen großen Erfolg: Die Produktion stieg von5.000 Tonnen im Jahr 1899 auf 26.000 Tonnen im Jahr 1909. Schonvor der Jahrhundertwende lagen die Verkaufserlöse für Henkel’sBleich-Soda im Jahr 1899 bei fast 700.000 Mark.18

Handelswaren

In der schwierigen Anfangszeit erwies es sich als vorteilhaft, wenn dieHandelsreisenden ihren wichtigsten Kunden, den Kolonialwarenge-schäften, mehrere Artikel anbieten konnten. Aus diesem Grund nahmFritz Henkel zu Anfang neben Henkel’s Bleich-Soda auch Handels-waren wie Ultramarin, Glanzstärke, kosmetische Artikel wie Putz-und Familienpomade, Fleischextrakt und Tee in sein Angebot auf.Während der Vertrieb der meisten Handelsgüter zwischen 1887 und1889 eingestellt wurde, wurde das Teegeschäft erst 1887 aufgenom-men. Die Kolonialwarengeschäfte handelten damals nur losen Tee,der bei ungünstiger Lagerung sein Aroma rasch verlor. Henkel kamnun mit Tee in luftdichten Blechdosen auf den Markt, der haltbarerwar. Erst um 1910 hatte das Tee-Geschäft – nach dem Erfolg mit Persil – an Bedeutung verloren, so dass die Firma ihre Reisenden auf-rief, „sich keine Mühe zu geben, den Artikel draußen zu verkaufen, sogroßen Wert legen wir nicht darauf“. Schließlich wurde derGeschäftszweig eingestellt.

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Pflanzendünger

Ab 1898 produzierte Henkel zudem das Düngemittel Martellin, einKali-Produkt, das insbesondere beim Tabakanbau gute Ergebnisseerzielte.19 Das Verkaufssegment wurde 1902 durch das Blumendün-gemittel Floral ergänzt, das – noch in sehr geringem Umfang produ-ziert – die Basis für die nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnetePflanzen- und Gartenpflege-Produktpalette bilden sollte.

Persil

Nach der Jahrhundertwende kündigte sich in der Waschpulver-Ent-wicklung eine bahnbrechende Neuheit an: die Reinigung der Wäschemittels sauerstoffhaltiger Waschmittel. Grundlage dafür bildete dieEntwicklung von Perborat, einem sauerstoffhaltigen Bleichmittel, dasdie Rasenbleiche ersetzen konnte. Die Substanz, die von der FirmaDegussa unter dem Namen Oxygenol hergestellt wurde, war geruch-los und faserschonend und bot somit die ideale Voraussetzung alsWaschmittelgrundstoff. Im Mai 1907 schloss Henkel einen auf zehnJahre befristeten Liefervertrag mit Degussa ab, um ein sauerstoffhal-tiges Waschmittel produzieren zu können.

Im Sommer 1907 kam das neue Henkel-Produkt Persil auf den Markt,dessen Name sich aus den wichtigsten Bestandteilen, Perborat undSilikat, zusammensetzt. Die Verbraucherinnen waren rasch von denVorzügen des neuen Produkts überzeugt. Persil, das erste „selbsttäti-ge Waschmittel“, machte aus der Mühsal des Wäschewaschens einevergleichsweise bequeme und leichte Arbeit, die nur noch wenigKraft erforderte. Bislang war Wäsche durch Einseifen, zweimaligesKochen sowie durch Reiben mit Waschbrett und Bürste umständlichund mit schwerer körperlicher Anstrengung behandelt und dazu nochzur Rasenbleiche ausgelegt worden. Nun genügte nach dem Einwei-chen ein einmaliges Kochen mit Persil. Die Wäsche wurde nicht nurblendend weiß und erhielt einen frischen Duft, sondern wurde gleich-zeitig desinfiziert und geschont. Kein Wunder also, wenn Henkel sei-ne Entdeckung als Kulturbeitrag feierte.20

Die Bedeutung von Persil für den Erfolg, ja für das Überleben der Fir-ma Henkel ist kaum zu überschätzen. Persil hat den Aufstieg vonHenkel vor dem Ersten Weltkrieg geprägt, es hat nach seiner Wieder-einführung 1920 Henkel zwischen den Kriegen finanziert und war dieentscheidende Gewinnquelle nach der zweiten Wiedereinführung imJahr 1950.21 Allerdings verliefen die ersten Phasen der Einführungnicht reibungslos. Fritz Henkel und seine Söhne zeigten in dieserschwierigen Zeit das Stehvermögen, das große Unternehmer aus-zeichnet. Sie mussten Rückschläge einstecken, die zu prägendenErfahrungen wurden. Der nach der Einführung von Persil notwendiggewordene Bankkredit war mit strengen Auflagen verbunden, dienach Rückzahlung des Kredits zum ehernen Grundsatz führten, niemehr in irgendeine Form der Abhängigkeit von Banken zu geraten.Das Angebot an Degussa, anstelle von ausstehenden Schulden für dasgelieferte Perborat Geschäftsanteile von Henkel zu übernehmen, wurde

19 „50 Jahre kaufmännischerTätigkeit“, in: BvH 2, 1915, S. 149.

20 Hundert Jahre Henkel, S. 48.

21 Die Produktionsunterbrechun-gen von Persil in und nach den beiden Weltkriegen warendurch Rohstoffmangel bedingt.Siehe auch die entsprechendenPassagen in den folgendenKapiteln.

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22 Goosmann, Wasserglas, S. 17.

23 Schöne, Anfänge, S. 59.

abgelehnt; umso größer die Genugtuung, als es Henkel nach demErsten Weltkrieg möglich wurde, bestimmenden Einfluss auf Degussaaufzubauen. Schmerzhaft blieben die Nachwirkungen des Lizenzver-trages aus dem Jahr 1909 mit Crosfield in England. Durch die Über-nahme von Crosfield durch die Lever Bros. 1919 war der Marken-name Persil zum Eigentum dieses Unternehmens in allen Gebietendes British Empire geworden – bis heute ist das Lever-Persil das füh-rende Waschmittel in Großbritannien. Langfristig war aber entschei-dend: Mit Persil wurde Fritz Henkel zu einem der ganz wenigen ganzgroßen Markenartikler. Mit Persil wurde der Stil des Unternehmensgeprägt.

Wasserglas

Neben Waschmitteln gehörte auch der Grundstoff Wasserglas, denHenkel seit 1884 selbst produzierte, schon bald zu den wichtigstenUmsatzträgern des Unternehmens. Da die Qualität der Substanz vonhohem Einfluss auf die Beschaffenheit des Waschpulvers war – beieiner schlechten Wasserglas-Charge backte die Soda fest und wurdeunlöslich – hatte Fritz Henkel beschlossen, sich unabhängig von sei-nem bisherigen Zulieferbetrieb zu machen. Er kaufte die RheinischeWasserglasfabrik in Herzogenrath (bei Aachen) und verlagerte sienach Düsseldorf.22

Über den Eigenbedarf hinaus begann Fritz Henkel rasch, Wasserglasauch zu vermarkten. Der Umsatz aus Fremdverkauf an die Textil-,Papier- und Bauindustrie stieg von rund 40.000 Mark im erstenBetriebsjahr auf 288.000 Mark im Jahr 1900, so dass die Kapazitätenin der Folgezeit mehrmals erweitert wurden.23

Fettsäuren und Glycerin

Wie schon 1884 bei der Produktion von Wasserglas als Rohstoff fürHenkel’s Bleich-Soda verfolgte der Unternehmer auch für Persil dieStrategie, möglichst alle Rohstoffe des Produktes selbst herzustellen,um damit unabhängiger von der jeweiligen Marktlage sein zu können.Fritz Henkel sah in der gleichbleibenden und höchsten Marken-qualität den Schlüssel zu einem dauerhaften Produkterfolg. ZurQualitätskontrolle errichtete das Unternehmen 1908 eine eigene gro-ße Seifenproduktion sowie 1911 eine Ölextraktionsanlage, die durchSpaltung Öle in Fettsäuren und Rohglycerin zerlegte. Während dieÖlrückstände zu Futter- und Düngemitteln verarbeitet wurden, dien-ten die Fettsäuren zur Seifenherstellung.

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Die Ölextraktionsanlage schuf gleichzeitig die Grundlage für eineökonomische Gewinnung von Rohglycerin, das bereits ab 1910 in derneu errichteten Glycerinfabrik zu verkaufsfähigen Qualitäten umge-wandelt wurde. Glycerin diente als Rohstoff insbesondere bei derSprengstoff-Produktion sowie als Grundlage für kosmetische undpharmazeutische Produkte. Im ersten Produktionsjahr stellte Henkel328 Tonnen Glycerin her, die einen wertmäßigen Umsatz von 387.000Mark ergaben. Angesichts der steigenden Nachfrage an Rüstungsgü-tern vor und während des Ersten Weltkriegs steigerte Henkel seinenGlycerin-Umsatz binnen weniger Jahre um ein Mehrfaches und wur-de zum größten Glycerin-Produzenten Europas.24

Soda

Soda wurde vor allem zur Seifen- und Glasherstellung verwendet undgehörte neben Schwefelsäure zu den wichtigsten Zweigen für denAufbau der industriellen Chemie.25 Das nach dem französischen ArztNicholas Leblanc benannte Verfahren, das die Anorganische Chemiebegründete, basierte auf dem Ausgangsstoff Steinsalz, der durchZufuhr von Schwefelsäure in Natriumsulfat umgewandelt und durchGlühen mit Holzkohle und Kalkstein in Calciumsulfid und Soda über-führt wurde. Das Leblanc-Verfahren beherrschte die Soda-Herstel-lung nahezu ein Jahrhundert lang und wurde erst zu Beginn der1860er Jahre durch das Solvay-Verfahren abgelöst.26

Henkel war schon seit längerem bestrebt gewesen, sich auch in derSodaversorgung unabhängig zu machen, jedoch gelang dies erst wäh-rend des Ersten Weltkriegs, als der Hauptlieferant Matthes & Weberin Schwierigkeiten geraten war.27 Von 1917 bis 1994 gehörte dasDuisburger Unternehmen zur Henkel-Gruppe, sicherte überwiegendden Sodabedarf des Unternehmens für die Wasserglas-Herstellungund setzte auf dem freiem Markt kalzinierte Soda, Natriumbicarbonatund Ätznatron besonders an Glas- und Chemiehersteller ab.

24 Hundert Jahre Henkel, S. 70.Zum Fett- und Ölgeschäft vonHenkel siehe etwa FriedrichBohmert, Vom Fang der Walezum Schutz der Wale (= Schriftendes Werksarchivs 14), Düsseldorf1982. Derselbe, Glycerin. Siehedazu auch Freitag, Scheeleentdeckt vor 150 Jahren dasGlycerin. 1783–1933, in: BvH14, 1934, S. 257.

25 Zuvor war Soda auf natür-lichem Wege aus festen Ablage-rungen in Salzseen oder durchVerbrennen von natriumhaltigenSee- und Strandpflanzen gewon-nen worden. Siehe zur Verwen-dung von Soda und Ätznatron beider Seifenherstellung Hans Heller(Hrsg.), Chemie und Technologieder Seifen und Waschmittel, 2. Auflage Leipzig 1930, S. 270–286. Man unterschiednach ihrer chemischen Strukturverschiedene Sodaformen: Die„kalzinierte Soda“ bestandüberwiegend aus Natriumbicarbo-nat und fand in der Glasfabrika-tion und Bleicherei Verwendung.Demgegenüber bestand die„kaustische Soda“ überwiegendaus Ätznatron und wurde bei derPapier- und Seifenfabrikationbenötigt. Josef Goldstein,Deutschlands Sodaindustrie inVergangenheit und Gegenwart.Ein kritischer Beitrag zu deut-schen Zollpolitik (= Münchnervolkswirtschaftliche Studien 13),Stuttgart 1896, S. 2.

26 Volker Krug, Matthes & Weber150 Jahre Soda-Spezialist (= Schriften des Werksarchivs 23), Düsseldorf 1988, S. 7–9.

27 Matthes & Weber (M&W),Aufsichtsratssitzung,15.11.1916. D 200, Düssel-dorfer Zeitung vom 16.2.1917.Siehe allerdings zu den Schwierig-keiten aufgrund der M&W-Syndikatsbindungen M&W 116:Riese, Verhältnis Solvay/Henkel-M&W, 28.5.1948: Für Henkel„waren die Möglichkeiten derAusnutzung der eigenen Soda-Erzeugung sehr gering, weil dieE. Matthes & Weber AG syndi-katsgebunden war“. Das Syndikatwurde von der Dt. Solvaydominiert: Walther Däbritz, E. Matthes & Weber A.G.Duisburg. Die Entwicklung einerChemischen Fabrik in hundertJahren 1838–1938, Duisburg1938, S. 151f.

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Links und rechts: Anzeigen für das

Universal-Waschmittel 1876sowie für das aus Wasserglas

hergestellte DüngemittelMartellin 1898.

Waschmittel-Konkurrenz inAachen: Ernst Sieglin

produziert und verkauft ab1877 „Dr. Thompson’s

Seifenpulver Marke Schwan“.

Die erste Wasserglasfabrik inHolthausen: 1899/1900 als

eines der ersten Gebäudeauf dem neuen Henkel-

Werksgelände errichtet. Darunter: ein Stück

Wasserglas.

Plakat-Werbung für Henkel’sBleich-Soda, 1913.

Erfolgreiches Handels-produkt ab 1887: Durch die

Verpackung in Blechdosenmit patentiertem Verschluss

bleibt das Aroma vonHenkel´s Thee erhalten.

Ab 1902 vertreibt Henkelden Blumen-Dünger Floral.

GründerzeitenDie Anfänge des

Markenartikels

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Eine typische Waschkücheum 1920: In Persil-Laugegekochte Wäsche reinigtsich selbsttätig, ohne dassonst mühevolle Reiben mitBürste und Waschbrett(darunter).

Die Arbeiterinnen der Persil-Packerei 1908.

Die Versuchs- und Haus-wäscherei von Henkel inHolthausen um 1913.

Die Arbeitserleichterung derWaschfrau hat ihren Preis:Mit 35 Pfennigen für einhalbes Pfund und 65 Pfennigfür ein Pfund ist Persildeutlich teurer als herkömm-liche Waschmittel.

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28 K 101, Belegschafts-entwicklung 1876 bis heute.

29 J 105, Betriebs-Konferenz,17.6. und 25.9.1912.

Beschäftigung

Über die Zahl der Henkel-Mitarbeiter in der Startphase des Unter-nehmens gibt es keine verlässlichen Quellen. Nach kleingewerblichenAnfängen mit einer Handvoll von Produktionskräften beschäftigte dieFirma nach mündlichen Überlieferungen 1893 rund 60 Personen, vondenen 12 im Büro und Reisestab tätig waren. Nach der Jahrhundert-wende wuchs die Zahl der Mitarbeiter aufgrund des Erfolgs von Per-sil von 494 im Jahr 1909 auf 1.799 im Jahr 1918.28

Wie viele seiner Unternehmerkollegen legte auch Fritz Henkel großenWert auf eine feste Stammbelegschaft, die man gemeinhin mit einerloyalen und disziplinierten Mitarbeiterschar gleichsetzte. Sie galt alsGarant des Unternehmenserfolgs, da sie die Fluktuationserscheinun-gen eindämmte sowie die Laufleistung und den Ausstoß der Betriebekonstanter hielt. Um eine große Anzahl „braver Arbeiter“ an dasUnternehmen zu binden, betrieb Henkel eine großzügige Lohnpolitik,die durch ein reichhaltiges Wohlfahrtsangebot ergänzt wurde.

Zudem hatten die Betriebsdirektoren die Anweisung, „gute Arbeiter“unter allen Umständen zu halten: „Bevor gute und bewährte Arbeiter,die in andern Fabriken mehr Lohn verdienen können, entlassen wer-den, soll bei andern [sic!] Meistern angefragt werden, ob einedementsprechende und besser bezahlte Stellung frei ist. Selbst beiÜberzahl“ sollten diese Arbeiter „als Ersatz für die ständigen Wech-sel“ „möglichst [...] behalten“ werden.29

Offenbar gab es nur wenige Möglichkeiten, um die „wanderndeArbeiterschaft“ zu disziplinieren. Die Erstellung von Arbeitsordnun-gen, die die innerbetrieblichen Abläufe reglementierten, gehörtedaher im 19. Jahrhundert zu den kommunalen Auflagen bei derErrichtung von Industriebetrieben. Auch im Jahr 1911, als die Firmagewachsen und längst in den Vorort Holthausen umgesiedelt war, bil-dete die Disziplinierung der Mitarbeiter noch eine zentrale Frage inZirkularen und Betriebskonferenzen. Es war Aufgabe der Meister,„die Arbeiter“ anzuhalten, „nicht in anderen Betrieben herumzulau-fen, um Unzufriedenheiten, Diebstahl usw. vorzubeugen“. Sie sollten„streng darauf [...] sehen, dass die Arbeiter bis Schluss der Arbeitszeitan ihrer Arbeitsstelle bleiben und nicht etwa vorher ihre Umklei-deräume“ aufsuchten. 1913 wurden dem Arbeiter Jakobs die Befug-nisse eines Werkpolizisten übertragen. Er sollte vor allem währendder Pausen „für Ruhe und Ordnung auf dem Hofe sorgen“. Auch daspünktliche Erscheinen der Beschäftigten auf der Arbeitsstelle, dasoffenbar immer noch zu wünschen übrig ließ, sollte durch Sanktionenerreicht werden: Wer bis zu 15 Minuten zu spät kam, wurde mit 25Pfennig bestraft, bei größerer Verspätung drohten Maßnahmen bis hinzur Entlassung (§ 13 Arbeitsordnung). Dagegen sollten die Arbeiter,„die an allen Arbeitstagen eines Monats pünktlich“ zur Arbeit erschie-nen waren, nach Monatsende eine Prämie von 1 Mark erhalten.30

30 J 105, Betriebs-Konferenz,25.10. und 2.11.1911,14.3.1912, 7.10.1913 und6.1.1914.

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Belegschaftsentwicklung 1876 bis 1918

Quelle: E 1, Aktennotiz Plantech-nische Darstellung der Entwick-lung der Henkel-Werke,Düsseldorf, 1876–1941 vom17.9.1941, S. 1. Die Ange-stellten umfassen Innen- undAußendienst. Eine Aufschlüsse-lung nach Frauen und Männernfehlt. K 101, Belegschafts-entwicklung 1876 bis heute,und Schöne, Anfänge, S. 79.

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31 J 105, Betriebs-Konferenz,17.7.1912.

32 J 105, Betriebs-Konferenz,24.1.1912.

33 J 105, Betriebs-Konferenz,28.2.1912.

Zwar hatten sich in den einzelnen Produktionsbetrieben und Werk-stätten bereits frühzeitig unterschiedliche Lohnformen durchgesetzt,doch blieb die Lohngestaltung bis zum Ersten Weltkrieg noch weit-gehend patriarchalisch geprägt: Es war wiederum Aufgabe der Meis-ter, „vor Bewilligung höherer Löhne mit Herrn Dr. HenkelRücksprache“ zu nehmen, „um Unzufriedenheiten und Ungleichhei-ten möglichst zu vermeiden“.31 Während etwa die Ladekolonne in derÖlfabrik 1912 im Prämiensystem entlohnt wurde, hatte sich in derWasserglasfabrik die Akkordarbeit bewährt, die auch in der neuenSeifenfabrik eingeführt wurde.32 Durch die gute Bezahlung undzusätzliche Leistungen wurde Henkel früh zu einem begehrten Arbeit-geber in der Region: „Mehrleistungen bei angestrengter körperlicherArbeit“ wurden durch Akkordlöhne oder, „wo die Verhältnisse esgebieten“, Prämien geregelt. Ebenso wurden „alle die Posten in denBetrieben, die durch sorgfältige und aufmerksame Handhabung dieProduktion erhöhen oder die Produktionskosten verringern können“,durch bessere Bezahlung hervorgehoben.33

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BŸropersonal003 6. Sitzend

von links: Meister Willems,

Lehrling Liebig, Meister

Klingenberger, Prokurist

Schifferdecker, Lehrlinge

von Schwarze und Mensch;

stehend von links:

Korrespondent Poensgen,

Buchhalter KŸster, Expedient

Lang und Meister KrŸll.

Ein frŸhes Foto der Persil-

Meisterinnen: Namentlich

bekannt sind Meister Druxes

und Meisterin Wick

(zweite von links).

StŠrke-Produktion bei Sichel

in Hannover um003 0: Sichel

liefert den Leim fŸr dasZukleben der Packungen.

Gruppenbild derHenkel-Reisenden

03 4. Sitzend vonlinks: Zwingmann,Buchmann, Hermannsund Meynis; stehendvon links: Bulach,

HŸnnemann, Keibel,

von Wallbaum-

Traubitz und Ibels.

GrŸnderzeiten

Mitarbeiter im

Mittelpunkt

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Selbstbewusst und stolz, mitSchnurrbart und Schieber-mütze: Drei der rund 800

Arbeiter von 1911.

Eine neue Arbeitsordnunglegt 1911 die tägliche

Arbeitszeit auf 12 Stundenfest; darin sind 2 Stunden

Pause enthalten.

Blick in die Henkel-Schlosserei in Holthausen

um 1913.

Belegschaft der Holthausener Kistennagelei

1908.

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Umsatz

Angaben zum Mengen- und Wertumsatz der Henkel & Cie sind erstab 1884 dokumentiert. Der Gesamtumsatz lag in diesem Jahr bei239.000 Mark und stieg, mit wenigen Ausnahmen, stetig an, über-schritt 1899 die Millionen-Grenze und erreichte 1906 fast zwei Milli-onen Mark. Demgegenüber erscheinen für die frühe Zeit lediglichganz vereinzelt Angaben zur Gewinnentwicklung. Diese verlief etwazu Beginn der 1880er Jahre von 539,82 Mark im Jahr 1880 auf 64,41Mark im Jahr 1882 enttäuschend und macht deutlich, dass das Unter-nehmen in seiner Frühzeit offenbar mit vielfältigen Schwierigkeitenzu kämpfen hatte.34

Bis 1906 war Henkel’s Bleich-Soda das Hauptprodukt des Unterneh-mens. Davon produzierte Henkel 1884 genau 1.171 Tonnen underzielte einen Umsatz von 161.000 Mark. Bis 1906 konnte dieProduktionsleistung um das Achteinhalbfache gesteigert werden,während der Umsatz um 700 Prozent anstieg. Auch die Wasserglas-produktion verzeichnete einen kontinuierlichen Anstieg seit ihrer Auf-nahme im Jahr 1884. Lag der Verkaufserlös im ersten Geschäftsjahrbei rund 40.000 Mark, so war der Mengenumsatz allein zwischen1900 und 1906 um 105 Prozent angestiegen, so dass bis 1906 dieUmsatzerlöse aus dem Wasserglasgeschäft 566.000 Mark erreichten.

Gemessen am Umsatz der eigenen Produkte blieb der Umsatz mitHandelsgütern gering. Er lag 1884 bei 16 Prozent des Gesamtumsat-zes und ging bis 1886 auf 2,5 Prozent zurück. Zwischen 1887 und1889 wurde der Vertrieb dieser Artikel eingestellt. Die Umsatzerlöseaus dem Teeverkauf lagen dagegen bereits 1887 bei 36.000 Mark undkletterten bis 1890 auf 59.000 Mark. Zwischen 1888 und 1891 wiesdas Teegeschäft einen Umsatzanteil von über 10 Prozent am Gesamt-umsatz auf. Doch bis zur Jahrhundertwende hatten sich die Teeum-sätze auf 19.000 Mark reduziert und stagnierten bis zur Einstellungdes Teegeschäfts im Jahr 1913 auf diesem Niveau. Ab 1898 produ-zierte Henkel das Düngemittel Martellin, dessen Umsätze bis 1906zwischen 48.000 und 50.000 Mark schwankten. Der Anteil von Pflan-zendünger am Gesamtumsatz lag zwischen 1898 und 1906 bei durch-schnittlich 4,6 Prozent. Nach der Markteinführung von Persil stieg derGesamtumsatz deutlich an, so dass das neuartige Waschmittel baldzum Leitprodukt des Unternehmens wurde. Zwischen 1908 und 1918erhöhten sich die Umsätze um 550 Prozent, während die Produk-tionsleistung im gleichen Zeitraum nur um 185 Prozent gesteigertwerden konnte.

Umsatz der Henkel & Cie in Tausend Mark 1901 bis 1920

Quelle: Henkel-Archiv 156/36und 159/26, Jahresumsätze.Zahlen für die Jahre 1921–23liegen aufgrund der inflationärenEntwicklung nicht vor.

34 265, Geschäftsbücher,Probebilanzen Henkel & Cie1880–1882. Siehe als Belegefür die folgenden Angaben auchdie Quellenangaben zu denAbbildungen – Umsätze derHenkel & Cie 1884–1900 inTausend Mark und Produktionsmengen der Henkel& Cie 1900–1913 in Tonnen –im Text.

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35 J 105, Betriebs-Konferenz,13.8.1914.

36 J 105, Betriebs-Konferenz,14.8. und 27.8.1914. Ebenda,Betriebsbesprechung,2.2.1915: Zur Ergänzungkamen Kriegsprämien mit demLohn zur Ausschüttung. J 105,Betriebs-Konferenz, 7.9.1914.

37 J 105, Betriebs-Konferenz,15.8.1914.

38 J 105, Betriebsbesprechung,2.10.1917 und 11.6.1918.

39 J 105, Betriebs-Konferenz,1.8.1914.

40 J 105, Betriebsbesprechung,15.1.1918.

Henkel im Ersten Weltkrieg

Der Ausbruch des Krieges am 1. August 1914 bedeutete für die deut-schen Unternehmen, insbesondere der Konsumgüterindustrie, auf-grund der nun einsetzenden staatlichen Reglementierungen eine harteZäsur: Henkel musste die Fabrikation von Persil aufgrund derUmstellung auf Kriegswirtschaft drastisch reduzieren.35 Dies bedeu-tete für die Betriebe zunächst die Einführung von sogenannten Feier-schichten. In den Verpackungs- und Abfüllabteilungen sollten „alleMädchen [...] nur 4 Tage beschäftigt werden und zwar derart, dass 5Tage gearbeitet wird“. Damit „feierte“ also täglich ein Fünftel allerArbeiterinnen. Den Beschäftigten war durch die Reduzierung derArbeitszeit „die Möglichkeit eines geregelten Unterhaltes für dieFamilie genommen“.36

Für die entsprechende Stimmung auch an der „Heimatfront“ sorgtebei Henkel der Gesangslehrer Mathieu, der den Arbeiterinnen abAugust 1914 im Auftrag Fritz Henkels „Gesangsunterricht patrioti-scher Lieder“ erteilte37. Ebenso engagierte sich die Betriebsleitungspäter dafür, „dass unsere Arbeiterschaft sich zahlreich an den staat-lichen Kriegsanleihen beteiligt“. Die Meister sollten „in diesem Sin-ne tätig“ werden, „ohne jedoch einen Zwang auf die Leuteauszuüben“.38

Doch schwand die Kriegseuphorie angesichts zahlreicher Schwierig-keiten bald: Mit Blick auf die zunehmende Inflation fürchtete dieGeschäftsleitung Unruhen unter den Beschäftigten und hielt die Meis-ter an, „bei der Löhnung ihre Leute [...] dringend darauf aufmerksamzu machen, dass Papiergeld unbedingt in Zahlung genommen werdenmuss, da deutsches Papiergeld seinen Wert ebenso gut wie Silber oderGold behält“. Außerdem hatte das Unternehmen Anfang August 1914seine Beschäftigten davor gewarnt, „Lebensmittel in großen Mengeneinzukaufen“, da durch die Hamsterkäufe „nur eine Verteuerung derLebensmittel“ eintrete, „während ein Mangel an Lebensmitteln odergar eine Hungersnot bei unseren guten Ernten ausgeschlossen ist“.39

Doch zur „Verminderung des Bargeldumlaufes“ wurden im Januar1918 „Lebensmittel nicht nur gegen Bargeld, sondern auch gegenGutscheine, die von den betreffenden Käufern auszuschreiben sind“,ausgegeben.40

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Obwohl Henkel als „kriegswichtiger Betrieb“ eingestuft worden war,wurde seit Beginn des Jahres 1915 mit den anhaltenden Truppenre-krutierungen „die Arbeiterfrage [...] allmählich brennend“.41 Für dieeingezogenen Mitarbeiter nahm die Firma „für jeden Betrieb [...] eini-ge Leute als Ersatz“ an, um drohende Engpässe frühzeitig überbrückenzu können. „Um gegen alle Eventualitäten geschützt zu sein, wird denMeistern nochmals dringend ans Herz gelegt, in jedem Betrieb einigeErsatzleute vorrätig zu halten“.42 Die Abteilungsleiter wurden ange-halten, „alle sich meldenden Arbeiter einzustellen. Besonders aberLeute über 39 Jahre oder solche, die dienstuntauglich oder garnison-dienstfähig sind“. Auch Verwundete, die vom Arzt freigegeben waren,sollten im Betrieb beschäftigt werden. Allerdings reagierten nur weni-ge Interessenten auf die Arbeitsangebote von Henkel, so dass sich dasUnternehmen auch an den kommunalen „Arbeitsnachweis“, die zen-trale Arbeitsvermittlung, wandte und in den Düsseldorfer Zeitungenannoncierte. Auch in Südwestdeutschland, Mitteldeutschland, derSchweiz, Belgien und Polen wurde ab 1915 „durch Anzeigen unddurch persönliche Annahme am betreffenden Ort ein Versuchgemacht“, neue Arbeitskräfte zu gewinnen.43

Die Folgen des Krieges zwangen zu umfangreichen Umstellungen inden Betrieben. An allen leichteren Arbeitsplätzen wurden Jugendlicheund Frauen und als Ersatz für die zum Militärdienst eingezogenenMitarbeiter ab 1916 bis zu 95 russische Kriegsgefangene als unge-lernte Arbeiter eingesetzt.44

41 J 105, Betriebsbesprechung,5.1.1915.

42 J 105, Betriebs-Konferenz,30.3.1915 und 9.7.1918.

43 J 105. Betriebs-Konferenz,zum Beispiel 8.10.1914, 5.1.und 2.2.1915.

44 K 118.

Quelle: B4, Statistik Produktionder Henkelwerke in Düsseldorfvom 21.9.1950, S. 1–3, und23.11.1950, S. 1–3, sowie159/25, Fabrikation & Umsatz1899–1918, S. 11–13 und20–22. Die Produktionsmengenvon Pflanzenrohstoffen, diversenSalzen und mehreren ingeringem Umfang verkauftenProdukten fehlen (vgl. Um-satzaufstellungen in Mark, S. 23–26).* ab 1916 Kriegs-Persil, 1918K. A. Seifenpulver.

Produktionsmengen der Henkel & Cie in Tonnen 1914 bis 1918

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45 „Seifenpulverknappheit“, in:BvH 5, 1918, S. 469.46 J 105, Betriebsbesprechung,7.11.1916, 15.10. und29.10.1918: „Unser Kohlenman-gel, der drohende Formenanzunehmen beginnt, zwingt unszu Betriebseinschränkungen.Deshalb wird von heute ab eineExtraktion stillgesetzt [...].Heizungen sind abzudrosseln,Badeanstalt [...] nur noch Fr, Sa,und So freigegeben.“ Ebenda,Betriebsbesprechung,25.11.1919: „Infolge der vomRWE wieder über uns verhäng-ten zwei Sperrtage wird [...]nicht gearbeitet [...]“. Auchebenda, 2.12.1919 und16.12.1919.47 J 105, Betriebsbesprechung,13.11.1917.

Neben dem Mangel an Arbeitskräften trug die angespannte Rohstoff-lage zur Verschlechterung der Produktionsverhältnisse bei. Die Roh-stoffversorgung in der Kriegswirtschaft erfolgte über sogenannteKriegsrohstoffgesellschaften – Zwangsvereinigungen, die, obgleichder unternehmerischen Selbstverwaltung unterstehend, einer starkenstaatlichen Intervention ausgeliefert waren: Für den Öleinkauf wurdevon der verarbeitenden Industrie eine Organisation eingerichtet, dieals „Kriegs-Ausschuss für pflanzliche und tierische Öle und Fette“ dieVorräte an Ölen und Fetten an die Speisefett- und Waschmittelindus-trie verteilte.

Obwohl Fette und Seifen ab 1915 unter Bewirtschaftung standen, konn-te Henkel aufgrund eigener Rohstoffvorräte noch bis zum Herbst 1916die Produktion des hochwertigen Persil aufrechterhalten, das zu Frie-denspreisen ausgeliefert wurde. Ab 1916 musste die Firma aber auf denSeifenzusatz verzichten, so dass die Qualität des „Kriegs-Persil“, wiees nun hieß, stark nachließ. Im Sommer 1917 übernahm die neuge-gründete Seifen-Herstellungs- und Vertriebsgesellschaft, in der alle bis-her herstellenden deutschen Seifen- und Seifenpulverfabrikantenzwangsweise vereinigt wurden, die Bewirtschaftung der Öle und Fettefür die Waschmittelversorgung. Da nur noch ein geringes Quantum anÖlen für die Seifenherstellung zur Verfügung stand, fanden lediglichnoch die größeren Firmen bei der Fabrikation Berücksichtigung, weildie Verarbeitung zu kleineren Quantitäten unvorteilhaft erschien. Vieleder ehemals 1.600 Seifenfabriken wurden daher stillgelegt, wobei vonden 180 verbleibenden nur noch 65 ständig produzierten.45

Den Unternehmen waren aufgrund der staatlichen Bewirtschaftungs-praxis die Hände gebunden. Henkel hatte durch den Erwerb des Duis-burger Sodaherstellers Matthes & Weber 1917 vergeblich versucht,die angespannte Rohstoffsituation zu entschärfen, denn die ganzeErzeugung musste der Sodaverteilungsstelle ebenfalls zur Verfügunggestellt werden. Ab der zweiten Kriegshälfte war an einen regelmäßi-gen Produktionsbetrieb daher nicht mehr zu denken.46 Auch darüberhinaus musste sich das Unternehmen in allen Bereichen einschränken.Selbst die traditionelle Weihnachtsfeier für die Arbeiter fiel 1917 denKriegsverhältnissen zum Opfer.47

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1918 musste Henkel die Persil-Produktion aufgrund von Rohstoff-mangel endgültig einstellen. Das Produkt wurde durch das sogenann-te K.A.-Seifenpulver ersetzt, dessen Zusammensetzung derKriegs-Ausschuss (K.A.) für Öle und Fette bestimmte. Henkel wei-gerte sich, für das qualitativ minderwertige Produkt, das zuletzt nurnoch einen Seifengehalt von 5 Prozent enthielt, den Namen Persil zuverwenden, um den Ruf seines Markenartikels nicht zu gefährden.48

Nach dem Krieg mussten die Verbraucher in Deutschland noch bis1920 warten, ehe Persil wieder in Friedensqualität erhältlich war.

Mit der sich verschlechternden Versorgungslage an Nahrungsmittelnließen auch die Produktivität und Motivation der Beschäftigten in denBetrieben nach. Die Unternehmensleitung fürchtete Beeinträchtigun-gen der Betriebe durch Sabotageakte, zumal sich zunehmend sozialeSpannungen in der Gesellschaft des ausgehenden Kaiserreichs zeig-ten: So sollten, „um Beschädigung der Kraftzentrale oder sonstigerwichtigen Maschinen zu vermeiden, [...] die daran beschäftigtenArbeiter auf ihre Zuverlässigkeit“ geprüft werden.49 Angesichts desanhaltenden Stellungskrieges nahm die Kriegsmüdigkeit in derBevölkerung zu. Spätestens seit dem „Hungerwinter 1916/17“ sehn-ten sich die Menschen nach einem Ende des Krieges.

48 „Seife und Waschmittel imKriege“, in: BvH 3, 1916, S. 237–241. Siehe auch „Krisit“,in: ebenda, S. 357f. „ÜberSeifenersatz“, in: ebenda, 1916,S. 433f. Auch: „Die Knappheit inWaschmitteln“, in: BvH 5, 1918,S. 136: „Die Knappheit inWaschmitteln, die in den letztenTagen immer mehr zugenom-men hat, wird dadurch hervorge-rufen, dass die laufendeErzeugung an kalzinierter Sodain wachsendem Maße für dieBedürfnisse der Heeresverwal-tung in Anspruch genommenwerden muss.“ Dies führte zurHerabsetzung der Rohstoff-Zuteilungen für zivile Zwecke. 49 J 105, Betriebsbesprechung,12.6.1917.

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Blick durch die Fritz-Henkel-Straße auf die Glycerinfabrik

in Düsseldorf-Holthausen,1912.

Die Blätter von Hausefungieren im Ersten Welt-

krieg als Bindeglied zwischen der Firma und

ihren als Soldaten einge-zogenen Mitarbeitern.

Holthausen 1916: Um die1899 erbauten Wasserglas-

und Bleichsodafabrikengruppieren sich Persil-Produktion, Packerei,

Bürogebäude, Werkfeuer-wehr mit Übungsturm,

Schlosserei und Magazin.

Aufgrund des Rohstoffman-gels im Ersten Weltkrieg

stellt Henkel 1918 dieHerstellung von Persil ein:

Im Deutschen Reich gibt esnur noch ein minderwertiges

Kriegs-Seifenpulver.

GründerzeitenHenkel im

Ersten Weltkrieg

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Für verwundete Soldatenwird 1914 im Werk das„Vereinslazarett der FamilieHenkel“ eingerichtet.Genesende erholen sich aufeiner Sonnenterrasse.

Mit den „Liebesgabensen-dungen“ erhalten dieSoldaten Waren aus derHeimat: Henkel wirbt auchdabei für Persil, Anzeigevom 17. Oktober 1915 inder Deutschen Kriegs-zeitung.

Henkel-Mitarbeiter Erich Schneider als Soldatim Ersten Weltkrieg.

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Zwischen Diversifizierung

und Demontage: Die Entwicklungbis zum Ende des

Zweiten Weltkriegs

III

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III Deutschlandzwischen Demokratie

und Diktatur

Der politische und militärische Zusammenbruch Deutschlands imJahr 1918 verursachte einen weiteren Produktionsrückgang in Land-wirtschaft, Industrie und Gewerbe, der zeitweilig die Versorgung derBevölkerung mit den wichtigsten Gütern ernstlich in Frage stellte.Die Industrieproduktion sank bis auf das Niveau des Jahres 1888 her-ab. Aufgrund der weiterhin wachsenden Bevölkerung bestand eineregelrechte Unterversorgung, die vor allem in den Wintermonaten derletzten Kriegsjahre drastische Formen annahm.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau nach Kriegsende wurde erschwertdurch die Umstellung von der Kriegs- auf Friedenswirtschaft, dieinflationären Tendenzen, die mit dem Zusammenbruch der Monarchieund der Novemberrevolution einhergehende politische Unruhe undnicht zuletzt durch die Bestimmungen des Versailler Friedensvertra-ges. Dieser hatte 1919 unter anderem festgelegt, dass

■ das Deutsche Reich ein Achtel seines Territoriums sowie sämtlicheKolonien verlor. Diese Gebiete, zu denen unter anderem TeileOberschlesiens und Elsass-Lothringen gehörten, machten knapp15 Prozent der Agrarfläche, 75 Prozent der abbauwürdigen Eisen-erzgebiete und 26 Prozent der Kohleabbaugebiete aus,

■ das Deutsche Reich mit seinen Verbündeten als allein Kriegsschul-dige Reparationen zu zahlen hatte, deren Höhe noch festgelegtwerden sollte, und dass zusätzlich Sachlieferungen zu erbringenwaren,

■ den Alliierten eine einseitige Meistbegünstigung bei allen Han-delsabkommen einzuräumen und fast die ganze Handelsflotte aus-zuliefern war,

■ das deutsche Eigentum im Ausland einschließlich der Patentrechteverloren ging.

Durch die Gebietsabtretungen verlor das Reich mit 7,3 MillionenMenschen mehr als 10 Prozent seiner Bevölkerung (im Vergleich zu1910), was sich in den zwanziger Jahren vor allem durch Nachfrage-ausfälle bemerkbar machen sollte. Auch die Reparationszahlungen,zu denen Deutschland auf der Londoner Schuldenkonferenz 1921ultimativ in einer Höhe von 132 Milliarden Mark verpflichtet wurde,sollten einen nachhaltigen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwick-lung in der Zwischenkriegszeit haben. Die gesamten zwanziger Jahrehindurch diskutierten die deutschen Politiker mit den auswärtigenReparationsbevollmächtigten darüber, wie hoch die deutschen Ent-schädigungsleistungen zu bemessen seien. Nachdem sie sich 1929 aufeine Höhe geeinigt hatten, die mehr als dem Doppelten des damaligenBruttosozialproduktes entsprach, machte kurz darauf die Weltwirt-52

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schaftskrise deutlich, dass das Reich derartige Forderungen unmög-lich erfüllen konnte. Mit Blick auf die krisengeschüttelte deutscheWirtschaft verzichteten die Siegermächte 1932 auf alle weiteren Zah-lungen. Bis dahin waren (nach deutscher Bewertung) mehr als 50Milliarden Goldmark an Reparationen entrichtet worden.

Aufgrund der lange ungeklärten Reparationsverhältnisse hatte dieReichsregierung bis 1922 nur wenig unternommen, um Maßnahmengegen die seit Kriegsende zunehmende Geldentwertung zu ergreifen.Angesichts des wachsenden Defizits im Reichshaushalt und dankeiner großzügigen Geldschöpfungspolitik trug sie vielmehr dazu bei,die Inflation noch zu fördern. Die starke Geldentwertung war auf dieKriegsfinanzierung zurückzuführen, die nach Erschöpfung der pri-vaten Kriegsanleihen ab 1916 zunehmend über die Notenpresseerfolgt war: Der Notenumlauf war von 1,8 Milliarden Mark im Juni1914 auf 22,5 Milliarden Mark Ende 1918 angewachsen und schuf dieVoraussetzung für die spätere Währungskatastrophe in Deutschland.

Die staatliche Defizitwirtschaft hat aber nicht allein die Geldentwer-tung begünstigt, sondern zugleich auch den industriellen Nachkriegs-boom getragen, so dass der wirtschaftliche Wiederaufbau durch dietechnische Sanierung und Rationalisierung der Betriebe in verhältnis-mäßig kurzer Zeit gelang. Ebenso begünstigten die Währungsverhält-nisse langfristig den Konzentrationsprozess in der deutschenIndustrie, der nach der Währungsstabilisierung in der Gründung derI.G. Farben und der Vereinigte Stahlwerke AG kulminierte, die alsvertikale Zusammenschlüsse sämtliche Betriebseinheiten von derRohstoffbasis über die Weiterverarbeitung bis hin zur Transportge-sellschaft zusammenfassten.

Die „galoppierende Inflation“ oder Hyperinflation, die den Höhe-punkt der Geldentwertung markierte, begann im Januar 1923, nach-dem französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet besetzthatten. Weil die deutsche Regierung ihre Reparationszahlungen anFrankreich nicht pünktlich entrichtet hatte, beschloss die französischeRegierung, ihre Entschädigungsansprüche auf andere Weise durchzu-setzen – nämlich durch eine „Politik der produktiven Pfänder“, wiedie Entnahmen aus der laufenden Produktion genannt wurden. Nach-dem die deutsche Reichsregierung zu passivem Widerstand gegen die-ses Vorgehen aufgerufen hatte, kam es in der Rhein-Ruhr-Region zuGeneralstreiks und Arbeitsniederlegungen. Diese Maßnahmen finan-zierte der Staat wiederum über eine vermehrte Banknoten-Emission,so dass sich der Geldumlauf rasch vermehrte und der Wert der Markins Bodenlose sank: Ende 1923 entsprach 1 US-Dollar 4,2 TrillionenMark. Erst durch die 1924 durchgeführte Währungsreform und dieneu eingeführte Reichsmark wurden die Voraussetzungen für einenwährungspolitischen Neuanfang und eine Normalisierung der wirt-schaftlichen Verhältnisse geschaffen.

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Vor allem die Angehörigen der Mittelschicht wie Handwerker, klei-nere Gewerbetreibende und Angestellte, deren Geldvermögen undForderungstitel gegenüber öffentlichen und privaten Schuldnern wert-los geworden waren, zählten zu den Hauptleidtragenden der Inflation.Dieser Ruin hat die Anfälligkeit zumindest eines Teiles des Mittel-standes für den politischen Radikalismus gefördert, so dass die demo-kratische Verfassungsform hier schon früh in Misskredit geriet.

Trotz der revolutionären Forderung nach Sozialisierung der Wirt-schaftsbetriebe und Enteignung der Produktionsmittel, wie sieunmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Revolution lautgeworden waren, sollten sich die Beziehungen von Staat und Wirt-schaft nach 1918 nur wenig verändern. Unübersehbar war allerdingsdie Verschiebung der Gewichte: Im Gegensatz zu dem liberalen„Nachtwächter-Staat“ des 19. Jahrhunderts intervenierte das Reich abdem Ersten Weltkrieg auf vielfältige Weise und wurde als Umverteilerdes Sozialproduktes immer wichtiger. Zu den herausragenden Berei-chen des staatlichen Interventionismus gehört seit den zwanzigerJahren die Sozialpolitik, wo die Schwerpunkte auf der Weiterent-wicklung im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht sowie beim Aus-bau der kommunalen Leistungen lagen.

Wegweisend war etwa die Einführung des kollektiven Arbeitsrechts,das die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufeine neue Grundlage stellte, indem es die allgemeine Verbindlichkeitder Tarifverträge festlegte. Die Einführung des Achtstundentagesstand 1918 fast symbolisch am Anfang einer Serie von rechtlichenMaßnahmen, die durch das Stinnes-Legien-Abkommen im November1918 beschlossen worden waren. Die dabei begründete ZentraleArbeitsgemeinschaft (ZAG) zwischen Gewerkschafts- und Arbeitge-bervertretern basierte auf der gegenseitigen Anerkennung als Tarif-partner und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Vor dem Weltkrieghatte das Gros der Arbeitgeber die Gewerkschaftsbewegung noch mitallen Mitteln bekämpft und sich in aller Regel geweigert, flächende-ckende Tarifvereinbarungen einzugehen. Der kollektive Tarifab-schluss steht daher für die gesellschaftliche und wirtschaftlicheEmanzipation der abhängig Beschäftigten.

Bereits während des Krieges hatte sich das Verhältnis zwischenGewerkschaften und Unternehmen im Zuge der sogenannten Burg-friedenspolitik grundlegend verändert. Das „Vaterländische Hilfs-dienstgesetz“ aus dem Jahr 1916 bildete dabei eine wichtige Zäsur,weil es erste Maßnahmen zur betrieblichen Mitbestimmung wie dieBildung von Arbeiter- und Angestelltenausschüssen in Betrieben mitmehr als 50 Beschäftigten vorsah. Dies sollte zur Aufrechterhaltungder öffentlichen Ordnung beitragen und die latenten revolutionärenStrömungen in den Betrieben unterdrücken. Das 1920 in Kraft getre-tene Betriebsrätegesetz bildete die logische Fortführung dieser Poli-tik. Mit mehr als 9 Millionen Mitgliedern erlangten dieGewerkschaften fortan einen starken Einfluss auf die Gestaltung desArbeits- und Tarifrechts und beeinflussten auch, zumindest bis in diezweite Hälfte der zwanziger Jahre, die sozialpolitischen Aktivitäten54

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des Staates nachhaltig. Allerdings traten schon bald die alten Streit-fragen zur Arbeitszeit- und Lohngestaltung wieder zutage, so dasssich die Tarifpartner vor dem Hintergrund des politischen und wirt-schaftlichen Klimas als nicht konsensfähig erwiesen. Während dieArbeitnehmerseite ihre Forderungen zunehmend auf dem Streikwegdurchzusetzen versuchte, musste der Staat immer häufiger dieSchlichterrolle in diesen Auseinandersetzungen übernehmen.

Die „relative Stabilität“ der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre ver-deckte somit die Brüchigkeit der ersten deutschen Demokratie, derenSchwächen nicht so sehr in der Verfassungskonstruktion wie in dergleichgültigen, ja feindlichen Haltung eines großen Teils der Bevöl-kerung gegenüber den demokratischen Institutionen und in der Unfä-higkeit der politischen Parteien lag. Parallel zu dem erneutenwirtschaftlichen Druck im Zuge der Weltwirtschaftskrise zeigte sichbei den bürgerlichen Parteien sehr deutlich der Mangel an Konsens-fähigkeit, so dass bereits vor der Weltwirtschaftskrise die Weichen inRichtung einer politischen Radikalisierung gestellt wurden.

Der Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929 leiteteeine weltweite Depression ein, deren Ausmaß den Zeitgenossen bis-lang unbekannt war. Bei den meisten Unternehmen zeigte sich derkonjunkturelle Einbruch als Überproduktions- und Absatzkrise, diedie Reduzierung von Kosten unumgänglich machte: Mit Hilfe vonKurzarbeit, Lohnkürzungen und Entlassungen versuchten die Firmen,den aus rückläufiger Kapazitätsauslastung und rapidem Preisverfallentstehenden Schwierigkeiten zu begegnen. Dies führte dazu, dass aufdem Höhepunkt der Krise im Jahr 1932 in Deutschland nahezu 7Millionen Menschen arbeitslos waren. Damit war fast jeder dritteErwerbstätige ohne Beschäftigung.

Die Weltwirtschaftskrise wurde nicht nur zur ökonomischen, sondernauch zur größten politischen Zäsur in der ersten Hälfte des 20. Jahr-hunderts, denn sie versetzte dem parlamentarischen Regierungssys-tem in Deutschland bereits im Jahr 1930 den Todesstoß. Unter dendrückenden finanziellen Belastungen scheiterte die letzte demokra-tisch gewählte Reichsregierung der „Großen Koalition“ an der Frageder Leistungen und der Abgabenhöhe der 1927 neu geschaffenenArbeitslosenversicherung. In Erinnerung an die verheerenden Erfah-rungen der Inflationszeit versuchte die Regierung Brüning, durchdrastische Kürzungen der öffentlichen Ausgaben die Krise zu bewäl-tigen. Doch je stärker die Wirtschafts- und Finanzpolitik auf eine Ver-ringerung der öffentlichen Ausgaben zielte und mit Hilfe der„Steuerschraube“ die privaten Einkommen minderte, desto geringerwurde die Chance, das wachsende Ungleichgewicht zwischen Pro-duktionsmöglichkeiten und kaufkräftiger Nachfrage auszugleichen.

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Öffentliche Investitionen und Arbeitsbeschaffungsprogramme sowiesteuerliche Anreize zur Aktivierung der privaten Wirtschaftstätigkeitwaren erst ab 1932 Teil der Krisenkonzepte der Weimarer Präsidial-kabinette. Ihre Früchte erntete allerdings vor allem die RegierungAdolf Hitlers, die nach der „Machtergreifung“ im Januar 1933 vonder ausklingenden Wirtschaftskrise profitierte.

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) verfüg-te über kein eigenes wirtschaftspolitisches Konzept, vielmehr zielteihre Regierungspolitik darauf, das Regime innenpolitisch zu stabili-sieren und seine „Wehrfähigkeit“, wie es im NS-Jargon hieß, zu erhö-hen. Daraus ergab sich eine Wirtschaftsordnung, die zwar privatenBesitz weiterhin zuließ, mit der zunehmenden Einschränkung der Ver-fügbarkeit aber immer stärkere Ansätze einer planwirtschaftlichenOrdnung zeigte, wie sich vor allem ab der zweiten Hälfte der dreißi-ger Jahre mit Erlass des zweiten Vierjahresplans zeigte. Die unter-nehmerische Wirtschaft unterlag immer stärker den Weisungen derstaatlichen Wirtschaftsverwaltung, die nicht nur den Herstellern vonhochwertigen Konsumgütern, sondern vor allem den als kriegswich-tig betrachteten Roh- und Grundstoffunternehmen galten. Einbezogenin die „Ordnung der Wirtschaft“ wurden private Unternehmen einerweitgehenden Lenkung bei der Rohstoffversorgung, Arbeitskräfteaus-stattung und Preisgestaltung unterworfen.

Der ab 1934/35 spürbare Aufschwung der Wirtschaft und die deutli-che Verringerung der Arbeitslosen, deren Zahl im Herbst 1936 auf 1Million zurückgegangen war, bildeten ebenso wie außenpolitischeErfolge (Revision des Versailler Vertrages) die Grundlage dafür, dassdie breite Masse der Bevölkerung die nationalsozialistische Politikweitgehend vorbehaltlos bejahte. Gestützt auf einen perfekten Propa-gandaapparat trugen ein gesteigertes nationales Selbstbewusstseinund die psychologisch auf den Abbau von Standes- und Klassen-schranken ausgerichtete Volksgemeinschaftsideologie zu einer star-ken Integration bei. Dies führte dazu, dass die Verfolgung von Judenund ethnischen Minderheiten sowie politisch Andersdenkenden vomGros der Deutschen weitgehend ignoriert und die ab 1936 zunehmen-den aggressiven, territorialen Expansionsmaßnahmen, die schließlichden Zweiten Weltkrieg auslösen sollten, gutgeheißen wurden.

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2 J 105, Betriebsbesprechung,10.5.1919.

Henkel von1918 bis 1945

Die allgemeineEntwicklung des

Unternehmens

Im Rheinland war mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsver-trages im Herbst 1918 noch kein Friede eingekehrt. Vielmehr wurdedie Region, die von hohem wirtschaftlichen Interesse für die Sieger-mächte war, zum Besatzungsgebiet erklärt, was für die dort ansässi-gen Unternehmen und ihre Beschäftigten eine zusätzliche Belastungbedeutete. Von den Folgen der Rheinlandbesetzung durch die Alliier-ten in der Zeit von 1919 bis 1923 war Henkel besonders stark betrof-fen. Der Belagerungszustand behinderte die Produktion noch stärkerals die Mangelwirtschaft des Krieges, so dass zeitweise nur an zweiTagen der Woche gearbeitet werden konnte. Zudem drohtenBeschlagnahmungen, Transportbehinderungen und Verkehrsblocka-den, das Werk von seinen Lieferanten und Abnehmern logistisch zuisolieren. Ebenso war es für die Düsseldorfer Henkel-Arbeiter zeit-weise „unmöglich, [...] ihre Arbeit zu verrichten“, weil sie nicht nachHolthausen gelangen konnten.1

Zugleich setzten nach dem Ersten Weltkrieg auch im Raum Düsseldorfdie Arbeitskämpfe um den Achtstundentag ein. Bislang wurde beiHenkel zehn Stunden gearbeitet, so dass die Beschäftigten einschließ-lich Pausen rund zwölf Stunden am Tag im Werk anwesend waren.Nachdem der Achtstundentag 1918 durchgesetzt worden war, häuftensich Lohnkämpfe: Am 10. Mai 1919 wurde in Düsseldorf erstmalig einGeneralstreik ausgerufen, mit dem die Belegschaften bessere Lohnbe-dingungen erkämpfen wollten.2 Die tariflichen Bindungen, denen sichHenkel bald unterwerfen musste, minderten die bislang bestehendeLohnattraktivität des Unternehmens, so dass es immer schwierigerwurde, „Arbeiter von Düsseldorf herauszubekommen“.3

Nicht nur die tägliche Arbeitszeit in den Betrieben änderte sich nachdem Ersten Weltkrieg. Während Angestellte und Meister bereits zuvorjährlich einen Anspruch auf einen bis zu dreiwöchigen Urlaub besa-ßen, der allerdings auf individuellen Absprachen beruhte, erhieltenArbeiter ab 1918 einen tarifvertraglich festgelegten Urlaubsanspruch:Der erste Flächentarifvertrag aus dem Jahr 1919 für Groß-Benrath, zudem Holthausen gehörte, sah drei Tage Urlaub im Jahr vor.4

Ab 1917 bestand bei Henkel ein von den damals 997 Arbeitern und220 Angestellten gewählter Arbeiter- und Angestelltenausschuss.Nach dem Erlass des Betriebsrätegesetzes im Jahr 1920 trat an seineStelle ein Betriebsrat, der sich aus insgesamt 25 Personen zusammen-setzte. Damit war erstmalig in der Geschichte von Henkel eine staat-lich sanktionierte Form der betrieblichen Mitbestimmung ins Leben

III

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1 J 105, Betriebsbesprechung,10.12.1918 und 9.10.1923.

3 J 105, Betriebsbesprechung,1.4.1919.

4 J 105, Betriebsbesprechung,1.4., 6.4., 16.4. und21.4.1919.

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gerufen worden. Der Betriebsrat wirkte mit bei der Erstellung vonArbeitsordnungen, bei Einstellungen und Entlassungen sowie bei derEinhaltung tarifvertraglicher Regelungen, besaß das Recht auf Infor-mation über betriebliche Vorgänge und konnte regelmäßige Betriebs-versammlungen abhalten.5

1923 wurde das Unternehmen durch die Ruhrbesetzung und den da-raufhin von der Reichsleitung ausgerufenen Generalstreik nochschwerer als bislang in Mitleidenschaft gezogen: Die von März bisDezember 1923 bestehenden Verkehrssperren schnitten Henkel erneutvon seinen wichtigsten Absatzgebieten ab und führten dazu, dass sichdie Waren in den Lagerhäusern stapelten. Um die Überproduktionabzubauen, mussten die Betriebe Extraktion, Wasserglas- und Gly-cerinfabrik vorübergehend ganz stillgelegt werden, so dass ein Drittelder Belegschaft „feierte“ und von der staatlichen „Ruhrhilfe“ lebte.Obwohl ein hochgradiger Arbeitsmangel herrschte, bemühte sichHenkel aber, Entlassungen zu vermeiden, indem „die Leute“ mit Not-standsarbeiten betraut wurden.6

Nach Aufhebung des passiven Widerstandes und Abzug der Besat-zungstruppen strebte die seit Jahren exponential zunehmende Infla-tion ihrem Höhepunkt entgegen, denn die Finanzierung desGeneralstreiks hatte das Reich endgültig in den finanziellen Ruingetrieben. Auch der Markt für Konsumgüter war durch die inflations-bedingten Preiserhöhungen „sehr beunruhigt“ worden. Henkel mussteetwa „3 bis 4 verschiedene Verkaufspreise unserer Waschprodukte inkurz nebeneinanderliegenden Verkaufsgeschäften in Rechnung“ stel-len. Im Oktober 1923 hatte der Preis für ein 250-Gramm-Paket Persil1,25 Billionen Mark erreicht.7

Nachdem Henkel Löhne und Gehälter im Januar 1923 in Anpassungan die Währungsentwicklung um 45 Prozent erhöht hatte, musste diegesamte Entlohnung im Juli 1923 mangels „großer Scheine“ in 1.000-Mark-Scheinen ausgezahlt werden. Weil die immensen Beträge nichtmehr in die dafür vorgesehenen Lohntüten hineinpassten, verwendetedas Unternehmen zunächst Persil-Musterbeutel für die Lohnauszah-lung, musste später aber auf Papierkörbe ausweichen.8 Eine typischeInflationserscheinung war auch die Emittierung von sogenanntemNotgeld, das öffentliche und private Institutionen in Umlauf brachten,als die Reichsbank mit dem Notendruck nicht mehr nachkam. Aufdem Henkel-eigenen Notgeld war unter anderem das bekannteste Produkt, Persil, abgebildet. Die Scheine, die bei den Inhabern derumliegenden Geschäfte eingelöst werden konnten, wurden bei denLohn- und Gehaltszahlungen als Gutscheine unter der Belegschaftverteilt. Zudem führte Henkel mit der zunehmenden Geldentwertungso genannte Teuerungszulagen zur Lohnergänzung ein, die sich beiden enormen Währungsverlusten aber nur als der berühmte „Tropfenauf dem heißen Stein“ erwiesen.9

5 Siehe Christian Leitzbach, 75 Jahre Mitarbeitervertretungbei Henkel (= Schriften desWerksarchivs 26), Düsseldorf1992.

58

6 K 1, undatierter Bericht. J 105, Betriebsbesprechung,20.2. und 27.2.1923.

7 90 Jahre Persil, Die Geschich-te einer Marke (= Schriften desWerksarchivs 27), Düsseldorf1997, S, 44.

8 J 105, Betriebsbesprechung,23.1. und 3.7.1923.

9 J 105, Betriebsbesprechung,4.4.1922.

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10 Siehe Leitzbach, Mitarbeiter-vertretung, S. 20–23.

Die Währungsreform brachte 1924, sechs Jahre nach Kriegsende,endlich eine Stabilisierung der Verhältnisse. Doch währte diese Phasenicht lange, denn die Arbeiterbewegung sorgte für innerbetrieblicheUnruhe unter der Henkel-Belegschaft. Unmittelbar nachdem die Pro-duktion bei Henkel zu Beginn des Jahres 1924 wieder aufgenommenworden war, trat die Belegschaft vom 10. bis 29. Januar in einen„Sympathiestreik“ gegen die „Aufweichung des Achtstundentages“.Die Henkelaner zeigten dabei Solidarität mit den Beschäftigten derrheinisch-westfälischen Metallindustrie, deren Arbeitszeit auf demVerordnungswege erneut auf zehn Stunden ausgedehnt worden war.Daraufhin entließ die Firma die gesamte Belegschaft fristlos. DerBetriebsrat wurde aufgelöst; viele Betriebsratsmitglieder wurdenauch nach dem Streik nicht wieder eingestellt. Die übrige Belegschaftmusste sich, um wieder eingestellt zu werden, per Unterschrift ver-pflichten, keine weitere Störung des Arbeitsfriedens herbeizuführen.Nach den Neuwahlen des Arbeiter- und Angestelltenrats im Märzwurde Viktor Kirberg (1889–1955), zuvor zweiter Vorsitzender desArbeiterrats, zum ersten Vorsitzenden des Arbeiter- und Betriebsratsgewählt.10

Insgesamt bestand in den zwanziger Jahren eine hohe Streikbereit-schaft. Auseinandersetzungen mit der Geschäftsleitung über dieLohngestaltung, Akkord- und Überstundenarbeit oder soziale Maß-nahmen angesichts der Massenarbeitslosigkeit der späten zwanzigerund frühen dreißiger Jahre führten oftmals zu einer politischen Radi-kalisierung der Beschäftigten und brachte auch Unruhe in die Betrie-be von Henkel.

Mit der „relativen Stabilisierung“ der wirtschaftlichen und politischenVerhältnisse in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre besserte sichauch bei Henkel die wirtschaftliche Situation. Als Henkel ab 1925 dieMaschinenbuchführung per Lochkartenverfahren testete und 1927einführte, bedeutete dies einen wichtigen Meilenstein in der Moder-nisierung der Verwaltungsarbeit, die den Betrieben neue Möglichkei-ten in der Abrechnung und Kalkulation eröffnete11.

Auch die Produktion profitierte von technischen Innovationen undRationalisierungsmaßnahmen: Seit 1920 wandte das Unternehmenbei der Waschpulverherstellung ein neues Produktionsverfahren an,das sogenannte Sprühverfahren. Es löste das alte „Partiekessel- oderTennenverfahren“ ab. Während zuvor das Waschpulver in großflächi-gen „Beeten“ hatte reifen müssen, bevor die Masse zerkleinert,gemahlen und verpackt werden konnte, wurde seither das Sprühver-fahren in raumsparenden Sprühtürmen eingesetzt, in denen die ausverschiedenen Bestandteilen gemischte Waschmittelpaste gepresstoder drucklos auf rasch drehende Scheiben gebracht wurde. Der dabeientstehende Nebel aus winzigen Tropfen fiel im Turm nach unten,wurde im heißen Luftstrom getrocknet, um sodann als fein- odergrobkörniges Pulver abgepackt zu werden.12

59

11 J 105, Betriebsbesprechung,27.3.1928 zur Einführung vonPowermaschinen für dieHauptbuchhaltung. Siehe auch E 34, Vom Federhalter zurElektronik. 40 Jahre Lochkarten-verfahren im Hause Henkel1927–1967.

12 Henkel KGaA, 100 JahreForschung, S. 52f.

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Mit diesem Verfahren arbeitete das zwischen 1921 und 1923 in Gen-thin bei Magdeburg gebaute moderne Waschmittelwerk. Der Betrieblag verkehrsgünstig direkt am Plauer Kanal (ab 1936: Elbe-Havel-Kanal, heute: Mittellandkanal) und diente zur Versorgung des mittel-und ostdeutschen Marktes sowie als Ausweichproduktionsstätte fürdas durch die Rheinlandbesetzung bedrängte Werk in Holthausen. Eswurde als „das Ergebnis der Erfahrungen aus ca. 50 Jahren Fabrika-tions-Tätigkeit [...] angesehen“, denn die Anlage „aus einem Guß“vermied Quertransporte und arbeitete somit besonders rationell.13

Mit der kontinuierlichen und großtechnischen Produktion vonWaschmitteln ging auch die Rationalisierung der Verpackungsberei-che einher. Ab 1926 setzte Henkel automatische Packmaschinen ein,die einen Durchlauf von 80 Paketen pro Minute hatten. Drei Jahrespäter wurde in Düsseldorf-Holthausen eine neue, großzügig konzi-pierte Verpackungshalle errichtet, so dass Produktion und Abfüllungvon nun an vollautomatisch und in Fließfertigung erfolgen konnten.Die großindustrielle Fertigung hatte auch Konsequenzen für diezuliefernden Grundstoffbetriebe des Unternehmens, deren Kapazitä-ten nun ebenfalls erweitert wurden.14

Nach außen zeigte sich der Wandel zum modernen Großunternehmenin dem unter der Ägide von Fritz Henkel jun. durchgeführten Ausbauder Hauptverwaltung zum repräsentativen Firmensitz: 1927 gestalteteder Düsseldorfer Architekt Walter Furthmann, ab 1906 Hausarchitektvon Henkel, die neue Fassade des vergrößerten Verwaltungsgebäudes.Auch die Raumaufteilung wurde erneuert, während die neue Emp-fangshalle die bis heute bestehende Ausgestaltung erhielt. 60

300

250

200

150

100

50

Bruttoumsätze der Henkel & Cie GmbH 1924 bis 1945 in Millionen Reichsmark

1924 0

19251926

19271928

19291930

19311932

19331934

19351936

19371938

19391940

19411942

19431944

1945

64,9

99,6

121,

0

143,

8

175,

7

199,

8

207,

1

190,

0

173,

9

161,

8 177,

2

171,

8

206,

5

217,

0

230,

4

261,

1

217,

9

205,

3

172,

8

181,

3

187,

3

36,0

Bruttoumsatz

Quelle: 289/716–732, Anlagenzum Jahresabschluss derHenkel & Cie GmbH1928–1945. 289/746,Abschlüsse der Henkel & CieGmbH 1924–1927.

13 A. Platzbecker, Genthin undsein Henkelwerk. Ein Rückblickauf die 10jährige Entwicklung,in: BvH 13, 1933, S. 79–84,hier S. 83. „Neu im Osten. 75 Jahre Waschmittelwerk inGenthin“, in: Henkel-Blick9/1996, S. 6.

14 Hundert Jahre Henkel, S. 91.

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Den „zufriedene[n] Jahre[n]“ von 1926 bis 1928 folgte die Wirt-schaftskrise. Im Januar 1930 starb unerwartet Dr. rer. pol. h.c. FritzHenkel jun. im Alter von 54 Jahren an einem Herzleiden. Nur zweiMonate später folgte ihm sein Vater, der Kommerzienrat, kurz vorVollendung seines 82. Lebensjahres. Unvorhergesehen musste derChemiker Dr. Hugo Henkel, damals 49 Jahre alt, daraufhin die allei-nige Leitung des Unternehmens übernehmen.

Doch das Tagesgeschäft ließ nur wenig Zeit zur Trauer. Das Jahr 1930war „durch einen Niedergang der Weltwirtschaftslage und [...] unse-rer nationalen Wirtschaft in einem alle Befürchtungen übertreffendenAusmaß“ gekennzeichnet. Henkel gelang es jedoch mit Hilfe der Ver-kaufs- und Werbeabteilungen, den Absatz konstant zu halten. So bliebdas Unternehmen auch 1931, trotz der „ständig fortschreitende[n]Schwächung der Kaufkraft unserer Konsumenten“ und der „schwerenErschütterungen, die weite Kreise des [...] Handels zu erleiden hatten,von den Auswirkungen dieses Niederganges so weit wie möglich ver-schont“.15

Auf die Kritik der Unternehmensleitung stieß jedoch die Regulie-rungspolitik der Regierung Brüning, die mit der Verordnung überPreisbindungen für Markenwaren im Januar 1931 eine zehnprozenti-ge Senkung der Verbraucherpreise durchgesetzt hatte. Nach Ansichtder Geschäftsleitung übte die Regierung damit ein Preisdiktat ohneRücksicht auf die Kalkulationsnotwendigkeiten der Unternehmenaus, doch konnten die Firmen, die in dieser Wirtschaftspolitik einenEingriff in die Vertragsfreiheit des Geschäftsverkehrs und damit inihre ureigensten Belange sahen, sich diesen Auflagen nicht entziehen.So musste auch Henkel den Empfehlungen des Markenschutzverban-des folgend die Preise für Persil zum 1. Oktober 1930 sowie für alleübrigen Artikel zum 31. Januar 1931 senken.16

Die Notverordnungspolitik Brünings schrieb zudem 1931 die Kür-zung aller Löhne und Gehälter um 10 Prozent vor. Mit Blick auf dieleeren Haushaltskassen der Beschäftigten regte der Henkel-Betriebs-ratsvorsitzende Viktor Kirberg die Zahlung eines Lohnausgleichs inHöhe von 10 Pfennig pro Stunde an. „Das war die Geburt der Henkel-Zulage“, die bis in die siebziger Jahre in modifizierter Form aufrech-terhalten wurde.17 Angesichts der immensen Beschäftigungsproblemewährend der Weltwirtschaftskrise sah Henkel von Einsparungsmaß-nahmen dort ab, „wo diese eine Verringerung unserer Belegschaftbzw. des Beamtenapparates zur Folge gehabt hätten“. Zudem dachtedie Firmenleitung über die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch eineVerkürzung der Arbeitszeit nach: Hugo Henkel beauftragte die Abtei-lung Arbeitskunde Anfang 1932 festzustellen, inwieweit die Umstel-lung auf eine 40-Stunden-Woche zur Schaffung von neuenArbeitsplätzen beitragen könnte. Angesichts der abklingenden Wirt-schaftskrise wurden derartige Überlegungen jedoch nicht mehr weiterverfolgt.18

61

15 Geschäftsbericht 1931 derHenkel & Cie AG, Düsseldorf.

16 BvH 11, 1931, S. 58, sowiezur polemischen Auseinander-setzung: Dieter Junius, Die Marneschlacht des Preis-abbaus. Zu den Gutachten desReichswirtschaftsrates über diePreisbindungen der Marken-artikel, in: BvH 11, 1931, S. 17–20.

17 K1, Adolf Kranenberg,Entwicklung des Personal- undSozialwesens, 1970.

18 Geschäftsbericht 1933 derHenkel & Cie AG, Düsseldorf.K1, Kranenberg, ebenda.

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Die Firma Henkel in der NS-Wirtschaft

Wie die meisten Firmen konnte sich auch Henkel nach der „Machter-greifung“ der zunehmenden Einbindung in die nationalsozialistischeWirtschaft nicht entziehen, zumal das Unternehmen nachhaltig vonden staatlichen Bewirtschaftungsstellen abhängig war. Ab 1934 wur-den nämlich die für die Herstellung von Waschmitteln und seifenhal-tigen Produkten benötigten Fettmengen kontingentiert, so dassHenkel gezwungen war, den Fettgehalt von Persil um rund 30 Prozentzu reduzieren. Da sich aufgrund dessen die Waschqualität verminder-te, sah sich die Geschäftsleitung zu qualitätserhaltenden Maßnahmenveranlasst: Dazu gehörte etwa die „wissenschaftliche Vervollkomm-nung“ der Produkte. Wie in anderen Produktionsbereichen gewannauch in der Fettwirtschaft die Entwicklung von Ersatzverfahren undstoffen – etwa in Form künstlicher Fettsäuren – an Bedeutung. Eben-so rückten andere Markenprodukte des Henkel-Sortiments in denVordergrund: Weil sie nur einen geringen Anteil an Fettsäuren ent-hielten, gewannen nach Ansicht von Henkel insbesondere die Pro-dukte Imi, Ata und Henko an „nationalem Wert“.19

In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre entwickelte sich dadurch ins-besondere der Inlandsverkauf „zufriedenstellend“, wobei Henkeldurch die neue Zusammensetzung von Produkten „beachtliche Fort-schritte“ „in der Unabhängigmachung von ausländischen Rohstoffen“erzielt hatte. Allerdings war im November 1937 nach Verhandlungenmit dem Preiskommissar eine siebenprozentige Preisermäßigung fürPersil und Ata angeordnet worden, so dass die Umsatzsteigerung imVergleich zu 1936 hinter der mengenmäßigen Steigerung zurück-blieb.20 Weil Produktion und Absatz spätestens ab der zweiten Hälfteder dreißiger Jahre der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ent-zogen waren, wurden die Möglichkeiten zu einer unabhängigenUnternehmenspolitik schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegesimmer stärker beschnitten. Auch hatte „der starke Wechsel in derGefolgschaft, der Mangel an Fachkräften und der infolge der Mate-rialschwierigkeiten verlangsamte Ausbau unserer Anlagen [...] schonvor Kriegsausbruch zu einer wesentlich stärkeren Anspannung unse-rer Produktionsmittel als in früheren Jahren“ geführt.21

Offiziellen Verlautbarungen zufolge, die mit internen Äußerungennicht immer konform gingen, hatte Henkel auch in der zweiten Hälf-te der dreißiger Jahre „mit großem Erfolg gearbeitet“. Trotz „derTätigkeit des Preiskommissars und des Steuerfiskus sowie sonstigerin der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung bestehendenSchwierigkeiten“ stand die Bilanz 1938 „[...] im Deutschen Reich [...]wohl einzig da“, wie der Aufsichtsrats-Vorsitzende Dr. Ernst Buse-mann, Direktor bei der Degussa in Frankfurt/Main und ein Vertrauterder Familie Henkel, bekundete.22

62

19 A 24, Ausführungen beiGelegenheit der Generalver-sammlung vom 18.4.1939.Maßnahmen der Firma Henkel &Cie zur Behebung der Fettnot,15.4.1939. 152, Bericht desVorstands über das Geschäfts-jahr 1934 der Henkel & Cie AG,Düsseldorf. So auch BvH 15,1935, S. 30. R. Freitag, Chemieschafft Rohstoffe, in: BvH 15,1935, S. 146–148. Siehe auchErnst Hof, Chemie schafftIndustriefette, in: BvH 20, 1940,S. 264–266, zur Herstellungsynthetischer Fettsäure durchParaffin-Oxidation.

21 A 24, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940. Generalversamm-lung vom 23.4.1940.

22 Henkel & Cie GmbH,Unterlagen für die Gesell-schafterversammlung, Dr. E. Busemann an Direktor O. Erbslöh, 19.3.1938.

20 152, Bericht des Vorstandsüber das Geschäftsjahr 1937der Henkel & Cie AG, Düsseldorf. A 24, Protokoll über die Sitzung Nr. 1/39 desBeirates der Fa. Henkel & CieGmbH, 18.4.1939.

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23 Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen I, Dr. Richard Brandt,Begründung zu dem Entwurf fürdie Neufassung der Satzung derHenkel & Cie GmbH, 2.9.1938.Ebenda, Entwurf für die Neu-gestaltung der Satzung der Fa. Henkel & Cie AG in Düsseldorf, undatiert [1938].K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970.

Jahresüberschüsse der Henkel & Cie GmbH und ihre Verwendung in Reichsmark 1924 bis 1944

Quelle: 289/746, Goldmark-Eröffnungsbilanz der Henkel &Cie GmbH vom 1.1.1924,Jahresabschlüsse (JA) derHenkel & Cie GmbH1924–1927. 289/716-745, JA der Henkel & Cie GmbH1928–1944.

Mit dem 1934 erlassenen „Gesetz zur Ordnung der Arbeit“ hatte dasFührer- und Gefolgschaftsprinzip in den Betrieben Einzug gehaltenund die bislang geltende Betriebsratsverfassung abgelöst. Auch HugoHenkel war dem gemäß im selben Jahr zum „Führer des Betriebes“ernannt worden, obwohl die „Einstellung und Haltung der FamilieHenkel“ gegenüber den Nationalsozialisten und zur DeutschenArbeitsfront (DAF) „[...] von Anfang an getrübt“ war. „Da aber dieNotwendigkeit bestand, auch unter veränderten Verhältnissen in derProduktion ohne Störungen zu arbeiten“, zeigte sich das Unterneh-men kompromissbereit und überlegte, „wem man die Verantwortungfür die Personal- und Sozialfragen übertragen könnte, der auch dasVertrauen der DAF genösse“. Auch erkannte Henkel Parallelen zwi-schen der eigenen Sozialauffassung und den Zielen der DAF: Dem-nach habe der „seit Jahren in unserem Hause gepflegteKameradschaftsgeist“ das „neue“ Vertrauensverhältnis zwischenBetriebsführung und Gefolgschaft bereits vorweggenommen.23

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Bald konnte sich die Firma der reibungslosen und „ersprießlichen“Zusammenarbeit mit den Behörden rühmen. Insbesondere zu Fragendes Arbeitseinsatzes sowie zu betriebspädagogischen, gesundheitspo-litischen und sozialen Maßnahmen tauschte sich Henkel mit der DAFaus; und NSDAP-Funktionäre hielten Schulungsvorträge vor denbetrieblichen „Amtswaltern der DAF“ im Unternehmen, zu der auch„Gefolgschaftsführer“ und „Gefolgschaft“ eingeladen waren.24

Für sein sozial-, bildungs- und gesundheitspolitisches Engagementerhielt Henkel in den dreißiger Jahren zahlreiche offizielle Auszeich-nungen. In den Jahren 1940, 1941 und 1942 erhielt das Unternehmenauch die „Goldene Fahne“ des „nationalsozialistischen Musterbetrie-bes“, mit der die „Qualitätsarbeit, die sparsame Verwendung der Rohstoffe, der Einsatz für den Vierjahresplan“ oder auch „kaufmännische[r] Wagemut“ gewürdigt werden sollten. Ebenso fandbei der Auszeichnung der „Musterbetriebe“ „der Mensch, der in denBetrieben arbeitet“, Berücksichtigung: „Für ihn zu sorgen, ihn zu för-dern [...]“, darin bestand eine zentrale Aufgabe der Betriebspolitik.Neben Altersversorgung, Ausbildungswesen, Kinderfürsorge undMütterschulung wurden bei Henkel der „Geist der Gefolgschaft“, ihrekämpferische Haltung und Einsatzbereitschaft für den Nationalsozia-lismus besonders gewürdigt.25

64

24 J 105, Betriebsbesprechung,21.11.1939.25 Siehe etwa „Der Führer besuchtdas Henkel-Haus auf der GroßenReichsausstellung SchaffendesVolk in Düsseldorf“, in: BvH 17,1937, S. 390f. Henkel & CieGmbH, Unterlagen für dieGesellschafterversammlung,Fabrikverwaltung Kranenberg,Gefolgschafts- und Sozialberichtder Fabrikverwaltung über dasJahr 1939. Auch ebenda,Gefolgschafts- und Sozialberichtfür das Jahr 1940, 4.8.1941. K1,Kranenberg, Entwicklung desPersonal- und Sozialwesens,1970, S. 32. Laut Kranenbergverzögerte sich die Auszeichnungvon Henkel zum NS-Musterbetriebaufgrund der fehlenden NS-Betriebsordnung. Siehe zu denRichtlinien für die Beurteilung imLeistungskampf der deutschenBetriebe K2: I. Pflege der Volks-und Betriebsgemeinschaft. Dazugehörten die AllgemeineEinstellung zur nationalsozialisti-schen Bewegung wie Förderungder Ziele der NSDAP, Zusammen-arbeit mit der DAF, Abhaltung vonBetriebsappellen, Gemeinschafts-gesinnung und kameradschaftli-ches Verhalten, Tätigkeit desVertrauensrates und Art derKündigungsbestimmungen sowieII. Pflege der Volkskraft, darunterSorge für Wohnungen undFörderung der Siedlung für dieGefolgschaft, Urlaubsgewährungund -hilfe, Frauenschutz,Jugendschutz, Alters- undFamilienschutz und III. Pflege derArbeitskraft durch Maßnahmenund Einrichtungen der Berufser-ziehung unter Berücksichtigungder Lehrpläne der DAF und durchErfolge im Reichsberufswett-kampf sowie Betriebs- undArbeitsgestaltung im Sinne AmtSchönheit der Arbeit (Ordnungund Sauberkeit der Arbeitsräumeund Plätze, Licht- und Luftverhält-nisse, Wasch-, Bade- undAufenthaltsräume, Grünanlagen),Förderung von KdF, Vorhanden-sein eines Ferienheimes,betriebliche Gesundheitsführung,Betriebssport, IV. Lohnverhält-nisse anhand Einhaltung oderÜberschreitung der Tariflöhne,Methoden der Akkord- undPrämienentlohnung, Gewährungeines Leistungslohnes, Gewinnbe-teiligung durch Gratifikationen, V. sonstige Einrichtungen undMaßnahmen des Betriebes, VI.finanzielle Lage des Betriebes.

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Von 1918 bis 1923 haltendie Alliierten Teile des

Rheinlands besetzt: DieGrenze mit Schlagbaum,

Passkontrolle und Leibes-visitation verläuft kurz

hinter dem Henkel-Werk in Holthausen an der

Kölner Landstraße.

Viktor Kirberg: von 1924 bis1933 sowie von 1945 bis

1953 Vorsitzender desBetriebsrats.

Unruhige Zeiten 1924: Nacheinem Solidaritätsstreik

schließt die Geschäftsleitungden Betrieb und entlässt die

gesamte Belegschaft fristlos.

Zweite Markteinführung:1920 kann Persil wieder in

„Friedensqualität“ produziertwerden.

Das Hauptbüro 1926: Diehellen und großzügigen

Räume bieten für die Zeit vorbildliche Arbeits-

plätze (ganz links: Direktor Oskar Reich).

Während der Inflationsjahredruckt Henkel – wie viele

andere Firmen und Städte –eigenes Notgeld: Das

Inflationsgeld wird morgensin großen Körben zu den

Banken gebracht; und oft ist es abends bereits weitgehend wertlos.

Zwischen Diversifizierungund DemontageKrisenjahre und

Expansion

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Die Gründungsurkunde desHenkel-Werks in Genthin,ausgefertigt im Juli 1921.

Baubeginn für ein neuesWaschmittelwerk in Genthin:Den Grundstein legen Fritz Henkel jun. und seinBruder Dr. Hugo Henkel(beide in der Bildmitte) am4. August 1921.

Auf der großen DüsseldorferAusstellung Gesolei (Gesund-heitspflege – Soziale Für-sorge – Leibesübungen)1926 präsentiert sich Henkelmit einem eigenen Pavillon(links). Anschließend wirdder Pavillon mit Turmuhr(Gebäude A 4) in dieerweiterte Hauptverwaltungin Holthausen integriert,1929 (rechts).

Der Architekt WaltherFurthmann plant und bautvon 1906 bis in die frühen1940er Jahre für Henkel:neben allen Produktionsge-bäuden die Hauptverwaltungund das Hugo-Henkel-Schwimmbad (rechts).

Blick über den Plauer Kanal(heute: Mittelland-Kanal): dasWerk in Genthin im Winter 1925, vorne dasgroße Gebäude der Packerei.

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Die älteste Luftaufnahmevom Henkel-Werk in

Holthausen, 1927.

Böhme Fettchemie inChemnitz: 1935 übernimmt

Henkel Anteile der Firma.

Deutsche Hydrierwerke AG in Rodleben: Bereits

1932 erwirbt Henkel eineBeteiligung.

Forschungszentrum inRodleben: 1939 wird hier die

gesamte Henkel-Forschungzentralisiert.

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Die Ära Werner Lüps

Die enge Verzahnung zwischen dem Unternehmen und den national-sozialistischen Machthabern wurde offenbar durch personelleVeränderungen in der Geschäftsführung vorangetrieben. Gemäß dernationalsozialistischen Wirtschaftsauffassung stellte ein Unterneh-men wie Henkel „ein Wesen an sich“ dar, „und nicht die Additioneiner Reihe von Beteiligungsansprüchen der Gesellschafter“. Darausergaben sich Anforderungen an die unternehmerische Führungsstruk-tur: „Die Auswahl der leitenden Persönlichkeiten“ könne „nicht ledig-lich durch Familienrücksichten bestimmt werden, sondern der Besteist gerade gut genug“.26 Die Frage nach „dem Besten“ stellte sich1938, als Hugo Henkel – offiziell aus gesundheitlichen Gründen – denVorsitz der Geschäftsführung niederlegte.27

Um den Rücktritt Hugo Henkels ranken sich zahlreiche bisher unver-öffentlichte Erinnerungen. Diesen zufolge fiel der Unternehmer denIntrigen seines Neffen Werner Lüps zum Opfer, der machtgetriebenden Unternehmensvorsitz beansprucht habe und zur Durchsetzungdieser Ziele vor Denunziationen bei der Reichsleitung nicht zurück-geschreckt sei. Diesen zufolge galt Hugo Henkel als „politisch unzu-verlässig und nicht fähig [...], seine Werke im nationalsozialistischenSinne zu führen und zu leiten“. Er wurde 1938 von den Berliner Stel-len aufgefordert, „alle seine Ämter in der Firma Henkel & Cie nieder-zulegen“. Angeblich war Hugo Henkel zunächst nicht bereit, auf dieseForderung einzugehen, „bis die Sache gewaltsame Formen annahm.Man verfolgte ihn [...], setzte ihn unter Druck. [...] Auf Zureden sei-ner Familie und guter Freunde (Erbslöh) ist er dann schließlich abge-treten und hat sich auf sein Gut in Kufstein zurückgezogen.“28

Den Hintergrund der Kampagne gegen Hugo Henkel bildeten offen-bar „Steuerverfehlungen“, die bis in die Ära des KommerzienratsFritz Henkel zurückreichten, sowie Verstöße gegen die nationalsozia-listischen Devisenbestimmungen in den Jahren 1933 bis 1936 durchdie Transferierung von Gesellschaftskapital auf ausländische Gesell-schaften. Henkel war damals zur Zahlung eines Bußgeldes verurteiltworden; ein Schlussstrich sollte zudem durch einen personellenWechsel in der Leitung vollzogen werden. Diesen Sachverhalt hatteWerner Lüps offenbar gezielt genutzt, um den Unternehmensleiterunter Druck zu setzen, und „in die Düsseldorfer Firma“ hineinzu-kommen.

26 Henkel & Cie GmbH, Unterla-gen für die Gesellschafterver-sammlung, Dr. Ernst Busemannan Direktor Otto Erbslöh,stellvertretender Geschäftsfüh-rer der Henkel & Cie von 1935bis 1938, 19.3.1938.

27 Bekanntmachung über dieWahl von Lüps zum Betriebsfüh-rer in: BvH 18, 1938, S. 379.

28 Ordner Henkel 2, Dr. KonradHenkel an Colonel Lord,16.6.1946. So die Ausführun-gen Kirbergs in A 5 vom24.3.1954. Hintergrund bildetenmöglicherweise auch die„unverantwortlichen Äußerun-gen“ Hugo Henkels bei derAufnahme von Werner Lüps in die Geschäftsleitung. Diesewaren zu Protokoll genommenund als Druckmittel verwendetworden. Konkreter die Schilde-rung Walter Kobolds: „[...] imJahre 1938 kam es zu einerheftigen Auseinandersetzungzwischen Staatsrat ProfessorBörger, Werner Lüps und ihm[H. Henkel] selbst. Nach diesemZusammenstoß, in dem Dr.Hugo Henkel einmal offen undfrei den beiden vorerwähntenHerren seine Einstellung undMeinung gegenüber Hitler zumAusdruck brachte, wurde ergezwungen, von seinen Ämternzurückzutreten und außerdemaus der Geschäftsleitungauszuscheiden. Sollte er diesemBefehl nicht nachkommen,wurde ihm mit einem Sonderge-richtsverfahren gedroht.“Ebenda, Walter Kobold, ZeugnisDr. Hugo Henkel, 9.10.1945.Ebenda, Walter Kobold an denBürgermeister von Kufstein,9.8.1945. Hugo Henkel war ab1914 Düsseldorfer Stadtverord-neter der Liberalen Vereinigung,Düsseldorfer General-Anzeigervom 24. Oktober 1914. AlsKandidat der DeutschenDemokratischen Partei, einerSammlung liberaler Kräfte,wurde er 1919 erneut gewählt,Düsseldorfer Nachrichten,Abendausgabe vom 17. März1919. Vom Reichsminister desInnern wurde Hugo Henkel, der1933 der NSDAP beigetretenwar, 1934 zum Ratsherrnernannt, BvH 14, 1934, S. 209.Er war bis 1942 Ratsherr inDüsseldorf.

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29 Ordner Henkel 2, ErnstPetersen, Die Ereignissezwischen dem 5. und 21. März[1942]. Ebenda, Tengelmann anGöring, 9.4.1942. Der Henkel-Aufsichtsratsvorsitzende WilhelmTengelmann galt als Vertrauens-mann Görings. Ebenda,Petersen an Gritzbach,9.4.1942. Ebenda, Gedächtnis-niederschrift über die Bespre-chungen, die in der Zeit vom24.3. bis 2.4.1942 aufgrunddes Auftrages des HerrnGeneraldirektor Tengelmann beider Fa. HC GmbH Düsseldorfstattgefunden haben. Protokollüber die Sitzung des Vorstandesam 21.3.1942: Herr LandratTengelmann teilt dem Vorstandmit, dass der Vorsitzer desVorstandes [W. Lüps] am12.3.42 zu ihm gekommen seiund ihm mitgeteilt habe, dass ergroßen Unregelmäßigkeiten derVergangenheit auf die Spurgekommen sei. Vgl. Otto Pfaff inseinem Nachruf auf W. Lüps, in:BvH 22, 1942. Vgl. E 31,Interne Geschichte [= Finanzge-schichte] der Firma Henkel,30.6.1972. Vgl. auch dieBestände in den NationalArchives Washington, RecordGroup 407, Box 1035 und1036.30 Henkel & Cie GmbH,Unterlagen für die Gesellschafter-versammlung, Protokoll über die Versammlung der Geschäfts-führer der Fa. Henkel & CieGmbH, 11.3.1938. Henkel &Cie GmbH, Unterlagen für dieGesellschafterversammlung,Brandt an Emmy Lüps,1.8.1938. BvH 18, 1938, S. 313–317.31 Ordner Henkel 2, Tengel-mann, Besprechung mit Dr. Brandt, 26. und 27.3.1942.32 Dazu „Feierliche Verpflichtungder III. Generation der FamilieHenkel durch den BetriebsführerDr. Hugo Henkel“, in: BvH 18,1938, S. 317.33 150, Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen I, Brandt, Begründung zudem Entwurf für die Neufassungder Satzung der Henkel & CieGmbH, 2.9.1938. Ebenda, Dr.Brandt an Busemann,27.8.1938.

Der 1906 geborene älteste Enkelsohn des Unternehmensgründers,Sohn von Emmy Lüps, geborene Henkel, und Ernst Hugo Lüps, hat-te sich bereits vor der „Machtergreifung“ zum Nationalsozialismusbekannt und seine weitläufigen verwandtschaftlichen Beziehungenväterlicherseits zu Hermann Göring für den beruflichen Aufstieggenutzt. Gegenüber den Berliner Wirtschaftsbehörden hatte Lüpsangegeben, er werde unrechtmäßig von der Verwaltung seines Ver-mögens ausgeschlossen. Dabei hatte er dem Stamm Hugo Henkelvorgeworfen, die beiden übrigen Stämme und insbesondere denStamm Lüps benachteiligt zu haben.29

Offenbar musste Werner Lüps zu derartigen Mitteln greifen, denn dieGesellschafterversammlung hatte den von seiner Mutter Emmy Lüpsim März 1938 gestellten Antrag, ihren Sohn Werner „zum weiterenGeschäftsführer“ zu bestellen, zunächst abschlägig beschieden. „HerrWerner Lüps“ erfülle „nicht die Voraussetzungen [...], die an einenGeschäftsführer der Firma Henkel & Cie GmbH gestellt werden müs-sen“, hatte es damals lapidar geheißen.

Dennoch wurde der Enkel des Unternehmensgründers per Gesell-schafterbeschluss vom 26. Juli 1938 gemeinsam mit Dr. Jost Henkel(für den Stamm Hugo Henkel) und Carl August Bagel (für den StammFritz Henkel jun.) als Vertreter der „dritten Generation“ zumGeschäftsführer bestellt.30 Henkel-Justitiar Dr. Richard Brandt werte-te die veränderte Einstellung der Gesellschafter gegenüber der Beru-fung von Lüps rückblickend als Ergebnis der Einschüchterung durch„die Entlassung der Herren Erbslöh und Hugo Henkel“, zumal Lüpsimmer wieder „seine Beziehungen zu Berlin“ betont habe.31

Mit der Einsetzung der drei Stammesvertreter der Familie Henkel wardie Anzahl der geschäftsführenden Mitglieder auf 15 angestiegen, sodass eine Neufassung der Unternehmenssatzung erforderlich wurde.32

Dabei gerieten die Entscheidungsträger hinsichtlich der Position desVorsitzenden offensichtlich in einen Zwiespalt: Nach der bislang gel-tenden Satzung aus dem Jahr 1926 wurde Henkel & Cie durch dieGesamtheit der Geschäftsführer geleitet, wobei die Position des Ei-gentümers und seiner Söhne als „primi inter pares“ charakterisiert wur-de. Seit dem Tod von Vater und Bruder 1930 war Hugo Henkel daseinzige Familienmitglied in der Geschäftsführung gewesen. Damithatte der Unternehmer zwar „praktisch die Stellung eines Vorsitzers inder Geschäftsführung“ inne, doch besaß er aufgrund des Vetorechtsder übrigen Geschäftsführer keine alleinige Entscheidungsbefugnis.33

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Bei der anstehenden Erweiterung der Leitungsgremien vertrat dieGeschäftsführung die Überzeugung, dass die Firma „schon aus reprä-sentativen Gründen unbedingt einen Vorsitzer der Geschäftsführunghaben“ sollte. Da das „Prinzip der Führerpersönlichkeit [...] in derheutigen Zeit mit Recht besonders hervorgehoben“ werde, hielt manes einerseits für „notwendig, dass eine Person in einem so großenUnternehmen den Vorrang hat“.34 Andererseits aber erschien es denVerantwortlichen „bedenklich, einer einzelnen Persönlichkeit diealleinige Leitung und Verantwortung [...] zu geben“. Da „die Ent-scheidungsbefugnis eines einzelnen [...] zu Einseitigkeiten führen“könne, müsse „Vorsorge getroffen werden, dass vor irgendwelchenverantwortungsvollen Entscheidungen auch die übrigen maßgeben-den Geschäftsführer die Möglichkeit haben, ihre Ansicht zu der Ange-legenheit darzulegen“. Der Satzungsentwurf für die Henkel & CieGmbH vom September 1938 sah daher die Einführung eines „gemä-ßigten Führerprinzips“ durch Einrichtung eines Beirats vor, derzugleich die „gesunde Mischung von familiengebundenen und fami-lienfremden Personen in der Geschäftsführung“ sichern sollte.35

Im Anschluss an diese Satzungsänderung wurde Werner Lüps, damals32 Jahre alt, zum Vorstandsvorsitzenden und „Führer des Betriebes“ernannt.36 Spätestens Anfang 1940 wurden von Seiten der unterneh-merischen Kontrollorgane zunehmend Bedenken gegen die Lüps'scheGeschäftsführung laut, die sich sowohl an seinen beruflichen Qualifi-kationen wie auch an seinen menschlichen Qualitäten entzündeten:Die Vorwürfe resultierten aus seiner Art der Betriebsführung und Per-sonalpolitik, der schlechten Zusammenarbeit mit dem Vorstand undaus der Geschäftspolitik, die sich insbesondere darauf konzentrierte,„die großen Reserven der Firma jetzt im Krieg dazu zu verwenden,Aktien und Anteile anderer Firmen aufzukaufen und mit diesen Fir-men zu fusionieren, um damit eine Aufblähung des Henkel-Konzernszu erreichen, die weder der nationalsozialistischen Wirtschaftsfüh-rung im Kriege noch einer gesunden Firmenpolitik entspricht“.37

Durch seine „Großmannssucht“ sowie sein impulsives und sprung-haftes Wesen hatte sich Werner Lüps bei Geschäftsführung, Familieund Belegschaft gleichermaßen diskreditiert, so dass die Gesellschaf-ter es „für das Beste“ hielten, „wenn Herr Lüps aus der Geschäfts-führung ausscheiden und in den Aufsichtsrat überträte“.38 DieBeurlaubungspläne beschworen zwar den Widerstand des „Betriebs-führers“ herauf, der darin eine Beschneidung seiner Rechte sehenmusste, doch hatte sich die Familie nun dazu durchgerungen, „ohnejede Rücksicht“ gegen Werner Lüps „vorzugehen“: Wie Dr. ErnstPetersen seinem Schwager Jost Henkel schrieb, könne man das, „wasWerner in der jetzigen Kriegszeit gegen Firma und Familie angerich-tet hat, [...] nur als Kriegsverbrechen bezeichnen, und ich glaube, dassirgendeine Rücksicht aus Familiengründen nicht mehr möglich ist“.39

34 150, Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen I, E. Busemann, W.Tengelmann, 8.8.1939. Vgl.ebenda, Dr. Brandt an Tengel-mann, 5.9.1939: Laut derursprünglich geltenden Statutenstand dem Vorstandsvorsitzen-den „soweit der Aufsichtsrat esnicht anders bestimmt, nichtdas Recht zu, bei Meinungsver-schiedenheiten im Vorstand zuentscheiden“. Die Ausweitungder Befugnisse musste für Lüpsnoch gesondert in einerSatzungsänderung vorgenom-men werden. 35 150, Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen I, Brandt, Begründung zudem Entwurf für die Neufassungder Satzung der Henkel & CieGmbH, 2.9.1938. Ebenda,Schreiben Henkel & CieAG/GmbH an Tengelmann,5.9.1939 zur Satzungsänderungdes Gesellschaftsvertrages: „Fürdie Fa. Henkel & Cie GmbH wirdein Beirat bestellt. Dem Beiratstehen die gleichen Befugnissezu wie dem Aufsichtsrat einerAG. Der Beirat, ggf. ein aus denMitgliedern des Beirats gewähl-ter Personal-Ausschuss, kanneinen ordentlichen Geschäftsfüh-rer zum Vorsitzer der Geschäfts-führung ernennen und dessenRechtsstellung zu den übrigenGeschäftsführern regeln. DemVorsitzer steht das Recht zu, beiMeinungsverschiedenheitenunter den Geschäftsführern zuentscheiden; der Beirat, ggf.der Personal-Ausschuss, kannjedoch bestimmen, dass demVorsitzer dieses Entscheidungs-recht nicht zusteht.“36 A 2, Ordner Werksgeschichte2, Wirtschaft im Dienst derVolksgemeinschaft, in: BenratherTageblatt, 5.10.1938. Auch dieBekanntmachung über die WahlLüps zum Betriebsführer in: BvH18, 1938, S. 380.37 Ordner Henkel 2, ErnstPetersen, Schwiegersohn vonHugo Henkel, über dieGeschäftsführung des HerrnLüps, 42/6 [1942].38 Ebenda, 42/8 [1942].

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39 Ordner Henkel 2, ErnstPetersen an Jost Henkel, 11.4.und 16.4.1942. Ebenda,Tengelmann an Göring,9.4.1942.40 Siehe BvH 22, 1942,Sonderheft „Dem Gedächtnisdes WehrwirtschaftsführersWerner Lüps.“41 Ordner Henkel 2, ErnstPetersen, Die Ereignissezwischen dem 5. und 21. März[1942]. Ebenda, Jost Henkel anPaul Henkel, 20.4.1942.Ebenda, Jost Henkel anOberleutnant de Chapeaurouge,15.7.1942. Siehe E 31, InterneGeschichte [= Finanzgeschichte]der Fa. Henkel, 30.6.1972. BvH 22, 1942, S. 67.

Da seine Position im Unternehmen zusehends gefährdet zu seinschien, strengte Werner Lüps eine erneute Untersuchung der Steuer-angelegenheit an und versuchte, sich durch weitere Interventionenbeim Berliner „Stabsamt des Reichsmarschalls des GroßdeutschenReiches“ zum leitenden Reichskommissar bei den Nachforschungeneinsetzen zu lassen. Nachdem ihm offenbar die Wiedereinsetzung insein Amt bei Henkel und eine Ausdehnung seiner Machtbefugnissegelungen waren, verunglückte der Unternehmer am 16. April 1942auf der Rückfahrt von der Reichshauptstadt nach Düsseldorf tödlich.Sein Fahrer war nachts auf der Autobahn in der Nähe von Castrop-Rauxel nach einem Fliegerangriff in zwei Bombenkrater gefahren.40

Die Nachfolge als Betriebsführer der Henkel-Werke trat Jost Henkel,der älteste Sohn Hugo Henkels, am 11. Juli 1942 an.41 Gleichzeitigwurde Dr. Hermann Richter zum Vorsitzenden der Geschäftsleitunggewählt.

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Firmenchef Dr. Hugo Henkel(links) muss 1938 aufnationalsozialistischen Druckdie Betriebsführung anseinen Neffen Werner Lüps(1906–1942) abtreten.

Die weiteren Vertreter derdritten Generation derFamilie Henkel in derGeschäftsführung (von links):Carl August Bagel (1902–1941), Schwiegersohn vonFritz Henkel jun. undGeschäftsführer 1938/1939; Dr. Jost Henkel (1909–1961),ältester Sohn von HugoHenkel und seit 1933 in der Firma; Dr. Willy Manchot (1907–1985), ebenfalls ein Schwie-gersohn von Fritz Henkel jun.und ab 1939 Nachfolger des erkrankten Carl AugustBagel.

„Betriebsappell“ der natio-nalsozialistischen DeutschenArbeitsfront (DAF) auf demFritz-Henkel-Platz in Düssel-dorf-Holthausen 1937:Teilnahmepflicht für diegesamte Belegschaft.

Der Organisationsplan derDeutschen Arbeitsfront,BetriebsgemeinschaftHenkel, 1939.

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Marken und Märkte

In der Zwischenkriegszeit trugen Maßnahmen zur Sicherung dereigenen Grundstoffversorgung dazu bei, dass sich die Geschäftsinhal-te von Henkel veränderten. Zudem wurde das Kerngeschäft durch dieEröffnung von verwandten Märkten wie denen des Großverbrauchsund der Hygiene erweitert. Auf diese Weise wandelte sich das Unter-nehmen vom Persil-Hersteller zum diversifizierten Anbieter von Mar-kenartikeln und Chemieprodukten.

Wasch- und Reinigungsmittel

Nach dem Ersten Weltkrieg kam Henkel mit einer Vielzahl neuerMarkenartikel auf den Markt, die den Ruf des Unternehmens imHaushaltsbereich begründeten. Nachdem Sil 1918 als überarbeitetesKriegsprodukt zum Bleichen und Nachspülen der Wäsche herausge-bracht worden war, kam 1920 das Scheuerpulver Ata als weitererMarkenartikel hinzu. Im selben Jahr lief nach der Aufhebung derZwangsbewirtschaftung auch die Herstellung von Persil wieder an.1921 wurde Henkel’s Bleich-Soda in Henko umbenannt, das als Ein-weichmittel ununterbrochen bis Anfang der 1990er Jahre vertriebenwurde. Damit avancierten Henko, Persil und Sil zum „Triumvirat derWäschepflege“, die für den kompletten Waschvorgang – zum Einwei-chen, Waschen und Nachspülen – verwendet werden konnten.

P3

Das Marktsegment der Industriereinigung wurde unter der Bezeich-nung P3 im Jahr 1929 eröffnet. Der Sammelbegriff P3 leitet sich vonder chemischen Verbindung Trinatriumphosphat ab und umfasste eineReihe chemisch-technischer Verfahren auf der Grundlage einesGemischs aus Ätzalkalien, reinigungsaktiven Salzen, Phosphaten,Inhibitoren, Netz- und Emulgiermitteln sowie speziellen Löse- undDesinfektionsmitteln zur Reinigung in Industrie, Land- und Ernäh-rungswirtschaft.42 Für die Haushaltspflege basierte der 1929 einge-führte Allzweckreiniger Imi ebenfalls auf der P3-Rezeptur. Die dreiBuchstaben des Markennamens standen firmenintern für „In meinemInteresse“, so Hugo Henkel.43

Henkel hatte bei seinen Entwicklungsarbeiten auf Know-how aus denUSA zurückgegriffen und war der erste Anbieter dieser Produktart inDeutschland: 1928 hatte Hugo Henkel auf einer Amerika-Reise dieVorzüge des Phosphatierungsverfahrens kennen gelernt, das vorzugs-weise in den Bereichen Technik (Reinigung und Veredelung vonMetallen, Maschinen, Geräten, Kesseln, Entlackung, Entrostung undKorrosionsschutz), Ernährungswirtschaft und Lebensmittelindustrie(Desinfektion aller Oberflächen in Produktionsbetrieben) Verwen-dung fand. Damit löste P3 die bislang gebräuchlichen mechanischenund chemischen Verfahren der technischen Reinigung wie Sandstrah-len, Abschmirgeln, Abschleifen, Glühen oder die Verwendung von 73

42 Manfred Schöne, Aus derGeschichte der P3-Produkte und Verfahren zur Reinigung,Entfettung und Desinfektion (= Schriften des Werksarchivs 2),Düsseldorf 1970, S. 11f. Sieheauch Aloys Barz, Von einer Ideezum Verfahren. Betrachtungenzum P3-Jubiläum, in: BvH 32,1954, S. 167-169. „Auch nach50 Jahren noch an der Spitze“,in: Henkel-Blick 6/1979, S. 6f.43 C 2032, Brief vom 7.5. 1929.

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organischen Fettlösemitteln wie Waschbenzin, Benzol oder chlorier-ten Kohlenwasserstoffen ab. Von Anfang an wies das P3-Geschäft, dasauf die speziellen Kundenbedürfnisse ausgerichtet war, eine hoheBeratungsintensität auf, die die Grundlage für den späteren Ausbauder Systemtechnik bildete.44

Während des Dritten Reiches lieferte dieses Produktsortiment die ver-gleichsweise besten Ergebnisse. Die Substanzen basierten überwie-gend auf einheimischen Rohstoffen, waren weitgehend unabhängigvon der staatlichen Devisen- und Rohstoffbewirtschaftung und ver-zeichneten eine hohe Nachfrage der Rüstungsindustrie.

Großverbrauch

Das Großverbraucher-Geschäft (GV) mit Waschmitteln für gewerbli-che Wäschereien, Krankenhäuser und Hotels eröffnete Henkel nachdem Ersten Weltkrieg. Es bildet die Keimzelle des Hygienegeschäfts.Um die Mitte der 1920er Jahre registrierte das Unternehmen nämlichdie wachsende Bedeutung gewerblicher Wäschereiunternehmen undentwickelte Spezialprodukte wie Empor, Typon, Waschella, Oxygenolund Dixit, die sich der maschinellen Ausrüstung der gewerblichenWäschereien anpassten.45

Klebstoffe

Bis in die frühen 1920er Jahre hinein war die Hannoveraner FirmaSichel der wichtigste Klebstofflieferant von Henkel. Doch als nachdem Ersten Weltkrieg der „Brückenkopf Köln“ ab 1918 sowie dieRuhrbesetzung der Franzosen und Belgier 1923 alle Geschäftsverbin-dungen nach außen abzuschneiden drohten, nahm Henkel 1922 dieEigenherstellung von Klebstoffen auf der Grundlage von Stärkederi-vaten auf und baute sie rasch für den Fremdabsatz aus.46 Durch dievertikale Integration sämtlicher Produktionsstufen bei der Verpa-ckung konnte Henkel – rückblickend betrachtet – einen neuen Unter-nehmensbereich implementieren. Nachdem für den Fremdverkaufzunächst Papier- und Kartonkleber hergestellt wurden, ging Henkelmit Malerwerkstoffen wie Henkel's Malerleim, dem Mineralfarben-anstrich Kiesin oder Trax-Außenputz, die farbbindend waren und sichfür Innen- und Außenanstriche eigneten, auf den Markt.47

Doch verlief das Henkel-Klebstoffgeschäft bis zum Ende der 1920erJahre unbefriedigend. Dabei spielten anfangs technische Schwierig-keiten eine große Rolle, „weil an manchen Tagen mehr beanstandeteWare ins Werk zurückkam [...], als frische Ware das Werk verließ“.Der Druck verstärkte sich durch den „hartnäckigen Konkurrenz-kampf“ im Inlandsgeschäft, so dass die Eroberung eines festenAbsatzgebietes „oft nur unter Preiszugeständnissen erreicht werden“konnte. Bei einem Marktanteil von 10 Prozent in den 1920er Jahrenwollte die Geschäftsleitung mehrfach das Verlustgeschäft aufgeben,doch Hugo Henkel setzte sich für den Erhalt der „Leimabteilung“ ein.Er sollte Recht behalten: Seit 1933 war das Klebstoffgeschäft aus den„roten Zahlen“.48

44 Bericht des Herrn Dr. H.Henkel über seinen Besuch inAmerika, Nov./Dez. 1928, in:Schöne, P3, S. 8. „Die P3-Reiniger in der Technik und imNährstand“, in: BvH 23, 1943, S. 83-87. Barz, Nach 20 JahrenP3! Gedanken zum P3-Geschäftan der Schwelle des Jahres1950, in: BvH 27, 1949, S. 312. Schöne, P3, S. 19 und 21.

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45 Friedrich Schäfter, DerMarkenartikel im GV-Geschäft,in: BvH 25, 1947, S. 96-98.

46 Manfred Schöne, 100 JahreSichel. Spezialist für Kleb- undDichtstoffe (= Schriften desWerksarchivs 25), Düsseldorf1989, S. 88–90, 94f. Sieheauch derselbe, Von der Leim-abteilung zum größten Klebstoff-werk Europas (= Schriften desWerksarchivs 9), Düsseldorf1979, insbesondere S. 13–25.47 Wilhelm Müller, Trax. Henkel'sHausverputz, seine Entstehungund Bedeutung für das deutscheSiedlungswesen, in: BvH 18,1938, S. 240f.

48 Hundert Jahre Henkel, S. 111. „Kiesin, Henkel'smineralisches Farbenbindemit-tel“, in: BvH 9, 1929, S. 386–387. Barz, FlammschutzmittelKiesin im Dienste des Deut-schen Luftschutzes, in: BvH 14, 1934, S. 296f.

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Als Mitte der 1930er Jahre die Zellulose als zweite Rohstoffbasisneben die Stärkederivate trat, produzierte Henkel ab 1936 Carboxy-methylcellulose (CMC), einen auf Holzbasis entwickelten Zellulose-äther, der die Grundlage für den „Henkel-Zellkleister“ bildete. Dieseund andere Produkte brachten einen sprunghaften Anstieg desGeschäfts in den 1930er Jahren, zumal die Hauptrohstoffe in ausrei-chendem Umfang im Inland beschafft werden konnten.

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Produktionsmengen der Henkel & Cie GmbH in Tonnen1919 bis 1945

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Quelle: B 4, Statistik Produktionder Henkelwerke in Düsseldorf,21.9.1950, S. 1–5, und23.11.1950, S. 1–5. 159/28,Versand Bleichsoda 1920–1922.* In der Zeile Persil handelte essich von 1939 bis 1945 umEinheitswaschmittel; Die Zeile Waschhilfsmittel enthältvor allem Bleichsoda; ab 1940 auch Imi und Sil.

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49 159,54, Betriebsabrechnung 1938.

Grundstoffchemie

Im Wasserglasgeschäft mussten die Preise nach dem Ersten Weltkrieg„häufig unter Gestehungspreis“ gesenkt werden, um gegenüber derin- und ausländischen Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben zu kön-nen. Dies änderte sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, als dieEnde 1927 gegründete Wasserglaskonvention Marktschwankungenausglich, so dass sich die Erlöse nun „allgemein zufriedenstellend“entwickelten. Auch Ende der 1930er Jahre verzeichnete das Wasser-glasgeschäft weiterhin einen positiven Trend, wobei der Exportanteilbei rund 35 Prozent des Inlandsumsatzes lag.49

Fett- und Ölchemie

Als marktführendes Unternehmen der deutschen Waschmittelindus-trie gehörte Henkel zu den größten Verbrauchern von pflanzlichenund tierischen Ölen und Fetten. Die Firma beanspruchte nach demErsten Weltkrieg durchschnittlich 45 Prozent aller in Deutschland ver-fügbaren technischen, also für industrielle Zwecke verwendeten Fet-te. Das Fett- und Ölgeschäft von Henkel wurde 1934 durch denErwerb der mitteldeutschen Firma Dehydag in Rodleben und 1935durch die Beteiligung an der Firma Böhme in Chemnitz ausgebaut.Die Firmen beschäftigten sich unter anderem mit der Hydrierung undder Gewinnung der waschaktiven Fettalkoholsulfate (FAS) sowie mitder Entwicklung von Textil- und Lederhilfsmitteln. Durch denZugang zu diesem Forschungspotential eröffnete sich Henkel denZugang zur Fettchemie, auch wenn primär zunächst die Expansiondes Waschmittelgeschäfts im Vordergrund stand.50

Im Rahmen der nationalsozialistischen Autarkiepolitik wurde dieFettwirtschaft ab März 1933 der staatlichen Bewirtschaftung unter-stellt. Aufgrund der hohen Abhängigkeit Deutschlands von Fett- undÖlimporten sowie mit Blick auf den herrschenden Devisenmangelentwickelte sich die Fettversorgung von Bevölkerung und Industriebald zu einem volkswirtschaftlichen Problem. Die für industrielle undprivate Verbraucher gleichermaßen spürbare „Fettlücke“ sollte durchdie Zentralisierung des Einkaufs durch die Reichsstelle für industriel-le Fettversorgung (RIF) sowie bilaterale Handelsabkommen auf Clea-ringebene, etwa mit Norwegen, geschlossen werden. Als Henkel dieExtraktionsbetriebe wegen Ölsaatenmangels immer „wieder stillset-zen“ musste, bemühte sich das Unternehmen ab 1935 durch Verwen-dung kontingentfreier Öle wie Walöl oder durch die Nutzung vonAbfallfetten aus der Textil- oder Fischindustrie, die benötigten Fett-mengen zu beschaffen.51

Mit dem zunehmenden Bewirtschaftungsdruck der Vierjahresplan-Erlasse hatte Henkel 1936/37 das Walfang-Geschäft aufgenommenund engagierte sich nun in einem Wirtschaftszweig, der in Deutsch-land seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nicht mehr betriebenworden war. Die Gesellschaft verband damit neben einer Devisen-ersparnis von „etwa zwei bis drei Millionen Reichsmark pro Jahr“ dieHoffnung auf eine bessere Versorgung mit Fettrohstoffen durch die 77

51 Friedrich Bohmert, vom Fangder Wale zum Schutz der Wale(= Schriften des Werksarchivs14), Düsseldorf 1982, S. 29f. A 22, Protokoll über die SitzungNr. 1/39 des Beirates der Fa.Henkel & Cie GmbH,18.4.1939. Siehe auch „JanWellem im Sturm. Die Ausfahrtder ersten deutschen Walfang-flotte“, in: BvH 17, 1937, S. 16,sowie „Der erste Wal istgeschossen“, ebenda, S. 124-126. „Zur Geschichte der ErsteDeutsche Walfang Gesellschaft,E.D.W.G.‘“, in: ebenda, S. 142–146. „Frau Gitta Lüps taufteunser neues Schiff: Antarktis“,in: BvH 19, 1939, S. 152–155.J 105, Betriebsbesprechung,19.11.1935.

50 Siehe dazu im einzelnenWilfried Feldenkirchen, DasInlandsgeschäft der FirmaHenkel seit dem ZweitenWeltkrieg am Beispiel ausge-wählter Tochtergesellschaften.Internes, unveröffentlichtesManuskript, 1999.

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Durchbrechung des norwegisch-englischen Walfangmonopols. DemUnternehmen gelang es auf diese Weise, etwa ein Drittel des Fett-kontingents zusätzlich zu erhalten. So beteiligte sich Henkel nacheigener Einschätzung „in umfassender Weise an den Aufgaben desVierjahresplanes“. Obwohl das Unternehmen Henkel zunächst50 Prozent des Fangergebnisses für die eigene Produktion nutzenkonnte, blieb der Erfolg der Walfangaktivitäten aufgrund hoherBetriebsverluste insgesamt hinter den Erwartungen zurück. 1939musste Henkel den Walfang durch den Ausbruch des Zweiten Welt-kriegs einstellen.52

Glycerin

Im Glyceringeschäft sorgte die Qualität der Produkte für einen gleich-mäßigen Absatz. Hugo Henkel hatte 1928 bei seinem Besuch in denUSA festgestellt, dass „Glycerin als Kühlflüssigkeit [...] eine steigendgroße Rolle“ spielte: „Die Entwicklung der billigen Autos ergibt dieNotwendigkeit, dieselben selbst zu fahren und in der Kälte stehen zulassen. Die Not, eine anständige Garage zu haben, wird es dazu brin-gen, dass man den Kühler mit einer Kälteflüssigkeit füllen muss. [...]Die Angelegenheit ist für uns dringend und kann zu einem großenGeschäft werden [...]“. Aus dieser Initiative entwickelte Henkel 1929das Gefrierschutzmittel Dixol.53

Durch die Drosselung der Fettverarbeitung in den 1930er Jahren gingder gesamtdeutsche Glycerinanfall stark zurück. Das Unternehmenbehalf sich zum einen ab 1940 durch die Verwendung von „Beutewa-re, besonders französischen Ursprungs“ sowie zum anderen durch dieZusammenarbeit mit der Norddeutschen Hefeindustrie, die in derLage war, Gärungs-Glycerin zu liefern. Seit Jahren hatte Henkelbereits Versuche betrieben, um aus Hefe auf biologischem Wege Fet-te zu gewinnen, die als Rohstoffbasis für Fettsäuren genutzt werdensollten. Allerdings konnte dabei noch keine Rentabilität erzielt wer-den, weil der Ausgangsrohstoff Zucker sich als zu teuer erwies. DieBeteiligung an der Norddeutschen Hefeindustrie 1934 sollte aber aufmittlere Sicht den Zugang zu biosynthetischen Verfahren eröffnen, diedie Grundlage für den Einsatz verbesserter Enzymstämme inWaschmitteln lieferte.54

Verpackung

Seit den Anfängen hatte Henkel dem Verpackungsgeschäft besondereAufmerksamkeit gewidmet, „da der Absatz unserer Produkte hiervonabhängig ist“. Die in Pakete abgefüllten Markenartikel wurden zu 25bis 100 Stück in Holzkisten oder Pappkartons abgepackt. Pappe undHolz bildeten somit die unverzichtbaren Rohstoffe dieses Geschäfts-bereichs. Die 1920er Jahre standen im Zeichen der Gründung undAngliederung von Verpackungsfirmen. Im Jahr 1922 kam es nicht nurzur Übernahme der Papierfabriken Inden bei Jülich und Westerhüsenbei Magdeburg, sondern auch zur Beteiligung an der Holzwerke Zap-fendorf AG bei Nürnberg, die 1924 komplett von Henkel übernom-men wurde. 1937 folgten der Erwerb der Pappen- und Papierfabrik

53 92/22, Bericht des Herrn Dr. H. Henkel über seinenBesuch in Amerika, Nov./Dez.1928.

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54 A 22, Generalversammlungvom 8.8.1941. Betriebsablaufund Ausbau der Henkelwerke imBerichtsjahr, 8.8.1941. HundertJahre Henkel, S. 114.

52 Bohmert, Fang, S. 29 und S. 105. A 22, Anlage zumProtokoll über die Sitzung desBeirats, 23.4.1940, Allgem.Geschäftsbericht für das Jahr1939. Ab Kriegsausbruch wardie synthetische Fettsäure „vollund ganz der Bewirtschaftungunterworfen, so dass wir keinVerfügungsrecht mehr darüberhaben“. Ebenda, 23.4.1940.Generalversammlung vom23.4.1940. 205/O 55,Reichswirtschaftsministerium anHenkel, 19.11.1935. Sieheauch 289/756, Bericht über diePrüfung der Eröffnungsbilanzder EDWG in DM zum21.6.1948. Auch Erik Lynge,Der Walfang. Ein Beitrag zurWeltwirtschaft der Fettstoffe (= Wandlungen in der Weltwirt-schaft, Heft 7), Leipzig 1936;Carl-Heinrich Hudtwalcker, DerWalfang als volkswirtschaftlichesProblem, Forchheim 1935.

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55 A 22, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940, Allgem. Geschäfts-bericht für das Jahr 1939.Henkel & Cie GmbH, JuristischeUnterlagen, Papier und PappeAG an Henkel & Cie GmbH,Juristische Abteilung,31.7.1941.

56 A 22, Protokoll über dieSitzung Nr. 1/39 des Beiratesder Fa. Henkel & Cie GmbH,18.4.1939.

57 BvH 21, 1941, S. 113–115.Lediglich der Landbesitz inBrannenburg ist bis heute imBesitz der Henkel KGaA.

Süchteln GmbH (bei Viersen am Niederrhein) und der Firma Kien-zerle im oberbayerischen Oberau sowie 1939 eine Beteiligung der1925 gegründeten Rheinischen Pappenfabrik in Monheim bei Düssel-dorf. Diese Tochtergesellschaften wurden 1940 in der Papier und Pap-pe AG, Berlin, zusammengefasst. Mit drei Sägewerken sicherten dieHolzwerke Zapfendorf den Bedarf an Kisten, während die Papier undPappe AG die Versorgung mit Pappe übernahm.55 Doch zeigten sichauch im Verpackungsbereich ab den 1930er Jahren zunehmendSchwierigkeiten mit den behördlichen Stellen, da diese „bestrebt sind,die vorhandenen Holz- und Strohmengen zu anderen Zwecken als zuVerpackungsmaterial verarbeiten zu lassen“.56

Ergänzend hatte Henkel zur gleichen Zeit auch die vorgelagerte Holz-Versorgung gesichert, und zwar durch den Erwerb umfangreicherForstgebiete. Dazu zählten vor allem die drei großen „Waldgüter“Forstamt Kemnitzberg in Schlesien mit 4.413 Hektar, Forstamt Bran-nenburg in Oberbayern mit 2.446 Hektar und die ForstverwaltungPiberegg in der Weststeiermark mit 797 Hektar.57

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Der erste Haushaltsreinigerauf Basis Natriumphosphat:Imi, ab 1929 (links undMitte).

Neuer Name für ein Tradi-tionsprodukt: Henkel´sWasch- und Bleich-Sodaheißt ab 1921 Henko.

Wäsche-Nachspülmittel: Sil, ab 1918.

Zwischen Diversifizierungund DemontageKrisenjahre und Expansion

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Einstieg in den Markt für Reinigungsmittel:

Ata, ab 1920. Wie dieHenkel-Waschmittel wird

Ata zunächst in einerPappschachtel mit

bedrucktem Hüllenblattangeboten (links).

Persil-Packung von 1938(links): Das Packungsdesign

wurde zwischen 1907 und1958 kaum verändert.Rechts: Markenartikel-

Werbung zum Firmenjubiläum 1926.

Die spätere Tochter-gesellschaft Böhme in

Chemnitz bringt 1932 dasFeinwaschmittel Fewa auf

den Markt: das erstesynthetische, also seifenfreieWaschmittel in Deutschland.Packung und Plakat mit der„Fewa Johanna“ von 1938.

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Innovative Produkte undattraktive Anzeigen für denneuen Geschäftszweig: Seit 1923 vermarktet Henkel Klebstoffe.

Mit P3-Produkten entwickeltHenkel ab 1929 das Hygie-ne- und das Oberflächen-technik-Geschäft: erste

Zeitungsanzeige(links) und P3zinnfest, 1932.Rechts: Zwischen 1929und 1940vermarktetHenkel dasFrostschutz-mittel Dixol fürAutokühler.

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In riesigen Lagerhallenstapeln sich auch schon vor

dem Ersten Weltkrieg dieVorräte an Ölsaaten für die

Seifenherstellung. Rechts: Faltblatt-Werbung

für Henkel-Kleister.

1935 gründet Henkel dieErste Deutsche Walfang-

Gesellschaft: das Walfang-mutterschiff „Jan Wellem“

mit Fangbooten in der Antarktis, 1936.

Ein Erfolgsprodukt desHolthausener Klebstoffwerks

in den 1920er Jahren:Henkel-Kleister.

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Beschäftigung

Analog zur Expansion des Unternehmens stieg die Zahl der Beschäf-tigten nach dem Ersten Weltkrieg von rund 1.800 im Jahr 1918 aufüber 5.000 Mitte der 1930er Jahre an. Das stetige Wachstum wurdelediglich zeitweise und in unterschiedlicher Stärke durch die Hyper-inflation, die Weltwirtschaftskrise sowie durch den Ausbruch desZweiten Weltkriegs unterbrochen.

Nach 1933 führte die nationalsozialistische Regierung Maßnahmenzur Reduzierung der Arbeitslosigkeit ein. Im Rahmen der sogenann-ten Doppelverdienerkampagne wurde Henkel angehalten, „Doppel-verdiener“ zu überprüfen und Frauen, deren Männer berufstätigwaren, durch Arbeitslose zu ersetzen. Diese Maßnahme stieß bei denweiblichen Beschäftigten auf heftigen Widerstand.58 Dennoch bevor-zugte das Unternehmen 1934 bei der Neueinstellung von Arbeitern„die Männer der bei uns beschäftigten verheirateten Arbeiterinnen“,während die Ehefrau durch den Eintritt des Mannes „natürlich [...]entlassen“ wurde. Zudem sollte Henkel anstelle von jugendlichenArbeitern diejenigen einstellen, „die Familie und Kinder haben“. DasUnternehmen versuchte zwar, dieser Anordnung zu entsprechen, denAusschlag gab jedoch stets „das Betriebsinteresse“, das heißt, dieAnforderungen an das Stellenprofil der zu besetzenden Position.59

Aufgrund der staatlichen Produktionslenkung stagnierte die Beleg-schaftsentwicklung in den 1930er Jahren. Den stärksten Einbruchverzeichnete das Unternehmen während des Zweiten Weltkriegs, alsdie Belegschaft von fast 6.000 Personen im Jahr 1939 auf 3.724 imJahr 1945 sank.60

58 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970.

59 J 105, Betriebsbesprechung,10.7.1934.

60 K101, Belegschaftsentwick-lung 1876 bis heute. Siehe imfolgenden auch die Ausführun-gen zur Situation der Firmawährend des Zweiten Welt-kriegs.

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Belegschaft der Henkel & Cie GmbH 1918 bis 1945

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Quelle: K101, Belegschafts-entwicklung 1876 bis heute.

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Umsatz

61 156/36, Jahresumsätze1908-1920.

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Der Gesamtumsatz von Henkel lag nach dem Ersten Weltkrieg bei41,8 Millionen Mark (1918) und stieg bis 1920 auf 194,7 MillionenMark an. Dabei handelt es sich jedoch um Nominalwerte, wobei dieInflation einen Vergleich kaum zulässt. Die Währungsdisparitätenmachen es auch für die frühen 1920er Jahre unmöglich, „ein genauesBild über Gewinn und Verlust zu geben“. Doch angesichts der „Regel-mäßigkeit der eingehenden Aufträge bzw. Umsätze“ kann davon aus-gegangen werden, „dass im allgemeinen der Geschäftsgang einzufriedenstellender war“.61

Die Produktionsmengen bilden einen sinnvolleren Maßstab zur Beur-teilung der Geschäftsentwicklung: 1918 sank die Gesamtproduktiondes Unternehmens gegenüber dem Vorjahr um 7,5 Prozent auf 62.925Tonnen und 1919 sogar um ein Drittel gegenüber Vorjahr auf 42.087Tonnen. Nachdem der Ausstoß bis 1922 um insgesamt 114 Prozent auf90.089 Tonnen erhöht worden war, trat 1923 aufgrund der Hyperinfla-tion und des passiven Widerstands der Belegschaft ein erneuter Rück-gang um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 26.691 Tonnen ein.62

Mit der Währungsreform 1924 und dem Ende der Rheinlandbesetzung1925 konnte das Unternehmen wieder geregelt produzieren und an dieGeschäftsentwicklung der Vorkriegszeit anknüpfen. Das starke Wachs-tum des Geschäftsvolumens resultierte auch aus der Erschließung neu-er Verkaufssegmente wie Klebstoffe und Großverbraucher. Bis 1930stieg der Umsatz auf 207,1 Millionen Reichsmark an, während dieProduktionsmengen bis 1932 – trotz Weltwirtschaftskrise – kontinu-ierlich um insgesamt 286 Prozent auf 210.368 Tonnen kletterten. Aufdem Höhepunkt der Konjunkturkrise 1931/32 setzte lediglich eine Ver-langsamung des Wachstums ein, wobei sich der Umsatz von 1931 auf1932 um 16 Prozent auf 173,9 Millionen Reichsmark reduzierte.63

Nach Überwindung der Weltwirtschaftskrise konnte Henkel dieGesamtproduktion kontinuierlich um insgesamt 93 Prozent von202.225 Tonnen 1933 auf 390.280 Tonnen im Jahr 1941 steigern. Inder Folgezeit gingen die Produktionsmengen stetig um 37 Prozent bis1944 und 1945 noch einmal um 70 Prozent gegenüber dem Vorjahrzurück.

62 Zu den Streiks bei Henkelsiehe Leitzbach, Mitarbeiter-vertretung, S. 20–23.

63 152, Geschäftsbericht 1931 der Henkel & Cie AG, Düsseldorf.

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Quelle: 289/716–728, 745,746, Jahresabschlüsse derHenkel & Cie GmbH, Anlagenzur Bilanz: Vorschläge für dieVerteilung des Reingewinns1924–1944; Geschäftsberichteder Henkel & Cie AG1925–1929; 1936–1944. Da die Henkel & Cie AG keineeigenen Umsatzerlöse verbuch-te, sind deren Jahresüberschüs-se in die Berechnung miteinbezogen.

Umsatzrentabilität der Henkel & Cie GmbH (und AG) inProzent 1924 bis 1944

Mit Ausnahme eines leichten Rückgangs 1935 stiegen die Umsatzer-löse vergleichsweise moderat um 61 Prozent von 161,8 MillionenReichsmark 1933 auf 261,1 Millionen Reichsmark 1939. Zwischen1939 und 1942 sanken die Umsatzerlöse um insgesamt 34 Prozent. Inden beiden darauffolgenden Jahren stiegen sie um 8 Prozent. 1945schließlich fielen sie um 81 Prozent auf 36 Millionen Reichsmark. DieUrsachen für diese Entwicklung resultierten bei Henkel vor allem ausdem Mangel an Rohstoffen und Arbeitskräften, während das Werk inDüsseldorf-Holthausen kaum Kriegszerstörungen hinnehmen musste.

Analog dazu entwickelte sich die Erlössituation des Unternehmens abder Währungsreform von 1924. Der Jahresüberschuss der Henkel &Cie GmbH stieg von rund 3 Millionen Reichsmark im Jahr 1924 auf13,2 Millionen Reichsmark im Jahr 1928. Aufgrund der Weltwirt-schaftskrise sank er dann bis auf 6,5 Millionen Reichsmark im Jahr1930 ab. 1937 erreichte der Jahresüberschuss mit mehr als 32 Millio-nen Reichsmark den höchsten Stand bis 1945. Ab Ausbruch des Zwei-ten Weltkriegs 1939 stagnierte die Erlössituation des Unternehmensauf vergleichsweise hohem Niveau. 1944 fiel sie abrupt auf 4,2 Milli-onen Reichsmark zurück. Demzufolge schwankte die Umsatzrentabi-lität in den 1920er und 1930er Jahren zwischen knapp 5 und 10Prozentpunkten. Nur im Krisenjahr 1930 sowie 1944 sank sie aufunter 3,37 beziehungsweise 2,24 Prozent.

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Henkel imZweiten Weltkrieg

Produktion und Absatz

Die ohnehin schon eingeschränkte unternehmerische Freiheit wurdewährend des Krieges fast völlig beseitigt. Da Produktion, Absatz undPreisfestlegungen sich nicht mehr nach Angebot und Nachfrage rich-teten, wurden staatliche Anordnungen, Regelungen und Lenkungs-maßnahmen in immer stärkerem Maße entscheidend. Im Zuge derKriegsvorbereitungen war durch Verfügung vom 23. Mai 1938 dieEinteilung der Produzenten in „wehrwirtschaftliche Wichtigkeitsklas-sen“ vorgenommen worden, die die deutsche Wirtschaft in rüstungs-wichtige und andere Produktionsbereiche spaltete.

Offiziellen Verlautbarungen zufolge hatte Henkel 1940 „die Umstel-lung auf die Kriegswirtschaft [...] dank der sorgfältigen Vorbereitungin Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden ohne Schwierig-keiten vollzogen“.64 Da Henkel nicht zur „kriegswichtigen Industrie“zählte, wurden die Bemühungen des Unternehmens um die Erhö-hung der Produktivität durch erschwerte Materialbeschaffung undlange Lieferzeiten untergraben. Auch der Mangel an Arbeitskräftenmachte sich in den Betrieben „unangenehm fühlbar“, so dass eingeordneter Produktionsablauf auf Dauer nicht mehr gewährleistetwerden konnte.65

Der Krieg wurde somit „zum unerbittlichen Kritiker über Eigenschaf-ten und Wirkung von Waschmitteln“, der „in scharfer Auslese dieDauerexistenzberechtigung jedes einzelnen Erzeugnisses“ prüfte. AufAnordnung der Reichsstelle für Chemie musste Henkel die Persil-Fabrikation bei Kriegsausbruch einstellen. An ihre Stelle trat „dasneue Einheitswaschpulver für Weiß-, Grob-, Buntwäsche“, dessenZusammensetzung und Packungsgestaltung durch die Behörden fest-gelegt wurden. Da die meisten deutschen Hersteller Umstellungspro-bleme hatten, stellte Henkel „bis Ende 1939 [...] in einem solchenUmfang Seifenpulver her [...], dass unsere gewaltige Friedensproduk-tion an Persil um ein Erhebliches übertroffen wurde“. Erst als dieübrigen Betriebe ihre Produktion aufnahmen, ging ab Januar 1940 dieProduktion bei Henkel „erheblich zurück“. Die Ertragslage imWaschmittelgeschäft fiel allerdings weit hinter die Anstrengungenzurück, da „der Preiskommissar“, wie Henkel meinte, „[...] die Sei-fen- und Waschmittel-Produktion als Versuchsobjekt für eine rigoro-se Gewinnkürzung“ nutzte.66

64 A 23, Pressemitteilung Juni 1940.

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65 A 22, Protokoll über dieSitzung Nr. 1/39 des Beiratsder Fa. Henkel & Cie GmbH,18.4.1939.

66 A 22, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940. Generalversamm-lung vom 23.4.1940. Ebenda,Anlage zum Protokoll über dieSitzung des Beirats, 23.4.1940,Allgem. Geschäftsbericht für dasJahr 1939. Ebenda, Henkel &Cie GmbH, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940: Die Entwicklung aufdem Waschmittelgebiet im Jahre1939. Ebenda, Protokoll derGesellschafterversammlung,8.8.1941: Entwicklung derWaschmittel im Jahre 1940: Ein Nachteil des Einheitswasch-pulvers lag in der starkenVergrauung der Wäsche beiregelmäßigem Gebrauch diesesProduktes.

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67 A 22, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940.Generalversammlungvom 23.4.1940.

„Trotz der Lebenswichtigkeit unserer Produkte“ musste Henkel davonausgehen, dass „der wesentlichste Teil unserer Betriebe in der Dring-lichkeit und damit in der Unterstützung durch die Reichsstellengegenüber Rüstungs- und ähnlichen Betrieben zurücksteht“.67

Obwohl das Unternehmen versucht hatte, seine Forschungs- und Ent-wicklungsarbeit nach Kräften aufrechtzuerhalten, wurden die Mög-lichkeiten dazu durch die anhaltende Bewirtschaftung immer enger.Die Geschäftsleitung stellte bedauernd fest, „dass die Qualität derWaschmittel durch die vorliegenden Verhältnisse eine immer stärkereEinbuße erleidet, ohne dass eine wirksame Abhilfe geschaffen werdenkann“. Allerdings wurde so auch „der Wunsch nach besserer Wareimmer dringender“, so dass sich das Unternehmen „für die kommen-de Friedenszeit günstige Aussichten für Qualitätsware“ erhoffte.68

In den ersten Kriegsjahren, der Phase der „friedensähnlichen Kriegs-wirtschaft“, ging der Umsatz mit fetthaltigen Waschmitteln, die derstaatlichen Bewirtschaftung unterlagen, deutlich zurück, während beiden fettlosen Produkten Erzeugung und Umsatz gesteigert wurden.Auch bei anderen Erzeugnissen wie etwa Klebstoffen und Wasserglasverzeichnete Henkel Absatzsteigerungen. Insbesondere die Ausfuhr indie europäischen Absatzgebiete nahm 1940 gegenüber dem Vorjahrzu, was nicht zuletzt mit den militärischen Operationen der deutschenWehrmacht in Westeuropa zusammenhing. Wie zahlreiche anderedeutsche Unternehmen knüpfte Henkel zunächst große wirtschaftli-che Erwartungen an den Krieg: „Die Vergrößerung des Reiches imOsten und Südosten, die große Produktionsmassierung in Düsseldorfund Genthin und der allgemein steigende Absatz unserer Produktelassen es angebracht erscheinen, eine Erweiterung unserer Produk-tionsbasis nach Beendigung des Krieges vorzusehen.“ In den erstenKriegsjahren wies Henkel immer wieder darauf hin, „dass unsereWaschmittelwerke [...] durch die Verhältnisse [...] in dem notwendi-gen Ausbau weitgehend behindert worden sind“. „Um bei Wiederher-stellung der Friedenswirtschaft unsere Ansprüche auf dieAusbaunotwendigkeit unserer Waschmittelwerke rechtzeitig geltendzu machen“, hatte das Unternehmen schon 1941 beim Reichsamt fürWirtschaftsausbau „vorsorglich“ einen Investitionsantrag „für denAusbau unserer Werke in Düsseldorf und Genthin sowie der Filialenin Bromberg und eine geplante Fabrik in Regensburg“ in Höhe von 65Millionen Reichsmark eingereicht.69

Während Henkel in den meisten Produktionsbereichen somit zum Teildrückenden Bewirtschaftungsauflagen unterlag, erhielt das Unterneh-men „für den wehrwirtschaftlich wichtigen P3-Sektor“ ein „ausrei-chendes Phosphatkontingent, so dass Änderungen in derZusammensetzung dieser Produkte nicht notwendig wurden“. 1941wurden weitere Teile der Fertigung wie die Mersolverarbeitung, dieWasserstoffsuperoxid-Gewinnung sowie die fettfreien Waschmittelals „OKW-Spezialbetrieb“ anerkannt, die „bei der Bearbeitung vonPersonal- und Materialfragen sowie bei Stellung von Transportmit-teln“ bevorzugt behandelt wurden.70

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68 A 22, Generalversammlungvom 8.8.1941. Betriebsablaufund Ausbau der Henkelwerke imBerichtsjahr, 8.8.1941.

69 Anlage zum Protokoll überdie GesellschafterversammlungNr. 1 der Firma Henkel & CieGmbH, Generalversammlungvom 8.8.1941.

70 A 22, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940, Allgem. Geschäfts-bericht für das Jahr 1939. J 105, Betriebsbesprechungvom 9.9.1941. OKW = Oberkommando der Wehrmacht.

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Doch zugleich wurden auch die schwankende und teilweise ungenü-gende Rohstoff- und Energieversorgung, insbesondere mit Soda undKohle, der Mangel an Produktionskräften und Verpackungsmaterialsowie die Einschränkungen im Transportwesen immer stärker spür-bar. Aus Kohlemangel war das Waschmittelwerk in Genthin bereits1940/41 zeitweise stillgelegt worden.71 Ausgedehnte Frost- undHochwasserperioden hatten die Schifffahrt für längere Zeit lahmge-legt. Diese Ausfälle konnten auch durch die Bahn nicht aufgefangenwerden, die wiederholten Verkehrssperren unterworfen war und unterdem Mangel an Waggons litt. Ab 1942 wurde die Produktion zudemdurch Fliegerangriffe erschwert, die auch die Transportprobleme wei-ter verschärften. Nach dem „Terrorangriff“ auf Köln wurden im Juni1942 die Werkluftschutzmaßnahmen verstärkt, doch blieb Henkel vondem Fliegerangriff auf Düsseldorf im September 1942 im Gegensatzzu seiner Tochtergesellschaft Thompson weitgehend verschont.

Ab dem Jahr 1943 zeigten sich auch in der deutschen Kriegswirt-schaft unübersehbare Defizite, die durch die Ausbeutung besetzterGebiete nicht mehr auszugleichen waren. Angesichts des ständigwachsenden Inlandsbedarfs an Waschmitteln hatte Henkel nun denEindruck, dass das Drängen der Kundschaft „um Ware immer stärker“wurde, „je weniger wir fabrizieren können“.72

71 A 22, Generalversammlungvom 8.8.1941. Betriebsablaufund Ausbau der Henkelwerke imBerichtsjahr, 8.8.1941. J 105,Betriebsbesprechung,5.11.1940 und 9.6.1942.

72 „Jahresbericht des Betriebs-führers Dr. Jost Henkel“, in: BvH24, 1944, S. 2. J 105,Betriebsbesprechung, 9.6. und15.9.1942.

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73 J 105, Betriebsbesprechung,5.7.1938 und 17.12.1940.

74 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. A 24, Anlage zumProtokoll über die Sitzung desBeirats, 23.4.1940, Allgem.Geschäftsbericht für das Jahr1939. J 105, Betriebsbespre-chung, 4.6.1940.

Beschäftigungsverhältnisse

Ab 1938 waren die Arbeitsämter gemäß einer Verordnung des Beauf-tragten für den Vierjahresplan „mit der Herausziehung von Arbeits-kräften für dringende staatspolitische Aufgaben“ betraut. DieProduktionskräfte wurden zunächst in der Land- oder Bauwirtschafteingesetzt und ab 1939 in die Rüstungsbetriebe überstellt. Wie bei derRohstoffzuteilung war auch der Arbeitseinsatz in der ChemischenIndustrie „auf den vordringlichen Kräftebedarf der eigentlichen Rüs-tungsindustrie“ ausgerichtet.73 Nachdem rund 15 Prozent der männ-lichen Arbeitskräfte zum Wehrdienst eingezogen und zahlreicheweibliche Beschäftigte zu Arbeitsdienstverpflichtungen abzogen wor-den waren, versuchten Betriebe, die wie Henkel eine nachgeordnetePosition in der Rüstungswirtschaft einnahmen, eine kontinuierlicheProduktion durch die Ausdehnung der Arbeitszeit aufrechtzuerhalten.Nachdem Henkel 1940 erneut 1.000 Mitarbeiter für eine Dienstver-pflichtung in der Rüstungswirtschaft hatte freistellen müssen, standim Sommer 1940 einem „Gefolgschafts“-Minus von 12,8 Prozent einArbeitsstunden-Plus von 11,2 Prozent gegenüber.74

Angesichts weiterer Einberufungen und dem erhöhten personellenBedarf der Rüstungswirtschaft rechnete Henkel ab dem Frühjahr1941 mit weiteren „Aderlässen“. Nach einer Betriebsüberprüfungdurch die „Todt-Kommission“ musste das Unternehmen im Frühjahr1941 wiederum 10 Prozent der männlichen Gefolgschaftsmitgliederfür Aufgaben von „besonderer kriegswirtschaftlicher Bedeutung“abtreten. Um diesen Verlust zu kompensieren, bemühte sich dieGeschäftsleitung vergeblich, „weitere weibliche Arbeitskräfte fürunseren Betrieb zu gewinnen“. Dabei machte Henkel die Erfahrung,dass „Kriegerfrauen“ [...] „mangels gesetzlicher Handhabe“ selten„zur Arbeitsaufnahme bewegt“ werden konnten. Das Unternehmensah keine andere Möglichkeit, als anstelle des geplanten Dreischich-ten-Systems „in durchgehenden Betrieben an einer Reihe vonArbeitsplätzen vorübergehend wieder das Zweischichten-System“einzuführen.75

Da die unabhängige Entwicklung des Arbeitsmarktes durch den staat-lichen Arbeitskräfteeinsatz wie auch durch den ab 1936 geltendenLohnstopp ausgesetzt worden war, verfügten Unternehmen kaumüber Möglichkeiten, eine aktive Personalpolitik zu betreiben. NachKriegsausbruch unterlag Henkel aufgrund der Kriegswirtschaftsver-ordnungen Einstellungs- und Kündigungsbeschränkungen.76 Nichtnur der innerbetriebliche Arbeitsplatzwechsel war in allen Fällen vonder Genehmigung der Arbeitsämter abhängig, ebenso war „jedwedeVeränderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen“, wie der „Reichs-treuhänder der Arbeit“ in einem Schreiben an Henkel betonte, ohneausdrückliche Genehmigung verboten.77

91

75 J 105, Betriebsbesprechung,25.2. u. 22.3.1941. Siehe dazuauch schon die Ankündigungvon Werner Lüps beim Betriebs-appell vom 6.4.1940, in: BvH20, 1940, S. 160–162.76 Henkel & Cie GmbH,Unterlagen für die Gesellschaf-terversammlung, Fabrikverwal-tung Kranenberg, Gefolgschafts-und Sozialbericht der Fabrikver-waltung über das Jahr 1939,16.4.1940.77 J 105, Betriebsbesprechung,26.5.1942. Auch ebenda,Besprechung vom 22.11.1938.Unter das Verbot fiel auch dieAbwerbung von Arbeitskräftendurch das Versprechen bessererArbeitsbedingungen.

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Die kriegsbedingten Betriebsumstellungen, die hohe Fluktuationsra-te und die Einstellungen von „Betriebsneulingen“ führten ebenso wiedie arbeitsmäßige Beanspruchung der Beschäftigten dazu, dass Fehl-zeiten und Unfallraten in den Betrieben zunahmen.78 Ab Ausbruchdes Krieges fühlten sich die Werke daher „in ganz besonderem Maßefür die Haltung der Gefolgschaft verantwortlich“. UndiszipliniertesVerhalten wurde von den Vorgesetzten sofort an die Verwaltunggemeldet. Hinsichtlich der Erziehung und Maßregelung „unzuverläs-siger Gefolgschaftsmitglieder“ hatte Henkel „nach Fühlungnahmemit dem Reichstreuhänder der Arbeit [...] eine Ergänzung derBetriebsordnung vorgenommen“. Diese sah vor, „dass bei gewissenVerstößen [...] ein Ausschluss von den besonderen sozialen Leistun-gen der Firma erfolgen kann“. Im Wiederholungsfalle mussten„Bummelschichtler“ nicht nur mit Geldbußen rechnen, auch konnteder Treuhänder „die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager vor-nehmen“ oder „Strafverfolgung wegen Sabotage“ verhängen. DieseDrohungen verfehlten ihre Wirkung nicht, denn im Dezember 1941hatte Henkel zum Beispiel von der Möglichkeit, die Weihnachtsgra-tifikation zu kürzen, „[...] nur in sehr beschränktem UmfangeGebrauch“ gemacht. Statt dessen war „seit Aufnahme dieser Bestim-mung in die Betriebsordnung eine wesentliche Besserung hinsicht-lich der Arbeitsversäumnisse eingetreten“.79

Im Gegensatz zu der sich entspannenden Rohstoffversorgung wurdedie Versorgung mit Arbeitskräften ab 1943 zu einer Hauptsorge beiHenkel: „Wenn wir mehr Arbeitskräfte zur Verfügung hätten, könntenwir zur Zeit mehr schaffen, während es im Vorjahre so war, dass wirmangels Rohstoffen unsere Anlage nicht hinreichend ausnutzen konn-ten.“80 1944 klagte Henkel über einen ungedeckten Bedarf von rund400 Arbeitskräften. Nur vorübergehend profitierte das Unternehmennach der Einstellung des Düsseldorfer Konzert- und Theaterbetriebsvon der Dienstverpflichtung des Bühnenpersonals, das wegen derSchwerstarbeit nicht in der Rüstungswirtschaft eingesetzt werdenkonnte. So stanzten Schauspieler Deckel für Ata-Flaschen; undSopranistinnen betätigten sich als Druckgehilfinnen.81

Ausländische zivile und kriegsgefangene Arbeitskräfte

Neben deutschen Zivilisten beschäftigte die Henkel-Gruppe wie diemeisten deutschen Unternehmen ausländische Arbeitskräfte, die ent-weder bereits vor Ausbruch des Krieges freiwillig im DeutschenReich tätig gewesen waren oder die in den von Deutschland besetztenGebieten als „Fremdarbeiter“, zum Teil auf überaus gewaltsameWeise, oder Kriegsgefangene zwangsverpflichtet worden waren. ImReich und in den besetzten Gebieten waren während des ZweitenWeltkriegs insgesamt bis zu 10 Millionen Zwangsarbeiter beschäftigt,von denen 85 bis 90 Prozent in der Landwirtschaft, Bauwirtschaft, derIndustrie sowie in Städten und Gemeinden arbeiteten.

78 J 105, Mitteilung derFabrikverwaltung, 23.9.1941.Auch ebenda, Betriebsbespre-chung, 4.4.1939, JuristischeUnterlagen, Fabrikverwaltung,Kranenberg, Gefolgschafts- undSozialbericht für das Jahr 1940,4.8.1941. Auch „Betriebsärztli-che Betreuung unserer Gefolg-schaft“, in: BvH 20, 1940, S. 294f.

92

79 J 105, Betriebsbesprechung,18.6.1940 und 15.7.1941sowie vom 10.2.1942. 1939stellte Henkel fest, dass es „imwesentlichen immer wiederAufgabe des Betriebes“ bleibe,„mit den Bummelschichtlernfertigzuwerden“. Die Maßnah-men wurden erst 1942gestrafft. J 105, Betriebsbe-sprechung, 19.12.1939 und16.12.1941.

80 150, Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen II, Brandt an Hermann Pape,10.8.1943.

81 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. Siehe auch BvH 24,1944, S. 75.

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82 J 105, Betriebsbesprechung,4.6.1940.

Auch Henkel beschäftigte zwischen 1940 und 1945 Kriegsgefangeneund ausländische Zivilarbeiter, die möglichst berufsnah in Produk-tion, Packerei, Küche, Telefonzentrale oder bei der Werkfeuerwehreingesetzt wurden. Eine Untersuchung, die Henkel 1998 und 1999zum Thema Zwangsarbeiter im Stammwerk in Düsseldorf-Holthau-sen sowie bei den Verbundenen Unternehmen im In- und Auslandanstellte, liefert einen Überblick über die Beschäftigtensituation imZweiten Weltkrieg. Die Zahl der in Henkel-Firmen beschäftigtendeutschen Mitarbeiter sowie der Kriegsgefangenen und ausländischenZivilarbeiter schwankte außerordentlich, nahezu von Tag zu Tag.Nach derzeitiger Aktenlage haben 16 Henkel-Firmen im DeutschenReich ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigt.Aus den Unterlagen ergab sich kein Hinweis, dass Henkel jemalsHäftlinge aus Konzentrationslagern beschäftigte.82

Die Gesamtzahl der zivilen und militärischen Zwangsarbeiter beiHenkel lässt sich aufgrund der unvollständig erhaltenen Unterlagenbislang nicht genau ermitteln. Die vorliegenden Zahlen könnten sichjedoch noch erhöhen, zumal osteuropäische Archive bislang nichtausgewertet wurden. Auch Informationen zu heutigen VerbundenenUnternehmen wie Schwarzkopf, Teroson, Sichel und Grünau, diewährend des Zweiten Weltkriegs noch nicht zur Henkel-Gruppegehörten, sowie zu nicht konsolidierten Finanzbeteiligungen wie etwaDegussa liegen bislang erst spärlich vor, da zu diesen Firmen Unter-lagen über den Zeitraum 1939 bis 1945 in Hamburg, Heidelberg,Hannover und Illertissen sowie im Düsseldorfer Henkel-Archiv kaumerhalten sind. Doch auf der Basis der erhaltenen Akten sowie einerZeitzeugen-Befragung zu Teroson wird als gesichert angesehen, dassauch bei Grünau, Schwarzkopf, Sichel und Teroson keine KZ-Häft-linge gearbeitet haben.83

Angesichts des starken Personalmangels hatte sich Henkel ab 1940zunächst um ausländische Zivilarbeiter als Produktionskräfte bemüht.Ab 1941 profitierte das Unternehmen von der strafferen Erfassung derarbeitsfähigen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, die nach deut-schem Vorbild erfolgte. Da Henkel „eine Zuweisung deutscherArbeitskräfte“ zu Beginn des Jahres 1941 „nicht mehr“ erwartete, hat-te das Unternehmen für das Werk in Düsseldorf-Holthausen vor-sorglich einen Antrag „auf Zuweisung von 50 holländischenArbeiterinnen und 30 holländischen Arbeitern gestellt“, mit denenHenkel bislang offenbar gute Erfahrungen gemacht hatte. So beurteil-te die Unternehmensleitung das Verhalten von zwei Dritteln der hol-ländischen Zivilarbeiter, die gemäß den Vorschriften „wie deutscheGefolgschaftsmitglieder“ behandelt wurden, als „gut“, während dieübrigen durch undiszipliniertes Auftreten und Absentismus häufig fürÄrger sorgten.84 Zivile Beschäftigte, die aus Westeuropa sowie Teilender Sowjetunion stammten, wurden nicht nur in Düsseldorf-Holthau-sen, sondern vor allem auch in den Betrieben im Osten Deutschlands,in Genthin, Rodleben und Chemnitz eingesetzt. Dem Werk Genthinwurden beispielsweise 1943 rund 140 Personen, die „gesamte Ein-wohnerschaft eines russischen Dorfes aus der Gegend von Charkow“,zugewiesen.85 93

83 Siehe dazu WolfgangZengerling/Wolfgang Bügel,Kriegsgefangene und ausländi-sche Zivilarbeiter bei Henkel,3.9.1999, sowie: AusländischeZivilarbeiter und Kriegsgefange-ne bei Verbundenen Unterneh-men, die nach 1945 von Henkelerworben wurden, 22.12.1999,interne Manuskripte im Henkel-Archiv. Zur Situation bei derDegussa werden voraussichtlichdie im Entstehen begriffenenUntersuchungen neue Erkennt-nisse bringen.84 Heinz Schwarz/WolfgangBügel, Bericht über den EinsatzKriegsgefangener und ausländi-scher Zivilarbeiter bei Henkel,17.10.1998, internes Manu-skript im Henkel-Archiv. J 105,Rundschreiben an die Betriebs-leiter, Betriebsingenieure undMeister, 18.10.1940 sowieBetriebsbesprechung vom11.2.1941.85 Zengerling/Bügel, Kriegsge-fangene und ausländischeZivilarbeiter bei Henkel,3.9.1999.

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Mitarbeiter bei Henkel in Düsseldorf-Holthausen und bei Tochtergesellschaften, einschließlich ausländischerZivilarbeiter und Kriegsgefangener 1941 bis 1945

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Während ausländische Beschäftigte 1943 und 1944 in Rodleben mehrals die Hälfte der Belegschaft ausmachten, lag ihr Anteil in Düssel-dorf-Holthausen bei knapp einem Sechstel. Eine Auflistung der inDüsseldorf-Holthausen beschäftigten Fremdarbeiter nach Nationenist vom Oktober 1942 bis September 1944 überliefert. Daraus ergibtsich, dass hier mindestens 296 (Mai 1944) und maximal 489 (August1943) Fremdarbeiter im Alter von 14 bis 62 Jahren beschäftigt waren.Ihre Gesamtzahl betrug 1.229 Personen, die aus Belgien, den Nieder-landen und Luxemburg, Frankreich (137 Personen), Italien (38),Russland (64 Russinnen), Polen, Ungarn, der Tschechei, der Slowa-kei und Kroatien kamen. Der früheste nachweisbare Einsatz einerausländischen Zivilarbeiterin bei Henkel war der 29. April 1940;zuletzt wurden Arbeiter aus den Niederlanden, Belgien und Italiennoch im Dezember 1944 eingestellt. Doch konnte weder der Einsatzvon Kriegsgefangenen noch von ausländischen Zivilarbeitern die per-sonellen Verluste durch Einberufungen wettmachen und schon garnicht erneut die Wiedereinführung eines Drei-Schichten-Betriebs inDüsseldorf-Holthausen ermöglichen.86

Während Zivilarbeiter in aller Regel über die lokalen Arbeitsbörsenoder Arbeitsämter vermittelt wurden, forderte das Henkel-Werk inDüsseldorf die Kriegsgefangenen durchweg beim Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager (Stalag) VI/J in Krefeld-Fichtenhain an.Ein Vertrag vom 11. Juli 1940 über die Überlassung von Kriegsge-fangenen regelte die Modalitäten des Kriegsgefangenen-Einsatzes inden Betrieben. Die Arbeitszeit der Kriegsgefangenen sollte diejenigeder übrigen Beschäftigten nicht überschreiten. So lag die durch-schnittliche wöchentliche Arbeitszeit der ausländischen Zivilarbeiterund Kriegsgefangenen zunächst zwischen 47 und 54 Stunden. Für diekriegsgefangenen Beschäftigten musste der Unternehmer 60 Prozentder Entlohnung freier deutscher Arbeiter zahlen sowie eine Pauschal-steuer in Höhe von zehn Prozent an das Stalag. Sie diente dazu, „dassaus dem Unterschied dieser Vergütungen und des Lohnes deutscherArbeiter keine Sondergewinne des Unternehmens entstehen“. DasStalag zahlte den Gefangenen für ihre Leistungen ein „Lagergeld“aus, mit dem an bestimmten Stellen kleinere Einkäufe getätigt werdenkonnten.87

Aufgrund der oben skizzierten „Verknappung an Arbeitskräften“ wur-den die Kriegsgefangenen – wie die deutschen Beschäftigten – ab1941 mehr noch als bisher zu Über- und Sonntagsstunden herangezo-gen. Dabei wurden ihnen die vollen Leistungszulagen und Entgeltefür Über- und Sonntagsstunden in Aussicht gestellt, um „Anreiz fürden Einsatz bei zusätzlichen Arbeiten“ zu schaffen. „Fleißkärtchen imWert von 10 Pfg.“ dienten als „zusätzliches Lagergeld“. Da dieBetriebe „nur noch mit der Zuweisung von Ausländern“ rechnenkonnten, war „die entsprechende Anlernung besonders wichtig, umsie möglichst bald auf eine entsprechende Leistungshöhe zu bringen“.Um Ausfallschichten zu vermeiden, wurde auch auf unfallverhütendeMaßnahmen ein besonderes Augenmerk gelegt.88

86 Siehe Schwarz/Bügel, Bericht über den EinsatzKriegsgefangener und ausländi-scher Zivilarbeiter bei Henkel,17.10.1998.

96

87 Henkel & Cie GmbH,Unterlagen für die Gesellschaf-terversammlung, Fabrikverwal-tung Kranenberg, Gefolgschafts-und Sozialbericht der Fabrik-verwaltung über das Jahr 1939.Höhe und Art der Bezahlung derKriegsgefangenen sowie derausländischen Zivilarbeiterwaren vom Staat vorgeschrie-ben.

88 J 105, Betriebsbesprechung,20.8.1940, 25.5.1941 und 27.1.1942.

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89 Vgl. die Darstellung in K1,Kranenberg, Entwicklung desPersonal- und Sozialwesens,1970, S. 34f.

Die ausländischen Beschäftigten wurden in Gemeinschaftsunter-künften untergebracht, getrennt nach Status und Nationalität. BeiHenkel wurden sie in Lagern mit eigens errichteten Stein- oder Holz-baracken einquartiert, bei Teroson in Heidelberg beispielsweise auchin einem extra angemieteten Gasthaus. Für Henkel in Düsseldorf-Holthausen sind fünf Lager – bis zu vier zivile und ein Kriegsgefan-genenlager – auf dem Betriebsgelände überliefert, die überWirtschafts- und Krankenbaracken sowie eine Kantine verfügten.Die von Henkel erstellten Unterkünfte, die „im Vergleich zu denenanderer Betriebe als sehr ansprechend“89 galten, boten Platz für ins-gesamt 656 Menschen, waren 1944 jedoch nur knapp zur Hälfte mit302 Personen belegt.90

Generell wurde die Arbeitsbekleidung der Kriegsgefangenen durchden Arbeitgeber gestellt. Sie musste durch Aufmalen der Buchstaben„KrGef.“ oder Aufsetzen von roten Stoffdreiecken an Jacken undHosen zur Unterscheidung von deutschen und Zivilarbeitern gekenn-zeichnet werden. Sowjetrussische Zivilarbeiter und -arbeiterinnenerhielten ein Kennzeichen mit dem Wort „Ost“.91

Die Betriebe waren verpflichtet, die Leistungsfähigkeit von Kriegsge-fangenen sowie auch von zivilen Fremdarbeitern bestmöglich zuerhalten. Sie wurden daher nicht nur regelmäßig durch die Leiterstel-le der Staatspolizei überprüft, sondern hinsichtlich Hygiene undInstandhaltung sowie Ernährung und korrekter Behandlung der „Aus-länder“ auch durch die Arbeitsämter inspiziert. Alle ausländischenArbeitskräfte hatten per Erlass ausdrücklich gegen körperliche Miss-handlungen durch Werksangehörige geschützt zu werden. Als imApril 1941 ein Kriegsgefangener vom Betriebsgelände in Düsseldorf-Holthausen geflüchtet war, wurde die ihn beschäftigende Betriebsab-teilung zur Rechenschaft gezogen, „da das Stalag bereits mit einemEntzug der Kriegsgefangenen gedroht hat“.92

Im Gegensatz zu den Kriegsgefangenen und zu „Ostarbeitern“ hattenalle übrigen ausländischen Zivilarbeiter wie die deutsche Stammbe-legschaft Anspruch auf Tariflohn, Prämien und Krankengeld. Zudemstanden ihnen Urlaubstage sowie alle zwei Monate eine kostenfreieFamilienheimfahrt zu. Im allgemeinen waren die deutschen Betriebe,so die Einschätzung der Henkel-Studie, daran interessiert, die auslän-dischen Zivilarbeiter „nicht durch zu straffe Regelungen zu verprel-len, um nicht weitere Arbeitskräfte durch Vertragsbruch oderKündigung zu verlieren“. Dies erkläre auch das Bemühen um ad-äquate Betreuung durch die Bereitstellung von Musikinstrumenten,Sprachkurse und gesundheitliche Fürsorge.93

97

93 Schwarz/Bügel, Bericht überden Einsatz Kriegsgefangenerund ausländischer Zivilarbeiterbei Henkel, 17.10.1998.

92 Ebenda. J 105, Betriebsbe-sprechung vom 22.4.1941.

91 Schwarz/Bügel, Bericht überden Einsatz Kriegsgefangenerund ausländischer Zivilarbeiterbei Henkel, 17.10.1998.

90 Siehe Zengerling/Bügel„Kriegsgefangene und ausländi-sche Zivilarbeiter bei Henkel“,3.9.1999.

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Während der Arbeitszeit und besonders in den Pausen wurde gemäßstaatlicher Anordnungen darauf geachtet, dass die ausländischenArbeitskräfte möglichst wenig Kontakt zur Stammbelegschaft beka-men. Insgesamt erforderte der hohe Grad an Ausländerbeschäftigungnach Ansicht der Henkel-Geschäftsleitung eine erhöhte „Beobach-tung und Kontrolle im Betrieb“. Private Kontakte mit Kriegsgefange-nen und ausländischen Zwangsarbeitern waren den Stamm-beschäftigten staatlicherseits strengstens verboten: „Auf keinen Fall“durfte es zu „irgendwelche[n] Vertraulichkeiten zwischen Gefolg-schaftsmitgliedern und Kriegsgefangenen“ kommen. Gespräche,Gefälligkeiten und das Zustecken von Lebensmitteln oder ähnlicheskonnten strenge Sanktionen bis hin zur Entlassung oder Gestapohaftzur Folge haben. Auch bei politischen Gesprächen etwa zwischen hol-ländischen Beschäftigten und deutschen Gefolgschaftsmitgliedernerhielten die Betreffenden bei Bekanntwerden des Vergehens zumin-dest eine Verwarnung durch die Gestapo.94

Im Vergleich zu den übrigen ausländischen Beschäftigten wurden diesogenannten Ostarbeiter und -arbeiterinnen sowie die russischenKriegsgefangenen deutlich schlechter behandelt. Nach Einschätzungder Geschäftsleitung durfte „die Beschäftigung der Russen nur in anund für sich abgeschlossenen Arbeitsstellen erfolgen [...], ohne dasseine Berührung mit den übrigen Menschen oder ausländischenArbeitskräften möglich ist“. Als „Untermenschen“ ganz unten in derethnischen Klassifizierung des NS-Regimes rangierend, erhielten sieauf Anordnung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) nichtnur eine schlechtere Verpflegung als die übrigen Beschäftigten, son-dern auch eine geringere Entlohnung, da sie, so die makabere Begrün-dung, aufgrund der körperlichen Verfassung und mangelnderQualifikation geringere Arbeitsleistungen böten.95

Die Henkel-internen Untersuchungen über ausländische zivileBeschäftigte und Kriegsgefangene während des Zweiten Weltkriegsbelegen insgesamt drei Todesfälle: 1944 kamen bei Henkel in Düs-seldorf drei russische Kriegsgefangene ums Leben. Zwei der Männerstarben, nachdem sie entwendete Chemikalien gegessen hatten; einweiterer Russe wurde von der Wachmannschaft bei einem Fluchtver-such erschossen.96

94 J 105, Betriebsbesprechung,23.7. und 3.9.1940. Siehe dazuZengerling/Bügel „AusländischeZivilarbeiter und Kriegs-gefangene bei VerbundenenUnternehmen, die nach 1945von Henkel erworben wurden“,22.12.1999.

98

95 J 105, Betriebsbesprechung,1.7. und 15.7.1941.

96 Schwarz/Bügel, Bericht überden Einsatz Kriegsgefangenerund ausländischer Zivilarbeiterbei Henkel, 17.10.1998.

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Während des ZweitenWeltkriegs beschäftigt

Henkel Kriegsgefangene undFremdarbeiter als Ersatz

für die zur Wehrmachteingezogenen Mitarbeiter:

hier französische Kriegsge-fangene in ihrer Unterkunft

in Düsseldorf-Holthausen,1940.

Ein Luftschutzkeller mitvollständiger Ausrüstung bei

Henkel in Düsseldorf, 1942.

Luftschutzübung für dieMitarbeiter im Düsseldorfer

Stammwerk, 1942.

Zwischen Diversifizierungund DemontageKrisenjahre und

Expansion

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Das Werk der TochterfirmaThompson in Düsseldorf-Lierenfeld wird im ZweitenWeltkrieg durch Bomben-angriffe zerstört.

Russische Zwangsarbeite-rinnen in der Ata-Packereibei Henkel in Düsseldorf-Holthausen.Auch die TochterfirmaMatthes & Weber in Duisburgwird durch alliierte Bomben-angriffe schwer beschädigt.

Wenige Tage nachBeginn des ZweitenWeltkriegs werdenauf staatlicheAnordnung Einheits-waschpulver fürWeiß-Grob-Bunt-wäsche und fürFeinwäsche einge-führt. Persil undFewa verschwindenvom Markt.

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ZwischenWiederaufbau und

Weltmarkt:Die Jahre

von1945 bis 1973

IV

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IV

102

Vom Vierzonenland zum internationalen

Bündnispartner

Das Jahr 1945 stellt politisch wegen der Folgen des Zweiten Welt-kriegs und wirtschaftlich wegen der seither massiv fortschreitendenInternationalisierung eine wesentliche Zäsur in der Geschichte des20. Jahrhunderts dar. Nach der Kapitulation im Mai 1945 schien dieAusgangslage Deutschlands weitgehend hoffnungslos. Gemäß denBeschlüssen der Potsdamer Konferenz wurde das Deutsche Reich,nachdem rund ein Viertel des früheren Territoriums abgetrennt wor-den war, in vier Besatzungszonen geteilt und alliierter Verwaltungunterstellt. Hier vertraten die militärischen Oberbefehlshaber unter-schiedliche Auffassungen über die künftige Gestaltung Deutschlands.Neben der Entmilitarisierung war man sich aber über die Zerschla-gung des deutschen Wirtschaftspotentials einig: Durch die Demonta-ge von Industriebetrieben und die Entflechtung von Großkonzernensollte die einstige Großmacht wirtschaftlich entscheidend ge-schwächt, nach halboffiziellen US-amerikanischen Plänen sogar aufdie Stufe eines Agrarstaats gedrückt werden.

Im Rahmen des sich abzeichnenden Ost-West-Gegensatzes ließ sichein gemeinsames Vorgehen aller Alliierten jedoch immer weniger rea-lisieren. Die sowjetische Ablehnung des amerikanischen Entwurfseines Vier-Mächte-Vertrages im April 1946 sowie die Schließung derGrenze zur sowjetischen Zone im Juni desselben Jahres auf der einenSeite und der Beginn der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischenden Westzonen (1. Januar 1947 Gründung der „Bizone“ und 1948 der„Trizone“) unter Beteiligung deutscher Verwaltungsfachleute auf deranderen waren wichtige Schritte auf dem Weg zur Spaltung Deutsch-lands. Mit dem Austritt der UdSSR aus dem Alliierten Kontrollrat imMärz 1948 war der Versuch einer einheitlichen Verwaltung des Besat-zungsgebietes endgültig gescheitert. Der Verselbständigungsprozessder beiden Machtbereiche, der ein Jahr später zu den Staatsgründun-gen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati-schen Republik führen sollte, war nicht mehr aufzuhalten.

Die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Machtblöcken beeinflussteauch die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Während in derDDR eine sozialistische Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbildimplementiert wurde, setzte im Westen nach der Währungsreform ab1948 ein rascher, bis 1966 nicht unterbrochener Aufschwung ein, fürden die Londoner „Times“ die Bezeichnung „deutsches Wirtschafts-wunder“ prägte.

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Diese Entwicklung war unmittelbar nach Kriegsende keineswegs vor-aussehbar. Der Bevölkerungszustrom durch Kriegszerstörung, Fluchtund Vertreibung sowie die desolate Situation in der Landwirtschaft,die sich in einem Mangel an Saatgut, Dünger und Treibstoff sowie indem überalterten Maschinenbestand zeigte, führten dazu, dass dieErnährung bald nicht mehr sichergestellt war. Auch die seit dem Kriegbestehende Rationierung von Lebensmitteln konnte nicht verhindern,dass die Anzahl der zugeteilten Kalorien weiter sank. Mit Beginn desstrengen Winters 1946/47 zeichneten sich dramatische Versorgungs-engpässe ab, die durch die Entsendung von CARE-Paketen (Coope-rative for American Remittances to Europe) und Lebensmittelliefe-rungen aus den USA gemildert werden sollten. Mehr als fünfMillionen Wohnungen waren in den beiden letzten Kriegsjahrendurch Luftangriffe zerstört worden. Ausgebombte Familien undFlüchtlinge hausten notdürftig in Kellern oder Barackenlagern. ZuErnährungskrise und Wohnungsnot kam der Mangel an Kohle, dieeine unerlässliche Voraussetzung für ein funktionierendes Verkehrs-und Transportsystem sowie den wichtigsten Energieträger für privateHaushalte bildete.

Anders als nach dem Ersten Weltkrieg gab es 1945 kein internationa-les Schuldner- und Reparationsproblem, das mit jenem der 1920erJahre vergleichbar gewesen wäre. Doch war die deutsche Wirtschaftdurch Bombardierungen und Betriebsstilllegungen während der letz-ten Kriegsphase sowie durch die Demontagen und Produktionsent-nahmen der Besatzungsmächte nach Kriegsende schwer beeinträch-tigt, so dass die Produktivität im Jahr 1946 auf 33 Prozent des Jahres1936 gesunken war. Zugleich waren die traditionellen Geschäftsbe-ziehungen deutscher Unternehmen auf dem Binnenmarkt und zu aus-ländischen Geschäftspartnern durch die Zoneneinteilung einerseitsund durch die außenwirtschaftliche Isolierung Deutschlands anderer-seits unterbrochen. Die Abwicklung von Geschäften wurde nicht nurdurch die schwerfällige Militärbürokratie der Besatzungsmächtebehindert; ebenso fehlten Exportanreize, weil sämtliche Umsätzelediglich zum offiziellen Reichsmarkpreis gutgeschrieben wurden.

Diese Art von Politik musste den Wiederaufbau Deutschlands auseigener Kraft und mit eigenen Mitteln erschweren, so dass die Besat-zungszonen auf die Einfuhr von Lebensmitteln und Sachgütern, dienicht im eigenen Land produziert werden konnten, angewiesen blie-ben. Der Industrieplan von 1946 leitete die Abkehr von dieser Strate-gie ein und bildete die Grundlage für den industriewirtschaftlichenAufstieg Westdeutschlands: Während rüstungsrelevante Industrienwie die Luftfahrt- und Schiffbauindustrie oder die schwere Fahrzeug-und Maschinenindustrie verboten oder mit Produktionsbeschränkun-gen belegt wurden, erfuhren andere Industriezweige wie etwa derSteinkohlebergbau eine besondere Förderung.

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Unter dem Eindruck des Kalten Krieges und aus exportpolitischenÜberlegungen entschieden sich die USA für eine aktive Unterstüt-zung zur Wiederherstellung der europäischen Märkte. Sie verknüpf-ten ihre Unterstützungsleistungen im Rahmen des European Re-covery Program (ERP) mit der Forderung nach währungs- undhandelspolitischer Kooperation in Westeuropa. In Westdeutschlandwar seit dem Ende des Jahres 1947 aufgrund der revidierten Indus-triepolitik der Alliierten, durch die Gründung der Bizone und die ver-stärkt anlaufende europäische Wirtschaftshilfe im Rahmen des Mar-shallplans ein beschleunigter Aufwärtstrend spürbar, der sich durchdie Währungsreform 1948 und die ordnungspolitische Liberalisierungzunehmend verselbständigte.

Neben der Aufhebung von Wirtschaftsbeschränkungen und Produk-tionsverboten bildete die Sanierung der Währung eine entscheidendeVoraussetzung für die wirtschaftliche Stabilisierung. Durch die natio-nalsozialistische Finanzpolitik war das umlaufende Geldvermögenvon 56,6 Milliarden Reichsmark im Jahr 1938 auf 298 MilliardenReichsmark am Ende des Krieges angestiegen. Diesem Geldüberhangstand ein Minimum an Waren gegenüber, so dass die Preise auf denSchwarzen Märkten ins Uferlose anstiegen. Zum zweiten Mal in die-sem Jahrhundert wurde im Juni 1948 eine Währungsreform durchge-führt, durch die die Reichsmark in den Westzonen von der DeutschenMark abgelöst wurde. Trotz der hohen Verluste, die viele Sparer durchdie zweite Inflation hinnehmen mussten, bildete der 20. Juni 1948,der Tag der Währungsreform, für die Wirtschaft im Nachkriegs-deutschland insgesamt, aber auch für jeden einzelnen Bürger den ent-scheidenden Einschnitt, der das Konsumzeitalter einläutete. Denn„am Tag danach“ waren die Läden mit lange vergeblich nachgefrag-ten Waren gefüllt.

Für Prof. Dr. Ludwig Erhard, den damaligen Direktor des FrankfurterWirtschaftsrates und späteren Bundeswirtschaftsminister undBundeskanzler, war die Währungsreform die Grundvoraussetzung füreine umfassende Neugestaltung der Wirtschaft. Er setzte sich für dierasche Aufhebung der strengen staatlichen Bewirtschaftung einerVielzahl von Gütern und vor allem für die Freigabe der Preise ein.Ganz im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft wollte Erhard jedenwirtschaftlichen Erfolg dem Wohle des ganzen Volkes nutzbarmachen. Der Staat sollte sich dabei auf seine Aufgabe als „Hüter desLeistungswettbewerbs“ beschränken und gemäß den Überzeugungendes sogenannten Ordoliberalismus die Wirtschafts-, Gesellschafts-und Sozialordnung durch gesetzgeberische Aktivitäten, laufendeKontrolle und Regulierung so gestalten, dass bei grundsätzlicherBejahung und Sicherung der wirtschaftlichen Freiheit ein Höchstmaßan sozialer Sicherung und sozialer Gerechtigkeit erreicht wurde. Aus-fluss dieser Überzeugung waren die späteren sozialpolitischen Grund-satzentscheidungen wie die Einführung der „Dynamischen Rente“1957 oder Lastenausgleichs- und Entschädigungsleistungen an Ver-triebene und Opfer des Nazi-Regimes.

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Die Liberalisierung von Politik und Wirtschaft wirkte sich positiv aufdie weitere Entwicklung in den Westzonen aus. Dabei profitierte dieBundesrepublik von erheblichen industriellen Strukturvorteilen.Westdeutschland besaß speziell im Investitionsgüterbereich Produk-tionskapazitäten, die nach 1950 auf dem Weltmarkt gefragt waren.Während des Koreakrieges zu Beginn der fünfziger Jahre wurde dieBundesrepublik Deutschland zum Zuliefererland für die internationa-le Militärgüterindustrie. Gesamtwirtschaftlich wurde der Außenhan-del, der mit über 12 Prozent Zuwachs bis zur Mitte der sechziger Jahre alle anderen Nachfrageelemente weit überstieg, zum entschei-denden Wachstumsträger. Die Exportquote der Bundesrepublik stiegzwischen 1950 und 1970 von 10,7 Prozent auf 27 Prozent an, wobeidie Erzeugnisse der Grundstoff-, Produktions- und Investitionsgüter-industrien den größten Anteil besaßen.

Die Wirtschaftsentwicklung im westlichen Nachkriegsdeutschland isthäufig als „Wirtschaftswunder“ apostrophiert worden. De facto könnenaber eine Reihe von rational fassbaren Indikatoren wie etwa das Wachs-tum des Faktors Arbeit und seine ständig bessere Ausnutzung, die Aus-landshilfe und der Korea-Boom angeführt werden, die zusammen zumWiederaufstieg beitrugen. Das in den 1950er Jahren eingetreteneWachstum resultierte aus dem während des Zweiten Weltkriegs entstan-denen Nachfragerückstau, der durch die Auslandsnachfrage währenddes Korea-Kriegs zusätzlich belebt wurde. Hinzu kam, dass die Bedin-gungen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Westdeutschlandgünstiger ausfielen als erwartet: Trotz Kriegszerstörungen und Demon-tagen war der vorhandene Kapitalstock um 11 Prozent höher als 1936.

14

Wachstumsraten des Sozialprodukts und Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik Deutschland1951 bis 1990 in Prozent

1951

12

10

8

6

4

2

0

19521953

19541955

19561957

19581959

19601961

19621963

19641965

19661967

19681969

19701971

19721973

19741975

19761977

19781979

19801981

19821983

19841985

19861987

19881989

1990

Wachstumsrate desSozialprodukts

gegenüber Vorjahr

Arbeitslosenquote

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Neben der Nachfragesituation und den institutionellen Rahmenbedin-gungen bildeten die steigenden Bevölkerungszahlen eine wesentlicheGrundlage für das westdeutsche Wirtschaftswachstum nach demZweiten Weltkrieg: Ungeachtet der relativ niedrigen Geburtenrate lagdas Bevölkerungswachstum in der Bundesrepublik Deutschland auf-grund des erhöhten Wanderungsüberschusses deutlich über jenem derZwischenkriegszeit: Allein zwischen 1945 und 1950 kamen 8 Millio-nen Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nachWestdeutschland. Die absolute Zahl der Erwerbstätigen stieg von1950 bis 1960 um rund ein Viertel, wenn auch das Arbeitsvolumen –also die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden pro Jahr – aufgrund derab 1957 verstärkt einsetzenden Arbeitszeitverkürzungen deutlichweniger als die Zahl der Erwerbspersonen zunahm. Dass die Zahl derErwerbstätigen in den 1960er Jahren trotz des erheblichen Rückgangsder Erwerbsquote und einer nach dem Bau der Berliner Mauer nurnoch schwach wachsenden inländischen Bevölkerung erhalten wer-den konnte, ist unter anderem auf die Zuwanderung von ausländi-schen Arbeitskräften zurückzuführen. Ab den frühen 1960er Jahrennahm die Zahl der so genannten Gastarbeiter aus Jugoslawien, Italien,Griechenland und der Türkei in den Ländern der EuropäischenGemeinschaft rasch zu. Allein in der Bundesrepublik Deutschlandstieg ihre Zahl von 1,5 Millionen im Jahr 1960 auf 4,5 Millionen imJahr 1973 an.

Parallel zum wirtschaftlichen Wiederaufbau erlangte die Bundesrepu-blik Deutschland schrittweise ihre nationale Souveränität: Mit derUnterzeichnung des Petersberger Abkommens 1949 erhielt diebundesdeutsche Regierung die Erlaubnis, konsularische Beziehungenzu ausländischen Staaten aufzunehmen und internationalen Organisa-tionen beizutreten, so dass sich die Westintegration auf politischem,militärischem (NATO) und wirtschaftlichem Gebiet (OEEC, Montan-union, EWG, GATT) vollzog. Seit den 1950er Jahren arbeiten dieeuropäischen Staaten an der Realisierung eines politisch geeintenEuropa, wobei die Eröffnung des Gemeinsamen Binnenmarktes 1992und die 1999 in Kraft getretene Europäische Währungsunion wichti-ge Meilensteine darstellen.

Die hohen Wachstumsraten, die in den 1950er Jahren bei über 8 Pro-zent lagen, konnten seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre nichtmehr erreicht werden. Als 1966/67 die erste größere Rezessionsphaseder Nachkriegszeit das bislang ungebremste westdeutsche Wirt-schaftswachstum unterbrach und die reale Zuwachsrate des Bruttoso-zialprodukts 1967 zum ersten Mal nach 1950 auf Null sank, wurdedeutlich, dass die Zeit des „Wirtschaftswunders“ nunmehr vorüberwar. Angesichts der nachlassenden Gesamtnachfrage erwies sich dasAngebotspotential als zu groß: Produktionskapazitäten blieben unaus-gelastet, und Preissteigerungen waren kaum noch durchsetzbar, sodass aufgrund der rückläufigen Gewinne Kurzarbeit und Entlassun-gen unausbleiblich waren.

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Mit dem unter der Ägide von Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr.Karl Schiller im Juni 1967 in Kraft getretenen Gesetz zur Förderungvon Stabilität und Wachstum, dem sogenannten Stabilitätsgesetz, tratdie staatliche Konjunktursteuerung mittels wirtschafts- und finanzpo-litischer Maßnahmen an die Stelle des freien Spiels der Marktkräfte:Das Prinzip der sogenannten Globalsteuerung basierte auf der Key-nesianischen Wirtschaftstheorie, die staatlich finanzierte Nachfrage-programme zur antizyklischen Konjunkturregulierung empfahl, undzielte auf ein stabiles Preisniveau, einen hohen Beschäftigungsstandund außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Der vor diesem Hinter-grund 1968/69 einsetzende Aufschwung wurde allerdings bald durchdie zu Beginn der 1970er Jahre einsetzende Ölkrise überlagert.

Seit dem Ende der 1960er Jahre wurde die stabile Konjunkturent-wicklung von Phasen vergleichsweise begrenzten Wachstums abge-löst. Der Zusammenbruch des internationalen Währungssystems vonBretton Woods im Jahr 1973 und die durch den Ölförderboykott derarabischen Länder hervorgerufenen Preiserhöhungen für Mineralölund Benzin („1. und 2. Ölkrise“) führten die Industrienationen welt-weit in eine Krise, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg noch nichtaufgetreten war.

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Der Landtag von Nordrhein-Westfalen tagt von Novem-ber 1946 bis Februar 1949im Gesolei-Saal bei Henkel inDüsseldorf: Zu den Abge-ordneten gehören auch Konrad Adenauer und dererste MinisterpräsidentRudolf Amelunxen (rechts).

BundeswirtschaftsministerProf. Dr. Ludwig Erhardbesucht das Henkel-Werk inDüsseldorf zur Wieder-einführung von Persil am1.9.1950. Links neben ihmDr. Willy Manchot.

Empfang anlässlich des 75-jährigen Firmenjubiläums1951 in Düsseldorf: Bundes-präsident Prof. TheodorHeuss (links) gratuliert Dr. Hugo Henkel. Auf demFoto darüber im Gesprächmit Heuss (von links): Dr. Willy Manchot, Dr. Hugo Henkel und Dr. Jost Henkel.

Entspannt im Gespräch:Ludwig Erhard (links) undFirmen-Senior Hugo Henkel.

Wiederaufbau und WeltmarktNeuanfang in Politik und Wirtschaft

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1950 kann Persil endlichwieder in Deutschland

verkauft werden. Rechts: Werbung für dasFeinwaschmittel Perwoll,

1949 eingeführt.

Aufbruch zu den Kunden:Nach dem Zweiten Weltkrieg

fahren die Henkel-Außen-dienstler den neuen

VW-„Käfer“.

Die Firma Schwarzkopfbringt 1949 Schauma auf

den Markt.

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IV

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Henkel ab 1945Die unmittelbare

Nachkriegssituation bis zur Wiedereinsetzung

der Familie Henkel 1947

Nach Einmarsch der US-amerikanischen und danach der britischenTruppen in Düsseldorf rückte Henkel als eines der größten Werke derRegion bald in den Fokus der Besatzungspolitik: Nachdem das Holt-hausener Werk am 16. April 1945 besetzt worden war, verhafteten dieBriten im September 1945 fünf Mitglieder der Familie Henkel: Dr.Hugo Henkel, Dr. Jost Henkel, Dr. Willy Manchot, Dipl.-Ing. Rein-hold Woeste und Dr. Konrad Henkel. Zeitgleich nahm die Militärpo-lizei weitere sieben Mitglieder des Aufsichtsrates und der Geschäfts-leitung fest: Dr. Hermann Richter, Gustav Schmelz, Otto Pfaff, Dr.Richard Brandt, Prokurist Karl Henkel-Försterling sowie Victor vonBülow-Schwante, Vorsitzender des Beirats der Henkel & Cie GmbH,und Willy Feldrappe, Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Dehy-dag. Einige Wochen später wurde auch Victor Funck, in derZwischenzeit Sprecher der Henkel-Unternehmensleitung, festgenom-men.

Die britischen Besatzungsbehörden hatten „im Zuge der kommendenBereinigung der freien Wirtschaft [...] Kommissionen eingesetzt“, diedie Aufgabe hatten, „die überwiegenden nationalsozialistischen Ele-mente, worunter auch einfache Parteigenossen zählen“, aus den Auf-sichtsräten und Vorständen zu entfernen. „Da der gesamte AR ausPGs besteht und der Vorstand lediglich 2 Nicht-PG aufweist“, bedeu-tete dies im Falle Henkel „eine völlige Suspendierung sämtlicher Mit-glieder“.1

Gemäß dem Militär-Gesetz 52 vom 28. April 1945, das das Vermögenvon Privatunternehmen „generell mit einem sogenannten offenenArrest“ belegte, wurde das Vermögen der Henkel & Cie GmbH wieauch das der angegliederten Tochtergesellschaften „geblockt“ undunter alliierte Aufsicht gestellt. Zudem verlor Henkel sämtliche aus-ländischen Beteiligungen, Lizenzen, Patente und Warenzeichen.2 Lauteines für die Militärregierung aufgestellten Konzernplans aus demJahre 1946 verfügte das Unternehmen über 114 direkte und indirekteBeteiligungen, von denen 54 im Ausland, sechs im Gebiet östlich derOder/Neiße, 19 im russisch besetzten Gebiet und 35 in den westlichenBesatzungszonen gelegen waren. Während das in Ostdeutschland undin Osteuropa gelegene Betriebsvermögen langfristig verloren war,konnte Henkel das in den westlichen Besatzungszonen befindlicheVermögen, dem rund 74,4 Prozent des Stammkapitals entsprach, zueinem überwiegenden Teil sukzessive zurückerhalten.3

1 Ordner Henkel 2, WalterKobold an Jost Henkel,14.9.1945. AR = Aufsichtsrat, PG = Partei-genosse, Mitglied der NSDAP.

2 273/48, 2, Mundhenke an J.Henkel, 22.4.1945. 268/66,Geschäftsbericht Matthes &Weber 1945. 289/1127,Aktennotiz, 8.6.1955; NationalArchives Washington, RecordGroup 407 Box 1035.

3 289/1270, Schmelz, betr.Konzernentflechtung,20.1.1947. Ebenda, Aktennotiz,3.6.1947. Der Wert der in dersowjetischen Besatzungszonegelegenen, enteignetenTochtergesellschaften schätzteHenkel 1947 auf 55 MillionenReichsmark. 289/1134, Henkel& Cie und AG, undatierterKommentar zu den Abschlüssenvom 31.12.1944.

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Vom 18. Oktober 1945 bis November 1947 verblieb die Leitung desUnternehmens unter der Treuhänderschaft von Dr. Paul Schulz, einemehemaligen Henkel-Chemiker, während die Familie Henkel von derAusübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit ausgeschlossen blieb.Schulz bestellte sechs Herren der früheren Geschäftsführung zu sei-nen Beauftragten und bildete mit ihnen eine kommissarischeGeschäftsleitung.4 Unter diesen setzte sich insbesondere WalterKobold, ein enger Freund der Familie Henkel, von Anfang an vehe-ment für die Freilassung der inhaftierten Mitglieder ein. Als „Halb-jude“ und Vorstandsmitglied des „Vollzugsausschusses der politisch,rassisch und religiös Verfolgten für den Regierungsbezirk Düssel-dorf“ machte er dabei seinen Einfluss als Verfolgter des Naziregimesgeltend. Seit 1934 bei Henkel beschäftigt, sagte Kobold aus, dass esHugo und Jost Henkel „trotz Anfeindungen durch die Gauleitung unddie DAF fertiggebracht haben, meinen Arbeitsplatz zu sichern“. Wieauch sein Sohn Jost sei Hugo Henkel nur unter öffentlichem Druck indie Partei eingetreten und keineswegs „nationalsozialistischer Gesin-nung“ gewesen. Offenbar war diese Aussage aber für die britischenEntnazifizierungsbehörden von nachgeordneter Bedeutung, denn diepolitische Rolle des ehemaligen Firmenleiters und der übrigen Fami-lienmitglieder in der Geschäftsleitung blieb zunächst umstritten.5

Am 21. November 1945 wurden Reinhold Woeste, der Schwieger-sohn von Emmy Lüps, Gustav Schmelz und Karl Henkel-Försterlingwieder auf freien Fuß gesetzt; am Tag darauf folgten Konrad Henkel,der zweite Sohn von Hugo Henkel, und Victor Funck; am 26. Novem-ber Hugo Henkel und im Laufe der Woche noch Otto Pfaff, WillyManchot, ein Schwiegersohn von Fritz Henkel jun., und RichardBrandt. Als letzter wurde am 30. Juli 1946 schließlich Jost Henkel ausdem Internierungslager entlassen. Als erster der Inhaftierten wurdeKonrad Henkel, der bislang in der Firma gar nicht tätig gewesen warund in Heidelberg lebte, am 15. April 1946 von den Amerikanern ent-nazifiziert. Doch seine Bemühungen um die Aufhebung des Ver-kehrsverbotes mit der Firma und seine Anstellung wurden trotz desUS-„Persilscheins“ von den britischen Besatzungsbehörden zunächststrikt abgewiesen.

Am 10. Januar 1947 wurden auch Hugo und Jost Henkel entnazifi-ziert sowie Sigrid und ihr Ehemann Willy Manchot, der seit 1939 alsRepräsentant des Familienstammes Fritz Henkel jun. Mitglied derGeschäftsleitung war. Die Entnazifizierung bedeutete keineswegs„automatisch Wiedereinsetzung in die alte Stellung [...], sondern hebtnur ein Beschäftigungsverbot auf“. Die Aufhebung der Treuhänder-schaft und die Wiedereinsetzung der Familie Henkel in die unter-nehmerischen Leitungsorgane mussten vielmehr bei der örtlichenProperty Control der britischen Besatzungsmacht beantragt werden.Dabei war die Stellungnahme von Gewerkschaften und Betriebsratvon hoher Bedeutung.6

4 153/1, Postprotokoll,22.10.1945. Siehe auch FriedrichBohmert, „Treuhänderschaft“. DasUnternehmen Henkel zwischenApril 1945 und November 1947,Düsseldorf o.J. [1984], S. 12:Schulz, der 1936 in die FirmaHenkel eingetreten war, war vorseiner Einberufung in die Wehr-macht technischer Leiter desKlebstoffwerks gewesen. Nachdem Frankreich-Feldzug war er inder Pariser Wirtschaftsverwaltungtätig. Schulz war innerhalb derFamilie Henkel äußerst umstritten.Ordner Henkel 2, K. Henkel anColonel Lord, 16.6.1946. OrdnerHenkel 3, Eben an K. Henkel,11.8.1946. Ebenda, Aktennotizvom 3.8.1946: Aus diesemGrunde sollte den englischenDienststellen vorgeschlagenwerden, „den Einsatz eines neuendeutschen Treuhänders zuerwirken, da der jetzige offen-sichtlich der Familie feindlichgesinnt ist“. Schulz hatte sichnoch zu Beginn des Jahres 1947bei der britischen Militärregierungdafür eingesetzt, die „FamilieHenkel noch mindestens 1 Jahrvon der Firma fernzuhalten“. Be-gründet hatte er seinen Vorschlagdamit, dass „noch Untersuchun-gen finanzieller Art betreffend dieZahlung von hohen Beiträgensowohl an die NSDAP als auch andas Winterhilfswerk durch dieFamilie [...] durchgeführt werdenmüssten“. Ebenda, Finanzabtei-lung, Besprechung bei der Militär-regierung, 22.1.1947. Sieheebenda, Finanzabteilung, Besuchbei der Militärregierung,25.2.1947: Diesem Wunsch kamdie Militärregierung nach: Aufdem Entnazifizierungsschreibenvon Hugo Henkel war „hand-schriftlich vermerkt [...], dass einWiedereintritt nicht vor dem1.1.1948 erfolgen soll“. Vgl.dagegen das Schreiben Schulz'an K. Henkel, 2.4.1947, ebenda.sowie vom 31.5.1947: Schulzwar daran interessiert, K. Henkelfür Henkel-Forschungen in Heidel-berg einzusetzen. Konrad Henkelsollte die Herstellung von Alkyl-chlorphenolen und ihre Desinfek-tionswirkung sowie Arbeiten überenzymatische Waschmittelbetreuen. Vgl. dazu K. Henkel anKobold, 15.6.1947, der denAuftrag als „kindliche[n] Blödsinn“und Versuch, „mich ganz abzu-schieben“, interpretierte. Vgl. K.Henkel, Besuch am 1.7.1947 inder Firma, Besprechung mit Dr.Schulz, Pfaff und Dr. Blaser,

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1.7.1947. Vgl. auch ebenda,Aktennotiz betr. Wiedereintritt derHerren Dr. Hugo Henkel, Dr. JostHenkel und Dr. Konrad Henkel indie Firma, 11.7.1947.

5 Deutlicher auch in OrdnerHenkel 2, Walter Kobold,19.9.1945. So hieß es auch überden Schwiegersohn HugoHenkels, Andreas Thorbecke, dersich seit der Kapitulation in US-amerikanischer Gefangenschaftbefand, „wenn er auch Parteige-nosse ist, so werde ich dochjederzeit für ihn geradestehen. Invorbildlicher Weise hat er dieganzen Jahre über mir geholfen,meine Stellung zu behalten, undwährend der Deportation meinerMutter mir jede nur möglicheHilfe, soweit sie in seiner Machtstand, gegeben“. Ebenda,Kobold, Zeugnis für Dr. HugoHenkel, 9.10.1945. Ebenda, dieSchilderung Martje Kobolds vom2.12.1945. Kobold an K. Henkel,18.12.1945: „[...] dass ich Dirund Deiner Familie nie vergessenwerde, was Ihr [...] für mich getanhabt und wenn dies auch nichtnach außen hin so ersichtlichgewesen ist, so genügte inmeiner damaligen Situation alleineine moralische Unterstützung.“

6 Ordner Henkel 3, Besprechun-gen Jost Henkels und WillyManchots in Minden, 15. und16.1.1947.

7 Ordner Henkel 2, WalterKobold, Aktennotiz: Entwicklungder Firma Henkel, sowie:Stimmung der Belegschaft seitdem 20.9.1945, 8.3.1946. Dieskorrespondiert mit dem VorhabenKobolds, die Procter & Gamble-Direktoren Richard Deupree undRenton K. Brodie als Zeugen fürdie Freilassung der inhaftiertenFamilienmitglieder, insbesondereHugo Henkels, anzuführen be-ziehungsweise sie um Interventionzu bitten. Ebenda, AktennotizWalter Kobold, 2.10.1945. AuchOrdner Henkel 3, Protokoll Be-sprechung, 18.11.1946; „dabeiwurde festgelegt, dass unsereVerbindung zu P&G engstens zugestalten ist [...]“ Siehe auchebenda, Inhalt der Familienbespre-chung vom September 1946:„[...] überlegen, ob nicht Solvaygemeinsam mit P&G als Partnerfür Henkel auftreten soll.“

Diese aber beabsichtigten offenbar zunächst, „eine völlige Trennungzwischen ehemaligen Firmeninhabern und der neuen sogenanntenLeitung“ herbeizuführen, denn die Mitglieder der Betriebsvertretungpflegten nicht nur einen „guten Konnex mit der treuhänderischen Lei-tung“, sondern zeigten sich nach Einschätzung Walter Kobolds „zumTeil damit einverstanden, dass die ehemaligen Firmeninhaber nichtmehr ins Werk zurückkehren“.7 Dies korrespondierte mit der Tendenzzur Sozialisierung der Betriebe, die von der britischen Labour-Partyund englischen Offizieren, die zum Teil Gewerkschaftsmitgliederwaren, unterstützt wurde. Mit ihren Plänen, die Firma Henkel zu ent-eignen und „in eine Art Konsumverein[s]“ umzuwandeln, stießen dieBriten jedoch auf den erbitterten „Widerstand der Amerikaner“.

Die einzige Möglichkeit, den Sozialisierungsvorhaben entgegenzutre-ten, sah Kobold in der „engen Verbindung mit einer amerikanischenbzw. englischen Firma“ wie etwa Procter & Gamble in den USA oderCrosfield beziehungsweise Unilever in England.8 Zugleich solltenJost und Konrad Henkel Kontakt mit den Gewerkschaften aufnehmen,„um [...] mit ihnen das Für und Wider zu diskutieren (wenn eine Sozi-alisierung in der Luft liegt)“. Ein wichtiger Ansprechpartner in die-sem Zusammenhang war Viktor Kirberg, der wiedereingesetzteBetriebsratsvorsitzende der Henkel-Werke, der bei der Belegschaftoffenbar erfolgreich zugunsten der Familie interveniert hatte. Ineinem Schreiben an die Militärregierung in Düsseldorf hatte sich dieArbeiter- und Angestelltenvertretung der Henkel & Cie GmbH/AGnämlich schon im September 1945 für die Freilassung von Hugo, Jostund Konrad Henkel eingesetzt.9

Nach Einschätzung vor allem Konrad Henkels und Walter Koboldszeigten Hugo und Jost Henkel in ihrem Engagement zur Wiederein-setzung der Familie und zum Fortgang der Firma viel zu wenig„Dynamik“: „Jost ist leider doch recht langsam in vielem und manmuss ihm immer schwer einheizen.“ Dabei drängte vor allem die Fra-ge, „wie die zuständigen Stellen sich im Prinzip zu der Wiederauf-nahme der Tätigkeit eines oder mehrerer Familienmitglieder“ insbe-sondere mit Blick auf den „immer mehr verstärkt auftretendenSozialisierungsgedanken[s]“ stellen. Walter Kobold fürchtete, „dasswir nur durch wirkliches Handeln weiterkommen. Wenn wir das nichtmehr können, geht der ganze Laden weg“. Doch zeigte sich, wie er anKonrad Henkel schrieb, „dass außer Otto [Pfaff], Friedrich [Malitz]und mir alle übrigen Düsseldorfer Ratgeber Deiner Familie äußerstängstlich, zurückhaltend und zum Teil zu alt sind, so dass also der vonmir jeweils angesetzte Schwung immer wieder in einem Leerlaufendet“.10

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Offizielle Gespräche zwischen Firma und Familie wurden mit Geneh-migung der regionalen britischen Dienststellen Anfang 1947 wiederaufgenommen.11 Als Hugo Henkel Anfang März 1947 das Werk erst-malig wieder nach seiner Haft besuchte, stieß er auf eine „vorbildli-che Resonanz im gesamten Betriebe“, was deutlich macht, dass sichoffenbar auch das Betriebsklima zugunsten der Familie gewendet hat-te.12 Im November 1947 wurden die Blockierung und Beaufsichti-gung des Firmenvermögens aufgehoben und die Familie Henkelwieder in ihre alten Rechte eingesetzt.13 Mit Erlöschen der Treuhän-derschaft übernahmen Jost Henkel die kaufmännische und WillyManchot die chemisch-technische Leitung, während Konrad HenkelAnfang 1948 in die Firma eintrat und mit der Produktentwicklungbetraut wurde.14

Die Demontageforderungen, die auf der Verordnung 96 des AlliiertenKontrollrates „zur Verhinderung übermäßiger Machtanhäufung in derdeutschen Wirtschaft“ beruhten, wurden allerdings weiterhin aufrech-terhalten. Sie richteten sich nach der Beschäftigtenzahl (mehr als10.000) sowie nach der kapitalmäßigen Bedeutung des Unternehmensund seinem Marktanteil. Gemessen an der Belegschaftsgröße ent-sprach Henkel diesen Größenordnungen zwar nicht, doch stellte dasDüsseldorfer Unternehmen zusammen mit seinen Tochterfirmen rund40 Prozent der deutschen Waschpulverproduktion her. Auch dasnominelle Kapital von 200 Millionen Reichsmark und die große Zahlan Beteiligungen zog das Interesse der alliierten Behörden auf sich.15

Somit erschien Henkel & Cie GmbH unter der laufenden Nummer129 in den Demontagelisten, die im Oktober 1947 veröffentlicht wur-den. Bei Henkel in Düsseldorf-Holthausen sollten die Anlagen zurHerstellung von Seifenpulver und zur Gewinnung von Glycerin zu 70 Prozent demontiert werden. Mit einer offensiven Öffentlichkeits-kampagne wehrte sich das Unternehmen gegen dieses Vorhaben undprognostizierte in drastischen Schilderungen die Folgen einer völligunzureichenden Versorgung der Bevölkerung mit Wasch- und Reini-gungsmitteln: Die Broschüren „Tod durch Dreck“ und „Henkel darfnicht demontiert werden“ wurden an Tausende von Meinungsbildnernin der ganzen Welt versandt. In ihnen wurde ein Horrorszenario längstbesiegt geglaubter Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Diph-therie entworfen, das in Deutschland aufgrund mangelnder Hygieneaufflammen würde.

8 Ordner Henkel 2, Walter Kobold,Aktennotiz: Entwicklung der FirmaHenkel, sowie: Stimmung derBelegschaft seit dem 20.9.1945,8.3.1946. Ebenda, Aktennotiz,Betriebliche Richtlinien für die zuergreifenden Maßnahmen,17.2.1947. Vgl. ebenda, K.Henkel an Kobold, 15.5.1947:„mein Nutzen für die USA“ undzur Haltung von Procter &Gamble gegenüber Henkel.

9 Ordner Henkel 2, Arbeiter- undAngestelltenvertretung der FirmaHenkel & Cie GmbH/AG,24.9.1945. Vgl. ebenda, Akten-notiz von Jost Henkel, 25.9.1945:„[...] wichtig: Resonanz derGefolgschaft auf die Verhaftung[...] Was tut der Betriebsrat? [...]“Vgl. K. Henkel an seine MutterGerda Henkel, 25.9.1945: DieEngländer vermuteten, „dassscheinbar einige Angehörige derFam. in der Firma nicht beliebtseien“, da viele Belegschaftsmit-glieder sich über die Verhaftungerfreut gezeigt hätten. Zudemäußerte Jost Henkel die Befürch-tung, dass die Besatzungsmäch-te der Familie in sozialer Hinsichtetwas vorwerfen könnte. Zu-mindest lag ein „Haufen Anzeigen[...] wegen unsozialem Verhaltender Familie, keine Luftschutzkel-ler“ vor. Ebenda, Jost Henkel anGerda Henkel, 30.9.1945. Indiesem Zusammenhang äußertJost Henkel mehrfach dieHoffnung, dass der Betriebsratfür die Familie interveniere.Ordner Henkel 3, K. Henkel anKobold, 25.10.1946.

10 Ordner Henkel 3, K. Henkel anKobold, 25.10.1947 Ebenda,Kobold an K. Henkel, 5.11.1946:„[...] bin mit Dir nach wie vor derAnsicht, dass Jost schwer ein-geheizt werden muss [...]“. Vgl.auch Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 3 zur Einschät-zung Jost Henkels: „hatte [...] alsManager nicht den richtigenElan“. Ebenda, K. Henkel anKobold, 5.1.1947; Kobold an K. Henkel, 9.1.1947.

11 Ordner Henkel 3, Walter Koboldan Ernst Petersen, 11.2.1947.

12 Ordner Henkel 3, WalterKobold an K. Henkel, 8.3.1947.

13 A 22, Hamburger Allgemeine,28.11.1947. Henkel-Werksge-schichte: Der 21. November1947, in: BvH 25, 1947, S. 271–

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276, zur Rückkehr der Familie.

14 Ordner Henkel 3, Aktennotiz,Besprechung mit der Militärregie-rung, 18.11.1946.

15 153/3, Postprotokoll,11.6.1947. 289/1270, Schmelz,Fragen der Kapitalentflechtungbei der Firma Henkel, 19.5.1947.Siehe auch ebenda, Schmelz,Betr. Kapitalentflechtung. Berichtüber die Besuche in Frankfurt/Main am 21. und 22. Mai 1947bei der Metallgesellschaft, beiDegussa und Bankhaus AlwinStefan. „Bei der Berechnung derAnzahl der Beschäftigten wirdnicht nur die Muttergesellschaft,sondern es werden auch sämt-liche Organgesellschaften mitGewinnausschließungsverträgenund Beteiligungsgesellschaftenmit mindestens 25 ProzentBeteiligung berücksichtigt.“ Auch314/91, Dr. Winkler an Schulzu.a., undatiert [Okt. 1946].153/4, Postprotokoll, 25.6.1948.Siehe auch ebenda, Dr. Winkler,Niederschrift über die Be-sprechung vom 30.6.1948.

16 Direktor Fuchs auf derWeihnachtskonferenz 1946, in:BvH 25, 1947, S. 31.

17 273/48, Bericht über dieTagung des Verbandes derSeifen-, Wasch- und Reinigungs-mittelindustrie vom 23. und24.10.1945, 26.10.1945. Auchden Wirtschaftsverbänden derbritischen Zone war es „verboten[...] mit den gleichen Organisatio-nen im amerikanisch besetztenGebiet Fühlung zu nehmen“.Ebenda, Bericht über eine Be-sprechung beim Oberpräsidiumam 15.12.1945. 455/104, Proto-koll der Sitzung der Geschäftslei-tung und der Betriebsvertretungvom 15.1.1946. 273/48,Betriebs-Konferenz, 30.11.1945.Siehe auch 273/48, Besprechungder Preisbildungsstelle Düsseldorfmit den interessierten Firmenüber Fett- und Ölpreise am9.8.1945. Bereits im August1945 ging man davon aus, dass„im brit. Wirtschaftsraum [...]praktisch keine Rohstoffe vor-handen“ seien. Der Mangel anKohle und Strom lasse die Werke„weit unter Kapazität“ arbeiten.273/8, Bericht über eine vonHerrn Ketels im Auftrage desengl. Wirtschaftsoffiziers für Seife,Waschmittel sowie industrielleOele und Fette einberufene

Allerdings hütete sich das Unternehmen, den „Verdacht des Geschäf-te-machen-Wollens“ zu erwecken: „Das hat mit Geschäft nur in zwei-ter Linie zu tun. In erster Linie ist es die durchaus berechtigte unddazu schwere Sorge um den Erhalt des Restes unseres Vaterlandesund seiner Bewohner.“ Diese Taktik verfehlte ihr Ziel nicht: Zwarwurden Teile der Seifenpulver-Anlage und der Waschmittel-Produk-tion sowie die Glycerin-Destillation im Werk Düsseldorf-Holthausenzwischen 1948 und 1950 demontiert, doch war Henkel insgesamtwesentlich geringer von den Demontagemaßnahmen betroffen alsbefürchtet. Bei der britischen Militärregierung hatte sich nun viel-mehr die Auffassung durchgesetzt, „dass ein Werk wie Henkel [...]unbedingt notwendig ist und laufend gehalten werden“ müsse, zumalin der britischen Zone eine deutliche Unterversorgung mit Waschmit-teln herrschte.16

Die Produktionsquoten der Alliierten erwiesen sich jedoch „im Ver-hältnis zu dem bestehenden Verwaltungs- und Betriebsapparat“ vonHenkel als „zu klein“, so dass die Werke unrentabel arbeiteten.Obwohl die Firma in der Lage war, „das 4- bis 5fache der augen-blicklichen Produktionsauflage herzustellen“, durfte sie aufgrund derknappen Kohle- und Sodavorräte lediglich für den Bedarf der briti-schen Zone produzieren. Die Produktions- und Absatzmöglichkeitenwurden durch die bereits ab Ende 1945 zunehmende „starke Abson-derung der Zonen“ erschwert, die die wirtschaftliche Zusammenarbeitbeim Austausch von Rohstoffen und Produkten nahezu unmöglichmachte.17 Auch unter Marktgesichtspunkten schmerzte diese Politik:„[...] wir mussten zusehen, dass auf einem Gebiete, in dem wir 85Prozent der Verbrauchsmengen an Waschmitteln lieferten, sich ande-re tummeln und sich geradezu überschlagen, in dem Bestreben, unsmöglichst für alle Zeiten von diesem Markt fernzuhalten.“ Dennocherschien es Henkel als „unbedingt notwendig“, nach „Bayern, Würt-temberg und Baden unsere Erzeugnisse, wenn auch in kleineremUmfange, zu liefern, um hier gewissermaßen im Geschäft zu bleiben“und keine Marktanteile an „Sunlicht oder andere Großproduzenten“zu verlieren.18

Nachdem zwischen den westlichen Zonen ab Anfang 1946 eine all-mähliche Annäherung stattgefunden hatte, wurde seit dem Frühjahr1946 auch der deutsche Außenhandel, der durch restriktive alliierteExportauflagen und die sogenannte „Dollarklausel“ weitgehenddanieder lag, zunehmend liberalisiert. Ausschlaggebendes Momentwar dabei die Prämisse, dass „ohne Ausfuhr keine Einfuhr möglichsei“. Henkel hatte zunächst die Lenkung des Außenhandels durch alli-ierte Institutionen wie die Joint Export Import Agency (JEIA)begrüßt, da das Unternehmen „selbst keine Übersicht über die Aus-landsmärkte“ und „die internationalen Warenbewegungen“ oder „überdie heute gültigen Preise“ besaß. Außerdem war Henkel davon über-zeugt, dass frühzeitige Exportaktivitäten „Marktanteile für dieZukunft“ sicherten und dass exportierende Firmen eine bevorzugteBehandlung bei der Rohstoffzuteilung erfahren würden.19

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Bereits auf der Weihnachtskonferenz von Verkaufsleitung und Reise-stab im Dezember 1946, die als „Konferenz der Entschlossenheit“oder auch „Wiederaufbaukonferenz“ bezeichnet wurde, waren dieÜberlegungen um die Rückkehr des Unternehmens auf die internatio-nalen Märkte gekreist, wobei dem Leitprodukt Persil eine besondereRolle zukommen sollte: „Es ist unser Glaube, dass Persil eines Tagesals führendes Erzeugnis wieder auf dem Waschmittelmarkt erschei-nen und seinen Platz behaupten wird, denn Persil bedeutet im über-tragenen Sinne nicht ein starres Festhalten an einer längst veraltetenKomposition, sondern fortschrittliche Entwicklung eines nach demneuesten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungenzusammengesetzten Waschmittels“.20 Diese Vision sollte Henkel vorallem ab der Aufhebung der Bewirtschaftungsmaßnahmen nach derWährungsreform zielstrebig verfolgen.

Sitzung in Hamburg am 24. und25.9.1945. So auch die Ein-schätzung Dr. Gierlichs von derPreisbildungsstelle: „Produktions-technisch scheinen sich nichtsoviel Schwierigkeiten zu ergebenwie in der Materialbeschaffung.“Siehe im einzelnen zur Wirt-schaftslenkung in der Chemie-industrie: Stratmann, ChemischeIndustrie, S. 141–214, zu Permit-Erteilung und Industrieplänen inder britischen Zone. 273/48,Besprechung vom 8.11.1945. Sowies die Geschäftsleitung in Ge-sprächen mit den Besatzungsbe-hörden mehrfach darauf hin,„dass Henkel größere MengenWaschhilfsmittel noch herstellenkann“. 273/48,1, Besprechungvom 10.1.1946. 153/1,Postprotokoll, 28.2.1946.268/67, undatierte Aktennotiz.268/67, Besprechung beimOberpräsidenten Düsseldorf,25.10.1945.

18 Direktor Fuchs auf derWeihnachtskonferenz 1946, in:BvH 25, 1947, S. 30. 153/1,Postprotokoll, 26.7.1945.153/2, Niederschrift über dieSitzungen der Geschäftsleitung1946, 28.2.1946. GeorgAckermann auf der Weihnachts-konferenz 1946, in: BvH 25,1947, S. 37. Auch Konferenz derGrundsteinlegung, in: BvH 26,1948, S. 9.

19 273/48,1, Besprechung überAußenhandelsfragen, 14.3.1946.Siehe auch ebenda, Anweisungender Militärregierung über Aus-fuhrlieferung und deren Abrech-nung, undatiert [Januar 1946].

20 BvH 25, 1947, S. 24. A 24,siehe auch Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940. Generalversammlungvom 23.4.1940.

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Dr. Paul Schulz, der von derbritischen Militärregierungnach dem Zweiten Weltkriegbeauftragte Treuhänder des Unternehmens.

Rechts: Englische Gewerk-schafter beobachten eineFeuerwehrübung bei Henkelim Dezember 1945.

Wiederaufbau und WeltmarktTreuhänderschaft und Rückkehr der Familie Henkel

Am 21. November 1947kehrt die Familie Henkelnach ihrer Rehabilitierung indie Firma zurück. Auf demGruppenfoto (links) sindversammelt, vordere Reihesitzend von links: Dr. Jost Henkel, Herta Pape,Prof. Dr. Max Michel Forell,Ellen Woeste, Gerda Henkel,Ilse Bagel, Dr. Hugo Henkel.Mittlere Reihe von links:Dipl.-Ing Reinhold Woeste,Ruth Thorbecke, Dr. KonradHenkel, Katrina Henkel.Hintere Reihe stehend vonlinks: Ulrike Woeste, GittaForell (verwitwete Lüps), Dr. Willy Manchot, SigridManchot, Andreas HeinrichThorbecke und Dr. Ernst

Petersen. Foto unten: Die Männer der Familie Henkel.

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„Tod durch Dreck“: Mit derPublikation „Death by dirt“

demonstriert Henkel international gegen die

Demontage.

Walter Kobold: enger Freund der Familie Henkelund ab 1945 Mitglied der

Geschäftsleitung.

Demontage im Werk Düsseldorf-Holthausen:

Teile der Öl-, der Glycerin-und der Waschmittelfabrik

werden abtransportiert.

Vierteljahres-Betriebsver-sammlung im Speisesaal der

Henkel-Hauptverwaltung,1947.

Unten: Der Betriebsrat 1947unter dem Vorsitz von Viktor Kirberg (sitzend

vierter von links).

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21 152, Beiratssitzung Henkel &Cie GmbH, Niederschrift überdie Beiratssitzung vom27.10.1953.

22 314/48, TechnischeAbteilung, Beiratssitzung am17.2.1950.

23 152, Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen III, Gesellschafterversamm-lung 10.10.1948.

24 153/4, Dr. Winkler, Nieder-schrift über die Geschäftslei-tungssitzung vom 6.9.1948.Ebenda, Postprotokoll, 18.8.und 9.12.1948. Henkel wardavon überzeugt, dass „unserePreispolitik [...] den Beschlusszur Aufhebung der Bewirtschaf-tung [...] gefördert“ habe, weilder Frankfurter Wirtschaftsratdavon ausgehe, „dass wir anunserer Preispolitik festhaltenund dass kein anderer Produ-zent teurer verkaufen [könne]als Henkel“.

Die Phase 1948 bis 1953 stand ganz im Zeichen des Wiederaufbaus.Sie war durch das Bemühen geprägt, die wichtigsten Markenartikelder Vorkriegszeit wieder auf den Markt zu bringen. Die der Demon-tage zum Opfer gefallene Zerstäubungs- und Verpackungsanlagen derWaschmittelproduktion in Düsseldorf-Holthausen wurden „durchWiederbeschaffung [...] wett gemacht“. Auch „die Kriegsschäden, diein der Zeit bis zum 20.6.48 [...] kaum beseitigt werden konnten“, wur-den „nunmehr in beschleunigtem Tempo“ behoben. Danach rücktenMaßnahmen zur Rationalisierung und Qualitätsverbesserung der Pro-dukte in das Zentrum der Unternehmenspolitik.21 In der DüsseldorferKrauseanlage der Waschmittel-Herstellung waren bis 1950 nicht nursämtliche Demontage-Schäden beseitigt worden, sondern „durch Ver-vollständigung und Einbau neuer Transportanlagen“ konnte die Anla-ge nun im Vergleich zur Vorkriegszeit auch „beweglicher für die weitzahlreicheren Produkt-Arten gegenüber vor dem Kriege“ genutzt wer-den.22 In den Energiebetrieben waren Verbesserungen an den Kessel-anlagen und Turbinen vorgenommen worden, die eine gesicherteEnergieversorgung des Werks garantieren sollten. Auch in den übri-gen Abteilungen des Düsseldorfer Stammwerks stellte die gesteigerteProduktion wachsende Anforderungen an Maschinen und Apparate,so dass hier Anlagen modernisiert und Anlagenteile ersetzt werdenmussten. Als neue Projekte wurden ab 1947 eine Reduktionsanlage,die Hochdruckhydrierung, eine Anlage zur Herstellung von Sulfona-ten sowie eine Methylcellulose-Anlage im Klebstoffwerk geplant.23

Gegen Ende der 1940er Jahre lief die Produktion bei deutlich ent-spannter Rohstoffsituation bereits „ohne Schwierigkeiten“. Da man„in Kürze“ eine Verschärfung des Wettbewerbs erwartete, versuchteHenkel, „soviel Markt zu erfassen wie möglich, zumal wir jetzt wie-der überall hin liefern können“. Dabei setzte die Geschäftsleitungangesichts der anlaufenden Konsumwelle auf die „Konsumnähe derProdukte“, von der sie sich „eher als bei Rohstoffunternehmungen“„eine angemessene Rentabilität“ erhoffte. Obwohl die Bewirtschaf-tung für Waschpulver erst zum 1. Dezember 1948 aufgehoben wurde,verzeichnete Henkel bereits kurz nach der Währungsreform einenUmsatz von über 8 Millionen DM.24

Die um die Jahreswende 1949/50 nach der Einführung des Fein-waschmittels Perwoll vorgenommene Umstellung in der DüsseldorferWaschpulver- und Waschhilfsmittelproduktion machte es erforder-lich, „die Maschinen-Einrichtungen schnellstens zu überholen, zuergänzen und zu verbessern“. Mit der neuen Anlage konnten zur glei-chen Zeit „fünf verschiedene Pulver“ produziert werden. Erweitertund neuorganisiert wurde auch die Packerei. Ihre Kapazität wurde

Die allgemeineFirmenentwicklung

ab 1948

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durch neue Verpackungs- und Kartonmaschinen ebenfalls erhöht,obwohl die Verpackungsrohstoffe noch immer von mangelhafter Qua-lität waren.25

Ab den 1950er Jahren setzte damit auch bei Henkel das „Wirtschafts-wunder“ ein. 1951 konnte Jost Henkel auf „allen Gebieten“ der Firma„eine sehr erfreuliche Entwicklung“ vermelden.26 Doch die wirt-schaftliche Erholung bedeutete für das Unternehmen auch eineZuspitzung des Wettbewerbs mit in- und ausländischen Produzenten:Obwohl die Markenprodukte der Henkel-Palette zu Beginn der1950er Jahre kontinuierlich steigende Umsätze verzeichneten, warsich die Unternehmensleitung darüber im klaren, dass man „gemessenan der Entwicklung im Ausland, insbesondere in den VereinigtenStaaten, in Frankreich und in England [...] weit zurückgeblieben“ sei,weil seit Mitte der 1930er Jahre die notwendigen Investitionen nichtmehr hatten vorgenommen werden können. „Um den großen Vor-sprung der ausländischen Firmen aufzuholen und konkurrenzfähig zubleiben“, sah Henkel „große Anstrengungen“ im Technologie- undFinanz-Bereich auf sich zu kommen.27

Die Phase 1953 bis 1962 war durch den Ausbau des Markenartikel-Geschäfts sowie des chemisch-technischen Sektors durch den Zukaufvon Firmen wie Collardin 1956 und Sichel 1962 gekennzeichnet. Ab1962 ging Henkel in der Unternehmenspolitik mit der Ausweitungdes weltweiten Wettbewerbs neue Wege: Im Waschmittelgeschäftwaren Henkel die Märkte in den USA, Frankreich und Großbritan-nien, wo die Wettbewerber über erhebliches Kapital und Know-howverfügten, bislang verschlossen geblieben. Um im Wettbewerb mitden „ganz Großen“ erfolgreich zu bestehen, sah sich das Unterneh-men einem „Zwang zur Größe“ gegenübergestellt. Da die Optionnicht auf „wachsen oder bewahren, sondern wachsen oder schrump-fen“ lautete, wurde insbesondere das externe Wachstum forciert. Mitden steigenden Umsätzen auf den einheimischen und internationalenMärkten etablierte sich Henkel ab Mitte der 1960er Jahre unter denweltweit größten Chemieanbietern.

Jost Henkel, ältester Sohn Hugo Henkels, starb am 7. Juli 1961 nachkurzer Krankheit unerwartet im Alter von knapp 52 Jahren. Wie schonin der Generation zuvor übernahm nun ein Chemiker, der sechs Jahrejüngere Bruder Konrad Henkel, den Platz des verstorbenen Kauf-manns. Konrad Henkel war der letzte Enkelsohn des Firmengründers.Mitbesitzer des Unternehmens waren außer ihm die fünf Enkeltöchtervon Fritz Henkel sen., alle älter als er: Ellen Woeste, geborene Lüps,Ilse Bagel, Sigrid Manchot und Herta Pape – die drei Töchter vonFritz Henkel jun. – sowie Konrad Henkels Schwestern Ruth Thorbe-cke und Lisa Maskell (verwitwete Petersen). Mit Konrad Henkelbegann ein neuer Abschnitt in der Unternehmensgeschichte, in dessenVerlauf sich das überwiegend auf deutschen Märkten tätige Unter-nehmen in eine internationale Firmengruppe wandeln sollte.

25 314/48, TechnischeAbteilung, Beiratssitzung am3.10.1950.

26 152, Henkel & Cie GmbHBeirat 1949–1955, Protokollüber die Beiratssitzung vom16.3.1951.

27 153/9, Postbesprechungvom 6.10.1953 und vom7.4.1953. 289/1127, Aktenno-tiz, 8.6.1955. Ebenda, PersilGmbH an FinanzgerichtDüsseldorf, 24.2.1954. Sieheauch 289/1119, Gutachtenüber die Bewertung der Anteilean der Henkel & Cie GmbH nachdem Stand vom 1. Januar1951: „Die wirtschaftlichenVerhältnisse der Jahre 1950 und1951“ waren während derKoreakrise „außergewöhnlichgut“.

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Die Mitglieder der Henkel-Geschäftsführung, 1950.Sitzend von links: Karl AntonFuchs, Friedrich Malitz, Dr. Karl Eickschen, Dr. WillyManchot, Dr. Jost Henkel,Otto Pfaff, Walter Kobold, Dr. Carl-Heinz Winkler.Stehend: Fritz Schilbock(links) und Max Schumacher.

Luftaufnahme des Henkel-Werks in Düsseldorf-Holthausen,1953.

An seinem 70. Geburtstagam 21. Januar 1951: Hugo Henkel mit seinenSöhnen Jost (Mitte) und Konrad.

Wiederaufbau und WeltmarktDie allgemeine Firmen-entwicklung ab 1948

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Ganz links: Blick von Südenauf die Tanks an der

Ölstraße, 1951.

Daneben: Montagearbeitenzur Erweiterung einer

Zerstäubungsanlage, 1959.

Die Ölbetriebe in Düsseldorf-Holthausen, 1954.

Grundsteinlegung für Wissen-schaftliche Laboratorien

in Düsseldorf am 11. August1965: drei Hammerschläge

von Dr. Willy Manchot. Links neben ihm

Dr. Konrad Henkel.

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Textil- und Klebstofflabo-ratorien in Düsseldorf-Holthausen, Anfang der1950er Jahre.

Klebstoff-Spezialist Sichel-Werke in Hannover, Luftaufnahme von Südosten,1955.

Die Methylcellulose-Anlage inDüsseldorf-Holthausen geht1952 in Betrieb.

Rechts: Im Textillabor dienen Stoppuhr undVergrößerungsglas alsHilfsmittel, 1956.

In Versandkartons undpalettiert: Persil 59 fertigzur Auslieferung an den Handel.

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Die Sidol-Werke Siegel inKöln: Ab 1966 kooperiert die

Firma mit Thompson inDüsseldorf. 1969 ver-schmelzen die beiden

Henkel-Tochterfirmen zurThompson-Siegel GmbH mitSitz in Düsseldorf. Foto von

1960.

Datenverarbeitung beiHenkel, 1968.

Das neue Klebstoffwerk inDüsseldorf-Holthausen gehtEnde 1965 in Betrieb: Hier

werden Dispersionsklebstoffeund Pattex hergestellt.

Der Tapetenkleister Metylanauf Methylcellulose-Basis

kommt 1953 auf den Markt:Jeweils 40 Pakete werden

in einen Versandkartongepackt.

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28 Niederschrift über dieBesprechung vom 5.3.1949.Ebenda, Henkel & Cie GmbH,Synthetische Waschmittel, un-datiert [um 1938]: Seit Jahrenarbeiteten die deutschenWaschmittelhersteller „an derFrage des Seifenersatzes beider Kochwäsche [...]“ sowie ander Synthese und Erforschungvon Seifenaustauschproduktenfür die Haushaltswäsche: „Beiallen weiteren Arbeiten unsererForschungslaboratorien wird alsunverrückbares Ziel die Lösungder Aufgabe zu gelten haben,ein vollwertiges Seifenersatzpro-dukt aus deutschen Rohstoffenzu schaffen, das uns endgültigvon der wirtschaftlichenAbhängigkeit dem Auslandgegenüber befreit“. Siehe auch„Perwoll – Spitzenprodukt mitgroßer Tradition“, in: Henkel-Blick 10/1983, S. 6.

29 Niederschrift über dieBesprechung vom 5.3.1949, Dr. Winkler.

30 Siehe auch BvH 28, 1950,Heft 9, etwa „Der Paukenschlag.Kurzbericht über das, was amPersil-Tag geschah“. Otto Lind,Die III. Wiedergeburt: Persil1907–1920–1950, in: BvH 29,1951, S. 20f.

31 GesellschafterausschussPersil, Protokoll vom13.8.1953. „Dixan jetzt mitWeißkraft-Tabletten“, in: Henkel-Blick 3/1972, S. 7. InterviewHelmut Sihler, 26.5.2000, S. 1 und 5.

Wasch- und Reinigungsmittel

Nach Aufhebung der Bewirtschaftung Ende 1948 verzeichnete Hen-kel bei den Verbrauchern einen „Heißhunger nach unseren Produk-ten“. Die Westdeutschen verfügten zunehmend über eigene Wohnun-gen, was nicht nur den Bedarf an Einrichtungsgegenständen, sondernauch an Wasch- und Reinigungsmitteln steigerte. Doch aufgrund derEinführung von US-amerikanischen Seifenflocken mit einem Seifen-anteil von mehr als 88 Prozent war es für Henkel „unbedingt notwen-dig“, „die Qualität unserer Produkte soweit als möglich zu verbes-sern“. Dazu sollte etwa die Erhöhung synthetischer Komponentenund die Einführung des Faserschutzes beitragen. Bereits ab den1930er Jahren war bei Waschmitteln der Seifenanteil durch syntheti-sche Substanzen reduziert worden. Nach Fewa hatte Henkel 1942 dasGroßverbraucher-Waschmittel Dixit sowie 1949 Perwoll und Lasil alseine neue Generation von Waschmitteln (ohne Seife) entwickelt. Lasilwar als Übergangslösung für das „eines Tages wieder einmal erschei-nende Persil“ gedacht.28

Aufgrund des Mangels an natürlichen Fetten und Ölen ging Persil erst1950 – „in altbewährter Vorkriegstradition“ – wieder in Produktion.29

Nach den langen Jahren des Wartens war die Spannung sowohl beiVerbrauchern wie auch beim Unternehmen sehr groß, als die erstenPersil-Pakete am 1. September 1950 wieder in die Läden kamen.30

Angesichts der wachsenden Konkurrenz anderer Anbieter wurde diePreisgestaltung vor der Einführung zu einem wesentlichen internenDiskussionspunkt. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob derPreis von 1,20 DM aufrechterhalten werden konnte oder ob „der vomWaschmittel-Verkauf angestrebte Preis von DM 0,98“ veranschlagtwerden sollte. Die Hochpreisigkeit von Persil sollte den „Premium-charakter“ des Produkts unterstreichen. Aus diesem Grund entschiedsich die Geschäftsleitung für 1,20 DM pro 500-Gramm-Paket. DieWiedereinführung von Persil in bewährter Qualität wurde von einergroßen Werbekampagne begleitet und fand eine außerordentlicheBeachtung in den Medien und bei der Bevölkerung. Dass es – endlich– wieder Persil gab, wurde als Zeichen gedeutet, dass die Notjahrenach dem Krieg vorbei waren. In der Folgezeit verzeichnete derWaschmittel-Verkauf trotz des harten Wettbewerbs Umsatzsteigerun-gen, die „Geld in die Henkel-Kasse“ brachten. Als sich in der zweitenHälfte der 1950er Jahre die elektrische Trommelwaschmaschine auchin den deutschen Haushalten durchzusetzen begann, führte Henkel1957 Dixan als neues Maschinenwaschmittel ein.31

Marken und Märkte

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Persil war hingegen 1950 ein Seifenwaschmittel geblieben, das mitder „klassischen Waschmethode“ – Einweichen, Waschen, Nachspü-len – und mit der „Weißen Dame“ warb. Henkel wagte es zunächstnoch nicht, sein Spitzenprodukt auf synthetischer Basis herzustellen.Der Konkurrent Unilever war schneller. Sein neues Waschmittel ohneSeife war moderner – und Persil bekam das zu spüren. Die Umsätzeund Marktanteile gingen deutlich zurück. Persil D (1951) für Hart-wassergebiete und das Schnellwaschmittel Wipp (ab 1955) – beidebereits synthetische Produkte, ohne dass Henkel sie als solche ver-marktete – waren dagegen nicht überzeugend. So bereiteten auch beiHenkel die Chemiker im anwendungstechnischen Labor die Umstel-lung des Seifen-Persil auf ein synthetisches Produkt vor. Erwin Stapf,seit 1957 in der Geschäftsleitung, übernahm mit seinem Marketing-Team – dabei auch der im März 1957 in die Firma eingetretene Dr. Dr.Helmut Sihler – die strategischen Vorbereitungen. Sein Geschäftslei-tungs-Kollege Josef Leopold trug die Verantwortung für den Vertrieb.Indessen wurde eine alte Henkel-Tradition, die Werbung im eigenenHaus zu konzipieren, durchbrochen. Eine Agentur wurde mit der Wer-bung beauftragt. Persil 59, „das beste Persil, das es je gab“, wurde imJanuar 1959 in den Handel und an die Verbraucher gebracht. DerErfolg war überwältigend; die Marktführerschaft in der Bundesrepu-blik Deutschland wurde zurückgewonnen. Mit dem synthetischenPersil hatte Henkel zugleich den Anschluss an die internationale Ent-wicklung gefunden und das Fortbestehen der Firma gesichert.32

Mit einer Reihe von neuen Waschmittelmarken wie Weisser Riese(1966), Fakt (1968) und X-tra (1970), die zum Teil als Gegenproduk-te zu Neueinführungen der Wettbewerber dienten, wandte sich Hen-kel seither an verschiedene Preis- und Verbrauchersegmente.33 Insbe-sondere die Reinigung synthetischer Fasern war ein Thema, mit demsich die Waschmittelindustrie seit langer Zeit befasste.34 Obwohl beiTextilien der Baumwollanteil in Deutschland 1974 noch bei 74 Pro-zent lag (im Vergleich zu den USA mit 65 Prozent) ging der Trendauch in der Bundesrepublik zu pflegeleichten Textilien auf Baum-woll-Polyester-Basis. Vor diesem Hintergrund wurden bestehendeWaschmittel durch Rezepturumstellungen verbessert und neue Pro-dukte wie Dato (1966) oder Cid (1972) als Spezialwaschmittel fürsynthetische Gewebe konzipiert. Um dem Feinwaschmittel-Konsum„neue Impulse zu geben“, führte Henkel im September 1961 mit Setiein flüssiges Feinwaschmittel in der Bundesrepublik Deutschlandein.35

32 Hundert Jahre Henkel, S. 137. Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 3–5.

33 Intern 3/1970, 3.3.1970.

34 Verwaltungsrat Henkel GmbH,22.9.1972.

35 A 24, Bericht der Geschäfts-führung Henkel & Cie GmbH fürdas Jahr 1961.

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36 153/11, Postprotokoll,14.6.1955. 153/14, Postproto-koll, 11.3. und 6.5.1958.153/16, Postprotokoll, 6.5. und16.8.1960. 153/32, Postproto-koll, 6.12.1966.

37 A 24, Bericht der Geschäfts-führung für das Jahr 1961.Ebenda, Prokuristenbespre-chung am 25.5.1966, VortragDr. Henkel. „Dor flüssig gibt esjetzt bundesweit“, in: Henkel-Blick 9/1974, S. 8. Intern3/1974, 4/1974 und 7/1974.

38 295/1, undatierte Aufstellungzur Firmengeschichte Therache-mie/Tampax. D 511 DubarryKosmetik. Siehe auch 252/50,Marketing, Produktgruppe IPI,Der Markt für Körperpflegemit-tel, 10.4.1964.

39 Klaus Hoffmann/HelmutRaithel, Die Flop-Fabrik, in:Manager-Magazin 8/1977, S. 28–34, S. 30.

Im Markt für Haushaltsreiniger verfügte Henkel mit Produkten wieImi, Ata und Dor (seit 1961) über eine solide Basis. Die weitere Ent-wicklung hing hier davon ab, „inwieweit wir uns mit neuen Produk-ten auch andere Anwendungsbereiche erschließen können“. Bei denGeschirrspülmitteln waren Pulverprodukte in den USA in der erstenHälfte der 1950er Jahre durch Flüssigprodukte verdrängt worden.Obwohl Henkel 1958 noch bezweifelte, ob man die deutsche Haus-frau überhaupt dazu bewegen könne, einen flüssigen Reiniger zu ver-wenden, wurde das 1951 von der Tochterfirma Böhme sehr erfolg-reich eingeführte Geschirrspülmittel Pril-Pulver 1959 um eineFlüssig-Variante ergänzt. 1966 war Pril flüssig mit einem Marktanteilvon mehr als 50 Prozent führend im deutschen Markt.36

1962 startete Henkel das Produkt Somat, mit dem die Produktent-wickler auf die einsetzende Verbreitung von Geschirrspülmaschinenreagierten: Allein zwischen 1966 und 1971 stieg die Zahl derGeschirrspülmaschinen in westdeutschen Haushalten von 200.000 auf1,7 Millionen. Mit Der General (1972) und dem 1974 eingeführtenDor flüssig folgte Henkel dem Markttrend von pulverförmigen zuflüssigen Produkten auch bei Haushaltsreinigern, „um den Sektor dermilden und schonenden Haushaltsreinigungsmittel abzusichern, denDor Pulver bislang nahezu allein beherrscht“.37

Kosmetik/Körperpflege

Seit den frühen 1950er Jahren verfügte Henkel mit der Therachemie,die vor allem Haarkosmetik-Produkte der Marke Poly herstellte undvertrieb, über ein Standbein im Kosmetikgeschäft. Bis zum Ende der1960er Jahre wagte das Unternehmen „aus falsch verstandener Pro-dukttreue“ und aus „Rücksichtnahme auf Rohstoffkunden“ allerdingsnicht, sich stärker auf dem Markt der Körperpflege zu engagieren.Nach Lizenzübernahmen von US-amerikanischen Unternehmen wieTampax und Revlon in den fünfziger Jahren tat Henkel erst 1964 mitdem Erwerb der Frankfurter Firmen Manuela und Khasana bezie-hungsweise der Gründung der Dubarry Internationale KosmetikGmbH den verstärkten Schritt in den Kosmetik-Bereich.38 Schließlichlegte nicht zuletzt das Auftreten des US-Konzerns Procter & Gamblein Deutschland seit 1960, das den Waschmittel-Wettbewerb erheblichverschärfte, die Diversifikation in vertriebsverwandte Produktberei-che nahe.39

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Doch als Henkel über die Tochtergesellschaft Khasana zu Beginn der1970er Jahre versuchte, Kosmetika auf die gleiche Weise wie dieWaschmittel Fakt oder Weisser Riese „in den Markt zu drücken“, wardieses Unterfangen zunächst zum Scheitern verurteilt. Der Körper-pflegemarkt erwies sich mit seinen rund 150 Anbietern als wesentlichdifferenzierter als der durch das Trio Henkel, Unilever und Procter &Gamble beherrschte, leichter überschaubare oligopolistische Wasch-mittelmarkt. Auch setzte die weit aufgefächerte Kosmetik-Produktpa-lette jeweils spezifisches Produkt- und Markt-Know-how voraus. DaKörperpflegemittel im Gegensatz zum „Low-Interest-Product“Waschmittel weit höher auf der Wertskala der Konsumenten rangier-ten, erforderten die größere Markentreue der Käufer und die längereVerbrauchsdauer andere Marketingstrategien, mit denen sich Henkelerst allmählich vertraut machte.40

Großverbrauch/Hygiene

Nach dem Zweiten Weltkrieg weitete Henkel die Großverbraucher-Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland sowie rasch auchinternational aus. Hinter dem internen Kürzel GV für Großverbrauchstanden institutionelle (Groß-)Abnehmer von Wasch-, Reinigungs-,Spül- und Desinfektionsmitteln, zum Beispiel gewerbliche Wäsche-reien, die Gastronomie oder Krankenhäuser. Im Laufe der Jahre ent-wickelte der Henkel-Großverbrauch ein umfassendes System-Ange-bot von Produkten, Verfahren, Geräten und Beratung in den BereichenTextil-, Küchen-, Objekt- und Krankenhaushygiene außerhalb der pri-vaten Haushalte. Tochtergesellschaften wie Lang Apparatebau undFloordress, die 1967 und 1975 angegliedert wurden, sorgten dabei fürdie Ausstattung der Abnehmer mit Reinigungsgeräten.

Dank der Kompetenz der Henkel-Forscher bei der Entwicklung vonneuen Wasch- und Reinigungsverfahren – von Anfang an immer auchkonzentriert auf die hygienischen Aspekte – konnte der Großver-brauch beispielsweise schon 1964 ein Spezialverfahren für dieWäschedesinfektion anbieten, das bereits bei 60 Grad Celsius vollwirkte. Das bedeutete einen entscheidenden Zeit- und Erfahrungsvor-sprung für den Henkel-Großverbrauch in diesem Marktsektor.

GV-Systemberater schlugen qualitativ und wirtschaftlich optimaleVerfahren vor und kontrollierten das Ergebnis. Sie standen vor allemauch zur Verfügung, wenn Kunden in Testläufen neue Maschinen undAnlagen anfuhren. Hinzu kamen Personaleinweisungen und Mitar-beiterschulungen.41

40 Hoffmann/Raithel, Flop-Fabrik, S. 30. Ähnlich auch314/130, UntersuchungsberichtSRI, Bd. 1, Juli 1966, S. 128.

41 Zum Großverbrauch sieheüberblicksartig die Darstellung„Henkel GV“ im HenkelGeschäftsbericht 1980, S. 8–29.

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42 153/3, Postprotokoll,3.1.1947. 152, Henkel & CieGmbH Beirat 1949–1955,Protokoll über die Beiratssitzungvom 17.2.1950.

43 455/77, Dr. Walter Kolven-bach an Geschäftsleitung HenkelGmbH, Sparte AnorganischeProdukte/Klebstoffe, Patentab-teilung, 22.5.1969. Ebenda,Kobold an Daimler-Vorstand J.Zahn, 4.9.1969. Siehe auch153/11, Postprotokoll vom6.9.1955 und vom 20.12.1955zur Beteiligung von Henkel ander Metallgesellschaft (MG).1955 hatte Henkel 11 Prozentan MG-Aktien erworben.252/45, Gerhard CollardinGmbH, Geschäftsbericht 1968.Siehe auch 77/1, FunktionFinanzen/Rechnungswesen,Externes Rechnungswesen,Gerhard Collardin GmbH, Köln,Kurznotiz zum Jahresabschluß31.12.1969, 6.8.1970.

44 Schöne, P3, S. 33. 152,Henkel & Cie GmbH Beirat1949–1955, Protokoll über dieBeiratssitzung vom 16.3.1951.

45 153/11, Postprotokoll, 1.2.,6.9. und 13.12.1955.

46 A 24, Bericht der Geschäfts-führung für das Jahr 1961.Ebenda, Prokuristenbespre-chung am 25.5.1966, VortragDr. K. Henkel. 152, Henkel &Cie GmbH Beirat 1949–1955,Protokoll über die Beiratssitzungvom 17.2.1950. Adolf Müller,Klebstoffe mal anders gesehen,in: BvH 25, 1947, S. 58f.Walter Kobold, Klebstoffe – einRohstoffproblem, in: ebenda, S. 101f. Wolfgang Lübbert,Fabrikations-Vorgänge inunserem Klebstoff-Werk, in:ebenda, S. 132–134. 152, Dr.Carl-Heinz Winkler, Niederschriftüber die Sitzung des Beiratesvom 20.5.1949. 153, Winkler,Niederschrift über die Beiratssit-zung vom 3.10.1949.

P3/Metallchemie

Wie bereits in der Kriegswirtschaft verzeichnete die Produktion vonP3 auch während des Wiederaufbaus von Industrie und Landwirt-schaft eine kontinuierlich steigende Nachfrage, so dass Henkel 1950bereits 60 Prozent des Inlandsbedarfs bestritt.42 Nach dem ZweitenWeltkrieg betraten neue Wettbewerber wie Lurgi, die BASF undGriesheim den P3-Sektor, während die Metallgesellschaft (MG) nachwie vor der größte Mitbewerber von Henkel auf dem P3-Gebiet war.Ihre starke Position im Phosphatierungsgeschäft gründete auf demseit 1952 bestehenden sogenannten Dreiecksvertrag mit der deut-schen Firma Collardin und der US-amerikanischen Amchem ProductsInc. mit Sitz in Ambler/Pennsylvania (die 1980 von Henkel erworbenwurde).43

Ein 1949 von Henkel aufgestelltes Programm zum P3-Geschäftbetonte angesichts des anziehenden Wettbewerbs die Notwendigkeitzur Erschließung neuer Marktsegmente und Anwendungsgebiete. Siesollten durch den organisatorischen Ausbau im technischen Bereich,eine gezielte Konkurrenzbeobachtung sowie durch die Zusammenar-beit mit den Herstellern von Reinigungsmaschinen forciert werden.„Neu aktiviert“ wurde insbesondere der Service-Gedanke.44

Weil sich aber das P3-Geschäft nach dem Eindruck der Henkel-Geschäftsleitung gegen Mitte der 1950er Jahre „im wesentlichen [...]erschöpft“ hatte, war der Ausbau der eigenen Marktposition dringendgeboten. Das Geschäft der Metalloberflächenbehandlung, so wie esdie Collardin repräsentierte, wurde von Henkel als „eine wertvolleErgänzung unseres P3-Geschäfts“ angesehen. Als Collardin aufgrundausstehender Lizenzgebühren in Höhe von mehreren hunderttausendDM in finanzielle Schwierigkeiten geriet, erwarb Henkel das Unter-nehmen im Januar 1956.45

Die P3-Abteilung war ab den 1960er Jahren veränderten Wettbe-werbsbedingungen ausgesetzt. Wegen des Konkurrenzdrucks wurdedas P3-Geschäft durch den Erwerb weiterer Beteiligungen und Toch-tergesellschaften sukzessive in die Bereiche Hygiene, Metallchemieund Oberflächentechnik ausgeweitet.46

Klebstoffe

Das Klebstoffgeschäft setzte nach dem Zweiten Weltkrieg seinenwert- und mengenmäßigen Aufstieg fort. Im Zuge der Wiederaufbau-maßnahmen stieß insbesondere Handwerkerware auf eine hohe Nach-frage, doch war die Produktion durch den Mangel an Rohstoffenzunächst eingeschränkt. Ab Beginn der 1950er Jahre sorgten zahlrei-che Investitionen für die Ausweitung der Kapazitäten. So ging 1952eine neue Methylcellulose-Anlage in Betrieb. Ein Jahr später dieNoredux-Anlage, die ein neues Herstellungsverfahren für Stärkeroh-stoffe eröffnete. Durch die neuen Anlagen konnte der Klebstoff-Umsatz um mehr als 20 Prozent gesteigert werden.47

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Im Rahmen ausgedehnter Forschungsaktivitäten wurde eine Vielzahlvon Spezialklebern entwickelt, so dass das Henkel-Klebstoff-Sorti-ment bald rund 800 Produkte umfasste. Dazu gehörten Klebstoffe fürHandwerk und Büro sowie für den Do-it-yourself-Bereich wie derTapetenkleister Metylan (1953), der Universalkleber Pattex (1955)und der Holzkleber Ponal (1959). 1969 brachte Henkel den Pritt-Kle-bestift auf den Markt, ein Erfolgsprodukt, das bis 1973 in der Bundes-republik Deutschland einen Marktanteil von 60 Prozent erreichte. InForm von Lizenzvergaben und Roll-outs wurde das Produkt innerhalbeines Jahrzehnts auch im europäischen Ausland sowie in den USAvertrieben.48 Wie im Haushalts- und Körperpflegesektor baute Henkelerfolgreiche Markenartikel auch im Klebstoffbereich zu Marken-Familien aus: Ab 1973 ergänzte das Unternehmen etwa die Pattex-Palette um Pattex compact, den „sauberen Haushaltskleber“, sowieum Pattex spezial, einen Kontakt-Kleber für das Schreinerhand-werk.49

Durch Akquisitionen und Beteiligungen, mit der eine Spezialisierungund Diversifizierung des Klebstoffsortiments verbunden war, wurdedas Klebstoffgeschäft in den 1960er und 1970er Jahren ausgeweitet.1962/63 erwarb Henkel seinen deutschen Hauptwettbewerber Sichel-Werke in Hannover; 1967 und 1970 folgten die mittelständischenUnternehmen Kossack und Cordes, die Tapeten und Bauklebstoffeproduzierten. Zum „zweiten Standbein“ wurde ab den 1960er Jahrendas Geschäft mit Industrieklebstoffen und chemischen Hilfsstoffen(IKH), die etwa an die Verpackungsindustrie, die Elektroindustrie undim Hochbau vermarktet wurden. Die neuartigen Kleb- und Dichtstof-fe wurden unter Nutzung der synthetischen Polymerchemie als Epo-xydharze oder Polyurethane auf den Markt gebracht.50

Verpackung

Die Verpackungsfirmen von Henkel waren ab 1940 in der Papier undPappe AG zusammengefasst. Sie sollten zunächst den eigenen Bedarfdecken und nur mit der „freien Spitze“ an den Markt gehen. DieVerpackungsfrage gewann für Henkel in der frühen Nachkriegszeiterneut an Bedeutung. „Trotz aller Schwierigkeiten“ in der Rohstoff-beschaffung versuchte das Unternehmen, „unsere Orginalabfüllungendurchzuhalten“, denn die Verpackung der Ware war mitentscheidendbei der Markenartikel-Strategie, ein Mittel der Werbung und für die„Hausfrau der Garant [...], dass sie Henkel-Erzeugnisse kauft“.51

47 Manfred Schöne, Von derLeimabteilung zum größtenKlebstoffwerk Europas (= Schriften des Werksarchivs9), Düsseldorf 1979, S. 51f.

48 Intern 5/1974. „Zehn Jahre Pritt-Stift. Klebt Papier und nichtdie Finger“, in: Henkel-Blick9/1979, S. 3.

49 Intern 3/1973.

50 Siehe hierzu im einzelnenauch Feldenkirchen, Inlands-geschäft.

51 Wilhelm Ludwig Baumgarten,in: BvH 25, 1947, S. 36.

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52 Verwaltungsrat Henkel GmbH,24.4.1974. Die Deckung desGruppenbedarfs war längst nichtmehr „Leitgedanke der Sparten-politik“.

Nach der Währungsreform und der Reorganisation der Henkel-Grup-pe kam es zu weiteren Ankäufen von Verpackungsfirmen auch imPlastik- und Konservenbereich, die in der Vereinigten Verpackungs-Gesellschaft mbH, Monheim, und ihrer Schwestergesellschaft, derPMG-Plastik- und Metallverpackung GmbH, Düsseldorf, zusammen-gefasst wurden. Doch führten die „Veränderungen im internen Verpa-ckungsmittelbedarf [...] in der Folgezeit zu erheblichen Umstellungs-schwierigkeiten in den Verpackungsbetrieben“. Ab 1970 stand derGeschäftsbereich vor wirtschaftlichen Problemen, die aus der Kriseder Papierindustrie sowie aus dem Strukturwandel im Blechverpa-ckungsbereich resultierten und zu einer unbefriedigenden Umsatz-und Ergebnisentwicklung führten.

Obwohl der Personalbestand im Verpackungssegment zu Beginn der1970er Jahre um rund 400 Mitarbeiter reduziert worden war, stiegendie Produktionskosten weiter an: Die tarifbedingten Lohnsteigerun-gen gingen bei stagnierenden Umsätzen zu Lasten des Spartenergeb-nisses, das von über 10 Millionen DM im Jahr 1960 auf unter 1 Mil-lion DM im Jahr 1973 sank. Um einen Turn-around zu erreichen,sollten die Rationalisierung vorangetrieben, die Aktivitäten in denerfolgreichen Produkten verstärkt und mit marktreif gewordenen Pro-dukten neue Märkte erschlossen werden, zumal „die besonderenBemühungen der Sparten [...] seit Jahren der Pflege des Fremdge-schäftes“ galten. Dem gemäß bezog die Henkel-Gruppe in der erstenHälfte der 1970er Jahre lediglich noch 20 Prozent an Verpackungs-mitteln von der eigenen Sparte. In Besinnung auf die Kernkompeten-zen trennte sich die Konzernleitung 1980/1981 vom Verpackungs-geschäft.52

Chemieprodukte

Während Henkel als größter Hersteller von Wasserglas in Europahoffte, „neue Verwendungszwecke für Wasserglas“ zum Beispiel beider Herstellung von Leichtbauplatten oder als Korrosionsschutz beiWasserleitungen finden zu können, eröffnete das Engagement aufdem Fett- und Ölmarkt nur wenig Perspektiven: Die Kapazitäten derVorkriegsanlagen in Düsseldorf-Holthausen erwiesen sich für einbreiteres Marktengagement als nicht ausreichend; und die beidenbedeutendsten Tochtergesellschaften, die Böhme Fettchemie und dieDehydag, befanden sich auf sowjetischem Besatzungsgebiet. Sie wur-den – wie das Waschmittelwerk in Genthin – 1945 enteignet.

Die in Chemnitz verloren gegangene Böhme Fettchemie wurde dar-aufhin in Düsseldorf unter dem Dach der Muttergesellschaft neuangesiedelt. Die alten Mitarbeiter brachten ihre fortschrittlichenIdeen, die sie bei der Entwicklung von Fewa bewiesen hatten, in daskleine neue Unternehmen gegen manche Widerstände im Hause ein.Ein großer Markenartikel-Erfolg der Böhme Fettchemie wurde ab1951 das innovative Handgeschirrspülmittel Pril, mit dem das Wasserzum Spülen entspannt wurde. Das neue Produkt hatte Konrad Henkelanwendungstechnisch abgesichert.

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Auch die Dehydag, in Rodleben enteignet, fand in Düsseldorf eineneue Heimat. 1948 begann die Dehydag auf dem Werksgelände desHenkel-Stammwerks wieder mit der Herstellung von Fettalkoholen.Die Produktionszahlen entwickelten sich von 2.400 Tonnen im Jahr1948 über 13.000 Tonnen 1958 bis 130.000 Tonnen im Dehydag-Jubi-läumsjahr 1981.

Der Aufbau der verlorenen Produktionsstätten fügte der Fabrik desKonsumgüterproduzenten Henkel die Silhouette eines Werkes derchemischen Großindustrie hinzu. Daran war maßgeblich Dr. CarlWulff beteiligt, der seit 1950 der Geschäftsleitung angehörte. DieWerksstraßen mit den Fettchemischen Betrieben entwickelten sich inden 1950er Jahren zu einem großen Ölviertel: Henkel verfügteAnfang der 1970er Jahre in Europa über die größte Produktionskapa-zität für Fettalkohole auf der Basis natürlicher Öle und Fette. Auchaußerhalb Düsseldorfs wurde der chemische Akzent verstärkt durchden Erwerb der Neynaber Chemie in Loxstedt bei Bremerhaven 1968.1973 kam die Kepec, Chemische Fabrik, in Siegburg hinzu mitZurichtmitteln für die Lederindustrie.

Der Ausbau der Düsseldorfer Werksanlagen und die Errichtung derFettchemischen Betriebe nach 1945 wurden von Willy Manchotwesentlich beeinflusst. Vor seinem Eintritt in die Henkel-Geschäfts-leitung war der promovierte Chemiker mehrere Jahre in der Betriebs-leitung anderer Chemie-Unternehmen tätig gewesen, ehe er über dieGeschäftsleitung der Dehydag 1939 nach Düsseldorf gekommen war.Bis zu seinem Ausscheiden aus der Henkel-Geschäftsführung 1972war er für die Chemie und Technik des Unternehmens im In- und Aus-land verantwortlich.

Durch intensive Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Fettchemieerschloss Henkel völlig neue Anwendungsgebiete. Anfang der 1960erJahre gelang es beispielsweise, durch neue, selektiv wirkende Kataly-satoren Ölsäure- und Talgfettsäureester zu ungesättigten Fettalkoho-len zu hydrieren (HD-OCENOL) – unter Erhaltung der Doppelbin-dung. Bis dahin konnten ungesättigte Fettalkohole (OCENOL) nurdurch Spaltung beziehungsweise Reduktion von Spermöl hergestelltwerden. Das war ein doppelter Fortschritt: Auf den Rohstoff Spermöl– ein Produkt des Wales – konnte verzichtet werden. Eine Konse-quenz, deren Bedeutung erst klar wurde, als die Ausrottung der Waledrohte. Außerdem konnte man – je nach Ausgangsstoff des eingesetz-ten Methylesters – Fettalkohole mit geringerer oder höherer Jodzahlerhalten. Als Basis diente der reichlich verfügbare Talg.

Die Verwendung von Fettderivaten erstreckte sich von den Waschroh-stoffen über Textil-, Leder- und Kunststoffhilfsmittel bis hin zu kos-metischen und pharmazeutischen Grundstoffen. Somit konnte dasgesamte Produktionsprogramm der Chemie-Sparte stark erweitertwerden. In der Folgezeit sorgten insbesondere internationale Akquisi-tionen und Beteiligungen zunächst in Europa, sodann auch in Über-see dafür, dass das Fettgeschäft zu den herausragenden Wachstums-bereichen von Henkel wurde.53

53 152, Henkel & Cie GmbHBeirat 1949–1955, Protokollüber die Beiratssitzung vom17.2.1950. A 24, Bericht derGeschäftsführung für das Jahr1961. Ebenda, Prokuristenbe-sprechung am 25.5.1966,Vortrag Dr. K. Henkel. Intern1/1971. Zur Entwicklung derFettchemie siehe die BroschüreFettchemie. Eine Produktlinieder Henkel-Gruppe, 2. Auflage,Düsseldorf 1987. Zur Dehydagsiehe Günter Felletschin, JürgenKnaut, Manfred Schöne,Deutsche Hydrierwerke(DEHYDAG). Stationen ihrerGeschichte (Schriften desWerksarchivs 12), Düsseldorf1981.

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Die Weiße Dame 1950:Persil-Werbung im Stil der„Wirtschaftswunder“-Ära.

Wiederaufbau und WeltmarktStarke Marken

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Pril-Pulver führt die BöhmeFettchemie 1951 als

Geschirrspülmittel für denHaushalt ein.

Rechts: Persil und Sil sind1956 für die neuartigen

Trommel-Waschmaschinennoch nicht geeignet.

AnwendungstechnischeUntersuchungen mit Test-

anschmutzungen.

Rechts: Marketing-DirektorErwin Stapf, 1962.

Dixan kommt 1957 auf denMarkt: das erste Spezial-

waschmittel von Henkel fürdie neuen Haushalts-

Waschmaschinen.

Mit Somat reagiert Henkel1962 auf die aufkommende

Verbreitung von Geschirr-spülmaschinen in

Haushalten.

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Marken-Klassiker: Feinseife Fa ab 1954,Haushaltsreiniger Dor ab1961 und Der General ab 1972, Waschmittel Weisser Riese ab 1966 sowie Persil 59 und Persil 65.

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„Färbe Dich jung“: Poly Color zwischen 1947

und 1952, darunter die erste flüssige Haarfarbe

und die erste Creme Haarfarbe.

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Konsumentenklebstoffe vonHenkel erobern den Markt:Metylan ab 1953, Pattex undStabilit ab 1955, Ponal ab1959 und der Pritt Stift ab 1969.

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Innovationen beim Großver-brauch: Eine automatisch

arbeitende Zumischanlagedosiert die vorgegebene

Desinfektionsmittelmengebei Wasserentnahme (links).

Großflächige Fußbödenwerden mit Putzmaschinengereinigt und desinfiziert.

Zur Hand-Desinfektionerweist sich der Wandspen-

der mit verlängertemArmhebel für die Dosierungdes Desinfektionsmittels als

außerordentlich praktisch.

Unten: Pril für Großküchen-Spülmaschinen beeindruckt

das Fachpersonal.

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54 K1, Bericht über die 13.Zusammenkunft des Studienkrei-ses Henkel, 12.5.1960, Referatdes Personalleiters Winkler.152, Henkel & Cie GmbH, Beirat1949–1955, Bericht des HerrnDr. Jost Henkel in der Beiratssit-zung vom 4.7.1955 über dieallgemeine Geschäftslage.

55 K1, Bericht über die 13.Zusammenkunft des Studienkrei-ses Henkel, 12.5.1960, Referatdes Personalleiters Winkler.Auch noch Mitte der 1970erJahre suchte Henkel qualifizierteArbeitskräfte: „Henkel suchtArbeitskräfte“, in: Henkel-Blick9/1974, S. 3.

56 Henkel KGaA, Personal- undSozialarbeit bei Henkel (= Schriften des Werksarchivs15), Düsseldorf 1984, S. 8.

57 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970, S. 78.

58 „Viele ausländische Mitarbeiterqualifiziert“, in: Henkel-Blick2/1973, S. 7. Siehe auch„Apartmenthaus fertiggestellt“, in: Henkel-Blick 3/1975, S. 3.1975 investierte Henkel in einApartmenthaus für ausländischeMitarbeiter fast 3 Millionen DM.

Beschäftigung

Parallel zur Unternehmensexpansion stieg die Zahl der Beschäftigtenbei der Henkel & Cie GmbH von knapp 4.500 im Jahr 1949 auf mehrals das Doppelte im Jahr 1960 an und erreichte 1972 mit 14.444 ihrenhöchsten Stand, um 1973 rezessionsbedingt auf 14.112 zu fallen.

Nach Überwindung der Nachkriegswirren war der Mangel an Arbeits-kräften in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren zueinem Problem der Betriebsführung geworden: Dies resultierte ausdem kriegsbedingten Nachwuchsmangel bei einsetzender Hochkon-junktur. Ab 1957 herrschte Vollbeschäftigung, so dass die Arbeitslo-senquote im Jahr 1960 bei weniger als 1 Prozent lag. Henkel klagtebereits Mitte der 1950er Jahre über das große Problem des Arbeits-kräftemangels. Weil Produktionskräfte ebenso wie junge Spezialistenund Führungskräfte fehlten, war bei Henkel, „wie bei den meistenanderen Firmen zurzeit nicht daran zu denken, die Arbeitszeit von 48Stunden auf 45 oder gar 40 Stunden zu verkürzen“.54

Vergeblich versuchte die Firma, Arbeitskräfte über die eigenen Mitar-beiter anzuwerben.55 Daher begann die Unternehmensleitung bereits1959 mit der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. Henkel wareines der ersten Unternehmen im Düsseldorfer Raum, das ausländi-sche Arbeitnehmer einstellte: Der Gruppe von 80 Griechen, die 1960nach Düsseldorf-Holthausen kam, folgten bald italienische, spani-sche, später auch jugoslawische und türkische Landsleute, so dass dieZahl der ausländischen Mitarbeiter bei Henkel kontinuierlich anstieg.Mit 1.618 Personen (12,5 Prozent) hatte der Ausländeranteil an derDüsseldorfer Belegschaft zu Beginn der 1970er Jahre seinen höchstenStand erreicht. Mitte der 1980er Jahre waren in Düsseldorf-Holthau-sen immer noch 1.240 ausländische Arbeitnehmer beschäftigt, wobeidie Gruppe der Erstankömmlinge, der Griechen, mit rund 500 Mitar-beitern nach wie vor den größten Anteil bildete.56

Die Beschäftigung von „Gastarbeitern“ stellte das Personalwesen vorvöllig neue Herausforderungen. Vor allem die Meister hatten beimEinsatz der neuen Mitarbeiter Schwierigkeiten, denn bis ein entspre-chender Dolmetscher eingesetzt werden konnte, waren zahlreicheProbleme zu bewältigen: Die ersten griechischen „Gastarbeiter“konnten beispielsweise die ins Griechische übersetzten Unfallverhü-tungsvorschriften, die Arbeitsordnung und Arbeitsanweisungen garnicht lesen, „weil sie des Lesens und Schreibens unkundig waren“.Hinsichtlich der Auswahl der Arbeitskräfte richtete Henkel daherzukünftig „größere Anforderungen [...] an die Arbeitsämter“.57 DasUnternehmen entwickelte aber auch eigene Sprachprogramme sowieunternehmensspezifische Einweisungs- und Betreuungsprogrammeund leistete somit Hilfestellung auch bei der sozialen Integration.58

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Belegschaftsentwicklung der Henkel & Cie 1946–1973

Quellen: K101. Belegschaftsent-wicklung 1876 bis heute.

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59 K1, Bericht über die 13.Zusammenkunft des Studienkrei-ses Henkel, 12.5.1960, Referatdes Personalleiters Winkler.

60 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970, 45. 152, Henkel & CieGmbH, Beiratssitzung1949–1955, Winkler, Ausführun-gen zum Betriebsverfassungs-gesetz, 26.10.1953. „AmAnfang standen Speckrationen“,in: Henkel-Blick 5/1992, S. 12.Leitzbach, 75 Jahre Mitarbeiter-vertretung.

61 Dr. Dieter Schlemmer, Leiterder Funktion Personal- undSozialwesen, „Neue Möglichkei-ten gemeinsam praktizieren!“, in:Henkel-Blick 1/1972, S. 5.

62 „Gleitende Arbeitszeit imTest“, in: Henkel-Blick 1/1972, S. 4. „Zehn Jahre Arbeit à lacarte“, in: Henkel-Blick 2/1982, S. 1, 6.

Mit dem Anwachsen der Belegschaft trat auch die Geschichte derMitbestimmung nach dem Zweiten Weltkrieg in eine neue Phase:Analog zu den Vorgaben des Gesetzgebers wurde die Betriebsverfas-sung in der Bundesrepublik Deutschland neu gestaltet. Unmittelbarnach dem Zusammenbruch hatte Jost Henkel den langjährigenBetriebsratsvorsitzenden Victor Kirberg, der 1933 von den National-sozialisten abgesetzt worden war, gebeten, eine Belegschaftsvertre-tung aufzustellen, „um ein Kommunikationsorgan zwischenGeschäftsleitung und Belegschaft zu haben“. Nachdem die Militärre-gierung die Bildung von Betriebsräten wieder zugelassen hatte, wur-de diese Regelung 1952 mit Inkrafttreten des Betriebsverfassungsge-setzes abgelöst. Wenn die Vorlage heftig umstritten war, hatte letztlichauch Henkel, „obwohl uns manche Bestimmung [...] nicht passte“,wie alle Arbeitgeber das Gesetz hingenommen.59

Im April 1953 wurden erstmals zwei Arbeitnehmer-Vertreter, HeinzZugowski und Heinrich Boesenberg, in den Henkel-Aufsichtsratgewählt. Bis in die 1960er Jahre hinein dominierten Themen wie Arbeits-zeitverkürzung, Tariferhöhungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, dieBetreuung ausländischer Arbeitnehmer, die Angleichung der Lohn- undGehaltzahlungsregelungen von gewerblichen Mitarbeitern und Ange-stellten sowie Betriebsvereinbarungen über vermögensbildende Leistun-gen auch an gewerbliche Mitarbeiter die Tätigkeit des Henkel-Betriebs-rats. Das Organ war seit den 1970er Jahren im Rahmen der rezessivenTendenzen und mit Blick auf Rationalisierung und Kostendämpfungenmit der Überwachung eines sozial verträglichen Personalabbausbefasst.60

Als Folge der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr1972 stieg die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder beiHenkel von zwei auf acht Personen an. Die meisten Gesetzesvorgabenwie die Besprechung von Beurteilungsergebnissen mit den Mitarbei-tern, innerbetriebliche Stellenausschreibungen sowie die Mitbestim-mung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten waren bei Hen-kel „nichts Neues“; neu war dagegen die erhebliche Verstärkung derMitbestimmungsrechte bei der Personalplanung, -einstellung und -versetzung.61

Als Konsequenz der „Individualisierungswelle“, die in den späten1960er Jahren die „Wirtschaftswunder“-Mentalität unter denBeschäftigten ablöste, berücksichtigte die unternehmerische Perso-nalarbeit stärker auch die Erwartungen und Bedürfnisse von Mitar-beitern. Wurden in den 1960er und frühen 1970er Jahren vor allem einangemessenes Gehalt und übertarifliche Zulagen als Motivationsan-reiz gesehen, so waren dies in den 1980er Jahren eine abwechslungs-reiche, interessante Tätigkeit, ein hohes Maß an Eigenverant-wortlichkeit und die Möglichkeiten zur „Selbstverwirklichung“. DieVorstellungen der Mitarbeiter hatten einen nicht unerheblichen Ein-fluss auf die betrieblichen Arbeitszeitkonzepte. Ab 1972 führte Hen-kel abteilungsweise Gleitzeitarbeit ein.62

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Angesichts steigender Lohn- und Lohnnebenkosten wuchsen die jähr-lichen Personalkosten je Mitarbeiter von 11.000 DM im Jahre 1960auf 66.300 DM im Jahr 1983 an. Mitarbeiter wurden als wichtigesKapital, ihre Aus- und Weiterbildung als Langfrist-Investition angese-hen. Jede neue Planstelle bedeutete Mitte der 1970er Jahre – bezogenauf rund 25 Jahre – eine Investition von rund 1 Million DM. Die sorg-fältige Personalauslese sowie eine systematische qualitative undquantitative Personalplanung gewannen daher innerhalb der betrieb-lichen Sozialpolitik eine besondere Bedeutung. 1950 hatte Henkeleine psychologische Personalbegutachtung zunächst für Lehrlingeund Lohnempfänger eingeführt – ein Verfahren, das bald auch aufAngestellte, den Außendienst sowie Teile des akademischen Nach-wuchses ausgedehnt wurde. Einstellungsinterviews und psychologi-sche Testverfahren dienten als Entscheidungshilfen bei der Einstel-lung neuer Mitarbeiter.63

Zu den wichtigsten Personalentwicklungsmaßnahmen gehörte nebenden Programmen für den Führungsnachwuchs die verstärkte Bereit-stellung von Ausbildungskapazitäten für Facharbeiter. Nachwuchs-probleme in den chemischen und technischen Ausbildungsberufenzogen eine gezielte Informationspolitik des Unternehmens sowie Per-sonalmarketing-Maßnahmen nach sich: In Schulen, Arbeitsämternsowie über die Industrie- und Handelskammer warb Henkel um Lehr-linge.64

Neben den jährlich insgesamt rund 450 Auszubildenden, die Mitte der1970er Jahre bei Henkel elf Berufe erlernen konnten, wurden dieberufliche Weiterbildung für Vorarbeiter und Meister sowie die Fort-bildung für Angestellte in Form von fachlichen Fortbildungen undFreizeitseminaren angeboten. Die betriebliche Fortbildung beinhalte-te beispielsweise im Jahr 1964 Stenographie, Deutsch in Wort undSchrift, Maschineschreiben, Rechnen, Technisches Zeichnen, Che-mie, Physik, Arbeitsschutz, Sozialversicherung, Recht, Lohnsteuer,„AG Kunst“ und Operations Research, also die Einführung in mathe-matische Methoden zur Planung und Lenkung betrieblicher Vorgänge.An den Kursen nahmen im Winterhalbjahr 1964/65 genau 834 Hen-kel-Mitarbeiter teil.65

63 Personal- und Sozialarbeit beiHenkel, S. 14.

64 Intern 3/1989. Intern7/1991, S. 19. Siehe dazuauch 1925–2000 Fit für dieZukunft. 75 Jahre Ausbildungbei Henkel (= Sonderband 3 der Schriftenreihe des Henkel-Archivs), Düsseldorf 2000.

65 K1, Arbeitsverwaltung,Betriebliche Fortbildung,2.11.1964.

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Betriebliche Ausbildung bei Henkel: die Lehrwerk-statt Metall, Anfang der 1950er Jahre.

Chemiefacharbeiter in der P3-Abteilung in Düsseldorf-Holthausen,1954.

In der Lehrwerkstatt Chemieerhalten die Lehrlinge dengesamten theoretischen und Teile des praktischenUnterrichts für ihre Ausbildung, 1954.

Wiederaufbau und WeltmarktBeschäftigung

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Ab 1960 kommen „Gast-arbeiter“ zu Henkel nach

Düsseldorf: Die Kollegen aufden Fotos stammen aus

Spanien, der Türkei, Italienund Griechenland, 1965

und 1969.

Unten: Der langjährigeBetriebsratsvorsitzende

Heinz Zugowski (links) beräteine Kollegin, 1963.

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Verblüffende Öffentlichkeits-arbeit: In Zeitungsanzeigenpositioniert sich HenkelAnfang der 1960er Jahre als modernes Unternehmenmit zukunftsorientierterForschung (oben).1968 (Mitte) beantwortetHenkel die Frage: Wiesauber sind die Deutschen?Anfang der 1970er Jahre(unten) setzt sich Henkel mitheftig diskutierten Themender Gesellschafts- undWirtschaftspolitik aus-einander.

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66 314/48, Protokoll über eineBesprechung von Beirat undGeschäftsleitung der Henkel &Cie GmbH am 23.12.1948.

67 Verwaltungsrat Henkel GmbH,8.3. und 10.9.1974.

68 Eigene Berechnungen nachGeschäftsberichten der Henkel& Cie GmbH 1954 bis 1976.

Umsatz

Nach der Währungsreform verzeichnete Henkel eine „erfreuliche Ent-wicklung“, die sich nicht zuletzt in der Umsatzentwicklung nieder-schlug.66 1950 hatte das Unternehmen bei noch begrenztem Wettbe-werb einen Umsatz von rund 250 Millionen DM erreicht, der bis 1964auf über 1 Milliarde DM anstieg.

Trotz der Rezession 1966/67 wuchsen die Umsätze von Henkelweiterhin kontinuierlich an, ehe sich mit Beginn der 1970er JahreEinbrüche im Chemiegeschäft zeigten. Auch im bundesdeutschenWaschmittelgeschäft waren im Vergleich zum Ausland zu Beginn der1970er Jahre lediglich noch geringe Steigerungen möglich. Diesresultierte nicht nur aus dem starken Wettbewerb der Produzenten,sondern auch aus den Veränderungen im Handel. 1974 wickelte Hen-kel 58 Prozent des Gesamtumsatzes über organisierte Handelsgrup-pen ab, die zunehmend Druck auf die Produzenten ausübten. Da derHandel, wie das Unternehmen feststellte, sich nur bereit zeigte, „Leis-tung zu erbringen, wenn an dem Produkt gut verdient wird“, blieb denProduzenten nichts anderes übrig, als Konzessionen in Form vonRabatten und Preiszugeständnissen anzubieten.67

Nach der Währungsreform erreichte die Henkel & Cie GmbH 1950einen Jahresüberschuss von knapp 8 Millionen DM, der allerdings inden darauffolgenden Jahren bis 1957 zwischen 4 und 5 Millionen DMstagnierte. Erst ab 1958 verzeichnete die Gesellschaft zweistelligeMillionen-Überschüsse. Bei weiter steigenden Umsätzen gingen dieGewinne ab 1968 allerdings zurück. Die Umsatzrentabilität derGesellschaft weist daher erhebliche Schwankungen auf. In den1960er Jahren pendelte sie zwischen 3 und 5 Prozent. In der Mitte der1970er Jahre sank sie auf rund 1,6 Prozent ab.68

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Produktionsmengen und Bruttoumsätze der Henkel & Cie1946 bis 1973

Quellen Produktionsmenge: B4,1946–1949: Produktion derHenkelwerke in Düsseldorf,21.9.1950; 1950–1955:Betriebsabrechnung vom12.4.1956; 1956–1960:Betriebsabrechnung vom28.2.1961; 1961–1970:314/46, Opderbecke;1971–1973: Internes Rech-nungswesen BruttoergebnisseUHH.Quellen Bruttoumsatz:289/725–732, Anlagen zu denJahresabschlüssen der Henkel &Cie GmbH, 1945–47; 289/697,Anlagen zur Reichsmark-Schlussbilanz der Henkel & CieGmbH zum 20.6.1948;Geschäftsberichte Henkel & CieGmbH (Neu) ab 1950.

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Horizonte undHerausforderungen:

Henkel auf dem Weg ins21.Jahrhundert

V

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Von der „Ölkrise“ zum

wiedervereinigten Deutschland

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Die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflussten ab den1970er Jahren immer stärker die wirtschaftliche Entwicklung derwestlichen Industriestaaten. Im Unterschied zu den 1950er und1960er Jahren, die in der Bundesrepublik Deutschland ein fast unge-bremstes, hohes gesamtwirtschaftliches Wachstum gebracht hatten,sind seit dieser Zeit auch in der Bundesrepublik erhebliche Schwan-kungen bei den gesamtwirtschaftlichen Größen zu verzeichnen. Zwarstieg das westdeutsche Bruttosozialprodukt im Anschluss an die durch die Ölkrise verursachte Rezession der 1970er Jahre bei insgesamt wechselhafter Konjunktur zwischen 1980 und 1990 umdurchschnittlich 2,8 Prozent, doch erreichte die ArbeitslosenquoteMitte der 1980er Jahre zugleich die 9 Prozent-Marke. Der zu Beginnder 1980er Jahre mit dem Regierungsantritt der christlich-liberalenKoalition einsetzende Wirtschaftsliberalismus begünstigte die Investi-tionstätigkeit von Unternehmen durch steuerliche Erleichterungen,doch hielt sich die Zahl der Arbeitslosen weiterhin über der Zwei-Millionen-Grenze. Diese Beobachtung zerstörte die Illusion, dass die1973 verlorengegangene Vollbeschäftigung allein durch Wirtschafts-wachstum zurückgewonnen werden könnte.

Den wechselhaften Konjunkturverläufen der 1970er und 1980er Jah-re schloss sich als Folge der deutsch-deutschen Wiedervereinigung zuBeginn der 1990er Jahre ein kurzer und heftiger Wachstumsanstiegan, der anfänglich die Erwartung eines langanhaltenden Aufschwungsim Sinne eines „zweiten Wirtschaftswunders“ förderte. Eingeleitetwurde die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten durch dieam 1. Juli 1990 abgeschlossene Währungsunion, die die Nachfragenach westdeutschen Produkten steigerte. Damit konnte sich die deut-sche Wirtschaft für eine kurze Zeit von der rezessiven weltwirtschaft-lichen Entwicklung abkoppeln, so dass die Zahl der Arbeitslosen auf7,3 Prozent im Jahr 1991 sank. Doch schlugen sich die enormen Kos-ten, die die deutsch-deutsche Wiedervereinigung und die Sanierungder ostdeutschen Wirtschaft erforderten, in steigenden Steuern undEinschnitten in das soziale Netz nieder. Ab 1992/93 machte sich dieweltweite Rezession erneut mit einem starken Nachfragerückgangauch bei den deutschen Unternehmen bemerkbar, so dass die Arbeits-losenquote 1994 mit rund 3,7 Millionen Personen ohne Beschäftigungdie Zehnprozent-Marke erreichte.

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Seit Beginn der 1980er Jahre werden sowohl wirtschaftspolitische alsauch betriebswirtschaftliche Entscheidungen in wachsendem Maßevon dem Phänomen der Globalisierung bestimmt. Die zunehmendeinternationale Verflechtung nationaler Volkswirtschaften führte inzahlreichen Branchen zu einer Verschmelzung geographischer Ein-zelmärkte zu länderübergreifenden „Wettbewerbsarenen“, in denender Weltmarkt den Maßstab für erfolgsentscheidende Kostenvorteilesetzt. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen vor allem in der fort-schreitenden Deregulierung grenzüberschreitender Handels- undKapitalströme sowie in der transport- und kommunikationstechnolo-gisch bedingten Annäherung der geographischen Märkte. Da die Auf-wendungen für Rohstoffe, Arbeitskräfte, Energie und Umweltschutzin Deutschland deutlich höher als im Ausland sind, wird die Qualitätdes Produktionsstandorts Deutschland im Zeitalter des globalen Wett-bewerbs zunehmend in Frage gestellt. Angesichts der stagnierendenWirtschaftsentwicklung ist die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Welt-markt zu einem Schlüsselproblem für die deutschen Unternehmengeworden.

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V Die Henkel-Gruppe seit den 1970er Jahren

Die allgemeine Entwicklung des Unternehmens

Ende 1975 erfasste die weltweite Rezession mit einiger Verspätungauch die chemische Industrie. Bei Henkel hatte sich „die ausgewoge-ne Zusammensetzung unserer Produktpalette“, die Endverbraucherund gewerbliche Abnehmer gleichermaßen bediente, bislang stabili-sierend ausgewirkt. Aufgrund der geographischen und produktmäßi-gen Ausgewogenheit des Portfolios stand das Unternehmen besser daals die meisten krisengeschüttelten europäischen Chemiefirmen.Doch sah sich Henkel auch im Markenartikel-Geschäft wachsendenProblemen ausgesetzt, die aus dem schärfer werdenden Wettbewerbder wichtigsten Anbieter untereinander resultierten. Diese versuchten„um jeden Preis“, ihre Anteile auf den stagnierenden Märkten zu hal-ten, um ihre Anlagen auslasten zu können. Zugleich nahm die „Machtdes Handels“ weiter zu. In zunehmendem Maße entwickelten auchdie großen Handelskonzerne Produkt-Aktivitäten, die als Handels-marken meist überaus günstig in unterschiedlichen Qualitäten auf denMarkt gebracht wurden.1

Obwohl der steigende Aufwand für Rohstoffe, Produktion, Verpa-ckung sowie Forschung und Entwicklung, Vertrieb und Verwaltungkaum mehr auf die Preise umzulegen war, sollte nach AuffassungKonrad Henkels mit Blick auf den sich verschärfenden Wettbewerb„die auf Qualität beruhende Sonderstellung des Markenartikels auchbeim Verbraucher [...] erhalten“ werden, um dem sich wandelndenKonsumklima entgegenwirken zu können.2 Ab Mitte der 1970er Jah-re hatte sich die Ertragslage von Henkel jedoch deutlich verschlech-tert. Die Gewinn-Erwartungen konnten bei allen Produktgruppen mitAusnahme der Anorganischen Chemie nicht mehr erfüllt werden.Dies resultierte vor allem aus den im internationalen Vergleich höch-sten Arbeitskosten und den ungünstigen Wechselkursrelationen in derBundesrepublik Deutschland. „Der sich weiter verschärfende Wettbe-werb macht es unseren Gesellschaften zunehmend schwerer, auf all-gemein stagnierenden Märkten den Kostenanstieg durch Preiserhö-hungen auszugleichen“, hieß es 1978 in einem Bericht für denAufsichtsrat.3 Im Gegensatz zum rezessionsgeschädigten Inlandsge-schäft, das gerade im Markenartikel-Bereich stagnierte oder nur nochschwach wuchs, lag in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre der maß-gebliche Anteil an den Umsatzsteigerungen bei den VerbundenenUnternehmen im Ausland, beim Geschäft mit Chemieproduktensowie im „überdurchschnittlich guten“ Exportgeschäft.4

1 „Chemie und Ausland gabenneue Impulse“, in: Henkel-Blick7/1978, S. 1.

2 Siehe zur Markenartikel-Kampagne von Henkel 1983:„Billig kann teuer sein“, in:Henkel-Blick 4/1983, S. 5.Intern 7/1975.

3 Bericht für den Aufsichtsratder Henkel KGaA über das 4. Quartal 1977, 13.2.1978.

4 Bericht für den Aufsichtsratder Henkel KGaA über das 4.Quartal 1976, 4.2.1977.

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5 Bericht für den Aufsichtsratder Henkel KGaA über das 4. Quartal 1978, 15.2.1979.

6 „Konzentration auf dieKerngebiete“, in: Henkel-Blick2/1981, S. 2. „Die Strategieder Risikostreuung zahlt sichaus“, in: Henkel-Blick 7/1981,S. 1. Bericht für den Aufsichts-rat der Henkel KGaA über das4. Quartal 1980, 26.2.1981.Siehe bereits 153/53, Post ZGF,24.4.1973 zur schrittweisenLösung von der Rohstoffbasisund zur Entwicklung zu „einemreinen Verpackungsmittelherstel-ler“. Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 12: Henkeltrennte sich in diesemZusammenhang von rund 50Firmen: „Wir haben so vieles ankleinen Dingen verkauft und unsfokussiert.“

7 153/74, Post ZGF, 9.8.1983.Siehe im einzelnen zu PEP ‘86auch ebenda, Post ZGF,23.8.1983 sowie zur McKinsey-Studie über das PEP-Potentialbei Henkel 153/75, Post ZGF,13.6.1984. Auch InterviewHelmut Sihler, 26.5.2000, S. 12.

8 Sihlers Überzeugung imInterview mit der Mitarbeiterzei-tung lautete: „Sparprogrammemit großer Auswirkung sindohne Veränderungen imPersonalbereich nicht möglich.“in: Henkel-Blick 11/1982, S. 4.Siehe „Wir müssen von denKosten runter“ und „Eine Kriseist zugleich auch eine Chance“,in: ebenda., S. 1, 4, sowie:„Sparprogramm zeigt bereitserste Wirkung“, in: Henkel-Blick2/1983, S. 1, 4.

Mit neuen Produkten versuchte Henkel daher, „[...] die Absatzbasis zuverbreitern“. Die Ertragslage verbesserte sich in der zweiten Hälfteder 1970er Jahre durch die Ausweitung von Umsatz und Absatzmen-ge, eine bessere Auslastung der Produktionsanlagen, günstigere Roh-stoff- und Herstellkosten sowie durch einen gemäßigten Anstieg derBlockkosten. Damit belebte sich analog zu der allmählich einsetzen-den wirtschaftlichen Erholung auch das Markenartikel-Geschäft:„Das schon seit längerem zu beobachtende wieder erstarkende Ver-trauen der Verbraucher in den Markenartikel führte zu steigenderNachfrage nach unseren bekannten Produkten“: 1978 erreichte Persilmit 124.000 Tonnen in der Bundesrepublik Deutschland seinen bisherhöchsten Absatz nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter den Vorjahres-werten blieben die Umsätze mit Wasserglas und Soda, während beiden Organischen Produkten positive Zuwachsraten vor allem bei Spe-zialerzeugnissen für die verarbeitende Industrie wie die kosmetischeund pharmazeutische Industrie, Kunststoffen, Lacken und Farbenerzielt wurden. Bei den Chemieprodukten resultierte die wertmäßigeZuwachsrate besonders aus dem Auslandsgeschäft, während dasInlandsgeschäft stagnierte.5

Angesichts der abweichenden Entwicklungen in den einzelnenGeschäftsbereichen sollten Divestments in der Folgezeit dazu beitra-gen, das Unternehmen von ertragsschwachen Geschäften zu entlasten.Im Zusammenhang mit der Konzentration auf Kernaktivitäten trenntesich Henkel 1981 vom Verpackungs- und vom Hefegeschäft, „die imZuge der Unternehmensstrategie zu Randaktivitäten geworden“waren. 1994 folgte mit dem Verkauf von Matthes & Weber die Tren-nung vom Sodageschäft.6

Derartige Maßnahmen erwiesen sich jedoch vor dem Hintergrund derweltweiten konjunkturellen Entwicklung zunächst lediglich als derberühmte „Tropfen auf dem heißen Stein“, so dass Helmut Sihler, ab1980 der Vorsitzende der Zentralgeschäftsführung (ZGF), Ende 1982weitergehende Maßnahmen zur Kostensenkung ankündigte. Aus-gangspunkt dafür bildete die Tatsache, „dass die Rentabilität vonHenkel deutlich niedriger ist als die der ausländischen Firmen, mitdenen Henkel international im Wettbewerb steht“. Aus diesem Grun-de strebte die Zentralgeschäftsführung eine Rentabilitätsverbesserungdurch den Abbau von zu beeinflussenden Blockkosten im Sach- undPersonalbereich an. Im August 1983 wurde ein Programm zur Effek-tivitäts- und Produktivitätssteigerung der Henkel-Gruppe für die Jah-re 1984 bis 1986 (PEP ’86) vorgelegt, das die Leistung des Unterneh-mens bis 1986 um 10 Prozent steigern sollte.7 Neben dem Abbau vonLager- und Vorratsbeständen und sozialen Leistungen sowie von kul-turellen und sportlichen Angeboten schreckte das Programm auch vor„Anpassungsmaßnahmen“ im Personalbereich nicht zurück, so dassinsgesamt Einsparungen von 30 Millionen DM erzielt werden konn-ten.8

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Die erste Expansionsphase nach dem Zweiten Weltkrieg, die 1986 alsabgeschlossen galt, schloss sich seit Mitte der 1980er Jahre nun eineKonsolidierungsphase an, „um die erworbenen Gesellschaften in denHenkel-Konzern zu integrieren und Probleme insbesondere imManagement zufriedenstellend bewätigen zu können“.9 Allerdings lagdie Forschungsquote bei Henkel mit weniger als 3 Prozent im Ver-gleich zu den Forschungsausgaben anderer Chemie- und Markenarti-kelfirmen „relativ niedrig“. Zur „Sicherung“ der Unternehmensent-wicklung wurden die Aufwendungen für Forschung und Entwicklungsowie Anwendungstechnik für die Bereiche Prozessautomatisierung,biotechnologische Verfahren, fettchemische Produkte, Klebstoffe,Wasch- und Reinigungsmittel, Großverbrauch, Kosmetika, Oberflä-chenbehandlungschemikalien und Spezialprodukte erhöht. Wegwei-sende und auch finanziell aufwändige Projekte sollten in Zusammen-arbeit mit anderen Unternehmen oder neutralen Forschungsinstitutendurchgeführt werden.10

Um auch in der Folgezeit an interessanten Märkten partizipieren zukönnen, ohne die eigenen Möglichkeiten zu überziehen, verstärkteHenkel somit ab den 1980er Jahren seine Kooperationstätigkeit überJoint Ventures und Strategische Allianzen. Diese basierten in allerRegel auf dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung oder auf einemAnteiletausch. Derartige „Partnerstrategien“ verfolgte Henkel in denUSA bereits in der seit 1974 bestehenden Kooperation mit Clorox wieauch bei jüngeren Projekten mit Loctite 1985 oder Ecolab 1990.11

Um darüber hinaus strategische Investitionen durchführen zu können,trennte sich das Unternehmen von einigen Jahrzehnte alten Kapital-beteiligungen, etwa an der Metallgesellschaft im Jahr 1974 und 1997an Degussa. Bereits 1920 hatte der Waschmittelhersteller HenkelAktien seines wichtigsten Lieferanten, Degussa, erworben, an demdie Henkel KGaA zuletzt noch 16,6 Prozent gehalten hatte.12 DenVerkaufserlös nutzte Henkel dazu, die Kernaktivitäten bei Chemie-produkten, Klebstoffen, Oberflächentechnik, Wasch- und Reinigungs-mitteln, Kosmetik sowie institutioneller und industrieller Hygieneweiter auszubauen.13 Finanziert werden musste Anfang 1997 vorallem die große Akquisition der Loctite Corporation mit Sitz in Hart-ford/Connecticut, USA.

Mit Hilfe derartiger Maßnahmen ließ Henkel in der zweiten Hälfteder 1980er Jahre die Krise hinter sich, wie der „blitzsaubereAbschluss“ von 1987 dokumentierte.14 Der nun einsetzende Auf-schwung hielt bis in die frühen 1990er Jahre an und wurde imInlandsgeschäft insbesondere durch die nach der deutschen Wieder-vereinigung einsetzende Nachfragekonjunktur getragen. Ab Mitte1990 traf Henkel intensive Vorbereitungen zur Erschließung desWasch- und Reinigungsmittelmarktes der Deutschen DemokratischenRepublik. Ziel war es zunächst, Gemeinschaftsunternehmen mitmarktführenden ostdeutschen Waschmittelproduzenten zu gründen,um Waschmittelmarken „nach westlichen Qualitätsstandards“ zu pro-duzieren und in der DDR zu vermarkten.15

9 465/9, Investitionskommis-sion 1986, Sitzung vom17.10.1986.

10 Post ZGF Nr. 8, 26.2.1985.

11 Interview Helmut Sihler,26.5.2000. Vgl. dazu dieEinschätzung von Wulf Schaper-Rinkel, Akquisitionen undstrategische Allianzen. Alternati-ve externe Wachstumswege,Wiesbaden 1998, S. 3: „In derVergangenheit war dieZusammenarbeit mit anderenUnternehmen als Mittel zurStärkung der eigenen Wettbe-werbsfähigkeit, die heute vonvielen als Notwendigkeitakzeptiert wird, [...] kaum alsunternehmerische Option inBetracht gezogen” worden.

12 Henkel Geschäftsbericht1997, S. 12. Henkel hielt dieDegussa-Aktien ab 1973 überdie GFC Gesellschaft fürChemiewerte mbH.

13 Bericht für den Aufsichtsratüber das 1. Halbjahr 1994.„Henkel mit guten Perspekti-ven“, in: Henkel-Blick 7/1995, S. 4f. Henkel Geschäftsbericht1997. Vgl. Interview HelmutSihler, 26.5.2000, S. 14.

14 „Ein blitzsauberer Abschluss“,in: Henkel-Blick 6/1988, S. 1.

15 Intern 3/1990 und 7/1990.

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16 Intern 5/1990, S. 3. „LiebeGäste aus Genthin“, in: Henkel-Blick 5/1990, S. 9.

17 Intern 7/1990. Ähnliches galtfür den Waschmittel-Außen-dienst: „Wir erwarten Beratung –und Ware, Ware, Ware [...]“, in:Henkel-Blick 9/1990, S. 6f.Intern 2/1990, 3/1990 undIntern 6/1990, S. 3.

18 Akquisitionen und Kooperatio-nen, Protokoll zur GF-Sitzung,10./16. und 17.11.1992.

19 „Perspektive Optimismus“, in:Henkel-Blick extra vom23.5.1987. „Wertvolle Ergän-zung“, in: Henkel-Blick 2/1992,S. 3. Bericht für den Aufsichts-rat, 4. Quartal 1987,10.2.1988. Bericht für denAufsichtsrat, 4. Quartal 1988,16.2.1989. So Helmut Sihlerauf der Belegschaftsversamm-lung im April 1992, Henkel-Blick4/1992, S. 3f. Intern 8/1989.Intern extra 5/1991, S. 9.Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 12. Akquisitionenund Kooperationen 1994 und1995, Kurzfristplanung 1994,15.11.1993. Dabei ging eslediglich um „Normalakquisitio-nen”, während strategischeGroßprojekte gesondert erfasstwurden. Siehe dazu auchebenda, Finanzen/Controlling,an Geschäftsführung, Akquisitio-nen Inland/Ausland Abrechnung1994, 19.1.1995.

Dazu führte Henkel vor allem mit der einstigen Tochtergesellschaft Ver-handlungen, dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Waschmittelwerk Gen-thin, der mit der Marke Spee im ostdeutschen Universalwaschmittel-markt einen Marktanteil von rund 80 Prozent abdeckte. Unter dem Motto„Zukunft durch Partnerschaft“ startete das Henkel-Ressort Waschmittel-Inland gemeinsam mit dem Waschmittelwerk Genthin „plangemäß zumStichtag der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ am 1. Juli 1990das ostdeutsche Geschäft mit Markenartikeln aus dem Henkel-Sortimentsowie einem verbesserten Produkt der Marke Spee. Im November 1990erwarb Henkel das ehemalige volkseigene Unternehmen von der Treu-handgesellschaft, brachte es technisch auf den neuesten Stand und glie-derte es als Betriebsgesellschaft in die Henkel KGaA ein.16

Mit den VEBs Deutsche Hydrierwerke in Rodleben und Fettchemie inChemnitz, auch einstige Tochtergesellschaften von Henkel, warenebenfalls Vorverträge abgeschlossen worden, „die Henkel für 1 Jahr dieExklusivität für eine Joint Venture-Gründung“ zusicherten. Paralleldazu unternahm der Unternehmensbereich Kosmetik/KörperpflegeVorbereitungen zur Erschließung des DDR-Kosmetikmarktes, da sichbesonders die Henkel-Marken Fa und Poly großer Beliebtheit erfreu-ten. Die Waschmittel- und Kosmetik-Aktivitäten wurden durch nach-haltige Vertriebsinitiativen gestützt: Henkel zielte darauf, im Handel einbreites Sortiment anzubieten, um gegenüber allen relevanten Wettbe-werbern einen Vorsprung zu erzielen. Ab Mai 1990 wurde in einerersten Stufe durch ein Team des bestehenden Außenstabes eine qualifi-zierte Distribution im ostdeutschen Fachhandel geschaffen. In einerzweiten Stufe schloss sich sodann die Besetzung der Verkaufsbezirkean, auch mit „reaktivierten“ Pensionären, die mit solidem Know-howdie neu entstehenden Strukturen im Einzelhandel erschließen und eineBasis für das einzurichtende Außendienst-Netz schaffen sollten.17

Mit der verstärkten Inlandsbasis im Markenartikel-Geschäft konntesich Henkel nun darauf konzentrieren, im europäischen Konsumgü-terbereich „die Nummer Eins“ zu werden. Ein Schritt auf diesem Wegwar die Akquisition der skandinavischen Konsumgüter-Sparte derBarnängen-Gruppe Anfang 1992, mit der Henkel insbesondere seineeuropaweite Kosmetik- und Haushaltsreinigerpalette ausbaute.18

Profitierend von der Öffnung der Märkte in Europa und der übrigen Weltsowie von der technologischen Entwicklung in den Bereichen von Tele-kommunikation und Logistik entwickelte sich die Henkel-Gruppe zueinem „internationalen Unternehmen“: Von 42.000 Mitarbeitern arbeite-ten 1992 mit rund 24.500 mehr als die Hälfte im Ausland. Damit warHenkel zu einem der „internationalsten Unternehmen Deutschlands“geworden und verfügte über eine „gute Ausgangsbasis“ für den Globali-sierungsprozess. Da der „Zukauf von Wachstum“ in den 1990er Jahrenaufgrund der begrenzten finanziellen Ressourcen auf strategisch wichti-ge Produktgruppen und Regionen beschränkt bleiben musste, betriebHenkel zunehmend die Erschließung und den Ausbau von Märkten „auseigener Kraft“ – also durch Innovationen und Roll-outs von erfolgrei-chen Produktideen auf andere regionale Märkte, was als „sinnvolle Alter-native“ zur Akquisitionstätigkeit angesehen wurde.19 153

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Dies galt umso mehr, als sich bereits ab Ende 1991 eine internationaleKonjunkturabschwächung abgezeichnet hatte. Die Rezession in Europa,der verschärfte Wettbewerbsdruck, die hohen Kosten am StandortDeutschland sowie die Einbußen durch Währungskursveränderungengegenüber einer hochbewerteten D-Mark erschwerten die Realisierungder geplanten Umsatz- und Ergebnisziele von Henkel. Zwar verzeichne-te das Unternehmen nach wie vor steigende Umsätze, doch ging derGewinn 1992 gegenüber dem Vorjahr um 9 Prozent zurück, ein alarmie-rendes Signal für die Geschäftsführung. Mit einer Umsatzrendite von 3,4Prozent im Jahr 1992 blieb Henkel zu Beginn der 1990er Jahre zudemweiterhin hinter der eigenen Renditevorgabe von 4 Prozent zurück. DerAbbau von Kosten, die Steigerung von Effizienz und Geschwindigkeit,eine stärkere Marktorientierung und ein noch höheres Qualitätsbewusst-sein blieben daher ein Muss für alle Teile des Unternehmens.

Nach den Vorstellungen des damals neuen Vorsitzenden der Geschäfts-führung, Dr. Hans-Dietrich Winkhaus, sollten Ergebnissteigerungendurch die Konzentration auf die Stärken des Unternehmens sowie durchmehr Effizienz und Schnelligkeit erreicht werden. Durch die Aktivitätender Wettbewerber sah sich Henkel genötigt, noch schneller und häufigerals früher Produkte zu entwickeln und im Markt einzuführen. Daher soll-ten bis zur Jahrtausendwende vor allem in die Innovationsfähigkeit, inhohe Produktionskapazitäten sowie in eine überzeugende Kommunika-tion investiert werden, um die Marktchancen etwa in den Wachstums-märkten USA und Asien-Pazifik zu verbessern.

Zur Finanzierung dieser Vorhaben musste die Kostenstruktur desUnternehmens erneut einer Revision unterzogen werden. Die Jagdnach Kosten, das „Cost chasing“, prägte die Ära Winkhaus und wirk-te im Unternehmen „wie ein Frühjahrsputz“. Künftig innovativer,kundennäher, schneller und kostengünstiger zu arbeiten, wurde zuden Geboten einer erfolgreichen Unternehmenspolitik. Als derGewinn vor Steuern im ersten Halbjahr 1993 um 15 Prozent gegen-über dem Vorjahr gesunken war, rückte die Reduzierung der Block-und Zentralkosten in den Vordergrund. Im Rahmen eines Beratungs-projektes waren 1992 alle anfallenden Kosten überprüft und eineKomplexitätsanalyse durchgeführt worden, die Märkte, Kunden, Pro-duktgruppen, Marken, Systeme und Organisationsstrukturen der Hen-kel-Gruppe auf einen möglichen Kostenabbau untersuchte. Eine Ver-besserung der Umsatzrendite in der Henkel-Gruppe erschien danachnur möglich, wenn die Strukturkostenbelastung von circa 20 Prozentim Jahr 1992 in den kommenden Jahren auf mindestens 18,5 Prozentabgesenkt werden könnte. Angesichts der durch die Barnängen-Akquisition geschwächten Innenfinanzierungskraft sollte die Opera-tion „Cash Chase“ 1993 die Kapitalstruktur des Unternehmens stär-ken und „schlummerndes Kapital“ aufspüren, um bis Ende 1994 rund150 Millionen DM einsparen zu können. Mitarbeiter wurden dazuangehalten, „Unprodukte“ oder überflüssige Kosten zu eruieren. Daes sich bei den Strukturkosten primär um Personalkosten handelte,schien angesichts steigender Löhne und Gehälter in Deutschland auchdie Reduzierung des Personalbestands dringend geboten, um wettbe-werbsfähig bleiben zu können.20

20 So Hans-Dietrich Winkhaus,Vorwort, in: Intern 4/1993, S. 1f.Siehe auch Interview HelmutSihler, 26.5.2000, S. 14: „[...]die Phase Winkhaus war einegute Phase.“ FCC/ControllingSystems and Procedures, BüroHildegard Rother, Gesellschaf-terausschuss-Planungs-handbuch 1993, 2.12.1992.„Sparen mit System“, in: Henkel-Blick 9/1991, S. 1. AuchInterview mit Helmut Sihler: „Wirwollen die Leistungsfähigkeitdes Unternehmens weiterverbessern“, in: Henkel-Blick,9/1991, S. 3. „SchlummerndesKapital zum Leben erweckt“, in:Henkel-Blick 8/1993, S. 3.„ ‚Keine Idee darf auf derStrecke bleiben‘. Hans-DietrichWinkhaus begründet dieNotwendigkeit zum Sparen“, in:Henkel-Blick 9/1993, S. 3.Intern 7/1992, S. 29.154

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21 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother, HenkelPlanung 1995, 7.12.1994.

22 Intern 5/1993, S. 25. Siehedie verschiedenen Beiträge imHenkel-Blick 1999. Im Rahmendes Outsourcings wurde auchdie Abteilung Kultur & Sportumstrukturiert, als deren Folgedie Henkel-Sportstätten imDüsseldorfer Werk zum30.9.1993 geschlossenwurden. Den Henkel-Mitarbeiternwurde statt dessen dasSchwimmen in öffentlichenBädern zu günstigen Konditio-nen ermöglicht. „ ‚Schneller,kreativer, innovativer‘. Hans-Dietrich Winkhaus zu denAufgaben und Perspektiven desUnternehmens“, in: Henkel-Blick1/1993, S. 3. „ ‚Freiräume fürForschung vorhanden‘. RunderTisch mit Wilfried Umbach“, in:Henkel-Blick 7/1993, S. 5. R. Schulz und W. Umbach,Vorwort, in: Intern 5/1992,S. 1f. „ ‚Wir wollen zur Normalitätzurückkehren‘. Personal-Vorstand Roland Schulz zumEnde des Personal-Abbaus“, in:Henkel-Blick 10/1994, S. 2.

23 Siehe etwa „Loctite übernom-men“, in: Henkel-Blick, 1/1997, S. 1.

24 Intern 7/1992, S. 11.

Das daraufhin zwischen Mitte 1992 und 1994 eingeleitete Restruktu-rierungsprogramm führte zu Kapazitätsanpassungen in allen Ressortsund Unternehmensbereichen sowie zu standortoptimierenden Maß-nahmen und Divestments. So wurden die Großverbrauch-Produktionvon Düsseldorf-Holthausen nach Nieuwegein in den Niederlandenverlagert und Tochtergesellschaften wie Matthes & Weber in Duis-burg und Schmidt & Hagen in Uetersen bei Hamburg veräußert.21 Aufder Personalseite nutzte Henkel die Instrumente der vorzeitigen Pen-sionierung, unterbreitete einzelnen Mitarbeitergruppen gezielteAbfindungsverträge und bot in Sonderfällen auch Dienstaufhebungs-verträge an. Die verstärkte Nutzung von Teilzeitarbeit war ebenfallsTeil des Restrukturierungsprogramms. Daneben waren zahlreicheTeilbereiche, besonders im Einkauf und in der Distribution, im Inge-nieurwesen und in den Werkstätten, vom sogenannten Outsourcingbetroffen, also von der Übertragung an Fremdfirmen. Alle diese Maß-nahmen führten bei der Henkel KGaA und den deutschen Betriebsge-sellschaften zu einem Personalabbau von rund 2.320 Stellen. Nachdiesem drastischen Einschnitt, der eine erhebliche innerbetrieblicheBelastung darstellte, kehrte das Unternehmen im Herbst 1994 „zurNormalität“ zurück.22

Diese Radikalkur machte Henkel ab Mitte der 1990er Jahre „fit“ fürdas neue Jahrtausend: 1994 erzielte das Unternehmen mit einem Jah-resüberschuss von 464 Millionen DM das bisher beste Ergebnis in derUnternehmensgeschichte. 1997 wurde die Umsatzgrenze von 20Milliarden DM überschritten und mit dem Erwerb von Loctite dergrößte Firmenkauf in der Unternehmensgeschichte verwirklicht. Das„sehr gute Jahr 1997“ resultierte aus einem dynamischen Wachstumaller Unternehmensbereiche, die ihre Planvorgaben in Umsatz undErgebnis deutlich übertrafen. Der um 23 Prozent gestiegene Umsatzging vor allem auf die Akquisitionen von Loctite und Novamax, aufdie gute Entwicklung der bestehenden Geschäfte sowie auf die posi-tiven Währungskurseffekte zurück.23

Damit hatten sich die 1992 eingeleitete Verringerung der Komplexitätdes Unternehmens und die Flexibilisierung bewährt, die von einemAbbau von Hierarchien, der Akzentsetzung auf Teamarbeit und Pro-jektmanagement sowie von internationaler Standardisierung begleitetwurden. Als internationalisiertes Unternehmen hatte Henkel 1997 dieKonzernbilanz auf International Accounting Standards (IAS) umge-stellt, um konzernweit einheitliche Wertansätze zugrunde legen zukönnen. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit drang in den 1990erJahren auch das Qualitätsmanagement in immer mehr Unternehmens-bereiche vor. Die Qualitäts-Überprüfung der Produktions- undVerwaltungsbereiche der Unternehmenseinheiten wurde durch dieDeutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Qualitätsmanagement-systemen (DQS) vorgenommen, die in sogenannten Audits die Über-einstimmung mit den Anforderungen der internationalen Qualitäts-management-Norm DIN/ISO 9001 feststellte.24

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Trotz aller Bemühungen war Henkel in Bezug auf Eigenkapital- undUmsatzrendite auch in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre noch„immer [...] nicht da, wo wir hin wollen“.25 Während sich nun insbe-sondere das Markenartikel-Geschäft in Europa positiv entwickelte,konnten die Planumsätze bei den industrienahen Bereichen aufgrundder nachlassenden Konjunktur 1998 nicht mehr erreicht werden. ZurJahrtausendwende rechnete Henkel nur noch mit einer schwach stei-genden Wirtschaftsentwicklung in Europa und einer sich verlangsa-menden Konjunktur in den USA. Die Auswirkungen der Krisen inAsien und die Abwertung des Real in Brasilien hatten sich auf Latein-amerika, USA und Russland ausgeweitet und trugen zu einerAbschwächung des prognostizierten weltweiten Wirtschaftswachs-tums bei. Angesichts dieser Entwicklung versuchte Henkel, ein ent-sprechendes Ergebniswachstum durch interne Expansion und Ausbauder starken Marktpositionen in allen Unternehmensbereichen zuerzielen.26

25 „ ‚Die Herausforderung steigt‘. Hans-Dietrich Winkhausüber neue Aufgaben und Ziele“,in: Henkel-Blick 2/1998, S. 3.Auch „1997: Ein erfolgreichesJahr“, in: Henkel-Blick 3/1998,S. 3.

26 Berichte über das Gesamtjahr1997 und 1998 für denAufsichtsrat der Henkel KGaA.

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Die Chemische FabrikGrünau im bayerischen

Illertissen: 1986 von Henkel übernommen.

Ganz rechts: NeubauBiologische Institute in

Düsseldorf, 1974.

Luftaufnahme vom WerkWassertrüdingen in Bayern:Hier baut Schwarzkopf nachdem Zweiten Weltkrieg eineneue Produktionsstätte auf,

Foto von 1995.

Nach der Wende 1989 sindHenkel-Markenartikel auch

in der DDR erhältlich:Außendienstler in einer

Drogerie im Erzgebirge undin einem Großhandels-Lager

(ganz rechts).

Unten: das Waschmittelwerkin Genthin, 1990.

Horizonte und Herausforderungen

Aufbruch ins 21. Jahrhundert

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Euromelt-Heißschmelzkleb-stoffe (links): Kontrolle in derDüsseldorfer Produktion amlaufenden Band, 2001.

Rechts: Flammpunktbestim-mung in der ZentralenAnalytik in Düsseldorf-Holthausen, 2001.

Bei Schwarzkopf in Hamburg: anwendungstech-nische Arbeit im Haarstudio,2001.

In der Düsseldorfer Zentralen Analytik: Unter-suchung von brandfördern-den Eigenschaften (links)und Analyse am NMR-Spektrometer, 2001.

Produktentwicklung vonSprays bei Schwarzkopf inHamburg: Ventil-Clinchwert-bestimmung einer Aerosol-dose, 2001.

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Menschen im Werk Düsseldorf-Holthausen,

2001: Cognis-Messwarte(links) und Pritt-Produktion.

CRT-Pilotanlage bei Cognis(links), Herstellung des

Industrieklebstoffs Euromelt(Mitte) und in der Waschmit-

tel-Zerstäubungsanlage.

Debis Rechenzentrum (links)und Marketing-„Denkfabrik“von Schwarzkopf & Henkel.

Abfüllung von Pattex-Großgebinden (links) und

Haut-Messung an einerTestperson im Labor.

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Das Werk in Düsseldorf-Holthausen, 2001.

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27 Post GF Nr. 8, 26.2.1985.

28 Henkel Geschäftsbericht1978, S. 48.

Marken und Märkte

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Henkel die Geschäfte mit Mar-kenartikeln und chemischen Industrieprodukten gleichrangig entwi-ckelt, um einen Ausgleich gegen Konjunkturschwankungen zu erhal-ten. Die beiden ursprünglichen Bereiche Waschmittel undChemieprodukte waren im Laufe der Jahre durch gezielte Zukäufe imIn- und Ausland erweitert und in eigenständige Geschäftseinheitenaufgespalten worden. So entstanden aus dem Markenartikelbereichdie Unternehmensbereiche Wasch-/Reinigungsmittel, Kosmetik/Kör-perpflege und das Ressort Großverbrauch (heute Hygiene), aus demChemiebereich der Unternehmensbereich Klebstoffe, das Ressort P3-Produkte für die technische Reinigung (später Metallchemie, heuteOberflächentechnik) sowie der Unternehmensbereich Chemieproduk-te mit den drei Ressorts Oleochemie, Organische Spezialchemie und– seit 1997 – Care Chemicals.

Nach den Diversifikationsmaßnahmen der ausgehenden 1960er undfrühen 1970er Jahre sowie den darauf folgenden Divestments in denBereichen Verpackung und Nahrungsmittel betrachtete sich HenkelMitte der 1980er Jahre als „ausreichend diversifiziert“ und konzen-trierte seine „Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten [...] auf dievorhandenen Produktgruppen“. Auch neue Initiativen wiesen dahereinen „Bezug zu vorhandenen Aktivitäten beziehungsweise zu vor-handenem Know-how“ auf.27

Wasch-/Reinigungsmittel

Die Marktsituation des Wasch- und Reinigungsmittelgeschäfts war inder zweiten Hälfte der 1970er Jahre von denselben Merkmalengekennzeichnet: ein nur leicht wachsender Verbrauch, starke Konzen-tration im Handel und ein intensiver Wettbewerb. Der Verbraucher-trend, die führenden Marken zu bevorzugen, setzte sich fort. Da Hen-kel in nahezu jedem Teilmarkt mit solchen Produkten vertreten war,führte dies zu einer weiteren Stärkung der bekannten Marken. Persilbeispielsweise erreichte 1978 seinen bis dahin höchsten Umsatz.28

Die konjunkturelle Schwächung nach der zweiten Ölkrise im Jahr1979 zeigte sich in einer rückläufigen Verbrauchernachfrage undeinem stark preisorientierten Einkaufsverhalten der Verbraucher. Als1980 mit dem Drei-Kilogramm-Paket Persil „die Preisschwelle vonDM 10,– pro Packung“ überschritten wurde, ging der Absatz zurück.Gleichzeitig gewannen Handels- und Billigmarken an Attraktivitätund sorgten für verschärfte Wettbewerbsbedingungen und einezusätzliche Einengung des Marktes für Markenartikel.

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Henkel konterte mit der „Konzentration auf starke Marken“, die seitden 1980er Jahren eine wesentliche Leitlinie der Unternehmenspoli-tik bildeten. Gut eingeführte Marken wie Persil, Weißer Riese, Per-woll, Fewa, Pril, Somat und Ata wurden durch die Aufnahme innova-tiver Produkte zu Produktfamilien ausgebaut, was angesichts desstarken Wettbewerbsdrucks zu einer Stabilisierung der Umsätze bei-trug.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre konnte das Unternehmen sei-ne Position innerhalb des schrumpfenden Marktes für Universal-waschmittel durch Produktverbesserungen und Innovationen halten,wie etwa die Neueinführung von Persil phosphatfrei im Jahr 1986 –ein Durchbruch und Meilenstein beim Umweltschutz. Henkel-Chemi-ker hatten dazu ab den frühen 1960er Jahren in intensiver For-schungsarbeit und mit Investitionskosten von rund 40 Millionen DMden Phosphatersatzstoff Zeolith A (Sasil) entwickelt.29

Waschmittel bildeten auch zu Beginn der 1990er Jahre das wichtigsteTeilsegment innerhalb des Marktes für Wasch- und Reinigungsmittel,in dem allerdings seit Jahren kaum mehr Zuwächse zu erzielen waren.Daher wurde die Innovationsgeschwindigkeit zu einem entscheiden-den Erfolgsfaktor, denn Innovationsvorsprünge sicherten Marktan-teilszuwächse nur, wenn die vermarkteten Neuheiten den sichändernden Bedürfnissen des Umfelds Rechnung trugen. Mit maßge-schneiderten Produktlösungen reagierte Henkel daher auf offenkundi-ge Trends: Die Vorteile von kompakten gegenüber herkömmlichenWaschmitteln lagen etwa in der Reduzierung von Verpackung undVolumen bei gleicher Waschleistung.

Im Mai 1987 drang die Marke Persil in einen Teilmarkt der Wasch-mittel ein, den es als kleinere „Nische“ bereits seit längerer Zeit gab:den Markt der Flüssig-Waschmittel. Ihr Leistungsschwerpunkt lag beiden niedrigeren Wasch-Temperaturen bis 60 Grad Celsius sowie beider Entfernung fetthaltiger Anschmutzungen. 1993 kam Persil flüssigmit einer Rezepturumstellung auf den deutschen Markt. Darin warenauf petrochemischen Rohstoffen basierende Waschaktivsubstanzen(Tenside) gegen umweltverträgliche Tenside auf Basis nachwachsen-der Rohstoffe (Alkylpolyglycoside, abgekürzt: APG) unter dem Mar-kennamen Plantaren ausgetauscht worden.

1994 folgte als nächste Innovation des Marktführers Persil Megaperls.Es basierte als sogenanntes Superkonzentrat auf einer für Waschmit-tel neu entwickelten Produktionstechnologie, dem Extrusionsverfah-ren. Dieses Verfahren gestattete es, erstmals ein perlenförmigesWaschmittel zu produzieren, das im Vergleich zu den ab 1990 einge-führten konzentrierten Waschpulvern wie Persil supra nochmals deut-lich volumen- und gewichtsreduziert war und gleichzeitig einen höhe-ren Anteil an Waschaktivsubstanzen beinhaltete. Dass diesesProdukt-Konzept stimmig war, spiegelte sich in dem Marktanteil vonPersil Megaperls wider, der Anfang 1995 in Deutschland bereits beisehr erfolgreichen 12,8 Prozent lag.30

29 Bericht für den Aufsichtsrat,4. Quartal 1982, 22.2.1983.Bericht für den Aufsichtsrat derHenkel KGaA über das 4. Quartal 1979, 1.2.1980.Bericht für den Aufsichtsrat, 4. Quartal 1981, 17.1.1982.Post GF, Nr. 23, 11.6.1985. Zur Entwicklung von Sasil siehe:Der Sturm im Wasserglas. 100 Jahre weltbewegendeForschung bei Henkel. Düssel-dorf 1997, S. 42–45, sowie:Das Wasser holt Luft. Ein Kristallmacht Karriere. Sasil in Persil.Düsseldorf 1996.

30 Intern 7/1994, S. 3.

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31 „ ‚ freundlich zu Verbrau-chern‘. Waschmittel-VorstandKlaus Morwind diskutierte amRunden Tisch“, in: Henkel-Blick4/1993, S. 5.

32 Intern 1/1989, S. 7.

33 Henkel Geschäftsbericht1997, S. 36f.

Angesichts dieser Entwicklung ließ Waschmittel-Vorstand Dr. KlausMorwind den Vorwurf nicht gelten, Henkel „käme mit neuen Wasch-mittel-Entwicklungen immer recht spät auf den Markt“. Denn sowohlmit phosphatfreien Produkten wie Color-Produkten war das Unter-nehmen vor den Wettbewerbern im Geschäft. Auch Persil mit Planta-ren sowie die Extrusions-Technologie waren Durchbrüche, die dieInnovationsführerschaft von Henkel unter Beweis gestellt hätten.31

Im rückläufigen Haushaltsreiniger-Bereich erweiterte Henkel mitBlick auf die Chemie-Diskussion und auf das Auftreten neuer Wett-bewerber das bestehende Sortiment um so genannte Öko-Produkte:1989 wurde etwa die Sidolin-Glasreiniger-Palette um eine Variantemit Apfelessig erweitert. Neben Produktinnovationen und -verbesse-rungen rückte auch die Aufmachung der Produkte in den Mittelpunkt.Gemäß einer Henkel-Initiative aus dem Jahr 1989 sollten Flaschen-formen an Modernität und „Sympathie“ gewinnen, was sich etwa inergonomisch gestalteten Verpackungen niederschlug.32

Im Waschmittel-Jubiläumsjahr 1997 – Henkel feierte „90 Jahre Per-sil“ – entwickelten die Chemiker und Produktentwickler des Unter-nehmens erstmals Universalwaschmittel in Gel-Form. Mit der Ein-führung von Persil Kraft Gel und Persil Color Gel sorgten sie für neueWachstumsimpulse im Flüssigsegment der Waschmittel. Die interna-tional erfolgreiche Gel-Entwicklung wurde mit dem „Fritz-Henkel-Preis für Innovation“ 1997 ausgezeichnet.33 Das Gel-Konzept über-trugen die Produktentwickler auch auf andere Marktsegmente, so aufSil-Fleckenreiniger und WC Frisch-Toilettenhygiene.

Im August 1998 erweiterte Henkel sein Flaggschiff Persil erneut umein innovatives Produktkonzept: Persil Tabs. Die neue Waschmittel-Generation führte Henkel nach dem Erfolg mit Persil Tabs und PersilColor Tabs auch bei den Zweitmarken Weisser Riese und Spee inDeutschland ein sowie in weiteren europäischen Ländern. Die zweiSchichten der Persil Tabs werden in einem aufwändigen Fertigungs-verfahren getrennt voneinander hergestellt und danach zum Tabgeformt.

Im Wachstumsmarkt Maschinelles Geschirrspülen – hier gab esSomat Reiniger-Tabs bereits seit 1989 – musste Henkel aufgrund star-ker Wettbewerbsaktivitäten 1997 Umsatzeinbußen hinnehmen undverlor die langjährige Marktführerschaft in Deutschland. Mit derAkquisition der Luxemburger Firma Chemolux im Oktober 1997erwarb Henkel eine moderne Produktionsstätte in Foetz, Luxemburg,zur Herstellung von Reiniger-Tabs. Auf Basis dieser Technologiebrachte der Unternehmensbereich Wasch-/Reinigungsmittel Anfang1998 Somat Profi „mit Entkruster-Phase“ in Deutschland auf denMarkt, im selben Jahr auch in Österreich und Frankreich. DasMaschinengeschirrspülmittel fand bei den Verbrauchern schnell einehohe Akzeptanz.

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Im Sommer 1999 präsentierte der Unternehmensbereich Somat „2 in1“, die ersten Reiniger-Tabs mit eingebautem Klarspüler auf demdeutschen Markt. Im Oktober 2000 folgte der erste Pulver-Reinigermit integriertem Klarspüler. Mit der „2 in 1“-Innovation errang Somatdie Marktführerschaft in Deutschland zurück. Seit März 2001 ist eineWeiterentwicklung auf dem Markt: Somat „3 in 1“ – Reiniger Tabsmit eingebauten Klarspüler und Salzersatzstoffen.34

Kosmetik/Körperpflege

Nach einem mühsamen Einstieg gelangte die Henkel Kosmetik erst inder zweiten Hälfte der 1970er Jahre „eindeutig“ in die Ertragszone.35

Neben der Neueinführung von Produkten – 1977 zum Beispiel Creme21 Seife (national), Fa Shampoo (national), Fa Haarspülung (Test-markt), Poly Diadem Haarfarbe (Relaunch) und Poly Schuppen-Haar-wasser (national) – wurden die vorhandenen Produktlinien ausge-baut.36

Ähnlich wie im Waschmittelgeschäft wirkte sich zu Beginn der1980er Jahre auch im Kosmetikgeschäft der Wettbewerbsdruck durchMitbewerber und Handel nachteilig auf die Umsatz- und Ergebnis-entwicklung aus, zumal sich gezeigt hatte, „dass der Versuch, Kosten-erhöhungen durch Preisanhebungen überwälzen zu wollen, zu Men-geneinbußen führt“.37 Dennoch konnte die Henkel-Kosmetik ihrestrategischen Eckdaten sowohl im Umsatz- und Ergebnisbereich alsauch in der Kapitalrendite zunächst kontinuierlich verbessern. ZuBeginn der achtziger Jahre erzielte Henkel rund 10 Prozent desGesamtumsatzes mit Kosmetik. Mit 21 Marken, 43 Produkten und189 Artikelpositionen lag die Vertriebstochter Henkel Cosmetics aufPlatz 3 im bundesdeutschen Markt für Kosmetik und Körperpflege-produkte. Sie war Marktführer bei Haarkosmetik, hielt die zweitePosition bei Feinseifen und Tampons und lag an dritter Stelle beiFarbfestigern.38 Als ausschlaggebende Faktoren bei der Konsolidie-rung des Kosmetik-Geschäfts galt die Erzielung von Synergie-Effek-ten, insbesondere im Vertrieb, die etwa durch Sortimentsstraffungenerreicht worden waren.39

Mitte der achtziger Jahre bestanden weiterhin gute Zuwachsraten fürdie Hautpflegemärkte, während das Geschäft bei Haarkosmetik, Kör-perpflege und Mundhygiene geringere Steigerungen aufwies. DieMarktanteile von Henkel Cosmetics lagen bei 12 Prozent in der Haar-kosmetik, 6 Prozent bei der Körperpflege, 5,4 Prozent bei Mundhy-giene und 1 Prozent bei Hautpflege. Insgesamt wurde die Marktstel-lung von Henkel aufgrund des Produktportfolios und der qualitativhochwertigen Produkte als „gut“ beurteilt. Allerdings wirkten sich„das unbefriedigende Marktwachstum, die hohen Strukturkosten beiHenkel Cosmetics, der kurze Lebenszyklus der Produkte sowie derWettbewerbsdruck auf Teilmärkten“ ungünstig aus. Hier resultiertenMarktanteilsverluste daraus, „dass Henkel Trends [...] nicht rechtzei-tig genug erkannt und in seinem Angebot berücksichtigt hat“. Ab derzweiten Hälfte der achtziger Jahre sollten neue Produkte dieser Ent-

34 Henkel Geschäftsberichte1997, S. 37; 1998, S. 44;1999, S. 33. Henkel-Blick11/1997, S. 12.Henkel-Life 2/2001, S. 9.

35 D 516, Bohmert, ST-ÖA,5.8.1977.

36 153/60, ZGF-Sekretariat,Einzeldarstellungen der großenVerbundenen Unternehmen (VU)anlässlich der Planungsbespre-chung, 25.11.1976.

37 153/67, Post ZGF,14.7.1980.

38 Kosmetik-Report vom30.4.1981.

39 153/67, Post ZGF;12.2.1980.

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40 Post GF Nr. 46, 19.11.1985.Post GF Nr.23, 10.6.1986. PostGF Nr. 34, 26.8.1986.

41 Post GF Nr. 36, 10.9.1985.

42 Post GF Nr. 17, 29.4.1986.

43 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Planungsmappe 1986, Kurzfrist-plan 1986, Henkel-Gruppe,4.12.1985. Post GF Nr. 20,21.5.1985.

44 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Planungsmappe 1988, Kurzfrist-plan 1988, 2.12.1987; ebenda,Planungsmappe 1989, Kurzfrist-plan 1989, 30.11.1988.

45 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Planungsmappe 1989, Kurzfrist-plan 1989, 30.11.1988. PostGF Nr. 36, 10.9.1985.

46 Post GF Nr. 20, 28.5.1985.

47 Anträge 1/78–7/84, ZR-Kosan ZGF, Aok: Antrag zum Erwerb,22.10.1982. 465/7, Investitions-kommission, 1981–1983,Sitzung von 20. und vom22.10.1982. Ebenda, Anträge 1/78-7/84, UB-MI an ZGF; Aok-Kosmetik, Antrag zur Verhand-lungsaufnahme, 26.8.1982.Akquisitionen und Divestmentsseit 1970, ZR FI/FF, Fragen zurFamilienbesprechung, 11.6.1983.Akquisitionen und Divestmentsseit 1970, FFA/Erdely, Genehmig-te Akquisitions- und Joint Venture-Projekte, Normaletat 1982. SiehePost ZGF, Nr. 43, Sonderprotokollvom 26.10.1982. Ebenda, PostZGF Nr. 33, Sonderprotokoll vom31.8.1982. Post ZGF Nr. 7,15.2.1983.

48 Anträge 1/78-7/84, ZR-Kos anZGF, Aok: Antrag zum Erwerb,22.10.1982. Nachrechnungenvon Akquisitionen, Bd. I, AnalyseAkquisitionen 1970-1982.49 Nachrechnungen von Akquisi-tionen, Bd. I, Analyse Akquisitio-nen 1970-1982.50 Anträge 1/78–7/84, ZR-Kosan ZGF, Aok: Antrag zum Erwerb,22.10.1982. Anträge1/78–7/84, UB-MI an ZGF; Aok-Kosmetik, Antrag zur Verhand-lungsaufnahme, 26.8.1982.

wicklung entgegensteuern. Zu einer Verbesserung des Ergebnissessollte zudem Ende 1985 das Divestment im Intimhygienegeschäft bei-tragen.40

Auch durch die Konzentration auf „starke Marken“ konnte HenkelMarktanteile trotz stagnierenden Wachstums noch festigen und aus-bauen.41 Daher wurden 1986 anstelle eines Relaunchs von Creme 21eine Creme und eine Lotion unter der erfolgreichen Dachmarke Faeingeführt.42 Auch die Bearbeitung der internationalen Märkte durchregionale Diversifizierung erfolgte unter verstärkter Konzentrationauf Fa.

Das gesamte Produktportfolio von Henkel Cosmetics sollte durch dieAktualisierung der Körperpflege, den Ausbau der Mundhygiene unddie Forcierung der Haarkosmetik gestärkt werden. Im Bereich Mund-hygiene wurde das Basissortiment sowohl durch Eigenentwicklungenals auch durch Akquisitionen und Joint Ventures verbreitert und abge-rundet.43 Gemäß der strategischen Zielsetzung „Forciertes Wachstumaus eigener Kraft“ wurden diese Marken „von vornherein internatio-nal“ konzipiert und mit einem erhöhten „Werbedruck“ auf den Aus-landsmärkten lanciert.44

Das weltweite „Führungsduo des Kosmetikmarktes“ bildeten zuBeginn der 1990er Jahre die Firmen L’Oréal und Unilever, währendHenkel auf Platz 14 rangierte.45 Vor dem Hintergrund weltweiter Kon-zentrationsmaßnahmen standen „strategische“ Akquisitionen vonnamhaften Firmen der Körperpflegebranche ab den späten achtzigerJahren im Zentrum der Wettbewerbspolitik von Henkel.46

Der Erwerb des Aok-Hautpflege-Geschäfts im Jahr 1983 diente ins-besondere dem Sortimentsausbau, da sich Hautpflegemittel mittler-weile zum „größte[n] Sektor des Kosmetikmarktes nach Haarpflegein Deutschland“ entwickelt hatten.47 Während das Wachstum desGesamtmarktes Kosmetik zwischen 1975 und 1981 bei 37 Prozentlag, war der Hautpflegesektor im selben Zeitraum überdurchschnitt-lich um 49 Prozent gewachsen. Doch war dieser Teilmarkt von Hen-kel bislang noch nicht besetzt worden und zählte daher zu wichtigstenauszubauenden Marktsegmenten.48 Aok besaß „eine sehr gute Markt-stellung im Gesichtspflegesektor“ und rangierte nach der „Markenbe-kanntheit“ hinter den Marken Margret Astor und Ellen Betrix aufPlatz drei.49 Das umfangreiche Sortiment mit 119 einzelnen Produk-ten verzichtete auf Konservierungsmittel und erfüllte besondere Qua-litätsanforderungen, was nicht nur dem Produktverständnis von Hen-kel entsprach. Zudem lag die Firma „im Markttrend“, kam sie dochdem „steigenden Wunsch des Verbrauchers nach natürlichen Produk-ten“ nach.50

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Das Jahr 1992 hatte mit der Übernahme der Konsumgütersparte vonNobel Industrier AB (Barnängen) ganz im Zeichen der Markenpolitikgestanden: Barnängen verzeichnete 1991 einen Umsatz von 720 Milli-onen DM, wobei der überwiegende Anteil auf Kosmetik- und Körper-pflegemärkten erzielt wurde.51 Mit der Akquisition des Barnängen-Geschäfts sah Henkel „die Hauptziele unserer strategischenAusrichtung erreicht“: Die „Lücke“ in den Märkten Spanien, Frank-reich und Italien konnte geschlossen, ein gesundes Geschäft in Skandi-navien aufgebaut und die Grundlage eines europäischen Mundhygiene-Geschäfts geschaffen“ werden.52 Zudem spielten auch die Nutzung derSynergiepotentiale aus der Barnängen-Akquisition durch die Neustruk-turierung der Produktionsstandorte eine wesentliche Rolle.53

1995 erwarb Henkel den Hamburger Haarkosmetik-SpezialistenSchwarzkopf.54 Den „strategischen Hintergrund“ für diesen Schrittbildeten die hohen Wachstumsraten auf dem internationalen Markt fürHaarkosmetik.55 Das 1898 in Berlin gegründete UnternehmenSchwarzkopf, das 1994 weltweit rund 4.000 Menschen beschäftigte,gehörte traditionell zu den wichtigsten Wettbewerbern von Henkelinsbesondere im Haarpflegegeschäft. Die Hauptgeschäftsfelder bilde-ten die Haarkosmetik (52 Prozent), Körperpflege (16 Prozent), Fri-seurprodukte (24 Prozent) sowie Export und Lizenzen (8 Prozent).56

Zu den führenden Marken der Schwarzkopf-Gruppe gehörten Schau-ma, Drei Wetter Taft, Bac, Kaloderma und Hattric.57 Das Zusammen-gehen von Schwarzkopf und Henkel sollte den gemeinsamen Markt-anteil im Haarkosmetikgeschäft stärken, da sich die Produktpalettensehr gut ergänzten und hohe Synergieeffekte in Produktion, Vertriebund Verwaltung erwarten ließen.58

51 Anträge 9/90-12/94, Antragauf Erwerb Vademecum inFinnland/Übernahme Vertrieb Polyund andere Marken, undatiert[1993].52 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother, Henkel-Planungsbuch 1994,30.11.1993. 1996 erfolgte dasDivestment im Vademecum Gum-Geschäft. Akquisitionen undDivestments seit 1970, FFC/Konzerncontrolling/Strategie,Schmidt, 3.4.1996. FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother, GA-Planungsbuch 1993,2.12.1992.53 Akquisitionen und Kooperatio-nen, Protokoll zur GF-Sitzung,Planung 1993, 10./16. und17.11.1992.54 Die EU-Kommissare hatte einerFusion „bedenkenlos zuge-stimmt“. Die starken Wettbewer-ber, der große Werbedruck unddie relativ geringe Markentreueder Verbraucher verhinderten ausder Sicht der Brüsseler Behör-den, „dass eine marktbeherr-schende Stellung aufgebaut oderverstärkt wird“. Investitionscon-trolling, Projektunterlagen 1995und 1996, PressedokumentationStabsstelle Information/Öffentlich-keitsarbeit: „Henkel-Kosmetik wirdneu geordnet“, in: Lebensmittel-Zeitung vom 30.10.1995. FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother, HenkelPlanung 1995, 7.12.1994.55 Investitionscontrolling,Investitionsprojekte 1995 und1996, JV, undatierte Aufstellung„Henkel Cosmetics und Schwarz-kopf. Zwei starke Partner findenzueinander“. FCC/ControllingSystems and Procedures, BüroRother, Henkel Planung 1996,23.11.1995.56 Investitionscontrolling, IK-Projekte 1995/96, HenkelCosmetics und Schwarzkopf,Zwei starke Partner findenzueinander, Präsentationsunterla-gen.57 FAZ, 14.8.1995. Der Verkaufvon Schwarzkopf bildete beiHoechst den Abschluß derTrennung von der Kosmetik-Sparte. Zuvor hatte sich derKonzern bereits von JadeCosmetic und Marbert getrennt.Dieses Vorgehen resultierte ausder „strikten Konzentration aufKernarbeitsgebiete“. Siehe auch166

Produktbereiche Henkel und Schwarzkopf

Quelle: Investitionscontrolling, IK-Projekte 1995/1996, Präsentation: Henkel Cosmetics undSchwarzkopf. Zwei starke Partner finden zueinander.

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Handelsblatt vom 14.8.1995. 23Prozent an Schwarzkopf hieltvorerst weiterhin die FamilieSchwarzkopf.58 Information an unsereAktionäre über die Geschäftsent-wicklung von Januar bis Septem-ber 1995.

59 „Wir gestalten die Zukunft.Start für Schwarzkopf & HenkelCosmetics“, in: Henkel-Blick1/1997, S. 1, sowie „Wege ineine neue Identität“, in: ebenda, S.8f.60 Investitionscontrolling, IK-Projekte 1995/1996, Präsenta-tion: Henkel Cosmetics undSchwarzkopf. Zwei starke Partnerfinden zueinander. 465/17,Investitionskommission 1996,Rede von Herrn Dr. Lehneranläßlich der DVFA-Veranstaltungam 16.4.1996.61 Schöne, Klebstoffwerk, S. 58–60, 62, 64f.

62 ZGF-Sonderbesprechung,6.7.1983.

63 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother, Planungsmappe 1986, Kurzfrist-plan 1986, Henkel-Gruppe,4.12.1985. Planungsmappe1987, Kurzfristplan 1987,2.12.1986.

Demgemäß wurde die Henkel-Kosmetik neu geordnet, und beide Fir-mengeschäfte aufeinander abgestimmt. Das organisatorische Konzeptsah zum 1. Januar 1997 die Zusammenführung aller Haar- und Kör-perpflegeaktivitäten zu einer optimalen Einheit unter Führung desDüsseldorfer Konzerns vor. Während das bisherige Friseur-Kabinett-geschäft von Henkel bei Schwarzkopf in Hamburg konzentriert wur-de (Schwarzkopf Professional), wurde in Düsseldorf das Markenarti-kelgeschäft von Schwarzkopf mit den Aktivitäten von HenkelCosmetics und von Aok verschmolzen (Schwarzkopf & Henkel Cos-metics).59 Mit der Akquisition von Schwarzkopf verzeichnete derUnternehmensbereich Kosmetik/Körperpflege „einen Quanten-sprung“ in der Entwicklung: Henkel wurde zum weltweit zehntgröß-ten Kosmetik-Unternehmen.60

Klebstoffe

Das Klebstoffgeschäft zählt seit Jahren zu den wichtigsten Geschäfts-bereichen der Henkel-Gruppe. Mit den Produktbereichen Handwerkund Do-it-yourself-Klebstoffen sowie Industrieklebstoffen deckte dasUnternehmen die breite Abnehmerpalette ab und produziertegleichermaßen für private Haushalte, Handwerksbetriebe und Indus-trie.61 Das Klebstoffgeschäft verzeichnete insbesondere ab den 1970erJahren eine erfreuliche Entwicklung, die auf Steigerungen des Men-gen- und Wertumsatzes, bessere Kapazitätsauslastungen, Verbesse-rung der Kosten-Erlös-Relation, Reduzierung des Umlaufvermögenssowie auf strukturelle Maßnahmen wie die Stilllegung unrentablerAnlagen zurückgeführt wurde.62

Der Unternehmensbereich konnte durch die Konzentration aufGeschäfte mit hohem Ertragspotential und durch nachhaltige Maß-nahmen zur Strukturverbesserung die Rendite deutlich erhöhen undprofitierte von der „günstigen Gesamtstruktur des Klebstoffgeschäftesmit vielfältigen industriellen Abnehmern, handwerklichen Verwen-dern und privaten Kunden“, die für einen „erfreulichen Ausgleich“sorgten. Allerdings erzielte das Konsumgütergeschäft wegen derabgeschwächten Konsumkonjunktur lediglich ein schwaches Wachs-tum, während das Geschäft mit Industrieklebstoffen durch die Expan-sion in Europa positive Ergebnisse verzeichnete. Ähnlich wie imHaushaltspflegebereich wurde die europäische Marktführerschaftdurch den Ausbau umweltverträglicher Sortimente (lösemittelfreiePritt-Palette), die Einführung neuer Produkte (Pritt Kleberoller) unddie weitere Internationalisierung der Kern-Sortimente gesichert.63

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Im Gegensatz zum Handwerk- und Do-it-yourself-Sektor trat dasIndustrieklebstoffgeschäft erst in den 1970er Jahren in den Vorder-grund.64 Bislang hatte sich die Henkel-Gruppe hier „auf die Pflege tra-ditioneller Gebiete“, zu denen etwa Verpackungsklebstoffe gehörten,konzentriert. Seit den beginnenden 1970er Jahren wurden neue inno-vative Marktsegmente bearbeitet, die von Folien-Kaschierklebstoffenbis hin zu Reaktions- und Konstruktionsklebstoffen, Dichtungsmas-sen und Montage-Hotmelts reichten.65 Der Umsatzanteil neuer Kleb-stofftypen wie Verbund- und Reaktionsklebstoffen stieg von anfäng-lich circa 10 Prozent auf 36 Prozent Ende der siebziger Jahre, so dassdieses Segment 1979 fast 90 Prozent zum Bruttoergebnis des Ressortsbeitrug.66

Dagegen verfügte Henkel bis zu Beginn der 1980er Jahre „nicht überausreichendes anwendungs- und vertriebstechnisches Know-how“,um den wachsenden Markt für anaerobe Klebstoffe, die insbesonderein der Automobilzulieferindustrie Verwendung fanden, erfolgreichbearbeiten zu können. Da entsprechende Entwicklungsarbeiten „auseigener Kraft“ als zu „langwierig und kostspielig“ erschienen, vollzogdas Unternehmen über Akquisitionen den Marktzugang.67 Der Marktfür anaerobe Klebstoffe entwickelte sich in Europa gegen Ende der1960er Jahre. Seither operierte die US-Firma Loctite weltweit alsMarktführer mit einem Marktanteil von 75 Prozent im Inland und 80Prozent im europäischen Ausland.68 Die Marktverhältnisse wiesengute Renditechancen und ein starkes Wachstum von jährlich 10 Pro-zent auf. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Anbietern und dem Sys-temverbund von Klebstoffen und Dosiergeräten erschien der MarktHenkel als ein „neues attraktives Betätigungsfeld“, das lediglichdurch die starke Position von Loctite und die Abhängigkeit von derAutomobilindustrie eingegrenzt wurde.69

Durch die Beteiligung an Loctite weitete Henkel ab 1985 seine Akti-vitäten im internationalen und insbesondere US-amerikanischenMarkt für anaerobe Klebstoffe und Cyanacrylate noch erheblich aus.70

Unter Führung von Dr. Roman Dohr, von 1985 bis 1993 Mitglied derGeschäftsführung und verantwortlich für den UnternehmensbereichKlebstoffe/Chemisch-technische Markenprodukte, erwarb Henkel1991 die Heidelberger Teroson GmbH, die Spezialkleb- und Dicht-stoffe insbesondere für den Automobil- und Glasbereich fertigt. Nebender Fabrik in Heidelberg verfügte Teroson über zahlreiche Auslands-niederlassungen und die Tochtergesellschaft Odenwald-Chemie.71 Mitder Übernahme hatte Henkel auch die Teroson-Aktivitäten in den USAund Kanada erworben, die 1994 mit einem Umsatz von 22 MillionenUS-Dollar rund 7 Prozent des nordamerikanischen Automobilmarktesumfassten. Teroson-Produkte für die Automobilindustrie wurden inden USA und in Kanada noch bis 1995 von der Vorbesitzerin, der Firma Grace, an den Standorten Chicago/Illinois, San Leandro/Kalifornien und Montreal in Lohnfertigung hergestellt.72 Neben demBereich Automobilklebstoffe bildeten Klebstoffe für die Verpackungund Holzverarbeitung zu Beginn der 1990er Jahre weitere großeMarktsegmente von Henkel im Industrieklebstoffbereich.

64 321/1866, Henkel S-AK,Mitteilungen für den Außen-dienst, 25.6.1973.

65 153/59, Post ZGF,16.3.1976. 153/65, Post ZGF;4.12.1979. FCC/ControllingSystems and Procedures, BüroRother, Planungsmappe 1984,Kurzfristplan 1984, Henkel-Gruppe, 5.12.1983. 321/1866,Henkel & Cie GmbH, Mitteilungvom 8.8.1973. 153/60, ZGF-Sekretariat, Einzeldarstellungender großen VU anläßlich derPlanungsbesprechung,25.11.1976. 321/1866,Strategie der S-AK. Vortraganläßlich der EuropäischenMarketingkonferenz Klebstoffe,in Sitges, Spanien,10./11.6.1974. Vgl. aberAkquisitions- und Kooperations-vorhaben 1996 und 1997,FFC/Konzerncontrolling,Strategie, Akquisitionen, Erdely,U-A Akquisitionsvorhaben,10.11.1995. 465/14, Investi-tionskommission 1991–93,Sitzung vom 13.12.1991.

66 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Planungsmappe 1983, Kurzfrist-plan 1983, 3.12.1982.

67 Anaerobe Klebstoffe sindflüssige Kunststoffe zumBefestigen, Dichten, Kleben undSichern, die unter Luftabschlusshärten. Sie werden zur Schrau-bensicherung, zur Abdichtungvon Rohren, Flanschen undGehäusen sowie zur Befestigungund Montage der verschieden-sten konstruktiven Elemente ausMetall eingesetzt. Zu den Haupt-abnehmern zählt die Maschinen-,Fahrzeug-, Motoren- und Elektro-industrie. Anträge 1/78-7/84,Investitionskommission,Akquisitionsantrag KlebtraschGmbH, Hamburg, undatiert[1981]. Dabei handelt es sichlediglich um einen Musterantrag.

68 268/67, Post ZGF,31.3.1981. Mit Loctite hatteHenkel auf Lizenzbasis schon inden 1960er Jahren zusammen-gearbeitet, etwa als Vertriebs-partner des Loctite-ProduktsLOP, eines unter Sauerstoffab-schluss aushärtenden Klebstof-fes, „der insbesondere alsSchraubensicherung, fürFlansch- und Flächendichtungen“verwendet wurde.153/31,Postprotokoll, 18.10.1966.Siehe Post GF vom 10.1.1995168

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zur Strategie im Bereich Spezial-klebstoffe.

69 268/67, Post ZGF,31.3.1981. Nachrechnungenvon Akquisitionen, Bd. I, AnalyseAkquisitionen 1970-1982.

70 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Planungsmappe 1986, Kurzfrist-plan 1986, Henkel-Gruppe,4.12.1985. Post GF Nr. 21,28.5.1985; Post GF Nr. 20,21.5.1985; Post GF Nr. 28,16.7.1985. 153/28, Postproto-koll, 28.9.1965. Anträge 8/84-4/88, R-FI, Dr. Erdely, Loctite –Antrag zum Erwerb einerBeteiligung, 17.5.1985.

71 D 438.

72 465/14, Investitionskommis-sion 1991-93, Sitzung vom23.4.1993.

Im Zeitraum 1993 bis 1996 akquirierte Henkel zur Verstärkung desKlebstoff-Geschäfts verschiedene mittelständische und auf Nischenspezialisierte Firmen: im Bereich Industrieklebstoffe PKL Verpa-ckungssysteme im niederrheinischen Linnich und Dr. Schieber imschwäbischen Bopfingen, United Resin Products in den USA, NBLove in Australien sowie im Bereich Konsumentenklebstoffe die Fir-men Le Page in Kanada, Pelikan Klebstoffe in Deutschland, Bostonin Italien, Nural in Spanien und Orniex in Brasilien. Trotz dieserInvestitionen betrug der Europa-Umsatz der Klebstoffe gemessen amWeltumsatz immer noch knapp 80 Prozent. Wettbewerber wie Fullerund National Starch hatten weiterhin eine stärkere Weltpräsenz alsHenkel und waren dadurch eher und besser in der Lage, weltweit täti-ge Kunden zu bedienen.

Guido De Keersmaecker, Vorstand Klebstoffe seit 1993, fuhr in den1990er Jahren eine zweigleisige Wachstumsstrategie:

■ beschleunigte Globalisierung durch Akquisitionen in Europa undÜbersee sowie

■ Verstärkung der technologischen Überlegenheit gegenüber denWettbewerbern.

1996 fehlte noch immer eine stärkere Präsenz im wichtigen USA-Markt. Im September desselben Jahres entschied daher der Gesell-schafterausschuss der Henkel KGaA, die Aktien der Loctite Corpora-tion zu 100 Prozent zu übernehmen. Dies war im übrigen auch daserste Mal, dass ein deutsches Unternehmen den Erwerb einer US-amerikanischen börsennotierten Gesellschaft mit einem „feindlichenÜbernahmeangebot“ begann. Im Januar 1997 war der Erwerb vonLoctite schließlich abgeschlossen. Dies war der endgültige Globali-sierungsdurchbruch bei den Klebstoffen. Das amerikanische Geschäftdes Ressorts Konsumenten- und Handwerkerklebstoffe wurde 1998zusätzlich gestärkt durch den Erwerb von Manco, bekannt vor allemdurch ihre Klebeband-Marke Duck Tape.

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Anteil der Henkel-Gruppe am Weltmarkt für Industrieklebstoffein Prozent, 1990

Quelle: Anträge 9/90-12/94, FFA/AIV, Dr. Erdely/Olbrück, Heidenau Holzklebstoffe (Sachsen):Antrag auf Erwerb, 5.10.1990.

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Im Jahr 2000 schloss Henkel eine weitere „strategische[n] Lücke“ imKlebstoffgeschäft: Durch den Erwerb „eines wesentlichen Teils desPolymer-Spezialitätengeschäfts der US-amerikanischen Dexter Cor-poration“ wurde Henkel zum „zugelassene[n] Lieferant[en] für dieinternationale Luft- und Raumfahrindustrie“. Als einziger von 50Wettbewerbern ist Henkel als Klebstoff-Lieferant für spezifischeAnwendungen in der US-amerikanischen Raumfähre Space Shuttlezugelassen. Die von Dexter hergestellten Konstruktionsklebstoffewerden auch in der Mikroelektronik eingesetzt, so dass diese Akqui-sition das bestehende Geschäft nachhaltig in die Wachstums- undZukunftsmärkte der Konstruktionsklebstoffe ausbaute.73

Im Frühjahr 2001 war die gesamte Klebstoff-Mannschaft stolz aufeine Premiere von Pritt – ihrer internationalsten Marke – im Welt-raum: Vier Wochen lang benutzte die Besatzung der InternationalSpace Station (ISS) den Pritt Stift und die Pritt Roller im All. DieFunktions- und Dichtigkeitsprüfungen in der Schwerelosigkeitbestanden die Produkte ohne Beanstandungen. Pritt erhielt daraufhinals erste Marke der Welt von der Europäischen RaumfahrtbehördeESA das Qualitätssiegel „Space Proof Quality“.74

Durch die gesteigerten Investitionen in das Klebstoff-Geschäft wuchsder Umsatz von 1.795 Millionen DM im Jahr 1990 auf 5.787 Millio-nen DM (knapp 3 Milliarden Euro) im Jahr 2000 – eine Explosionohnegleichen. Mit einem Anteil von zuletzt 23 Prozent am Konzern-umsatz veränderte der Unternehmensbereich Klebstoffe somit dieUmsatzstruktur der Henkel-Gruppe nachhaltig, ebenso die Gewinn-struktur mit einem Anteil von 27 Prozent.

Hygiene/Metallchemie/Oberflächentechnik

1985 war der Unternehmensbereich Hygiene/Technische Reinigung(U-R) eingerichtet worden, der sich in die Ressorts Großverbrauch(R-G) und P3 (R-P) gliederte. Nachdem das Segment der Metallche-mie ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre durch die StrategischeGeschäftseinheit Metal Treatment vertreten gewesen war, wurdeninnerhalb des Unternehmensbereichs zum 1. Januar 1990 zwei gleich-wertige Ressorts Hygiene (R-H) und Metallchemie (R-M) geschaffen.Dabei umfasste das Ressort Hygiene die weltweiten Aktivitäten vonP3-Ernährung und Großverbrauch, während das Ressort Metallche-mie das weltweite Geschäft mit Metal Treatment und P3-Technikbeinhaltete. Damit sollten die „historisch bedingten“ Trennungslinienzwischen Phosphatierung und Reinigung/Schmierstoffe für dieMetallverarbeitung überwunden werden, um ein umfassendes Ange-bot zur Metalloberflächenbehandlung vermarkten zu können.75

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73 Henkel KGaA, Informationenan unsere Aktionäre über dieGeschäftsentwicklung vonJanuar bis September 2000, S. 1. Siehe auch: „Klebstoffegestärkt“, in: Henkel-Blick7/2000, S. 10. „Lift off!“, in:Henkel-Blick 8/2000, S. 1. „DieNummer 1 gibt Gas“, in:Ebenda, S. 3.

74 „Pritt – völlig schwerelos“, in:Henkel-Life 8/2001, S. 5

75 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Planungsmappe 1989, Kurzfrist-plan 1989, 1.12.1989. Post GFNr. 41, Sonderprotokoll vom24.10.1989. Vgl. Post GF Nr.17, 24.4.1989.

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76 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Henkel-Planungsbuch 1993,2.12.1992.

77 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 17, 80.

Nach Aufnahme der Kooperation mit dem US-amerikanischenHygieneanbieter Ecolab wurden 1991 die beiden Unternehmensberei-che Hygiene (U-H) und Metallchemie (U-M) gebildet. Ersteresumfasste das europäische Joint Venture Henkel-Ecolab mit den Berei-chen Groß- und Objekthygiene und bearbeitete damit den Gebäude-reinigermarkt, die Industriereinigung sowie die Reinigung von Kran-kenhäusern und Heimen.76 1997 wurde der UnternehmensbereichMetallchemie in Oberflächentechnik/Surface Technologies (U-S) umbenannt. Die beiden großen Systemgeschäfte von Henkelwurden 1999 wieder in einem Unternehmensbereich zusammenge-fasst.

Große Akquisitionen wie Amchem Products Incorporated, ParkerChemical Company, Novamax, Thiem und Diversified TechnologyInc. führten auch bei der Oberflächentechnik zu einem „Quanten-sprung“ in der Geschäftsentwicklung und zur Weltmarktführerschaft.

Die langjährige Kooperation mit der Ecolab Inc. auf dem Hygiene-sektor soll weiter verstärkt werden: Zum 2. Januar 2002 will Henkelseine Beteiligung von 50 Prozent am GemeinschaftsunternehmenHenkel-Ecolab mit der Ecolab Inc. zusammenführen. Mit diesemSchritt werde ein weltweit operierendes Unternehmen geschaffen, dasden Bedürfnissen der globalen Kunden besser gerecht werden könne.Henkel wird als Gegenwert für die Einbringung des Joint-Venture-Anteils wahlweise entweder eine Barzahlung oder Aktien der EcolabInc. erhalten.77

Chemieprodukte

Die Ende der 1950er Jahre einsetzenden und kontinuierlich fortge-setzten hohen Investitionen in die Herstellung oleochemischer Pro-dukte führten in den 1990er Jahren dazu, dass im DüsseldorferStammwerk das größte Verarbeitungszentrum weltweit für Öle aufBasis nachwachsender Rohstoffe entstand. Jährlich werden hier über400.000 Tonnen oleochemischer Rohstoffe verarbeitet. Der weltweiteRohstoffbedarf der Chemieprodukte in den verschiedenen Standortenbeträgt mehr als 800.000 Tonnen jährlich.

Bereits ab den 1970er Jahre hatte Henkel die führende Positon inner-halb der europäischen Oleochemie inne. Das Unternehmen verfügtehier traditionell über ein ausgeprägtes Innovationspotential, das abEnde der 1960er Jahren auch auf dem Akquisitionswege nachhaltigausgebaut wurde.

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Für das Erlangen einer weltweiten Führungsposition des Unterneh-mensbereichs Chemieprodukte waren vor allem die hinzu erworbenenFirmen in den USA entscheidend. 1977 konnte Henkel die Chemie-sparte von General Mills übernehmen. Danach gelangen dem damali-gen Chemieprodukte-Vorstand Dr. Dieter Ambros und seiner Füh-rungsmannschaft ab den 1980er Jahren weitere Zukäufe, vor allem1989 der Erwerb der Emery Group in Cincinnati/Ohio. Durch derenweitreichende Marketing- und Service-Organisation erhielt das US-Geschäft von Henkel eine neue Dimension.

In Deutschland erwarb Henkel von der Degussa zum Jahresbeginn1986 die Chemische Fabrik Grünau mit Sitz im bayerischen Illertis-sen, einen bedeutenden Hersteller von Nahrungsmittelzusatzstoffen,kosmetischen Grundstoffen, technischen Emulgatoren, Textilhilfsmit-teln, Betonhilfsmitteln, Kunststofffolien und -profilen für den Hoch-und Tiefbau sowie Dachabdeckungen, Feuerlösch- und Brandschutz-produkten.78

In dem 1980 gegründeten Joint Venture Henkel OleochemicalsMalaysia in Port Kelang sowie bei Emery in Cincinnati/Ohio in denUSA wurden 1992 neue Anlagen zur Herstellung von Fettalkoholen,einem wichtigen Grundstoff für zahlreiche Einsatz- und Anwen-dungsgebiete, in Betrieb genommen. Sie arbeiten in der Umeste-rungsstufe nach dem bereits zuvor in Frankreich erfolgreich eingesetzten Niederdruck-Verfahren von Henkel und in der Hydrie-rungsstufe mit der ebenfalls von Henkel entwickelten Röhrenreaktor-Technologie.79

Zu den innovativen Grundstoffen von Henkel gehören seit 1988 dieAlkylpolyglycoside (APG), eine Klasse besonders milder waschakti-ver Substanzen (Tenside). Sie werden unter anderem als Basis fürKörperpflegeprodukte und Reinigungsmittel sowie als waschaktiveSubstanzen verwendet. APG kann zu 100 Prozent auf der Basis nach-wachsender pflanzlicher Rohstoffe wie Kokos- oder Palmkernölsowie Glucose aus Maisstärke hergestellt werden und ist zu 100 Pro-zent biologisch abbaubar.80 Eine starke Marktposition in den USA,dem größten Einzelmarkt für Tenside weltweit, sollte durch den Auf-bau einer lokalen Großproduktion erreicht werden. Nach Eröffnungder ersten APG-Anlage in Cincinnati im Jahr 1992 folgte in Düssel-dorf-Holthausen 1995 eine weitere APG-Anlage mit einem Investi-tionsvolumen von 59 Millionen DM für die Versorgung vor allem dereuropäischen und asiatischen Märkte.81

1995 entwickelten Henkel-Forscher neue vorgetrocknete und schütt-gutfähige Tensid-Granulate für pulverförmige Wasch- und Reini-gungsmittel. Entsprechende Anlagen auf Basis einer innovativen Che-mieprodukte-Technologie – sogenannte Wirbelschichttrockner –gingen im Waschmittelwerk Genthin und 1998 in Düsseldorf inBetrieb.

78 Henkel Geschäftsbericht1985, S. 20. Zur Grünau sieheauch „Spezialitäten aus Bayern“,in: Henkel-Blick 8/1992, S. 3,und „111 Jahre Grünau“, in:Henkel-Blick 7/1995, S. 10f.

79 Henkel Geschäftsbericht1992, S. 16.

80 Investitionscontrolling,Projektunterlagen 1993, Dr. Andree, U-W, Antrag aufGenehmigung zur Errichtungeiner Produktionsanlage zurHerstellung von Alkypolyglycosi-den, 3.12.1992.

81 465/17, Investitionskommis-sion 1996, FFC/Konzerncontrol-ling/Strategie, Jäntsch,13.8.1996. Investitionscontrol-ling, Projektunterlagen 1993,Euro Cosmetics, 5/1995. Sieheauch FCC/Controlling Systemsand Procedures, Büro Rother,Planungsmappe 1989, Kurzfrist-plan 1989, 30.11.1988. AuchPost GF Nr. 17, 5.6.1990.Henkel-Blick 5/1995, S. 1 und 6.

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Die wesentlichen Chemieprodukte sind Fettsäuren, Glycerin, Fett-alkohole und deren Abkömmlinge (Derivate). Sie werden als Vorpro-dukte in zahlreichen Industriebereichen eingesetzt, insbesondere inder kosmetischen und pharmazeutischen Industrie, der Nahrungsmit-teltechnik sowie für Wasch- und Reinigungsmittel. Hinzu kommenWasserglas und organische Spezialchemikalien. Deren wichtigsteAnwendungsgebiete sind die Textil- und Lederindustrie sowie dieHerstellung von Agrochemikalien, Kunststoffen, Lacken und Farben.Die Produkte werden in den großtechnischen Anlagen des Düsseldor-fer Ölviertels sowie an zahlreichen weiteren Standorten in der ganzenWelt hergestellt.

Die spürbaren Ertragsrückgänge im Markenartikelgeschäft hatten zuBeginn der 1980er Jahre durch Zuwächse in den chemischenGeschäftsbereichen ausgeglichen werden können, doch war „die Kon-junkturabhängigkeit der Umsatz- und Ergebnisentwicklung der Hen-kel-Gruppe“ durch den großen Anteil des Chemiegeschäfts seitherdeutlich erhöht worden. Trotz des innovativen Engagements warendie Ergebnisse des Unternehmensbereichs Chemieprodukte zuBeginn der 1990er Jahren rückläufig. Die wichtigsten europäischenMärkte für Chemieprodukte, in denen Überkapazitäten und Verdrän-gungswettbewerb vor allem bei Fettalkoholen, Derivaten sowie Tex-til- und Ledertechnik zu einer Preis-Erosion geführt hatten, zeigteneine anhaltende Schwäche. Hinzu kamen eine Rezession in Europa,die wirtschaftlichen Probleme in Lateinamerika und der Zusammen-bruch der sozialistischen Planwirtschaften in Osteuropa.82 So war dasBruttoergebnis der Chemieprodukte unbefriedigend.83 Wie in der ge-samten Henkel-Gruppe folgte auch im Chemiebereich eine gründ-liche Strukturbereinigung mit dem Ziel deutlicher Kostenreduzierun-gen und Ergebnisverbesserungen.

Zum 1. August 1999 gliederte Henkel den Unternehmensbereich Che-mieprodukte als rechtlich eigenständige, hundertprozentige Tochter-gesellschaft unter dem Namen Cognis aus. Damit entstand ein neues,weltweit tätiges Unternehmen mit rund 9.000 Mitarbeitern und mehrals 50 Produktions- und Servicecentern auf allen Kontinenten. Vordem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung der chemischenIndustrie sollte das Chemiegeschäft, so Hans-Dietrich Winkhaus, derdamalige Vorsitzende der Henkel-Geschäftsführung, „den nötigenSpielraum“ erhalten, „um sich schnell und flexibel im globalen Marktzu bewegen“. Die rechtliche Verselbständigung sollte dem Unterneh-mensbereich einen eigenen und direkten Zugang zu den Finanz- undKapitalmärkten öffnen. Cognis könne unter der Führung von Dr.Harald Wulff, zuvor Mitglied der Henkel-Geschäftsführung und ver-antwortlich für den Unternehmensbereich Chemieprodukte, seinekomplette Produktpalette „einem breitgefächerten Kundenstammanbieten und sich den gegenwärtigen Veränderungen des Marktes undseiner Abnehmerindustrien schneller anpassen“.

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82 Akquisitionen und Kooperatio-nen 1994 und 1995, GF,Kurzfristplanung 1994,15.11.1993.

83 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro Rother,Henkel-Planungsbuch 1991,5.12.1990.

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Die Fokussierung von Henkel auf Waschmittel und Kosmetika sowieMarken und Services bei Klebstoffen, Oberflächentechnik undHygiene bedeutete einen entscheidenden Strategiewechsel in der Fir-mengeschichte. Die Finanzierung dieser Kerngeschäfte ließen eine„nachhaltige adäquate Finanzierung des Chemiegeschäfts nicht zu“.Die Suche nach einem Minderheitspartner für Cognis schlug fehl.Darauf beschloss der Gesellschafterausschuss der Henkel KGaA imHerbst 2000, „die vorgesehene Verbindung des Chemiegeschäfts miteinem neuen Partner nicht länger von der eigenen Mehrheitsbeteili-gung abhängig zu machen – gegebenenfalls auch ganz auf eine Betei-ligung an Cognis zu verzichten“.84

Im ersten vollständigen Geschäftsjahr 2000 erzielte Cognis einenUmsatz von 3.186 Millionen Euro (6.231 Millionen DM).85 DerAnteil am Konzernumsatz der Henkel-Gruppe betrug 23 Prozent.Cognis erwirtschaftete im Jahr 2000 einen Jahresüberschuss in Höhevon 107 Millionen Euro (209 Millionen DM).

Als erstes Chemieunternehmen überhaupt erhielt die weltweite Cog-nis-Gruppe Anfang 2001 die globale Zertifizierung nach den interna-tional gültigen Qualitäts- und Umweltstandards ISO 9001 und14001.86

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84 Albrecht Woeste und Hans-Dietrich Winkhaus, Vorwort zurBroschüre Ausgliederung desUnternehmensbereichs Chemie-produkte des Henkel Konzerns,Düsseldorf 1999, S. 2f., 5.„Neue Tochter Cognis“, in:Henkel-Blick 2/1999, S. 1.Henkel Geschäftsbericht 1999,S. 14f. Cognis B.V./NL,Geschäftsbericht No. 1, DasGeschäftsjahr 1999, S. 6.Cognis Geschäftsbericht 2000,S. 1f. Auf die Ausgliederung vonCognis reagierte die Börse mitKurssprüngen von bis zu neunProzent für die Henkel-Aktie. DieCognis B.V. mit Sitz im nieder-ländischen Roermond fungiertals Holdinggesellschaft derweltweiten nationalen Cognis-Gesellschaften. Ebenda, S. 31.Siehe zu den verändertenPlänen um Cognis die Presse-mitteilung vom 13. November2000. Auch „Auf der Ideallinie“,in: Henkel-Life Spezial 11/2000,S. 1.

85 Im Gesamtumsatz sind dieUmsätze von Cognis mit Henkelenthalten.

86 Cognis Geschäftsbericht2000, S. 2f.

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Wasch- und Reinigungsmittelvon Henkel für alle Arbeiten

im Haushalt.

Horizonte und Herausforderungen

Aufbruch ins 21. Jahrhundert

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Für Haare, Haut und Mund:Kosmetik- und Körper-pflege-Produkte von Schwarzkopf & Henkel.

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Weltmarktführer mit Klebstoffen: auf der Erde

und im All (oben Mitte).

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Weltweit führend mit Produkten und Systemen zur Oberflächentechnik:Herstellung von Aluminium-Getränkedosen, Phosphatie-rungs-Tauchbad, Flugzeug-reinigung, Fahrzeugbau inder Automobilindustrie.

In Europa Spitze bei der institutionellen undindustriellen Hygiene:Produkte von Henkel-Ecolab.

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87 „Mangelhafte Information?Fragen an Geschäftsführung undBetriebsrat“, in: Henkel-Blick3/1986, S. 3.

88 „Wir haben uns auf unsereStärken konzentriert“, in:Henkel-Blick 6/1983, S. 1.

89 „Kurzarbeit für ein Viertel-jahr“, in: Henkel-Blick 9/1975,Beilage Holthausen aktuell.Siehe Henkel-Blick 4/1982,S. 2. „Mangelhafte Information?Fragen an Geschäftsführung undBetriebsrat“, in: Henkel-Blick3/1986, S. 3.

90 „Ziele für jeden von uns“, in:Henkel-Blick 2/1990, S. 1 und 8.

Beschäftigung

Im Zuge von Integrationen und Divestments wurden ab den 1970erJahren Umstrukturierungsmaßnahmen vorgenommen, die die Zahl derBeschäftigten von Henkel in Deutschland reduzierten. Der „sozialver-trägliche Personalabbau“ sollte ohne betriebliche Kündigungen erfol-gen und reichte von vorzeitigen Pensionierungen über innerbetriebli-che Umsetzungen (interner Stellenmarkt) bis hin zur Ausnutzung dernatürlichen Fluktuation unter Verzicht auf Neueinstellungen.87 Vorallem die Frühpensionierung wurde zu einem Instrument der Perso-nalanpassung: 1975 verabschiedete Henkel erstmalig eine generellePensionsregelung, nach der Frauen mit Vollendung des 57. und Män-ner mit Vollendung des 58. Lebensjahres in den vorzeitigen Ruhestandtreten konnten, sofern ihr Arbeitsplatz nicht wieder besetzt wurde: Biszu ihrer gesetzlichen Pensionierung erhielten diese Mitarbeiter einenunternehmerischen Zuschuss zur gesetzlichen Versorgung, der ab 1981als Übergangsgeld 90 Prozent der letzten Nettobezüge betrug.88 Infol-ge der erneuten Anpassungs- und Einsparungsmaßnahmen in derersten Hälfte der 1990er Jahre reduzierte sich die Zahl der bei Henkelin Deutschland Beschäftigten von 18.329 im Jahr 1991 auf 15.878 zum31. Dezember 2000.

Die Personalmaßnahmen der 1970er und 1980er Jahre wirkten sichbelastend auf das Betriebsklima in Düsseldorf aus. Einen negativenEinfluss auf die Motivation der Mitarbeiter besaßen das Einfrierenvon Sozialleistungen sowie Lohn- und Gehaltsstopps. Vor allem aberbeklagten die Beschäftigten ein Informationsdefizit über die Situationdes Unternehmens, das von vielen als existentielle Unsicherheit emp-funden wurde.89

Nach Durchschreiten der Talsohle Mitte der 1970er Jahre wurde die Per-sonalführung noch mehr als zuvor zu einer unternehmerischen undgesellschaftlichen Aufgabe. Gemäß dem aus den USA stammendenHuman Relations-Ansatz wurde jeder Mitarbeiter als „Individuum mitunwiederholbarer, einmaliger Ausprägung von Anlagen, Erziehung,Erfahrungen“ betrachtet, der Anspruch auf eine individuelle Personalför-derung haben sollte. Diese konzentrierte sich vor allem auf die „Huma-nisierung“ der Arbeit über die Bereiche Ergonomie (Optimierung desVerhältnisses von Mensch-Maschine-Umwelt), Arbeitsschutz und Orga-nisation sowie über psychologische Dienste. Diese Politik resultierte ausder Erkenntnis, dass motivierte Mitarbeiter zum Unternehmenserfolgbeitrugen: „Nur leistungsbereite und hochqualifizierte Mitarbeiter brin-gen uns weiter auf dem Weg zur Spitzenfirma.“ Aus diesem Grunde startete Henkel 1990 eine Henkel-Mitarbeiter-Initiative, die auf die indi-viduelle Förderung des Einzelnen setzte und durch Gruppenarbeit undTeams neue Produktionsstrukturen schuf.90

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Belegschaftsentwicklung der Henkel KGaA 1974 bis 2000

Quellen: K101, Belegschaftsent-wicklung 1876 bis heute,Aktennotiz PPC/Anna Lauer vom28.3.2000, Jahresabschlussder Henkel KGaA 1998, S. 16.Ab 1989 zu Vergleichszweckenangepasst, ohne Werkstuden-ten/Praktikanten und Altersteil-zeit in Freistellung; ab 1999: ohne Cognis.

Traditionell beschäftigte Henkel eine große Zahl von weiblichen Beschäf-tigten in Produktion und Verwaltung. Dem sich verändernden Selbstver-ständnis von Frauen trug das Unternehmen seit den 1970er Jahren durchFrauenförderprogramme, verbesserte Aufstiegsmöglichkeiten sowiedurch Angebote zur Vereinbarung von „Beruf und Familie“ Rechnung:Der 1989 im Auftrag der Geschäftsführung gegründete Henkel-Arbeits-kreis „Frauenförderung“ setzte sich aus 14 Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern verschiedener Unternehmensbereiche zusammen. Seine Aufgabewar es, die Situation der Mitarbeiterinnen bei Henkel zu analysieren, neueIdeen zur Frauenförderung zu entwickeln und zu ihrer Umsetzung beizu-tragen. Erstes Ergebnis war die Betriebsvereinbarung „Familie undBeruf“, die den weiblichen Beschäftigten auch nach Ablauf des gesetz-lichen Erziehungsurlaubs eine zusätzliche Erziehungszeit einräumte. Fle-xible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit, Hausarbeitstage und Kinderbetreu-ungsmaßnahmen entlasteten die Mitarbeiterinnen zusätzlich.91

91 K1, Personalmanagement,Broschüre „Mehr Frauen“, 1991.Intern 1/1993, S. 5.

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92 Verwaltungsrat Henkel GmbH,20.10.1971. Auch Henkel-Blick,2/1972, S. 1f. Intern 2/1973.Siehe dazu zehn Jahre späterdas Interview des Henkel-Personal-Vorstands Dr. DieterSchlemmer, in: Personalwirt-schaft 11/1978, S. 365–367,hier S. 366. Siehe auch„Zauberwort Flexibilität“, in:Henkel-Blick 7/1987, S. 6f. zurTeilzeitarbeit bei Henkel.„Flexible Funktionszeit“, in:Henkel-Blick 2/1996, S. 3.

Mit Blick auf die Veränderungen in der Produktion gewannen die For-men der flexiblen Arbeitszeitgestaltung, vor allem auch der Teilzeitar-beit, besondere Bedeutung. Erste Versuche mit gleitender Arbeitszeitunternahm Henkel 1972 auf Wunsch der Düsseldorfer Belegschaft, ins-besondere der leitenden Angestellten, „nach individuellerer (und dadurchkreativerer) Arbeitszeitgestaltung“. Der einjährige Testlauf wurde in denAbteilungen und Betrieben der Sparte Anorganische Produkte/Klebstof-fe, Verwaltung, Klebstoffwerk Süd, Zentralwerkstatt sowie im Produkt-management der Sparte Waschmittel durchgeführt. Ab 1973 wurde diegleitende Arbeitszeit sukzessive auch auf die übrige Verwaltung sowiedie Verbundenen Unternehmen ausgedehnt. Seit den 1980er Jahren gehö-ren die Formen flexibler Arbeitszeitgestaltung zu den festen Bestandtei-len unternehmerischer Personalpolitik von Henkel. Zum 1. April 1996wurde die Gleitzeit durch die sogenannte flexible Funktionszeit abgelöst,die auf eine weitere Anpassung der Arbeitszeit an die Produktionserfor-dernisse gerichtet war.92

Aufgrund der Ergebnisse der Führungskräftebefragung 1990 sowieeiner Analyse von Personal-Einflussfaktoren der 1990er Jahre initi-ierte Personal-Vorstand Dr. Roland Schulz 1991 ein Programm unterdem Begriff „Kultur-Evolution“. Sechs international und interdiszi-plinär zusammengesetzte Projektgruppen zu folgenden Themen wur-den gebildet:

1. Interne Information und Kommunikation,2. Führungskultur,3. leistungsorientierte Honorierung,4. Personalordnung,5. Internationalisierung und6. Personalentwicklung.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden vernetzt und in einen gro-ßen Aktionsplan übersetzt, der von der Geschäftsführung in den Jah-ren 1992 bis 1994 verabschiedet und in einer Vielzahl von Maßnah-men umgesetzt wurde. Wesentliches Entscheidungskriterium dabeiwar es, die Wettbewerbsfähigkeit von Henkel in einer sich verändern-den Welt zu erhalten und zu steigern. Dabei ging es im einzelnendarum, Henkel fit zu machen für den globalisierten Wettbewerb, dasUnternehmen zu „entbürokratisieren“, die Schnelligkeit der Informa-tions- und Entscheidungsprozesse zu erhöhen, die Chancengleichheitaller Mitarbeiter sicherzustellen und die Menschen als wichtigsteRessource zu erkennen, zu bewerten und zu entwickeln.

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Aus der Vielzahl der durchgeführten Maßnahmen seien einige her-vorgehoben:

■ Bewertung aller Stellen für Führungskräfte weltweit, um damit dieEinheitlichkeit, Vergleichbarkeit und „Gerechtigkeit“ zu gewähr-leisten.

■ Nennenswerte Ausweitung der Leistungsspanne und damit Redu-zierung der Tiefe der Hierarchie („Delayering“).

■ Jährliche Zielvereinbarungsgespräche aller Führungskräfte, indenen das Ziel der Henkel-Gruppe kommuniziert sowie die Team-und Individualziele vereinbart werden.

■ Einführung eines nennenswerten variablen Vergütungssystems fürdas Erreichen oder die Überschreitung der vereinbarten Ziele.

■ Etablierung von Gehaltsbändern für das Basisgehalt, das sichprimär an dem Positionswert der Stelle, dem Marktwert und derLeistung des Stelleninhabers orientiert.

■ Vergabe von besonderen „Awards“ für außergewöhnliche Leistun-gen.

■ Starke Konzentration auf die Bedeutung „guter Führung“ für alleTeile des Unternehmens. Intensive Schulung zu den „Leitlinien fürFührung und Zusammenarbeit“. Verteilung der Broschüre (nachÜbersetzung in alle Landessprachen) an sämtliche 60.000 Mitar-beiter.

■ Etablierung eines neuen Beurteilungssystems, in dem die für Hen-kel relevanten Schlüsselqualifikationen in einem Mitarbeiterge-spräch bewertet werden.

■ Einführung von zweitägigen Personalentwicklungsseminaren, indenen sich Nachwuchsführungskräfte durch Senior-Manager inkonkreten Aufgabenstellungen beobachten und bewerten lassen.

■ Entwicklung eines „Management-Reviews“, in das alle Führungs-kräfte nach den Dimensionen „Leistung“ und „Potential“ einge-ordnet werden. Dieses Management Review dient als Grundlagefür Weiterbildung, Job Rotation und Nachfolgeplanung.

■ Zusammenfassung und Weiterentwicklung aller Weiterbildungs-maßnahmen in der „Henkel-Global-Academy“, in der alle Füh-rungskräfte, die für Beförderungen vorgesehen sind, an bestimm-ten – aufeinander abgestimmten – Seminaren teilnehmen.

Insgesamt hat Henkel in den 1990er Jahren auch im Bereich der Per-sonalpolitik einen bemerkenswerten Wandel vollzogen, ohne damitdie soziale Tradition in Frage zu stellen. Damit wurde ein wichtigerBeitrag für die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit des Unterneh-mens geleistet.93

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93 Zur „Kultur-Evolution“ sieheRoland Schulz, Alles eine Fragedes Umdenkens. ChangeManagement zum internenMarketing. In: Management derWerte im Wandel. (Festschriftfür Hans-Dietrich Winkhaus zum60. Geburtstag) Düsseldorf,1997, S. 99-115.

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Teamwork in Düsseldorf: inder Zentralen Analytik, in derChemischen Ausbildung und

in der Megaperls-Fabrik.

Horizonte und Herausforderungen

Aufbruch ins 21. Jahrhundert

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Forschungsarbeiten undUntersuchungen in Cognis-Laboratorien, am Rasterelek-tronenmikroskop und imLiofol-Technikum.

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Strategie-Besprechung zurInformationstechnologie: perVideokonferenz mit Kollegenin der ganzen Welt verbunden.

Internationale Orientierung:Das Team der Unterneh-menskommunikation richtetThemen und Arbeitsweisenweltweit aus.

Plakataktion gegen Auslän-derfeindlichkeit, Sommer2000. Ganz rechts: DerBetriebsratsvorsitzende,Winfried Zander, redet aufder Belegschaftsversamm-lung des Werks Düsseldorf-Holthausen, 2001.

Vertragsunterzeichnung zum Europäischen Arbeit-nehmergremium (EAG) am31. Januar 1995: Dr. RolandSchulz, Winfried Zander,

Gottfried Neuen, Dr. Hans-DietrichWinkhaus undPeter Armknecht(von links).

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Umsatz

Ab Mitte der 1970er Jahre verzeichnete Henkel ein stetiges Wachstum,das lediglich durch punktuelle Einbrüche wie etwa Mitte der 1980er Jah-re unterbrochen wurde. Der Gesamtumsatz der Henkel-Gruppe stieg von5,1 Milliarden DM im Jahr 1976 auf 9,2 Milliarden DM im Jahr 1987 an.Schon im folgenden Jahr wurde die Schwelle zu einem Umsatz von10 Milliarden DM überwunden und 1997 die 20 Milliarden DM-Hürde.Im Jahr 2000 erreichte der Umsatz knapp 25 Milliarden DM.

Als diversifiziertes Unternehmen gelang es Henkel ab den 1960erJahren, Weltmarktschwankungen im Grundstoffbereich durch dasKonsumgütergeschäft auszugleichen. Der umgekehrte Fall lässt sichin den 1980er Jahren beobachten, als die rückläufige Entwicklung imKonsumgüterbereich durch steigende Umsätze im Chemiesektorkompensiert werden konnte. Mit Beginn der 1990er Jahre zeichnetesich in allen Unternehmensbereichen eine Erholung ab, die allerdingsab Mitte der 1990er Jahre erneut von einer rückläufigen Entwicklungvor allem bei Markenartikeln und Klebstoffen abgelöst wurde.

Die Jahresüberschüsse der Henkel-Gruppe stiegen von rund 75 Milli-onen DM im Jahr 1976 auf 292 Millionen DM im Jahr 1987 underreichten im Jahr 2000 mit 988 Millionen DM ihren bislang höchstenStand. Dabei pendelte die Nettoumsatzrendite bis heute zwischenknapp 3 und 4 Prozent.

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Umsätze und Jahresüberschüsse Henkel Konzern 1974 bis 2000 in Millionen DM

Quelle: Henkel-Geschäftsberich-te 1974 bis 2000. Jahresüberschüsse 1974 bis1982: Henkel Konzern (Inland),ab 1983: Henkel-Welt.

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94 153/45, GemeinsamePostbesprechung, 16.3.1971.

95 153/49, Post ZGF Nr. 33,25.8.1970.

96 153/46, GemeinsamePostbesprechung, 5.12.1972.

97 Verwaltungsrat Henkel GmbH14.3.1973, Protokoll Nr.2/1973, 17.3.1973.

98 GF-Sekretariat, GF-Klausur-tagung, 7./8.8.1990. Henkelreichte die Patentanmeldung fürZeolith A kurz vor Procter &Gamble ein.

Umweltpolitik

Ab Beginn der 1970er Jahre wurden „Fragen und Probleme desUmweltschutzes [...] durch eine massive Diskussion in den Massen-medien in die breite Öffentlichkeit getragen“. Nachdem Bundeskanz-ler Willy Brandt bei seinem Amtsantritt 1969 „den Willen der Regie-rung zu konstruktiven Maßnahmen in Sachen Umweltschutz“ betonthatte, legte im September 1970 Bundesinnenminister Hans-DietrichGenscher dem Kabinettsausschuss ein umfassendes Umweltschutz-programm zur Bekämpfung der Luft- und Wasserverschmutzung, desLärms und der steigenden Müllmengen vor.94

Aufgrund des hohen Eutrophierungsgrades der Gewässer durchWaschmittel gerieten die Produzenten in die Schusslinie der Umwelt-schutzbewegung. Die Kritik entzündete sich an den Phosphaten, diezu den wichtigsten Bestandteilen von Waschmitteln gehören. Siewirkten wasserenthärtend und verhinderten Kalkablagerungen auf derWäsche und in der Waschmaschine. Wenn sie mit dem Abwasser instehende Gewässer gelangten, trugen sie jedoch zu einer Überdün-gung und einer Verknappung des Sauerstoffs bei.

Henkel betrachtete die behördlichen Auflagen und gesetzlichen Verbote„auf Sicht“ als „existenzbedrohend für unser Unternehmen“. „Die sorg-fältige Beobachtung und aktive Mitarbeit auf diesem Gebiet ist für unsdaher von ausschlaggebender Bedeutung“.95 Mit Blick auf bevorstehen-de staatliche Regulierungsmaßnahmen bemühte sich die internationaleKonsumgüter- und Chemieindustrie vorbeugend, Abhilfe zu schaffen.Daher fanden umweltstrategische Überlegungen auch Eingang in die1972 formulierte Henkel-Spartenstrategie Waschmittel: „Die Sparte solldefensive und offensive Umweltschutzprogramme im Unternehmen for-dern und fördern.“96 Intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeitenbefassten sich bereits ab 1973 „vorsorglich mit phosphatarmen oderphosphatfreien Produkten“, obwohl „ein vollwertiger Ersatz des Phos-phats durch einen anderen Rohstoff [...] noch nicht möglich“ war.97

Die seit den frühen 1960er Jahren weltweit einsetzende fieberhafteSuche nach einem Phosphat-Ersatzstoff beendete Henkel 1973 mitder Entwicklung und Patentierung von Zeolith A (Markenname:Sasil), einem umweltverträglichen Phosphat-Ersatzstoff, auf dessenGrundlage 1977 Prodixan als erstes phosphatarmes Waschmittel her-ausgebracht wurde. Nachdem Persil 1986 komplett phosphatfrei aufden Markt kam, vermarktet Henkel in Deutschland seit 1989 nur nochphosphatfreie Waschmittel. Damit kann das Unternehmen seit 1990„eine ökologisch orientierte Produktrange, die Pulver-Waschmittel,Flüssigwaschmittel, Haushaltsreiniger und Weichspüler umfasst“,anbieten. Der auf diese Weise erzielte Wettbewerbsvorsprung hieltnicht lange vor, wurden die Patente an Sasil doch gemeinsam mit derDegussa AG im Joint Venture Sasil Patentverwertungsgesellschaftweltweit vermarktet und somit „von anderen rasch übernommen“.98

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Ergänzt wurde diese Waschmittel-Initiative durch die Entwicklungneuer umweltverträglicher Verpackungssysteme sowie FCKW-freierProdukte.99 Die Diskussion um die negativen Wirkungen von FCKW-Treibgasen auf die Ozonschicht der Erde veranlasste die Produzentenseit Mitte der 1970er Jahre dazu, die Verwendung solcher Treibgasein Aerosol-Dosen, die etwa bei der Abfüllung von Körper- und Haus-haltspflegemitteln eine große Rolle spielten, zu reduzieren und nachAlternativsubstanzen und -technologien zu suchen. Allerdings solltees noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis Henkel auf dem deutschenMarkt endgültig Abschied von dem bislang wichtigsten Treibgas neh-men konnte: 1987 begann das Unternehmen, die deutsche Produktionauf FCKW-freie Substanzen umzustellen, und zu Beginn des darauf-folgenden Jahres auch die europäische Produktion.100

Bei den Klebstoffen führte die Ökologiebewegung der 1970er Jahrezur Entwicklung von umweltverträglichen, da lösemittelfreien Kleb-stoffen.101 1976 hatte Henkel die Haushaltskleber-Palette um einelösemittelfreie Pritt-Allesklebe-Creme erweitert, und bis 1989 konntedie gesamte Pritt- und Pattex- sowie Fußbodenkleberpalette auf Löse-mittelfreiheit umgestellt werden.102

Seit Jahrzehnten beschäftigte sich Henkel bei den Chemieproduktenmit nativen, auf der Basis nachwachsender Rohstoffe gewonnenenProdukten wie den natürlichen Fettalkoholen. Unterstützt wurde die-ses Geschäft durch die sich langfristig abzeichnende Verknappung desErdöls, die die Oleochemie zu einer „attraktive[n] Alternative“ fürpetrochemische Rohstoffe werden ließ. Natürliche Öle und Fettebesaßen als nachwachsende Rohstoffe den Vorteil, auch bei geringemAnbauaufwand eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten.103

Zwar führten Chemieprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen imVergleich zu Produkten auf petrochemischer Basis zunächst noch einNischendasein, doch für Henkel wurde ihre Verwendung bereits frühzu einem strategischen Gebot: Zum Prinzip „Sustainable Develop-ment“ (einer „nachhaltigen Entwicklung“) bekannte sich Henkelbereits 1991 als eines der ersten Industrieunternehmen weltweit.Damit unterstützt die Henkel-Gruppe „die Bestrebungen von Staat,Wirtschaft und Gesellschaft zum schonenden Umgang mit denRessourcen und zur Einbeziehung ökologischer Verträglichkeiten“.104

Umweltverantwortliches und verbraucherschützendes Handeln sowieeine aktive Umweltschutz-Philosophie fanden schon früh Eingang indie Unternehmensgrundsätze von Henkel, die seit den 1970er Jahrendie Basis für die umweltpolitischen Leitlinien des Unternehmens bil-den. 1982 formulierte Henkel erstmals für den gesamten Konzern gül-tige „Grundsätze zum Umwelt- und Verbraucherschutz“. Damit wardas Unternehmen einem Umdenkungsprozess weit voraus, der in dergesamten chemischen Industrie seit Mitte der 1980er Jahren zu beob-achten war. Mit der umweltpolitischen Öffnung, etwa durch die seit1992 initiierte Kampagne „Chemie im Dialog“ des Verbands der Che-mischen Industrie (VCI), reagierten die Unternehmen auf die Image-schäden durch eine Reihe von weltweiten Chemiekatastrophen wieetwa in Seveso oder Bhopal. Seit 1992 informiert Henkel die Öffent-

99 Bericht für den Aufsichtsrat,4. Quartal 1982, 22.3.1983.„Mit einer Nasenlänge Vor-sprung. Henkel-Forschungentwickelt Phosphat-Substitut“,in: Henkel-Blick 12/1976, S. 1und 3. „Paukenschlag fürUmwelt und Kunden“, in: Henkel-Blick 1/1989, S. 1.

100 Post GF Nr. 47, 1.12.1987.Post GF Nr. 1, 5.1.1988.

101 321/1866, Strategie der S-AK. Vortrag anlässlich derEuropäischen Marketingkonfe-renz Klebstoffe, in Sitges,Spanien, 10./11.6.1974. Sieheauch Wolf-Rüdiger Streck,Chemische Industrie. Struktur-wandlungen und Entwicklungs-perspektiven (= Struktur undWachstum, Reihe Industrie, Heft36), Berlin/München 1984, S. 216.

102 153/59, Post ZGF,16.3.1976. Intern 2/1989, S. 4.

103 „50 Jahre natürliche Fett-alkohole von Henkel“, in: Henkel-Blick 10/1981, S. 1. GünterFelletschin/Jürgen Knaut/Manfred Schöne, DeutscheHydrierwerke (DEHYDAG).Stationen ihrer Geschichte (=Schriften des Werksarchivs 12),Düsseldorf 1981, S. 94f. Post ZGF Nr. 2, 15.1.1985.

104 Siehe im einzelnen aus derSicht der Henkel KGaA WilfriedUmbach, Chemieprodukte ausnachwachsenden Rohstoffen –Antworten auf die Herausforde-rungen der Zukunft, in: HorstEierdanz (Hrsg.), Perspektivennachwachsender Rohstoffe inder Chemie, Weinheim/NewYork 1996, S. XXIX–XLI.

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105 Dazu auch Interview Hans-Dietrich Winkhaus, 26.6.2000,S. 17.

106 Leitbild, Grundsätze,Strategie der Henkel-GruppeGrundsatz Nr. 6, 1994.

107 „Charter für eine langfristigtragfähige Entwicklung“, in:Henkel-Blick 6/1991, S. 3. Auchebenda, „Ökologie als Zukunfts-chance“. Siehe zu nachwachsen-den Rohstoffen: „Karriere für dieSonnenblume“, in: Henkel-Blick10/1995, S. 1 und 3. Im selbenJahr wurde Hans-DietrichWinkhaus von Capital und WWFzum „Ökomanager des Jahres“gewählt. „Öko-Leadership – eineHerausforderung“, in: Henkel-Blick 10/1994, S. 3. Intern1/1995. „SHE informiert“, in:Henkel-Blick 4/1995, S. 9.„Baustein zur Zukunftsfähigkeit“,in: Henkel-Blick 8/1995, S. 3.„Keine Papiertiger“, in: Henkel-Blick 6/1999, S.3. „Umwelt-Spitzenreiter weltweit“, in:Henkel-Blick 9/1999, S. 1 und 3. Anlässlich der Verleihungdes BDI-Umweltpreises 2000:„Henkel ehrt Henkel“, in: Henkel-Blick 7/2000, S. 1.

lichkeit in einem jährlich erscheinenden Umweltbericht über neueUmwelttechnologien in der Henkel-Gruppe, ökologische Forschungs-und Entwicklungsarbeiten, die verbesserte Umweltverträglichkeit vonHenkel-Produkten und -Dienstleistungen, die umwelttechnische und -politische Schulung der Beschäftigten, die technologische Folgenab-schätzung und die Notfallvorsorge.105

Seit 1994 versteht Henkel den Umweltschutz, der für das Unterneh-men auch „gutes Image und gute Geschäfte“ bedeutet, als weltweiteAufgabe und fasst dies in seinem Anspruch auf „Öko-Leadership“(„Henkel ist das ökologisch führende Unternehmen“) zusammen.Öko-Leadership formuliert die von der Öffentlichkeit wahrgenomme-ne Führungsrolle von Henkel in Fragen des Umwelt- und Verbrau-cherschutzes sowie der Sicherheit, die am Markt in Wettbewerbsvor-teile umgesetzt werden.106

Neben dem strategischen Leitbild des „Sustainable Development“zielt die Selbstverpflichtungs-Charter der internationalen Chemie-industrie „Responsible Care“ („Verantwortliches Handeln“) auf dieweltweite Verbesserung von Sicherheits-, Gesundheits- und Umwelt-schutz über die gesetzliche Vorgaben hinaus. Zur Realisierung der1995 überarbeiteten und neu herausgegebenen „Grundsätze und Zie-le zu Umweltschutz und Sicherheit“ richtete Henkel das Netzwerk„Safety, Health, Environment, Quality“ (SHEQ) ein, das den umwelt-politischen Austausch zwischen sämtlichen Henkel-Tochtergesell-schaften zum Ziel hat. 1997 formulierte das Unternehmen erstmalsweltweit verbindliche SHE-Standards, die 1999 mit 55 Richtlinien fürden internen Gebrauch präzisiert und veröffentlicht wurden. Dieöffentliche Anerkennung für die umweltorientierte Unternehmenspo-litik von Henkel, die weit über die bislang betriebene Umweltpolitikvon Unternehmen hinausgeht, zeigte sich zuletzt in der Verleihungzahlreicher internationaler Umweltpreise an das Düsseldorfer Unter-nehmen.107

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In der Zentralen Abwasseran-lage werden alle Abwässerdes Werks Düsseldorf-Holthausen vorgeklärt. Dieautomatische Überwachungwird von Fachpersonalkontrolliert.

Dem Rhein entnehmenHenkel-Mitarbeiter regel-mäßig Proben, um dieWasserqualität zu testen,1960 (ganz links) und 1997 (rechts).

Mitte: Riesige Schaumbergebelasten die Gewässer in den frühen 1960er Jahren.Neu entwickelte Waschmit-tel-Inhaltsstoffe schaffen hier Abhilfe.

1966 Bahnbrechender Erfolgder Henkel-Forschung: dieEntwicklung von Sasil(Modell, ganz links) alsPhosphatersatz in Wasch-mitteln.

Rechts: Statt in Tierver-suchen kann mit dem HET-CAM-Test in Hühnereierndie Hautverträglichkeit vonProdukten getestet werden.

Ein Kaskadenmodell simuliert in der ForschungBiologie die natürlichenBedingungen in Wasser-läufen, 1986.

Horizonte und HerausforderungenAufbruch ins 21. Jahrhundert

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VomDrei-Mann-Betrieb

zur internationalenFirmengruppe:

Die Gesellschafts-form und ihre

Veränderungen

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Der Grundsatz „Firma geht vor Familie“ prägt die Geschäftspolitikvon Henkel bis in die Gegenwart und soll den Fortbestand als welt-weit wachsendes Familienunternehmen ermöglichen. Nach Dr. Kon-rad Henkel wurde diese Prämisse auch zum Leitspruch von Dipl.-Ing.Albrecht Woeste, der seit Dezember 1990 als Nachfolger von KonradHenkel den Vorsitz des Aufsichtsrats und des Gesellschafterausschus-ses innehat.1

Auch Christoph Henkel, der Sohn von Konrad Henkel und seit 1994stellvertretender Vorsitzender des Gesellschafterausschusses, nahmauf dieses Statut in einer Vortragsveranstaltung des IMD anlässlichder Auszeichnung mit dem „IMD Distinguished Family BusinessAward“ in Stockholm im Herbst 1999 Bezug: Nach wie vor versteheer unter einer offenen Familiengesellschaft „das konstruktive Mitein-ander zwischen Firma und Familie“. Die Familie Henkel und die Fir-ma, so Christoph Henkel, seien „eine starke Einheit“, in der nach wievor der Grundsatz „Firma geht vor Familie“ gelte. Mit dem Awardwurde Henkel als ein Unternehmen geehrt, das die geschäftlichen undfamiliären Interessen erfolgreich miteinander verbunden habe. Hen-kel habe die „schwierige Phase des Übergangs von einem unterneh-merisch kontrollierten zu einem professionell verwalteten Unter-nehmen gemeistert“ und sei deshalb Vorbild für andere Familienge-sellschaften. Bis heute verfügt die Familie durch die Nominierungvon neuen Mitgliedern der Geschäftsführung und Entscheidungenüber wichtige Akquisitionen über zentrale Einflussmöglichkeiten aufdie Geschäftspolitik.2

1 Siehe etwa Henkel-Blick2/1991, S. 4. Hans Otto Eglau,Persil bleibt Persil. Der mühsameWandel einer Familienfirma, in:Die Zeit vom 22.8.1985.Albrecht Woeste gehört demdurch Emmy Lüps, geb. Henkel,begründeten Familienstamm an.Bereits bei der Einführung derdritten Generation galt dasPrinzip „Über der Familie stehtdie Firma! Über der Firma stehtdas Vaterland!“ FeierlicheVerpflichtung der III. Generationder Familie Henkel durch denBetriebsführer Dr. Hugo Henkel,in: BvH 18, 1938, S. 317.

2 A 373, Christoph Henkel,Vortrag, Stockholm, 17.9.1999. „VorbildlichesFamilienunternehmen“, in:Henkel-Blick 10/1999, S. 3. IMD = International Institute forManagement Development mitSitz in Lausanne, Schweiz.

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3 55/2, Dr. Friedrich Bohmert,Zusätzliche Informationen zumFirmenkonzept Henkel,9.1.1969: Vor dem ZweitenWeltkrieg hatte Henkel überwie-gend Firmen gekauft, die dieVersorgung mit Roh- undHilfsstoffen sichern sollten oderdie Konkurrenz für das Kernge-schäft darstellten.

4 BvH 6, 1919, S. 55f. AuchHundert Jahre Henkel, S. 85.

5 455/3, Jost Henkel anWaldemar Koch, 30.4.1947.289/1122, VerzeichnisBeteiligungsgesellschaften undUnterbeteiligungsgesellschaftender Henkel-Gruppe, 9.3.1942.Siehe auch ebenda, Entwicklungder Beteiligungen der PersilGesellschaft mbH, Düsseldorf,4.2.1964: Beim Beteiligungsge-schäft unterschied Henkel nach„Organgesellschaften“, alsoMehrheitsbeteiligungen,„Schachtelbeteiligungen“, alsoUnterbeteiligungen, undsonstigen Beteiligungen im In-und Ausland wie etwa reinenKapitalbeteiligungen. Siehe auchHenkel, Werden und Wirken,S. 145. Juristische Unterlagen,Brandt an W. Lüps u.a.,20.1.1942.

Von der Privat- zur Kapitalgesellschaft (1876 bis 1950)

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Die Henkel-Gruppe ist heute ein weltweit tätiger Spezialist für Mar-kenartikel und Systemgeschäfte. Durch den internen Ausbau und denErwerb von Beteiligungen und Tochtergesellschaften sowohl imKerngeschäft als auch im Rohstoffbereich sowie auf benachbartenGebieten verzeichnete das Unternehmen seit dem Ersten Weltkriegein deutliches Wachstum, das auch die Rechtsform und Organisationder Gesellschaft beeinflusste.3

Fritz Henkel hatte 1876 in Aachen mit zwei Geschäftspartnern dieoffene Handelsgesellschaft Henkel & Compagnie gegründet. Nachdem Ausscheiden seiner Kompagnons war die OHG 1879 „mit allenAktiven und Passiven“ auf Fritz Henkel als alleinigem Inhaber über-gegangen und zu einer Einzelgesellschaft geworden. Zur Vorbereitungder Teilhaberschaft der beiden Söhne Fritz Henkel jun. (Eintritt 1893,Teilhaber 1904) und Dr. Hugo Henkel (Eintritt 1905, persönlich haf-tender Gesellschafter 1908) wurde das Unternehmen erneut 1904 ineine OHG umgewandelt. 1911 wurde auch die einzige Tochter Emmyzur persönlich haftenden Gesellschafterin ernannt.

Nach den Wirren des Ersten Weltkriegs wurde die Leitung des Unter-nehmens 1919 „zur Entlastung der Inhaber“ einem Direktorium miteinzelnen Ressortverantwortlichen übertragen, dem die acht HerrenDr. Bernhard Werner (Vorsitz, Personal, Kasse, Buchhaltung, Patente,Matthes & Weber), der langjährige Kontor-Leiter Peter Schifferde-cker, Oskar Reich (Waschmittel-Verkauf, Reisende, Werbung), Dr.Otto Bartz (Einkauf, Kalkulation, Verkauf Wasserglas und Chemie-produkte), Dr. Hermann Weber (Extraktion, Seifenfabrik, Glycerin,Schwefelsäure), Dr. Ernst Leskien (Persil, Bleichsoda, Wasserglas),Dr. Walter Weber (Wissenschaftliche Fragen) und Victor Funck (tech-nische Angelegenheiten) angehörten.4

Im Zuge der Nachkriegskonjunktur expandierte das Unternehmenderart, dass erneut eine Umorganisation der Firma vorgenommenwerden musste. 1922 wurde der gesamte Geschäftsbetrieb der OHGauf die beiden neu gegründeten Stammgesellschaften Henkel & CieGmbH und Henkel & Cie AG übertragen, deren Gesellschafter derUnternehmensgründer und seine drei Kinder waren. Während dieGmbH die Produktionsgesellschaft und Trägerin des Vermögens warsowie Beteiligungsgesellschaften und Unterbeteiligungen (sogenann-te Schachtelgesellschaften) umfasste, fungierte die AG als Verkaufs-gesellschaft.5

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Die Beteiligungsverhältnisse der Anteilseigner legte KommerzienratFritz Henkel in seinem 1926 verfassten Testament fest, wonachjeweils 40 Prozent des Firmenkapitals den beiden geschäftsführendenSöhnen Fritz und Hugo und 20 Prozent der Tochter Emmy Lüpszustehen sollten. Die Regelung sollte bis heute bestimmend für dasVerhältnis der drei „Familienstämme“ zueinander bleiben. Unabhän-gig von seinem Kapitalanteil verfügte jeder Stamm über eine Stimmeund besaß das Recht, einen Angehörigen in die Geschäftsleitung zuentsenden. Dieses Prinzip verlor allerdings seit den 1970er Jahren anBedeutung. Als letzte Familienmitglieder verließen Dr. Jürgen Man-chot, Enkel von Fritz Henkel jun., 1976 und Dr. Konrad Henkel 1980die Geschäftsführung der Henkel KGaA und wechselten in denGesellschafterausschuss beziehungsweise Konrad Henkel auch in denAufsichtsrat.6

6 Hundert Jahre Henkel, S. 76.153/68, Post-Protokoll,23.7.1968. 153/9, Post-Protokoll, 6.1.1953. A 373,Christoph Henkel, Vortrag,Stockholm 17.9.1999. Siehedazu auch die EinschätzungHelmut Sihlers im Interview,26.5.2000, S. 16f.: Der letzte,im Jahr 1996 geschlosseneAktienbindungsvertrag wurdenicht mehr von allen Familienan-gehörigen unterzeichnet.

7 289/1270, Schmelz, Fragender Kapitalentflechtung bei derFirma Henkel, 19.5.1947. Soauch der Bericht über dieBesprechung bei Hugo Henkelam 16. Juni 1947, 19.6.1947in 289/1270. Siehe etwa455/104, Protokoll derBesprechung der Geschäftslei-tung und des engeren Ausschus-ses vom 21.6.1946 zurKommunalisierung des Henkel-Betriebs. Auch Bohmert,Treuhänderschaft, S. 23. In den1960er Jahren wurde dieSozialisierungsfrage von denGewerkschaften erneut aufge-worfen: 153/21, Protokoll vom12.3.1963: So vertrat „derBeirat der IG Chemie [...] dieAnsicht, [...] dass auf dieÜberführung der Schlüsselindus-trien und anderer markt- undwirtschaftsbeherrschenderUnternehmungen in Gemeinei-gentum nicht verzichtet werdenkönne. Das gelte insbesonderefür die chemische Industrie, diesich in immer stärkerem Maßekonzentriere“.

8 Ordner Henkel 3, ProtokollBesprechung, 18.11.1946.

9 Ordner Henkel 3, Jost Henkel,Willy Manchot, Besprechungenin Minden, 15. und 16.1.1947.

10 Ordner Henkel 2, WalterKobold an Jost Henkel,14.9.1945. Ordner Henkel 3,Dr. Ernst Petersen an Kobold,3.1.1947. So auch die Einschät-zung Konrad Henkels: Ebenda,K. Henkel an Kobold, 5.1.1947.Siehe auch Interview HelmutSihler, 26.5.2000, zur PersonWalter Kobolds.194

Dekonzentrations-bestrebungen

nach 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte die Zerschlagunggroßer Unternehmenskonglomerate durch Demontage und Dekonzen-trationsmaßnahmen zu den vorrangigen Zielen der Besatzungsmäch-te. Nach dem Einmarsch der Alliierten versuchte Henkel, wie andereUnternehmen auch, dem Druck der Militärregierung oder den Sozia-lisierungsbestrebungen in Form von freiwilligen Entflechtungsmaß-nahmen zuvorzukommen.7 Doch sollte abgewartet werden, „bis einderartiges Ansinnen von englischer oder amerikanischer Seite ausgeäußert wird“.8 Henkel & Cie galt nach den IG Farben und der Kali-chemie als der wichtigste deutsche Chemiekomplex und musste dahermit Entflechtungsmaßnahmen rechnen. Anfang 1947 war Henkeljedoch „noch nicht klar, welche Stelle dieses durchführen wird, wel-che Ideen hierbei bestehen“. Überhaupt schien die „Konzernentflech-tung“ nach Einschätzung der deutschen Vertreter im Wirtschaftsamtfür die britische Zone noch „in weiter Ferne“.9

So überlegte Walter Kobold, der die Unternehmenspolitik seit derunmittelbaren Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre hinein mit präg-te, „ob es nicht zweckmäßig ist, eine durchgreifende Aufspaltung desHenkel-Konzerns durchzuführen, und zwar in dem Sinne, dass dieeinzelnen Werke selbständig geführt, d.h., auch die finanziellen Bin-dungen aufgehoben werden“. Den Anstoß dazu gab die US-amerika-nische Anti-Trust-Politik, deren wesentliches Ziel die Auflösung vonwirtschaftlicher Machtkonzentration in Form von Kartellen und Kon-zernen war und insofern auch Henkel „mit großer Härte“ treffenkonnte.10

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11 Ernst Petersen zumindesthielt den „Standpunkt derGeschäftsleitung, dass wir keinKonzern seien“, für „einekindliche Utopie“. Ordner Henkel3, Petersen an Kobold,3.1.1947. So auch die Einschät-zung Konrad Henkels: Ebenda,K. Henkel an Kobold, 5.1.1947.

12 289/1270, Aktennotiz,28.4.1947. Dabei wurde Wertdarauf gelegt, „dass dieBeteiligungsfirmen, die sich mitder Rohstoff- und Verpackungs-versorgung der Fa. Henkelbefassen, möglichst bei der Fa.verbleiben oder ggf., wenn eineEntflechtung erzwungen wird,auf Familienmitglieder übertra-gen werden“ sollten. Dasgleiche galt für die Beteiligun-gen an den Produktionsgesell-schaften Thompsonwerke,Dreiringwerke und Siegert, dieHenkel für den Wiederaufbau alsunverzichtbar erschienen.Ordner Henkel 3, Konrad Henkelan Kobold, 1.11.1946.

13 Siehe auch die Aufstellungunter 289/1270, Verzeichnisvon Wertpapieren und Beteiligun-gen, die für die Übertragung anGesellschafter in Frage kom-men, undatiert [Mai 1947].289/1270, Aktennotiz,28.4.1947.

14 Siehe dazu auch 289/1270,Schmelz, Fragen der Konzern-entflechtung bei der FirmaHenkel, 19.5.1947. Dabei warzunächst an eine Liquidation derHolding gedacht.

15 152, Henkel & Cie GmbH/AG,Gesellschaftsrechtliche Unterla-gen III, Schmelz, Aktien- undAnteile-Tausch, 10.1.1949.

Obwohl innerhalb der Familie Henkel offenbar zunächst Unklarheitdarüber bestand, ob es sich bei der Firma überhaupt um einen Kon-zern handelte, beriet man bald darüber, „wie eine Entflechtunggedacht wird, resp., auf welche Komplexe jeder Wert legt“.11 Während„das Stammwerk in aller Besitz“ bleiben sollte, sprach sich dieGeschäftsführung 1947 für die vorbeugende „Aufteilung gewisserVermögensgegenstände, Beteiligungen und Wertpapiere auf dieGesellschafter im gleichen Verhältnis unter Herabsetzung des Stamm-kapitals der Gesellschaft“ aus.12 Eine interne Aktennotiz vom Mai1947 stellt fünf verschiedene Wege der Konzernentflechtung vor, dievon der Ausgliederung der reinen Kapitalbeteiligungen über dieReduktion des Kapitals und die Aufteilung der gesamten Henkel-Gruppe unter Familienmitglieder oder familienfremde Personen bishin zum Verkauf von „verzichtbaren Werken“ reichte.13

Bereits nach der Rückkehr der Familie Henkel in die Geschäftsfüh-rung und der Aufhebung der Vermögenssperre ab November 1947 wardie Umfirmierung der Henkel & Cie GmbH in Persil GmbH und derHenkel & Cie AG in Henkel & Cie GmbH erfolgt. Bei der Neuord-nung der Gruppe gingen der gesamte Geschäftsbetrieb und alle For-derungen der GmbH auf die ruhende Verkaufsgesellschaft Henkel &Cie AG über, die auf die Henkel & Cie GmbH umgewandelt wurde.Gleichzeitig wurde die alte Henkel & Cie GmbH in Persil GmbHumfirmiert, die als Holding-Gesellschaft sämtliche in- und ausländi-schen Beteiligungen sowie den Hauptteil des Vermögens umfasste,die Geschäftspolitik der Henkel-Gruppe bestimmte und für die Finan-zierung der zur Gruppe gehörenden Gesellschaften sorgte, währendder Henkel & Cie GmbH Produktion und Vertrieb oblagen.14

Im Frühjahr 1948 tauschte die Henkel & Cie GmbH einen großen Teildes Firmenbesitzes an Degussa- und Nordhefe-Aktien gegen 90 Milli-onen eigene Anteile, die sofort zur Herabsetzung des Stammkapitalsvon zuvor 200 auf 120 Millionen Reichsmark verwendet wurden.Anfang 1949 sollte eine weitere kleinere Tauschaktion durchgeführtwerden, die der Versorgung der Gesellschafter, also der FamilieHenkel, mit Mitteln zur Zahlung von Steuern und Lastenausgleichs-forderungen diente. Dabei wurde an die Beteiligungen an Dreiringund Hesser sowie Pongs & Zahn gedacht. Im April 1949 folgte eineerneute Kapitalherabsetzung der Henkel & Cie GmbH von 120 auf 90Millionen DM durch die Einziehung von Geschäftsanteilen derGesellschafter.15

195

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Henkel & Cie GmbH Düsseldorf

E.Matthes& Weber AG

Duisburg

Rohstoffe

HolzwerkeZapfendorf AG

Nürnberg

Papier &Pappe AG

Berlin

HenkelGmbH

Genthin

ThompsonwerkeGmbH

Düsseldorf

DeutscheHydrierwerke

Rodleben

BöhmeFettchemie

GmbH

Chemnitz

DeutscheFettsäurewerke GmbH

Witten/Ruhr

Fassfabrik & SägewerkAugust Wilke GmbH

Osterwieck/Harz

IndustriewerkeMonheim AG

Monheim

Hallesche Dampf-Seifen und

Parfümerie Fabriken

Halle/Saale

Siegert & CieGmbH

Neuwied

TetralinGmbH

Berlin

Chemische Fabrik„Rotes Meer”

GmbH

Mühlhausen/Elsass

Oxo GmbH

Oberhausen/Holten

PappenfabrikHalle GmbH

Halle/Saale

RheinischePappenfabrik AG

Monheim

PersilGmbH

Wien/Österreich

Joh. GottfriedSiegert & Sohn AG

Neuwied

SüddeutscheHydroprodukten

GmbH

Frankfurt

Soc. des ProduitsChimiques du

Fief S A

Paris/Frankreich

Noblee &Thörl GmbH

Hamburg

Papier &PappenfabrikLehnen GmbH

Süchteln

Labor-facGmbH

Wien/Österreich

Dreiringwerke KG

Krefeld

Grundstücks-gesellschaft

mbH

Berlin

Patec S AProduits

Roubaix/Frankreich

Erste DeutscheWalfang GmbH

Hamburg

Chemisch-pharma-zeutische Handels

GmbH

Hamburg

ContinentaleTerpentin

GmbH

Wien/Österreich

„Fistag” Fettindustrieund Stärkefabriken AG

Prag/Tschechien

PartenreedereiAntarktis

Hamburg

Labor-facGmbH

Düsseldorf

The GardinolCo, Ltd

Milnsbridge/GB

„Fewa”Waschmittel-

Vertriebs GmbH

Wien/Österreich

FettrückgewinnungGmbH

München

Thompson-PiloGmbH

Danzig

AmericanWyalsolCorp, Ltd

Wilmington, Delaware/USA

Gardinol S A

Bergamo/Italien

Van Baerle &Sponnagel GmbH

Berlin

TheHydronaphtene Corp.

Wilmington, Delaware/USA

S A ChimigrasFettchemie

Bukarest/Rumänien

Sandwerke Werres& Cie GmbH

Merkstein bei Aachen

„SABO” S AProdoti ChimiciBotazzi & Co

Bergamo/Italien

GardinolChemical Co of

Australasia Pr. Ltd

Melbourne/Australien

Unichem ChemicalienHandelsgesellschaft

AG

Zürich/Schweiz

American HyalsolExport Corp

Wilmington, Delaware/USA

Chemfi AG

Zürich/Schweiz

ProduitsChimiques dela Mer Rouge

Paris/Frankreich

Patchem AG

� Zürich/Schweiz

Gesellschaftfür Altersversorgung

der Fistag

Prag/Tschechien

Derivados deHydroganacion

Barcelona/Spanien

Hilfsstoffe Produktion und Verkaufvon Waschmitteln etc.

Gruppe Dehydag-Böhme

Familie

Beteiligungen der

196

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Verwaltungsrat

Henkel & Cie GmbH

FinanzenVerwaltung, Einkauf

Chemie undTechnikAbsatz

VerkaufMarken-artikel/Groß-

verbrauch

Produkt-manage-

ment/Marketing

AbsatzChemisch-technischeProdukte

Bilanzen,Steuern,Revision

Personal-und Sozial-

wesen

Rechnungs-wesen,Einkauf

Forschung/Entwick-

lung/Anwen-dungs-technik

Produktion Ingenieur-wesen

Organisation

Persil GmbH und Henkel & Cie GmbH

(1950 bis 1968)

16 289/1119, Wilhelm Ecker-mann, Wirtschaftsprüfer,Bewertung der GmbH-Anteilezum 1.1.1951. 289/1270,Schmelz, Überlegungen zurKonzernentflechtung, 6.2.1947.180/47, Henkel & Cie GmbH,Entwurf einer Pressenotiz,10.5.1950.

17 289/1127, Persil GmbH andas Finanzgericht Düsseldorf,24.2.1954. Ebenda, Aktennotiz,14.11.1953.

198

Die Henkel & Cie GmbH nahm erst zum 1. Mai 1950 ihrenGeschäftsbetrieb auf. Gleichzeitig wurde das Betriebsvermögen um44 Millionen DM auf 48 Millionen DM erhöht.16 Durch den imGesellschaftsvertrag festgeschriebenen Familienstatus waren dieGeschäftsanteile des Unternehmens kaum marktfähig, „da praktischnur eine Veräußerung von Geschäftsanteilen an die Gesellschafterselbst erfolgen“ konnte. Die Möglichkeit, Mittel für Investitionszwe-cke zu akquirieren, blieb auf diese Weise weiterhin erheblich einge-schränkt.17

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Persil GmbH

VerbundeneUnternehmen

Recht

Kauf-männischeGrundsatz-

fragen

Chemisch-technischeGrundsatz-

fragen

Absatz

Finanzen,Steuern,

Verwaltung,Revision

Chemieund

Technik

LangfristigeUnter-

nehmens-planung

Recht

Henkel ab 1950

199

Henkel GmbHund Henkel & Cie GmbH

(1969 bis 1974)

18 Hans Otto Eglau, Wenig Clan– mehr Elan, in: Die Zeit 13,26.3.1971, S. 28. Siehe auchInterview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 3 und 6, zurPerson Konrad Henkels.

19 Hundert Jahre Henkel, S. 152.

20 314/96, Geschäftsleitungsse-kretariat Persil, 17.10.1968.153/42, SRI-Besprechung,16.10.1968.

Quelle: E10.

Nach dem Tod seines Bruders Jost wurde Konrad Henkel 1961 zumLeiter der Geschäftsführung bestellt. Nach seiner Ansicht war dasUnternehmen „für einen dauerhaften Wettbewerb auf dem hartumkämpften Waschmittel-Markt [...] nicht modern genug“ ausgestat-tet.18 Unter der Ägide von Konrad Henkel begann daher „dieUmwandlung eines wesentlich auf dem deutschen Markt tätigenUnternehmens in eine internationale Firmengruppe“. Damit einhergingen die Planung „in längeren Zeitabschnitten“, die Veränderungder Produktpalette sowie „Überlegungen zu den Möglichkeiten undGrenzen eines Familienunternehmens, vor allem in finanziellerSicht“.19 Mit Blick auf die zunehmende Internationalisierung derWirtschaft und den schärfer werdenden globalen Wettbewerb solltedie 1969 vorgenommene Umorganisation Persil/Henkel auch auf daszukünftige Betätigungsfeld eines „internationalen Unternehmens [...]mit Schwerpunkt in Europa“ vorbereiten.20

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Die Einführung der

divisionalen Organisation

200

Auf Anregung von Konrad Henkel war zwischen 1966 und 1968 inZusammenarbeit mit dem Stanford Research Institute (SRI) eine neueOrganisationsstruktur erstellt worden.21 Am 15. Oktober 1968 legtedie Beratungsgesellschaft ihre Vorschläge vor. Durch die Einführungeiner Spartenorganisation sollte „die gegenwärtige Position desUnternehmens [...] geschützt und [...] ein stetes Wachstum entspre-chend den Planungen gesichert werden“.22

Die bestehende historisch gewachsene funktionale Gliederung vonHenkel erwies sich mit zunehmender Komplexität des Unternehmensals kaum mehr handhabbar. Angesichts zunehmender Diversifizie-rung empfahl SRI eine divisionale Organisationsstruktur, die nachoperativen Geschäftsbereichen, den sogenannten Sparten oder Linien,sowie den Aufgaben der Koordination und Beratung, die von Funk-tionen und Stäben wahrgenommen wurden, unterschied.23 Sie ermög-lichte die einheitliche Leitung der Henkel-Gruppe: Als Profit Centersorganisiert stellten die Sparten klar definierte Aufgaben und Verant-wortungsbereiche dar, die sich den individuellen Marktverhältnissenrasch anpassen sollten. Jeder Leiter zeichnete für alle Tätigkeiten sei-

Spartenorganisation

Henkel GmbH Dr. K. Henkel, Vorsitzender Dr. W. Manchot Kobold Malitz

Henkel & Cie GmbH (Europa)

Sparten

Anorga-nische

Produkte/Klebstoffe

Müller

Kosmetik

Szymczak

Nahrungs-mittel/

Wohnungs-pflegemittel

Hellwig

Ver-packung

Dr. Bussmann

Waschmittel

BerndtHarich

Dr. Sihler

Finanzen/Rechnungs-

wesen

Malitz

Forschung/Entwicklung

Dr. Werdel-mann

OrganischeProdukte

Dr. Hartmann

21 252/25, Henkel & Cie,Geschäftsbericht 1968.252/20, Henkel GmbH,Geschäftsbericht 1969. Sieheauch 153/21, Protokoll vom19.3.1963. SRI war organisato-risch der Stanford University inMenlo Parc/Kalifornien verbun-den und beschäftigte 1966 rund3.000 Mitarbeiter. Ab 1958 botdas Institut einen „Long RangePlanning Service“ für Unterneh-men an.

22 314/96, Geschäftsleitungsse-kretariat Persil, 17.10.1968.

23 314/96, Stapf an Geschäfts-leitung Persil-Henkel,18.7.1968. Wie viele andereUS-amerikanische Firmen auchwar zum Beispiel Procter &Gamble „seit langem nachSparten organisiert“. 314/96,

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1969

Zentral-Geschäftsführung (ZGF)

Führungs-kräfte

Kranenberg

Dr. Sihler Stapf Dr. Werdelmann Dr. Brandt

Stabsstellen

KontaktpflegeEuropäische

Industrie

Hellwig

PublicRelations

International

Dr. Bohmert

Revision

Dr. Rhode

ZGFSekretariat

Gube / Dr. Heinz

Henkel International GmbH (Übersee)

Funktionen Region

Logistik(Einkauf/

Transport/Läger)

Dr. Elting

Organisation/Wissen-

schaftlicheUnterneh-

mensführung

Dr. Elting

Personal-und

Sozialwesen

Dr. Winkler

Produktion/Ingenieur-

wesen

Dipl.-Ing.Opderbecke

Rechts-wesen

Dr. Brandt

Unternemens-planungund -ent-wicklung

Stapf

WerksleiterDüsseldorf-Holthausen

Dr. Heise

Außer-europäische

Länder

Dr. DebusVolkamer

ner Sparte – also Verkauf, Produkt-Management, Produktion, Pro-duktentwicklungsarbeiten – verantwortlich. Gewinne und Leistungensollten so einerseits besser ermittelt werden und dazu beitragen, dass„Verlustprodukte [...] auf Kosten guter Produkte nicht mitgeschleppt“wurden. Andererseits sollten Sparten durch das „Aufgreifen von nichtausgeschöpften Märkten, durch Erwerb neuer Unternehmen oderdurch die Entwicklung von Produkten“ zu Ergebnisverbesserungenbeitragen.

Die Sparten-Organisation bot einen Anreiz für Diversifikationsakti-vitäten, indem sie die Entwicklung neuer Produkte förderte, um even-tuelle Marktverluste ausgleichen zu können. Darin lagen nach Ansichtder Henkel-Geschäftsleitung zentrale Vorteile „für das angestrebteWachstum des Unternehmens [...] und seine zukünftig stärker inter-national ausgerichteten Ziele [...]“, wurde doch „in ihr [...] das von derForschung und dem Marktbedürfnis her entwickelte Produkt unddamit die in ihm liegende Leistungsfähigkeit des Unternehmens inden Mittelpunkt der Bemühungen um die internationalen Märktegestellt“.24

Im Frühjahr 1969 wurden sechs Sparten, zehn Funktionen und eineRegionenleitung im Unternehmen eingerichtet. Als Einheiten miteinem entsprechenden Umsatzvolumen wurden Divisionen für dieBereiche Wasch- und Reinigungsmittel, Körperpflege, Wohnungs-pflege und Nahrungsmittel, Anorganische Produkte/Klebstoffe, Orga-nische Produkte und Verpackung implementiert.25

GeschäftsleitungssekretariatPersil, 17.10.1968. 153/42,SRI-Besprechung, 16.10.1968.

24 314/96, Geschäftsleitungsse-kretariat Persil, 17.10.1968.314/96, Stapf an Geschäftslei-tung Persil Henkel, u.a.,18.7.1968. Ebenda, K. Henkel/Stapf an Geschäftslei-tung Henkel, Henkel Internatio-nal (HI), Böhme, Persil,27.6.1968. Siehe auch314/133, SRI, Phase III,Endbericht. 153/42, SRI-Besprechung, 16.10.1968.143/42, R.O. Shreve, StabstelleLangfristige Unternehmenspla-nung (LUP), Faktoren, die füreine produktorientierte Organisa-tionsstruktur sprechen,11.7.1968.

25 Die Einrichtung einerRegionalleitung Europa, die vonSRI vorgesehen war, wurde „zurZeit nicht für erforderlichgehalten, um den Aufbau derSparte nicht zu stören“.153/42, Gemeinsame Post,12.11.1968. 314/96,GeschäftsleitungssekretariatPersil, 17.10.1968.

Quelle: Blätter vom Hause, April 1969, S. 14f.

201

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Die Neu-Organisation 1969 war vor allem wichtig, weil der HenkelInternational die Zuständigkeit für die europäischen Firmen entzogenwurde; der Abbau des Einflusses der Funktionen war dagegen sekun-där, wie Helmut Sihler rückblickend bewertete. Von diesem Zeitpunktan dachte Henkel europäisch. Folgerichtig wurde 1977 die HenkelInternational ganz aufgelöst, der kommenden Globalisierung wurderechtzeitig Rechnung getragen.

Die Divisionalisierung konnte insbesondere dort relativ unproblema-tisch vorgenommen werden, wo Tochtergesellschaften „als Rahmen“vorhanden waren. So baute die Sparte Wohnungspflegemittel auf dasGeschäft von Thompson und Siegel auf, während sich die Kosmetikim wesentlichen auf das Geschäft der Therachemie/Deutsche Tampaxstützte.26 Demgemäß wurden die „befreundeten Gesellschaften“ denSparten zugeordnet.

Als problematisch erwies sich die Tatsache, dass die Mehrzahl deraufgeführten Werke nicht „spartenrein“ waren, da sie überwiegend fürmehr als eine Sparte produzierten. Insbesondere die Produktionsstät-ten des sogenannten Düsseldorf-Holthausener Blocks waren „sehrstark miteinander verflochten“, so dass „eine klare Zuordnung derProduktionsbetriebe oder Betriebsgruppe zu den verschiedenen Spar-ten“ nicht immer möglich war.27

Die Funktionen (= Ressorts) reichten von Finanzen und Verwaltung,Forschung & Entwicklung, Personal- und Sozialwesen, Unterneh-mensplanung und -entwicklung, Organisation und wissenschaftlicheUnternehmensführung, Produktion und Ingenieurwesen, Marketingund Rechtswesen bis zur Logistik. Sie besaßen ebenso wie die Funk-tion „Region“, die das außereuropäische Geschäft betreuen sollte,eine beratende und koordinierende Aufgabe sowie weltweite Richtli-nienkompetenz für alle Verbundenen Unternehmen im In- und Aus-land. Als Sonderbereiche der Zentralgeschäftsführung (ZGF) wurdenzusätzlich die fünf Stabsstellen Kontaktpflege Europäische Industrie,Führungskräfte, ZGF-Sekretariat, Public Relations International undRevision eingerichtet, die der ZGF zuarbeiteten.28

Parallel zur Veränderung der Organisationsstruktur wurden zum Jah-reswechsel 1968/69 die rechtlichen Verhältnisse der beiden Gesell-schaften Persil und Henkel & Cie neu geregelt. Zum 31. Dezember1968/1. Januar 1969 übernahm die Persil GmbH sämtliche Kapitalan-teile der Schwesterfirma von den Anteilseignern. Damit wurde Hen-kel & Cie zu einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der PersilGmbH, die in Henkel GmbH umfirmierte.29 Die Henkel GmbH bilde-te die Holding der Henkel-Gruppe, während Henkel & Cie weiterhinfür das operative Geschäft innerhalb Europas zuständig blieb. DenHintergrund für diesen Schritt bildeten insbesondere auch steuerlicheÜberlegungen: Laut Geschäftsbericht der Henkel & Cie für dasGeschäftsjahr 1965 hatten „Beanstandungen der [...] steuerlichenBetriebsprüfung“ für die Jahre 1954 bis 1959 die Überlegungen zueiner Neugestaltung der gesellschaftsrechtlichen und organisatori-schen Verhältnisse der beiden Schwesterfirmen ausgelöst.30

26 314/96, Geschäftsleitungsse-kretariat Persil, 17.10.1968.

27 314/96, Dr. Heise an K. Henkel, 11.12.1968.

28 153/42, Gemeinsame Post,16.10. und 12.11.1968;314/96, Niederschrift über eineaußerordentliche gemeinsamePostbesprechung am20.2.1969. 252/20, HenkelGmbH, Geschäftsbericht 1969.252/25, Henkel & Cie,Geschäftsbericht 1968; 252/9,Henkel GmbH, Geschäftsbericht1968. Schöne, StammwerkHenkel, S. 129.

29 252/25, Henkel & Cie,Geschäftsbericht 1968. So auch252/9, Henkel GmbH,Geschäftsbericht 1968: „DieHenkel & Cie GmbH ist damitunsere größte Tochtergesell-schaft geworden.“ Siehe auchschon 455/85, Überlegungenzur Neuregelung des Verhältnis-ses zwischen der Henkel & CieGmbH und der Persil GmbH,25.10.1963; sowie 153/68,Post-Protokoll, 23.7.1968.

30 252/25, Henkel & Cie,Geschäftsbericht 1968. So auch455/116, Malitz, Schmelz andie Herren Mitglieder desVerwaltungsrats der PersilGesellschaft, 26.8.1964. DieNeuordnung Henkel und Persilwar „durch die Buch- undBetriebsprüfung veranlasst“worden. 252/24, Henkel & Cie,Geschäftsbericht 1965. 252/2,Persil GmbH, Geschäftsbericht1963. So auch 252/8, PersilGmbH, Geschäftsbericht 1964:„Die Beanstandungen derVerträge zwischen unsererGesellschaft und der Henkel &Cie GmbH sowie den Tochterge-sellschaften, insbesondere diePacht- und Interessengemein-schaftsverträge, konnten fürden Prüfungszeitraum zurbeiderseitigen Zufriedenheitgeklärt werden; allerdingserwartet die Finanzverwaltungorganisatorische Änderungen.“252/17, Persil GmbH,Geschäftsbericht 1968.202

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203

Quelle: 153/43, GemeinsamePost, 4.3.1969.

Zuordnung der Tochtergesellschaften zu den Sparten 1969

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Henkel KGaA (seit 1975)

31 153/60, ZGF-Sekretariat,Einzeldarstellungen der großenVU anläßlich der Planungsbe-sprechung, 25.11.1976.153/59, Post ZGF, 13.1.1976.

32 Über den Börsengang vonHenkel siehe im einzelnenKapitel VIII. Aus der Zentralge-schäftsführung wurde 1984/85die Geschäftsführung (GF).

204

Nach Überwindung der Rezession forderte der sinkende Wasch-mittelumsatz, der das Ergebnis des Gruppenverbundes beeinträch-tigte, gezielte Sparmaßnahmen und die Beseitigung vonVerlustabteilungen sowie eine Intensivierung der Diversifikations-und Akquisitionsaktivitäten.31 Dazu war eine rechtliche Umorgani-sation, die die Erschließung neuer Kapitalquellen ermöglichte,unverzichtbar. Zur Führungsgesellschaft der Henkel-Gruppe wurde1975 die Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) mitihren Gremien Aufsichtsrat, Gesellschafterausschuss, Zentralge-schäftsführung (ZGF) und Direktorium.32

PS

Personal- undSozialwesen

RE

Recht

PE/AWT

Markenartikel/GroßverbrauchAusland und Inland

So/USA

Sonderaufgaben/USA

Produktion

Markenartikel/GroßverbrauchAusland und Inland

St

Stabsstellen

Organisation der

Unternehmensbereiche

Vorsitz

Dr. Henkel

Markenartikel/Großverbrauch Ausland

(MA)

Kobold

Zentralressorts

MGA

Markenartikel/Großverbrauch Ausland

MGI

Markenartikel/Großverbrauch Inland

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33 FFO, Dr. Giesel, Organisatori-sche Änderungen in der Henkel-Gruppe seit 1969, 4.6.1985.Siehe auch Schöne, StammwerkHenkel, S. 129. 153/62, PostZGF, 2.8.1977. Ebenda, PostZGF, 18.10.1977. Siehe zu denMängeln der Organisationsstruk-tur auch Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 9.

34 Siehe im einzelnen dazu dieAufstellungen in E 10.

Die Modifizierung derSpartenorganisation

OP

MarketingOrganische Produkte

AK

Marketing AnorganischeProdukte/Klebstoffe

FE

Forschung/Entwicklung

F/A/S

Finanzen/Abschlüsse/Steuern

PE/AWT

OP und AKAusland und Inland

PI

Produktions-/Ingenieurwesen

P/K/R

Planung/Kontrolle/Rechnungswesen

Produktion

OP und AKAusland und Inland

NP

Neue Produkte

LOG

Logistik

Henkel KGaA 1977

(UB)

Markenartikel/Großverbrauch Inland

(MI)

Dr. Sihler

Chemie-Produkte(CP)

Volkamer

Chemie und Technik(C/T)

Dr. Werdelmann

Finanzen/Rechnungs-wesen/Logistik

(F/R/L)

Dr. Wieschermann

(ZR)

205

Quelle: E 10, Stand: 10.3.1977. PE/AWT = Produktentwicklung/Anwendungstechnik.

Innerhalb weniger Jahre zeigten sich deutliche Mängel bei derSpartenorganisation. Nicht nur die zahlreichen Überschneidungen derGeschäftsaktivitäten erschwerten eine effiziente Geschäftstätigkeit;auch die ungleichen Größenverhältnisse machten eine Reorganisationsinnvoll. Mitte der 1970er Jahre wurden die Sparten in die funktio-nalorientierten Zentralressorts (ZR) Markenartikel/GroßverbrauchAusland (MGA), Markenartikel/Großverbrauch Inland (MGI),Anorganische Produkte/Klebstoffe (AK), Organische Produkte (OP),Sondergebiete (SG), Finanzen/Rechnungswesen/Steuern (FRS),Forschung/Entwicklung/Anwendungstechnik (FEA), Planung/Kon-trolle (PK), Produktion/Ingenieurwesen (PI), Recht (RE) und HenkelInternational (HI) umgewandelt.33 Dabei wurde nach Aufgabe derNahrungsmittelaktivitäten die Sparte Wohnungspflegemittel/Nah-rungsmittel aufgelöst, und die Wohnungspflegeaktivitäten wurden indie Zentralressorts Markenartikel/Großverbrauch Ausland und Inlandintegriert. 1977 schließlich wurden die fünf Unternehmensbereiche(UB) Markenartikel Ausland (UB-MA), Markenartikel Inland (UB-MI), Chemie-Produkte (UB-CP), Chemie/Technik (UB-C/T) undFinanzen/Rechnungswesen/Logistik (UB-F/R/L) gegründet.34

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Darüber hinaus fiel zu Beginn der 1980er Jahre eine weitreichendeEntscheidung: Mit dem Wechsel von Konrad Henkel in den Auf-sichtsrat übernahm im Juni 1980 erstmals in der Firmengeschichtemit Helmut Sihler eine nicht zur Familie Henkel gehörende Persön-lichkeit den Vorsitz der Zentralen Geschäftsführung.35 Helmut Sihlerübergab die Amtsgeschäfte 1992 an Dr. Hans-Dietrich Winkhaus, derim Mai 2000 von Dr. Ulrich Lehner abgelöst wurde.

Der Gesellschafterausschuss verfügt über mindestens fünf und höch-stens zehn von der Hauptversammlung bestellte Mitglieder, vondenen fünf direkt aus den Familienstämmen nach dem Stimmenver-hältnis 2:2:1 ernannt werden. Die übrigen Mitglieder sind Top-Mana-ger, die durch die Familie Henkel nominiert werden.

35 Siehe dazu auch die Einschät-zung von Winkhaus als „Meilen-stein“ für die Öffnung desUnternehmens: Interview Hans-Dietrich Winkhaus, 26.6.2000,S. 1. An der Spitze der Henkel-Geschäftsführung hatten als„Familien-Fremde“ vor Sihlerbereits 1942 interimsmäßig Dr.Hermann Richter und 1945 bis1947 Dr. Paul Schulz alsTreuhänder gestanden.

206

Direktorium –

Geschäftsführung –

Organisation der

ChemieprodukteC

Dr. Ambros

Hygiene/TechnischeReinigung

R

Dr. Ambros

Klebstoffe/Chemisch-techn. Markenprodukte

A

Dr. Dohr

Kosmetik/ Körperpflege

K

Dr. Specht

Fettchemie/Industriechemikalien

CF

Richtler

GroßverbrauchRG

Schlüter

Chemisch- technischeMarkenprodukte

AC

von Briskorn

ProduktionK + W

KP

Dr. Egle

OrganischeSpezialchemikalien

CD

Dr. Conrad

P3RP

Dr. Gürtler

Industrie-klebstoffe

AI

Dr. Dahs

WasserlöslichePolymere

CW

Dr. Zoebelein

VorsitzV

Dr. Sihler

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36 FFO, Dr. Giesel, Organisatori-sche Änderungen in der Henkel-Gruppe seit 1969, 4.6.1985. E10, Henkel KGaA, Organisations-plan, Stand Mai 1985. InterviewHelmut Sihler, 26.5.2000, S. 12f.

37 100 Jahre Holthausen, S. 26.

207

Ressorts

Unternehmensbereiche

Henkel KGaA 1985

Wasch-/Reinigungsmittel(inkl. Thompson-Siegel)

W

Dr. Winkhaus

Finanzen/LogistikF

Dr. Wieschermann

Forschung/TechnikT

Prof. Dr. Falbe

Personal/RechtP

Dr. Schlemmer

MarketingAusland

WA

Dr. Morwind

Abschlüsse/Steuern

FA

Dr. Sielaff

ForschungTF

Dr. Heins

Personal- undSozialwesen

PS

Drews

MarketingInland

WI

Dr. Schulz

FinanzenFI

Dr. Grünewald

IngenieurwesenTI

Dipl.-Ing. Opderbecke

RechtPJ

Dr. Grüter

Informations- undRechnungswesen

FR

Dr. Vellmann

Verfahrensentwicklung/Technologie

TV

Dr. Kretschmann

LogistikFL

Oelmann

Produktentwicklung/Anwendungstechnik K + W

WE

Dr. Verbeek

Quelle: siehe E 10, Stand: Mai 1985.„Henkel blickt nach vorn“, in Henkel-Blick 5/1985, S. 1.

Durch die im Jahr 1985 unter dem Vorsitz von Helmut Sihler durch-geführte Umstrukturierung wurden die fünf weltweit operierendenProdukt-Unternehmensbereiche Chemieprodukte (C), Hygiene/Technische Reinigung (R), Klebstoffe/Chemisch-technische Marken-produkte (A), Kosmetik/Körperpflege (K) und Wasch-/Reinigungs-mittel (W) sowie die drei funktionalen UnternehmensbereicheFinanzen/Logistik (F), Forschung/Technik (T) und Personal/Recht (P)gebildet, die im Gegensatz zu dem vorhergehenden Modell gleichge-wichtig waren. Unterhalb dieser Ebene wurden Ressorts teils nachgeschäftlichen und teils nach technologischen Zweckmäßigkeitengebildet, um „ein starres Prinzip“ zu vermeiden. Auf diese Weise blie-ben die 1977 definierten Verantwortlichkeitskomplexe in ihrer Grund-substanz bestehen, während den Verbundenen Unternehmen größereFreiheitsgrade eingeräumt wurden.36 Damit trug Henkel „den geän-derten Anforderungen der Märkte Rechnung“. Im selben Jahr veröf-fentlichte das Unternehmen erstmals eine Weltbilanz, um seineBedeutung auf den Weltmärkten zu unterstreichen.37

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Denken in

strategischen Einheiten

38 Post GF Nr. 8, 25.2.1986.Der Titel der Studie bezog sichauf den veranschlagtenZeithorizont von 20 Jahren. Post GF Nr. 2, 13.1.1987.

Quelle: Post GF Nr. 29,22.7.1986.

39 Anträge an die Investitions-kommission, 8/1984–4/1988,undatierte Aufstellung (1987).

208

Nach der Phase anhaltenden Wachstums sollte eine Studie der Bos-ton Consulting Group (BCG), die Henkel 1986 in Auftrag gab, dazubeitragen, „Klarheit [...] über das Selbstverständnis des Unterneh-mens“ zu gewinnen und mögliche Optionen im Kerngeschäft zu eröff-nen. Mit Blick auf die notwendige Ausweitung des bestehendenGeschäftes zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen empfahl BCGunter dem Titel „Strategie 20“, die Abhängigkeit von Europa zu min-dern und insbesondere die ertragsstarken Geschäfte zu globalisieren.38

Darin teilte BCG die Henkel-Kernaktivitäten in die drei BereicheChemische Systemgeschäfte, Markenartikelgeschäfte und Fettchemi-sche Geschäfte ein, denen die folgenden strategischen Optionenzugeordnet wurden:

In den Bereich der fettchemischen Grundstoff-Geschäfte fielen dieRessorts Fettchemie/Industriechemikalien (CF), Wasserglas, Soda,Ätznatron (CIA), Grundstoffe und Dehydag (CG/CD) sowie kosmeti-sche und pharmazeutische Industrie/Nahrungsmitteltechnik (COS-PHA/NT). Zu den Systemgeschäften gehörten die BereicheWasserlösliche Polymere (CW), Organische Spezialchemikalien(CO), industrielle und institutionelle Reinigung/Phosphatierung(RG/RP) sowie Industrieklebstoffe (AI). Der Markenartikelgeschäfts-bereich bestand aus Konsumentenklebstoffen (AC), Wasch- und Rei-nigungsmitteln (W) sowie Kosmetik/Körperpflege (K).39

Auf Grundlage der BCG-Empfehlungen wurde ab den ausgehenden1980er Jahren ein verstärktes Augenmerk auf die Einrichtung Strate-gischer Geschäftseinheiten (SGE) gelegt. Dabei handelt es sich umeinen „möglichst isolierte[n] Ausschnitt aus dem gesamten Betäti-gungsfeld des Unternehmens, für den eine relativ unabhängige Stra-tegie geplant werden kann, die strikt auf den Wettbewerb und dieAbsatzmärkte ausgerichtet ist“. Als „Module eines neuartigen strate-

Boston Consulting Group, „Strategie 20“ (1986)

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40 Post GF Nr. 45, 5.12.1989.Walter Trux/Günter Müller-Stewens/Werner Kirch, DasManagement StrategischerProgramme, 3. AuflageMünchen 1988, S. 77; MartinErfmann, Wettbewerbsstrategienin reifen Märkten (= EuropäischeHochschulschriften, Bd. 928),Frankfurt/Main 1988, S. 29f.

41 Post GF Nr. 5, 2.2.1988, Nr.33, 16.8.1988, Nr. 36,13.9.1988. Ebenda, Nr. 1,9.1.1990, Nr. 6, 9.2.1990.Post GF. GF-Klausurtagung,7./8.8.1990. Henkel KGaA,Organisationsübersichten,Stand: Juli 1997. 465/15,Investitionskommission 1994,Investitionsplanung 1995, Stand9.11.1994.

42 Post GF Nr. 5, 2.2.1988.

43 Sihler, Zur Diskussion in derGF, 2.7.1990.

44 Intern 3/1992. 209

gischen Planungsprozesses“ repräsentieren sie die „strategischenEntwicklungsschwerpunkte der Henkel-Gruppe“.40 Je nach Ergebnis-beitrag und Kapitalrendite wird bei den Einheiten zwischen „Cash-Bringern und Cash-Verbrauchern“ unterschieden. Als Steue-rungsinstrumente werden die Strategischen Geschäftseinheiten miteinem strategischen Leitfaden versehen und einer formalisierten Pla-nung unterworfen, so dass sie heute als selbständige Organisations-einheiten mit einer entsprechenden Berichterstattung fungieren.41

Strategische Geschäftseinheiten der Henkel-Gruppe 1992

Die Reorganisation von 1992

Komplexitätsabbau, Entbürokratisierung und die Globalisierung derKerngeschäfte gehörten zu den zentralen Herausforderungen der1990er Jahre.42 Nachdem Vorstandschef Helmut Sihler 1990 erneutdie Überprüfung der Konzernorganisation als strategische Aufgabebezeichnete hatte, wurde zum 1. April 1992 eine neue Struktur einge-führt, die der Forderung nach einem verstärkten Spartenprinzip, weni-ger Bürokratie, mehr Delegation sowie nach „Europäisierung“gehorchte.43

Die Neuorganisation intensivierte die strategischen Aufgaben derGeschäftsführung, um eine stärkere internationale Fokussierung zuerreichen. Damit einher ging die Delegation „Holthausen bezogenerAufgaben“ an den Werksleiter Düsseldorf-Holthausen, der künftigdurch einen Werksleitungsausschuss unterstützt wurde.44

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Kommerzienrat Fritz Henkel(1848–1930) im Jahr 1925mit seinen Söhnen Dr. h.c.Fritz Henkel jun. (1875–1930,links) und Dr. Hugo Henkel(1881–1952).

Der Briefkopf aus dem Jahr1902 zeigt das neue Henkel-Werk in Holthausenund den Hafen in Reisholz.

Dr. Konrad Henkel (links)übergibt am 3. Dezember1990 den Vorsitz im Auf-sichtsrat und im Gesell-schafterausschuss anDipl.-Ing. Albrecht Woeste,einen Urenkel des Firmen-gründers.

Vom Drei-Mann-Betriebzur internationalen FirmengruppeFirmen-Chefs

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Dr. Konrad Henkel (links),Firmenchef ab 1961,

überträgt am 9. Juni 1980den Vorsitz der Zentralen

Geschäftsführung an Dr. Helmut Sihler.

Helmut Sihler, Honorar-professor in Münster, und

sein Nachfolger Dr. Hans-Dietrich Winkhaus

(rechts), der am 15. Juni1992 den Geschäfts-

führungsvorsitz übernimmt.

Führungswechsel auf derHauptversammlung am

8. Mai 2000 (von links): Dr. Ulrich Lehner, der neue Vorsitzende der

Geschäftsführung, Hans-Dietrich Winkhaus

und Albrecht Woeste.

Blick über das Henkel-Werkin Düsseldorf vom Dach der

Megaperls-Fabrik, 1999.

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Direktwahlen/direct ext.Datum/dateIhre Nachricht/your message

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PostanschriftHenkel KGaA40191 DüsseldorfFirmensitzHenkelstraße 6740191 Düsseldorfwww.henkel.com

Telefon +49-211-797-0

Telefax +49-211-798-40 08

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DüsseldorfKonto 1 109 222(BLZ 300 400 00)Deutsche Bank AG

DüsseldorfKonto 2 272 409(BLZ 300 700 10)

Dresdner Bank AGDüsseldorfKonto 2 114 565

(BLZ 300 800 00)Komanditgesellschaft

auf AktienHandelsregister

AG Düsseldorf HRB 4724

Sitz Düsseldorf

Aufsichtsratsvorsitzender

Dipl. Ing. Albrecht WoestePersönlich haftende Gesellschafter

Dr. Ulrich Lehner (Vorsitzender)

Guido De Keersmaecker

Dr. Jochen KrautterDr. Klaus Morwind

Dr. Roland SchulzProf. Dr. Uwe Specht

Henkel KGaA D-40191

Werk im Wandel: Briefbögen von Henkel.

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Finanzpolitikzwischen

Familienbindungund internationaler

Finanzwelt

VII

213

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Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Unternehmens inWesteuropa und den USA beträgt weniger als 20 Jahre. Nur wenigeGroßunternehmen haben – dies bestätigt eine im Harvard BusinessReview veröffentlichte Untersuchung – das damit schon fastarchaisch anmutende Alter von 100 Jahren überschritten.1 DieseUntersuchung nennt einige Charakteristika, die auf alle alten Unter-nehmen zutreffen und die eine Erklärung für ihr langjähriges Beste-hen bieten könnten:

■ eine konservative Finanzpolitik,

■ eine hohe Lernfähigkeit, um sich den wandelnden Rahmenbedin-gungen der Umwelt anpassen zu können,

■ Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber neuen Ideen,

■ eine ausgeprägte, starke Unternehmenskultur sowie

■ das Vorhandensein von Visionen, die die strategische Ausrichtungdes Unternehmens bestimmen.

Eine Studie der Stanford University verweist noch

■ auf die wegen der langen Amtszeit vergleichsweise geringe Zahlvon Geschäftsführern, die fast immer intern rekrutiert werden, und

■ auf die jeweilige Bewahrung von core values – Grundwerten – vorallem in multinationalen Unternehmen, die sich weder nationalnoch mit den Trends und Moden der Managementliteratur ändern.2

Hinzuzufügen wäre noch für fast alle traditionsreichen Unternehmen,dass für sie die Maximierung des Gewinns nie ein überragendes, son-dern immer nur eines von mehreren Unternehmenszielen gewesen istund dennoch langfristig angemessene Gewinne erzielt wurden.Zudem haben sich diese Unternehmen fast alle auf ihre Kerngebietekonzentriert oder – wie Peters and Waterman es in ihrem Buch „InSearch of Excellence“ ausgedrückt haben – eine Politik des „stick tothe knitting“ oder „staying resonably close to the business they know“betrieben.3

Henkel weist viele Chrakteristika auf, die im Einklang mit diesenErgebnissen stehen. In seiner 125-jährigen Geschichte bewahrte dieFirma bis heute den Charakter eines familiengeführten Unterneh-mens. Fritz Henkel gründete das Unternehmen mit zwei weiterenTeilhabern am 26. September 1876 – einem Jahr, das in die Annalender Aachener Industrie- und Handelskammer als wirtschaftlichäußerst schlecht eingegangen ist. Die beiden Teilhaber, denen dasfinanzielle Wagnis bald „zu groß“ erschien, schieden bereits 1877beziehungsweise 1879 aus der Firma aus.4 Die historische Insolvenz-

1 Arie de Geus, The LivingCompany, in: Harvard BusinessReview, March-April 1997, S. 52–59.

2 James C. Collins/Jerry I.Porras, Built to last. SuccessfulHabits of Visionary Companies,New York 1997.

3 Thomas J. Peters/Robert H.Waterman, In Search ofExcellence. Lessons fromAmerica's Best Run Companies,New York 1982.

4 Hundert Jahre Henkel, S. 30.

214

Kapitalstruktur undKapitalentwicklung

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5 Toni Pierenkemper, ZurFinanzierung von industriellenUnternehmensgründungen im19. Jahrhundert – mit einigenBemerkungen über die Bedeu-tung der Familie, in: DietmarPetzina (Hrsg.), Zur Geschichteder Unternehmensfinanzierung(= Schriften des Vereins fürSocialpolitik, Gesellschaft fürWirtschafts- und Sozialwissen-schaften, Neue Folge Band196), Berlin 1990, S. 69–97,hier S. 89.

6 Zitiert nach Hundert JahreHenkel, S. 38.

7 Zitiert nach Schöne, Anfänge,S 7f. und 97. Schöne, Stamm-werk Henkel, S. 83.

8 Bernd Kaiser, QuantitativeEntwicklung der Henkel KGaAund ihrer Rechtsvorgänger 1876bis 1998 in tabellarischer undgraphischer Darstellung,unveröffentlichtes Manuskript,Nürnberg 2000, S. 1f. und20–22. Kaiser, Produktions- undUmsatzentwicklung Henkel1876–1945, unveröffentlichtesManuskript, Nürnberg 2000, S. 8–10.

9 Wilfried Feldenkirchen,Siemens 1918–1945, München1995, S. 387. Feldenkirchen,Siemens. Von der Werkstattzum Weltunternehmen, München1997, S. 211f.

Ursachenforschung belegt, dass Industrieunternehmen – unabhängigvon den Zeitperioden – in den ersten Geschäftsjahren wegen ihrermeist unzureichenden Kapitalausstattung dem größten Risiko desKonkurses ausgesetzt sind.5 Tatsächlich musste auch Fritz Henkelzunächst mit äußerst knappen finanziellen Mitteln kalkulieren. Sokam es vor, dass der Unternehmer manchmal nicht wusste, wovon erdie Löhne und Gehälter seiner Arbeiter und Angestellten zahlen soll-te: Demgemäß informierte Bürovorsteher Schifferdecker den „Prinzi-pal“ zu Wochenbeginn über die zu erwartenden Aus- und Eingänge:„Vorrat 300,–, zu erwarten durch Postaufträge 1.000,–, verschiedenenRimessen von Müller in Gladbach 250,–, von Schmidt in Barmen400,–, dazu laufende Eingänge 500,–, Resultat: wir schwimmen.“6

Offenbar waren „die damaligen Kassenverhältnisse [...] auch etwasanderer Art als heute und, wie wohl in jedem aufstrebenden Geschäft,vielfach knapp“.7

Zur Finanz- und Investitionstätigkeit des Unternehmens liegen biszum Ersten Weltkrieg kaum Hinweise vor, obwohl mit der Einführungvon Persil 1907 die interne und externe Expansion von Henkel ein-setzte und hierdurch zweifellos neue Anforderungen an die Unterneh-mensfinanzierung entstanden. In der für Familiengesellschaften typi-schen Art und Weise wurde das Wachstum des Unternehmens denfinanziellen Möglichkeiten der Inhaber angepasst. Nicht das betriebs-wirtschaftliche Optimum, sondern die langfristige Sicherung dereigenen Position bestimmten die Finanzpolitik.8

Nach dem Ersten Weltkrieg beeinflussten Ausmaß und Ablauf derInflation die Finanzierung von Unternehmen. Während dieser Phasewar es für die Gesellschaften von entscheidender Bedeutung, inwie-weit die externen Mittel zur Finanzierung der Geldentwertung einge-setzt wurden. Sofern die Unternehmen die Bemessung der Barmittelden augenblicklichen Verbindlichkeiten entsprechend vornahmen, dielaufenden Verbindlichkeiten kurz- und mittelfristig mit Hilfe der Ban-ken erfüllten und im übrigen in Sachwerte oder Devisen investierten,konnten sie die Situation ohne langfristigen Schaden überstehen undtrotz der steigenden Kreditkosten, die im Juli 1923 bereits 18 Prozent,gegen Ende der Inflation schließlich 90 Prozent erreichten, Entwer-tungsgewinne erzielen.9

Henkel hat in der Zwischenkriegszeit seine traditionell vorsichtige,stärker an langfristigen Sicherheitsüberlegungen und weniger amRentabilitätsoptimum ausgerichtete, nicht zuletzt an den Interessender Familie Henkel orientierte Finanzpolitik fortgesetzt. Die bereitsvor dem Ersten Weltkrieg erkennbare, in der Folgezeit noch akzentu-ierte Politik, den Einfluss der Familie auch in einem wachsenden,jedoch nicht alle Expansionsmöglichkeiten ausschöpfenden Unter-nehmen zu bewahren und dessen Ausbau nicht zuletzt an den finan-ziellen Möglichkeiten der Familie und den Grenzen der Selbstfinan-zierung auszurichten, blieb auch in der Zwischenkriegszeit charak-teristisch, obwohl die Bilanzsummen nicht unerheblich stiegen.

215

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Nach dem Ersten Weltkrieg, der für Henkel mit beträchtlichen Ver-lusten endete, führten die sich aus der Umstellung von der Kriegs- aufdie Friedenswirtschaft ergebenden zusätzlichen Kosten, die erheb-lichen Lohnsteigerungen und die Verteuerung der Rohmaterialiengenerell zu Liquiditätsproblemen. Rückschlüsse über die Finanzie-rung von Henkel während der Inflationszeit lassen sich nur aus derGoldmark-Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 1924 ableiten, in der derverlorene Krieg, die Kriegsfolgen und die Inflation ihren endgültigenNiederschlag fanden. Dem Unternehmen bereitete die Frage derNeubewertung der verbliebenen Substanz erhebliche Probleme. DasStammkapital wurde 1923 von 50 Millionen Papiermark auf 8 Milli-onen Goldmark und im Zuge der Währungsreform 1924 auf 8 Milli-onen Reichsmark umgestellt. Die Erstellung der Reichsmarkeröff-nungsbilanz wurde dabei bei Henkel wie bei allen anderenUnternehmen ganz wesentlich von den jeweiligen Zukunftserwartun-gen bestimmt, die sich in der Bewertung des Anlage- und Umlaufver-mögens zeigen. Liquidität wies die Bilanz kaum auf, da die Liquidität1. Ordnung10 1923 nicht einmal 1 Prozent erreichte, so dass die Finan-zierung von Löhnen und Materialkäufen zunächst nur mit kurzfristi-gen Fremdmitteln möglich war.

Henkel hatte die Inflationsjahre nicht in größerem Umfang zu kredit-finanzierten Sachanlage-Investitionen genutzt, wie das ebenfalls zum1. Januar 1924 rückwirkend bis 1919 bewertete Anlagevermögen inGoldmark deutlich macht. Hiernach reduzierte sich die Nettoinvesti-tionsrate von Henkel kontinuierlich von 10,64 Prozent im Jahr 1919auf –4,79 Prozent 1922 und betrug –2,8 Prozent im Jahr 1923. Viel-mehr verlor das Sachanlagevermögen ab 1920 an Substanz und konn-te erst 1924 wieder vergrößert werden.11

Nach der Währungsreform verbesserte sich mit der stabileren gesamt-wirtschaftlichen Konjunktur auch die Geschäftsentwicklung von Hen-kel. Das Unternehmen finanzierte sich weiterhin im wesentlichenunternehmensintern und wurde zum größten Teil nur von Mitgliedernder Familie Henkel „außenfinanziert“. Ein laufendes Forderungs- undVerbindlichkeitskonto gegenüber den Gesellschaftern regulierteneben den Forderungen und Verbindlichkeiten aus Warenlieferungenund Leistungen den kurzfristigen Finanzbedarf des Unternehmens.Nennenswerte Verbindlichkeiten gegenüber Banken bestanden in derZwischenkriegszeit nur in sehr geringem Umfang und werden erst-malig in der Bilanz 1934 ausgewiesen.12

Das infolge der Inflation zusammengelegte Stammkapital wurde 1926von 8 Millionen Reichsmark auf 14 Millionen Reichsmark und 1928auf 24 Millionen Reichsmark erhöht. Aus den vorhandenen Quellengeht nicht hervor, ob diese Erhöhung durch Bareinlage oder durchUmwandlung von Guthaben der Gesellschafter erfolgte. 1927 zeich-nete die Henkel & Cie GmbH in Form von Genussscheinen eine Anlei-he in Höhe von 20 Millionen Reichsmark, von denen 7,5 MillionenReichsmark einbezahlt wurden. Im darauffolgenden Jahr wurdenerneut weitere 5 Millionen Reichsmark gezeichnet, die voll einbezahltwurden. Die Gläubiger der Anleihe waren die Gesellschafter des

10 Liquide Mittel dividiert durchkurzfristiges Fremdkapital mal100.

11 289/746, Jahresabschlussder Henkel & Cie GmbH 1923und Goldmark-Eröffnungsbilanzder Henkel & Cie GmbH zum1.1.1924.

12 289/716: Bilanzen derHenkel & Cie GmbH1928–1931; 289/717: Bilanzender Henkel & Cie GmbH 1932und 1933; 289/745 Bilanzender Henkel & Cie GmbH 1934und 1935; 289/746: Goldmark-Eröffnungsbilanz der Henkel &Cie GmbH vom 1.1.1924,Bilanzen der Henkel & CieGmbH 1924–1927.

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13 E 3, FinanzgeschichteHenkel, Aktennotiz Henkel & CieGmbH 31.12.1926 und31.12.1927; 289/716 Jahres-abschluss (JA) der Henkel & CieGmbH 1928 und 1929–1931;289/717 JA der Henkel & CieGmbH 1932 und 1933;289/745 JA der Henkel & CieGmbH 1934 und 1935;289/746 JA der Henkel & CieGmbH 1927; 289/1271Notarielle Urkunde Nr. 1116vom 1.8.1930, S. 2f., Aktenno-tiz vom 11.11.1935 und vom12.11.1936 sowie Protokoll derGesellschafterversammlung vom7.11.1936, S. 2. Zur genauenAuflistung der Anleihegläubigermit dem jeweiligen Kapital vgl.Kaiser, Entwicklung, S. 52.

14 Hundert Jahre Henkel, S. 76.

15 E3, FinanzgeschichteHenkel, Aktennotiz Henkel & CieGmbH 31.12.1941; 289/719:Bilanz der Henkel & Cie GmbH1938; 289/720 Bilanz derHenkel & Cie GmbH 1937;289/722 Bilanz der Henkel &Cie GmbH 1939 sowie 289/723Gewinn und Verlustrechnung derHenkel & Cie GmbH, soweit siedie Kapitalberichtigung betrifft,1941. Zur Entwicklung desEigenkapitals, der Rücklagenbil-dung und der Verwendung derJahresüberschüsse von 1923bis 1945 vgl. Kaiser, Entwick-lung, S. 44f. und 63–65;National Archives Record Group407, Box 1035 und 1036.

16 E3, Finanzgeschichte Henkel,Aktennotiz Henkel & Cie GmbH31.12.1946, Bilanzen derHenkel & Cie GmbH 1946 und1947, Reichsmark-Schlussbilanzder Henkel & Cie GmbH zum20.6.1948; 289/728: Bilanz derHenkel & Cie GmbH 1944,Abschlüsse Henkel & Cie GmbHund AG 1944, S. 2f.; 289/731:Bilanz der Henkel & Cie GmbH1945. Zur Entwicklung derWertberichtigungen von 1944bis 1948 vgl. Kaiser, Entwick-lung, S. 40. Als unsicheresVermögen wurde das gesamtevon der Militärregierunggesperrte Vermögen ausgewie-sen. E31, FinanzgeschichteHenkel, Aktennotiz InterneGeschichte der Firma Henkel1924–1948 vom 2.2.1972, S 1.

Unternehmens. Die insgesamt 12,5 Millionen Reichsmark Anleiheka-pital wurden im gleichen Beteiligungsverhältnis wie beim Stammka-pital einbezahlt. Die Anleihe wurde 1934 und 1935 erstmalig mit 6Prozent verzinst, am 7. November 1936 gekündigt und zum Nominal-wert in Höhe von 12,5 Millionen Reichsmark zurückgezahlt.13

Nach dem Tod des Unternehmensgründers am 1. März 1930 ging dasFirmenkapital der Henkel & Cie GmbH und AG dem Testament ent-sprechend an seine Nachkommen über: Jeweils 40 Prozent entfielenauf die „Familienstämme“ Fritz Henkel jun. – da er bereits vor seinemVater am 4. Januar 1930 gestorben war, erbten seine drei Töchter, IlseBagel, Sigrid Manchot und Herta Pape – und Hugo Henkel, 20 Pro-zent auf den Stamm Emmy Lüps, geborene Henkel.14

Von 1937 bis 1939 wies die Passivseite der Bilanz als langfristigeSchulden ein „Darlehen Basel“ in Höhe von 26 Millionen Reichsmark(1937) bis 29 Millionen Reichsmark (1939) aus. Dieses Darlehen derUMA AG mit Sitz in Chur/Basel, die als Holdinggesellschaft für dieausländischen Beteiligungen der Henkel-Gruppe fungierte, führte zueiner Reihe von steuerlichen Auseinandersetzungen mit den national-sozialistischen Behörden. 1941 erhöhte die Henkel & Cie GmbHgemäß Dividendenabgabeverordnung ihr Stammkapital um 176 Milli-onen Reichsmark auf 200 Millionen Reichsmark. Diese Aufstockungwurde vorgenommen durch Auflösung der Rücklagen in Höhe von101.453.000 Reichsmark, Ausweis von 63.723.819 Reichsmark stillerReserven (Zuschreibung von 10.690.360 Reichsmark zum Sachanla-gevermögen, 27.140.955 Reichsmark zu den Beteiligungen,10.000.000 Reichsmark zu den Waren, 13.892.504 Reichsmark zuden Beteiligungen und 2.000.000 Reichsmark zu den Forderungen)sowie Zuweisung von 10.823.181 Reichsmark aus dem Gewinn.15

Die wirtschaftspolitischen Folgen des Zweiten Weltkriegs belastetendie Henkel & Cie GmbH erheblich. Aufgrund von Kriegsschäden undEnteignungen bildete das Unternehmen ab 1944 Wertberichtigungenauf Anlage- und Umlaufvermögen durch Bilanzausweis stiller Reser-ven und Einstellungen aus dem Betriebsergebnis auf der Passivseiteder Bilanz. Während die Kriegsschäden im Werk Düsseldorf-Holt-hausen infolge von Luftangriffen und Artilleriebeschuss im Frühjahr1945 – am Umfang des Betriebes gemessen – relativ gering ausfielen,erlitt Henkel die größten Vermögensverluste durch die entschädi-gungslosen Enteignungen in der russischen Besatzungszone und imAusland.16

Nachdem das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge derWährungsreform eine Kapitalherabsetzung vorgenommen hatte, wur-de die DM-Eröffnungsbilanz schließlich 1953/54 vorgelegt.17 FürHenkel war es „in der heutigen Zeit entscheidend, [...] über flüssigesGeld zu verfügen“. Aus diesem Grunde fiel es dem Unternehmen„schwer“, die erforderlichen Aufwendungen etwa für den Wiederauf-bau der Produktion, Grundstücks-Arrondierungen, Ausgaben aufsozialem Gebiet, Steuerzahlungen und Verpflichtungen aufgrund desSoforthilfe-Gesetzes sowie zur Unterstützung von Tochtergesellschaf- 217

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ten „aus eigener Kraft“ aufzubringen. Da „langfristige Kredite [...]zur Zeit noch nicht zu bekommen“ waren und die Gesellschaft auchkeine Wertpapier-Reserven liquidieren konnte, machte sich ein nach-haltiger Kapitalmangel in allen Bereichen des Unternehmens bemerk-bar.18

Aufgrund der Enteignungen der in der Ostzone liegenden Werke inRodleben und Chemnitz erweiterte Henkel ab 1948 die Produktions-anlagen in Düsseldorf-Holthausen um ein großes Ölviertel. ObwohlHenkel angesichts des steigenden Investitionsaufwands versuchte,„mit eigenen Mitteln auszukommen, ließ es sich nicht vermeiden,„dass wir Ende des Monats oder später fremdes Geld aufnehmen“.19

Immerhin gelang es dem Unternehmen – trotz umfangreicher Investi-tionen in Höhe von 8 bis 9 Millionen DM im Jahr 1951 – den zuge-sagten Bankkredit von 5 Millionen DM nicht in Anspruch zu nehmen.Bei den noch bestehenden Krediten zeigte sich Henkel bemüht, diesevollständig abzulösen, „so dass die Firma dann – wenigstens imAugenblick – keinen Bankkredit habe, sondern allein mit eigenemGeld arbeite“.20 Zusätzlich sollte auf Anregung von Hugo Henkel einFonds geschaffen werden, „den wir in schlechten Zeiten in Angriffnehmen könnten“. Offenbar ging die Geschäftsleitung davon aus,„dass Ausgaben für uns kommen könnten, für die wir sonst kein Geldhätten“.21 Aus dem selben Grund verfuhr Henkel eine äußerst restrik-tive Dividendenpolitik, die 1953 selbst im Beirat Irritationen auslös-te, da „es keine andere Firma von gleicher Größe gäbe, die nur 6 Pro-zent Dividende zahle“.22

„Dem Wunsche der Familie entsprechend“ hielt die Geschäftsleitungweiterhin an „der konservativen Selbstfinanzierungspolitik“ fest: Sowar es der Finanzabteilung auch 1954 gelungen, „alle Probleme ohneInanspruchnahme von fremden Mitteln zu lösen“. Ab der Währungs-reform 1948 bis einschließlich 1953 hatte das Unternehmen insge-samt 53,7 Millionen DM investiert. Die Finanzierung, die nachBekunden des Beirates „nicht immer leicht [...] aber erfolgreich“ war,konnte vor allem durch eine gute Umsatzentwicklung realisiert wer-den.23

Die freien Mittel des Unternehmens wurden weniger zur Ausdehnungder vorhandenen Produktionskapazitäten verwendet als vielmehr zurExpansion durch Beteiligungen und Gründungen von Tochtergesell-schaften. Ab den 1930er Jahren engagierte sich Henkel vor allem aufdem Fett- und Ölmarkt, um seine Rohstoffversorgung zu sichern.Auch hier gab das Unternehmen einem externen Wachstum meist denVorzug vor einer Eigeninvestition: Während die durchschnittlicheZunahme der Sachanlagen pro Jahr 616.000 Reichsmark betrug,erhöhten sich die Beteiligungen und Wertpapiere um durchschnittlich7.890.000 Reichsmark pro Jahr. Diversifikationsmaßnahmenbestimmten die Unternehmenspolitik, so dass Henkel durch Erschlie-ßung neuer Märkte und Kundenkreise ein beachtliches Wachstum ver-zeichnete. So erhöhte sich die Bilanzsumme von 1923 (in Goldmark)bis 1948 (unter Einbezug des unsicheren Vermögens) um das 23-fache. Bei den absoluten Zahlen muss jedoch die einsetzende Geld-

17 153/10, Postbesprechungvom 12.1.1954. 289/1119,Finanzpräsident a.D. GeorgEichhorn an Henkel & CieGmbH, 5.4.1954.

18 152, Dr. Winkler, Nieder-schrift über die Besprechungvom 5.3.1949.

19 A 24, Dr. Winkler, Ergänzen-de Niederschrift über dieBeiratssitzung vom 21.9.1948,29.9.1948. Nach der Währungs-reform forderten zahlreicheFirmen „langfristige Kredite zutragbaren Bedingungen“.

20 152, Henkel & Cie GmbHBeirat 1949–1955, Protokollüber die Beiratssitzung vom16.3.1951.

21 152, Henkel & Cie GmbH,Beirat 1949–1955, Nieder-schrift über die Beiratssitzungvom 4.4.1952.

22 152, Henkel & Cie GmbH,Beirat 1949–1955, Ergänzungder Niederschrift über dieBeiratssitzung vom27.10.1953.

23 152, Henkel & Cie GmbH,Beiratssitzung vom 29.9.1954,Ausführungen von FriedrichMalitz. 152, Henkel & CieGmbH, Niederschrift über dieBeiratssitzung vom21.10.1955.

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24 E3, Finanzgeschichte Henkel,Aktennotiz Gesamtüberblick1923/24–1948, S. 2f., und:DM-Eröffnungsbilanz der PersilGmbH zum 21.6.1948. DiePersil GmbH hatte als Nachfol-gegesellschaft zu diesemZeitpunkt die gleichen Funktio-nen innerhalb der Henkel-Gruppeinne wie die Henkel & CieGmbH. Damit ist die DM-Eröffnungsbilanz mit derReichsmark-Schlussbilanz direktvergleichbar.

25 Kennzahl für den Einsatz desvorhandenen Kapitals: Eigenka-pital dividiert durch Anlagenver-mögen mal 100.

26 Liquidität 2. Ordnung =Liquide Mittel plus Wertpapiereplus kurzfristige Forderungendividiert durch kurzfristigesFremdkapital mal 100. Liquidität3. Ordnung = GesamtesUmlaufvermögen dividiert durchkurz- und mittelfristigesFremdkapital mal 100.

27 Kaiser, Entwicklung, S.34–49. Ab 1944 verschlechter-ten sich die Bilanzkennzahlendurch die Wertberichtigungenvor allem auf das verlorengegangene Vermögen imAusland.

entwertung in den letzten Kriegsjahren etwa mit Übergang zurKriegswirtschaft 1941 bis zur Währungsreform 1948 berücksichtigtwerden. Zieht man zur Beurteilung der langfristigen Entwicklung derHenkel & Cie GmbH die DM-Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948der Nachfolgegesellschaft Persil GmbH heran, so wurde die Bilanz-summe im Betrachtungszeitraum immerhin noch um das mehr als 7-fache gesteigert.24

Die solide Finanzierungsstruktur spiegelt sich in den folgenden Kenn-zahlen wider: Der Verschuldungsgrad betrug von 1923 bis 1943durchschnittlich 63 Prozent; die Anlagendeckung I25 unterschritt indiesem Zeitraum nur im Inflationsjahr 1923 100 Prozent und lag zeit-weilig bei über 200 Prozent. Der Zinssaldo der Henkel & Cie GmbHwar ab 1938 mit Ausnahme von 1947 positiv. Auch die Zinserträgeder Henkel & Cie AG überstiegen stets ihre Zinsaufwendungen. Derkonsolidierte Zinssaldo betrug von 1934 bis 1948 durchschnittlich280.467 Reichsmark. Während die Liquidität 1. Ordnung bis 1931nur bei 0 bis 2 Prozent lag, sich danach aber sprunghaft verbesserte,war die Liquidität 2. und 3. Ordnung26 im wesentlichen ab 1927 gesi-chert. Bei Betrachtung dieser Bilanzkennzahlen kann die Finanzlagevon Henkel in diesem Zeitraum als gut konstatiert werden.27

219

Zinssaldo der Henkel & Cie GmbH sowie der Henkel & Cie AG1934 bis 1948 in Tausend Reichsmark

Quelle: Eigene Berechnungenanhand 289/718–731, 745,746, 987, Jahresabschlüsse derHenkel & Cie GmbH, Gewinn undVerlustrechnung (G.u.V.) 1934 bis1948, Geschäftsberichte Henkel& Cie AG 1936 bis 1939 und1946 bis 1948. Zinssaldo = Zinsertrag minusZinsaufwand.

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Im Gegensatz zur Henkel & Cie GmbH spielte die Henkel & Cie AGvon der Bilanzseite her nur eine untergeordnete Rolle. Ihre durch-schnittliche Bilanzsumme betrug im Betrachtungszeitraum wenigerals 4 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme der Schwesterge-sellschaft. Als Vertriebsgesellschaft unterhielt sie keine eigenen Anla-gen und Warenvorräte. Ab 1944 übernahm die Henkel & Cie GmbHdie Aktiva und Passiva der AG. Als einzige Bilanzposten verbliebenauf der Aktivseite der AG das Guthaben bei der GmbH und auf derPassivseite das Eigenkapital.28

Die Kapitalstruktur wurde mehrfach geändert: 1948 erwarb die Hen-kel & Cie GmbH von ihren Gesellschaftern, den Mitgliedern derFamilie Henkel, eigene Geschäftsanteile in Höhe von 80 MillionenReichsmark. Das Stammkapital wurde dadurch auf 120 MillionenReichsmark herabgesetzt. Als Gegenwert erhielten die Gesellschafternominal 28.250.000 Reichsmark Degussa-Aktien zum Kurs von 90Prozent (= 25.425.000 Reichsmark), nominal 21.200.000 ReichsmarkAktien der Norddeutschen Hefeindustrie zum Kurs von 100 Prozentund Barvergütungen in Höhe von 9.375.000 Reichsmark. Somit hatdie GmbH ihre eigenen Anteile zum Kurs von 70 Prozent von denGesellschaftern übernommen.29 Nach einer weiteren Kapitalherabset-zung von 120 Millionen Reichsmark auf 92 Millionen DM am 21.Juni 1948 wurde die Henkel & Cie GmbH am 12. Mai 1950 in diePersil GmbH umgewandelt, die fortan bis 1968 die Funktion der Hol-ding-Gesellschaft innerhalb der Henkel-Gruppe übernahm.

Im Zuge der Währungsreform wurde das Grundkapital der ruhendenVerkaufsgesellschaft Henkel & Cie AG zum 21. Juni 1948 von 4,8Millionen Reichsmark auf 4 Millionen DM umgestellt. Die Henkel &Cie AG wurde zur Henkel & Cie GmbH umfirmiert, die ihrenGeschäftsbetrieb als Produktions- und Vertriebsgesellschaft zum 1.Mai 1950 aufnahm.

Nachdem die Persil GmbH ihre Produktions- und Vertriebsaufgabender Henkel & Cie GmbH übertragen hatte, reduzierte sie 1950 ihrStammkapital von 92 Millionen DM auf 48 Millionen DM. Die hier-durch freigesetzten 44 Millionen DM bildeten zusammen mit demGrundkapital der umfirmierten Henkel & Cie AG das Stammkapitalder Henkel & Cie GmbH in Höhe von 48 Millionen DM.30

Die Persil GmbH hatte die Aufgabe, die geschäftlichen Tätigkeitender Henkel-Gruppe im In- und Ausland zu führen und zu koordinie-ren. Sie verwaltete im wesentlichen die Beteiligungen, die Anlage-wertpapiere, die Darlehen an die Beteiligungsgesellschaften sowieden Grund- und Gebäudebesitz, der an die Henkel & Cie GmbH ver-pachtet war.31 Beide Firmen waren als Schwestergesellschaften zu100 Prozent im Besitz der Familie Henkel.

28 Kaiser, Entwicklung, S.74–76. Für eine genauereBetrachtung der quantitativenEntwicklung der Henkel & CieAG vgl. ebenda, S. 74–84.

29 E3, Finanzgeschichte Henkel,Aktennotiz Henkel & Cie GmbH,31.12.1948. Reichsmark-Schlussbilanz der Henkel & CieGmbH zum 20.6.1948.Eröffnungsbilanz der PersilGmbH, 21.6.1948.

30 Jahresabschluss der PersilGmbH 1949 und 1950 sowieder Henkel & Cie GmbH 1950.

31 E3, Finanzgeschichte Henkel,Aktennotiz Henkel & Cie GmbH31.12.1948; Reichsmark-Schlussbilanz der Henkel & CieGmbH zum 20.6.1948; DM-Eröffnungsbilanz der PersilGmbH zum 21.6.1948.Jahresabschluss der PersilGmbH 1949 und 1950 sowieder Henkel & Cie GmbH 1950.220

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32 E 31, Besprechung Barle-ben/Winkler vom 22.5.1956.

33 Geschäftsberichte der Henkel& Cie GmbH 1954 bis 1959;Jahresabschlüsse der Henkel &Cie GmbH 1950–1959;Geschäftsberichte der PersilGmbH 1952 bis 1956; JA derPersil GmbH 1949 bis 1959.

Bis 1969 setzte die Geschäftsführung die für familienbestimmteUnternehmen typische Strategie der vornehmlichen Innenfinanzie-rung fort: „Selbst bei größeren Investitionen, zum Beispiel großenBauvorhaben, verzichtet man lieber auf schnellere Gewinne, als dasPrinzip der Selbständigkeit zu durchbrechen.“ Außer den Guthabender Familie Henkel hatte die Henkel-Gruppe lediglich Verbindlich-keiten aus der laufenden Geschäftstätigkeit. Neben den Forderungenund Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen und Leistungen, denUmsatzrückvergütungen an Kunden sowie den Rückstellungen undVerpflichtungen gegenüber den Pensionsunterstützungen wiesen dieBilanzen auch größere Beträge aus Forderungen und Verbindlichkei-ten gegenüber Verbundenen Unternehmen auf. Letztere waren größ-tenteils Verrechnungskonten aus dem laufenden Waren- und Finanz-verkehr mit in- und ausländischen Tochtergesellschaften. Bei derHenkel & Cie GmbH war das Darlehen der Persil GmbH der größtePosten.32

Bei ihren Pensions- und Versorgungskassen nahmen die Henkel & CieGmbH und die Persil GmbH ab 1954 jedoch langfristige Schuld-scheindarlehen auf, die 1955 bei der Henkel & Cie GmbH 13 Millio-nen DM (6,8 Prozent der Bilanzsumme) ausmachten. Die Darlehenlagen in ihrer Verzinsung 2 Prozent über dem Landeszentralbank-Dis-kontsatz, betrugen aber mindestens 6 Prozent. Die Persil GmbH wiesbis 1957 unverändert 6 Millionen DM Verbindlichkeiten (3,1 Prozentder Bilanzsumme von 1957) bei ihren Unterstützungskassen auf.33

Aufgrund der verbesserten Liquiditätslage zahlte die Henkel & CieGmbH 1959 ihre Schuldscheindarlehen vorzeitig zurück.

Zum 31. Dezember 1960 erhöhte die Henkel & Cie GmbH ihrStammkapital auf 72 Millionen DM. Die hierfür erforderlichen 24Millionen DM wurden aus Gesellschaftsmitteln durch Auflösung vonRücklagen finanziert. Diese Kapitalerhöhung stand im Zusammen-hang mit der Integrierung der Böhme Fettchemie GmbH und derDeutsche Hydrierwerke GmbH als geschlossene Abteilungen in dieHenkel & Cie GmbH zum 1. Januar 1961. Mit der Eingliederung die-ser beiden Gesellschaften nahm die Henkel & Cie GmbH 1960 erst-malig größere kurzfristige Kredite in Höhe von 6,1 Millionen DM(2,1 Prozent der Bilanzsumme) bei ausländischen Banken zur Finan-zierung von Rohstoffimporten auf. Sie stiegen in den beiden Folge-jahren auf 8,3 und 14,3 Millionen DM (2,5 Prozent beziehungsweise3,7 Prozent der Bilanzsumme) an und wurden 1963 zurückgezahlt.

In den übrigen Geschäftsjahren zwischen 1950 und 1969 waren dieVerbindlichkeiten gegenüber familienfremden Kreditgebern äußerstgering. 1960 erhöhte auch die Persil GmbH durch Auflösung vonRücklagen ihr Stammkapital um 48 Millionen DM auf 96 MillionenDM. 1962 führte die Henkel & Cie GmbH eine weitere Kapitalerhö-hung um 24 Millionen DM auf 96 Millionen DM durch Auflösen vonRücklagen durch. 1962 erhielt die Henkel & Cie GmbH erneutSchuldscheindarlehen der Unterstützungskasse, die eine Laufzeit vonbis zu vier Jahren hatten. Zunächst nahm das Unternehmen 4 Millio-

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nen DM (1 Prozent der Bilanzsumme) auf, die in den folgenden Jah-ren bis auf 32,45 Millionen DM (5 Prozent der Bilanzsumme) anstie-gen. 1968 übernahm die Persil GmbH diese Darlehen.34

Die Expansion der Henkel-Gruppe auf dem deutschen Markt in den1960er Jahren mit Umsatzzuwächsen von jährlich etwa neun Prozentsowie die starke Geschäftsausweitung im Ausland zu einer internatio-nalen Firmengruppe veranlasste die Geschäftsführung unter KonradHenkel 1969/70 zu einer grundlegenden Änderung der Finanzie-rungsstruktur: Neben organisatorischen Gründen wurde auch aussteuerlichen Überlegungen die Persil GmbH 1969 in die HenkelGmbH als geschäftsführende Holdinggesellschaft der Henkel-Gruppeumgewandelt. Diese erwarb von der Familie Henkel sämtlicheStammkapitalanteile der Henkel & Cie GmbH, die somit zur größtenTochtergesellschaft der Henkel GmbH wurde. Dadurch erhöhte sichdas Stammkapital der Henkel GmbH um 48 Millionen DM auf 144Millionen DM. Die bisherigen Gesellschafter der Henkel & CieGmbH, die Familienmitglieder Henkel, legten bei der GmbH eine stil-le Beteiligung in Höhe von 144 Millionen DM im gleichen Verhältnisihrer früheren Anteile am Stammkapital ein. Im darauffolgenden Jahrzahlte die Henkel & Cie GmbH 10 Prozent dieser Anteile zurück. Biszur Fusion mit der Henkel KGaA 1977 blieb die stille Beteiligungunverändert in Höhe von 129,6 Millionen DM bestehen.

Trotz der umfangreichen Expansionstätigkeit gelang es den Finanz-Chefs Friedrich Malitz (1945–1973) und Dr. Hans-Otto Wiescher-mann (bis 1989) gemeinsam mit ihren Fachleuten auf diese Weise bisin die 1970er Jahre hinein, langfristige Fremdfinanzierungen auszu-schließen. Insofern expandierte Henkel stets mit Blick auf „das Mach-bare“, wie auch die angestrebte Eigenkapitalquote von 40 Prozent bisAnfang der 1990er Jahre signalisiert. Zudem wurden die Expansions-möglichkeiten bis zur Börseneinführung von Vorzugsaktien 1985nachhaltig eingeschränkt durch „die Grundsatzentscheidung desUnternehmens, die [...] Fremdfinanzierung auf ein Minimum zubeschränken“. Auch „das Fehlen von Aktien, die im Falle einerAkquisition eingetauscht werden können und eine Abneigung, sich anGemeinschaftsunternehmen zu beteiligen“, konnten sich einschrän-kend auswirken. Doch lassen die starken externen Wachstumsakti-vitäten ab den 1970er Jahren darauf schließen, dass die Finanzie-rungsbeschränkungen des Unternehmens so stark nicht gewesen seinkönnen.35

Das Wachstum des Geschäftsvolumens konnte ab 1970 erstmalignicht mehr ausschließlich innenfinanziert oder mit Mitteln der Fami-lie Henkel außenfinanziert werden: „[...] die Umwandlung eineswesentlich auf dem deutschen Markt tätigen Unternehmens in eineinternationale Firmengruppe [...] bedeutete vor allem sehr ernsteÜberlegungen zu den Möglichkeiten und den Grenzen eines Famili-enunternehmens, vor allem in finanzieller Hinsicht“, wie die Henkel-Festschrift im Jahr 1976 zusammenfasst.36 1970 nahm die Gesell-schaft zum ersten Mal in ihrer Geschichte größere Verbindlichkeiten

34 Jahresabschlüsse der Henkel& Cie GmbH 1960–1967 und1969; JA der Persil GmbH1961–1968 und 289/683:Aktennotiz vom 29.6.1960.

35 251/1, SRI, Einführung einerverbindlichen langfristigenPlanung der Persil/Henkel-Gruppe – Phase I, April 1967.Zur Bedeutung von FriedrichMalitz siehe Interview HelmutSihler, 26.5.2000, S. 3, undHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 1. Auch KonradHenkel, Führen durch Überzeu-gen, in: Konrad Henkel spezial,Beilage des Henkel-Blick,25.10.1995, S. 4.

36 Hundert Jahre Henkel, S. 148und 152.222

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37 Kaiser, Entwicklung, S. 85,89–95.

38 Feldenkirchen, Inlandsge-schäft, S. 49.

bei Kreditinstituten auf. Der Verschuldungsgrad der Persil GmbHbeziehungsweise der Henkel GmbH, der bis 1969 durchschnittlich 35Prozent betragen hatte, stieg ab 1970 auf 73 Prozent an.37

Zur vermehrten Aufnahme von familienfremden Krediten und Ver-bindlichkeiten gegenüber Banken führten auch die Konjunktureinbrü-che der frühen 1970er Jahre während der Ölkrise. Die Erhöhung desStammkapitals der Henkel GmbH 1972 um 72 Millionen DM und1974 um 84 Millionen DM auf die Summe von 300 Millionen DMsollte noch vor der Umwandlung in die Henkel KGaA „günstigereVoraussetzungen für die Aufnahme von Bankverbindlichkeiten oderDarlehen“ schaffen.38 Hatte die Henkel GmbH bis 1972 nur kurzfris-tige Bankkredite aufgenommen, so bediente sie 1973 bereits 55 Milli-onen DM langfristige Kredite, die 1974 auf 95 Millionen DM anstie-gen und 5,84 Prozent beziehungsweise 8,9 Prozent der Bilanzsummeentsprachen. Mit dem Rückgang der Bilanzsumme konnten 1975 dieBankkredite zwar insgesamt gesenkt werden, das Unternehmenschichtete aber von kurzfristigen zu langfristigen Krediten um. 1976,bei einer Stagnation der Bilanzsumme, konnten die Kredite weitergesenkt werden; sie hatten aber fast ausschließlich mittel- und lang-fristige Laufzeiten. Langfristige Bankkredite konnten sich so in derFinanzierungsstruktur von Henkel etablieren.

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Henkel & Cie GmbH, laufende Bankabhängigkeiten, 1970 bis 1976

Quelle: Jahresabschlüsse derHenkel & Cie GmbH1970–1976.

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Auch die Henkel GmbH nahm ab 1970 Kredite gegenüber Banken ingrößerem Umfang auf. 1970 hatte sie kurzfristige Verbindlichkeitengegenüber Kreditinstituten in Höhe von 38,3 Millionen DM (4,8 Pro-zent der Bilanzsumme), die 1971 auf 34,2 Millionen DM gesenktwurden (3,9 Prozent der Bilanzsumme). 1974 hatte die Henkel GmbHkeine Bankverbindlichkeiten.39

Von 1950 bis 1974 erhöhte sich die Bilanzsumme der Persil GmbHbeziehungsweise der Henkel GmbH um das 9,1fache. Die Bilanz-summe der Henkel & Cie GmbH betrug 1976 das 8,7fache derBilanzsumme von 1950. Eigenkapitalerhöhungen finanzierte Henkelzu dieser Zeit aus den Jahresüberschüssen.

Anhand dieser Gegenüberstellung zeigt sich, dass die Geschäftsfüh-rung der Henkel-Gruppe zur Finanzierung von Akquisitionen undimmobilem Anlagevermögen bei ihrer Holdinggesellschaft eine brei-te Eigenkapitalbasis anstrebte, während die Produktionsgesellschaftsich stärker durch Fremdkapital finanzierte. Eine derartige Unterneh-menspolitik erscheint bei einer Betrachtung der Anlagendeckung derjeweiligen Gesellschaften sinnvoll: Das Anlagevermögen der PersilGmbH beziehungsweise der Henkel GmbH war nur bis 1953 voll-ständig durch das Eigenkapital gedeckt; die durchschnittliche Anla-gendeckung der Holdinggesellschaft betrug im Betrachtungszeitraum85 Prozent. Dies ist auf den hohen Anteil des Finanzanlagevermögenszurückzuführen. Die Anlagendeckung der Produktionsgesellschaftbetrug dagegen durchschnittlich 163 Prozent, da die Henkel & CieAG nur mobiles Sachanlagevermögen besaß und das unbeweglicheAnlagevermögen von der Persil GmbH beziehungsweise der HenkelGmbH pachtete.

Die Henkel & Cie GmbH war trotz eines höheren Verschuldungsgra-des liquider als die Persil GmbH und als die Henkel GmbH, da eineausreichende Liquidität zur Finanzierung von Warenvorräten für dielaufende Produktion notwendig ist. Die relativ gute Liquidität derHenkel & Cie GmbH wird auch bei einem Vergleich des Zinssaldosvon Produktions- und Holdinggesellschaft deutlich: Der durchschnitt-liche Zinssaldo der Henkel & Cie GmbH betrug 2.124.592 DM, der-jenige der Persil GmbH beziehungsweise der Henkel GmbH hingegen–1.955.522 DM, obwohl der Verschuldungsgrad in diametralem Ver-hältnis hierzu stand. Die Henkel & Cie GmbH hatte – in Relation zumjeweiligem Fremdkapital – wesentlich mehr flüssige Mittel, die ent-sprechende Zinserträge erbrachten, als die Persil GmbH beziehungs-weise die Henkel GmbH.40 Von 1949 bis 1974 betrug der konsolidier-te durchschnittliche Zinssaldo der beiden Gesellschaften 732.130DM.

39 Geschäftsberichte Henkel &Cie GmbH 1970 bis 1976, darinJahresabschlüsse; Geschäftsbe-richt Henkel GmbH 1970;Konzern-Geschäftsberichte1971, 1974.

40 Kaiser, Entwicklung, S. 85,89–95, 105, 109–117, 163und 166–169.

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41 Verwaltungsrat Henkel GmbH,17.12.1971.

42 Verwaltungsrat Henkel GmbH,21.10.1974.

43 153/48, ZGF, GemeinsameBesprechung ZGF/GL Henkel &Cie GmbH, 9.3.1976.

44 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 10f. InterviewHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 5.

45 153/64, Post ZGF,19.12.1978, Anlage: VortragHelmut Sihler, Familienbespre-chung am 15.12.1978: Derdeutsche Waschmittelmarkt galtals „heiß umstritten undausgereizt“.

46 153/70, Post ZGF,5.6.1984.

47 Intern 8/1989.

48 „1999. Das Jahr des Returnon Investment bei Henkel“, in:Henkel Blick 4/1999, S. 2.

Bis 1972/73 wies Henkel eine gute Liquidität auf, so dass die geneh-migten Bankkredite „zu keinem Zeitpunkt voll in Anspruch genom-men“ werden mussten. Eine Ausnahme machte die Geschäftsleitung1971, als alle Möglichkeiten zur Fremdfinanzierung in dem geneh-migten Rahmen ausgenutzt wurden, um einen relativ hohen Bestandan flüssigen Mitteln vorweisen zu können. Diese Gelder sollten auf-grund der Verhältnisse am internationalen Geldmarkt bei inländischenKreditinstituten gegen eine positive Zinsarbitrage angelegt werden.Außerdem erschien es „zweckmäßig, in der erstmals zu veröffentli-chenden Konzernbilanz eine gute Liquidität der Henkel-Gruppe zudemonstrieren“.41 Durch den großen Umsatzanstieg von 1971 bis1974 wurde die Liquidität aufgrund stark steigender Vorräte und For-derungen beeinträchtigt. Die Investitions- und Akquisitionspolitik derfolgenden Jahre war daher von wesentlicher Bedeutung.42

Mit dem Konjunktureinbruch der frühen 1970er Jahre änderten sichdie „Aufgaben und Probleme“, denen sich das Unternehmen zu stel-len hatte.43 Henkel hatte durch das Kosmetik-Geschäft im Inland unddurch die Auslandsengagements, vor allem in Spanien, Frankreichund Brasilien, hohe Verluste erlitten. Dem Selbstverständnis einerFamiliengesellschaft entsprechend scheute die Geschäftsleitung nachwie vor hohe Einbußen und musste sich von der jüngeren Manager-Generation – angeführt durch Helmut Sihler – vorhalten lassen, „dassVerluste zu machen kein Makel ist“. Doch trugen die beschränktenFinanzierungsmöglichkeiten der Familiengesellschaft nach wie vordazu bei, dass der „Big Deal“ – also eine Akquisition, die den Einkaufin einen zukunftsträchtigen Markt ermöglichte – entweder überhauptnicht oder nur in kleinen Schritten möglich wurde. Da man „auf inter-essanten Märkten tätig sein“ wollte, „aber [...] nicht aus eigener Kraftentsprechende Größenordnungen erreichen“ konnte, bediente sichHenkel nun häufig der sogenannten Partnerstrategie. Sie wurde etwabei den Firmen Clorox, Ecolab und Loctite angewendet.44

Die Bruttokapitalrendite des Unternehmens sank von 20 Prozent imJahr 1969 auf circa 12 Prozent im Jahr 1978. Dies resultierte teilweiseaus der Verschlechterung der Bruttokapitalrendite im wichtigstenGewinnbringer des Unternehmens, dem deutschen Waschmittelge-schäft, die von 45 Prozent im Jahr 1969 auf 30 Prozent im Jahr 1978gesunken war.45 Eine Analyse der Jahresabschlüsse der WettbewerberColgate-Palmolive, Procter & Gamble sowie Unilever hatte zu Beginnder 1980er Jahre nicht nur den hohen Umsatz und Cash flow je Mit-arbeiter bei Procter & Gamble unterstrichen. Auch bei den Renditenwar keiner der übrigen Wettbewerber „an die herausragenden Wertevon Procter & Gamble“ herangekommen. Wollte Henkel im Wettbe-werb bestehen, so war nicht nur eine Ergebnisverbesserung, sondernauch eine Verbesserung des Zinssaldos dringend erforderlich.46 Zwarkonnte die im Vergleich zu den Wettbewerbern geringere Rentabilitätder Henkel-Gruppe in den 1980er Jahren verbessert werden, dochblieb hier immer noch einiges „aufzuholen“.47 Da die Kapitalrenditeder Henkel-Gruppe im Vergleich mit den Wettbewerbern immer nochzurücklag, bestimmte die Geschäftsführung das Jahr 1999 zum „Yearof Return on Investment“.48 225

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Zinssaldo der Persil GmbH beziehungsweise der Henkel GmbH, der Henkel & Cie GmbH und der HenkelInternational GmbH 1949 bis 1976 in Tausend DM

Quelle: Eigene Berechnungenanhand Gewinn und Verlustrech-nung (G. u. V.) der Persil GmbH1949–1968; G u. V. der HenkelGmbH 1969–1971 und 1974,G. u. V. der Henkel & Cie GmbH1950–1976, G. u. V. der HenkelInternational GmbH 1961–1968,Prüfungsbericht Bilanz derHenkel International GmbH1969, Anlage 2, 1970, Anlage2, und 1971, Anlage 2 Blatt 1.

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49 Eigenkapital plus langfristigesFremdkapital dividiert durchAnlagevermögen mal 100.

50 Jahresabschlüsse der Henkel& Cie GmbH 1975 und 1976.Geschäftsberichte der Henkel &Cie GmbH 1975 und 1976.Henkel Geschäftsberichte 1975bis 1984. Kaiser, Entwicklung,S. 173–181.

Die Bilanzsumme stieg bis 1984 auf das 3,1-fache der Bilanzsummevon 1975. Der Verschuldungsgrad betrug durchschnittlich 107,4 Pro-zent; die durchschnittliche Anlagendeckung I lag bei 84,4 Prozent.Aufgrund der niedrigen langfristigen Fremdkapitalquote erreichteauch die Anlagendeckung II49 im Betrachtungszeitraum nicht 100 Pro-zent. Die Liquiditätslage war ebenfalls nicht zufriedenstellend; selbstdie Liquidität 3. Ordnung erreichte nicht 100 Prozent. Der Zinssaldowar stets negativ und betrug durchschnittlich (1975 und 1976 mit derHenkel & Cie GmbH konsolidiert) –11,14 Millionen DM.50

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Zinssaldo der Henkel KGaA in Millionen DM 1975 bis 1984

Quelle: Henkel Geschäftsberichte1975–1984.

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Der Gang zur Börse

51 153/54, Post ZGF,6.11.1973.

52 Siehe auch „Weichen für dieZukunft sind gestellt“, in: Henkel-Blick 12/1974, S. 1–3. HundertJahre Henkel, S. 76. 153/61,Post ZGF, 23.3.1977. FFO,Organisatorische Änderungen inder Henkel-Gruppe seit 1969,4.6.1985. Dementsprechenderscheinen folgende Kürzel fürdie Henkel-Gruppe in denUnterlagen: HH für HenkelGmbH und ab 1.1.1975 fürHenkel KGaA, HC für Henkel &Cie GmbH sowie VerbundeneUnternehmen Inland (VUI) undAusland (VUA). Die VU werdenseit den 1970er Jahren nachJahresumsatz in A-, B- und C-Firmen kategorisiert.

53 1985: Henkel an der Börse,S. 15, 33. Auch JoachimGehlhoff, Börsenneuling Henkel,in: Die Welt vom 27.8.1985.153/63, Post ZGF, 20.6.1978.153/64, Post ZGF, 22.8.1978.Infolge der Umstrukturierungwar die Eigenkapitalquote durchdie höhere Bilanzsumme(Zunahme der Forderungenbeziehungsweise der Verbind-lichkeiten und Rechnungsabwei-chungs-Posten) vorübergehendauf 36 Prozent zurückgegan-gen.

54 1985: Henkel an der Börse,S. 12.

55 Ebenda.

56 Auch Hans Otto Eglau, Persilbleibt Persil. Der mühsameWandel einer Familienfirma, in:Die Zeit vom 22.8.1985. Soauch Helmut Uebbing, Die Persil-Aktie. Henkel geht an die Börse,in: Frankfurter AllgemeineZeitung vom 27.8.1985.

1973 wurde das Stammkapital von Henkel & Cie GmbH „in Anpas-sung an das Unternehmenswachstum“ von 96 auf 150 Millionen DMaus Gesellschaftsmitteln (Umwandlung von Rücklagen) erhöht.Damit konnten die Bilanzstruktur verbessert und „günstigere Voraus-setzungen für die Aufnahme von Bankverbindlichkeiten oder Darle-hen geschaffen“ werden.51 Doch waren sich die Geschäftsleitung wieauch die Gesellschafter mittlerweile darüber im klaren, dass weiteresWachstum mit steigendem Finanzbedarf einherging, so dass dieErschließung neuer Finanzierungsquellen mittelfristig nicht mehr zuumgehen war. Zur Vorbereitung der Kapitalaufnahme an der Börsewurde die Henkel GmbH zum 1. Januar 1975 in eine Kommanditge-sellschaft auf Aktien (KGaA) umgewandelt, was jedoch den Famili-encharakter des Unternehmens nicht berührte.

Die KGaA galt als eine Gesellschaftsform, die „in besonderem Maßeden Bedürfnissen und Vorstellungen einer großen Familiengesell-schaft entspricht“, indem sie „auf der einen Seite den Einfluss und diebesondere Position der Familieneigentümer [sicherte], auf der ande-ren Seite [...] die Zuführung von langfristigem Kapital“ erleichterte.Zwei Jahre später wurden die größte Tochtergesellschaft Henkel &Cie GmbH mit der Henkel KGaA fusioniert und das Geschäft derHenkel International GmbH auf die Henkel KGaA übertragen. AlleAktivitäten waren nun in einer Gesellschaft zusammengefasst. DasStammkapital der Henkel GmbH in Höhe von 300 Millionen DMwurde in Grundkapital der Henkel KGaA umgewandelt und blieb bis1984 unverändert.52

Die 1977 erlassene Körperschaftssteuerreform beschleunigte denGang des Familienunternehmens an die Börse. Doch waren es kei-neswegs akute Kapitalbeschaffungsprobleme, die Henkel zu dieserEntscheidung veranlassten, denn mit einem Eigenkapitalanteil von 40Prozent war das Unternehmen solider finanziert als andere deutscheGroßunternehmen.53 Den offiziellen Auslöser bildete vielmehr der imJahr 1990 auslaufende Aktienbindungsvertrag der Gesellschafter.Aufgrund dessen musste ein Weg gefunden werden, der der Familieauch weiterhin die Lenkung des Unternehmens ermöglichte. Insbe-sondere angesichts der wachsenden Anzahl an Familienangehörigenmusste eine grundsätzliche Weichenstellung für die Zukunft vorge-nommen werden, die unter der Prämisse „Firma geht vor Familie“zusammengefasst wurde.54

Tatsächlich hatte sich die Unternehmensleitung den Entschluss, an dieBörse zu gehen, nicht leicht gemacht. Vielmehr war die überwiegen-de Einstellung im Gesellschafterausschuss „durch vorsichtigeZurückhaltung“ gekennzeichnet gewesen.55 Doch musste die FirmaHenkel, wollte sie den Anschluss an den Wettbewerb halten, „vorallem auf den wichtigsten Auslandsmärkten“ wie den USA ihre Posi-tion „erheblich ausbauen“.56

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57 Frankfurter AllgemeineZeitung vom 27.8.1985, zitiertnach Henkel Geschäftsbericht1986, S. 11.

58 E 302, K. Henkel, Pressekon-ferenz am 26.9.1985. InterviewHelmut Sihler, 26.5.2000, S. 15.

59 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 12. InterviewHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 2, der denSchritt als positiv „für die ganzeKultur des Unternehmens“bezeichnet: „Die Börse hat derFirma sehr gut getan im Bezugauf Durchlässigkeit, Informa-tionsherausgabe nach außen,Kommunikation.“

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Gemäß des Gesellschafterbeschlusses vom 24. August 1985 emittier-te die Henkel KGaA am 2. Oktober 1985 gegen Bareinzahlung 1,5Millionen Vorzugsaktien zum Nennbetrag von 50 DM pro Aktie. Mitdem Börsengang der Henkel KGaA konnten sich erstmals in derGeschichte des Unternehmens Personen außerhalb des Kreises derFamilie Henkel am Eigenkapital des Unternehmens beteiligen. Es wardie bis dahin größte Neuemission von Vorzugsaktien an deutschenBörsen. Dazu wurde das Grundkapital um 200 Millionen DM ausGesellschaftsmitteln auf 500 Millionen DM erhöht. Von diesen 200Millionen DM Stammaktien wurde die Hälfte in stimmrechtslose Vor-zugsaktien umgewandelt, die Henkel zusammen mit nominell 75Millionen DM weiteren stimmrechtslosen Vorzugsaktien zum Kursvon 285 DM am 11. Oktober 1985 an den acht deutschen Börsen ein-führte. Dadurch wurde das Grundkapital um insgesamt 275 MillionenDM erhöht und das Agio von 352,5 Millionen DM den Kapitalrück-lagen zugeführt. Zusätzlich bestand ein genehmigtes Kapital zur Aus-gabe weiterer Vorzugsaktien in Höhe von nominell 125 MillionenDM, das bis zum 1. August 1990 befristet war. Die Stammaktien blie-ben zu 100 Prozent im Eigentum der bisherigen Gesellschafter undsollten gemäß einem Aktienbindungsvertrag bis zum Jahr 2000 nichtan Familienfremde veräußert werden. Damit schaffte es Henkel, „dieVorteile des Familienunternehmens“ mit seinen kurzen Entschei-dungswegen und dem persönlichen Führungsstil in einen „großindus-triellen Maßstab hinüberzuretten“. Die stillen Beteiligungen bliebenunverändert mit Gewinnbezugsrecht ausgestattete Vermögenseinlagender Stammaktionäre in Höhe von 129,6 Millionen DM.57

Wichtig war der Börsengang auch für das Image des Unternehmens: WieKonrad Henkel vor der Presse sagte, stärke „er [...] das Ansehen desUnternehmens bei seinen Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit“.58 Hen-kel bezeichnet sich seither gern als „offene Familiengesellschaft“, einBegriff, der vor allem „der Familie suggerieren [sollte], wir sind offen“.Eingeleitet wurde dieses neue Selbstverständnis, dem bislang geltendenkonservativen Unternehmensverständnis diametral entgegenstehend,durch das Gespann Konrad Henkel und Helmut Sihler sowie durch dendamit einsetzenden Generationswechsel in der Geschäftsführung.59

Der Gang an die Börse änderte nichts am Finanzierungsverhalten desUnternehmens. Fremdkapital nahm die Henkel KGaA weiterhin über-wiegend von Mitgliedern der Familie Henkel auf, während Verbind-lichkeiten gegenüber Kreditinstituten möglichst rasch abgebaut wer-den sollten. Die Bilanzen 1978 bis 1984 wiesen keine explizitenVerbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten auf. Dies lässt auf nursehr niedrige Bankkredite mit kurzen Laufzeiten schließen.

Am 7. Oktober 1987 emittierte die Henkel Finance Europe mit Sitz inAmsterdam, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der HenkelKGaA, erstmalig eine Optionsanleihe im Nennbetrag von 250 Milli-onen DM mit einem Verkaufskurs von 132 Prozent. Die Anleihe wur-de mit 61/2 Prozent verzinst und hatte eine Laufzeit von 7 Jahren. DasAgio von 80 Millionen DM wurde den Kapitalrücklagen der HenkelKGaA zugeführt, die Anleihe aber nur dem Fremdkapital der konso-

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lidierten Konzernbilanz zugerechnet. Der Erlös der Anleihe in Höhevon 350 Millionen DM konnte daher nicht ausschließlich der HenkelKGaA zugerechnet werden, sondern erhöhte den Finanzierungsspiel-raum der gesamten Henkel-Gruppe.60 Die Optionsscheine der Anlei-he berechtigten die Inhaber zur Ausübung des Bezugs von stimm-rechtslosen Vorzugsaktien bis zum 7. Oktober 1994. Für die bis zu500.000 durch Ausübung der Optionsrechte möglichen Vorzugsaktien(Stückelung 50 DM) stellte die Henkel KGaA ein bedingtes Kapitalin Höhe von 25 Millionen DM bereit. Im Zuge der Grundkapitalerhö-hung im Jahr 1988 wuchs das bedingte Kapital auf 27,5 MillionenDM. Bis 1993 nahmen die Inhaber keine Optionsrechte in Anspruch,doch im Fälligkeitsjahr wurde die Option zu 99,75 Prozent ausgeübt.Das gezeichnete Kapital stieg dadurch um 27,4 Millionen DM, und esbestand kein bedingtes Kapital mehr. Die Kapitalrücklage erhöhtesich durch die über den Nennbetrag der Anleihe hinaus erzieltenBeträge um 244 Millionen DM.61

1988 erhöhte die Henkel KGaA ihr Grundkapital durch Umwandlungeines Teilbetrages der Gewinnrücklagen um 57,5 Millionen DM auf632,5 Millionen DM. Die sich hieraus ergebenden 1.150.000 jungenVorzugsaktien zum Nennwert von 50 DM pro Aktie waren für dasGeschäftsjahr 1988 zur Hälfte gewinnanteilsberechtigt. Im folgendenJahr nutzte die Henkel KGaA 70 Millionen DM des genehmigtenKapitals in Höhe von 125 Millionen DM zur Ausgabe von stimm-rechtslosen Vorzugsaktien und erhöhte damit ihr Grundkapital auf702,5 Millionen DM. 57,5 Millionen DM Vorzugsaktien gab die Hen-kel KGaA zu einem Bezugspreis von 445 DM je Aktie und einemBezugsrecht von 11:1 aus. Das Agio in Höhe von 473 Millionen DMwurde den Kapitalrücklagen zugeführt. Unter Ausschluss des Bezugs-rechts platzierte die Henkel KGaA bei ausländischen Anlegern dierestlichen Vorzugsaktien zum Nominalwert von 12,5 Millionen DM.Das Agio hieraus in Höhe von 126 Millionen DM wurde erst 1990den Kapitalrücklagen zugewiesen.62

Obwohl der Jahresüberschuss der Henkel-Gruppe zwischen 1984 und1988 um 171 Prozent zugenommen hatte, war der Cash flow in dieserZeit nur um 18 Prozent gestiegen. Das verdeutlicht, dass die Akquisi-tionen und gestiegenen Investitionen dieser Zeit nicht aus dem lau-fenden Geschäft, sondern durch Kapitalmaßnahmen finanziert wur-den. Mit den strategischen Großinvestitionen der ausgehenden 1980erJahre erschienen die aus Kapitalerhöhung, Neuverschuldung undDivestments zu erwartenden Finanzierungsmittel erschöpft. InZukunft sollte daher der Finanzbedarf für das laufende Geschäft ausdem Cash flow plus einem der Umsatzentwicklung angemessenenAnstieg der Fremdschulden gedeckt werden. Da „die zusätzlicheFremdverschuldung [...] auf 500 Millionen DM begrenzt bleiben [soll-te], um die finanzielle Unabhängigkeit des Unternehmens zu erhaltenund angesichts erwarteter Zinssteigerungen die Belastungen zubegrenzen“, nahm Henkel 1989 erneut eine Kapitalerhöhung vor:63 Mitder Ausgabe von neuen Vorzugsaktien wurde das Grundkapital von690 auf 702,5 Millionen DM erhöht. Der Kapitalzufluss war vor allemfür die Finanzierung des Ecolab-Aktienerwerbs vorgesehen. Dabei

60 Henkel Geschäftsbericht1987, S. 24, 69 und 74.

61 Henkel Geschäftsberichte1989, S. 66, 1990, S. 52 und1994, S. 61.

62 Henkel Geschäftsberichte1988 und 1990.

63 GF-Sekretariat, Sonderproto-koll GF-Klausur, 11.4.1989.

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64 Intern 1/1990, S. 3.

65 Henkel Geschäftsberichte1987 bis 1998, Erläuterungenzu den Posten der Bilanz.

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wurden die neuen Vorzugsaktien „dauerhaft bei ausländischen Anle-gern platziert“, so dass „der Aktionärskreis der Henkel KGaA stärkerinternationalisiert [...] und die weltweiten Geschäftsaktivitäten derHenkel-Gruppe“ unterstrichen wurden.64

Ab 1979 ermöglichte Henkel seinen Mitarbeitern eine Beteiligung amlangfristigen Fremdkapital durch Personalobligationen. Bis 1984waren sie auf 53 Millionen DM (1,6 Prozent der Bilanzsumme)gewachsen. Neben der Beteiligung der Belegschaft am Grundkapitalseit dem Börsengang 1985 setzte die Henkel KGaA die Ausgabe vonPersonalobligationen bis 1992 fort. Zudem hatten die Mitarbeiter1987 erstmals die Möglichkeit, Genussscheine im Nennbetrag von 52DM pro Stück mit einer dividendenabhängigen Ausschüttung zuerwerben. Bis 1992 konnten Genussrechte bis zu einem Nennbetragvon 60 Millionen DM bedingtes Kapital ausgegeben werden. 1993genehmigten die Aktionäre auf der Hauptversammlung eine zweiteErmächtigung bis 1997 zur Ausgabe von Genussscheinen bis zueinem bedingten Kapital von 70 Millionen DM. Die maximale Lauf-zeit der Genussscheine endet am 31. Dezember 2003.65

Beteiligungen der Mitarbeiter am Kapital der Henkel KGaA

Quelle: Henkel Geschäfts-berichte, 1985 bis 2000,Erläuterungen zu den Postender Bilanz.

Das Instrument der Anleihen-Emission an den Finanzmärkten führte1995 erstmals auch die Führungsgesellschaft Henkel KGaA ein, undzwar in Höhe von 383 Millionen DM. Tochterfirmen gaben in diesemJahr weitere 17 Millionen DM Anleihen aus. Die Gesamtsumme derAnleihen in der Henkel-Gruppe stieg von diesen insgesamt 400 Milli-onen DM bis zum 31. Dezember 2000 auf 3.898 Millionen DM

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(1.993 Millionen Euro). Davon hatten 1.553 Millionen Euro eineRestlaufzeit bis 1 Jahr, 422 Millionen Euro eine Restlaufzeit von 1 bis5 Jahren und nur 18 Millionen Euro eine Restlaufzeit über 5 Jahre.

Die Bilanzsumme der Henkel-Gruppe vervierfachte sich nahezu zwi-schen 1985 und 2000 von 5.942 Millionen DM auf 22.261 MillionenDM (11.382 Millionen Euro).

Im April 1996 einigten sich rund 70 Stammaktionäre der FamilieHenkel auf einen neuen Aktienbindungsvertrag, der erstmals zumJahr 2016 gekündigt werden kann. Der neue Vertrag stellt sicher, dassweiterhin mehr als 50 Prozent der Stammaktien in Familienhand blei-ben werden. Dagegen können die Familiengesellschafter über dienicht der Bindung unterliegenden Stammaktien frei verfügen, sie alsoauch verkaufen.66 Dementsprechend öffnete sich die Henkel KGaA1996 erstmals für neue Stammaktionäre außerhalb der Familie Henkel. Alle Inhaber von Vorzugsaktien erhielten das Angebot,10 Prozent ihrer Vorzugsaktien in Stammaktien zu tauschen. Die ge-samten Stammaktien wurden zum Börsenhandel in Frankfurt amMain, Düsseldorf und in der Schweiz zugelassen. In Verbindung mitdem Tauschangebot wurde der Nennwert der Henkel-Aktie von 50 DM auf 5 DM herabgesetzt. Dies sollte besonders den Privataktio-nären zugute kommen, denen „damit die Anlage in Henkel-Aktienweiter erleichtert“ wurde. Gleichzeitig wurde die Henkel-Aktie auchinternational besser vergleichbar.67 Weiterhin wurde 1996 eine Kapi-talerhöhung bis zu 50 Millionen DM durch Ausgabe neuer Vorzugs-aktien genehmigt. Die Frist dafür endete am 3. Juni 2001.68

1997 ermächtigte die Hauptversammlung die persönlich haftendenGesellschafter zur Ausgabe von Optionsschuldverschreibungen bis zueiner Höhe von 10 Millionen DM und legte hierfür ein bedingtesKapital von 10 Millionen DM fest. Bis 1998 war jedoch von beidenMöglichkeiten der Kapitalbeschaffung kein Gebrauch gemacht wor-den.69 1999 beschloss die Hauptversammlung, das Grundkapital derGesellschaft zur Gewährung von Optionsrechten an die Inhaber derOptionsscheine um 10 Millionen DM (5 Millionen Euro) durch Aus-gabe neuer Vorzugsaktien zu erhöhen. Die Kapitalerhöhung diente derGlättung des Grundkapitals im Zusammenhang mit der Euro-Umstel-lung. Das Grundkapital erhöhte sich dadurch um 517 Tausend Euroauf 373.724.800 Euro.70

Anleger, die 1985 Vorzugsaktien zum Emissionskurs gekauft hatten,erzielten bis 2000 eine durchschnittliche Wertsteigerung von 13,2Prozent pro Jahr. Im Vergleich dazu lag die jährliche Durchschnitts-rendite des deutschen Aktienindex DAX bei 11,9 Prozent.71

Der Kurs der Henkel-Aktie an den Börsen sollte durch das 1995 gestar-tete Shareholder-Value-Programm nachhaltig gestärkt werden. Es ziel-te auf eine langfristige Steigerung des Unternehmenswertes („Strategiedes profitablen Wachstums“) durch eine starke Marktstellung, die kon-sequente Globalisierung aller Geschäfte, die ehrgeizige Expansion inWachstumsmärkten, vor allem im Raum Asien-Pazifik, den verstärkten

66 Siehe Henkel-Blick 7/1996,S. 1, 4 und 5. Siehe auchE 3020: Rede des Vorsitzendender Geschäftsführung der HenkelKGaA, Dr. Hans-Dietrich Winkhaus, anlässlich derHauptversammlung am 3.6.1996.

67 Henkel Geschäftsbericht1996, S. 14f.

68 Satzung der Henkel KGaA,Fassung vom 3.6.1996, S. 2.

69 Henkel Geschäftsbericht1996, S. 51, und Jahresab-schluss der Henkel KGaA 1998,S. 9.

70 Jahresabschluss der HenkelKGaA 1999, S. 9f.

71 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 18.

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72 „Rundherum solide underfreulich“, in: Henkel-Blick5/1996, S. 4. „Aufwind für dieHenkel-Aktie“, in: Henkel-Blick5/1996, S. 5. Auch „Auf demWeg zu einem ,Global Player‘“in: Henkel-Blick 12/1997, S. 6f.

73 „,Die Herausforderung steigt‘.Hans-Dietrich Winkhaus überneue Aufgaben und Ziele“, in:Henkel-Blick 2/1998, S. 3. Auch„1997: Ein erfolgreiches Jahr“,in: Henkel-Blick 3/1998, S. 3.

74 Siehe „Effizienz weiterverbessern. Interview mitFinanzvorstand Hans-GünterGrünewald zum Rating“, in:Henkel-Blick 7/1993, S. 3.„Beste Noten für Henkel“, in:Henkel-Blick 6/1996, S. 1.465/17, Investitionskommission1996, Rede von Ulrich Lehneranlässlich der DVFA-Veranstal-tung am 16.4.1996. Auch „JedeMenge Kapital“, in: Henkel-Blick4/1994, S. 3. Siehe InterviewHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 14 zu demVorwurf der Finanzanalysten,„ihr seid zu breit“.

75 Henkel Geschäftsbericht1998, Seite 36.

76 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 13–15.

77 A 373: Christoph Henkel,Vortrag IMD, 17.9.2000 inStockholm. Als Chancen fürweiteres Wachstum werden dieMinderheitsbeteiligungen anClorox und Ecolab in den USAbewertet, die als „strategicinvestments“ zum Zweckeweiteren Wachstums umgewan-delt werden könnten. 233

Ausbau der Systemgeschäfte und einen konsequenten Ausbau der„ökologischen Führerschaft“.72 Henkel verzeichnete in den Ratings vonStandard & Poors seit 1993 die besten Noten für seine Unternehmens-und Finanzstrategie, Branchenrisiken, Produktpalette sowie For-schungs-, Innovations- und Qualitätspolitik. Ebenso honorierte dieAgentur die Flexibilität des Familienunternehmens, die raschere Ent-scheidungen ermögliche als den Wettbewerbern möglich sei.

Als internationalisiertes Unternehmen stellte Henkel die Konzernbi-lanz im Jahr 1997 auf International Accounting Standards (IAS) um,um konzernweit einheitliche Wertansätze zugrunde legen zu könnensowie um international orientierten Anlegern und Analysten dieBewertung des Unternehmens zu erleichtern.73 Trotz eines intensivenFinanzmarketings und einer aktiven Investor-Relations-Öffentlich-keitsarbeit, die Henkel 1997 den ersten Platz bei dem von der Zeit-schrift Capital ausgeschriebenen Investor-Relations-Preis in derDAX-Kategorie verschaffte, ließ der Kurs der Henkel-Aktie auch inden ausgehenden 1990er Jahren weiterhin zu wünschen übrig.74

Die Hauptversammlung der Henkel KGaA beschloss am 4. Mai 1998eine Änderung der Einteilung des Grundkapitals mit der Umstellungder Nennbetragsaktie in eine nennwertlose Stückaktie. Dieser Schrittdiente zur Vorbereitung auf die Einführung des Euro ab 1999.75

Bis heute besitzt Henkel nicht in allen Geschäftsbereichen „die kriti-sche Größe“, die eine langfristig zufriedenstellende Rentabilitätermöglicht, beispielsweise in der Kosmetik. So plädieren Helmut Sih-ler wie auch Hans-Dietrich Winkhaus dafür, dass Henkel „für einebessere Entwicklung [...] die Firmen oder zumindest Teile davon andie Börse bringen“ und sich zu einer Holding-Gesellschaft entwickelnmüsse. Erste Schritte in diese Richtung vermuteten Beobachter hinterder Ausgliederung des Unternehmensbereichs Chemieprodukte zurselbständigen Firma Cognis im August 1999. Nach Überzeugung Hel-mut Sihlers verfügt Henkel zumindest über „die Chance, in den ein-zelnen Sparten weltweit eine Macht zu sein“, denn das Unternehmenkönne heute auch größere Akquisitionen verkraften und die Füh-rungsrolle in Beteiligungsgeschäften übernehmen.76

Immer noch aber bemängeln die Analysten auch die Gesellschafts-form des Unternehmens, die dem Börsenkurs durch die unterschied-lichen Stimmrechte Grenzen setze. Dabei stoßen sie allerdings beiden Angehörigen der Familie Henkel auf Unverständnis, die noch vorkurzem bekräftigten, ihre Mehrheit an Henkel auch über das Jahr2016 halten zu wollen. Eine Kapitalerhöhung durch die Erhöhung vonStimmrechtsaktien ist dabei ebenso wenig vorgesehen wie die Fusionmit einem starken Partner. Nach Auffassung von Christoph Henkel,als Vertreter des Familienstammes Hugo Henkel stellvertretender Vor-sitzender des Gesellschafterausschusses der Henkel KGaA, bestehtkeineswegs ein Gegensatz zwischen dem Familiencharakter derGesellschaft und dem globalen Wachstum: „Even though we haveconstraints by virtue of being a family-controlled enterprise we belie-ve we have enough options to remain competitive in the future.“77

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Finanzpolitik Zwischen Familienbin-dung und internationaler Finanzwelt

Ganz links: Dipl.-Ing. Rein-hold Woeste, Schwiegersohn von Emmy Lüps und von 1942 bis 1974 Mitglied in den Führungs-, Beratungs-und Aufsichtsgremien, mit seinen Enkeln Gerrit (links) und Govert Woeste, circa 1970.

Familienfoto zur Silberhoch-zeit 1929: Änny und Fritz Henkel jun. mit ihren drei Töchtern Sigrid, Herta und Ilse (von links).

Ganz links: Konrad, Ruth, Hugo, Gerda, Paul und Jost Henkel (von links), anlässlich der Konfirmation von Paul Henkel, 1931.Emmy Lüps, geb. Henkel, mit den Enkeln Richard(gefallen im Zweiten Welt-krieg) und Ulrike Woeste vor dem Ratinger Tor in Düssel-dorf, circa 1933.

Konstituierende Sitzung des Informationskreises der Familie Henkel, 1998.

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Aktionäre auf dem Weg zurersten öffentlichen Haupt-

versammlung des Unterneh-mens in der Düsseldorfer

Stadthalle am 16. Juni 1986.

Ganz rechts: die erste Vorzugsaktie der

Henkel KGaA.

Bericht des Vorsitzenden der Geschäftsführung,

Prof. Dr. Helmut Sihler, andie Aktionäre auf der erstenöffentlichen Hauptversamm-

lung. Im Hintergrund dieGeschäftsführung und der

16-köpfige Aufsichtsrat.

Aktionäre surfen auf derHauptversammlung 1997

erstmals am PC: Henkel präsentiert

seinen virtuellen Auftritt im Internet.

Familien- und Firmenleitungzum Start der Henkel-

Vorzugsaktie in der Düssel-dorfer Börse, 1985

(von links): Dr. Hans-Otto Wieschermann, Dr. HelmutSihler, Dr. Jürgen Manchot,

Dr. Konrad und Gabriele Henkel sowie

Dipl.-Ing. Albrecht Woeste.

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Telefonkonferenz mitFinanzanalysten über dieHalbjahreszahlen, August2000.

2. und 3. von rechts:Geschäftsführungs-Vorsitzen-der Dr. Ulrich Lehner undFinanz-Vorstand Dr. JochenKrautter.

Hauptversammlung 2001: In seiner Rede stellt Ulrich Lehner auch die 125 Kinderprojekte in 52 Ländern vor, die Henkelim Jubiläumsjahr 2001unterstützt.

Mehr als 4.000 Aktionärebesuchen die Hauptver-sammlung am 30. April 2001.

Unten: Ulrich Lehner beant-wortet Fragen von Rundfunk-journalisten auf der Bilanz-pressekonferenz am19. März 2001.

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ZwischenEmotion und

Information:Werbung und

Absatzpolitik

VIII

237

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Die AbsatzstrategienFritz Henkels

1 BvH 16, 1936, S. 371.

2 Paul Mundhenke, 75 JahreHenkel-Werbung, in: BvH 29,1951, S. 213.

3 „Das Ausstatten der Schau-fenster“, in: BvH 3, 1916, S. 2.

4 „Kommerzienrat Henkel unddie Reklame“, in: BvH 8, 1928,S. 91. Siehe auch „Die Pionier-arbeit Fritz Henkels“, in: BvH 10,1930, S. 193, sowie denNachruf des Markenschutz-verbandes auf seinen Ehren-vorsitzenden in: BvH 11, 1931,S. 66f.: Kurt Schaumburg,Kommerzienrat Fritz Henkel.Siehe ebenfalls „Vom Bedürfniszum Produkt“, in: Henkel-Blick8/1977, S. 8f., und 9/1977, S. 8f.

5 „Die böse Henkel-Reklame“, in: BvH 14, 1934, S. 122f.

6 Siehe zur Auffassung FritzHenkels von „schreienderReklame“: A5, Alte Henkelanererzählen, Fritz Ornoldi,17.10.1937. Für die richtigeAnwendung von Persil wurdeauch mit Merksprüchen gewor-ben, beispielsweise: „Kamele oftim Stehen dösen – Persil sollman stets kalt auflösen.“238

Das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage funktioniert nur,wenn die Verbraucher über die Gütervielfalt auf dem Markt informiertsind. Darin liegt die wesentliche Aufgabe der Werbung. Zu denAnfängen der Werbetätigkeit von Henkel ist nur wenig Material über-liefert, doch betrachtete es der Firmengründer offenbar als seine Auf-gabe, die Öffentlichkeit über seine innovativen Produkte, die dasLeben der Verbraucher und Hausfrauen vereinfachen sollten, soumfassend wie möglich zu informieren.

Fritz Henkel musste vor allem informative Werbung betreiben, denndie innovativen Produkte Henkel's Bleich-Soda und Persil erwiesensich als sehr erklärungsbedürftig und stießen bei den Hausfrauenzunächst auf erhebliches Misstrauen. Immer wieder musste der Unter-nehmer gegen Vorurteile angehen, wie etwa, dass „ein Knötchenunaufgelöstes Persil [...] Löcher in die Wäsche“ bringe. Er bemühtesogar sein Laboratorium, um etwaigen Gerüchten, die sich um diefaserschädigende Wirkung des Produktes rankten, entgegenzutreten.1

So zeigt sich die gesamte Absatzwerbung des Unternehmens seit sei-nen Anfängen „mehr aufklärend als anpreisend“. Doch galt es, „dierichtige Balance zu finden zwischen den in der Richtung reiner Rekla-me liegenden Maßnahmen und solchen aufklärender und belehrenderArt“.2 Reklame sollte „nicht allzu aufdringlich sein, sie stößt sonstden feinfühlenden Menschen zu leicht ab und bewirkt dadurch gera-de das Gegenteil von dem Gewollten; sie soll vielmehr in vornehmer,die Tatsachen ins rechte Licht rückender Weise dem großen Publikumdie Vorzüge dessen, was man anpreisen will, vor Augen führen“.3

Dabei verzichtete Fritz Henkel auf anspruchsvolle Werbeinhalte; erbevorzugte hingegen populäre Motive und Schriften bei der Gestal-tung. Von Anfang an aber bekannte er sich zu einer „lauteren Wer-bung“, also dazu, keine unwahren Inhalte zu verbreiten.4 Bei den Ver-brauchern entstand so der Eindruck , dass sich „die Werbung unseresHauses [...] auf einer höchst anständigen Linie bewegt und ehrlich alleSchärfen zu vermeiden sucht [...]“.5

Gemäß Fritz Henkels Credo, dass man sich „auch in der Reklame [...]vor einem Zuviel hüten“ solle, wurde Henkel-Reklame von den Zeit-genossen „kaum bewusst“ wahrgenommen. Dennoch waren die Ver-braucher sehr gut über die Anwendungsgebiete der wichtigsten Pro-dukte informiert. „Henkel-Werbung trommelt nicht. Sie spricht leise,[...] klärt auf und erinnert“.6

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7 Hundert Jahre Henkel, S. 40f., 89.

8 Hundert Jahre Henkel, S. 64.

9 Schöne, Anfänge, S. 68 und98.

Handel und Vertrieb

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Bei der Durchsetzung seiner Markenartikel-Idee betrachtete derUnternehmer den Handel von Anfang an als Partner, denn der größteWerbemitteleinsatz musste von Seiten des Herstellers wirkungslosbleiben, wenn es nicht gelang, auch die Händler vom Wert der Pro-dukte zu überzeugen. Es war Aufgabe des Reisestabs, für die ständi-ge Präsenz der Henkel-Produkte im deutschen Einzelhandel zu sor-gen. Traditionell pflegten der Kommerzienrat und seine Söhne,besonders Fritz Henkel jun., enge Beziehungen zum Außendienst, den– „Außenministern“ –, wie die Reisenden im Henkel-Jargon scherz-haft genannt wurden. Der Firmenchef nahm selbst intensiven Einflussauf das Verkaufsgeschäft, wie seine Briefe an den Reisestab belegen.Darin versorgte er die Reisenden mit Tipps wie: „Bleiben Sie in Sach-sen nicht zu lange, nehmen Sie keine Plätze, die nicht lohnend sind“oder „Gehen Sie den Mecklenburgern nur feste auf den Leib, Sie wis-sen ja, diese muß man bei den Hörnern nehmen“. Offenbar wussteFritz Henkel sen., wovon er redete, denn er ging zwischendurchimmer wieder selbst „auf Tour“, um sich vom Geschäftsverlauf einenEindruck zu verschaffen.7

Das Unternehmen hoffte, durch ein faires partnerschaftliches Verhal-ten beim Handel eine aktive Sortimentspolitik zu erzielen. GleicheStartbedingungen für alle Abnehmer, eindeutige Konditionen sowieklare Liefer-, Zahlungs- und Preisbedingungen waren dabei die wich-tigsten Voraussetzungen. Die Zusammenarbeit Fritz Henkels mit sei-nen Kunden und Zulieferern war von „strengste[r] Reellität“ geprägt,zu der auch der Außendienst angehalten wurde. Daher bemühte sichFritz Henkel darum, seine Reisenden, denen ja beim Kundenbesuchnahezu täglich „Aktionen“ der Mitbewerber vor Augen geführt wur-den, zu einem fairen Umgang mit dem Wettbewerb zu erziehen. Soverbot der Firmengründer seinen Mitarbeitern, „abfällige Urteile überunsere Konkurrenz abzugeben. Kümmern Sie sich nicht um die Kon-kurrenz, sondern bieten Sie unsere Artikel an, und stellen Sie die Vor-züge unserer Artikel in ein klares und helles Licht [...]“.8

Ein Reisestab von zunächst vier Reisenden machte regelmäßige Kun-denbesuche in allen Teilen Deutschlands. In den 1880er Jahrenbeschäftigte Henkel sechs Reisende, die etwa viermal im Jahr ihreKunden besuchten. Wenige Jahre später hatte sich die Zahl der Reise-bezirke verdoppelt und reichte 1896 von Metz bis Danzig und Tilsit,von München bis Tondern in Nordschleswig.9

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Vor dem Zweiten Weltkrieg distribuierte Henkel seine Markenartikelim Norden und Osten Deutschlands über Verkaufsniederlassungen inBerlin und Hamburg, die über eigene Läger verfügten. Das übrigeReichsgebiet wurde durch Auslieferungsläger bei Speditionsfirmenan zentralen Orten abgedeckt, die mit der Lagerhaltung für die Hen-kel-Fabrikate betraut waren. Nach Auftrag und Abforderung wurdedie Ware von dort an die in ihrem Bezirk wohnenden Händler abge-geben.

Der Zweite Weltkrieg riss in dieses Vertriebsnetz einige Lücken, dennfast 20 Prozent der Spediteure verloren ihre Läger und erlitten Gebäu-deschäden, die die Fortführung der Betriebe nur in beschränktemUmfang erlaubten. Ende der 1940er Jahre war es Henkel wiedergelungen, an allen Plätzen in Westdeutschland, in denen das Unter-nehmen vor dem Krieg präsent war, wieder vertreten zu sein. Ende1948 wurde in Mannheim ein neues Auslieferungslager errichtet, weilin der stark kriegszerstörten Stadt ein besonderer Engpass an Lager-raum bestand. Durch die Anbindung an Rhein und Neckar erwies sichMannheim neben Frankfurt am Main, wo Henkel 1949 ein Lagerhauseröffnete, als vorteilhafter Warenumschlagplatz.10 10 Hermann Paland, Unser

neues Auslieferungslager:Mannheim, in: BvH 27, 1949,S. 121f. Rudolf Haas, Henkel &Cie GmbH. Lager Frankfurt amMain, in: BvH 28, 1950, S.117–119.

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11 Werden und Wirken. Henkel &Cie, Düsseldorf, 1876–1926, S. 12.

12 J 105, Betriebsbesprechung,26.10.1920. Zitiert nach BerndCarlos Jäcker, VJB/Marken,Markenschutz bei Henkel,27.4.2001, S. 1.

13 Bernd Carlos Jäcker,VJB/Marken, Markenschutz beiHenkel, 27.4.2001, S. 1f., 4.

Markenbildung

241

Marken und neue Märkte begleiteten das Wachstum des Unterneh-mens. Der Name des ersten Produkts im Jahr 1876, „Universal-Waschmittel“, besaß keinerlei „Persönlichkeit und Ausstrahlung“,zudem erwiesen sich die Herstellkosten als zu hoch.11 Das neuentwi-ckelte Waschmittel der zweiten Generation wurde der erste durch-schlagende Markenartikel-Erfolg der noch jungen Firma: Das Pro-dukt war ab 1878 als „Henkel’s Bleich-Soda“ zu haben und diePackung – vielleicht in Anlehnung an das Wappentier der hessischenHeimat des Firmengründers – mit einem Löwen im Strahlenkranzversehen, um den Wiedererkennungswert zu erhöhen. Bei der Ein-arbeitung des Außendienst-Personals legte Fritz Henkel stets großenWert darauf, „in der Kundschaft nur von ‚Henkel’s Bleich-Soda,Marke Löwe‘ zu sprechen, und nicht allgemein von Bleich-Soda, umdas Fabrikat den Konkurrenzfabrikaten gegenüber besonders hervor-zuheben“. Der Löwe im Strahlenkranz sollte fortan den Reigen fürviele bekannte Marken des nunmehr 125 Jahre alten Unternehmenseröffnen. So fand sich der Löwe in abgewandelter Form auch nochnach dem Zweiten Weltkrieg auf den Packungen neuer Produkte wiePerwoll.12

Die Markennamen von Henkel gehen vielfach auf Verkürzungenzurück. Der Markenname Persil basiert auf den beiden RohstoffenPerborat und Silikat. Die Marke Fa, die heute für eine ganze Produkt-familie steht, wurde von „Fadenseife“ abgeleitet. Spee wurde als Mar-ke durch den Rückerwerb des Waschmittelwerks Genthin erworben.Der Markenname wird von der Bezeichnung Spezial-Entwicklungabgeleitet, ein Hinweis auf die Bemühungen des damaligen DDR-Waschmittelherstellers, an westliche Qualität heranzukommen. Prilwar demgegenüber als Defensivmarke von Persil entstanden. Um demLeitprodukt einen „Rundumschutz“ zu bieten, hatte Henkel eine Viel-zahl an Wortbildungen wie etwa Pursil, Pernil, Portil schützen lassen.Bei Pattex handelte es sich um eine sogenannte Reservemarke, diebereits 1924 angemeldet, doch erst 1947 eingeführt wurde und heuteals Inbegriff des Kraftklebers gilt. Reservemarken wurden vorsorglichangemeldet, um neue Produkte rasch einzuführen. Als der Pritt-Stift1969 entwickelt war, wurde ebenfalls auf ein Reservezeichen zurück-gegriffen. Die Marke Pritt wäre Ende der 1950er Jahre beinahe füreine Frisiercreme zum Einsatz gekommen. Da aber eine zu großeNamensähnlichkeit zu einem damaligen Wettbewerbsprodukt bestand(Fit von Schwarzkopf), verzichtete das Marketing darauf.13

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Die grün-rot-weiße Verpackung prägt das Erscheinungsbild des Leit-produkts Persil seit den Anfängen. Seit den 1920er Jahren spielte dieWarenhülle eine immer größere Rolle bei der Absatzpolitik, denn„eine gute und der Ware angepaßte Verpackung“ trug dazu bei, „dieWare in den Augen der Konsumentenschaft um einige Grade höher zusetzen“ – vor allem Originalität konnte dabei kaufentscheidend sein.Dies war wichtig, denn die Markenbekanntheit hatte schon damals zuMarkenpiraterie geführt: Produkte mit Namen wie Plisil, Persinal,Derwil, Brasil und Persol wurden als Kopien auf den Markt gebracht,um von dem guten Ruf der Marke zu profitieren.14

Henkel achtete stets darauf, nie „das Schönheitsgefühl des durch-schnittlichen Beschauers, das weit mehr ausgebildet ist, als mangemeiniglich anzunehmen pflegt, zu beleidigen“. Er setzte darauf,„mit dezenten Darstellungen [...] die größeren Wirkungen“ zu erzie-len. Gleichzeitig sollte „nach einem einheitlichen Stil“ verfahren und„heute nicht so und morgen wieder anders verpackt“ werden, was dasPublikum „irre“ mache und dazu verleiten könne, Wettbewerbspro-dukte zu kaufen. Die Vorteile der modernen Kolonialwarenverpa-ckung lagen etwa in dem konstanten Gewicht; und sie waren sehrhandlich. Die Packungsformen wurden in der Folgezeit den Verbrau-cherbedürfnissen wie auch den Distributionsstrukturen angepasst:1957 ersetzte Henkel etwa die hochformatige Persil-Packung durchein Querformat und reagierte damit auf die veränderte Verkaufssitua-tion in den neu aufkommenden Selbstbedienungsläden.15

Der staatliche Schutz von Marken setzte im Deutschen Reich ab den1870er Jahren ein. Nachdem 1877 das Reichspatentamt in Berlingegründet worden war, gehörte Fritz Henkel 1903 zu den Mitbegrün-dern des Deutschen Markenverbandes, dessen Anliegen der Schutzdes Markenartikels sein sollte. Als erstes Warenzeichen für Henkelwurde 1896 Henkel’s Bleich-Soda eingetragen, die – in Strohkarton-Paketen mit bedruckten Hüllenblättern abgefüllt – als erstes Wasch-mittel unter einer bestimmten Marke und in einer eigens geschaffe-nen, stets gleichbleibenden Packung angeboten wurde. DasLöwen-Zeichen mit dem Strahlenkranz ist eines der ältesten deut-schen Markenzeichen. Henkel benutzte es noch zu Beginn der 1960erJahre; und ersetzte es erst in den 1980er Jahren vollständig durch dasseit 1920 bestehende Henkel-Oval.

Persil wurde dagegen als erster Markenname eines Henkel-Produkts erst1917 in Deutschland als Wortzeichen eingetragen. Das KaiserlichePatentamt hatte die Eintragung im Jahr 1908 zunächst mit der Begrün-dung abgelehnt, Persil bedeute im Französischen Petersilie. Persil besa-ge danach, „dass die darunter vertriebenen Waren unter Verwendung vonBestandteilen der Petersilie hergestellt sind. Es liegt mithin eine Angabeüber die Beschaffenheit der Waren vor, die der Allgemeinheit zur freienBenutzung freigehalten werden muss.“ Doch zehn Jahre nach seiner Ein-führung konnte das Reichspatentamt Persil die Eintragung in Deutsch-land nicht mehr verwehren, da das Zeichen mittlerweile Verkehrsdurch-setzung erlangt hatte, wie dies das Markenrecht nennt. Die Marke wurdesomit wegen ihres hohen Bekanntheitsgrads eingetragen.16

14 Siehe etwa Gustav-AdolfSeiler, Das Persilkleid im Wandelder Zeit, in: BvH 12, 1932, S.201–204. Anton Hillbrenner, DieEntwicklung der Verpackungs-technik, in: BvH 12, 1932, S. 296–299. Henkel KGaA (Hrsg.),Persil. Das Packungsbild in 9Jahrzehnten, Düsseldorf 1997.Auch Bernd Carlos Jäcker,VJB/Marken, Markenschutz beiHenkel, 27.4.2001, S. 1.90 Jahre Persil. Die Geschichteeiner Marke (= Schriften desWerksarchivs 27), Düsseldorf,1997, S. 77. Bornhofen/Häm-merlein, 90 Jahre Persil.Rechtsprobleme einer großenMarke (=Schriften des Werks-archivs 28) Düsseldorf, 1997,S.30–35.

15 Ebenda siehe umfassend:Bernd Carlos Jäcker, Die Marke.Markenschutz bei Henkel.Düsseldorf, 1994.

16 Siehe Ekkehard Bornhofen/Petra Hämmerlein, 90 JahrePersil. Rechtsprobleme,S. 10–13.242

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17 455/57, Stabstelle Unterneh-mensplanung und -entwicklung,The new economic power.Outline of an evolutionaryprocess, July 1972.

18 Bernd Carlos Jäcker, VJBMarken, Markenschutz beiHenkel, 27.4.2001, S. 4.

19 Ebenda, S. 3.

Da Wasch- und Reinigungsmittel immer weniger über den selbstän-digen Kaufmann vertrieben wurden, sondern über Filialbetriebe undEinzelhandelsketten, stellte deren zunehmende Konzentration undInternationalisierung eine erhebliche Herausforderung für die Her-steller dar. Die seit den 1960er Jahren stärker werdende Marktpositionder Handelsunternehmen zeigte sich in hohen Verkaufsumsätzensowie in der ansteigenden Dichte der Warenhäuser und Supermärkte,aber auch in der wachsenden Anzahl an Artikeln, die als preiswerteHandelsmarken und sogenannte No-Name-Produkte verkauft wur-den.17 Nach Auffassung von Henkel führte dies zu einer Schwächungdes Markenartikels. Aus diesem Grund weigerte sich das Unterneh-men bis in die späten 1990er Jahre, die Produktion von Handelswareim Lohnauftrag zu übernehmen, und bekämpfte auch in zahlreichenQualitätskampagnen die Ausbreitung von Handelsmarken.

Henkel verfügt heute über 150.000 Marken weltweit. Sie bilden einIdentifizierungsmerkmal für die Verbraucher und eine Herausforde-rung für die Mitarbeiter im Marketing. Denn eine Marke an den Wan-del von Technik und Umwelt anzupassen, sie zu verbessern und beiden Verbrauchern attraktiv zu halten erfordert eine kontinuierlichePflege. Als Henkel 1994 Persil Megaperls als besondere Innovationim Waschmittelmarkt einführte, zeigte sich ein neues Berufsbild: DieMarke Megaperls wurde von einem sogenannten Markendesigner ent-wickelt, der mit Blick auf das entwickelte Produkt oder die Innovationeine an besonderen Vorgaben und Kriterien ausgerichtete Markeschuf.18

Markenschutz besteht seit Einführung des neuen deutschen Marken-gesetzes von 1995 nicht mehr nur für Namen, sondern auch für Figu-ren, Farbkombinationen und Formen wie die WC-Ente, für Hörmar-ken wie das Jingle der Marke „Der General“ sowie für bestimmteSlogans („Da weiß man, was man hat“).19

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Der Aufbauberühmter Marken

20 90 Jahre Persil. DieGeschichte einer Marke, S. 31.

21 Hundert Jahre Henkel, S. 48.

22 Ebenda, S. 63.

23 BvH 11, 1931, S. 67f.: KurtSchaumburg, KommerzienratFritz Henkel.

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Für die Einführung von Persil im Jahr 1907 gab Henkel „allein fürAnnoncen in Deutschland“ einen Betrag in Höhe von 600.000 Markaus. Da das Produkt „aufgrund der Selbsttätigkeit erklärungsbedürf-tig“ war, kamen weitere Kosten für Plakate, Reisespesen und Pro-spekte hinzu, so dass der Einführungsaufwand auf insgesamt rund1 Million Mark anstieg – in der Zeit ein außergewöhnlich hoherBetrag.20

Gerade bei der Persil-Einführung stellten Fritz Henkel sen. und seinSohn Fritz Henkel jun. ihr Verkaufstalent unter Beweis: Die beidenUnternehmer besaßen nicht nur Spürsinn für das, was die Verbraucherwünschten, sondern auch einen hervorragend geführten und motivier-ten Reisestab sowie eine verbrauchernahe Werbung, die einfache Bot-schaften eindrucksvoll vermittelte.21

Zwar blieb auch die Konkurrenz nicht untätig, und die Wettbewerbs-produkte erschienen unter Namen wie „Machs allein“, „Bleichin“,„Schneeflocken“ und „Fix und Fertig“. Doch Fritz Henkel sen. wardavon überzeugt, dass sich sein Persil schon allein durch seine Mar-kenqualität auf dem Markt halten werde: „Wenn Sie andere Marken-artikel, die seit langen Jahren auf dem Markt sind, verfolgen, so wer-den Sie finden, dass immer nur eine Firma dominiert. Sehen SieMaggi, Kathreiner’s Malzkaffee, Hoffmann’s Stärke [...], Liebig’sFleischextrakt [...], und so wird es auch mit den Sauerstoffwaschmit-teln sein, unser Persil wird an der Spitze bleiben.“ Um diese Positionzu halten, musste nicht nur die Qualität des Produkts „unübertroffen“bleiben, auch die Reklame durfte nicht nachlassen.22

Durch immer neue Reklamemethoden hat Henkel Persil zum „Inbe-griff des Markenartikels in Deutschland“ gemacht. Das Produkt wur-de zum Synonym für Reinheit, wie etwa der nach dem Zweiten Welt-krieg geprägte Begriff des „Persil-Scheins“ suggeriert. Henkel wurdezum deutschen Markenartikel-Unternehmen par excellence. DemLeitprodukt Persil folgten in der Firmengeschichte Marken wie Ata,Imi, Fewa, Poly, Pril, Fa, Metylan, Pattex, Ponal, Dixan, Dor, Somat,Pritt, Der General und Thera-med. Die Verbraucher verbinden mitihnen feste Erwartungen an Produktqualität, Preiswürdigkeit undAnwendungsmethoden. Aus Gründen der Wiedererkennbarkeit wur-den die Produkte in Aufmachung, Werbestil sowie in Qualität undAnwendung lange Zeit unverändert beibehalten.23

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24 BvH 8, 1928, S. 235.

25 Interview Sihler, 26.5.2000,S. 4. 90 Jahre Persil, S. 84.Siehe auch zum problemati-schen Verhältnis von Henkel zuWerbeagenturen H 20: „Darummacht Henkel das Media selbst“,in: Absatzwirtschaft 23/24,1972, S. 16–20. Henkel gingdavon aus, dass alle für dieMediaplanung notwendigenDaten von externen Beratungs-gesellschaften erst mühsambeschafft werden mussten undeinem allzu großen Informations-verlust unterlägen.

26 „Comeback für den Persil-Presenter“, in: Henkel-Blick7/1995, S. 8.

27 FCC/Controlling Systems andProcedures, Büro HildegardRother, Henkel-Planungsbuch fürden Gesellschafterausschuss1991, 5.12.1990. Ebenda,Henkel-Planungsbuch für denGesellschafterausschuss 1995,7.12.1994.

Die Henkel-Produkte erfreuen sich so bis heute einer außergewöhn-lichen Beliebtheit, die zum Beispiel bei Persil so weit ging, dass mandas Produkt gar als „Volkswaschmittel“ feierte.24 Trotz zahlreicherRelaunches hielt Persil stets sein Produktimage als hochpreisigesQualitätserzeugnis aufrecht. Ende der 1950er Jahre kam das Produktinhaltlich und optisch verjüngt in neuer synthetischer Zusammenset-zung und mit einer neuen Verpackung auf den Markt. Die Begleit-Kampagne ersetzte den aus dem Jahr 1913 stammenden Werbeslogan„Persil bleibt Persil“ durch „Das beste Persil, das es je gab“. Bei derKampagne für Persil 59, für die zum ersten Mal in größerem Umfangeine Werbeagentur beauftragt wurde, schrieb Henkel Marketing-Geschichte: Erstmalig setzte das Unternehmen den gesamten Marke-ting-Mix von TV, Funk und Printmedien ein, der dazu beitrug, dassdie damals rückläufigen Marktanteile von Persil von 20 auf erneut 40Prozent gesteigert werden konnten.25

Die Slogans „Unser Bestes“ und „Persil – da weiß man was man hat“aus den Jahren 1970 und 1975 setzten weitere Marksteine in der Mar-kenprofilierung, so dass das Unternehmen 1983 mit dem „Effie“, demPreis für Effizienz in der Werbung, ausgezeichnet wurde. Auf diesogenannte Qualitäts-Kampagne, die ab 1975 durch den Auftritt des„Persil-Presenters“ geprägt war, folgte 1985 die Kampagne „Reinheitund Pflege“, die sich auf Inhalte wie Kinder, Familie, Partnerschaftund Umweltschutz stützte. Der „Persil-Presenter“ erlebte 1995 nachzehnjähriger Abwesenheit vom Fernsehschirm noch einmal einComeback.26

Zu Beginn der 1990er Jahre hatte Henkel bei den Marktanteilen fürWasch- und Reinigungsmittel in Europa hinter Procter & Gamble undUnilever den dritten Platz verteidigt. Diese Position sollte nicht nurdurch Sortimentserweiterungen verbessert werden. Mit Blick „auf dieaggressive Marketingstrategie“ der Wettbewerber forcierte auch Hen-kel seine Werbeaktivitäten. Als im Juli 1994 mit Persil Megaperls inder Bundesrepublik Deutschland ein neues „Waschmittel-Zeitalter“anbrach, startete das Unternehmen eine „Mega-Werbung“: Allein fürdie Einführung von Persil Megaperls, Pril Balsam und Somat Tabswurden 1994 in Deutschland 132 Millionen DM in die Werbunginvestiert, um auf den Marketingaufwand von Procter & Gamble rea-gieren zu können.27

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Johanna, die erfolgreicheWerbefigur, wirbt für Fewa,Plakat von 1949. Rechts:Fewa Black Magic, 2001.

Zwischen Emotionund InformationWerbefiguren und flotte Sprüche

Die Ente, erdacht vomberühmten SchweizerPlakatkünstler HerbertLeupin, ist lange Zeit dieWerbefigur für Pril, Plakat von 1955. Sehr erfolgreich auch die Pril-Blumen-Kampagne in den 1970er Jahren. Pril-Anzeige unten links von1984.

Weißer Riese, seit 1966 aufdem Markt, wirbt mit seiner„Riesenwaschkraft“, Anzeigevon 1979.

Der sprichwörtlich schlaue Spee-Fuchs: erfolgreiche Vermarktungder ursprünglichen DDR-Marke in ganz Deutschland,Plakat von 1998.

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1925, 1927, 1939 (von links).

1937, 1959, 1991 (von links).

Weiße Damen: das Original, 1922

vom Berliner KunstmalerKurt Heiligenstaedt gemalt,

und mit Persil Megaperls 2001.

Zwischen Emotionund Information

Plakat-Werbung für Persil im Wandel der Zeit

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Starker Name: Der Generalmit Bio-Alkohol verschafft ab1972 „Glanz durch Kraft“,rechts Anzeige von 1978.

Häufiges Motiv der Plakatwerbung: das 1929eingeführte Spül- undReinigungsmittel Imi, rechts ein Plakat von 1957.

Seit 1920 putzt Ata alles:emailliertes Blechschild von 1928 (rechts) undAnzeige von 1976.

Das Reinigungsmittel Dorkommt 1961 zunächst inPulverform auf den Markt,1974 auch flüssig: Anzeigen von 1964 (rechts) und 1974.

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Aufregende Fa-Werbung:Anzeigen für Deutschland

1969 und für Frankreich 1971.

Schmusewolle: Perwoll-Plakat von 1974.

Verführerisch: Poly Color-Anzeige von 1964.

Daneben: Anzeige für P3-Desinfektionsmittel von

1949.

Unverwechselbares Design seit 1969: der

Pritt Klebe-Stift.Daneben: Als Spezial-

Waschmittel „verscheucht“Dato den „Gilb“ aus

Gardinen, Plakat von 1999.

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Zur Organisationder Werbung

28 Frieder Mellinghoff/HildeSchmidt/Jochen Dohmen/Hermann Wündrich, Werbungmit Plakaten von gestern bisheute (= Schriften des Werksar-chivs 8), Düsseldorf 1978, S. 9.Siehe U 2054 und M 371: Von1937 bis 1942 stand Dr. JacobHerle, Berlin, dem Unternehmenals externer Gutachter inWerbefragen zu Verfügung.

29 Siehe „Das Ausstatten derSchaufenster“, in: BvH 3, 1916,S. 2–5. Willy Keibel, Ausstel-lungswerbemittel, in: BvH 4,1917, S. 421–431. Mellinghoff,Werbung, S. 7.

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In der nunmehr 125-jährigen Unternehmensgeschichte besitzt dasAbsatzinstrument Werbung eine zentrale Bedeutung. In den erstenJahrzehnten ergänzend zum Außendienst in enger Verbindung mitdem Handel eingesetzt, wurde es zwischen den Weltkriegen zum fes-ten Bestandteil der Verkaufsbemühungen. Werbung wurde bei Henkelbis nach dem Zweiten Weltkrieg im eigenen Hause gestaltet.28

Durch die Einführung von Persil 1907 trat die Henkel-Werbung ineine neue Dimension. Die Werbearbeit wurde inzwischen von derVerkaufsabteilung durch Fritz Henkel jun. und Oskar Reich betreut.Insbesondere der ältere Sohn des Firmengründers galt als „der gebo-rene Werber [...] mit sicherem Gefühl für Publikumswirkung“. Eineeigene Werbeabteilung wurde errichtet, die sich um Zeitungs- undPlakatreklame, um Schaufenster- und Ladendekoration, um Wasch-vorführungen und Präsentationen sowie um die Messe- und Ausstel-lungsorganisation kümmerte. 1913 gestaltete die innerhalb des Haupt-kontors angesiedelte „Propaganda-Abteilung“ mit 14 AngestelltenAnnoncen und Plakate und betrieb Öffentlichkeitsarbeit und Presse-betreuung.29

„Handlungsunkosten“ für Werbung, Gehälter der Reisendenund Reisespesen 1908 bis 1912 in Tausend Mark

Quelle: Konzernarchiv Henkel,H2.

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30 Hundert Jahre Henkel, S. 77.

31 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 4.

Die Teilnahme an Ausstellungen und Messen nahm einen verhältnis-mäßig hohen Anteil an den Werbeaktivitäten ein, da sie nahezu alleBereiche des wirtschaftlichen Lebens erfasste. Dies gilt etwa für dieBeteiligung an den großen Düsseldorfer Ausstellungen „Gesolei“(Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen) im Jahr1926 sowie „Schaffendes Volk“ 1937.

Im Zuge von Wirtschaftswunder und Internationalisierung der Wirt-schaft gingen Vertrieb und Absatz neue Wege, die heute unter demBegriff Marketing zusammengefasst werden. In den USA hattenbereits in der Zwischenkriegszeit neue Techniken wie Marktbeobach-tung und Marketing-Mix Eingang in die Praxis gefunden, um Pro-duktpotentiale zu erkennen und zu einer systematischen Marktdurch-dringung zu verhelfen. Ab den 1950er Jahren entwickelte sich dasAbsatzmarketing auch in der Bundesrepublik Deutschland zu einerempirischen Wissenschaft; und da das Konsumzeitalter die Vermark-tung von Verbraucherartikeln in den Mittelpunkt rückte, nahmen„Markenartikel-Unternehmen wie Henkel – nach anfänglichemZögern – die Ergebnisse des Marketing als neuen Impuls“ auf. BeiHenkel in Düsseldorf wurde 1959 das Ressort Marketing eingerichtet,das alle Aktivitäten im Absatzbereich von der Produktplanung bis zurWerbung auf der Grundlage von Markt- und Verbraucherforschungzusammenfasste. Die angeschlossene Hauptwerbeabteilung zeichnetefür die Konzeption und Durchführung aller Werbeaktivitäten verant-wortlich. Mit der Diversifizierung der Unternehmensbereiche entstan-den einzelne Produktmanagements, die Produktwerbung und Marke-tingaufgaben übernahmen.30

Die Entstehung des Marketingbereichs wurde durch Erwin Stapfgeprägt, der in den 1950er Jahren mit der Reorganisation der HenkelAbsatzwirtschaft betraut wurde. Stapf war vor dem Krieg bei derTochterfirma Böhme in Chemnitz mit der Vermarktung des Fein-waschmittels Fewa befasst gewesen und zeichnete nun für die erfolg-reiche Einführung von Pril, Fa und für den Relaunch von Persil 59verantwortlich. Im neu gegründeten Ressort Absatzwirtschaft assis-tierte ihm seit den ausgehenden 1950er Jahren Helmut Sihler, der dieUnternehmenspolitik von Henkel ab der zweiten Hälfte der 1960erJahre und besonders von 1980 bis 1992 als Nachfolger Konrad Hen-kels als Vorsitzender der Geschäftsführung gestalten sollte.31

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Werbeinhalte undWerbemedien

32 Willy Keibel, Unsere Anschlag-werbemittel, in: BvH 3, 1916, S.577- 585. Nahezu alle Unterla-gen der Henkel-Werbung und dieOriginal-Plakate gingen beiFabrikbränden 1920 und 1922sowie bei der Auslagerung1943 verloren. LückenhafteBestände der Zeit vor demZweiten Weltkrieg befinden sichim Konzernarchiv Henkel undwurden durch gezielte Neuer-werbungen ergänzt.

33 Die böse Henkel-Reklame, in:BvH 14, 1934, S. 122f.

34 Paul Mundhenke, 75 JahreHenkel-Werbung, in: BvH 29,1951, S. 212.

35 Georg Kohl, Mehr Farbe indas Schaufenster, in: BvH 8,1928, S. 345–351, hier S. 346.

36 Siehe zur Auffassung FritzHenkels von „schreienderReklame“: A 5, Alte Henkelanererzählen, Fritz Ornoldi,17.10.1936.

37 Siehe zur Geschichte derWerbung: Dirk Reinhardt, Vonder Reklame zum Marketing.Geschichte der Wirtschaftswer-bung in Deutschland, Berlin1993.

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Die breit angelegte Publikumswerbung gilt bis heute als das Ver-kaufsgeheimnis von Henkel. Um die Kommunikation zwischen Pro-duzenten und Konsumenten herzustellen, nutzte Fritz Henkelzunächst vor allem die Direktwerbung über Handelsreisende sowiedie visuelle Kommunikation in Form von Anzeigen, Anschlägen undVerpackungen.32

Schon für sein erstes Fabrikat, das Universal-Waschmittel, schalteteFritz Henkel Reklame in Tageszeitungen und Magazinen zur „Auslo-bung des Produkts und seiner Wirkung“. Werbung in den Printmedienwar damals noch sehr sachlich und kleinformatig gehalten und daherkaum von privaten Kleinanzeigen zu unterscheiden.33 Nachdem derUnternehmer schon 1876 erste Anzeigen für sein Universal-Wasch-mittel in rheinischen Tageszeitungen geschaltet hatte, kam Henkel alserste Firma in Deutschland mit ganzseitigen Anzeigen in der Tages-presse heraus, die für „außerordentliches Aufsehen“ sorgten.34 Offen-bar gelang es Fritz Henkel auf diese Weise, „den gleichgültig vor-überflutenden Menschenmassen immer wieder ein[zu]hämmern: Esgibt keine anderen Wasch- und Scheuermittel außer uns“.35

Ihren Ruf „als Schöpfer des neuzeitlichen Werbewesens“ verdanktenFritz Henkel und seine Söhne auch der neuartigen Anwendung viel-fältigster Werbemittel. Ob Werbeschriften, Lichtreklame, Filme oderAufklärungswerbung durch geschulte Kräfte – Henkel bediente sichdieser Medien auf neuartige und eindringliche Weise. Mit einemsicheren Gefühl für ihre Wirkung verstand es das Unternehmen, dieVerbraucher von der Anwendung und Wirkung seiner Produkte zuüberzeugen. Wie es aus den Anfangsjahren in Düsseldorf heißt, hatteFritz Henkel großen Wert darauf gelegt, dass die drei Doppelspänner,die die Kisten mit Henkel’s Bleich-Soda vom Werk zum Bahnhofbrachten, jeden Morgen geschlossen hintereinander die Straße pas-sierten: „So etwas fiel auf und konnte gleichzeitig als Reklame die-nen“.36

In Berlin hatte der Buchdrucker Ernst Litfaß gegen Mitte des 19. Jahr-hunderts die ersten Anschlagsäulen errichtet. Sie machten Plakate vordem Zweiten Weltkrieg zu den vorrangigen Werbemedien. FarbigePlakate gab Henkel in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre in Auftrag.Sie wurden als Werbemittel an Grossisten und Einzelhändler ver-teilt.37

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38 BvH 10, 1930, S. 198.

39 Willy Keibel, Unsere Anschlag-werbemittel, in: BvH 3, 1916, S. 579. Auch 90 Jahre Persil,S. 46.

40 BvH 7, 1927, S. 8.

41 BvH 7, 1927, S. 289. BvH 8,1928, S. 134.

42 Paul Mundhenke, 75 JahreHenkel-Werbung, in: BvH 29,1951, S. 215. Zu den Dreh-arbeiten: „Von der Arbeit amneuen Henkel-Film. Spielscheint’s – Arbeit meint’s“, in: BvH 12, 1932, S. 34f.

Die Verkehrswerbung auf Straßenbahnen oder Bahnhöfen hatte fürHenkel dagegen zunächst nur eine untergeordnete Rolle gespielt, wassich rasch ändern sollte: Um den Masseneffekt zu gewährleisten, hat-te das Unternehmen in den Mietverträgen mit den Straßenbahn-Gesellschaften „ausdrücklich vereinbart, daß unsere Dachschilder inerster Linie an solchen Wagen anzubringen sind, die [die] verkehrs-reichsten Stadtteile durchlaufen“, also auf den Hauptverkehrslinien zufinden waren.38 An Hausgiebeln und auf illuminierten Normaluhrenfand sich ebenfalls Henkel-Werbung, besonders für Persil.

Für die Vermarktung von Persil verstärkte Henkel ab 1907 seine Wer-betätigkeit, was sich insbesondere in der Anschlagreklame zeigte:Jedes Jahr kam nun ein neues Persil-Plakat heraus, bei dessen Gestal-tung das Unternehmen auch auf Anregungen seiner Außendienst-Mit-arbeiter zurückgriff. So fanden sich immer neue Motive, die vonWaschfrauen-Szenen, Pferderennen, Gespenster-Szenarios undFleckenteufeln bis hin zu der berühmten „Weißen Dame“ reichten.Als Identifikationsfigur für Persil war 1908 zunächst eine biedere,reinliche Waschfrau konzipiert worden. Ende 1922 wurde sie durchdie „Weiße Dame“ des Berliner Malers Kurt Heiligenstaedt abgelöst.Dieses Motiv des Karikaturisten und Mitarbeiters des „Simplicissimus“sowie zahlreiche Variationen von andern Künstlern prägten die Persil-Werbung bis in die 1950er Jahre hinein.39

Nachdem 1927 die erste Rundfunkwerbung für Persil über den Äthergegangen war, startete Henkel Dia-Vorträge über die Haushaltshygie-ne vor Hausfrauen und Einzelhändlern. 1927 produzierte das Unter-nehmen seinen ersten „Lehr- und Kultur-Film“, der als „das Stan-dardwerk unserer Werbearbeit auf dem Gebiete der Film-Reklame“betrachtet wurde. Der Film bot einen „kulturgeschichtlichen Rück-blick auf die Geschichte des Waschens zu allen Zeiten, bei allen Völ-kern und in allen Zonen“ sowie auf die Rolle der chemischen Indus-trie bei der Reinigung der Wäsche, „um als deren Krone dieErzeugnisse unseres Hauses, Persil und Henko, zu nennen“. Als„sachlich aufklärende Werbearbeit“ war auch dieser Beitrag wenigerfür die Programmkinos als zur „Aufnahme in die Vortragsveranstal-tungen von Volks-Bildungs-Organisationen, größeren Hausfrauen-Vereinen und von Schulen und Schulverbänden“ gedacht.40 Hinzukamen kurze Trickfilme „heiter-belehrenden Inhaltes, die [...] nur alsBeiprogramm dienen“.41 Daneben produzierte Henkel zwischen 1927und 1939 eine Reihe von Spiel- und Dokumentarfilmen, die imHauptprogramm der großen Lichtspielhäuser liefen. Die Ufa-Komö-die „Wäsche, Waschen, Wohlergehen“ mit den beiden Publikumslieb-lingen Paul Henckels und Ida Wüst lockte ab 1932 mehr als 30 Milli-onen Zuschauer in die Kinos.42

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Die 1926 entwickelte „Himmelsschrift“, bei der sich unter Nutzungmodernster Technik weißer Rauch als Text am Firmament abzeichne-te, rückten Henkel-Produkte in überirdische Sphären („Himmelswun-der Persil“). Doch wurde diese Technik auch für die aufklärende Wer-bung vereinnahmt, da es nach Auffassung des Unternehmens „nichtSinn und Ziel dieser Propaganda sein [konnte], einfach das Wort Per-sil in weißer Wolkenschrift am Firmament erscheinen zu lassen unduns an dem Staunen der Menge zu ergötzen“. Vielmehr sollten „diestarken moralischen Kräfte, die das Himmelswunder auslöst“, einge-fangen werden: „Die Welt muß wissen, was Persil ist, und jeder ein-zelne Verbraucher soll erkennen, was er daran hat.“ Zwischen 1926bis zu ihrer Einstellung 1935 wurden fast 5.000 Inschriften inDeutschland, Dänemark, in der Schweiz, in den Niederlanden, Öster-reich, Ungarn, Luxemburg, Belgien, Norwegen und Schweden produ-ziert.43 Die überirdische Dimension der Henkel-Produkte spiegeltesich auch in den so genannten Wolkenprojektionen wider, bei denenein stark beleuchteter Reflektor die Namen von Henkel-Erzeugnissenan den Abend-Himmel warf.44

Zu Beginn der 1930er Jahre setzte Henkel erstmals die damals neuar-tige Neonreklame für Werbezwecke ein: Auf dem Dach des 1924erbauten Wilhelm-Marx-Hauses im Zentrum Düsseldorfs, dem erstenBürohochhaus in Deutschland, erstrahlte ab 1931 allabendlich dieAußenwerbung für Ata, Imi, Henko und Persil. Nachdem die Leucht-reklame mit Kriegsausbruch 1939 erloschen war, wurde der Persil-Schriftzug bereits 1949 wieder in Betrieb genommen, obwohl Persilselbst erst 1950 wieder auf den Markt kam.45

Henkel verstand es nicht nur zu informieren, sondern auch durchunkonventionelle Werbeauftritte zu unterhalten: Weiß gekleideteMänner, ausgestattet mit weißen Sonnenschirmen, warben in denbelebten Geschäftsstraßen deutscher Großstädte in den 1920er Jahrenfür Persil. Sie fielen auf und wurden prompt auf das beworbene Pro-dukt angesprochen. 1929 unterstützte eine „Kampftruppe“ von 50„Imi-Mädchen“ die Werbe-Abteilung bei der Einführung von Imi, wiedie „Blätter vom Hause“ in lockerem Ton aus dem VerkaufsbereichBremen berichteten. Die Kampagne besaß fast Militärcharakter: Mitihren weißen Kleidern und Häubchen sowie Beuteln mit Produktpro-ben strömten die Werberinnen gruppenweise aus, so dass sich Pas-santen verunsichert fragten, ob „hier eine Seuche ausgebrochen“ sei.Über mehrere Tage wurde ein Gebiet von 25 Kilometer Länge und 20Kilometer Breite „Haus für Haus aufgerollt“, so dass der BremerHenkel-Reisende für seinen Bezirk zufrieden vermelden konnte: „Imisitzt drin.“46

43 Paul Mundhenke, DieHimmelsschrift im Diensteunserer Propaganda, in: BvH 7,1927, S. 124–126, hier S 124.Siehe auch zur öffentlichenReaktion auf dieses neuartigeWerbemittel: BvH 7, 1927, S. 81f. Das Sky-Writing war vordem Ersten Weltkrieg in denUSA erfunden worden undwurde 1922 von John C.Savage mit dem Schriftzug„Daily Mail“ zum ersten Maldurchgeführt: Siehe Jörg Steber,Der Himmelsschreiber.Geschichte und Technik derLuftwerbung, Planegg/München1988. Martin Rudolf, Neun JahreHimmelsschrift. Eine rückbli-ckende Berichterstattung, in:BvH 16, 1936, S. 145–148.

44 Frieder Mellinghoff u.a.,Werbung mit Plakaten, S. 6f.

45 Siehe etwa BvH 12, 1932, S. 14f. Auch BvH 27, 1949,S. 278.

46 Fritz Lennartz, Imi-Aktion, in:BvH 9, 1929, S. 243f. Sieheauch BvH 10, 1930, S. 4:„Noch nie wurde ein Artikel –weder von einer anderen Firmanoch von uns – mit so raschemund durchschlagendem Erfolgeeingeführt!“

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47 „Kaffeestunden und Ausstellun-gen“, in: BvH 2, 1915, S. 220.Siehe auch BvH 7, 1927, S. 57,zu den wöchentlichen Kontrollbe-richten, die sich mit derTätigkeit und den Leistungender Wanderlehrerinnen befass-ten. Auch BvH 16, 1936, S. 23.

48 BvH 7, 1927, S. 37 und 336.Heinz Bergmann, Textilherstellerempfehlen Persil, in: BvH, 16,1936, S. 333–335.

49 „Die Tagung des DeutschenLehrervereins in Düsseldorf“, in:BvH 7, 1927, S. 162f.

50 BvH 12, 1932, S. 8. So W.Krudewig, Eine Wanderlehrerinerzählt, in: BvH 9, 1929, S. 63.

51 BvH 15, 1935, S. 172.

Trotz des vergleichsweise hohen Unterhaltungswerts basierte dieHenkel-Werbung der 1920er Jahre weiterhin auf dem Grundgedankender „Belehrung“. Damit stand „die aufklärende Einzelarbeit weiterhinim Zentrum der gesamten Werbearbeit. Dies galt besonders für dieWaschvorführungen, die bereits seit den Anfängen zu den Kernbe-standteilen der Waschmittelwerbung von Henkel gehörten: Um dieWaschwirkung von Persil zu demonstrieren, hatten Henkel-Reisendeund die so genannten Wanderlehrerinnen bereits vor 1914 vor denAugen der verdutzten Hausfrauen grob verschmutzte Tischwäsche inPersil-Lauge gebleicht. Die gut besuchten „Kaffeestunden“, die zumBeispiel der Deutsche Hausfrauenverlag vor dem Ersten Weltkriegmonatlich in den größeren Städten Deutschlands ausrichtete, dientendabei als „eine vorzügliche Gelegenheit, für unsere Artikel Reklamezu machen“.47

Im Sinne einer aufklärenden Werbung stand die Verbraucherinforma-tion im Mittelpunkt. In den 1920er Jahren unterstützte Henkel diehauswirtschaftliche Bildung durch die Bereitstellung von Lehr- undAnschauungsmaterial, durch die Errichtung eigener Lehrinstitute als„Stätten volkstümlicher Wissenschaft“, durch eine eigene Film-Orga-nisation sowie die unermüdlichen „Wanderlehrerinnen“. Lehrmittelfür Volks- und Mädchenschulen sowie Haushaltungsschulen reichtenvon der Lehrtafel der Seifengewinnung über das dreiteilige Wandta-felwerk „Der Waschtag“ bis hin zu einer Desinfektionstabelle fürFachschülerinnen.48 Darüber hinaus wurden die Schulen in den späten1920er Jahren auch mit „Kulturfilmen“ versorgt. Insbesondere überdie Schülerinnen und Schüler hoffte Henkel nicht nur die Mütter undHausfrauen, sondern auch die angehenden Konsumentinnen zu errei-chen.49

Bei der Direktwerbung kam den so genannten Wanderlehrerinnen einewichtige Aufgabe zu. Sie sollten im Namen der Firma durch Hausbe-suche „ein persönliches Verhältnis zu jeder Hausfrau“ aufbauen. DieDamen, die über ausgeprägte hauswirtschaftliche Erfahrungen ver-fügten, waren den jeweiligen Reisebezirken zugeteilt und klärten dieVerbraucherinnen über Zweck, Vorzüge und Anwendungsweise derHenkel-Erzeugnisse auf. Aufgrund ihrer uniformartigen Kleidungwurden sie von Zeit zu Zeit auch schon mal mit Hebammen ver-wechselt.50 Es war Aufgabe der rund 700 Wanderlehrerinnen (Standvon 1927) oder der Werbedamen, wie sie in den 1930er Jahrengenannt wurden, den Hausfrauen detaillierte Anleitungen über diesachgemäße und vorteilhafte Verwendung der Henkel-Erzeugnisse zugeben, da Wäscheschäden offenbar immer wieder auftraten und aufdie Waschmittel zurückgeführt wurden.51

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Mit so genannten Persil-Schulen, auch „Schulen der Weißheit“genannt, intensivierte Henkel ab 1928 seine Verbraucherberatung. Dieerste Einrichtung wurde 1928 in Zusammenarbeit mit dem Nahrungs-mittelhersteller Oetker in Berlin errichtet. Es folgten Schulen in Han-nover (1931), Frankfurt am Main (1933), Hamburg (1935), Münchenund Stockholm (1937) sowie in Zürich (1939). Die Institute, die mitKriegsausbruch geschlossen wurden, dienten der praktischen haus-wirtschaftlichen Ausbildung. Die zwölfstündigen Kurse, die von jähr-lich 5.000 bis 6.000 Hausfrauen kostenfrei besucht werden konnten,vermittelten den Teilnehmerinnen Grundkenntnisse in Backen undWaschen.52 Henkel betrachtete die Persil-Schulen keineswegs als„Unterhaltungsunternehmen“, „in dem man bei Film und Kaffee ein-mal ein paar nette Stunden verbringt“, sondern legte Wert darauf, als„ernsthaftes Lehr-Institut“ betrachtet zu werden.53 Nach dem ZweitenWeltkrieg wurde die erste Persil-Schule 1954 in Hamburg wiederer-öffnet. Erst Ende der 1970er Jahre trennte sich Henkel von diesenRelikten einer mittlerweile überkommenen Haushaltskultur: 1979wurden die noch verbliebenen Institute in München und Hamburggeschlossen, da „ihre Aufgaben“ aufgrund technischer Verbesserun-gen und der Berufstätigkeit der Frauen als „praktisch überholt“ ange-sehen wurden.54

1926, im Jahr der Düsseldorfer Ausstellung „Gesolei“, die von rund7 Millionen Menschen besucht wurde, startete Henkel seine Werks-führungen. Das Unternehmen informierte in seinem großen Ausstel-lungs-Pavillon über die Herstellung von Persil sowie über Haushalts-hygiene und ging mit diesem Instrument der Öffentlichkeitsarbeitweit über die reine Produktwerbung hinaus.55 Auf der Gesolei botHenkel zunächst „versuchsweise [...] einer beschränkten Auswahl vonBesuchern des Ausstellungshauses Gelegenheit, das Werk in Holthau-sen zu besichtigen“. Nach einem Rundgang durch die Werksanlagenerhielten die Gäste Kaffee und Kuchen und wurden reichlich mit Pro-duktproben versorgt. Angesichts des verständlichen Erfolgs dieserAktion wurde dieses Programm 1927 in der Abteilung Werksbesich-tigungen institutionalisiert.56

Die vorwiegend weiblichen Gäste kamen damals zunächst aus derengeren Umgebung des Werkes, bald aber auch aus dem benachbar-ten Westfalen und den linksrheinischen Gebieten. Die Werksführun-gen, die offenbar einen hohen Unterhaltungswert besaßen, hatten eineerhebliche Werbewirkung, denn die Dankesbriefe belegen, dass aufdiese Weise zahlreiche begeisterte „Freundinnen der Persil-Waschme-thode gewonnen“ werden konnten.57 Das Besichtigungsprogrammwar allerdings derart aufregend und anstrengend, dass 1933 eigens einRuhezimmer für „erkrankte Frauen der Werksbesichtigungen“ einge-richtet wurde. Hier fanden die Damen für „ein halbes Stündchen Ruheund Entspannung“, „nachdem es so viel zu hören und zu sehen“ gege-ben hatte.58

52 „Die Oetker- und Persil-Schulein Berlin“, in: BvH 8, 1928,S. 266–269. Siehe auch „Wirdienen der Hausfrau. Im Persil-Henkel-Haus, Hannover. Berichtüber die Entwicklung unsererLehrinstitute und die Einweihungder Persil-Schule in Hannoveram 1.6.1931“, in: BvH 11,1931, S. 205–209. Und„Frankfurt: Lehrtheater?“, in:BvH 13, 1933, S. 273–278;Georg Esch, Auch in Hamburg.Ein neues Persil-Lehrinstitut inHamburg eingeweiht, in: BvH15, 1935, S. 189–197. Sieheauch „Waschhochschule Berlin“,in: BvH 16, 1936, S. 190–195.Im Dritten Reich standen diePersil-Schulen im Zeichen der„Volksaufklärung“.

53 BvH 16, 1936, S. 195.

54 „In Hamburg wurde die erstePersil-Schule wieder eröffnet“,in: BvH 32, 1954, S. 103–107.„Erfolgreiche Arbeit beendet“,in: Henkel-Blick 1/1979, S. 5.

55 „Nachklänge von der Gesolei“,in: BvH 7, 1927, S. 90f.

56 Paul Mundhenke, 75 JahreHenkel-Werbung, in: BvH 29,1951, S. 216. Siehe auch HansPietsch, Werksführungen imJubiläumsjahr, in: BvH 29,1951, S. 247f.

57 BvH 11, 1931, S. 424. Mitbis zu 60.000 Besuchern proJahr war Henkel an den Grenzenseiner Aufnahmekapazitätenangelangt, wie aus BvH 12,1932, S. 220, hervorgeht. DieWerksführungen waren bereitsüber mehrere Jahre „ausge-bucht“, ebenda, S. 431. BvH15, 1935, S. 25f.

58 Ursula Diesterweg, Die neueMütterberatungsstelle imHenkelwerk, in: BvH 13, 1933,S. 418–421.

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59 BvH 16, 1936, S. 23. Sieheauch Rudolf Tilly, 25 JahreHenkel-Werksführung, in: BvH29, 1951, S. 100f. „Besuch imWerk“, in: BvH 30, 1952,S. 188.

Mit fast 80.000 Besuchern erreichten die Werksführungen 1938 denhöchsten Stand. Nachdem sie 1940 kriegsbedingt eingestellt wordenwaren, empfing Henkel 1950 erneut wieder 7.600 Interessierte, vondenen 40 Prozent Hausfrauen, 20 Prozent Schülerinnen und der RestGeschäftsleute, Lehrer, Krankenhausverwaltungspersonal sowieinternationale Gäste waren. Nach wie vor war das UnternehmenHenkel bestrebt, „jedem Besucher seinen Aufenthalt so interessantund nett zu gestalten wie irgend möglich, denn jeder Gast unseresWerkes soll uns verlassen als Freund des Hauses Henkel“.59 Im Jahr2000 hieß Henkel in Düsseldorf-Holthausen 563 Besuchergruppenmit insgesamt 10.500 Personen willkommen, hauptsächlich Kundenund Multiplikatoren, Professoren mit ihren Studenten sowie Gymna-siasten.

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Auf ihren Verkaufstourenbeeindrucken die Henkel-„Reisenden“ mitungewöhnlichen Produkt-präsentationen, hier 1908.

Rechts: die neue Leucht-reklame am DüsseldorferWilhelm-Marx-Hochhaus als Zeichen des Aufbruchsaus Ruinen, 1951.

Spektakuläre Produkt-werbung: Vom „LichtbootPersil“ projiziert Henkel1930 als erste deutscheFirma Lichtstrahlen an denbewölkten Abendhimmel.

Rechts: „Invasion“ der Imi-Männer in München,1932.

Preisausschreiben für Pril 1956 (ganz links): Für den Spülwettstreitwerben die populärenSchauspieler Claus Biederstaedt, Günter Lüders und Viktor de Kowa (von links).

Über zeitgemäße Wäsche-pflege informiert sich dieHausfrau bei Wasch-vorführungen, die vonHenkel veranstaltet werden,hier 1933 (links und oben).

Zwischen Emotion und InformationWerbung, über die man spricht

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Internationale Anzeigen-werbung von Henkel:

für Loctite 1999, Chemie-produkte von Cospha 1987,die Produktpalette in China

1999, Fa Body Splash inDeutschland 1999, Chemie-

produkte in den USA 1990und für Pritt-Roller in

Brasilien, 1996.

„Persil-Uhren“ stehen in den 1920er und 1930erJahren in vielen deutschen

Städten. Seit den 1980erJahren werden neue

Nostalgie-Uhren aufgestellt.

Die erste Werbung imdeutschen Fernsehen:

Im Bayerischen Rundfunkwerben am 3. November

1956 die beliebtenSchauspieler Lisl Karlstadt

und Beppo Brehm für Persil.

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Für die einzelnen Markenund Zielgruppen wirdunterschiedlich geworben:Beispiele für aktuelle Henkel-Anzeigen.

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Premiere in Düsseldorf: Mit dem ersten 3D-Poster

wirbt Henkel im Sommer 2001 an der

Rheinpromenade für PersilMegaperls.

Rechts: Der Internet-Auftritt

des Unternehmens imJubiläumsjahr.

Die Unternehmens-kommunikation von Henkelsetzt Medien in zahlreichenSprachen ein: CD-ROMs zuverschiedenen Themen und

die Geschäftsberichte für dieJahre 1998 bis 2000.

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Die Reglementierung der Werbung

im Dritten Reich

60 Paul Mundhenke, Wandlungenin der werblichen Arbeit, in: BvH20, 1940, S. 210–213.

61 „Seife vor Verlust bewahren!Eine dringende Forderungunserer Zeit“, in: BvH 14, 1934,S. 440f.

62 A 24, Protokoll über dieSitzung Nr. 1/39 des Beiratesder Firma Henkel & Cie GmbH,18.4.1939. Paul Mundhenke,Wandlungen in der werblichenArbeit, in: BvH 20, 1940,S. 218–220.

63 A 24, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940, AllgemeinerGeschäftsbericht für das Jahr1939. Paul Mundhenke, 75Jahre Henkel-Werbung, BvH 29,1951, S. 217f.

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Ende des Jahres 1933 wurde der Werberat der Deutschen Wirtschaftgegründet, der sich nicht nur mit dem Inhalt der Werbung, sondernauch mit technischen Fragen befasste und eine Fülle von Erlassen zursittlichen und ethischen Gestaltung des Werbewesens auf den Wegbrachte.60 Diese Fragen waren für Henkel als Qualitätshersteller undAnbieter von Markenartikeln seit langem ein zentrales Anliegen. MitBlick auf die Bewirtschaftung von Rohstoffen wurde ab den frühen1930er Jahren die „Erhaltung und verlustfreie Ausnutzung volkswirt-schaftlich wertvollen Gutes“ zum „Gebot der Stunde“. Die Ver-schwendung von Bedarfsmitteln sollte vermieden werden, um „dasVolksvermögen“ nicht zu schädigen.61 Auch Henkel engagierte sichmit seinen „Propagandamitteln“ ab 1934 in der Verbraucheraufklä-rung, um „jeder Seifenvergeudung beim Waschen“ entgegenzuwir-ken: Unter dem Motto „Seife vor Verlust bewahren“ klärte das Unter-nehmen die Verbraucher über die Bedeutung der Wasserenthärtungbeim Waschen auf, zeigte Mittel und Wege, wie diese Enthärtung mitHilfe von Soda vorgenommen werden sollte, und suchte die Unzu-friedenheit der Verbraucher über die minderwertigen Waschmittel mitgeringerem Schaumvermögen abzufedern.62

Als nach Kriegsausbruch im September 1939 Einheitswaschmittelund vereinheitlichte Waschvorschriften eingeführt wurden, kam dieWerbetätigkeit von Henkel weitgehend zum Erliegen. So mussten1940 1.000 Werberinnen entlassen werden, „da eine Fortführung derWerbung wegen der Herstellung des Einheitswaschpulvers und dernicht zu befriedigenden Nachfrage nach den fettlosen Wasch- undReinigungsmitteln nicht mehr möglich war“. Statt dessen wurde „einegewisse Aufklärungsarbeit über die zweckmäßige Anwendung dervorhandenen Wasch- und Reinigungsmittel in kleinem Umfange wie-der aufgenommen“. Außerdem betrieb Henkel „Erinnerungswer-bung“, um Markenartikel wie Persil – auch wenn sie vorübergehendnicht erhältlich waren – in der Erinnerung der Verbraucher lebendigzu halten.63

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64 Paul Mundhenke, 75 JahreHenkel-Werbung, in: BvH 31,1951, S. 222. BvH 25, 1947,S. 47 und 67.

65 289/1127, Aktennotiz,8.6.1955. Siehe auch 153/9,Postbesprechung vom18.9.1953: Die Persil-Reisendenbezeichneten „die Henkel-Werbung zwar als gut aber nichtals modern“ und sahen „immerdie Werbung der Konkurrenz alsbesser“ an.

66 Henkel & Cie GmbH, Beirat1949–1955, Niederschrift überdie Beiratssitzung vom4.4.1952.

67 Henkel & Cie GmbH Beirat1949–1955, Protokoll über dieBeiratssitzung vom 16.3.1951.

68 Reinhold Krause, Werbungbelebt die Wirtschaft, in: BvH26, 1948, S. 212–214.

Die Werbungnach dem

Zweiten Weltkrieg

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Nach Kriegsende waren die Aktivitäten der Werbeabteilung weitge-hend zum Erliegen gekommen, da in allen Konsumbereichen „dieNachfrage turmhoch das Angebot überragte“. In Zeiten des Mangelswurden hier statt dessen Untersuchungen über die Auswirkungen derSeifennot auf die „Volkshygiene“ angestellt. Die Folgen einer unzu-reichenden Waschmittelversorgung – Seuchen und Krankheiten –sollten die deutsche Bevölkerung wie auch die Besatzungsmächtegleichermaßen aufklären und aufschrecken sowie die Unabkömm-lichkeit des Unternehmens deutlich machen. In diesem Schreckensze-nario stilisierte sich Henkel zum „Hüter der Reinlichkeit“ und „Wäch-ter der Gesundheit“.64

Wie in anderen Bereichen verzeichnete das Unternehmen auch imMarketing während der Stabilisierung nach dem Zweiten Weltkriegeinen hohen „Nachholbedarf“, denn Konkurrenzprodukte hatten „inden letzten Jahren hauptsächlich durch eine sehr massiv angelegte [...]Propaganda zu einem Einbruch am Markt geführt“.65 Angesichts deserhöhten Werbeaufwands der Wettbewerber, der ab den 1950er Jahrenauf dem westdeutschen Markt zunahm, steigerte auch Henkel seineWerbeaktivitäten für Markenartikel. Dies resultierte aus der Erkennt-nis Hugo Henkels, „dass wir im letzten Jahr [1951] nicht vorange-kommen seien, sondern stagnieren und dass es unbedingt notwendigsei, stärker zu werben“.66

Darum verstärkte das Unternehmen nicht nur den Einsatz von Rei-senden und Reiseassistentinnen sowie die Kraftwagenausstattung desAußendienstes, sondern nahm sich erneut auch des Markenartikel-Gedankens an: Unterstützung fand Henkel bei den sechs größtenbundesdeutschen Illustrierten, die ganzseitige Anzeigen kostenlosabdruckten, „in denen für den Markenartikel als solchen geworben“wurde.67 Der mit dem „Wirtschaftswunder“ einsetzende Wandel vomVerkäufer- zum Käufermarkt führte von der bloßen Bedürfnisbefrie-digung zum Überfluss- und Wohlstandskonsum. Mit dem technischenWandel vervielfältigten sich auch die Kommunikationsmedien.68

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Durch die Verbreitung des Fernsehens markieren die 1950er Jahre denAnbruch des modernen Werbezeitalters: Als erstes Unternehmen sen-dete Henkel im deutschen Fernsehen am 3. November 1956 einen TV-Werbespot, der – natürlich – Persil bewarb.69

Auch die Filmaktivitäten eroberten bald nach dem Zweiten Weltkriegihren angestammten Platz in der Palette der Werbemedien zurück. Der1953 von Henkel fertiggestellte Waschmittel-Werbefilm stieß auf einpositives Echo: An den Orten, an denen der Film lief, waren die Ver-kaufsergebnisse sehr gut. „Offenbar hat die Darstellung des Wasch-vorganges eine erfolgreiche Wirkung gehabt und gezeigt, dass dieMethode einweichen, kochen und spülen besser ist als die von derKonkurrenz propagierte Methode: nicht einweichen, nicht kochenund nicht spülen.“ Im selben Jahr nahm Henkel auch die Werbung anBerufs-, Fach-, Frauen- und Landwirtschaftsschulen erneut auf, um„die Hausfrau schon im jüngsten Alter“ zu erfassen. AbendfüllendeFilme, die die Produkte von Henkel in einen zusammenhängendenErzählkontext stellten, wurden ebenfalls wieder produziert.70

69 „Premiere mit Persil. Seit20 Jahren Werbefernsehen“, in: Henkel-Blick 11/1976, S. 1.„30 Jahre Fernsehwerbung.Premiere mit Persil“, in: Henkel-Blick 11/1986, S. 8.

70 Henkel & Cie GmbH, Beirat1949–1955, Ergänzung derNiederschrift über die Beiratssit-zung vom 19.2.1953. Dies lässtsich zumindest aus dem Echoschließen, das der Henkel-Werbefilm genoss. 153/9,Postbesprechung vom18.9.1953: „Unser Film ist nachwie vor ausverkauft.“264

Die Verbreitung von Werbemedien in Deutschland

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72 Paul Mundhenke, 75 JahreHenkel-Werbung, BvH 31, 1951,S. 222.

73 Henkel-Blick 1/1972, S. 3.„Neues Waschmittel auf demTestmarkt“, in: Henkel-Blick1/1973, S. 8. Zur Telefonaktion:„Frollein Hühnchen hat Probleme“,in: Henkel-Blick 8/1977, S. 1und 5. Zur Kampagne mit TellySavalas: „Einsatz für Mustang“,in: Henkel-Blick, 10/1979, S. 12.

74 „Alles unter einem Dach“, in:Henkel-Zeitung für die Nachbarn,12/1998, S. 11, zum Internet-Auftritt von Henkel.

Werbung müsse „jung bleiben“ hatte schon Hugo Henkel gefordert.So bemühte sich das Unternehmen, „mit Tempo und Durchschlags-kraft am Puls der Zeit“ zu bleiben.72 In den 1960er Jahren machte dieWeiße Dame von Persil einer realitätsnahen Werbung Platz. Die sogenannte Testimonial-Werbung, die mit Normalverbrauchern, Leitbil-dern oder Autoritäten arbeitete, wurde zum Standard-Instrumenta-rium der Waschmittelwerbung, um die Glaubwürdigkeit der Produkt-aussagen zu unterstreichen.73

Die medientechnische Revolution der 1980er und 1990er Jahre schufimmer neue Kommunikationsmöglichkeiten. Henkel nutzte dasPotential der neuen Medien sowohl für die Werbung als auch für dieunternehmerische Öffentlichkeitsarbeit: Seit Mitte der 1990er Jahrepräsentieren sich das Unternehmen und seine Markenartikel weltweitim Internet.74

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Imagewerbung

74 153/16, Protokoll vom6.9.1960.

75 153/52, ZGF-Post,1.2.1972.

76 Fred Bertrich, Kulturgeschich-te des Waschens,Düsseldorf/Wien 1966.

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Die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Informationspolitik vonUnternehmen nahm nach dem Zweiten Weltkrieg zu. Aus diesemGrund vollzogen die meisten Unternehmen in den 1960er Jahren denSchritt zu einer bewussten Imagewerbung, die ergänzend neben diebislang übliche Produktwerbung trat. Auch Henkel lernte, dieseErwartungen für die eigenen PR-Zwecke umzusetzen. Mit Beginn der1960er Jahre traten unter dem neuen Firmenchef Konrad Henkel eineallmähliche Öffnung und eine wachsende öffentliche Präsenz desFamilienunternehmens ein. Insbesondere hinsichtlich interner Vor-gänge wollte sich die Geschäftsleitung in Zukunft nicht mehr so„zugeknöpft“ wie in der Vergangenheit geben: „Ereignisse, die sich inunserer Firma abspielen“, sollten „den örtlichen Pressestellenzugänglich“ gemacht werden, „damit der Name Henkel mehr als bis-her in den Vordergrund gebracht wird“.74

Zur Entwicklung eines „Corporate Image“ griff das Unternehmenunter der Leitung des damaligen PR-Chefs Dr. Friedrich Bohmert aufdie professionelle Dienstleistung von Unternehmensberatungsfirmenzurück. Diese empfahlen zur „Pflege des Firmen-Image das Festhal-ten am Markenartikel-Gedanken mit Heraushebung der Qualitätsvor-stellung, eine langfristige Produktpflege und eine konsequente unddennoch bewegliche Preispolitik“. Daher wurde die Werbung fürMarkenartikel ab den 1960er Jahren mehr noch als bisher inhaltlichund optisch an den Namen Henkel gekoppelt: Der „gut eingeführteName Henkel“ wurde fortan auch zur Vermarktung von Produkten derTochtergesellschaften genutzt.75

1965 startete das Unternehmen eine Kampagne, die darauf zielte,„den Namen Henkel in der Vorstellung der Öffentlichkeit eng mit demBegriff Sauberkeit zu verbinden“. Die Henkel-Ausstellung „Kultur-geschichte des Waschens“, die im November 1966 anlässlich des 90-jährigen Firmenjubiläums in Düsseldorf gezeigt wurde, verbanderstmals PR- und Marketinginteressen mit kulturpolitischem Engagement. Ein großformatiges Jubiläumsbuch unter demselbenTitel „Kulturgeschichte des Waschens“ wurde zum Standardwerk.76

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77 Henkel-Blick 6/1974, S. 2.

78 Siehe dazu die Beiträge imHenkel-Blick, etwa 1/1974,S. 12, oder 5/1974, S. 1.Siehe etwa „DüsseldorferHygiene-Preis gestiftet“, in:Henkel-Blick 4/1976, S. 1.

79 H 2, Stabsstelle PublicRelations, Dr. Friedrich Bohmertan ZGF, 29.7.1971, betr.Henkel-Image-Kampagne 1971.„,Kräftesammeln für ein kontrol-liertes Wachstum‘. Planungskon-ferenz diskutierte für dieWeiterentwicklung der Henkel-Gruppe in den nächsten Jahren“,in: Henkel-Blick, 12/1978, S. 2.„Führen durch Überzeugen“, in:Konrad-Henkel-Spezial imHenkel-Blick 25.10.1995, S. 3.

80 „Corporate Design: Gestal-tung – Marke Henkel“, in: Henkel-Blick 8/1985, S. 1und 3. Auch: „Der Tag, als derLöwe ging“, in: Henkel-Blick1/1987, S. 12.

81 Zum Kampagne „Science +Soul“ siehe „InternationaleImage Kampagne der Henkel-Gruppe“, in: Henkel-Blick 4/1999,S. 8f. Zur Neuausrichtung derPublic Relations siehe „GlocalHero“, in: prmagazin 7/2001,S. 24–26.

Für seine wegweisende Kommunikationsarbeit verlieh die DeutschePublic Relations-Gesellschaft 1974 die „Goldene Brücke“, die höchs-ten Anerkennung für PR-Fachleute in der Bundesrepublik Deutsch-land, an Friedrich Bohmert, den Leiter der Stabsstelle PublicRelations der Henkel-Gruppe. Mit dieser Ehrung wurde zugleich dieÖffentlichkeits-Kampagne des Unternehmens ausgezeichnet, die inden Jahren 1972/73 unter dem Leitthema „Industrie und Gesellschaft“in einer vielbeachteten Anzeigenserie lief. Diese Kampagne habe„innerhalb der gesellschaftspolitischen Diskussion in der Bundesre-publik ganz neue, in die Zukunft weisende Töne angeschlagen und fürdas Ansehen des Unternehmens Henkel in der Öffentlichkeit einenentscheidenden Beitrag geleistet“, hieß es dabei.77

Von 1970 bis 1996 dienten die Düsseldorfer Hygienetage – eine in zwei-jährigem Turnus veranstaltete Fachtagung zur Krankenhaus-, Haushalts-sowie Lebensmittel- und Tierhygiene – wie auch die damit verbundeneStiftung des Düsseldorfer Hygienepreises dazu, „das Image von Henkelals Wegbereiter von mehr Hygiene und Sauberkeit“ zu vertiefen.78

Zu Beginn der 1970er Jahre zeigten Meinungsumfragen, dass dennoch„vor allem in meinungsbildenden Schichten der Bevölkerung unzu-längliche oder falsche Vorstellungen vom Unternehmen Henkelbestanden“. Offenbar fiel es Henkel schwer, „das wesentliche unsererFirma auf einen Nenner zu bringen“ und der Öffentlichkeit zu vermit-teln: Als eine Art „Gemischtwarenladen“, stellte die Gesellschaftgegen Ende der 1970er Jahre zu 50 Prozent Konsumgüter und zu50 Prozent Chemieprodukte her und bearbeitete sowohl deutsche alsauch ausländische Märkte. Unter der Formel „Spezialist für an-gewandte Chemie“ brachte schließlich Konrad Henkel den Unter-nehmerzweck auf einen Nenner: „Wir haben unsere Stärke dort, wo esdarum geht, Erkenntnisse der Chemie anzuwenden, sei es im Haushalt,im Handwerk oder im Industriebetrieb.“ Nun musste nur noch derÖffentlichkeit vermittelt werden, dass Henkel nicht nur Waschmittel,sondern auch eine Vielzahl an chemischen Produkten herstellte.79

Das unternehmerische Selbstverständnis wurde seit Mitte der 1980erJahre durch eine einheitliche Corporate Identity unterstützt: Vor allemdas Corporate Design und die Gestaltung des Henkel-Logos solltenden optischen Rahmen für das Image des Unternehmens bilden undso ein einheitliches Erscheinungsbild vermitteln. 1985 hatte sich dasHenkel-Oval international als Firmensymbol auch für die Tochterge-sellschaften durchgesetzt.80

Defizite beim Firmen-Image bestehen im Ausland jedoch weiterhin.Nach der 1999 nur kurzzeitig international geschalteten Anzeigen-Imagekampagne „Science + Soul“ setzt die Unternehmenskommuni-kation zu Beginn des neuen Jahrtausends einen starken Akzent aufglobale Public Relations. Über den starken Produktnamen soll dieDachmarke Henkel als gemeinsamer Nenner weltweit stärker kom-muniziert werden. Auch bei der Kommunikationsstrategie aus derDüsseldorfer Zentrale lautet das Prinzip „Glocal“: „Wir agieren global,geben aber auch Leitlinien vor, die dann lokal umgesetzt werden.“81 267

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Persil-Werbung 1925 bei Nacht: Die Normaluhram Oranienburger Tor in Berlin.

Rechts: Pferdefuhrwerkesind jahrzehntelang daswichtigste Transportmittel,Aufnahme von 1908.

1926 startet Henkel Werbung mit der Himmelsschrift.

Abendfüllende Unterhaltungvon Henkel: Den Spielfilm„Wäsche, Waschen, Wohlergehen“ von 1932 mitden bekannten Schau-spielern Ida Wüst und PaulHenckels sehen 30 MillionenKinogänger.

Ausgefallene Werbeaktionenwie diese „Schirmreklame“für Persil im Jahr 1926 inBerlin sind ein Markenzei-chen von Henkel.

Rechts: 20 Millionen Personen besuchen denPavillon der belgischenHenkel-Tochter auf derBrüsseler Weltausstellung1935.

Ab 1933 ist Henkel mit einer eigenen Firma in Italien vertreten. Am Mailänder Dom wirbt die Weiße Dame für Persil,1938.

Zwischen Emotion undInformationWerbung und Absatzpolitik

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Der Henkel Löwe seit 1878.

1878 auf Henkel’s Bleich-Soda und ab 1895 als

Bildzeichen eingetragen.

1915 bis 1938.

1939 bis 1947.

1948 bis 1951.

1952 bis 1961.

Neuauflage zum 100-jährigen

Firmenjubiläum 1976.

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An der Fassade der Zentralen Analytik in Düsseldorf-Holthausen:Plakatwerbung für dasJubiläumströmmelchen vonPersil Megaperls, 2001.

Rechts: Fahnen von Henkel und Cognis im Werk Holthausen.

Werksbesichtigungen bietet Henkel seit 1926 an,hier eine Multiplikatoren-Gruppe in der DüsseldorferMegaperls-Fabrik, 2001.

Rechts: Zugang zumPritt Kinderland im Einkaufzentrum Centro in Oberhausen, 2001.

Der größte Pritt-Stift derWelt wirbt seit 1999 voneinem Schornstein desDüsseldorfer Henkel-Kraftwerks.

Rechts: Besucherandrangbeim ersten „Tag der offenenTür“ im DüsseldorferStammwerk 1990.

Unten: Jubiläumswerbungam eingerüsteten Schloss-turm in der DüsseldorferAltstadt, 2001.

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Der Menschim Mittelpunkt:

Von derWohlfahrtspflege

zur betrieblichenSozialpolitik

IX

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Formen der betrieblichenSozialpolitik bei Henkel

1 K2. Siehe zur Geschichte derbetrieblichen Sozialpolitik etwaSusanne Hilger, Sozialpolitik undOrganisation. Formen betrieb-licher Sozialpolitik in derrheinisch-westfälischen Eisen-und Stahlindustrie seit der Mittedes 19. Jahrhunderts(1850–1933) (= Beiheft 94 derZeitschrift für Unternehmensge-schichte), Stuttgart 1996.

272

„Mir und meinem Werk geht es nur gut, wenn es auch meinen Mit-arbeitern gut geht.“ Überzeugungen wie diese vom FirmengründerFritz Henkel besaßen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein Geltungfür die Personal- und Sozialpolitik des Unternehmens. Durch dasWachstum der Henkel-Gruppe und die zunehmenden externen Ein-flüsse wurden die Aufgaben des mit der betrieblichen Sozialpolitikbefassten Ressorts allerdings immer komplexer. Im Laufe der 125-jährigen Firmengeschichte wandelte sich die betriebliche Sozialpoli-tik daher von einem allumfassenden Fürsorgeangebot, das dieBeschäftigten und ihre Familien „von der Wiege bis zu Bahre“ beglei-tete, zu einer sozialen Personalpolitik, die sich überholter Sozialleis-tungen längst entledigt hat. Diese Entwicklung resultiert nicht nur ausdem verbesserten Einkommensniveau der Beschäftigten und der Tat-sache, dass viele der einst als fortschrittlich anerkannten Sozialleis-tungen von Unternehmen längst durch Gesetz oder Tarifvertrag inDeutschland allgemein eingeführt sind, sondern auch daraus, dass derEigenverantwortung des Einzelnen heute eine sehr viel stärkereBedeutung beigemessen wird.

Seit den Anfängen waren die Personalrekrutierung und der Aufbaueiner Stammbelegschaft von wesentlicher Bedeutung für das Unter-nehmen. Neben die Lohn- und Gehaltspolitik und die Gestaltung derArbeitsbedingungen trat die betriebliche Sozialpolitik als Motiva-tionsfaktor. Auf der Suche nach Arbeitskräften stützte sich Henkelhäufig auf die Mithilfe von Mitarbeitern, die ihre Verwandten undBekannten „in der Fabrik“ unterbrachten. Auf diese Weise entstandein Geflecht von loyalen Beschäftigten, das sich in dem Begriff der„Werksfamilie“ niederschlug. Aus philanthropischen Gründen, aberauch zur Bindung und Disziplinierung der Mitarbeiter gehörte diebetriebliche Sozialpolitik ab der Industrialisierung zu den unverzicht-baren Bestandteilen der Unternehmenspolitik. Das unternehmerischeSozialangebot, das lange von der Gesundheitsversorgung und Werks-verpflegung über Versicherungseinrichtungen gegen Krankheit undAlter und die betriebliche Wohnungspolitik bis hin zur Familienfür-sorge reichte, hat das Ansehen und Erscheinungsbild von Henkel inder Öffentlichkeit und speziell in der Region um Düsseldorf mitbestimmt.1

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2 J 105, Betriebsbesprechung,1.6., 8.6., 22.6. und 6.7.1915.100 Jahre Holthausen, S. 51f.

3 „Geschmackssachen. 50 JahreBetriebsküche in Holthausen“,in: Henkel-Blick 2/1986, S. 9.

4 J 105, Betriebs-Konferenz,10.1.1912.

5 J 105, Betriebs-Konferenz,17.6.1913.

Werksversorgung undGesundheitsfürsorge

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Die gesundheitliche Betreuung stand ganz oben auf der sozialpoliti-schen Prioritätenliste von Henkel, da gesunde und leistungsfähigeMitarbeiter schon vor dem Ersten Weltkrieg als Garanten des Unter-nehmenserfolgs galten. Gemäß der Überzeugung, dass „Essen Leibund Seele“ zusammenhalte, führte Henkel bereits früh die Werksver-pflegung ein, die die Keimzelle der heutigen Wirtschaftsbetriebe derHenkel KGaA in Düsseldorf bilden sollte: Nachdem 1900 in Holt-hausen ein kostenloser Mittagstisch für Angestellte eingerichtet wor-den war, entstand 1908 der erste größere Speiseraum. Ab 1915 sorgteeine Betriebsküche für die Verpflegung der gewerblichen Mitarbeiter.Die Arbeiter zahlten für das Mittag- und Abendessen einen Selbst-kostenpreis in Höhe von 60 beziehungsweise 30 Pfennig (Stand: Juni1915). Ein „vorzügliches kräftiges“ Essen erhielten zunächst aber nurArbeiterinnen, unverheiratete Arbeiter sowie verheiratete Arbeiter„von außerhalb, sowie [...] unsere Arbeiter der Nachtschicht“. Dieübrigen Beschäftigten nutzten die „Wärmeschränke“ in den einzelnenAbteilungen, in denen die mitgebrachten „Esskessel“ („Henkelmän-ner“) gewärmt werden konnten. In Erfrischungsräumen, in denenauch eine Auswahl von Zeitungen und Zeitschriften ausgelegt war,stand kostenloser kalter oder warmer Tee bereit.2 Eine moderne, zen-tralisierte Werksküche für alle in Düsseldorf-Holthausen Beschäftig-ten löste 1936 die alten Verpflegungsbetriebe ab.3

Um den Betriebsablauf nicht zu unterbrechen, war die Aufrechterhal-tung der Arbeitssicherheit eine zwingende Notwendigkeit in denFabrikbetrieben. Zwar hatte Henkel zur Vermeidung von Arbeitsun-fällen „die Vorschriften der Berufsgenossenschaft“ „an geeignetenPlätzen“ angeschlagen4, doch war die Firma auch für Unfälle gerüs-tet: Die reibungslose Versorgung der Verletzten oblag der 1912gegründeten Erste-Hilfe-Station, die die Grundlage für die werksärzt-liche Abteilung bildete und zunächst mit einer Krankenschwesterbesetzt war.

Nachdem bis zum Ersten Weltkrieg „viele größere Erkrankungendurch verunreinigte Wunden im Betrieb“ entstanden waren, schaltetesich Hugo Henkel in die Unfallversorgung ein: Er wies die Meisterund Abteilungsleiter an, „streng darauf zu achten, dass auch beigeringfügigen Verletzungen sofort die Hilfe der Krankenschwester inAnspruch genommen wird“, statt die Arbeiter – wie bislang offenbarüblich – „vom Maschinisten“ verbinden zu lassen.5 Weil sie denLohnausfall scheuten, vermieden es die Beschäftigten in aller Regel,bei akuten Krankheitsfällen einen Arzt aufzusuchen. Aus diesemGrund beschloss Henkel, „den Beschäftigten“, die zu ärztlichenUntersuchungen bestellt wurden, „die verlorene Arbeitszeit“ vergütenzu lassen. Die Betriebs-Konferenz hatte 1912 diesbezüglich ent-schieden, „dass der Zeitverlust, den Leute durch ärztliche Konsulta-

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tionen haben, bis zu einer Stunde von uns bezahlt wird. Was darüberist, soll gekürzt werden“. Den Vorarbeitern wurde in Krankheitsfällensogar „die Differenz zwischen Krankengeld und Wochenlohn“ ver-gütet.6

Eine betriebsärztliche Betreuung der Belegschaft in Düsseldorf-Holthausen begann 1937/38 durch in der Werksnachbarschaft prakti-zierende Ärzte, die auch die Untersuchung von neueingestellten Mit-arbeitern übernahmen. Der erste hauptamtliche Werksarzt, Dr. vonSchmidt, trat 1953 in das Unternehmen ein. Parallel dazu wurde auchdie Heilbehandlung von Seiten des Werkes durch Bestrahlungen,Massagen und Kurzwellen sowie Schichtarbeiter-Kuren ausge-weitet.7

Fragen der Hygiene und der körperlichen Reinigung, die um 1900noch nicht so ausgeprägt waren wie heute, spielten eine besondereRolle in der betrieblichen Sozialpolitik, die ja auch erzieherischeMotive besaß. Bereits im Jahr 1880 verfügte das Werk in der Gerres-heimer Straße über Brausebäder für die Beschäftigten. 1908 wurdenim neuen Werk in Holthausen Baderäume eingerichtet, die 1915 zueiner Badeanstalt mit Ankleideräumen, Brausen und Wannenbädernerweitert wurden. Jeder Badende erhielt ein Handtuch und Seife gra-tis.8 Mit dieser Initiative erntete Henkel auch öffentliche Anerken-nung, zumal einschlägige Schätzungen davon ausgingen, dass noch1918 rund 75 Prozent der Bevölkerung „nicht badet“. Die von Henkelgetroffene Anordnung, „dass jeder [...] beschäftigte Arbeiter allwö-chentlich ein Bad nehmen muss“, war deshalb ganz im Sinne der„Volkshygiene“.9 1931 wurde die alte Badeanstalt durch das vonHugo Henkel anlässlich seines 25-jährigen Arbeitsjubiläums privatgestiftete und damals beispielhaft moderne Dr. Hugo Henkel-Schwimmbad ersetzt.10

Notzeiten wie der Erste Weltkrieg boten den Unternehmen vielfältigeMöglichkeiten zu Sozialleistungen, die über den betrieblichen Bezughinausreichten: Unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkriegsrichtete die Familie Henkel auf dem Werksgelände ein Lazarett mit100 Betten ein und stellte es als „Zeichen nationaler Verbundenheit“dem Staat zur Verfügung. Henkel zahlte Kosten für Pflege, Unterhal-tung und Beköstigung der verwundeten Soldaten sowie die Entloh-nung des Pflegepersonals. Die beiden Ärzte und zwei Schwesternwurden von der Sanitätskolonne des Werks unterstützt. PersönlicheBetreuung erhielten die Patienten darüber hinaus von den „DamenHenkel, Frau Henkel jun., Frau Dr. Henkel und Frau Lüps“.11

Die an der Front stehenden Belegschaftsangehörigen versorgte dasUnternehmen mit sogenannten Liebesgaben, zum Beispiel mitRauchwaren und Dingen des täglichen Bedarfs, aber auch mit Persil,Mundharmonikas und Kleidungsstücken sowie Nahrungsmitteln,Alkoholischem und „Erbaulichem“. Zudem erhielten sie dieFirmenzeitschrift „Blätter vom Hause“ zugeschickt.12 Den daheimverbliebenen Familienangehörigen der insgesamt 604 eingezogenenArbeiter und Angestellten leistete das Unternehmen finanzielle und

6 J 105, Betriebs-Konferenz,14.3.1912 und 5.5.1914.

7 Manfred Schöne, Ein Viertel-jahrhundert Betriebskrankenkas-se Henkel (= Schriften desWerksarchivs 7), Düsseldorf1977.

8 J 105, Betriebs-Konferenz,4.11.1913 und 9.6.1914.

9 K 2, „Die Wohlfahrtseinrichtun-gen der Firma Henkel & Co“, in: Das Bad. Zeitschrift für dasBadewesen 13, 1918.

10 Siehe BvH 10, 1930, S. 297.Siehe auch BvH 11, 1931, S.34-40 zur Einweihung derSchwimmhalle am 4.1.1931.Das Schwimmbad wurde Ende1993 geschlossen und 1997abgerissen.

11 BvH 3, 1916, S. 405. „Überdie Verwundetenfürsorge derFirma“, in: BvH 1, 1914, S. 10f.„Vereins-Lazarett der FamilieHenkel“, in: BvH 2, 1915, S. 247–254. Bei den Damenhandelte es sich um die beidenSchwiegertöchter des Firmen-gründers, Änny und GerdaHenkel, sowie um seine TochterEmmy Lüps.

12 BvH 3, 1916, S. 406f.Hundert Jahre Henkel, S. 72.

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13 J 105, Betriebs-Konferenz,13.8. und 14.8.1914: Unterstüt-zungen erfolgten nur insoweit,„dass die Einkünfte der Frauwöchentlich Mk 18,-- nichtübersteigen“. Wenn Frauen,deren Männer im Kriege sind,arbeiten und regelmäßigenArbeitsverdienst haben, soerhalten diese keine Unterstüt-zung. J 105, Betriebsbespre-chung, 31.10.1916 sowie 5.3.und 14.5.1918.

14 J 105, Betriebs-Konferenz15., 17. und 26.8.1914.

15 J 105, Betriebs-Konferenz,5.1.1915 und 7.11.1916.

16 A2, Werksgeschichte: C. H. Reemtsen, Was muß derEinzelhändler von den Fürsorge-Einrichtungen der Industriewissen, in: Die Kolonialwaren-Woche/Der deutsche Delikates-senhandel, 19, 1933, S. 11.

17 Siehe K 2269 und „Eröffnet!“,in: Henkel-Blick 10/1985, S. 5.

18 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. Siehe auch BvH 9, 1929,S. 119, sowie Manfred Schöne,Arbeitschutz bei Henkel(= Schriften des Werksarchivs3), Düsseldorf, 1971.

materielle Unterstützung, wobei die kommunalen Unterstützungs-leistungen der Gemeinden Benrath und Düsseldorf berücksichtigtwurden.13

Um die Ernährungssituation zu verbessern, hatte Henkel bereits vordem Krieg interessierten Beschäftigten Schrebergartenparzellen zugünstigen Konditionen überlassen. Angesichts der Mangelsituationdes Krieges erging an die Pächter der Schrebergärten beziehungs-weise deren Frauen die Anordnung, „dass die Schrebergärten in derjetzigen Zeit durch Gemüsebau vollständig ausgenutzt werden“ soll-ten.14 Nachdem Henkel ab 1915 brachliegendes Firmenterrain mitFrühkartoffeln bebaut hatte, wurde im Jahr darauf eine eigeneSchweinezucht auf dem Werksgelände eingerichtet.15

Im Gegensatz zu Unternehmen wie Krupp oder der Gutehoffnungs-hütte hatte Henkel aufgrund seiner besonderen Bindung zum Einzel-handel auf die Einrichtung eines Werkkonsumvereins verzichtet, umdas lokale Kleingewerbe nicht zu schädigen. Aus diesem Grund wur-den die Beschäftigten nur in Notzeiten mit Kartoffeln oder Kohlenversorgt: „Die Firma Henkel hält es für richtig, die Arbeitnehmer sozu entlohnen, dass sie keines vergünstigten Einkaufs bedürfen, son-dern den ohnehin um seine Existenz schwer kämpfenden Einzelhänd-ler unterstützen können“.16 Von dieser Einstellung wich das Unter-nehmen – auch auf langes Drängen des Betriebsrats – erst Jahrzehntespäter ab: Am 1. Oktober 1985 wurde an der Niederheider Straße inDüsseldorf-Holthausen der Henkel-Intern-Verkauf eröffnet als„Supermarkt“ für Mitarbeiter und Pensionäre sowie ihre Angehöri-gen. Zuvor hatte die Firma monatlich Deputat-Pakete mit Wasch- undReinigungsmitteln an die Mitarbeiter ausgegeben.17

Ab der zweiten Hälfte der 1920er Jahre führte Henkel eine intensiveUnfall-Verhütungsarbeit in den einzelnen Betrieben ein, die inZusammenhang mit den Rationalisierungs- und Produktivitätsstudiendes 1924 gegründeten Reichsausschusses für Arbeitszeitermittlung(REFA) stand. Auch wurden die Beschäftigten über das betrieblicheVorschlagwesen an unfallverhütende Maßnahmen herangeführt. Hen-kel war Vorreiter in Sachen Arbeitssicherheit: Die Firma veranstalteteals erstes deutsches Industrieunternehmen sogenannte Unfallverhü-tungswettbewerbe; und 1927 stellte Henkel als erstes Unternehmen inder chemischen Industrie einen hauptamtlichen Sicherheitsingenieurein.18

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Der Menschim MittelpunktBetriebsverpflegung

Vorbereitung des Mittag-essens: Kartoffeln schälen in der Betriebsküche.

Rechts: Mittagspause 1938.

Zubereitung der Speisen vor den Augen der hungrigen Mitarbeiter:moderne Betriebs-gastronomie im Kasino-Nordin Düsseldorf-Holthausen seit 1996.

Großreinemachen in derKüche des Kasino Nord:Produkte und Systeme vonHenkel-Ecolab im Einsatz.

Rechts: Köche beim Vorbereiten des Mittag-essens, 1996.

Blick in den Speisesaal des Kasino-Nord, 1996.

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Werksärztlicher Dienst

Ausgebildete Arbeits-mediziner, Kranken-

schwestern und Physio-therapeuten kümmern sich

seit Jahrzehnten um dieGesundheit der Mitarbeiter:vorbeugend, bei Erkrankun-

gen und bei Verletzungen.

Obere Reihe: Blutspendeaktion in den

1960er Jahren (links) unddie Verbandsstube in den

1920er und 1930er Jahren.

Darunter: der Werksärztliche

Dienst 2001.

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Versicherungen

19 Schöne, Betriebskrankenkas-se, S. 12f.

20 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. A 24, Protokoll über dieSitzung Nr. 1/39 des Beiratesder Firma Henkel & Cie GmbH,18.4.1939.

21 Henkel & Cie GmbH Beirat1949–1955, Protokoll über dieBeiratssitzung vom 17.2.1950.

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Selbsthilfeeinrichtungen, die im Krankheits-, Alters- oder Sterbefallin Anspruch genommen werden konnten, gehören zu den ältesten Ein-richtungen der betrieblichen Sozialpolitik und lassen sich bis in dasfrühe 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Henkel befasste sich aller-dings erst relativ spät mit dem betrieblichen Versicherungswesen, dadie Mehrheit der in der Produktion Beschäftigten durch das ab den1880er Jahren ins Leben gerufene staatliche Versicherungssystemabgesichert waren. Für die Angestellten, die bis 1911 noch nicht in diestaatliche Sozialversicherung eingebunden waren und sich privat absi-chern mussten, übernahm das Unternehmen die Hälfte der Kranken-versicherungsbeiträge.19

1918 wurde mit der Fritz-Henkel-Stiftung zunächst eine betrieblichePensionseinrichtung für die Angestellten gegründet. Dieser Fonds,den Kommerzienrat Fritz Henkel anlässlich seines 70. Geburtstageseingerichtet hatte, wurde durch die Inflation entwertet und 1926 – imJahr des 50-jährigen Firmenjubiläums – als Angestellten- und Arbei-terunterstützungsfonds reaktiviert. Er diente nun dazu, Angestellteund Arbeiter zu unterstützen, „die durch Krankheit oder andereunglückliche Umstände in Notlage gekommen sind“. Den Grundsteinfür die Altersversorgung der Arbeiter legte 1929 die Arbeiter-Unter-stützungskasse, die 1932 mit der Angestellten-Lebensversicherung ihrPendant erhielt. 1941 fasste Henkel die Altersversorgungsansprüchevon Angestellten und Arbeitern in einer Versorgungskasse zusam-men.20

Durch die Währungsreform im Jahr 1948 waren das Vermögen derPensionskassen wie auch die Pensionsverpflichtungen auf 10 Prozentreduziert worden. Henkel zahlte dennoch bei den Arbeiterpensionenund kleineren Angestellten-Pensionen weiterhin den vollen Betrag,während die höheren Pensionen bis zu 30 Prozent gekürzt wurden.Die entstehende Differenz übernahm die Firma. Zudem kündigte dieGeschäftsleitung an, „unsere Pensionskassen so bald wie möglichwieder aufzufüllen, wozu erhebliche Beträge erforderlich sind“.21

Die betriebliche Altersversorgung lief bei Henkel in Düsseldorf bis1975 über die beiden Pensionskassen „Versorgungskasse Henkel fürTarif- und Außertarif-Angestellte“ und „Pensionskasse Fritz Henkelfür gewerbliche Mitarbeiter“. Das neue Betriebsrentengesetz vom 19.Dezember 1974 machte verschiedene Anpassungsmaßnahmen erfor-derlich, so dass die bisherigen Pensionskassen für Neuzugängegeschlossen wurden. Die Firmen-Pension wird seitdem von der Hen-kel KGaA aufgrund von Einzelzusagen gezahlt. Durch eine Insol-venzversicherung sind die Pensionsansprüche der Berechtigten abge-sichert. Zudem erteilt das Unternehmen den Mitarbeitern seit 1978eine Ruhegeld-Zusage schon nach zehnjähriger Firmenzugehörigkeit.

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Die Henkel-Pension wird ergänzt durch eine Lebensversicherung, die1976 für neu eintretende Mitarbeiter der Henkel KGaA als Pflicht-versicherung eingerichtet wurde.22

Im Gegensatz zu anderen Unternehmen der Region gründete Henkelerst 1952 eine Betriebskrankenkasse (BKK). Bis dahin waren diegewerblich Beschäftigten überwiegend bei den lokalen AllgemeinenOrtskrankenkassen (AOK) versichert. Als aber zu Beginn der 1950erJahre die Vereinigung der bis dahin eigenständigen OrtskrankenkasseBenrath mit der „Mammutkasse Düsseldorf“ anstand, zeichnete sichfür die AOK Benrath, „die [...] zum großen Teil eigentlich nur durchdie Mitgliedschaft der Firma Henkel lebensfähig gehalten werdenkonnte“, ein erheblicher Einschnitt in der Beitrags- und Leistungsge-staltung ab: Nun drohten eine ausufernde Verwaltung und steigendeBeitragssätze, denen durch die Einrichtung der BetriebskrankenkasseHenkel entgegengewirkt werden sollte. Als Vorteile der BKK wurdendie „Nähe zur Basis“ und die im Vergleich zur Ortskrankenkassehöheren Leistungen bei gleichen Beiträgen genannt. Der Kosten-steigerung im Gesundheitswesen hoffte man zunächst durch Appellean die Solidarität der Versicherten entgegensteuern zu können, dochgehörten in der Folgezeit Beitragserhöhungen ebenso zur Geschäfts-politik der BKK Henkel wie Kostendämpfungsprogramme. Die Ein-richtung bestand jedoch die Feuertaufe: Als „Kind des Wirtschafts-wunders“ bewältigte sie Konjunkturkrisen und Gesundheitsreformenund bietet den Henkel-Beschäftigten sowie ihren Familien eine medi-zinische Rundumversorgung von der Krankenbetreuung bis zurGesundheitsvorsorge.23

Allerdings hinterließen Konzentrationsprozesse auch im betrieblichenGesundheitswesen ihre Spuren: Die BKK Henkel öffnete sich ab1994 für die Beschäftigten in den Verbundenen Unternehmen, und1999 verschmolzen die Henkel KGaA und die Schering AG ihreBetriebskrankenkassen zur BKK Chemie-Partner mit Hauptgeschäft-stellen in Düsseldorf und Berlin. Im Jahr 2000 öffnete sich die BKKChemie-Partner auch für externe Versicherungsnehmer.

22 Intern 7/1975.

23 K1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. Siehe dazu auch:Schöne, BetriebskrankenkasseHenkel, S. 13f.

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Familienpflege

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Die Familienpflege bildete schon früh ein Element der Henkel-Sozi-alpolitik. 1912 wurde die erste Fabrikschwester eingestellt, die nebender Versorgung von Unfallopfern mit der Familienfürsorge betrautwar. Kommerzienrat Fritz Henkel bat die Meister der Betriebe per-sönlich darum, der Schwester „die Tätigkeit im Werk nach Möglich-keit zu erleichtern“, weil die Firma „durch die Berichte der Kranken-schwester [...] einen besseren Einblick in die Familienverhältnisseihrer Arbeiter“ erhalte. Auf diese Weise könne etwa „bei der Zuwen-dung von Unterstützungen entweder durch Arbeit oder durch Barmit-tel eine gerechtere Auswahl getroffen werden“. „Hülfsbedürftige Leu-te“ konnten nämlich ihre missliche Lage auch durch zusätzlicheArbeiten verbessern, indem sie etwa zerrissene Soda-Säcke reparier-ten.24 Die erzieherische Intention der Fabrikpflege zeigte sich auchdarin, dass die Schwester durch das Fabrikkontor über die Bewilli-gung von Vorschüssen an die Arbeiter informiert wurde. Offensicht-lich sollte sie darauf achten, dass die Beschäftigten keine unnötigenAusgaben tätigten.25

Schwester Martha, die bei Henkel im April 1916 ihren Dienst alsFabrikschwester aufnahm, sah sich als Bindeglied zwischen demUnternehmen und den Arbeitnehmern ganz so, wie es auch „die Her-ren Henkel wünschen und worin wir einen großen sozialen Wertsehen“. Ihre Aufgabe lag darin, „den Arbeitern und Arbeiterinnen inihrer Tätigkeit und ihren Wohnungen die wichtigsten Grundsätze derHygiene zu vermitteln, um dadurch nach Kräften Krankheiten vorzu-beugen“. Im „Innendienst“ in den Fabrikbetrieben versah die Schwes-ter Sanitätsaufgaben und hielt Sprechstunden ab, während sie sich imAußendienst bei Hausbesuchen den häuslichen Nöten der Arbeiterfa-milien widmete. Auf dieser Grundlage konnte sie Barunterstützungenetwa bei Krankheit, in Notfällen „und insbesondere auch bei Zahner-satz“ gewähren.26 Die wachsende Bedeutung der Familienfürsorgespiegelt sich auch in der Zahl der Werkschwestern: Sie stieg bis 1935auf fünf Personen an.27

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der betrieblichen Fabrikpflege wardie Wöchnerinnen- und Kleinkinderfürsorge, die sich an den prakti-schen Bedürfnissen der werdenden und jungen Mütter orientierte undder Säuglingssterblichkeit entgegenwirken sollte: In Benrath unter-hielt die Fürsorgestelle eine „Anlaufstelle für Mütterberatung undArbeiterfürsorge“. Bis zu drei Monate lang stellte Henkel ab 1913Wanderkörbe mit einer Erstausstattung für Säuglinge sowie Bett- undLeibwäsche für die Mütter zur Verfügung. Die Überlassung vonLebensmitteln und Milchscheinen sollte ebenfalls die „häusliche[n]Sorgen“ der Arbeiter mildern. Bei Familienzuwachs konnte in denersten zehn Tagen die Verköstigung aus der Holthausener Werksküchein Anspruch genommen werden. Henkel unterstützte außerdem aufInitiative der Fabrikschwestern das Benrather Säuglingsheim, wo

24 J 105, Betriebs-Konferenz17.6.1912.

25 J 105, Betriebs-Konferenz,5.6.1917.

26 Schwester Martha, Arbeitsfür-sorge, in: BvH 3, 1916, S. 501.

27 BvH 15, 1935, S. 201.

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„besonders elende Säuglinge aus unseren Arbeiterfamilien“ Aufnah-me fanden. Dazu gehörten Kleinstkinder mit Mangelerscheinungenwie Skrofulose oder Rachitis, denen man Salzbäder und stärkendeMilchkuren verabreichte.28

Zum selben Zweck bot Henkel ab den 1920er Jahren Ferienaufent-halte für schwächliche Kinder an, die zwischen 1925 und 1935 vonmehr als 2.000 Kindern wahrgenommen wurden. Die fünf- bis sechs-wöchigen Ferienaufenthalte an der See oder im Gebirge wurden durchdie 1925 gegründete Kommerzienrat Fritz-Henkel-Stiftung für erho-lungsbedürftige Kinder finanziert, die der Firmengründer anlässlichseines 60-jährigen Kaufmannsjubiläums mit einem Betrag in Höhevon 250.000 Reichsmark eingerichtet hatte.29 Die Arbeit der Kinder-stiftung, deren Organisation wiederum der firmeneigenen Fürsorge-stelle oblag, gliederte sich in eine Reihe von Hauptaufgaben: die Kur-behandlung, die körperliche und „seelische“ Ertüchtigung, dieärztliche und erzieherische Beratung sowie die Belehrung über diegesundheitliche Lebensführung auf allen Gebieten.30

28 Schwester Martha, Arbeiter-fürsorge, in: BvH 3, 1916, S. 501.

29 K 214, Stiftungsurkunde vom31. März 1925

30 Siehe Helmut Wex, EinJahrzehnt Ertüchtigung unsererHenkel-Jugend, in: BvH 15,1935, S. 200–203. SchwesterUrsula Diesterweg, Von unserenFerienkindern, in: BvH 8, 1928,S. 372–376. Diesterweg, Vonunseren Ferienkindern. Jahres-bericht der Fritz-Henkel-Ferien-Wohlfahrtsstiftung, in: BvH 9,1929, S. 384–386.

Ergebnis der Kinder-Untersuchungen vom 1. April 1925 bis 1. April 1935

Quelle: Helmut Wex, EinJahrzehnt Ertüchtigung unsererHenkel-Jugend, in: BvH 15,1935, S.202.

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Unter dem Einfluss der NS-Sozialpolitik wurden Maßnahmen zurFamilienfürsorge, die zum Teil nach dem Ersten Weltkrieg zum Erlie-gen gekommen waren, wieder aufgenommen und verstärkt: Nach derEinrichtung einer Mütterberatungsstelle auf dem Werksgelände inDüsseldorf-Holthausen im Jahr 1933 folgte 1934 eine weitere in derKreuzstraße in der Düsseldorfer Innenstadt und 1935 die Eröffnungeiner Werkmütterschule. Offenbar befand sich die betriebliche Fami-lienpolitik von Henkel in dieser Zeit in vollem Einklang mit dennationalsozialistischen Überzeugungen von der „natürlichen Bestim-mung“ der Frau.

Von 1912 bis in den Ersten Weltkrieg hinein hatte Henkel bereits einewerkseigene Haushaltungsschule zur Aus- und Fortbildung von weib-lichen Beschäftigten unterhalten. Schon damals galt die „solideBetreuung“ des „heimischen Herdes“ durch die Hausfrau als einwichtiges Element zur Stabilisierung der teilweise noch recht unste-ten Arbeiterschaft. Die „Henkel-Mädchen“ absolvierten als angehen-de Hausfrauen einen viermonatigen Kursus, der während der Arbeits-zeit bei vollem Lohnausgleich stattfand. Das 1935 neu errichteteHaushalts-Institut bot einen Zusatzunterricht an, der von den Teilneh-merinnen, Henkel-Mitarbeiterinnen oder Ehefrauen von Werksange-hörigen, selbst gezahlt wurde.31

Auch über die Frauenpolitik hinaus gewann die Deutsche Arbeitsfront(DAF) nach 1933 Einfluss auf die betriebliche Sozialpolitik. 1941verlangte diese nationalsozialistische Betriebsorganisation die Bestel-lung einer „sozialen Betriebsarbeiterin“, die sich nicht nur mit derFamilienfürsorge, sondern auch mit der Betreuung der im Betrieb täti-gen Frauen beschäftigen sollte. Um den „Einfluß der DAF [...] auf einMindestmaß“ zu beschränken, ließ Henkel die Werksschwester Mar-garete Schuster „zur sozialen Betriebsarbeiterin“ ausbilden.32

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zeichnete sich ein erheblicherMangel an Arbeitskräften ab, so dass das Unternehmen versuchte, denVerlust an männlichen Beschäftigten durch die Einstellung weiblicherArbeitskräfte auszugleichen. Zur Entlastung der Frauen von ihrenfamiliären Aufgaben richtete Henkel 1940 den ersten Werkskinder-garten ein, weil insbesondere die im Krieg neu eingestellten Frauenüber Schwierigkeiten bei „der Unterbringung ihrer Kinder“ geklagthatten. Die ebenfalls von den Fürsorgeschwestern geleitete Einrich-tung nahm Kinder im Alter von zweieinhalb bis sechs Jahren auf.33

1951 wurde die Einrichtung als Gerda-Henkel-Kindergarten in neuenRäumlichkeiten auf dem Werksgelände wiedereröffnet. 1962 zog derKindergarten erneut um in ein externes Gebäude im Stadtteil Holt-hausen. 1997 übergab das Unternehmen im Zuge des Abbaus vonbetrieblichen Sozialmaßnahmen die Trägerschaft an der mittlerweilezur Kindertagesstätte erweiterten Einrichtung an die Arbeiterwohl-fahrt (AWO). Henkel hat allerdings ein Vorbelegungsrecht für Kindervon Henkel-Mitarbeitern.

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31 „Als erste im Reich: Wieder eine Mütterschule imHenkelwerk!“, in: BvH 15, 1935,S. 284–286.

32 „Hier spricht SchwesterMargarete über ihre Aufgaben“,in: Werkzeitung der Betriebsge-meinschaft Düsseldorf, Beilagezu BvH, Heft 3/4, 1941, S. 79.

33 J 105, Betriebsbesprechung,20.2. und 9.7.1940.

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1940 richtet Henkel denersten Werkskindergarten ein:

leuchtende Kinderaugen inder Adventszeit 1948

und 1962 (Mitte).

Kinder von Henkel-Mitarbeitern in der

„Mütterberatung“, 1925.

Rechts: Für Wöchnerinnenstellt die Firma ab 1913

Wanderkörbe mit Säuglings-, Bett- und

Leibwäsche.

In der Henkel-Mütterberatung wird in den1920er Jahren an Puppen

geübt (links).

Daneben: Spiele im Henkel-Kindergarten 1940

(Mitte) und 1951.

Dr. Hugo Henkel 1929 mitJubilarinnen und Jubilaren.

Der Menschim Mittelpunkt

Sozial verpflichtet

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Open Air auf dem Werks-gelände: Zum 100-jährigenStandort-Jubiläum inDüsseldorf-Holthausen 1999gibt es ein großes Fest füralle Mitarbeiter, ihre Familien und die Nachbarn,hier der Auftritt der KölnerGruppe Bläck Fööss.

Schlemmen an der „längstenTafel Holthausens“ beimJubiläumsfest 1999: Überdacht und geschmückterstreckt sich die Tischreiheüber 400 Meter auf derLöwenallee.

„Cognis-Tag“ am 9. September 2000 zumersten Geburtstag vonCognis: Mitarbeiter und ihreFamilien beim Auftritt desEntertainers Bernd Stelter.

Einkaufsgelegenheit fürMitarbeiter und Pensionäre:der Henkel Intern-Verkauf in Düsseldorf-Holthausennach dem Umbau imDezember 2000.

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34 A 5, Alte Henkelaner erzählen.

35 K 1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. Siehe etwa S. Miesen,Wohnraumnot – Schwerste Notunserer Tage. Die Wohnungsver-waltung im Kampfe gegen dasWohnungselend, in: BvH 29,1951, S. 98f.

Werkswohnungsbau

285

Der Werkswohnungsbau bildete mit der Verlagerung des Werks inden damals noch wenig besiedelten Düsseldorfer Vorort Holthausenein wichtiges Standbein der betrieblichen Sozialpolitik von Henkel.1899 entstand auf dem neuen Werksgelände gleich ein Wohngebäudefür Meister und technisches Personal. Ab 1911 betätigte sich Henkelim betrieblichen Wohnungsbau. Durch das Angebot von günstigemund nahegelegenem Wohnraum wollte das Unternehmen vor allemden Mangel an Arbeitskräften überwinden. Angesichts des steigendenZuwanderungspotentials im Großraum Düsseldorf gewann dieserFaktor vor dem Ersten Weltkrieg rasch an Bedeutung. Als Mitgliedder Gemeinnützigen Baugesellschaft Reisholz AG errichtete Henkelzwischen 1912 und 1915 allein im benachbarten Stadtteil Reisholzmehrere hundert Wohnungen, die ab 1923 um eine größere Anzahlwerkseigener Angestellten- und Arbeiterhäuser in Holthausen, Ben-rath und Düsseldorf ergänzt wurden.

Damit entstanden in der Nähe des Werkes – wie überall in den deut-schen Industrieregionen – sogenannte Arbeiterkolonien. Im Gegen-satz zu den uniform gehaltenen Kolonieanlagen waren die Angestell-ten-Häuser „nach eigenem Geschmack“ der Bewohner gestaltet. Dazuvergab Fritz Henkel an langjährige Angestellte, die einen „solidenLebenswandel“ aufwiesen, hypothekarische Darlehen mit geringemZinsfuß. Die Rückzahlungsmodalitäten überließ der Unternehmergroßzügig dem Darlehensnehmer, nicht ohne den Betreffenden anzu-weisen, „das Maul“ zu halten, „sonst kommen sie alle“.34

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bildete die Versorgung der Mitar-beiter und ihrer Familien mit Wohnraum eines der größten Personal-und Sozialprobleme. Angesichts der Kriegszerstörungen befasste sichdie eigens eingerichtete Henkel-Wohnungskommission nicht nur mitder Beschaffung von Wohnraum für die Beschäftigten, sondern auchmit der Wiederinstandsetzung von beschädigten Unterkünften durchdie Bereitstellung von Baumaterial und Glas. Nach der Errichtungvon sogenannten Behelfsheimen trat mit der Währungsreform 1948der Bau von weiteren Werkswohnungen in den Mittelpunkt. DerArchitekt Dr. Ernst Petersen, Schwiegersohn von Hugo Henkel, lie-ferte die Siedlungsentwürfe, die von der WohnungsbaugesellschaftReisholz realisiert wurden. Das 1949 eröffnete Siedlungsprojekt Reis-holz, eine vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Anlage, unter-stützte Henkel gemeinsam mit Reisholzer Betrieben wie der Stahl-und Röhren AG.35

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Die 1951 gegründete Wohnungsbaugesellschaft Holthausen trieb zwi-schen 1951 und 1966 den Werkswohnungsbau von Henkel weiter vor-an. In diese Gesellschaft floss rund 1 Million DM, die das Unterneh-men 1951 anlässlich des 70. Geburtstages von Hugo Henkel zurVerfügung gestellt hatte. Sie errichtete zum Beispiel 1953 die Woh-nungsanlage am Kamper Acker (Henkel-Siedlung I). Als der Werks-wohnungsbau bei Henkel gegen Mitte der 1950er Jahre aufgrund feh-lender öffentlicher Fördermittel weitgehend zum Erliegen kam, stiegdie Zahl der dringenden Wohnungsgesuche von Werksangehörigenbis zum November 1955 auf 371 an. Angesichts des nach wie vorbestehenden hohen Wohnungsbedarfs sollte die Firma nach Ansichtdes Beirates, „wenn ihr das möglich ist, auch in Zukunft noch helfen,bis der allgemeine Wohnungsmarkt soweit entlastet ist, dass es jedemMitarbeiter selbst möglich ist, sich eine Wohnung zu schaffen“.36 Dar-aufhin entstanden in Düsseldorf-Holthausen 1958 die Henkel-Sied-lung II am Elbroichpark und 1965 die Wohnblocks an der Nosthof-fenstraße und am Langen Weiher.

Die Wohnungsbeschaffung für Mitarbeiter spielte vor allem bis zurMitte der 1960er Jahre, als mit der Hochkonjunktur der Mangel anArbeitskräften seinen Höhepunkt erreichte, eine wichtige Rolle.Gemäß den sich wandelnden Ansprüchen der Beschäftigten an dieLage und Ausstattung der Wohnungen begann Henkel ab den frühen1960er Jahren mit Wohnungsbauaktivitäten „im Grünen“, wie etwa inden ländlichen Regionen der südlichen Düsseldorfer Nachbar-Gemeinden Monheim, Baumberg und Langenfeld.37

Neben dem Mietwohnungsbau förderte das Unternehmen erneut auchden Eigenheimbau von Werksangehörigen durch kleinere Baudarle-hen oder die Übernahme von Hypotheken.38 Nach der Währungsre-form stellte Henkel Darlehen bis zur Höhe von 5.000 DM zinslos zurVerfügung, so dass 1962 die von der Firma „in großzügiger Weisegewährten Darlehen [...] einen erheblichen Umfang angenommen hat-ten“. Da allerdings nun „von einer Notlage wie früher nicht mehrgesprochen werden“ konnte, vergab Henkel seither nur noch verzins-liche Darlehen, deren Zinssatz 1 Prozent über dem Diskontsatz lag.Die Antragsteller mussten ihre Darlehenswünsche begründen unddurch ihren direkten Vorgesetzten befürworten lassen.39 Im Rahmenvermögensbildender Maßnahmen („Hausbau mit Henkel“) wurden1978 insgesamt 120 Eigenheime auf Firmengelände in Monheimerrichtet und an interessierte Mitarbeiter verkauft. Als Finanzierungs-hilfe bot Henkel die zinslose Stundung des Grundstückspreises unddie Übernahmen der Erschließungskosten an.40

Unter dem Eindruck der konjunkturellen Schwächung und der rück-läufigen Beschäftigtenzahlen reduzierten deutsche Unternehmen abden 1970er Jahren ihre Werkswohnungsbauaktivitäten nachhaltig.Auch Henkel hat ab 1974 keine Werkswohnungen mehr errichtet.

36 Henkel &Cie GmbH, Beirat1949–1955, Ausführungen zurBeiratssitzung vom 1.12.1955.

37 Funktion Rechnungswesen,Persil Verwaltungsrat, Protokoll,16.11.1967.

38 Dr. Carl Heinz Winkler,Ergänzende Niederschrift überdie Beiratssitzung 21.9. und29.9.1948.

39 K1, Meisterbesprechung Nr. 1, 16.1.1962.

40 „Bauen mit Henkel“, in: Henkel-Blick 9/1978,Beilage.

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41 „Henkel verkauft Wohnungen“,in: Henkel-Blick 6/2000, S. 4.

42 Intern 6/1992, S. 21.

43 100 Jahre Holthausen, S. 77.

Zu den rund 600 Wohnungen aus der Vorkriegszeit waren nach demZweiten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre noch fast 2.000 hinzuge-kommen, so dass Henkel gegen Mitte der 1980er Jahre über einenWerkswohnungsbestand von rund 2.500 Einheiten verfügte. Ange-sichts der in den 1990er Jahren insgesamt nachlassenden Nachfragenach Werkswohnungen, die den Vorstellungen der Mitarbeiter häufignicht mehr entsprachen, baute das Unternehmen seinen Werkswoh-nungsbestand sukzessive ab.41

Bauprojekte befassten sich seither mit der Eigenheimförderung wie1993 beim Bauprojekt Kapeller Feld in Düsseldorf-Garath, wo dieAachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft 29 Einfamilienhäu-ser und 18 Eigentumswohnungen für Henkel-Mitarbeiter errichtete;die Grundstücke wurden in Erbpacht vergeben.42 Neue Wege imbetrieblichen Wohnungsbau beschritt das Unternehmen mit einerSeniorenwohnanlage im Holthausener Elbroichpark, die 1998 als „Dr.Konrad Henkel Wohnanlage“ für Henkel-Pensionäre und -Mitarbeiterab 55 Jahren eröffnet wurde.

1999 befanden sich noch rund 1.800 Häuser und Wohnungen inwerkseigenem Besitz oder wurden vom Unternehmen zum Eigen-tumserwerb der Mitarbeiter gefördert.43 Den firmeneigenen Bestandverringerte Henkel zum Jahresende 2000 drastisch durch Verkauf aneine Immobiliengesellschaft.

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BetrieblichesVorschlagswesen

44 K 183, Henkel & Cie, Ausden Anfängen des betrieblichenVorschlagwesens seit 1927;ebenda, Abteilung Unfall-verhütung, Adolf Kranenberg an Direktor Victor Funck u.a.,betrifft: Werksverbesserungs-Vorschläge, 22.6.1931.

45 J 105, Betriebskonferenz, Nr.13, 2.9.1958. K 183, OttoDrews, Personalabteilung fürArbeiter, Aktennotiz,17.11.1967.

46 Siehe auch Henkel KGaA(Hrsg.), VorschlagswesenHenkel. 50 Jahre bvw, Düssel-dorf 1992. Siehe zum betrieb-lichen Vorschlagswesen auch:„Es begann mit einem Schrubber“, in: Henkel-Blick6/1992, S. 11.

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Das betriebliche Vorschlagswesen, heute eine wichtige Quelle für dieunternehmerische Innovationstätigkeit, wurde in der zweiten Hälfteder 1920er Jahre mit Blick auf die Unfallverhütung eingeführt. Hen-kel begrüßte die Beteiligung der Mitarbeiter an der Unfallverhütung:Die Honorierung von Verbesserungsvorschlägen sei nicht nur wert-voll für das Werk, sondern gebe „der Belegschaft das Gefühl [...], dassjede Mitwirkung anerkannt wird“ und vermittele somit „Arbeitsfreu-de“. Daher wurde diese Praxis auch auf andere Gebiete wie Fertigung,Rationalisierung und Werkstättentechnik ausgeweitet. Das Vor-schlagswesen stieß nicht zuletzt aufgrund der damit verbundenen Prä-mienausschüttungen bei den Beschäftigten auf ein starkes Echo.Daher erschien es der Geschäftsleitung angesichts der Masse anZuschriften sinnvoll, „für diese Vorschläge, die Prüfung derselben etc.eine bestimmte Form vorzuschreiben und somit das Vorschlagswesenzu vereinheitlichen“. 1932 führte Henkel entsprechende Vordruckeein, um die Eingaben zu formalisieren. Die Vorschläge wurden denBetriebsleitungen, bei denen die Entscheidung über die praktischeAnwendbarkeit der Vorschläge lag, zur Begutachtung übermittelt.Ausschlaggebend für die Annahme eines Vorschlags und die Höhe derPrämie waren die praktische Ausführung der Eingabe.44

Die Anzahl der Eingänge schwankte von Jahr zu Jahr. Ob der in Aus-sicht gestellten Gratifikation trieb so mancher Vorschlag allerdingsseltsame Blüten: Ein Mitarbeiter bot beispielsweise Henkel seine neu-este Erfindung zur Weitervermarktung an: ein Universalreinigungs-mittel, mit dem man vom Schuhe- bis zum Zähneputzen alles machenkönne.45

Seit den 1970er Jahren entwickelte sich das betriebliche Vorschlags-wesen, heute Ideenmanagement Henkel genannt, zu einem wertvollenInnovationspool, so dass Prämienausschüttungen nun Beträge bis zu10.000 DM für einen Verbesserungsvorschlag erreichten. Hatte Hen-kel 1971 für 17 Vorschläge mehr als 17.000 DM gezahlt, so wurdenEnde der 1970er Jahre für 307 Vorschläge insgesamt 105.000 DMausgezahlt. In den 1990er Jahren hatten sich die Dimensionen erneutgewandelt: Als höchste Prämie wurde 1991 die Verbesserung derNietqualität bei der Tragegriffbefestigung von Waschmittel-Kartonsmit einem Betrag von 45.000 DM honoriert.46

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47 K 183, Stephan Zöllner,Ideenmanagement Henkel,26.01.2001.

Mitte der 1990er Jahre leitete Henkel die Entwicklung vom traditio-nellen „Betrieblichen Vorschlagswesen“ zum modernen „Ideenma-nagement“ ein, die von der Dezentralisierung des Bearbeitungsver-fahrens begleitet wurde. Im Rahmen dieses Verfahrens können dieMitarbeiter seit 1996 ihre Verbesserungsvorschläge direkt in ihremArbeitsumfeld bei einem „Ideenteam-Koordinator“ einreichen. Durchdieses System sowie verschiedene Prozessoptimierungen bis hin zueiner effizienten EDV-Unterstützung – unter dem Motto „schneller,schlanker, effizienter“ – konnten die Vorschlagszahlen seit 1995 mehrals verdoppelt werden. Das jährliche Einsparvolumen durch realisier-te Vorschläge übersteigt heute 5 Millionen DM; Henkel zahlt jährlichmehr als 1 Million DM Prämien an die Mitarbeiter aus.47

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Eingereichte Verbesserungsvorschläge in den Jahren 1942 bis 2000

Quelle: K 183.

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BetrieblicheFreizeitangebote

48 Siehe Werden und Wirken,1876–1926, S. 193f.

49 P. Mathieu, Aus unsererFabrik-Wohlfahrtspflege. Arbeitund Gesang, in: BvH 3, 1916,S. 498f.

50 BvH 9, 1929, S. 340 und373. Sowie „Drei Jahre Henkel-Orchester“, in: BvH 15, 1935, S. 497f.

51 Siehe etwa BvH 7, 1927 S. 21.

52 „Sportplatz Henkel“, in: BvH 7,1927, S. 193. „Die Einweihungdes Sportplatz Henkel“, in:ebenda, S. 198–201. Sieheauch „10 Jahre Henkel-Sport1927–1937“, in: BvH 17, 1937,S. 304–307.

53 BvH 7, 1927, S. 113 und193. Bericht des Vorstands überdas Geschäftsjahr 1937 derHenkel & Cie AG, Düsseldorf.290

Neben gesundheitlichen, materiellen und finanziellen Maßnahmen fürdie Beschäftigten maß die Unternehmensleitung dem betrieblichen Frei-zeitangebot eine hohe Bedeutung bei. Im Sinne einer Rundumbetreuunggalt es dabei, die Mitarbeiter den Gefahren von „Sozialismus und Alko-hol“ zu entziehen und zu einer positiven Arbeitsatmosphäre beizutragen.Fritz Henkel hatte dazu sein eigenes Rezept entwickelt, das sich unterdem Begriff „Arbeitsfreude“ zusammenfassen lässt. Da der Unterneh-mensgründer großen Wert darauf legte, „dass die Arbeit mit Frohsinn“verrichtet wurde, wurde dem Chorgesang im Werk eine hohe Aufmerk-samkeit gewidmet. Ein Gesanglehrer erteilte den Arbeiterinnen währendder Arbeitszeit wöchentlich eine Chorstunde, „damit sie Volks- oder ein-fache Kunstlieder bei der Arbeit in Gruppen singen können“.48 1908 gingaus dieser Initiative der Gesangverein der Henkel-Arbeiterinnen hervor,der an jedem Samstag eine Stunde probte. „Fast sämtliche Arbeiterin-nen“ der Henkel-Werke nahmen bis zum Ersten Weltkrieg daran teil.Nach anfänglichen Widerständen hatte sich nach Ansicht von ChorleiterMathieu „die Sangeslust von Jahr zu Jahr gehoben“. Im wesentlichenwurden Volkslieder einstudiert, während „die sogenannte moderneMusik, der leichte Operettengesang [...], der keinen tieferen Eindruck aufGeist und Gemüt auszuüben imstande ist“, außer Acht gelassen wurde.49

1926 gründeten die Angestellten einen Männerchor Henkel unter demProtektorat von Fritz Henkel jun., dem zwei Jahre später der Hen-kel’sche Frauenchor folgte. Den 1929 gegründeten Männergesangver-ein Henkel protegierte ab 1931 Direktor Viktor Funck. Ergänzt wur-den die Choraktivitäten durch das 1932 gegründete Werksorchester,bestehend aus Streich- und Blasorchester sowie einer Zupfmusik-gruppe, das auch bei Werksveranstaltungen aufspielte.50 Das Harmo-nie-Orchester Henkel sowie das 1946 neugegründete Männerquartett(„Henkel-Chor“) sind bis heute aktiv.

So wie ihr Vater dem Gesang eine große Bedeutung für das Betriebs-klima beimaß, engagierten sich die Söhne von Fritz Henkel auf sport-lichem Gebiet und regten den Bau von Turnhallen und Sportplätzen,die Gründung von betrieblichen Sportvereinigungen und die Abhal-tung von Wettkämpfen mit befreundeten Betrieben an.51 Zur Fußball-mannschaft, deren Ursprünge bis in das Jahr 1907 zurückreichten,kamen bald die Schwimm-, Schach-, Leichtathletik-, Frauengymnas-tik-, Hockey- und Wanderabteilungen hinzu. Nachdem 1911 die ersteTurn- und Spielanlage auf dem Werksgelände entstanden war, wurde1927 die Sportplatzanlage östlich der Hauptverwaltung an der damali-gen Heyestraße angelegt. Die im selben Jahr gegründete Sportvereini-gung Henkel wies „etwa 80 Kollegen als aktive und passive Mitglie-der“ auf.52 In den 1930er Jahren wurde das betriebliche Sportangebotweiter ausgebaut, zumal das Unternehmen davon ausging, „dass nurein gesunder Mensch mit Freude und Erfolg arbeiten kann“.53

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54 „Der Mensch im Betrieb.Förderung des Selbstbewusst-seins durch soziale undkulturelle Fürsorge – einMusterbeispiel: Die Henkel-Werke“, in: Drei Groschenblatt,8.7.1949. So auch KonradHenkel bei der Jubilarehrung1971, in: Henkel-Blick 1/1972,S. 4.

55 Verwaltungsrat Henkel GmbH,18.12.1972. „Ein Geschenk andie Stadt“, in: Henkel-Blick3/1973, S. 1. „Ein Freizeitzen-trum zum Geburtstag“, in:Henkel-Blick 7/1975, S. 1 und7. „Festival der Dreißigtausend“,in: Henkel-Blick 7/1976, S. 11und 13.

56 Verwaltungsrat Henkel GmbH,3.8.1972.

57 K 1, Dr. Hans Rüggeberg,Personalförderung als unterneh-merische und gesellschaftlicheAufgabe, 17.10.1975.

58 K 1, Kranenberg, Entwicklungdes Personal- und Sozialwesens,1970. Rudolf Tilly, Kultur undWerksgemeinschaft. Zugleichein Bericht über drei Jahrekultureller Arbeit in den Henkel-Werken, in: BvH 29, 1950,S. 309–314.

Die Werkssportaktivitäten wurden – wie auch der Werkschor – imZuge von Einsparungsmaßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg pri-vaten Vereinen übertragen, so zum Beispiel dem Verein für Sport undFreizeit von 1975 Düsseldorf-Süd e.V. (SFD ’75), der von Henkelgefördert wird.54

Anlässlich seines 100-jährigen Bestehens stiftete das Unternehmen1976 der Stadt Düsseldorf den Sportpark Niederheid, der den Bewoh-nern der südlichen Stadtteile und damit auch den Henkel-Mitarbeiternzugute kommen sollte.55 Die Anlage mit einer Fläche von 100.000Quadratmetern besteht aus Sport- und Tennisplätzen, einemSchwimmbad und einer Mehrzwecksporthalle56. Die auf dem Düssel-dorf-Holthausener Werksgelände vorhandenen Sporteinrichtungenwurden im Gegenzug in den 1990er Jahren geschlossen.

Neben der körperlichen Ertüchtigung legte Henkel auch ein Augen-merk auf das „geistige Wohlbefinden“ der Beschäftigten. Bereits vordem Ersten Weltkrieg existierte ein kulturelles Bildungsangebot, dasvor allem den Angestellten zur Verfügung stand. Dazu gehörte etwadie Vermittlung von vergünstigten Eintrittskarten für Kunst-Ausstel-lungen, eine Maßnahme, die nach dem Ersten Weltkrieg institutiona-lisiert wurde: „Um den Besuch von Bildungs- und Erholungsstättenwie Theater usw.“ zu fördern, erwarb die Firma „eine größere AnzahlDauerkarten auf eigene Rechnung und gibt die Eintrittskarten beiNachfrage einzeln unter Preis an die Angestellten ab“. Henkel über-nahm dabei rund 50 Prozent der Kosten. Zum Angebot des „Henkel-Kulturspiegels“ gehörten auch Filmvorstellungen im werkseigenenKinosaal oder der Besuch von Sportveranstaltungen.57

Die Werkskulturveranstaltungen, die auf Initiative von Jost Henkel inForm von Vorträgen und Konzerten 1943/44 im Werk veranstaltetworden waren, wurden nach 1945 reaktiviert. Die Kulturabteilungübernahm bis Anfang der 1990er Jahre die Zusammenstellung einesanspruchsvollen Programms mit Konzertveranstaltungen und Thea-tervorführungen, Dichterlesungen, Ausstellungen und Vorträgen imWerk Düsseldorf-Holthausen, das auf regen Zuspruch bei denBeschäftigten stieß. Heute hält die Abteilung Kultur und Sport einvielfältiges externes Freizeitangebot für Henkel-Mitarbeiter bereit.58

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Die Werksbücherei wurde als erste großbetriebliche Bildungs- undKultureinrichtung im April 1910 eröffnet. Mit 2.450 Bänden stand dieBibliothek zunächst dem Büropersonal und ab Ende des Jahres auchden Arbeitern und Arbeiterinnen unentgeltlich zur Verfügung. DieBücherei verzeichnete einen kontinuierlich steigenden Zulauf: Sowuchs die Anzahl der „Lesekonten“ von 85 im Mai 1910 auf 122 imApril 1911 und wies 1912 bereits 179 Nutzer auf. Zugleich hatte sichdie Zahl der Ausleihen von 6.505 im Jahr 1910 auf 13.008 im Jahr1915 mehr als verdoppelt, wobei die Angestellten weiterhin in derMehrheit blieben. Angesichts der anhaltenden „Leselust“ stieg derLiteraturbestand von 5.500 Bänden im September 1916 auf rund28.000 Bände im Jahr 1931 an. Aus der Bücherei ging die Literatur-Abteilung hervor, deren Wirkungskreis zu Beginn der 1930er Jahre mitWerksbücherei, chemischer und technischer Bibliothek, Patentabtei-lung sowie Werksarchiv weit über die reine Buchausleihe hinausging.59

Seit 2000 sind die Chemische Bibliothek und die Werksbibliothek ineinem Gebäude als Helmut-Sihler-Infocenter zusammengeführt.

Als „zeitgemäßes Bindemittel zwischen Angestellten und Geschäfts-leitung“ brachte Henkel 1914 seine erste Hauszeitschrift „Blätter vomHause“ heraus. Die Zeitschrift, die zunächst vierzehntägig in einerAuflage von 950 Exemplaren erschien und sich ausschließlich an dieAngestellten und Handlungsreisenden des Hauses Henkel wandte,stützte sich auf die drei Elemente „Belehrung, Gedankenaustausch,Unterhaltung“.60 Vor allem sollten die „Blätter vom Hause“ „[...] je-dem stets vor Augen führen, dass er das Glied einer lebendigen,lückenlosen Kette ist, [...] dass seine Interessen mit denen des Hausesunzertrennlich verknüpft sind“.61

Obwohl sich das Organ bereits ab 1927 inhaltlich den Maßstäbeneiner Werkzeitschrift für alle Beschäftigten annäherte, wurden die„Blätter vom Hause“ erst Anfang 1941 in eine „Monatsschrift derHenkel-Gruppe“ umgestaltet. Damit sollte die Zeitschrift zum „Spie-gelbild des Lebens in ihrer engeren Betriebsgemeinschaft“ werdenund das „Zusammengehörigkeitsgefühl der Gefolgschaft untereinan-der stärken“. Darüber hinaus unterrichteten die „Blätter vom Hause“fortan „über alle für die Henkel-Betriebe bedeutsamen Fragen [...],technische Vorgänge und Leistungen [...], Produktionsverfahren dereinzelnen Werke“ und zeigten „den Weg der betrieblichen Erzeug-nisse von Werk zu Werk bis zum Verbraucher“. Der damalige Henkel-Chef Werner Lüps entsprach damit einem „Wunsch des Presseamtesder DAF“, demgemäß die Unternehmen angehalten wurden, „von denkulturpolitischen Möglichkeiten der Werkzeitschriften [sic!] mehrGebrauch zu machen“.62 Der eigentliche Grund für das Ende der bis1940 herausgegebenen separaten Mitarbeiter-Information für die ein-zelnen Werke – zum Beispiel für Düsseldorf-Holthausen der „Henkel-Bote“ – und die Zusammenfassung zu einer ersten Gruppen-Zeit-schrift war der zunehmende Papiermangel während des ZweitenWeltkriegs.63

59 W. Münch, Die BüchereiHenkel in 25 Jahren, in: BvH 15,1935, S. 432-434. Siehe auchAlfred Schönbach, Aus der Weltdes Buches. Unsere Arbeithinter den Kulissen, in: BvH 11,1931, S. 393–398, hier 394.Das Archiv war 1926 anlässlichder 50-Jahr-Feier des Unterneh-mens auf Veranlassung FritzHenkels jun. als Abteilunggegründet worden. Er vertratdie Überzeugung, dass „in derheutigen Zeit, in der die BegriffeTempo und Sachlichkeit zuSchlagworten geworden sind,[...] man einen Augenblick derSelbstbesinnung und derErinnerung an die Tatsache[braucht], dass kein Mensch undkein Unternehmen aus sichselbst erwachsen kann, [...]“.Ebenda, S. 398. Siehe auchKarl Holtkamp, Im Archivunseres Werkes, in: BvH 13,1933, S. 412f. Sowie derselbe,Unsere Nachrichtenstelle, in:BvH 26, 1948, S. 93–96.

60 BvH 4, 1917, S. 277.

61 BvH 1, 1914, Editorial, S. 1.

62 BvH 21, 1941, S. 101 und136. Aus dem „Mitteilungsblattder Verkaufsleitung der Henkel& Cie AG“ wurde so die„Monatsschrift der Henkel-Gruppe“, die „durch ihren InhaltZeugnis ablegt von Arbeit undLeistung aller der Gruppeangeschlossenen Unternehmun-gen".

63 Siehe Zengerling, Mitwissen,Mitdenken, Mitarbeiten,S. 28–30 und 39.

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64 K 146, Betriebswirtschafts-stelle, Kranenberg, Rundschrei-ben vom 3.10.1931.

65 Henkel & Cie GmbH,Unterlagen für die Gesellschafter-versammlung, FabrikverwaltungKranenberg, Gefolgschafts- undSozialbericht der Fabrikverwal-tung über das Jahr 1939.

Der internen Informationspolitik dienten auch die Werksfilme, die„alle besonderen Ereignisse“ wie einzelne Bauabschnitte bei Neu-und Umbauten, die Inbetriebnahme von Neuanlagen oder die Stillle-gung älterer Betriebsanlagen, die Einführung neuer Arbeitsverfahrenoder Jubilarfeiern auf Celluloid festhielten. Diese Aufnahmen wurdeneinmal wöchentlich bei der „aktuelle[n] Henkel-Schau“ gezeigt, diedie Düsseldorfer Werksangehörigen „über das gesamte Werksgesche-hen“ unterrichten und so zu einer „lebhafte[n] Interessierung der gan-zen Belegschaft“ beitragen sollte.64 Nach 1933 wurden die Filmver-anstaltungen, die sich im Rahmen der NS-Propaganda gutinstrumentalisieren ließen, durch die NS-Organisation Kraft durchFreude (KdF) ausgebaut: Im Werk fanden wöchentlich bis zu zweiVeranstaltungen statt; darunter befand sich die Filmvorführung amDienstag, bei der „stets die neueste Wochenschau und ein großerSpielfilm gezeigt“ wurden.65

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Der Menschim MittelpunktKultur und Sport

1910 richtet Henkel eineWerksbücherei für alleMitarbeiter ein, damals„Literaturstelle“ genannt, mit anfangs 2.450 Bänden.

Rechts: Das 1931 eröffneteDr.-Hugo-Henkel-Schwimm-bad ist jahrzehntelang einbeliebter Treffpunkt derFreizeitsportler.

Eine der ältesten Mitarbeiterzeitschriften in Deutschland: die „Blätter vom Hause“,erstmals im September1914 erschienen.

Rechts: Henkel-Sportlerinnen 1936.

In direkter Nachbarschaftzum Düsseldorfer Werk: die Schrebergärten fürHenkelaner, Foto von 1954(ganz links).

Daneben: Turnerinnen imdamals populären Rhönrad,1939, und eine Laufgruppein den 1970er Jahren.

Unten: SFD-Sportlerinnenbeim 25-jährigen Jubiläumdes Sportparks Niederheid,2001.

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Aus Anlass des 100-jährigenFirmenjubiläums schenkt

Henkel 1976 der StadtDüsseldorf den Sportpark

Niederheid.

Rechts: Schachturnier inNiederheid beim 25-jährigen

Jubiläum im Juni 2001.

Oben und unten links: Das neu eingerichtete

Helmut-Sihler-Infocenter inDüsseldorf-Holthausen

vereinigt Werksbibliothekund Chemische Bibliothek.

Rechts oben und unten:Fortbildung im BereichSteuerungstechnik und

PC-Seminar in Düsseldorf-Holthausen, 2000.

Aktiv im Alter: Modelleisenbahn-Gruppe

der Gemeinschaft derHenkel-Pensionäre, 2000.

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Industrielle Beziehungenzwischen Weimarer Republik und

Nationalsozialismus

66 K 2, Ein Programm sozialpoli-tischer Arbeit bei Henkel & Cie,1932.

67 BvH 13, 1933, S. 400.

68 J 105, Betriebsbesprechun-gen, etwa vom 6.10.1936 und25.4.1939. K 1, Kranenberg,Entwicklung des Personal- undSozialwesens, 1970, S. 42.„Der 1. Mai in den Henkelwerken.Unser Ziel: Vorwärts!“, in: BvH13, 1933, S. 178–183. Sieheauch im selben JahrgangsbandFriedrich Glum, Die geistigeAuseinandersetzung mit dernationalsozialistischen Revolu-tion, S. 374–377.

69 J 10, Henkel & Co, Muster-Betriebe, 23.11.1933. „Mai-Geist– Henkel-Geist. Bericht über denFeiertag der nationalen Arbeit inden Henkelwerken Düsseldorfund Genthin“, in: BvH 14, 1934,S. 218–226. So Hugo Henkelanlässlich der Feierstunde fürdie Werks-Jubilare des Jahres1934, in: BvH 14, 1934, S. 284. „Unser Fest in Zons, 8. September 1934. Ein Festals soziale Tat“, in: BvH 14,1934, S. 355–382. Siehe dieAufnahmen in: BvH 18, 1938, S. 348–357. „Weihnachten imHenkel-Reich“, in: BvH 19, 1939,S. 102–106. So auch JostHenkel auf der Feier „unsererJubilare 1941“, in: Werkzeit-schrift der BetriebsgemeinschaftDüsseldorf, Beilage zu Heft 5der BvH 21, 1941, S. 84.296

Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden betriebliche Sozialeinrichtungenin der Öffentlichkeit einerseits häufig als „mustergültig“ dargestellt.Andererseits wurden sie insbesondere von Gewerkschaftsseite heftigkritisiert, da sie die Beschäftigten der Arbeiterbewegung zu entfrem-den drohten. Mit Hilfe der „Werksgemeinschaftsidee“ hatten Unter-nehmen nach dem Ersten Weltkrieg versucht, die sozialen Spannun-gen in den Betrieben und die Gegensätze von Kapital und Arbeitzugunsten einer „Arbeitsfreundschaft“ zu überwinden. So fußte dieKooperation zwischen Geschäftsleitung und Beschäftigten, wie siesich etwa in der Gründung von Werkvereinen niederschlug, nicht aufder Grundlage moderner Mitbestimmung, sondern war Ausdruckeines patriarchalischen Vertrauensverhältnisses.

Die Nationalsozialisten machten sich diese Ideen nach 1933 durch dieImplementierung der „Betriebsgemeinschaftsidee“ zunutze, indemsie die Betriebsverfassung nach dem Führer- und Gefolgschaftsprin-zip unter Abschaffung betrieblicher Mitbestimmungsorgane umstruk-turierten. Unmittelbar war damit auch die Einführung arbeitswissen-schaftlicher Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsleistung und zumErhalt der Arbeitskraft verbunden. Die Verbesserung des Arbeitsum-feldes durch Lärmschutzmaßnahmen und Belüftungseinrichtungennach den Vorstellungen des NS-Amtes „Schönheit der Arbeit“ zieltendarauf, bei den Beschäftigten die „größte[r] innere[r] Anteilnahmeund höchste[r] Arbeitsfreude“ zu erwecken. Für die Unternehmerwaren derartige Maßnahmen, mit denen dem „Klassenkampf zumsozialen Frieden“ verholfen werden sollte, altbekannte Konzepte.66

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zeigte sich auchHenkel bereits zum 1. Mai 1933 „gleichgeschaltet“: Die Persilwerkeverstanden sich selbst als „angewandter Nationalsozialismus“.67 Dasanlässlich des „Deutschen Tags der Arbeit“ veranstaltete Werksfestwurde 1934 erstmals im linksrheinischen Zons und in den folgendenJahren „in Verbindung mit der NS-Gemeinschaft KdF“ auf dem Düs-seldorfer Volksgartengelände durchgeführt.68 Diese Veranstaltungsollte das „Bild der Harmonie und Zusammengehörigkeit zwischenArbeitgeber und Arbeitnehmer“ unterstreichen und wurde getragen„von dem Gedanken, dass nur dort gedeihliche Arbeit bestehen kann,wo von Seiten der Geschäftsleitung für das Wohlergehen der Ange-stellten und Arbeiter Interesse und tätige Fürsorge vorhanden ist“.69

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70 „Wir marschieren mit [...]“, in:BvH 18, 1938, S. 318–320.Siehe BvH 20, 1940, Heft 8.BvH 21, 1941, S. 65.

Nachdem Henkel Ende 1937 mit dem Leistungsabzeichen der Deut-schen Arbeitsfront (DAF) als anerkannte Berufserziehungsstätte aus-gezeichnet worden war, wurde dem Unternehmen am 1. Mai 1939 dasGaudiplom für hervorragende Leistungen im Bereich der Volksge-sundheit sowie der Förderung der NS-Kultur- und Freizeitorganisa-tion Kraft durch Freude (KdF) verliehen. Die Auszeichnung zum sogenannten NS-Musterbetrieb stand jedoch noch bis zum Mai 1940aus. NS-Musterbetriebe, die seit 1936 prämiert wurden, zeichnetensich durch soziale, technische und kaufmännische Leistungen im Sin-ne des nationalsozialistischen Regimes aus. Dazu gehörten Aspektewie „Qualitätsarbeit, die sparsame Verwendung der Rohstoffe, derEinsatz für den Vierjahresplan, der kaufmännische Wagemut usw.[...]“ Doch „im Vordergrund steht vor allen Dingen der deutscheMensch, der in den Betrieben arbeitet. Für ihn zu sorgen, ihn zu för-dern [...]“ bildete den vorrangigen Antrieb der NS-Musterbetriebe.Die enge Verquickung zwischen Nationalsozialismus und betrieb-licher Sozialpolitik zeigt sich in der Tatsache, dass neben betrieb-lichen Eigeninitiativen auch eine Vielzahl an staatlich initiierten Sozi-almaßnahmen in den Betrieben Einzug hielt. Über die materielleSituation der Belegschaft hinaus erschienen „der Geist der Betriebs-gemeinschaft“, „ihre „kämpferische Haltung und Einsatzbereitschaftfür den Nationalsozialismus“ sowie „die innere Bindung von Menschzu Mensch“ als herausragendes Kennzeichen der Musterbetriebe.70

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Die allgemeine Entwicklung derbetrieblichen Sozialpolitik bei

Henkel nach dem Zweiten Weltkrieg

71 K 1, Bericht über die 13.Zusammenkunft des Studienkrei-ses Henkel, 12.05.1960,Referat des Personalleiters Dr.Carl-Heinz Winkler. Siehe dazuals Zäsur den sogenanntenPaulssen-Flender-Brief, derAnfang der 1960er Jahre vomAusschuss für Soziale Betriebs-gestaltung bei der Bundesverei-nigung der Deutschen Arbeitge-berverbände ausgearbeitetwurde. Ernst Heissmann, DerPaulssen-Flender-Brief, in: DerVolkswirt 43, 25.10.1963, S.2427f. Vgl. aber auch DietmarGottschall, Geschenke, die sichbezahlt machen, in: Personal-Management 9/1974, S.107–113, zu einer Motivations-studie des Henkel-Betriebspsy-chologen Peter Friederichs, dieSicherheitsbedürfnis, Karriere-streben und Selbstverwirklichungsowie den Wunsch nachsozialen Beziehungen vonSozialleistungen bedient sieht.

72 K 1, „Wie macht manPersonalpolitik bei Henkel?“ In:Personalwirtschaft 11, 1978, S. 365–368, hier S. 365.

73 A 26, Der Unternehmens-zweck für die Henkel GmbH,Fassung vom 1.8.1969.

74 Siehe auch Adolf Kranenberg,Nachwuchspflege in derchemischen Industrie amBeispiel der Henkel & CieGmbH, Düsseldorf, in: BvH 22,1942, S. 54–61, „50 JahreBerufsausbildung bei Henkel. EinKapitel Werksgeschichte“, in:Henkel-Blick 11/1975, S. 1 und5. Siehe zuletzt auch dieBroschüre 75 Jahre Ausbildungbei Henkel (= Schriften desHenkel-Archivs, Sonderband 3),Düsseldorf 2000.

75 „Wer für den Betrieb spart,spart für sich“, in: BvH 14,1934, S. 195.

76 „Alle Erwartungen weitübertroffen“, in: Henkel-Blick11/1979, Beilage.

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Die Kritik an der betrieblichen Sozialpolitik nahm nach dem Zwei-ten Weltkrieg zu: Die Vorwürfe reichten von „vorenthaltenem Lohn“bis hin zu „überflüssigem Sozialklimbim“, so dass sich die Unterneh-men zur Überprüfung ihrer betrieblichen Sozialleistungen veranlasstsahen. Die an einem patriarchalischen Verständnis orientierten Sozi-almaßnahmen wichen nun einer den modernen Bedürfnissen derGegenwart angepassten Sozialpolitik, die der Selbstverantwortungund Eigenständigkeit der Mitarbeiter eine höhere Bedeutung zumaß.71

Zu den „alte(n) Zöpfen“, denen sich Henkel in Düsseldorf-Holthau-sen entledigte, gehörten zum Beispiel die Mütterberatung, oder dervon 1943 bis in die 1980er Jahre auf dem Werksgelände ansässigeselbständige Friseur.72

Als unverzichtbar galten dagegen weiterhin die betriebliche Alters-versorgung, die gesundheitliche Betreuung, die Arbeitssicherheitsowie die Aus- und Fortbildung.73 Die betriebliche Bildungsarbeit,deren Anfänge bis in das Jahr 1925 zurückreichen, als eine Lehr-lingswerkstatt zur Ausbildung von Metallfacharbeitern eingerichtetwurde, erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg einen besonderen Stellen-wert. Seit 1967 sind in Düsseldorf-Holthausen alle Bildungs- undAusbildungseinrichtungen von Henkel im Jost-Henkel-Ausbildungs-zentrum zusammengefasst.74

Auch die Tradition der betrieblichen Spareinrichtungen wurde nachdem Zweiten Weltkrieg fortgeführt und weiterentwickelt. Bereits1934 hatte Henkel mit dem Betriebssparen erste vermögensbildendeMaßnahmen aufgenommen.75 Seit den 1970er Jahren bietet dasUnternehmen eine breite Angebotspalette zur Vermögensanlage: 1979wandelte Henkel das sogenannte Familiengeld in Personalobligatio-nen um und gab für 7,6 Millionen DM zusätzlich Obligationen aus.Auch mit den ebenfalls 1979 eingeführten Henkel-Vermögensbriefen,die durch ihren vergleichsweise hohen Zinssatz besonders attraktivwaren, beteiligte Henkel die Mitarbeiter am Unternehmenskapital.76

Die betriebliche Sozialpolitik dokumentiert den Wandel der Schwer-punkte und Ziele, die von der Unternehmensleitung seit dem ausge-henden 19. Jahrhundert verfolgt wurden. Nach den Erfahrungen desDritten Reichs löste sich das Unternehmen erst allmählich – unterdem Einfluss von Politik und Öffentlichkeit – von seinen traditionel-len Denkmustern und wandte sich einer modernen, partnerschaftlichorientierten Sozialpolitik zu.

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77 Siehe dazu Henkel KGaA,Leitbild – Grundsätze – Strate-gie, Düsseldorf o.J. [1994].Auch das Interview mit demdamaligen Vorsitzenden derGeschäftsführung, Hans-DietrichWinkhaus: „Wir wissen, was wirwollen“, in: Henkel-Blick9/1994, S. 3.

78 J 105, Betriebs-Konferenz,27.11. und 15.12.1914. Sieheauch „Die Weihnachtsfeier in derFabrik“, in: BvH 3, 1916, S. 5:1915 nahmen rund 2.800Personen an der Werksweih-nachtsfeier teil. BvH 11, 1931,S. 119. Der Reisestab wurde alsAushängeschild der Firmabesonders auf die Ziele desUnternehmens eingeschworen.Auf den Weihnachtsessen wurdedurch Reden und AnekdotenGemeinschaftsgeist geschürt,der die Zusammenkunft für dieBeteiligten zum „Familientag“werden ließ. „Durch Freude zurKraft. Bericht über die Weih-nachtskonferenzen amAbschluss des Geschäftsjahres1933“, in: BvH 14, 1934, S. 35.Siehe dazu zum Beispiel dieSchilderung für 1926 in: BvH 7,1927, S. 5–7. Ebenso „Weih-nachten bei Henkel“, in: BvH 8,1928, S. 2–8.

79 „Weihnachten bei Henkel“, in: BvH 8, 1928, S. 6. Darinagierten Fritz Henkel jun. alsKönigssohn und Direktor OskarReich als Kanzler des Königs im„Lande Persilia“: „Wie der alteKönig seinem Volke ein Festbereitete. Ein modernesWeihnachtsmärchen“, in: BvH 9,1929, S. 2–8. K 1, Kranenberg,Entwicklung des Personal- undSozialwesens, 1970.

Zur Geschichteder Unternehmenskultur

des Hauses Henkel

299

Die Kultur gilt heute als eine der wichtigsten Determinanten bei derBeeinflussung des Erfolgs von Unternehmen. Sie trägt dazu bei, dieIdentifikation von Mitarbeitern, Partnern und Kunden zu stärken. ImZeitalter der Globalisierung, in dem Unternehmen unter unterschied-lichsten Marktbedingungen agieren und sich zwischen den verschie-densten soziokulturellen Umfeldern bewegen, kann die Unterneh-menskultur wie ein einigendes Band wirken. Daher entstanden beiHenkel weltweit einheitliche Grundprinzipien, die für jeden Mitarbei-ter verbindlich sind. Das im Jahr 1994 erstmals formulierte Unter-nehmensleitbild gilt „als internes Grundgesetz des Unternehmens“und dokumentiert das Selbstverständnis, die Werte und die Ziele derHenkel-Gruppe. Im Zentrum stehen die sechs handlungsleitendenKernkompetenzen des Unternehmens: eine innovative, anwendungs-orientierte Forschung und Entwicklung, der weltweite Rohstoffver-bund, die Kundenbindung, die Umweltorientierung, die Internationa-lität und die Allianzfähigkeit.77

Henkel verfügt über eine gewachsene Tradition, die den jeweiligenZeiterfordernissen entsprechend angepasst und weiterentwickelt wur-de: Die philanthropische Grundeinstellung des Unternehmensgrün-ders hatte sich im wesentlichen in seinem Bemühen gezeigt, dieBeschäftigten zu einer „Werksfamilie“ zusammenzuschweißen. DieseEinstellung wurde auch von seinen Söhnen und Enkeln aufrechterhal-ten: „Bei Henkel gibt es zwar verschiedene Abteilungen nach außenhin, im Innern gehören wir zusammen [...] Ob Persil-, Leim- oder P3-Kollegen, wir gehören alle zu der großen Henkel-Familie [...].“ Daspatriarchalisch geprägte Verhältnis zwischen dem Gründer, seinenSöhnen und der Werksbelegschaft zeigte sich beispielsweise vor demErsten Weltkrieg bei den Weihnachtsfeiern für die Belegschaften, denalljährlichen Weihnachtsessen für den Reisestab oder im Umgang mitWerksjubilaren.78 Noch 1928 wandte sich der damals 80-jährige FritzHenkel sen. in einer Ansprache „an die große Schar seiner getreuenKinder“; und die „Blätter vom Hause“ persiflierten 1929 unter demTitel „Wie der alte König seinem Volke ein Fest bereitete“ die Wohl-taten des Prinzipals für seine „Werksuntergebenen“.79

Die historisch gewachsene Unternehmenskultur wurde bis zum Zwei-ten Weltkrieg vor allem durch den Außendienst tradiert. Nach Auffas-sung des Firmengründers sollte jeder Reisende „etwas von derGeschichte seiner Firma wissen“: nämlich „wann und von wemgegründet; Entwicklung; die führenden Persönlichkeiten“. Geschich-te und gemeinsame Erinnerungen schufen eine Vertrauensbasis undermöglichten dem Reisenden, „mit allen Kunden, welche schon seitvielen Jahren mit der Firma in Geschäftsverbindungen stehen, intimer

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zu plaudern und Erinnerungen aufzufrischen“, denn „ohne Kenntnisdes Gewesenen verliert er bei vielen Kunden einen wertvollen Berüh-rungspunkt“.80

Auch intern verlieh die historische Kenntnis dem einzelnen Mitarbei-ter „ein Gefühl von ‚Zugehörigkeit‘ zu der Firma, wenn er deren Ent-stehen und Werden kennt“. Gefördert wurde dieses Empfinden durchentsprechende Identifikationsfiguren, zu denen an erster Stelle FritzHenkel sen. sowie seine Söhne Fritz und Hugo zählten, denn „ohneden ‚alten Herrn' und die anderen Hauptpersönlichkeiten der Firma –wenigstens ihrem Ruf nach – zu kennen, wird er [der Mitarbeiter] sichnicht als einen ‚Teil' der Firma fühlen und darum auch seinen Kundengegenüber nicht als integrierender Bestandteil des Hauses erschei-nen“.81 Daher wurde der „Alte Herr“ in den „Blättern vom Hause“schon früh als Leitfigur „aufgebaut“. 1927 erschien beispielsweise einBericht über Vöhl, die „Heimat unseres ‚alten Herrn‘“, oder 1929„eine familienkundliche Herbstfahrt nach Wallau und Vöhl“.82

Angesichts dieser Tradition differieren die heutigen Auffassungenüber die Existenz einer gewachsenen, familiengeprägten Unterneh-menskultur, die in den Quellen oft als „Henkel-Geist“ bezeichnetwird. Konrad Henkel hat in seinen Äußerungen nie Zweifel an derExistenz einer gemeinsamen Corporate Identity gelassen: „Der Hen-kel-Geist stand und steht auch heute noch für lebendiges Unterneh-mertum und damit für die Fähigkeit der Firma und ihrer Mitarbeiter,sich gemeinsam zu wandeln. [...] In einem solchen Dreieck – Firma,Familie, Mitarbeiter – konnte ein spezifisches Klima des Miteinander-Umgehens entstehen.“ Damit war ein Führungsstil gemeint, der „inerster Linie [...] Offenheit, Vertrauen und freundschaftliches kollegia-les Miteinander sowie [...] praktizierte faire Partnerschaft auf allenEbenen des Unternehmens“ umfasste. Auch Familienvertreter dervierten Generation wie Albrecht Woeste, Dr. Jürgen Manchot undChristoph Henkel betonen die Bindung und Präsenz der Familie alsIdentifikationsmerkmal für die Öffentlichkeit wie auch für dieBeschäftigten.83

Helmut Sihler und Hans-Dietrich Winkhaus sehen den „Henkel-Geist“ einem Wandlungsprozess unterworfen: einerseits durch dieEntwicklungen der gesellschaftlichen Bedingungen in Deutschland,andererseits durch die Internationalisierung der Henkel-Gruppe, diedie Identifikation mit den „alten Werten“ für ausländische undbesonders überseeische „Henkelaner“ erschwere.84

80 Russell Vogt, WelcheEinzelkenntnisse kommen fürden Reisevertreter in Frage? In: BvH 7, 1927, S. 46f.

81 Ebenda, S. 47.

82 August Lomberg, Vöhl. Bilderaus der Heimat unseres „altenHerrn“, in: BvH 7, 1927, S.167–170. Alfred Schönbach,Eine familienkundliche Herbst-fahrt nach Wallau und Vöhl, in:BvH 9, 1929, S. 68–71,101–104. Fritz Henkel war imhessischen Vöhl geboren; seineVorfahren stammten aus Wallau,ebenfalls in Hessen.

83 Interview mit Konrad Henkel:„Führen durch Überzeugen“, Konrad Henkel spezial, Beilage zum Henkel-Blick,25.10.1995, S. 3. Nachruf zumTode Konrad Henkels, in:Beilage zum Henkel-Blick 1999,S. 7. Henkel-Blick 2/1991, S. 4. A 373, Christoph Henkel, VortragIMD, Stockholm 17.9.1999.Demnach verfügt die Familieüber wichtige Einflussmöglich-keiten auf die Gestaltung derCorporate Identity sowieUnternehmensmission, -prinzipien und -strategien.

84 „Tempo ist angesagt“, in:Henkel-Blick 7/1992, S. 5. „Offengesagt ...“, in: Henkel-Blick4/1992, S. 5. Vgl. aber InterviewHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 18: „Stabilitätseitens der Familie [...] istbestimmt auch etwas, was auchkulturprägend ist. Das gehörtdazu, dass man sich [...] als Teileines Kontinuums versteht [...].“300

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85 Intern 7/1991.

86 „ ,Schneller, kreativer,innovativer‘. Hans-DietrichWinkhaus zu den Aufgaben undPerspektiven des Unterneh-mens“, in: Henkel-Blick 1/1993,S. 3.

87 „Tempo ist angesagt“, in:Henkel-Blick 7/1992, S. 5.

88 „Offen gesagt ...“, in: Henkel-Blick 4/1992, S. 5. Vgl. dazuKonrad Henkel, „Führen durchÜberzeugen“, in: Henkel-BlickSpezial 10/1995, S. 3. Dochhabe sich, so bemängelten dieTeilnehmer am „Runden Tisch“,„trotz der Kultur-Evolution [...]der Führungsstil nicht geändert".

89 Siehe etwa „Henkel imAufwind“, in: Henkel-Blick4/1997, S. 1.

90 So die PR-Kampagne„Science + Soul“, die Henkel1999 zuerst in Japan, den USAund Brasilien startete.

Auch Henkel-Mitarbeiter warfen der Geschäftsführung die Bedro-hung der gewachsenen Kultur durch die Personalpolitik der 1990erJahre vor, durch die „Quereinsteigern“ bessere Aufstiegschancen ein-geräumt werde als den Mitarbeitern, die „hier aufwachsen“. Dagegensetzte das Henkel-Personalmanagement innovative Konzepte zurTransformation des „Henkel-Geistes“ in eine von diesem Geist her-geleitete „Wertegemeinschaft“: Die von Personal-Vorstand Dr.Roland Schulz zu Beginn der 1990er Jahre initiierte „Kultur-Evolu-tion“ konzentrierte sich auf die Bereiche Führungskultur, Führungs-und Mitarbeiterinformation, Internationalisierung und ManagementDevelopment.85 Dabei ging es auch darum, erstarrte Strukturen durchden Abbau von Hierarchien, durch eine leistungsgerechte und indivi-duelle Förderung der Mitarbeiter sowie durch eine bessere Informa-tionspolitik aufzubrechen.86

Das Hauptziel dieser „Kultur-Evolution“ lag in der Motivation derBeschäftigten durch eine offenere Führung, selbständigeres Arbeitenund die Delegation von Verantwortung.87 Zur Verbesserung der Kom-munikation zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten fandenab 1992 erstmals am „Runden Tisch“ Gespräche zwischen einem Mit-glied der Geschäftsführung und Mitarbeitern statt. Jeweils 20 bis 30Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Arbeitsbereichen nahmenan diesen Round-table-Sitzungen teil, die ohne Tagesordnung, Pro-gramm oder vorformulierte Fragen verliefen. Dabei ging es zum Bei-spiel um Kritik an der Informationspolitik von Vorgesetzten, dieInhalte von Job-Rotationen, die geringen Aufstiegsmöglichkeiten fürFrauen und den Mangel an Teilzeitmöglichkeiten.88

Das Selbstverständnis der Henkel-Gruppe wird zu Beginn des 21.Jahrhunderts zunehmend durch die Globalisierung beeinflusst.89 Dieoffene Familiengesellschaft befindet sich – erkennbar geworden durch die Ausgliederung des Unternehmensbereichs Chemieprodukte1999 sowie durch die Zusammenführung des Gemeinschaftsunter-nehmens Henkel-Ecolab mit Ecolab Inc. ab 2002 – in einer Phase desUmbruchs und Wandels. Trotz oder gerade wegen dieses Wandels istes wichtig, sich auf gemeinsame Grundwerte berufen zu können. Sohat Albrecht Woeste bei mehreren Gelegenheiten betont, „dass sichder Wunsch der Familie, das Unternehmen unternehmerisch zubegleiten, nicht nur auf die Strategie, sondern eben auch auf denErhalt einer Wertegemeinschaft bezieht“. Ein Wunsch, den auch diejüngste Dachmarken-Kampagne „Science + Soul“ zum Ausdruckbrachte, in der die Werte von Henkel – unter anderem die „Verbin-dung von Wissen und Gespür, von Rationalität und Emotion, vonBodenständigkeit und dem Mut zur Vision“ – in Anzeigenmotiveumgesetzt wurden.90

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Innovations-Kongress „Open Space 21“ desUnternehmensbereichsWasch-/Reinigungsmittel:Sport macht den Kopf freifür innovative Ideen, 2000.

Zeit für offene Gespräche:Mitarbeiter diskutieren ab1992 am „Runden Tisch“ mit Mitgliedern derGeschäftsführung.

Henkel-Mitarbeiter auf demWeg zur Belegschafts-versammlung, März 1999.

Diskussion während einerMeisterkonferenz in Düsseldorf-Holthausen,2001.

Der Menschim Mittelpunkt

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DasAuslandsgeschäft:

Henkelauf dem Weg zum

Global Player

X

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In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens wurde das Unternehmendurch die Entwicklung der Geschäfte im Deutschen Reich geprägt,aber bereits frühzeitig erkannte Fritz Henkel Chancen und Bedeutungeiner Geschäftsausweitung über die Landesgrenzen hinaus. SeineAuslandskorrespondenz aus den 1880er und frühen 1890er Jahrenzeigt, wie großzügig der Firmengründer von Anfang an sein Geschäftkonzipiert hatte.

Schon ab 1878 verkaufte Henkel seine Waschmittel im Ausland. AmAnfang waren dies noch Verkäufe, die sich aus dem Interesse an demneuen und erfolgreichen Produkt Henkel’s Bleich-Soda wie von selbstergaben. Bald jedoch übernahmen firmeneigene Außendienst-Mitar-beiter, die so genannten Reisenden, eine gezieltere Vertriebstätigkeit.Parallel dazu schloss Henkel Verträge mit ausländischen Firmen ab,die die Erzeugnisse aus Düsseldorf importierten und auf den jeweili-gen Markt brachten.

Fritz Henkel wusste, dass Exporte die Möglichkeit eröffneten, überden begrenzten deutschen Markt hinaus zu wachsen und das Absatz-volumen zugunsten der Kapazitätsauslastung und verminderterStückkosten zu vergrößern.

Bereits 1886 beteiligte sich Henkel an der Internationalen Industrie-ausstellung in Antwerpen. Im selben Jahr wurde die erste Filiale inWien gegründet. Häufig entstanden in der Folgezeit aus den Vertre-tungsfirmen die auswärtigen Vertriebsniederlassungen von Henkel.1

Nach der Errichtung von Verkaufsbüros und Agenturen begann Hen-kel damit, die Produktion ins Ausland zu verlagern, um Transport-und Zollkosten zu sparen. Neben der Vergabe von Lizenzen wurde dieAuslandsfertigung zunächst über Lohnaufträge aufgebaut, so dassHenkel-Produkte von Fremdfirmen vor Ort produziert, verpackt undvertrieben wurden. Der Erwerb von Beteiligungen und/oder die Über-nahme beziehungsweise Neugründung einer Produktionsgesellschaftbildeten üblicherweise den letzten Schritt beim Einstieg in auswärti-ge Märkte.2 Der erste ausländische Produktionsbetrieb entstand 1913in der Schweiz. 1914 waren in allen wichtigen europäischen LändernVertretungen für Henkel tätig.

Der Ausgang des Ersten Weltkriegs beendete die meisten Auslands-Aktivitäten. Ein Teil des Auslandsvermögens sowie der Markenrech-te gingen verloren. In den 1920er Jahren begann Henkel erneut undjetzt systematisch mit der Internationalisierung des Geschäfts. Exportewurden durch lokale Produktionen ersetzt. Der Aufbau von Produk-tionseinrichtungen erwies sich als notwendig, um die Märkte besserausschöpfen zu können, als dies mit den nach wie vor durch Zölle ver-teuerten Importen möglich war. Mit 11 Produktionsstandorten ineuropäischen Staaten wurde die Position von Henkel im Ausland bis1937 entscheidend gestärkt: Belgien, Dänemark, Italien, Niederlande,Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Tschechoslowakeiund Ungarn.

1 Zur Betreuung des europäi-schen Auslandsgeschäftsgründete Henkel 1928 dieAuslandsabteilung, während dieBearbeitung des Übersee-Exports 1934 der HamburgerFirma Chemphar, Chemisch-pharmaceutische Handelsgesell-schaft mbH, übertragen wurde.Die Chemphar hatte WernerLüps 1933 gegründet. Leitz-bach/Schröder, Auslandsge-schäft, S. 7. Beilage zum Todvon Werner Lüps, in: BvH 22,1942.

2 Leitzbach/Schröder, Auslands-geschäft, S. 5f.

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3 GesellschafterausschussPersil, Protokoll vom16.7.1953. Zum Auslandsver-mögen nach dem ZweitenWeltkrieg siehe ebenda,Protokoll vom 17.10.1955.Siehe auch Interview HelmutSihler, 26.5.2000, S. 1, sowieInterview Hans-Dietrich Wink-haus, 26.6.2000, S. 1.Leitzbach/Schröder, Auslands-geschäft, S. 63: Die UMA wurdeim März 1952 freigegeben.

4 Interview mit K. Henkel:Führen durch Überzeugen, in:Konrad Henkel spezial, Beilagedes Henkel-Blick, 25.10.1995,S. 3f.

Der Zweite Weltkrieg unterbrach erneut den Geschäftsaufbau inEuropa. Nach 1945 wurde der umfangreiche Auslandsbesitz im Rah-men der Beschlagnahme des deutschen Industrievermögens von denAlliierten sowie von neutralen Staaten enteignet. Gleichzeitig wurdenalle Warenzeichenrechte, darunter Persil, beschlagnahmt. Alle Aus-landsbeziehungen wurden Henkel verboten, sogar die Geschäftskor-respondenz. Jahrelang gab es Schwierigkeiten bei Auslandskontakten.Eine weiträumige Unternehmenspolitik war zunächst nicht möglich.Trotzdem fanden sich Wege eines Neubeginns – heimlich auf persön-licher Ebene. Oft setzten alte Freunde ihre privaten Mittel ein, umüber Handelsagenturen die Türen für Henkel-Produkte in europäischeMärkte wieder neu zu öffnen. Die erste Nachkriegsphase zielte dar-auf, mit Exportprodukten wieder in den Nachbarländern vertreten zusein. Sie war bis 1952 abgeschlossen.

Das Schwierigste war jedoch der Rückerwerb der alten Produktions-stätten, die zum Teil unter Treuhändern arbeiteten. Ohne finanzielleund technische Rückendeckung aus Düsseldorf war der wirtschaftli-che Bestand dieser Firmen ungesichert. Zum Teil gelang es überLizenzerteilung und chemisch-technische Beratung, wieder Einflussauf die Unternehmen zu gewinnen. Entscheidend jedoch war die Bin-dung der Firmen-Manager an das Haus Henkel und das Geschick derDüsseldorfer Geschäftsführung, die Kontakte behutsam wieder zuknüpfen. In Düsseldorf waren es die Geschäftsführer Walter Koboldund Dr. Karl Eikschen sowie die Juristen Dr. Richard Brandt und Dr.Walter Kolvenbach und der Finanz-Fachmann Dr. Hans-Otto Wie-schermann, die mit hohem diplomatischen Geschick und zäherBeharrlichkeit die Voraussetzungen dafür schufen, dass nach derWiedergewinnung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland1955 die wichtigsten westeuropäischen Auslandsgesellschaften wie-der Teil der Henkel-Gruppe werden konnten. Unterstützt wurden sievon Paris aus durch den Schweizer Wirtschaftsprüfer und langjähri-gen Henkel-Berater Dr. Ermenegildo G. Snozzi. Teilweise musstenhohe Ablösezahlungen geleistet werden. Verloren blieben die schwe-dischen und norwegischen Gesellschaften sowie alle osteuropäischenHenkel-Firmen.3

Die internationalen Aktivitäten deutscher Unternehmen nach 1945waren auch durch den erneuten Verlust ihrer internationalen Marken-rechte eingeschränkt. Als Markenartikel-Unternehmen war Henkeldavon schwer getroffen. Dies erklärt die auffällige Abwendung vomMarkenartikel-Bereich und die anfängliche Konzentration auf Che-mieprodukte in zahlreichen Auslandsmärkten.4 Mit Ausnahme vonNorwegen erhielt Henkel in den 1950er Jahren nach und nach dieMarke Persil in den einzelnen europäischen Ländern zurück.

Ebenfalls ausgenommen blieben Großbritannien und Frankreich mitihren damaligen Kolonien. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatteHenkel die Herstell-Lizenzen und Markenrechte an Persil in Groß-britannien an einen anderen europäischen Produzenten verloren: 1909hatte Henkel die Markenrechte an Persil im Rahmen einer Lizenz fürdie Persil-Herstellung an Crosfield & Sons in Warrington verkauft. 305

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Der Vertrag sollte bis 1918 laufen, doch konnte Henkel die ihr zuste-henden Rechte auf Rückübertragung infolge des Ersten Weltkriegsnicht geltend machen. 1919 wurde Crosfield von Lever Bros. über-nommen. Auch in Frankreich war der Markenname Persil, den Hen-kel dort nicht alleine besessen hatte, auf zahlreichen Umwegen in denBesitz der Lever-Brüder gefallen. Somit war Henkel auf diesen Märk-ten gezwungen, mit dem bekanntesten Produkt des Hauses unteranderen Namen zu operieren.5

Mit dem Abschluss dieser schwierigen Phase konnte Henkel Ende der1950er Jahre seine Vorkriegsposition in Europa wieder erreichen.Parallel dazu hatte die Firmenleitung auch bereits Aktivitäten imBereich der chemisch-technischen Produkte in strategisch wichtigenÜbersee-Märkten aufgenommen: So gründete Henkel eine ersteÜbersee-Firma 1951 in Südafrika. 1955 folgte die erste Firma aufdem amerikanischen Kontinent, und zwar in Brasilien; in den mexi-kanischen Markt trat Henkel 1959 ein, in die USA 1960. Mit derGründung der Nippon Henkel Chemical in Kobe, einem Handels-unternehmen, betrat Henkel 1957 den damals wichtigsten asiatischenMarkt.

Zur Strategie und Organisation des Auslandsgeschäfts

Auf dem weiteren Weg zu einer breiten Internationalisierung undletztendlich Globalisierung der Geschäfte war eine Reihe von organi-satorischen Maßnahmen notwendig, die von den strategischenAbsichten der Unternehmensleitung geleitet waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Auslandsabteilung der Henkel& Cie GmbH für den Aufbau des Auslandsgeschäfts zuständig. DasSchwergewicht bildete zunächst der Export von Waschmitteln, P3,Klebstoffen, Wasserglas und anderen chemischen Produkten. Durcheigene Exportabteilungen wurden die Erzeugnisse der nach Düssel-dorf verlagerten Tochterfirmen Böhme Fettchemie und DeutscheHydrierwerke vertrieben, vor allem ihre chemisch-technischen Pro-dukte, aber auch ihre erfolgreichen Markenartikel, zum BeispielFewa.

Die Bedeutung des Export- und Auslandsgeschäfts blieb jedochgering. Das war nicht zuletzt auch auf Vorbehalte zurückzuführen, dieHugo und Jost Henkel einem größeren Engagement im Ausland ent-gegenbrachten. Daher fehlte der Auslandsabteilung der nötige Rück-halt gegenüber den ausländischen Geschäftsführern, zumal diese häu-fig von ausländischen Treuhändern eingesetzt worden waren.6

5 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 4. Siehe imDetail Bornhofen/Hämmerlein,90 Jahre Persil.

6 Interview Helmut Sihler,ebenda.

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7 Gerhard Henkel war nichtverwandt mit der Unternehmer-familie Henkel. Im Werk wurdeer „Herr Gerhard“ genannt.

8 Leitzbach/Schröder, Auslands-geschäft, S. 10f.

9 Interview mit K. Henkel:Führen durch Überzeugen, in:Konrad Henkel spezial, Beilagedes Henkel-Blick, 25.10.1995,S. 3f. Interview Hans-DietrichWinkhaus, 26.6.2000, S. 3: „ImZuge der Internationalisierunghaben wir immer mehr gelernt,uns mit ausländischen Kulturenpositiv auseinanderzusetzen.“

10 Interview mit K. Henkel:Führen durch Überzeugen,ebenda.

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Eine Neuorientierung setzte ein, als Dr. Fritz André Debus 1956 vondem kurz zuvor verstorbenen Gerhard Henkel7 die Auslandsabteilungübernahm. Mit der Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen derAuslandsabteilung und den Fachabteilungen der Düsseldorfer Zentra-le wurde auch die Steuerung der Auslandsgesellschaften zentralisiertund gefestigt, und zwar durch die Einführung einer einheitlichenErgebnisrechnung, die Einberufung von regelmäßigen Konferenzender kaufmännischen und technischen Leiter sowie durch eine vonDüsseldorf ausgehende Investitionsplanung. Dabei berücksichtigteHenkel zunehmend nationale Besonderheiten, was sich etwa in derEinsetzung einheimischer Geschäftsführer zeigte.8 Dennoch trugenvor allem politische und personelle, aber auch technische Problemedazu bei, dass der Erfolg im Ausland zunächst auf sich warten ließ.„Aber wenn wir dann die richtigen Leute vor Ort hatten – und diehaben wir eigentlich immer gefunden –, ging es jedesmal gut weiter“,resümierte Konrad Henkel rückblickend.9

Die Internationalisierung des Unternehmens trieb „mehr, [...] als esmitunter in Düsseldorf-Holthausen gern gesehen wurde“, KonradHenkel voran.10 Auf seine Initiative hin wurden 1961 sämtlicheExportaktivitäten unter der Leitung von Dr. Fritz Edgar Hartmann inder Henkel International GmbH (HI) vereinigt. Die Auslandsabtei-lung der Persil Gesellschaft betreute die Verbundenen Unternehmen.Um eine einheitliche Koordination des gesamten Auslandsgeschäftszu erreichen, wurden 1965 die Aktivitäten der Auslandsabteilung derPersil Gesellschaft in die Henkel International integriert. Die HenkelInternational hatte die Aufgabe, die Position von Henkel außerhalbDeutschlands in allen Kontinenten durch Exporte und Firmengrün-dungen zu verstärken. Prägenden Einfluss auf diese Entwicklung hat-ten neben den bereits genannten Fritz André Debus, Edgar Hartmannund Walter Kolvenbach vor allem Jörg Volkamer und Dr. RomanDohr.

Die Expansion des Unternehmens sowie steigende Ansprüche derMärkte führten zur Einführung von Geschäftssparten, die 1969zunächst die Verantwortung für die europäischen Aktivitäten über-nahmen. 1977 wurde auch das Überseegeschäft in die einzelnen Spar-ten integriert, die nun weltweite Geschäftsverantwortung trugen –eine Voraussetzung für die verstärkte Internationalisierung und späte-re Globalisierung. Die Henkel International wurde zum 29. Juni 1977aufgelöst.

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In diesen Veränderungen spiegelt sich die steigende Aufmerksamkeitfür das Auslandsgeschäft bei den Planungen der Unternehmensfüh-rung wider. Neben die anfänglich dominierende Zielsetzung, die dasErschließen von Marktpotenzialen in allen Teilen der Welt vorsah, tra-ten im Laufe der Jahre zusätzliche Aspekte, die wichtige Impulse fürden immer stärkeren Ausbau der Auslandsaktivitäten gaben:

■ Das Bedürfnis nach einer Erweiterung des eigenen Know-howsmachte es notwendig, das unerschöpfliche Lernpotenzial für einzukunftsorientiert arbeitendes Unternehmen auf den GebietenChemie, Technik und Management insbesondere in USA undJapan zu erschließen. Diese Erkenntnis führte unter anderem zurEinrichtung von Forschungs- und Entwicklungszentren in diesenbeiden Ländern, zu zahlreichen Kooperationen und zu einem regenPersonalaustausch.

■ Der Bedarf von Henkel an pflanzlichen Ölen, der zum größerenTeil im weltweit bedeutendsten Erzeugergebiet Asien gedeckt wur-de, machte die Philippinen, Malaysia und Indonesien als Lieferan-ten unverzichtbar. Das Streben dieser Länder ab den 1970er Jahrennach Steigerung ihrer volkswirtschaftlichen Wertschöpfung führtezu verstärkter eigener Höherveredelung ihrer Rohstoffe. Zur Siche-rung der weltweiten Produktion fettchemischer Derivate war es fürHenkel daher wichtig, einen Teil seiner Rohstoffverarbeitung vorOrt durchzuführen. Hierdurch entstand bereits 1980 ein Produk-tionsbetrieb in Malaysia.

■ In den frühen 1970er Jahren begann das Thema Industriewande-rung auch für Henkel relevant zu werden. Arbeits- und kapitalin-tensive Industrien suchten sich zunehmend Alternativen zu ihrenbisherigen Standorten in Europa und USA, die ihnen hohesArbeitskräftepotenzial mit niedrigem Lohnniveau und größere Fle-xibilität hinsichtlich Arbeits- und Maschinenlaufzeiten boten. Sowanderten für Henkel wichtige Abnehmerindustrien wie die Leder-erzeugung und die Textilherstellung im Laufe der Jahre in Rich-tung Südamerika, Asien sowie Osteuropa ab. Ihnen musste Henkelzur Erhaltung der Geschäftsposition in diesen Branchen folgen.

■ Die in den 1980er Jahren beginnende Globalisierung wichtigerIndustriezweige, beispielsweise die Automobilherstellung oder dieKosmetikerzeugung, führte zu einem ähnlichen Zwang auf dieZulieferer, ihnen in die einzelnen Länder zu folgen. Diese Abneh-mer verlangen von ihren Lieferanten an allen lokalen StandortenProdukte und technischen Service in weltweit gleicher erprobterund akzeptierter Qualität.

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11 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 6f. Dergriffige Name „Partnerstrategie“stammt vom damaligen Sekretärder Geschäftsführung, HelmutOchs.

12 Intern 5/1974.

Das internationale Geschäft wurde quer durch alle Unternehmensbe-reiche ausgebaut. So wurde Henkel bereits in den 1980er Jahren dasinternationalste Unternehmen in Deutschland und entwickelte sichvom deutschen Markenartikel-Hersteller zum weltweit tätigen „Spe-zialisten für angewandte Chemie“, wie sich das Unternehmen bisEnde der 1990er Jahre definierte.

Im Zuge der Internationalisierung und Globalisierung mussten alteGrundsätze bei der Führung von Firmen im Ausland modifiziert undden Geboten der Zeit angepasst werden. Vermehrt traten neben die zu100 Prozent eigenen Tochtergesellschaften Kooperationen, Partner-schaften in Joint Ventures – möglichst mit Henkel-Führung – sowiestrategische Allianzen. Deren Vorteile lagen in einem vermindertenKapitaleinsatz, dem Know-how-Transfer sowie der besseren Anpas-sung an nationale und marktcharakteristische Gegebenheiten.11 DieStandardisierung von Rezepturen sowie die länderübergreifende Ver-marktung der Produkte erleichterten es, internationale Marken undProdukte für einen globalen Markt zu entwickeln.

Dies führte dazu, dass seit den 1970er Jahren bei Henkel die„Antriebskräfte für das Wachstum des Gesamtunternehmens [...] imAusland stärker waren als im Inland“. Der Umsatz der Auslandsfir-men war 1973 bereits auf rund 37 Prozent des Gesamtumsatzes derHenkel-Gruppe gestiegen; und zusammen mit dem Exportumsatz lagder insgesamt im Ausland erzielte Umsatz bei 43 Prozent.12

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Entwicklung der Mitarbeiterzahlen Henkel-Gruppe 1961 bis 2000

Quelle: K 1, HRI/Personal-bestandsentwicklung. Stichtag jeweils der 31.12.

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Die Bedeutung und deshalb die Anzahl von Akquisitionen zur Stär-kung von Marktpositionen, zum raschen Markteintritt oder zur Erlan-gung von spezifischem Know-how nahmen auch bei Henkel über dieJahre rapide zu.13 Von herausragender Bedeutung für die Entwicklungder Henkel-Gruppe in zahlreichen Ländern waren die folgenden Alli-anzen und Firmen-Übernahmen:

■ für Klebstoffe die Partnerschaft mit Loctite in den USA ab 1985(anfangs 25 Prozent Beteiligung), die 1997 in der vollständigenÜbernahme von Loctite mündete,

■ für Kosmetik/Körperpflege die Akquisitionen Barnängen vonNobel Industrier in Schweden 1992 und Schwarzkopf in Deutsch-land 1995,

■ für Wasch-/Reinigungsmittel die strategische Allianz mit Cloroxseit 1974 in den USA,

■ für Hygiene/Oberflächentechnik die US-amerikanischen Akquisi-tionen Amchem 1980 und Parker 1987, die strategische Allianz mitEcolab in den USA seit Ende 1989, aus der 1991 auch das europä-ische Hygiene-Gemeinschaftsunternehmen Henkel-Ecolab mit 42Gesellschaften in 17 europäischen Ländern hervorging (bis Ende2001), sowie der Erwerb von Teroson in Deutschland 1991 und desweltweiten Novamax-Geschäfts 1996,

■ für Chemieprodukte die beiden US-amerikanischen Firmen Gene-ral Mills 1977 und Nopco 1987 sowie die Emery Division von derQuantum Chemical Corporation 1989.

Als Folge der Ausgliederung des Chemiegeschäfts von Henkel in dieselbstständige Tochtergesellschaft Cognis im Jahr 1999 entstandenweltweit 50 Cognis-Tochterfirmen, die das bisherige Chemie-Geschäft von Henkel in den jeweiligen Ländern weiterführen.

Am Jahresende 2000 zählten neben der Henkel KGaA (mit ihrer ein-zigen Zweigniederlassung in Genthin) 49 inländische und 351 aus-ländische Gesellschaften zum Konsolidierungskreis der Henkel-Gruppe14, die einen Gesamtumsatz von 12,8 Milliarden Euro(25 Milliarden DM) erwirtschafteten. Davon entfielen 80 Prozent(einschließlich Exporte) auf das Geschäft außerhalb Deutschlands.

Die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung desGeschäfts spiegelt sich auch in der Beschäftigtenentwicklung: Warenim Jahresdurchschnitt 1961 genau 16,5 Prozent der Henkel-Mitarbei-ter im Ausland beschäftigt, so stieg dieser Anteil bis 1989 auf 56 Pro-zent an und lag Ende 2000 bei etwa 74 Prozent.

Nachstehend eine nach Regionen geordnete Übersicht über die Ent-wicklung der bedeutenden Henkel-Aktivitäten in den wichtigstenAuslandsmärkten.

13 Siehe D 1, UlrichLehner/Theo Schatten, Manu-skript „Die Geschichte der Firma Henkel“, Internationalisie-rung/Globalisierung (ausführ-liche Fassung) für den Vortragvor dem Heimatverein Düssel-dorfer Jonges am 11.4.2000,S. 4f. Siehe auch A 8, Ulrich Lehner, Manuskript„Globale Unternehmen brauchenglobale Strukturen: HenkelsGlobalisierungsstrategie“,Vortrag vor der spanischenBusiness School Esade inBarcelona, 2/2001, S. 17f.

14 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 50.

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Die regionalen Aktivitäten

Europa

15 Siehe dazu im einzelnen dieDarstellung von HansjörgGadient, 75 Jahre Henkel & CieAG, Schweiz (=Schriften desWerksarchivs 22), Düsseldorf1988.

16 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 24.

17 330/39, Funktion undOrganisation der UMA AG1937–1952, darin Skizze überdie Umgestaltung der UMA AG,4.12.1937, sowie Denkschriftbetr. Funktion und Organisationder UMA AG, undatiert.

18 330/39, Funktion undOrganisation der UMA AG1937–1952, darin Betreff UMAAG/Konsortialfonds, Aufstellung,17.10.1952. Wertschriften-Aufstellung der UMA AG,6.12.1937; National ArchivesWashington, Record Group 407Box 1035.312

Das 1886 in Wien eröffnete erste Verkaufsbüro im Ausland bildete ab1893 durch die Zusammenarbeit mit dem deutschen Kaufmann Gott-lieb Voith den Grundstock für das Mittel- und Südosteuropageschäftdes Düsseldorfer Waschmittelherstellers. Auch die Geschäftsverbin-dungen mit den Niederlanden und der Schweiz (1889) sowie mit Ita-lien (1893) wurden noch vor der Jahrhundertwende aufgenommen.Die 1897 gegründete Verkaufsniederlassung in London wurde 1908 indie Henkel & Co London umgewandelt. Als erste Henkel-Tochterge-sellschaft mit eigenem Produktionsbetrieb gründeten Fritz Henkelund seine Söhne 1913 in Pratteln bei Basel die schweizerische Hen-kel & Cie.15

Unbeeindruckt von den politischen Umständen forcierte das Unter-nehmen nach dem Ersten Weltkrieg seine Aktivitäten in den europäi-schen Märkten: Der Gründung der Henkel & Co in Kopenhagen imJahr 1923 folgte 1925 die Henkel Kemiskt-Tekniskt in Stockholm.Als Produktionsfirma wurde 1931 das schwedische Familienunter-nehmen Helios erworben und als Helios Stockholm neu gegründet.Der 1927 gegründeten Persil Gesellschaft Henkel & Voith in Wienfolgte 1929 die Gründung der Persil Gesellschaft Henkel & Voith inLeitmeritz, Sudetenland (heute Litomerice in Tschechien). Zur 1929eröffneten belgischen Maison Henkel in Brüssel kamen 1930 die nor-wegische Henkel AS in Oslo und die finnische OY Persil in Helsinki.In Polen gründete Henkel 1931 die Persil Polska in Bydgoszcz(Bromberg). 1932 folgte die Nederlandsche Persil mit Produktion inJutphaas und Verwaltung in Amsterdam sowie ein Jahr später die ita-lienische Societa Italiana Persil in Lomazzo bei Mailand. Zunächstwurden in diesen Gesellschaften die in Düsseldorf produzierten Pro-dukte abgepackt – also vor allem Henko, Persil, Sil und Imi –; in derFolgezeit wurde aber auch die lokale Herstellung von Waschpulver,Großverbrauch- und P3-Produkten aufgenommen.16

Den überwiegenden Teil des europäischen Auslandsvermögens über-trug Henkel auf die am 24. Juli 1931 gegründete Schweizer Holding-gesellschaft UMA AG, da die im Mai 1931 eingeführte Devisen-zwangsbewirtschaftung eine massive Kapitalflucht aus Deutschlandausgelöst hatte. Aufgabe der UMA sollte es sein, die „ausländische[n]Henkel-Interessen [...] den Wechselfällen der zwischenstaatlichenBeziehungen“ zu entziehen.17 Dies galt insbesondere auch für die Zeitnach 1933, als die Nationalsozialisten die Devisenbewirtschaftungverschärften. Der UMA AG gehörten 1939 die Henkel-Gesellschaftenin der Schweiz, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Holland,Belgien, Italien und Polen an.18

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19 330/39, Funktion undOrganisation der UMA AG1937–1952, darin Skizze überdie Umgestaltung der UMA AG,4.12.1937.

20 Ebenda, Exposé vom24.9.1937.

21 A 22, Anlage zum Protokollüber die Sitzung des Beirats,23.4.1940. AllgemeinerGeschäftsbericht für das Jahr1939.

22 Juristische Unterlagen,Henkel & Cie GmbH, undatierterBericht zum Auslandsgeschäft1940.

23 Vgl. hierzu Ordner Henkel 2,Tengelmann an Göring,9.4.1942. Ebenda, Tengelmann,Besprechung mit Herrn Dr.Brandt, 26. und 27.3.1942.Siehe zum Prozess gegenUnilever Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 2, sowieBornhofen/Hämmerlein, 90 Jahre Persil.

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre geriet die UMA in Konflikt mit dernationalsozialistischen Devisenstelle.19 Aus diesem Grund ließ dasReichswirtschaftsministerium 1936/37 das Unternehmen und seineBeziehungen zu Henkel untersuchen. Dabei wurde bestätigt, „dass dieserKonzern durchaus ausländischer Natur ist, und dass irgendeine Abhängig-keit in finanzieller, organisatorischer oder wirtschaftlicher Hinsicht vonDeutschland nicht besteht“. Dies war auch nötig, um den ausländischenHenkel-Gesellschaften angesichts der „allseitigen Autarkie-Bestrebun-gen“ und Deutschfeindlichkeit in Europa ein Überleben zu ermöglichen,denn Boykotte gegen die Werbe- und Verkaufstätigkeiten deutscherUnternehmen im Ausland waren ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahrean der Tagesordnung.20 Ab 1939 berichteten insbesondere die mitteleuro-päischen Niederlassungen wie die Persil-Fabrik in Bromberg über derar-tige Repressalien. Auch der Umsatz in der Tschechoslowakei, wo Henkelin der hinzu erworbenen Tochterfirma Evona Toilettenseifen- und Parfü-meriewaren-Fabrik GmbH in Uhrineves (Aurschinewes) bei Prag nebenKosmetikartikeln auch Waschpulver herstellte, erwies sich als „mäßig“,da die Bevölkerung überwiegend deutschfeindlich eingestellt war.21

Nach Kriegsausbruch entwickelte sich das Auslandsgeschäft unter-schiedlich: Während die Ausfuhr nach Übersee sowie das Europa-Geschäft, „soweit es sich um Feindstaaten handelte“, restlos unterbundenworden war, sah sich Henkel in den nordeuropäischen Ländern zuBeginn des Jahres 1940 wie auch in den Niederlanden und in Belgiennoch englischen und US-amerikanischen Konkurrenzprodukten gegen-über. Doch nach der deutschen Besetzung von Dänemark, Norwegen, denNiederlanden und Belgien waren die Importeure dieser Länder gezwun-gen, ihre Wareneinkäufe nur noch in Deutschland zu tätigen, zumal „dieeinheimische Industrie [...] mangels Rohstoffen nicht mehr voll lieferfä-hig war“. Insbesondere die Persil-Gesellschaften in den europäischenLändern profitierten auf diese Weise vom fehlenden Wettbewerb. Sokonnte die belgische Henkel-Produktionsstätte in Herent 1940 ihre Leis-tungen gegenüber dem Vorjahr verdoppeln, wenn auch die Herstellungvon Persil aufgrund der Verknappung von Ölen und Fetten eingestelltwerden musste.22

Trotz knapper Ressourcen rückte die „Wiederbeschaffung der Marke Per-sil“ in Frankreich nach dem „Westfeldzug“ in das Zentrum der Unterneh-menspolitik: 1909 war Fritz Henkel eine Vereinbarung eingegangen, nachder das Zeichen Persil nach Entrichtung einer zehnjährigen Lizenzzahlungin das Eigentum der französischen Lizenznehmerin übergehen sollte. Die-ses Abkommen wurde durch den Ersten Weltkrieg zunichte gemacht: AufDruck der Wirtschaftsbehörden übertrug die französische Lizenznehmerinihre Markenrechte „an einen Dritten, dessen Gesellschaft dann von denSavonneries Lever aufgekauft wurde“, so dass sich die Persil-Rechte fürFrankreich also fortan in den Händen des Konkurrenten Lever befanden.Die Henkel-Marke Persil in Frankreich erlosch 1922. Während der deut-schen Besatzung Frankreichs erzwang Werner Lüps die Rückübertragungder französischen Rechte an Persil, doch musste sich das Unternehmennach dem Zweiten Weltkrieg der internationalen Rechtsprechung beugen,die den Verbleib der französischen Marke Persil bei Lever zuerkannte undHenkel zu einer Schadenersatzzahlung verurteilte.23 313

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Ausfuhrgeschäfte mit dem neutral verbliebenen europäischen Auslandwaren teilweise noch bis Ende 1944 möglich, ehe der Zusammenbruchdes Deutschen Reiches das Geschäft restlos lahm legte. Henkel verlorals Folge des Zweiten Weltkriegs seine ausländischen Beteiligungenund Vermögenswerte. Insbesondere schienen sämtliche Firmen, Ver-tretungen, Handelsbeziehungen, Warenzeichen und Märkte in densowjetisch besetzten Staaten einschließlich der sowjetisch besetztenZone in Deutschland unwiederbringlich verloren.24

Bereits während des Krieges hatten sich deutsche Firmen Gedankenzur Gestaltung der Nachkriegsverhältnisse gemacht. Auch Henkelbeabsichtigte, das Exportgeschäft so rasch wie möglich nach Kriegs-ende wieder aufzunehmen, um den Verlust von Marktanteilen geringzu halten. Denn in den Jahren der Isolation Deutschlands hatten dieWettbewerber nach Einschätzung des Unternehmens „genügendGelegenheit gehabt, [...] ihre Erzeugnisse auf den verschiedenenÜberseemärkten [...] einzuführen“. Daher war die Rückgewinnungder verloren gegangenen Märkte das oberste Gebot. Obwohl Kontak-te mit dem Ausland offiziell verboten waren, hatte das Unternehmenschon im Laufe des Jahres 1945 auf dem Wege des privaten Briefver-kehrs seine Auslandsverbindungen wieder aufgenommen. Ende 1946hatten die Besatzungsmächte die Geschäftskorrespondenz wiederzugelassen, so dass die Firmen auch offiziell wieder Kontakte zu aus-ländischen Geschäftspartnern knüpfen konnten.

Die institutionelle Grundlage für die Wiederaufnahme der Exporttä-tigkeit bildete die Joint Export-Import Agency (JEIA). Diese Agenturtätigte die Geschäftsabschlüsse mit ausländischen Kunden für deut-sche Unternehmen. Auch die Zahlungseingänge in Devisen erfolgtenzugunsten der Einrichtung, während der deutsche Produzent lediglichden Gegenwert der Auslandslieferungen in Reichsmark erhielt. 1947wurden die Exportbestimmungen so weit liberalisiert, dass die Alli-ierten deutschen Unternehmen erlaubten, mit ausländischen Käuferndirekt zu verhandeln und Kaufverträge unmittelbar abzuschließen. Imselben Jahr nahm Henkel Kontakt mit Geschäftspartnern in Großbri-tannien, der Schweiz, Frankreich, Rumänien, Griechenland und derTürkei auf; auch lagen Anfragen aus Ägypten und Palästina vor.25

1950 war das Auslandsgeschäft – verglichen mit den Inlandsumsätzender Firma – zwar noch verschwindend gering, doch es profitiertebereits von der sich anbahnenden Liberalisierung des Handels.26 1951wurde der Umsatz von 1938 erreicht. Das Unternehmen unterhieltbereits wieder Außendienststäbe in zehn verschiedenen Ländern fürden Vertrieb von Markenartikeln sowie von chemisch-technischenProdukten, deren Bedeutung in den 1950er Jahren schnell zunahm.Auf dieser Grundlage baute Henkel sein Europa-Geschäft, insbeson-dere mit Blick auf den entstehenden gemeinsamen EuropäischenMarkt, sukzessive aus.

24 Siehe D 138, D 139 undLeitzbach/Schröder, Auslands-geschäft, S. 25.

25 Wilhelm Schuster, Unserzukünftiges Auslandsgeschäft,in: BvH 25, 1947, S. 151–153.

26 BvH 30, 1950, S. 17.

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Schweiz

Die erste Bestellung aus der Schweiz erreichte Fritz Henkel bereits imMai 1878: 200 Pfund Universal-Waschmittel und 200 Pakete Hen-kel’s Bleich-Soda schickte er daraufhin mit Gebrauchsanweisungenund Plakaten nach Bern. Im März 1908 erhielt die Firma Albert Blum& Co die Generalvertretung für die Schweiz. Schon einen Monat spä-ter lieferte Henkel loses Persil und Packmaterial in die Schweiz. Nochim selben Jahr gab Blum eigene Hüllen für Persil mit deutschem undfranzösischem Aufdruck in Auftrag. Ab 1909 vertrieb er Henkel’sBleich-Soda in der Schweiz unter dem Namen Henco. In Pratteln beiBasel ließ Blum eine Produktionsstätte errichten.

Aus der Zusammenarbeit mit Albert Blum ging am 29. Januar 1913die Henkel & Cie AG in Pratteln bei Basel hervor, die erste produzie-rende Auslands-Tochterfirma. Nach dem Ersten Weltkrieg entstandhier neben einer Wasserglas- und einer Bleichmittelfabrik auch einchemisches Laboratorium. Die Firma erweiterte ihr Angebot 1929 umBleichmittel, 1932 um Industrie-Reiniger und im Jahr darauf auch umProdukte für den gewerblichen Großverbrauch. Nach dem ZweitenWeltkrieg stand die Henkel & Cie AG in Pratteln bis zum März 1952unter der Aufsicht der Schweizerischen Verrechnungsstelle. Dieschwierige Rohstofflage hatte in der Schweiz von 1939 bis 1946 zurKontingentierung von Seifen und Waschmitteln geführt.

Die Entwicklung in der Schweiz prägte Dr. Alfred Böckli. Der Juristwurde 1937 in die Führung der Henkel & Cie AG berufen. Er standdem Henkel-Unternehmen in der Schweiz während einer schwierigenund in den Nachkriegsjahren existenzbedrohenden Zeit vor. GroßeVerdienste erwarb er sich für den Neubeginn der Firma nach demZweiten Weltkrieg. 1960 wechselte Böckli ins Präsidium des Verwal-tungsrats über. 1965, in einer entscheidenden Phase des Umbruchsund Neubeginns, folgte ihm als Delegierter des Verwaltungsrates derbisherige Direktor Dr. Albert Burki. Sein ebenso prägender Nachfol-ger als Geschäftsführer war von 1974 bis 1989 Hansjörg Gadient.

Mitte 1949 – ein Jahr früher als in Düsseldorf – konnte in Prattelnwieder Persil in Friedensqualität produziert werden. Zur Herstellungvon Leimen und Kleister wurde von 1949 bis 1953 auch Carboxyme-thylcellulose produziert – der Einstieg in den Klebstoff-Markt. AlsVertriebsfirma für Klebstoffe diente von 1950 bis 1979 die Tochter-firma Nigritella, von der Gründung bis 1978 erfolgreich geleitet vonDr. Hans Hintze. Die Einführung der Körperpflege-Serie Fa 1971 undder Haarkosmetik-Serie Poly 1974 markierten den erfolgreichen Auf-takt des Geschäfts mit Kosmetik- und Körperpflegeprodukten in derSchweiz. Parallel entwickelte sich das Großverbrauch-Geschäft.27

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Westeuropa

27 Zur Entwicklung von Henkel inder Schweiz siehe D 101 und75 Jahre Henkel & Cie AG,Schweiz.

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Die Henkel & Cie AG übernahm 1994 die Konsumgütermarken der F. Steinfels AG in Zürich. Die damit erworbenen Wasch- und Reini-gungsmittel stärkten den Ausbau der Marktposition von Henkel in derSchweiz. Die Produktion in Pratteln wurde in den 1990er Jahrenunrentabel. 1997 schloss Henkel das Werk. Die Henkel & Cie AGkonzentriert sich seither auf den Vertrieb in der Schweiz. Oleochemi-sche Produkte werden bis heute über die freie Vertretung Impag AGin Zürich vermarktet.

Der Henkel-Großverbrauch verfügte ab 1982 mit der Übernahme derSeilaz AG über ein international einsetzbares, vollständiges Maschi-nenprogramm und war in der Lage, ein umfassendes System aushochwertiger Chemie, Geräten (Floordress) und Maschinen für dieObjekthygiene aufzubauen und anzubieten.28

1995 übernahm Henkel die Laesser Klebstoffe AG in Erlinsbach beiZürich, einen führenden Hersteller von Klebstoffen für die Tabakindus-trie sowie für die papierverarbeitende und grafische Industrie. Laessermit seiner hochmodernen Reinraum-Produktion ist heute das weltweiteHenkel-Kompetenzzentrum für Klebstoffe für die Tabakindustrie.

Frankreich

Obwohl Frankreich zu den wichtigsten europäischen Märkten gehört,zögerte Henkel aufgrund der Erfahrungen infolge des Ersten undZweiten Weltkriegs einen Markteintritt im französischen Waschmit-telgeschäft lange hinaus. Allerdings begann das Unternehmen früh-zeitig, ein chemisch-technisches Geschäft zu entwickeln. WalterKobold nahm bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Kontakte zuPeter Weiblen auf, über den Henkel Wasserglas und wenig später auchKlebstoffe nach Frankreich lieferte. 1953 erwarb Henkel von Weiblenin Mülhausen im Elsass die Firma Riva für die Produktion von Kleb-stoffen. Daneben entwickelte sich ein System kleinerer Firmen, diezusätzlich zu Klebstoffen P3-Produkte, Ata, Thompson-Markenarti-kel sowie später auch Fewa, Pril und Großverbrauch-Produkte inFrankreich vertrieben.

Weil es schwierig war, die damals noch erforderlichen Einfuhrlizen-zen zu erhalten, gründete Henkel 1955 die Firma Unichima in Cha-lons sur Marne. Sie produzierte und vertrieb P3- und Großverbrauch-Produkte. In der Unichima wurden in den Folgejahren unter derLeitung von Frédéric Schaeffer alle in Frankreich existierenden Hen-kel-Geschäfte zusammengefasst. Das chemisch-technische Geschäft– inzwischen um oleochemische Produkte erweitert – entwickeltesich recht erfolgreich.29

Seinerzeit entfiel ein Drittel des gesamten Waschmittelverbrauchs derEuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf Frankreich. Schon alleindeswegen und auch mit Blick auf den geplanten Gemeinsamen Euro-päischen Markt konnte Henkel Ende der 1950er Jahre nicht auf dasfranzösische Waschmittelgeschäft verzichten, das Lever mit einemMarktanteil von 80 Prozent dominierte. Allerdings erwies sich der

28 Henkel Geschäftsbericht1981, S. 39.

29 153/10, Post-Protokoll,13.4.1954. 153/12, Post-Protokoll, 21.7.1956.

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30 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 76f.

31 Siehe zu Lesieur im einzelnenVerwaltungsrat Henkel GmbH,23.9.1970. Interview HelmutSihler, 26.5.2000, S. 8.

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Markteintritt als überaus schwierig und verlustreich: Angesichts derhohen Investitions- und Vertriebskosten – ein Reisestab musste neuaufgebaut werden – und vor dem Hintergrund einer allgemeinenMarktsättigung bei Waschmitteln schien ein Misserfolg zu Beginn der1960er Jahre vorprogrammiert.30

1967 wurde die Unichima in die Henkel France mit Sitz in Parisumgewandelt. Dadurch wurde die Ausweitung des Markenartikel-Geschäfts in Frankreich vorbereitet. Allerdings misslang die Markt-einführung von Dixan und Pril.

1970 schuf Henkel mit der Übernahme des Waschmittelwerks derfranzösischen Firma Lesieur-Cotelle in Reims die Voraussetzungenfür den Aufbau eines „größer dimensionierten“ Waschmittelgeschäftsin Frankreich. Doch auch dieser Schritt entwickelte sich fast zu einem„Desaster“: Das Unternehmen verlor rund 100 Millionen DM, „wasfür Henkel viel war“. Erst die von Walter Kobold geführte Frankreich-Kommission schuf die grundlegenden strukturellen Voraussetzungenfür die Erholung des Markenartikel-Geschäfts, so dass Henkel Franceab den 1980er Jahren mit Gewinn arbeitete. Dazu trugen auch dieWaschmittel- und Seifen-Marke Le Chat bei, die Henkel 1986 mit derÜbernahme der L’Union Générale de Savonnerie in Marseille erwarb,sowie die Wasch- und Reinigungsmittel-Marken Mir Liquide, Mini-dou und Rex, die Lesieur-Cotelle 1987 an Henkel abgab. Im selbenJahr übernahm Henkel auch den Reinigungsmittel-Hersteller Solitai-re Produits d’Entretien in Levallois/Paris. In den 1990er Jahren ent-wickelte sich das Waschmittelgeschäft zum größten Geschäftsbereichvon Henkel in Frankreich.31

Ähnlich wie die Wasch-/Reinigungsmittel tat sich der Unternehmens-bereich Kosmetik/Körperpflege sehr schwer, auf dem französischenMarkt Fuß zu fassen. Die Übernahme der Parfum-Firmen Sophie Ner-val 1970 und Lubin 1979 brachten nicht den erhofften Erfolg. Mitdem Kauf der Firma Bonetti erwarb Henkel 1980 die traditionsreicheund erfolgreiche Körperpflege-Marke Diadermine. 1984 gründete dieHenkel France eine eigene Kosmetik-Sparte. Ein echter Durchbruchgelang 1984/85 mit der Körperpflege-Serie Fa. Hinzu kam 1986 diepopuläre französische Seife Le Chat, die ebenfalls zu einer Serie aus-gebaut wurde. Die Akquisition von Barnängen, der Konsumgüter-sparte des schwedischen Konzerns Nobel Industrier, durch HenkelAnfang 1992 bedeutete auch für die Kosmetik-Sparte von Henkel in Frankreich einen gewaltigen Schritt nach vorne: Mit bekanntenMarken der Barnängen-Tochtergesellschaft wie Coparel (Zahncreme)oder Mont St. Michel (Duftwasser, Dusch- und Schaumbad) konntedie Kosmetik ihren bisherigen Umsatz um die Hälfte ausweiten. 1998betrat Schwarzkopf & Henkel mit den drei Serien Soyance, CountryColors und Nordic Colors auch den französischen Markt für Haar-colorationen.

Im Bereich Fettchemie war 1974 der Erwerb der Firma Produits Chi-miques du Sidobre Sinnova entscheidend. Nach größeren Investitio-nen wurde das Werk Boussens der zweite Fettalkohole produzierende

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Standort von Henkel in Europa. 1984 fasste Henkel alle Fettchemie-Aktivitäten in Frankreich bei der Sidobre Sinnova zusammen; dasWerk in Meaux wurde dazu wesentlich erweitert. Die Chemieakti-vitäten verstärkten sich 1999 durch den Erwerb der LaboratoiresSérobiologiques in Nancy. Das Unternehmen entwickelt und produ-ziert Wirk- und Einsatzstoffe für die kosmetische Industrie auf über-wiegend pflanzlicher Basis und vertreibt diese Spezialprodukte vor-wiegend in Westeuropa, in den USA und in Fernost.

Der Eintritt in den französischen Desinfektionsmittelmarkt gelangEnde 1980 durch die Übernahme der Paragerm-Gruppe.32 1983erweiterte Henkel das französische P3- und Großverbrauch-Geschäftauf den Gebieten Hygiene, Oberflächen- und Wasserbehandlungdurch die Übernahme der Mehrheit des Engeneering-UnternehmensWatco in Paris.33 Im Klebstoffbereich ermöglichte 1986 die Mehr-heitsbeteiligung von 75 Prozent an der Rubson den Einstieg in dasGeschäft mit bauchemischen Werkstoffen.

Die Oberflächentechnik wurde 1998 durch den Erwerb des Oberflä-chentechnik-Geschäfts des langjährigen Parker-Lizenznehmers Com-pagnie Francaise des Produits Industrielles in Gennevilliers (CFPI)gestärkt. Seit 2001 ist sie mit den hinzugekauften Firmen S.A.I.M.,Teroson France, Henkel Chimie des Metaux und Novamax Franceunter dem Dach der Henkel Surface Technologies France tätig. ImFebruar 2001 vereinbarte Henkel mit Atofina, einer Tochtergesell-schaft von Total Fina Elf in Paris, das Metallbehandlungsgeschäft vonAtofina zu übernehmen. Das Geschäft umfasst Produkte für dieMetallumformung und Oberflächenbehandlung. Absatzschwerpunktesind Nordamerika und Europa.34

Die Aktivitäten in Frankreich sind heute unter der Geschäftsführungvon Dr. Jean-Pierre de Montalivet das wichtigste europäische Aus-landsgeschäft der Henkel-Gruppe.

Belgien

Mit Unterstützung seines Verbindungs- und Vertrauensmanns Willy Bon-nie konnte Henkel ab 1952 die S.A. Persil mit dem Waschmittelwerk inHerent von der belgischen Sequester-Verwaltung nach und nach zurück-erwerben. Noch im selben Jahr wurde die S.A. Persil liquidiert und statt-dessen die Nouvelle Societé Persil gegründet. In den folgenden Jahrenführte die Firma zahlreiche neue Wasch- und Reinigungsmittel in Bel-gien und Luxemburg ein, darunter auch Persil. Hergestellt und vermark-tet wurden ebenfalls P3- und Großverbrauch-Produkte.

Parallel zu den Aktivitäten der Nouvelle Societé Persil vertrieb die1947 gegründete Interoffice in Brüssel Klebstoffe, später auch Kosme-tik-Produkte der Khasana, Textil- und Lederhilfsmittel sowie Dehydag-Produkte. Die Klebstoffe wurden ab 1962 in Herent hergestellt und vonder Nouvelle Societé Persil vertrieben. 1972 fusionierten die NouvelleSocieté Persil und Interoffice. Gleichzeitig wurde das Unternehmen inHenkel Belgium umbenannt. Die sehr erfolgreiche Geschäftsentwick-

32 Henkel Geschäftsbericht1981, S. 39.

33 Henkel Geschäftsbericht1983, S. 20.

34 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 13.

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35 Siehe D 137 undLeitzbach/Schröder, Auslands-geschäft, S. 14–30.

36 Henkel-Blick 10/1976, S. 1und 4f.

37 Henkel Geschäftsbericht1992, S. 9.

38 D 137, Isabel Bracke,Unternehmensgeschichte HenkelBelgien und Niederlande, 2001.

lung von Henkel in Belgien prägten maßgeblich Willy Bonnie alsGeschäftsführer bis 1974 und anschließend als Verwaltungsratsvorsit-zender, Roger Martens als Geschäftsführer (1974–1987)35 sowie in denletzten Jahren die Benelux-Geschäftsführer Guido De Keersmaecker(1987–1991), Dr. Jochen Krautter (1991–1992), Pierre Brusselmans(1992–1995) und Dirk-Stephan Koedijk (1996–2000).

1976 legte Henkel Belgium den Grundstein für eine neue Produk-tionsstätte in Doel am linken Ufer der Scheldemündung, wenigeKilometer von Antwerpen entfernt. Geplant war ursprünglich ein gro-ßes Werk für die Produktion von Industriechemikalien, vor allem fürMethylcellulose. In späteren Ausbaustufen war auch an die Herstel-lung von Fettalkoholen und Wasserglas gedacht.36 Realisiert wurde1979 nur die Methylcellulose-Fabrik mit der notwendigen Infrastruk-tur. Der Standort Doel wurde 1987 in das weltweite Gemeinschafts-unternehmen Aqualon für wasserlösliche Polymere mit dem US-ame-rikanischen Partner Hercules eingebracht. Mit dem Verkauf derHenkel-Anteile von Aqualon 1989 ging das Werk an Hercules.

Ab den 1980er Jahren wurde eine Reihe innovativer Markenartikelauf dem belgischen Markt eingeführt, darunter Persil phosphatfreiund Thera-med als erste Einführung einer Henkel-Zahncreme im Aus-land. 1981 übernahm Henkel die auf dem Gebiet der Oberflächen-technik tätige Tecnimetal in Machelen, die Amchem-Lizenzinhaberinin Belgien, und integrierte sie in die Henkel Belgium. Seine Positionauf dem belgischen Aluminiummarkt stärkte der GeschäftsbereichOberflächentechnik 1996 erheblich durch den Erwerb der Firma Che-mical Application Engineering (CAE).

Die Waschmittel-Produktion in Herent wurde ab den späten 1950erJahren immer wieder vergrößert und modernisiert. 1992 ging dort dieerste Anlage zur Herstellung von hochkonzentrierten Universalwa-schmitteln nach dem Extrusionsverfahren (Megaperls) in Betrieb.37

1999 wurde in zwei Abfüllanlagen für Waschmittel-Tabs investiert.38

Niederlande

1950 erhielt Henkel seine Aktien an der seit dem Zweiten Weltkriegbeschlagnahmten Nederlandschen Persil Mij. in Amsterdam zurück.Dazu gehörte die alte Waschmittel-Produktionsstätte in Jutphaas.1952 kamen auch die Markenrechte wieder an Henkel. Sofort beganndas Unternehmen mit der Vermarktung seiner Wasch- und Reini-gungsmittel in den Niederlanden. Persil entwickelte sich schnellerfolgreich. 1959 führte Henkel Dixan als erstes Vollwaschmittel aufdem niederländischen Markt ein. An der positiven Entwicklung hatteGeschäftsführer Henrikus Snijders einen besonderen Anteil.

Die chemisch-technischen Produktgruppen vertrieb die 1917 gegrün-dete Chemphar N.V. mit Sitz in Amsterdam. Die Chemphar wurde1972 in Henkel Chemie umbenannt und 1974 von Henkel Nederlandübernommen.

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39 Henkel Geschäftsbericht1997, S. 37. Henkel Geschäfts-bericht 1998, S. 30.

40 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 11.

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Zur langfristigen Ertragssicherung im Benelux-Raum führte dieUnternehmensleitung 1978 die Geschäfte der Henkel Nederland undder Henkel Belgium in der Henkel Benelux zusammen.

Luxemburg

Der luxemburgische Markt wird von der Henkel Belgium bearbeitet.Im Großherzogtum selbst kaufte Henkel 1997 die WK Participations(Chemolux-Gruppe), die in Foetz Maschinengeschirrspülmittel undWasserenthärter produzierte und in mehreren europäischen Ländernvermarktete. Mit dem Kauf erwarb Henkel zugleich eine innovative„2-Phasen-Technologie“. Sie ermöglicht in Wasch- und Reinigungs-mittel-Tabletten die Trennung von Wirkstoffen, die sonst schon wäh-rend der Lagerung miteinander reagieren können. Ab 1998 setzten diein zwei Phasen wirkenden Somat Profi Tabs im deutschen Markt fürGeschirrspülmittel „einen neuen Akzent“.39

Großbritannien

Anders als in Frankreich versuchte Henkel nach 1945 nicht, in denbritischen Markt für Wasch- und Reinigungsmittel einzutreten, daauch hier die Firma Lever dominierte. Henkel führt bis heute keinWasch- und Reinigungsmittel-Geschäft in Großbritannien. Klebstoffeund Chemieprodukte wurden dagegen bereits seit den 1950er Jahrenüber freie Vertretungen vertrieben.

Der planmäßige Aufbau des britischen Henkel-Geschäfts begann1970 mit dem Erwerb der Londoner Chemiefirma Sipon Products. Sieproduzierte Textil- und Lederhilfsmittel und vertrieb auch oleochemi-sche Produkte der Dehydag. 1972 erwarb Henkel von der nieder-ländischen Firma Koninklijke Scholten-Honig den englischen Kleb-stoffhersteller Gordon Slater in Winsford einschließlich derVermarktungslizenz der Marke Solvite für Großbritannien und Irland.Im selben Jahr wurde Gordon Slater in Henkel Chemicals umbenannt,die seit 1976 ihren Sitz in London hat. Seit 1992 firmiert die HenkelChemicals schlicht als Henkel Ltd.

Solvite entwickelte sich zum bekanntesten britischen Tapetenkleister.Auf dieser Grundlage wuchs das Klebstoff-Geschäft, auch durch eineReihe kleinerer Akquisitionen, sehr erfolgreich. Dazu zählten bei-spielsweise 1984 die Firmen Monarch Adhesives und Alfred Adams,1986 Unibond und Copydex sowie 1989 das Nitromors-Geschäft mitFarben- und Lackabbeizern. Im Jahr 2000 erwarb Henkel die Multi-core-Gruppe auf dem Wege eines öffentlichen Übernahmeangebots.Multicore ist spezialisiert auf Lötpasten für die Montage von Kompo-nenten auf elektronischen Leiterplatten und stärkt die Loctite-Positionim globalen Elektronik-Segment.40

Zwischen 1976 und 1980 wurden kleinere Geschäfte auf den FeldernP3 und Großverbrauch akquiriert. Sie legten die Grundlage für dieVermarktung dieser Produktgruppen in Großbritannien. Ein Teil die-ses Geschäfts ging 1991 an Henkel-Ecolab. 1990 übernahm Henkel

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41 Henkel Geschäftsbericht1998, S. 18.

42 D 440, David Wright, BriefHistory of Schwarzkopf in theUK, 2001.

43 D 1866, David Melody,Henkel-Loctite in Ireland, 2001.Henkel Geschäftsbericht 2000,S. 26.

das Oberflächentechik-Geschäft der ICI, die eine Parker-Lizenz hatte.Mit dem Erwerb der ISS Darenas in Birmingham, eines führendenbritischen Anbieters von kompletten Systemlösungen in den Berei-chen Gebäudereinigung und Catering, durch Henkel-Ecolab im Jahr1998 konnten die Geschäftsfelder Hygiene und Großverbrauchgestärkt werden.41

Der Unternehmensbereich Kosmetik/Körperpflege übernahm 1992das Haarpflegemittel-Geschäft Henara von der britischen EuropeanBrands Group. Henara war überwiegend in den MarktsegmentenShampoos, Conditioner und Heimdauerwellen tätig. Auf dieserGrundlage gründete Henkel im selben Jahr eine Kosmetik-Sparte inGroßbritannien. Mit dem Erwerb von Schwarzkopf übernahm derUnternehmensbereich Kosmetik/Körperpflege auch die Friseur- undEndverbraucher-Aktivitäten in Großbritannien. Durch die Akquisitionvon Clynol hatte Schwarzkopf 1979 sein Friseurgeschäft in Großbri-tannien verdoppelt und 1991 die Marken Supersoft & Once vonReckitt & Coleman gekauft. Die Kosmetik-Aktivitäten von Henkelund Schwarzkopf wurden in der Schwarzkopf Ltd zentralisiert. Endeder 1990er Jahre führte Schwarzkopf für Heimanwender die Haarfar-ben-Marken Country Colours, Vital und Nordic Colours in Großbri-tannien ein, im Jahr 2000 auch die Marke Live Colour. Ebenfalls 2000wurde das britische Schwarzkopf-Friseurgeschäft Hauptlieferant derweltweit größten Friseursalon-Kette Regis.42

Irland

Klebstoffe und Chemieprodukte verkaufte Henkel auch in Irland abder zweiten Hälfte der 1950er Jahre über freie Vertretungen. Den Ver-trieb von Klebstoffen übernahm ab 1997 eine Filiale der britischenHenkel Chemicals von Dublin aus.

Die von Henkel 1997 übernommene Loctite-Gruppe startete 1967 inDublin mit der Produktion anaerober Klebstoffe. Hier fokussierteLoctite auch seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Cyan-acrylat-Kleber, mit der das Unternehmen weltweit marktführend wur-de. Nach der Ölkrise 1974 konzentrierte Loctite alle europäischenEntwicklungs- und Produktionskapazitäten auf die Region Dublinund schloss das ab den 1960er Jahren in den Niederlanden bestehen-de Werk. Im Jahr 2000 errichtete Loctite neue Produktionsanlagen zurHerstellung von Klebstoffen für medizinische Anwendungen und fürdie Mikroelektronik in Dublin. Im Frühjahr 2001 ging in Dublin eineReinraum-Fertigungsanlage für mikroelektronische und biomedizini-sche Produkte in Betrieb.43

Durch die Übernahme der US-amerikanischen General Mills Chemi-cals 1977 kam auch das irische Werk in Little Island bei Cork zu Hen-kel. Es ist die weltweit einzige Produktionsstätte der Henkel-Gruppefür die Bergbau-Chemikalie LIX (Liquid Ion Exchange), die eineumweltverträgliche Erzgewinnung ermöglicht, und für den Wasch-mittel-Bleichaktivator TAED (Tetra-Acetyl-Ethylen-Diamin).

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Dublin ist auch Sitz der Muttergesellschaft von „cc-chemplorer“. Die-ses Gemeinschaftsunternehmen von Henkel, BASF, Degussa, SAP-Markets, Bayer, Chemfidence, Deutsche Telekom sowie Kali+Salzentwickelt und vermarktet seit April 2001 einen elektronischenBusiness-to-Business-Marktplatz für den technischen Einkauf vonWaren und Dienstleistungen der chemischen und pharmazeutischenIndustrie.

Spanien und Portugal

Durch eine Verbindung zur Firma Solvay konnte Henkel 1950 Antei-le an der Productos Gota de Ambar (GdA) in Barcelona erwerben,einem Hersteller von Nahrungsfetten und Waschmitteln. Damitbegann der Aufbau des spanischen Geschäfts, das zunächst sehrschleppend verlief. 1960 übernahm Henkel die restlichen Anteile derGdA von Solvay. Anfang 1963 wurde die GdA in Henkel Ibéricaumbenannt.

Persil konnte sich auf dem spanischen Markt kaum durchsetzen. Auchdie übrigen Henkel-Waschmittel ließen sich zunächst nur schlechtabsetzen. Durch die personelle Reorganisation des Vertriebs, des Ein-kaufs und des Rechnungswesens konnte das Unternehmen – auchbeeinflusst von der wirtschaftlichen Erholung Spaniens – allmählichin die Gewinnzone gesteuert werden. Dabei leistete insbesondere die1968 gegründete Spanien-Kommission unter Vorsitz von WalterHarich ihren Beitrag zur Sanierung der Henkel Ibérica. Mit dem Kaufder Firma Mistol 1969 wollte Henkel sich einen Platz auf dem spani-schen Spülmittel-Markt sichern. Durch die Beteiligung von rund92 Prozent an der Ceras Alex in Madrid wurde 1986 das Angebot anFußboden- und Schuhpflegemitteln erweitert. Im selben Jahr kam derChlorbleichlaugen-Hersteller Plastrom in Barcelona hinzu.44

Im Herbst 1990 führte der Unternehmensbereich Kosmetik/Körper-pflege die zuvor in Frankreich sehr erfolgreiche Hautpflege-SerieDiadermine auch in Spanien ein. Durch den Erwerb der Konsumgü-tersparte Barnängen von Nobel Industrier 1992 kam die 1905 gegrün-dete La Toja Cosméticos in der Nähe der galicischen Hafenstadt LaCoruña mit der ältesten Körperpflegemarke in Spanien, der Feinseife„Sales des Aguas de La Toja“, zu Henkel. Das Werk ist heute die euro-päische Produktionsstätte für Mundhygiene und Zahnpflege.

Unabhängig von den Markenartikeln hatte Henkel ab den späten1950er Jahren, zunächst in Zusammenarbeit mit Fremdvertretungen,die Geschäfte mit chemisch-technischen Produkten in Spanien entwi-ckelt. Wesentlich für den Erfolg mit oleochemischen Erzeugnissenwar 1986 der Erwerb der Pulcra bei Barcelona, des bedeutendstenHerstellers von waschaktiven Substanzen in Spanien. Aus der Pulcrawurde 1999 die Cognis Ibéria. Sie erwarb im Jahr 2000 die Spezial-chemie-Firma Hispaño Química. Hauptabnehmer sind die Kosmetik-,Textil-, Farben- und Lederindustrie.45

44 D 120, D 140 und HenkelGeschäftsbericht 1986, S 17f.

45 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 42.

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Das Klebstoff-Geschäft wurde 1991 durch die Integration der Tero-son-Niederlassung bei Barcelona sowie 1995 durch die Akquisitiondes Industrieklebstoff-Herstellers Nural in der Nähe des Henkel-Standorts Montornés bei Barcelona gestärkt.

In Portugal vermarktete Henkel die chemisch-technischen Produktebis 1970 ausschließlich über selbständige Vertretungen. In diesemJahr erwarb Henkel in Lissabon die Klebstoff-Firma Intento und über-nahm von der Firma Occidente das Importgeschäft mit Henkel-Kleb-stoffen. Die Aktivitäten wurden unter dem Namen Henkel Portugue-sa Produtos Quimicos weitergeführt. In den Folgejahren erweiterteHenkel die Herstellung auf P3-Produkte und integrierte die oleoche-mischen Produktbereiche der freien Vertretungen in der Henkel Por-tuguesa.

Nachdem 1990 Persil in Portugal eingeführt worden war, übernahmHenkel ein Jahr später das Wasch- und Reinigungsmittel-Geschäftsowie Teile des Kosmetik-Geschäfts von der Sociedada Nacional deSaboes in Lissabon. Damit war die Grundlage für den Aufbau desportugiesischen Markenartikelgeschäfts gelegt.

1992 wurde die Henkel Portuguesa umbenannt in Henkel Ibérica-Sucursal Portugal. Sie bildet seitdem gemeinsam mit den spanischenHenkel-Firmen die Henkel-Ibérica-Gruppe. An der Henkel IbéricaS.A. ist die mit Henkel assoziierte The Clorox Company mit 20 Pro-zent beteiligt.

Maßgebliche Führungs-Persönlichkeiten waren die GeschäftsführerJuan Puig-Tolosa (1960 bis 1978), unter dessen Leitung das Spanien-Geschäft erstmals erfolgreich wurde, und Antonio Monerris (1978 bis1994), der den Ausbau zur Henkel-Ibérica-Gruppe vorantrieb, sowieist seit 1995 Alois Linder.

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Die erste produzierendeTochterfirma im Ausland:Henkel gründet 1913 einWerk in Pratteln bei Basel inder Schweiz.

Rechts: Luftaufnahme von1975.

Abfüllung von Dixan im WerkPratteln, 1975.

Rechts: Produktionsanlagender Henkel France in Reims.

Luftaufnahme vom WerkReims, 1985.

Rechts und unten: Abfüllungund Qualitätskontrolle desWaschmittels Le Chat inReims, 1990.

Das AuslandsgeschäftWesteuropa

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In Herent nimmt die Brüsseler S.A. Persil 1935

ein eigenes Werk in Betrieb:Hier werden Persil, Henco,

Sil, Imi und Ata für denbelgischen Markt produziert.

Das Waschmittelwerk, 1992 (links), und die

Dixan-Abfüllung, 1975, in Herent, Belgien.

Am laufenden Band: Witte Reus für den nieder-

ländischen Markt, 1975.

Rechts: Die Fabrik im niederländischen

Jutphaas, 1975.

In Jutphaas bei Utrechtbeginnt Ende 1932 die

Henkel-Produktion in denNiederlanden,

Foto von 1953.

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Luftaufnahme der HenkelIreland in Little Island beiCork, 1994.

Rechts: Abluftreinigung derLIX-Anlage in Irland, 1987.

Das europäischeForschungszentrum vonLoctite in Dublin, Irland.

Werbung auf einem Doppel-deckerbus für den Tapeten-kleister Solvite in Groß-britannien.

Rechts und unten: Lager und Verwaltung der HenkelChemicals im englischenWinsford, 1989.

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Abfüllung von Körperpflege-produkten im spanischenWerk La Toja der Henkel

Ibérica in der galicischenHafenstadt La Coruña, 2001

(rechts und oben).

Ganz rechts: Mischwerk fürdie „2in1“-Zahnpflege, 1999.

Das WaschmittelwerkMontornés des Vallés bei

Barcelona (rechts) und diespanische Henkel-Zentrale in

Barcelona, 1992 (unten).

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Südeuropa

46 D 135 und Leitzbach/Schrö-der, Auslandsgeschäft, S. 61f.

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Italien

Obwohl Henkel auf dem italienischen Waschmittelmarkt vor demZweiten Weltkrieg nahezu eine Monopolstellung eingenommen hatte,war der Aufbau der Waschmittelaktivitäten in Italien – ähnlich wie inSpanien und Frankreich – nach dem Zweiten Weltkrieg mit jahrelan-gen finanziellen Verlusten und Misserfolgen verbunden.

Die italienische Henkel-Tochter Societa Italiana Persil (SIP) mit Sitz inLomazzo bei Mailand war von der italienischen Regierung beschlag-nahmt worden und konnte erst in Kooperation mit dem Solvay-Konzernzurückerworben werden. 1955 gelangte die SIP wieder vollständig in denBesitz von Henkel. Der Waschmittel-Umsatz stieg ab der Einführung vonDixan im Jahr 1959 erheblich an. Dixan entwickelte sich auf dem italie-nischen Markt „zu einem Monolithen“ und kompensierte auch Verlusteim Persil-Geschäft. Die hohe Nachfrage nach Henkel-Produkten in Italienund das dynamische Wachstum während der kurzen Wirtschaftswunder-phase des „Miracolo“ führten zu Beginn der 1970er Jahre zur Errichtungeines weiteren Waschmittel-Produktionsbetriebes in Ferentino, 70 Kilo-meter südlich von Rom. Die Erfolge mit Wasch- und Reinigungsmittelnsowie Großverbrauch- und P3-Produkten machten die SIP zur umsatz-stärksten Gesellschaft der Henkel-Auslandsgruppe. Während dieser Peri-ode war Dr. Vittorio Fleischner als Delegierter des Verwaltungsrats maß-geblich an der guten Entwicklung des Unternehmens beteiligt.

Bereits 1951 hatten die Böhme und die Dehydag die Firma Reno inBologna gegründet. Sie vertrat die chemisch-technischen Produkteder Henkel-Gruppe in Italien als Vertriebsgesellschaft für Textil- undLederhilfsmittel, Basisprodukte für die kosmetische und pharmazeu-tische Industrie sowie für weitere oleochemische Produkte und Kleb-stoffe. 1971 wurde die Reno in Henkel Chimica umfirmiert.

Die Aufwärtsentwicklung in Italien wurde durch den krisenhaftenAnstieg der Inflation, die Arbeitslosigkeit und den Ausbruch sozialerSpannungen sowie Massenstreiks unterbrochen, die zu einem erheb-lichen Kaufkraftschwund beitrugen. Preiskämpfe auf dem Konsum-gütermarkt waren die Folge, auf die die italienische Regierung mitWirtschaftsreglementierungen reagierte. Dennoch gelang es Henkelsowohl bei den Markenartikeln als auch bei den chemisch-techni-schen Produkten ab den ausgehenden 1970er Jahren, auf dem italie-nischen Markt zu expandieren. Dies geschah durch den Ausbau derProduktionsanlagen mit moderner Technologie, die Erweiterung derProduktpalette sowie durch den Erwerb von Firmen wie der Chem-plast in Mailand (1977; Verkauf 1998), der Industrie Chimiche Finoin Fino Mornasco (1980), einem Hersteller oleochemischer Produkte,und der Klebstoff-Fabrik Sepa in Zingonia (1985).46

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Zum Wachstum in Italien trug 1979 auch der Erwerb einer 20-pro-zentigen Beteiligung an der Vidal SpA in Venedig bei, die bis 1980auf 67 Prozent erhöht wurde. Damit fasste Henkel im italienischenKosmetikgeschäft Fuß. Zu Beginn der 1990er Jahre trennte sich dasUnternehmen von Teilen dieses Geschäfts. Die verbleibendenGeschäftsbereiche Markenartikel, Chemieprodukte und Klebstoffewurden 1991 unter der einheitlichen Leitung von Dr. Giorgio Mirazusammengefasst. Im selben Jahr übernahm Henkel das Metallche-miegeschäft des bisherigen Parker-Lizenznehmers Paolo Granata inLodi. Mit dem Erwerb der Marke Bostik im Jahr 1993 erreichte Hen-kel eine führende Position im Markt der Kontaktkleber und Fugen-dichtungsmassen.

In Italien erwirtschaftet Henkel heute unter Führung von Dr. VicenzoVitelli (seit 1992) den zweithöchsten europäischen Auslandsumsatz.

Griechenland

Bereits in den 1960er Jahren vertrieben die Brüder Eleftherios und Stelios Trifon sowie Panajotis Kastrinis, die in Mitilini auf der grie-chischen Insel Lesbos ein von ihren Vätern ererbtes Olivenöl-Geschäftführten, auch Henkel-Produkte in Griechenland. Für den Import vonWasch- und Reinigungsmitteln sowie Großverbrauch-Produkten vonHenkel gründeten sie 1968 die Trifon Brothers-Kastrinis mit Sitz inAthen. 1989 übernahm Henkel 57 Prozent dieses Unternehmens undverschmolz es mit seiner 1971 gegründeten Henkel Hellas.

Das Geschäft mit chemisch-technischen Produkten führte Henkelüber verschiedene selbständige Vertretungs-Unternehmen. 1989 über-nahm Henkel 75 Prozent, 1990 die restlichen 25 Prozent an der A & NZachariadis in Athen, die Textil- und Lederhilfsmittel, P3-Produkteund Klebstoffe vertrieben. Die Firma wurde in Henkel Chimikaumbenannt. Von ihr übernahm die Henkel Hellas gleichzeitig dasKlebstoff-Geschäft. Nach der Gründung des europäischen Joint Ven-tures Henkel-Ecolab wurde 1991 das Hygiene-Geschäft von HenkelHellas und Henkel Chimika in die griechische Tochter von Henkel-Ecolab überführt. Alle verbleibenden Geschäfte der Henkel Chimikawurden Ende 1992 auf die Henkel Hellas übertragen und der Anteilvon Henkel an Henkel Hellas auf 92 Prozent aufgestockt. Heute hältHenkel 98,69 Prozent der Henkel Hellas.

1994 stärkte Henkel das griechische Klebstoffgeschäft durch Über-nahme der Firma Viafrel in Athen, auf die alle Aktivitäten mit Indus-trieklebstoffen übertragen wurden. Die Haarkosmetik wurde 1998 mitdem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an dem griechischen Haar-pflegehersteller Rilken in Athen ausgebaut.47

Ab den 1990er Jahren entwickelte sich ein guter Kontakt zwischender griechischen und türkischen Henkel-Tochter, der angesichts derpolitischen Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei nichtselbstverständlich ist.

329

47 D 165 und Leitzbach/Schrö-der, Auslandsgeschäft, S. 106–109. Henkel Geschäftsbericht1994, S. 9.

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Türkei

Bereits ab den frühen 1950er Jahren war Henkel gemeinsam mit demdamals noch selbständigen Kaufmann und Chemiker Alber Bilen mitden Produkten der Böhme Fettchemie – Leder- und Textilhilfsmitteln– in der Türkei über die Vertriebsfirma Caino aktiv. Als 1955/56absehbar war, dass Importe angesichts der Finanzkrise in der Türkeilangfristig unmöglich wurden, gründete Bilen mit lokalen Partnerndie Firma Kimyateks Ltd. in Istanbul, die diese Produkte in Lizenzherstellte. An dieser Firma beteiligte sich Henkel mit 25 Prozent,erhöhte die Anteile bis 1967 auf 50 Prozent und führte auch Kleb-stoffe sowie P3 ein. Gemeinsam mit den türkischen Anteilseignern,die als Geschäftsführer fungierten, konnte 1964 eine neue Fabrik fürchemisch-technische Produkte eingeweiht werden, das heutige Werkin Cayirova, 40 Kilometer von Istanbul entfernt. Hier werden seitherKlebstoffe, Industriereiniger und oleochemische Produkte herge-stellt.48

Bereits 1963 erteilte die Türkei die Genehmigung, den Namen derFirma in Türk Henkel umzuwandeln. Sie erhielt im Mai 1993 vonCerreted, dem Verband der türkischen Unternehmen für Umwelttech-nologie, eine Auszeichnung als „umweltfreundlichstes Unternehmen1993“.49

Die Anfänge der heutigen Henkel Turyag reichen zurück ins Jahr 1916:Damals wurde die Firma Turyag in Izmir als kleiner Olivenöl-Betriebgegründet. Im Lauf der Jahrzehnte erweiterte das Unternehmen seineProduktion: Es lieferte Öle und Fette für Bäcker und Schokoladen-Her-steller sowie andere Großverbraucher. Bereits 1936 hatte die Turyag dasWaschpulver Tursil eingeführt. Nach mehrfachem Eigentümer-Wechselbeteiligte sich die Henkel-Gruppe 1965 an der zu dieser Zeit von Muam-mer Tuksavul geführten türkischen Firma.50 Tuksavul wurde später Prä-sident des Verwaltungsrats der Turyag und fungierte anschließend nochviele Jahre als Berater von Henkel in der Türkei. 1974 wurde Sevki I.Figen Geschäftsführer der Turyag. Heute bilden Wasch- und Reini-gungsmittel den zweiten Schwerpunkt der Unternehmens-Aktivitätenneben den Nahrungsfetten für Groß- und Endverbraucher, darunter dieMargarine Yayla. 1996 wurde darüber hinaus auch die internationaleKörperpflege-Marke Fa mit vier Produkten in der Türkei eingeführt.

Die beiden türkischen Tochterfirmen übernahm Henkel zum 1. Januar1995 zu 100 Prozent. Vorher hatte das Unternehmen an der TürkHenkel 50 Prozent, an der Turyag 58 Prozent gehalten. Die Turyagheißt seitdem Henkel Turyag. Seit 1997 stehen beide Unternehmenunter einer einheitlichen Führung und haben eine gemeinsame Infra-struktur in der Verwaltung, im Finanz- und Rechnungswesen. Diezwei Firmen nutzen die sich seit den 1990er Jahren eröffnendenAbsatzmöglichkeiten in den ethnisch verwandten Republiken derGemeinschaft Unabhängiger Staaten. Die Türk Henkel steuerte darü-ber hinaus in den wichtigsten Produktfeldern die Geschäftsaktivitätenin Westasien. Die oleochemischen Aktivitäten sind inzwischen auchin der Türkei in die selbständige Gesellschaft Cognis ausgegliedert.

48 Leitzbach/Schröder, Aus-landsgeschäft, S. 110.

49 Henkel-Blick 2/1994, S. 10.

50 D 141. Henkel-Blick 3/1996,S. 9.

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Waschmittelproduktion imitalienischen Lomazzo

bei Mailand, 1971.

Blick auf das 1973 er-richtete zweite italienische

Waschmittelwerk in Ferentino, Foto von 1986.

Produktion in Griechenland:Fa Duschbad und

Neo-mat compact, 1990.

Waschvorführungen füritalienische Hausfrauen in

Genua und Predazzo, 1934.

Das AuslandsgeschäftSüdeuropa

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Griechische Henkel-Mitarbeiter im Gespräch,1990.

Bei der Turyag in Izmir:Abfüllung des WeichspülersVernel (links) und Brand-schutzkontrolle, 1989.

Das Werk der Turyag inIzmir, 1989.

Eine Auswahl türkischerHenkel-Produkte, 1989.

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Dänemark

Das skandinavische Geschäft nahm Henkel nach dem Zweiten Welt-krieg zunächst wieder in Dänemark auf. Die dänische Tochtergesell-schaft Persil Kompagniet mit Sitz in Kopenhagen produzierte undvertrieb anfangs Wasch- und Reinigungsmittel, dann auch Großver-brauch- und P3-Produkte. Darüber hinaus vertrieb sie von Henkel inDüsseldorf importierte Klebstoffe, Textil- und Lederhilfsmittel. 1961wurde die Firma in Skandinavisk Henkel umbenannt. Im selben Jahrkam das Waschmittel Dixan auf den dänischen Markt. Mit Großver-brauch-Produkten wurde ab 1964 von Kopenhagen aus auch derschwedische Markt versorgt.

Aufgrund der anhaltend schlechten Ergebnisse stellte Henkel in den1970er Jahren das Markenartikel-Geschäft in Dänemark teilweise undspäter vollständig ein. In den 1980er Jahren war die SkandinaviskHenkel die Führungsgesellschaft für die Henkel-Unternehmen inSchweden, Norwegen und Finnland.

1987 erwarb Henkel das Hygiene-Geschäft der Firma Tors Kemiska.Mit Gründung des Joint Ventures Henkel-Ecolab 1991 ging esgemeinsam mit dem profitablen Großverbrauch- und P3-Geschäft derSkandinavisk Henkel einschließlich der Fabrik in Valby bei Kopenha-gen auf Henkel-Ecolab über. Die Klebstoff-Aktivitäten wechseltenzur Henkel Byggeteknik in Vejle. Textil- und Lederhilfsmittel wurdenauf eine freie Vertretung übertragen, die auch die Zuständigkeit fürNorwegen und Schweden übernahm. Die übrigen Henkel-Chemie-produkte werden seit den 1950er Jahren von der FremdvertretungBrøeste in Kopenhagen vertrieben.51

Schweden

1959 hatte Henkel in Stockholm die Skandinavisk Henkel & Cie alsTochterfirma der dänischen Henkel-Gesellschaft gegründet, nachdemdas Bemühen um die Rückgewinnung der schwedischen Gesellschaf-ten ohne Erfolg geblieben war. Lediglich den Markennamen Persilkonnte Henkel 1962 für Schweden zurückerwerben. Alle Versuche,auf dieser Grundlage ein Wasch- und Reinigungsmittelgeschäft auf-zubauen, scheiterten. Ab Ende der 1960er Jahre beschränkte sichHenkel in Schweden auf Chemieprodukte und Klebstoffe, die übereine Fremdvertretung vermarktet wurden.52

51 Siehe D 103.

52 D 107 und Leitzbach/Schrö-der, Auslandsgeschäft, S. 53.

Nordeuropa

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Ebenfalls bereits 1959 wurde die Henkel Kemi in Malmö für dasIndustriereiniger-Geschäft gegründet. Den Schwerpunkt bildeten P3-Produkte für den Sektor Ernährung. 1978 fusionierte die HenkelKemi mit der vom Klebstoff-Bereich akquirierten Svenska Cordes.Das P3-Technik-Geschäft entwickelte sich erst ab 1982 durch dieÜbernahme des Lizenznehmers Bigner der US-amerikanischen Hen-kel-Tochtergesellschaft Amchem sowie durch die Übernahme desIndustriereiniger-Geschäfts der Kemek 1986. Von der Kemek kamauch die Produktionsstätte in Mölndal zu Henkel. 1987 kaufte Henkeldie Magnus-Industriereiniger von der schwedischen Ecolab-Tochter-gesellschaft Soilax und 1992 die Carclin-Produkte von der FirmaSolvclin. Heute werden die P3-Ernährungsprodukte von Henkel-Eco-lab aus Dänemark vermarktet. Für die Oberflächentechnik-Produktewurden Herstellung und Vertrieb in Nordeuropa bei der heutigen Hen-kel Norden am Standort Mölndal konzentriert.

Die Klebstoffe erhielten durch die Übernahme von Loctite 1997 dieProduktionsstätte Plastic Padding in Göteborg hinzu. Durch Loctiteverdoppelte sich ihr Umsatz in Skandinavien.

Ein breiter Markteintritt in den skandinavischen Haushalts- und Kos-metikmarkt gelang Henkel erst mit der Akquisition von Barnängen1992. Danach wurden alle Skandinavien-Aktivitäten von Henkelunter dem Dach der Führungsgesellschaft Nordisk Henkel in Stock-holm zusammengefasst, die 1998 in Henkel-Norden-Gruppe umfir-mierte. Ebenfalls 1998 erwarb Henkel das Friseurgeschäft der schwe-dischen R. Barlach in Stockholm.

Norwegen

Unter dem damaligen Geschäftsführer Sten Stensby wurde 1951 dieHenkel Skandinavisk für den Aufbau eines Geschäfts mit P3-Indus-triereinigern in Oslo neu gegründet. Henkel-Klebstoffe vermarktetedie Fremdvertretung Engebretsen in Oslo. In den 1960er Jahren nahmdie Vertretung Thors Kemiske, ebenfalls in Oslo, den Vertrieb von ole-ochemischen Produkten auf. Die Henkel Skandinavisk firmierte 1973in Henkel Norge um und übernahm zum P3-Geschäft auch das Kleb-stoff-Geschäft. Zusätzlich begann die Vermarktung von Großver-brauch-Produkten.

Durch die Akquisition der US-amerikanischen Nopco übernahm Hen-kel 1987 eine Produktionsstätte in Drammen. Von hier aus wurden alleChemie-Aktivitäten in Norwegen sowie das skandinavische Papier-hilfsmittel-Geschäft gesteuert. Nopco übernahm 1989 das Großver-brauch- und P3-Geschäft von Henkel Norge, bis es 1991 auf Henkel-Ecolab in Dänemark und auf die Henkel Kemi in Schwedenübertragen wurde. Die Klebstoffe blieben bis 1992/93 in der HenkelNorge. Seitdem wird dieses Geschäft von Stockholm gesteuert.

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53 D 105. Henkel Geschäftsbe-richt 1999, S. 17.

54 D 118.

55 Henkel Geschäftsbericht1996, S. 64.

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Nach dem Verkauf des amerikanischen Papierhilfsmittelgeschäfts derHenkel Corporation konzentrierte Henkel 1996 die europäischenAktivitäten mit Papierchemikalien in Drammen. 1999 verkaufte Hen-kel auch sie einschließlich der Produktion. Die übrigen Chemieakti-vitäten in ganz Skandinavien betreibt seit 1999 die Cognis Skandina-via von Drammen aus.53

Finnland

Die bereits 1930 für den Import von Waschmitteln gegründete OYPersil in Helsinki errichtete 1953/54 ein kleines Werk in Tuusula beiHelsinki. Hier wurden Großverbrauch-Produkte und P3-Industrierei-niger hergestellt und in Finnland vermarktet. Hinzu kamen Anfangder 1960er Jahre Handelswaren, insbesondere Klebstoffe. Da daswachsende Geschäft eine zentralisierte Lagerhaltung erforderte, wur-de 1966 auf einem eigenen Grundstück in Suutarila im Norden Hel-sinkis ein Lagerneubau errichtet. Aufgrund der verbesserten Möglich-keiten übertrug Henkel die bis dahin von freien Vertretungenvermarkteten oleochemischen Dehydag-Produkte auf die mittlerweileumfirmierte Suomen Henkel. Textil- und Lederhilfsmittel distribuier-te Henkel weiterhin und bis heute über eine finnische Fremdvertre-tung. Auf dem eigenen Gelände ging 1977 eine Produktion für P3-Industriereiniger, Großverbrauch-Produkte und Klebstoffe inBetrieb.54

Das finnische Geschäft blieb vom Volumen her für die Henkel-Grup-pe von geringer Bedeutung. Mit Beginn der Regionalisierung inNordeuropa durch das Gemeinschaftsunternehmen Henkel-Ecolab,das von Dänemark aus operierte, verlor Suomen Henkel 1991 einwesentliches Standbein. Im selben Jahr verlagerte Henkel auch dieOberflächentechnik-Produktion nach Schweden. Das Werk und dasLager in Suutarila wurden geschlossen. Übrig blieb ein Verkaufsbürofür Klebstoffe, das nun unter Henkel Liimat firmierte. Das 1997akquirierte Geschäft mit Polyurethan-Klebstoffen und Dispersions-klebern der Teollisuusliimat in Valkeakoski bei Tampere wurde in dieHenkel Liimat integriert. Auch das finnische Klebstoff-Geschäft steu-ert heute die Henkel Norden von Stockholm aus.

Die finnischen Firmen Hackman Havi und Tamkos, beide in Helsin-ki, sowie die schwedische Hackman Havi in Stockholm stärkten ab1997 die Geschäftsaktivitäten mit Wasch-/Reinigungsmitteln undKosmetikprodukten in den nordischen Ländern.55

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Henkel-Aktivitäten in Finn-land (oben und links), 1975.

Rechts: Henkel-Haus imdänischen Kopenhagen,1970.

Abfüllung von Waschmittelnund Großverbrauch-Produk-ten bei Henkel in Dänemark,1975.

In Kopenhagen gründetHenkel 1923 die ersteTochtergesellschaft außer-halb Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg, Foto von 1930.

Das AuslandsgeschäftNordeuropa

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Durch den Erwerb derKonsumgütersparte Barnän-gen gelingt Henkel 1992 ein

breiter Markteintritt in denskandinavischen Haushalts-

und Kosmetikmarkt: Vertriebs- und Produktions-

mitarbeiter in Schweden1995 sowie Barnängen-

Produkte 1992 und 2001(ganz unten).

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Mittel- und Osteuropa

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Österreich

Ab 1886 versuchte Firmengründer Fritz Henkel, sein Waschmittelüber ein Büro in Wien zu verkaufen. Der Henkel-Reisende Carl Pathewar im Jahr zuvor als Vertreter nach Wien gegangen. Ab 1893 ver-kaufte die Wiener Firma Gottlieb Voith Henkel’s Bleich-Soda in ganzÖsterreich-Ungarn. Von 1908 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegsvertrieb Voith sehr erfolgreich Persil. Ende 1927 wurde die PersilGesellschaft Henkel & Voith gegründet. Eine eigene Produktionsstät-te und ein Reisestab versorgten Österreich mit Henkel-Produkten.Tochtergesellschaften der Wiener Persil Gesellschaft entstanden inUngarn, der Tschechoslowakei und Jugoslawien. 1932 startete die P3-Produktion durch die Labor-fac in Wien.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Persil Gesellschaftbis 1951 unter öffentliche Verwaltung gestellt. Nach der Beseitigungder schlimmsten Kriegsschäden konnten 1947 Ata und 1950 Persilwieder produziert werden. Das Klebstoff-Geschäft wurde 1957 überdie Wiener Firma Colba aufgenommen. Ein Jahr später folgte dasKosmetik-Geschäft über die Firma Soterius & Co, die mehrmalsumfirmierte. Die Entwicklung des Unternehmens wurde ab 1959wesentlich durch den Generaldirektor Kommerzialrat Hans Lobnergeprägt. Mit der Einführung der Thompson-Produktpalette 1970gelang der Einstieg in den österreichischen Markt für Wohnungspfle-gemittel. Zum 1. Januar 1983 wurden alle österreichischen Henkel-Aktivitäten unter dem Dach der Henkel Austria Ges.m.b.H. in Wienzusammengeführt.

Durch den Erwerb von Collardin in Deutschland übernahm Henkel1956 die österreichische Collardin-Tochter und entwickelte darausdas Oberflächentechnik-Geschäft. Es wurde 1986 in die Henkel Aus-tria integriert. Das oleochemische Geschäft in Österreich vertrat nach1945 Wilhelm Weinzierl erfolgreich, bis es ebenfalls Mitte der 1980erJahre in die Henkel Austria integriert wurde. Aufgrund der abneh-menden Bedeutung des österreichischen Marktes für oleochemischeProdukte übernahm Ende der 1990er Jahre die Düsseldorfer Zentraledie Vermarktung der Chemieprodukte in Österreich.56

1984 besann sich die Henkel Austria – in der Düsseldorfer Konzern-zentrale überzeugend vorgetragen durch den damaligen Generaldirek-tor Kommerzialrat Prof. Franz Kafka – auf die alten Bindungen Öster-reichs zu mittel- und osteuropäischen Ländern. Kafka erreichte, dassdie Henkel Austria die Verantwortung für die Entwicklung derGeschäfte mit Wasch- und Reinigungsmitteln, Kosmetik- und Kör-perpflegemitteln, Klebstoffen sowie Produkten der Oberflächentech-nik erhielt. Chemieprodukte wurden und werden in Mittel- und Ost-europa über Fremdvertretungen vermarktet. Das Hygiene-Geschäftbearbeitet Henkel-Ecolab.

56 Siehe D 104 und HenkelAustria (Chronik-Buch fürJubilare), o. O. (Wien), o. J.(2000).

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57 Intern 4/1989 und 6/1990.Henkel Geschäftsbericht 1990,S. 7. Henkel Geschäftsbericht1991, S. 8.

58 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 43–45,118.

59 Henkel CEE kurzgefasst, Wien 2001.

Die Grundlage für die Erschließung der mittel- und osteuropäischenMärkte bildeten Exporte in die so genannten Devisengeschäfte, diedurch die Regierungen in den Ländern betrieben wurden. Ab 1985übernahm die Henkel Austria die Betreuung dieses Exportgeschäftsund intensivierte die Aktivitäten in Ungarn durch das erste Joint Ven-ture mit ausländischer Mehrheitsbeteiligung, aus dem die ungarischeTochtergesellschaft Henkel Budapest – die heutige Henkel Magya-rország – hervorging.57 Aufgrund der Öffnung Osteuropas konnteHenkel Austria – unter der Geschäftsführung von Jörg Koppenhöfer(1990 bis 1993) und Dr. Friedrich Stara (seit 1993) – im großen Stilexpandieren: Gleich 1990 gründete sie die Handels- und Produk-tionsgesellschaft Henkel Ungarn (inzwischen wieder aufgelöst); hin-zu kamen eine Reihe von Gemeinschaftsunternehmen in den einzel-nen mittel- und osteuropäischen Ländern. 1994 spaltete sich dieFirma auf in die Henkel Austria Gruppe (für den Raum Mittel- undOsteuropa) und in die Henkel Austria (für die operative Tätigkeit inÖsterreich). Ab 1995 fungierte die Henkel Austria Gruppe als Mut-tergesellschaft für alle Henkel-Unternehmen in Österreich und Mittel-europa. Damals verfügte Henkel unter diesem Dach bereits über 17Firmen in der Region.

Die gemeinsame Koordinierung der Aktivitäten in den neu erschlos-senen mittel- und osteuropäischen Märkten erwies sich vor allem auf-grund der Unsicherheiten, die durch die ungewisse politische undwirtschaftliche Situation in einzelnen Staaten entstanden war, alssinnvoll.58 Hinzu kam die regionale und mentale Nähe der Märkte, dieeinheitliche Marken- und Servicekonzepte für die Region sinnvollmachten. Dieser Firmen-Verbund, der mittlerweile 14 Staaten umfas-ste, wurde 1998 in der Henkel Central Eastern Europe (Henkel CEE)mit Sitz in Wien zusammengefasst. Im Jahr 2001 beschäftigt HenkelCEE 4.400 Mitarbeiter, davon 800 in Österreich. Die Regionalholdingdient im wesentlichen der Markt-Expansion und der Erschließungneuer Märkte. Sie ist neben Österreich verantwortlich für die LänderUngarn, Polen, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Rumänien, Kroa-tien, Jugoslawien, Bulgarien, Bosnien-Herzegowina, Estland, Lett-land, Litauen und Ukraine. Diese Region umfasst einen Markt mitmehr als 180 Millionen Menschen.59

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Ungarn

1926 wurde in Budapest die Persil-Fabrik Gottlieb Voith gegründet.Im folgenden Jahr nahm sie die Herstellung von Henkel-Produktenauf. Bis zum Zweiten Weltkrieg vertrieb die Firma in Ungarn Persil,Ata, P3-Produkte, Imi und Henko. In den 1930er Jahren war auch dasPutzmittel Sidol der Kölner Siegel-Werke erhältlich.

Schon im Jahr 1987 gründete Henkel mit drei ungarischen Partnerndie Henkel Budapest – das erste Joint Venture mit westlicher Mehr-heitsbeteiligung in Ungarn. Das Gemeinschaftsunternehmen vertriebab 1988 Wasch- und Reinigungsmittel sowie Kosmetika. Heute unter-hält Henkel vier Produktionsstandorte in Ungarn, die in der 1992gegründeten Henkel Magyarország zusammengefasst sind: In Körös-ladány werden flüssige Wasch- und Reinigungsmittel sowie Schuh-,Möbel- und Fußbodenpflegeartikel hergestellt. Bereits ab 1986 wur-den in Ungarn Henkel-Markenartikel in Lizenz produziert; dieZusammenarbeit führte 1990 zum Joint Venture Henkel Metakémia.Henkel Metakémia wurde 1993 eine hundertprozentige Tochterge-sellschaft der Henkel Austria und 1996 (rückwirkend mit 1993) auf-gelöst. Das Werk in Szolnok produziert Waschmittel, vor allem Persilund die erfolgreiche ungarische Marke Tomi. Der ehemalige Wasch-mittelbetrieb der Firma Tiszamenti Vegyi Myvek gehört seit 1992 zuHenkel, nachdem dort bereits vier Jahre lang Henkel-Produkte inLizenz hergestellt wurden. Klebstoffe werden seit 1990 in Vác beiHenkel Taurus produziert, seit März 1998 Bauchemikalien in Barcs.60

Polen

Die Firmengeschichte von Henkel in Polen begann bereits 1931.Damals gründete das Unternehmen eine Tochterfirma in Bydgoszcz(Bromberg): die Persil Polska. Sie bestand bis zur Enteignung 1945und produzierte Persil, Ata, Sil, Imi und Henko. Danach war Henkelauf dem polnischen Waschmittel-Markt lediglich durch Importe ver-treten.

Mit der Henkel Bautechnik in Staporków, südlich von Warschau, istHenkel seit 1990 wieder in Polen tätig. Auch in Wrzaca (seit 1996)und Dzierzoniów (seit 1999) werden Produkte der Ceresit-Palette her-gestellt. In Ciechanów ist seit 1998 Henkel Teroson Automotiveansässig. 1997 ging das Preapplied Coatings Center von Loctite inSosnowiec in Betrieb.

Die Henkel Polska mit Sitz in Warschau koordiniert seit 1994 denVertrieb der Henkel-Produkte in Polen. Sie ging aus einer Beteiligungam polnischen Waschmittel-Hersteller Pollena in Raciborz (Ratibor)1991 hervor. Heute werden hier Pulver-Waschmittel (vor allem Persil,Perwoll, Rex), Seifen (Fa, Bac und nationale Marken wie Kajtek undBobas) sowie Sulfonsäure für Henkel CEE produziert. Seit 1993 istHenkel-Ecolab in Krakau vertreten.61

60 D 114. Henkel CEE kurzge-fasst, S. 11f.

61 D 111 und D 176. HenkelCEE kurzgefasst, S. 13f.

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62 D 106. Henkel CEE kurzge-fasst, S. 10, 18.

Slowakei und Tschechien

Von 1929 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs belieferte die Persil-Gesellschaft in Litomerice (Leitmeritz) die gesamte Tschechoslowa-kei mit Persil, Imi und Ata. Der Wiedereinstieg in den tschechoslo-wakischen Markt gelang Henkel 1990 durch eine Lizenzproduktionvon Dato und Persil. Im selben Jahr entstand die Henkel CSFR, 1991das Joint Venture Henkel-Palma in Nové Mesto bei Bratislava. Hierwerden in der heutigen Slowakei Waschmittel für Mittel- und Osteu-ropa hergestellt; der Export-Anteil liegt bei 60 Prozent. Seit 1997 fir-miert das ehemalige Joint Venture unter dem Namen Henkel Slovens-ko. Neben Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetik- undKörperpflegeprodukten vertreibt Henkel Slovensko seit 1998 Kleb-stoffe und seit 1999 auch Oberflächentechnik-Produkte.

Die Spaltung der Tschechoslowakei führte 1993 zur Gründung dertschechischen Vertriebsgesellschaft Henkel CR in Prag. Sie vermark-tet Produkte aller Henkel-Unternehmensbereiche.62

Jugoslawien, Kroatien und Slowenien

1930 eröffnete Henkel im jugoslawischen Celje (heute in Slowenien)eine kleine Produktionsstätte, die bis 1941 Waschmittel herstellte. Imheutigen Jugoslawien repräsentiert die Henkel Jugoslavija in Belgraddas Unternehmen.

In Kroatien ist Henkel mit einer eigenen Vertriebsgesellschaft inZagreb aktiv, der Henkel Croatia. Während Wasch- und Reinigungs-mittel sowie Kosmetik- und Körperpflegeprodukte schon seit 1994erhältlich waren, kamen 1996 auch Klebstoffe auf den kroatischenMarkt.

Die Henkel Slovenija in Maribor betreibt heute den fünftgrößten Pro-duktionsstandort für Kosmetik- und Körperpflegeprodukte von Hen-kel in Europa. Hier werden alle Kosmetik-Produkte für den Vertriebvon Henkel CEE hergestellt. Henkel Slovenija ging 1998 aus dem1990 gegründeten Joint Venture Henkel-Zlatorog hervor. Zlatorogentstand nach dem Zweiten Weltkrieg aus der 1887 gegründeten„Chemische- und Seifenfabrik Maribor“, die Seifen, Soda, Kerzen,Zahnpasta und Glycerin herstellte. Ab Mitte der 1950er Jahre hatteZlatorog in Lizenz westliche Artikel für den jugoslawischen Markthergestellt, so auch ab 1957 für die Firma Schwarzkopf. Henkel hatteab 1968 chemische Rohstoffe an die Fabrik in Maribor geliefert.

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Bulgarien und Rumänien

Die 1994 gegründete Henkel Romania in Bukarest vertreibt seit 1995Wasch- und Reinigungsmittel sowie Kosmetik- und Körperpflegepro-dukte, seit 1996 auch Klebstoffe. Im Jahr 2000 ging in der Nähe vonBukarest eine erste Produktionsstätte zur Herstellung der bauchemi-schen Ceresit-Markenartikel in Betrieb.

Seit 1998 vertritt die Henkel Bulgaria in Sofia die klassischenGeschäftsaktivitäten von Henkel in Bulgarien.

Baltische Staaten

Die Persil Gesellschaft Memel belieferte ab 1932 die drei baltischenStaaten Litauen, Lettland, Estland aus dem litauischen Klaipeda mitden bekannten Henkel-Produkten. Nach dem Zweiten Weltkrieg blie-ben sie aus Lizenz-Produktionen in der Sowjetunion erhältlich.Schwarzkopf versorgte den Markt zunächst von Riga aus mit Bac,Dané und Taft.

Ab 1994 wurden Schwarzkopf-Produkte im Baltikum zunächst vonder in Tallinn/Estland gegründeten Escor-Gesellschaft vertrieben. Inden beiden folgenden Jahren wurde der Vertrieb über zusätzlich in Litauen und Lettland gegründete Gesellschaften auf diese Länder ausgedehnt. Diese Escor-Gesellschaften wurden 1999 in Henkel Eesti(Tallinn/Estland), Henkel Lietuva (Vilnius/Litauen) und Henkel Latvia (Riga/Lettland) umfirmiert. Im selben Jahr übernahmen dieseVerbundenen Unternehmen auch den Verkauf der Kosmetik-Produktevon Henkel. Zusätzlich steuert die Henkel Latvia den Vertrieb vonWasch- und Reinigungsmitteln in den drei baltischen Ländern. Persilwird bereits seit 1998 aktiv vermarktet. Die Loctite Balti ist seit 1993im estnischen Tartu ansässig. Aus diesem Verkaufsbüro ging 1998 dieHenkel Balti hervor. Produkte der Henkel Bautechnik sind seit 2001ebenfalls im Baltikum erhältlich.63

Ukraine

In Vyshgorod bei Kiew in der Ukraine eröffnete die Henkel Bautech-nik gemeinsam mit einem lokalen Partner im April 1999 ein Ceresit-Werk. Von hier wird das ukrainische Bauhandwerk mit qualitativhochwertigen Bauchemikalien beliefert. Die Produktionskapazitätdes Werks liegt bei 70.000 Tonnen jährlich. Ceresit wird aus derUkraine auch nach Weißrussland, Moldawien und in die Rostow-Region im Süden Russlands exportiert.64 Ebenfalls 1999 wurde inUzhgorod ein Gemeinschaftsunternehmen zur Herstellung vonWasch- und Scheuerpulvern sowie von Schuhcreme für Henkel CEEgegründet. Seit 2001 arbeitet die Henkel Ukraine als Vertriebsgesell-schaft.65

63 D 110, D 115. Henkel CEEkurzgefasst, S. 8f.

64 Henkel-Blick 5/1999, S. 9.

65 Henkel CEE kurzgefasst, S. 19.

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66 Henkel Geschäftsbericht1993, S. 9.

67 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 13.

Russland und Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)

Die Anfänge der Handelsbeziehungen zwischen Henkel und derSowjetunion reichen bis in die 1960er Jahre zurück. Nach dem Endedes Kalten Krieges wurden sie auf eine neue Grundlage gestellt: ImSeptember 1990 schloss das Unternehmen ein Joint Venture mit demFaserkombinat Chimvolokno. Das daraus hervorgegangene Gemein-schaftsunternehmen Sovhenk in Engels/Saratov an der Wolga produ-zierte auf den vorhandenen Anlagen rund 35.000 Tonnen pulverför-mige Waschmittel pro Jahr, so dass Henkel als erstes westlichesUnternehmen in Russland hergestellte Produkte anbieten konnte.

1993 erwarb Henkel Anteile des Wasch- und Reinigungsmittel- sowieKlebstoff-Herstellers Era AG in Tosno bei St. Petersburg. Im Werkmodernisierte Henkel die Produktionseinrichtungen und Abfüllanla-gen und installierte neue Umweltschutzeinrichtungen, Abwasserbe-handlungsanlagen sowie Abluftfilter.66 Bereits seit den 1980er Jahrenhatte Era als Lizenznehmer von Henkel den Kraftkleber Pattex unterdem russischen Markennamen Moment hergestellt und vertrieben.Moment ist heute im Bereich Konsumentenklebstoffe Marktführer inRussland. Seit 1999 produziert das Werk auch Industrieklebstoffe, diein Russland vermarktet werden.

Im Dezember 2000 übernahm Henkel 51 Prozent der Anteile an demWaschmittelhersteller OAO Pemos im zentralrussischen Perm. Weite-re 33,5 Prozent wurden 2001 übernommen. Neben modernen Anlagenzur Herstellung von Pulverprodukten verfügt Pemos über eine Anlagefür Flüssigprodukte und eröffnete Henkel damit auch den Zugang zudiesem Marktsegment. Mit der Akquisition wurde Henkel zum größ-ten Waschmittelhersteller in Russland.67

Der Unternehmensbereich Kosmetik/Körperpflege startete bereits vorAnbruch der Perestroijka mit der 1970 übernommenen Firma Gebrü-der Kleiner GmbH von West-Berlin aus mit reinen Exportgeschäftenin die Sowjetunion. Nach optimistischen Anfangserfolgen wurde dasGeschäft 1993 der Exportfirma Henkos Cosmetic übertragen, einemJoint Venture mit einer internationalen Consultingfirma in Gundelfin-gen bei Freiburg. Der Aufbau von Repräsentanzen in Moskau, Minsk(Weißrussland), Kiew (Ukraine) und Almaty (Kasachstan) folgten.Nach der Übernahme von Schwarzkopf durch Henkel einerseits undder politischen und wirtschaftlichen Spaltung der ehemaligen Sowjet-union andererseits integrierte Henkel 1998 die vorhandenen Kosme-tik-Geschäftsstrukturen in Moskau in die Schwarzkopf & HenkelZAO, eine Firma russischen Rechts in der Russischen Förderation.

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Um die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) weiter zu bear-beiten, wurde das Henkos-Modell nochmals kopiert und ebenfalls1998 die SHC Beauty Cosmetics GmbH mit Sitz in Freiburg alsExportgesellschaft gegründet. Sie vertreibt heute erfolgreich dieHauptmarken von Schwarzkopf & Henkel in den 11 unabhängigenLändern der GUS. Die Produktion besorgen zunehmend lokale russi-sche Hersteller. Im Zentrum der Markenstrategien in der RussischenFöderation und der GUS stehen die Marken Fa (Körperpflege),Schauma (Haarpflege), Taft und Gliss (Haarpflege), Poly Brillanceund Palette (Haarcolorationen) sowie ein starkes Friseurgeschäft.

Im Geschäftsfeld Oberflächentechnik wurden mit der Gründung einesJoint Ventures mit der OAO Plastik in Syzran im Jahr 2000 die Vor-aussetzungen geschaffen, an dem erwarteten Aufschwung der russi-schen Industrie, vor allem der Automobilindustrie, teilzuhaben. DasGemeinschaftsunternehmen Henkel Plastik Autocomponents produ-ziert und vertreibt Plastisole für Nahtabdichtungen und Unterboden-schutz sowie Polyurethanklebstoffe, die unter anderem zum Einkle-ben von Fahrzeugscheiben verwendet werden.68

Seit 2000 unterhält Cognis ein Repräsentationsbüro in Moskau fürTeilbereiche der Chemieprodukte.

68 Ebenda.

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Die Markenartikel vonHenkel Central Eastern

Europe (CEE), 2001.

Moderne Wasch- undReinigungsmittel-Produktion

in Wien (rechts und obenrechts): Pril, Ata und Persil,

1986.

Von der Zentrale in Wienkoordiniert Henkel CEE dieHenkel-Firmen in 15 mittel-

und osteuropäischen Ländern, Foto von 1999.

Das AuslandsgeschäftMittel- und Osteuropa

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Verwaltung der ungarischenHenkel Magyarország inBudapest, 1996.

Produktion des WaschmittelsRex in Szolnok, Ungarn,1996.

Pressekonferenz der HenkelBudapest anlässlich derNeueinführung von Persilund Fa in Ungarn im April1990: Istvan Fekete undFranz Kafka informieren die Journalisten.

Flaschenetikettierung desReinigungsmittels Clin beider Henkel Magyarország inKörösladány, 1996.

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Auf dem Wenzelsplatz inPrag: An einer Hauswand

wirbt Henkel mit der Weißen Dame für Henkel-

Markenartikel, 1991.

Rechts: Produktion imslowenischen Maribor, 1996.

Blick auf das 1887 unterdem Namen Zlatorog

gegründete Werk Maribor,1996.

Die Fabrik der Henkel Polskain Raciborz (Ratibor), 1996.

Rechts: Igora-Farbsystem-beratung im Wiener

Schwarzkopf Professional-Haarstudio.

Mitarbeiterinnen in derPackerei im polnischen

Raciborz 1996.

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Poly-Präsentation inKasachstan, 1995, undPlakatwerbung für Dixan inRussland, 1996.

Blick auf das Werk Era inTosno bei St. Petersburg,1996: Hier werden Wasch-und Reinigungsmittel sowieKlebstoffe produziert.

In der Produktion bei der Eralaufen 1996 rund 60.000Tonnen Waschmittel für denrussischen Markt vom Band.

Rollende Reklame in Moskau: Fa-Werbung vordem Kreml, 2000.

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69 „Henkel in USA“, in: HenkelGeschäftsbericht 1977,S. 10–43, hier S. 11. MehrereBesuchsberichte von HugoHenkel, die im Archiv desUnternehmens aufbewahrtwerden, sind farbige Schilderun-gen seiner Eindrücke undAnregungen, die ihm dieBegegnungen mit der US-Chemie vermittelten.

70 BvH 15, 1935, S. 289. BvH39, 1961, August-Ausgabe alsSonderheft zum Tod von JostHenkel, S. 3 und 8.

71 Siehe auch die Zusammen-stellung des Konzernarchivsunter O 22 vom 20.9.1994bezüglich der Entwicklung derBeziehungen Henkel zu Procter& Gamble (P&G). Das freund-schaftliche Verhältnis zwischenP&G und Henkel vor demZweiten Weltkrieg basierte aufdem 1932 abgeschlossenenLizenzvertrag zwischen Procter,Böhme und Dehydag über dieHerstellung von Fettalkoholen/Gardinol, der bis 1946 bestand.So auch die Einschätzung desHenkel-Beraters HelmuthWohlthat in seiner Aufstellungfür die Geschäftsführung, Betr.Entwicklung der Beziehungen zuP&G, 23.12.1953, in 333/1.

72 Siehe 153/8, Post-Protokoll,16.12.1952.

73 Erst Mitte der 1960er Jahreerlangte Henkel eine vergleichs-weise geringe Entschädigungs-zahlung für den Verlust seinesUS-amerikanisches Vermögens.

Nordamerika

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USA und Kanada

Bis zum Ersten Weltkrieg hatte Henkel keine ernstzunehmenden Akti-vitäten auf dem amerikanischen Kontinent entwickelt. Zwar hatte dieDegussa ab 1910 über ihre Tochterfirma Roessler & Hasslacher fürHenkel in kleinem Ausmaß Persil in die USA verkauft, doch der Aus-bruch des Ersten Weltkriegs und seine Folgen setzten diesen Aktivitä-ten ein Ende. Ab den 1920er Jahren exportierte Henkel Wasserglas indie USA. Ebenfalls in den 1920er Jahren reiste Hugo Henkel mehre-re Male in die USA, um die bestehenden Beziehungen zu amerikani-schen Firmen zu pflegen und neue aufzubauen.69 1928 holte er sichdort die Anregung zur Reinigung von Metalloberflächen mit Natri-umphosphat. Sie veranlasste ihn, zu Hause Versuche durchführen zulassen, die zur Entwicklung und Vermarktung der ersten P3-Reinigerfür Industrie und Landwirtschaft führten.

Über die beiden Tochtergesellschaften Böhme und Dehydag, diebereits ab den 1920er Jahren einen regen Exporthandel nach Überseebetrieben hatten, entstand ab den frühen 1930er Jahren der Kontakt zuProcter & Gamble. Dort arbeitete Jost Henkel 1934/35 als „einfacherVertreter“.70 Das freundschaftliche Verhältnis mündete in ein bis zumZweiten Weltkrieg bestehendes gleiches Marktverständnis. Die Kon-sumgüter-Interessen von Henkel blieben auf Europa und diejenigenvon Procter & Gamble auf Nordamerika und Großbritannienbeschränkt.71

Nachdem zu Beginn der 1950er Jahre das Exportgeschäft langsamwieder angelaufen und einige europäische Tochtergesellschaftenzurückerworben werden konnten, richtete Henkel den Blick erneutnach Übersee. Vor allem Jost und Konrad Henkel bemühten sich umeine Wiederaufnahme der guten persönlichen Kontakte in den USA.Allerdings schienen die Chancen für einen Einstieg in den US-ameri-kanischen Waschmittelmarkt, der von den „Großen Drei“ – Procter &Gamble, Unilever und Colgate-Palmolive – dominiert wurde, nichtzuletzt auch vor dem Hintergrund der eigenen finanziellen Situationgering.72

Auf dem Gebiet der anorganischen Produkte wie P3 sowie mit orga-nischen Produkten wie Textil- und Lederhilfsmitteln sowie Fettalko-holen konnte das Unternehmen dagegen mit Importen rasch auf demUS-amerikanischen Markt Fuß fassen. Ab Mitte der 1950er Jahreerwog Henkel, mit Hilfe eines starken Partners eine eigene Produk-tionsanlage für Fettalkohole in den USA zu errichten. Allerdingsscheiterte dieses Projekt an der Finanzierung, zumal der weitere Ver-bleib des in Aktien angelegten und unter Treuhänderschaft stehendenUS-Vermögens von Henkel immer noch völlig ungeklärt war.73

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Angesichts der anhaltenden Schwierigkeiten in der Entschädigungs-frage fragte sich Konrad Henkel zunehmend, ob sich das Unterneh-men überhaupt noch einmal auf dem US-amerikanischen Markt enga-gieren solle. Dennoch blieb er in der Folgezeit die treibende Kraft fürdas Amerikageschäft. Während sein Bruder Jost 1958 befürchtete,dass „der Laden viel zu groß“ würde, war Konrad davon überzeugt:„Für Henkel ist Europa nicht groß genug.“74

1959 erwarb Henkel die US-amerikanische Vertriebsfirma ChambersChemical Corporation, die 1950 für den Import von fettchemischenProdukten in die USA gegründet worden war. Im selben Jahr gründe-te das Unternehmen fünf Gesellschaften zum Schutz der Firmenna-men Persil und Henkel in New York. Diese Firmen – die Persil Cor-poration of America, Henkel Corporation of America, Böhme FettChemical Incorporation, Dehydag Corporation of America und TheraChemical Corporation – existierten de facto nur auf dem Papier, umzu verhindern, dass die Namen von anderen Nutzern angemeldet wur-den, wie es zuvor deutschen Firmen wie Horten, Demag oder Kauf-hof widerfahren war.75

Alle Bemühungen von Henkel, in den USA mit potenten Partnern einlukratives fettchemisches Geschäft aufzubauen, hatten bis 1960 kaumErfolg. Aus diesem Grund erwarb Henkel 1960 mit der Standard Che-mical Products Incorporated (SCP) mit Sitzen in Hoboken im US-Bundesstaat New Jersey (in der Nähe von New York) und Charlot-te/North Carolina eine kleine Chemiefirma zur Herstellung vonTextil- und Lederhilfsmitteln. Sie wurde auch zum Aufbau desGeschäfts mit oleochemischen Produkten und Klebstoffen genutzt.Dennoch war SCP kaum mehr als ein Brückenkopf zum Einstieg inden US-Markt, denn für amerikanische Verhältnisse hatte die Firmaaufgrund ihrer Größe keine Bedeutung. 1971 wurde die SCP in Hen-kel Incorporated umbenannt und ihr Verwaltungssitz nach Tea-neck/New Jersey verlegt.

Auch die weiteren Akquisitionen, die Henkel in den 1970er Jahren inden Bereichen Textil- und Lederhilfsmittel sowie Klebstoffe tätigte,hatten einen eher geringen Umfang. Nach der Übernahme der KepecChemical Corporation of Oak Creek in Milwaukee/Wisconsin, diedurch den Erwerb der deutschen Firma Kepec in Siegburg bei Bonnzu Henkel kam, und der Illinois Adhesives in Chicago/Illinois im Jahr1973 kaufte Henkel 1974 die Eastern Industrial Oil Products Compa-ny in Saugus/Massachusetts und 1975 die Textilana Corporation inLos Angeles.76

Während Henkel in Europa eine immer stärkere Marktstellung erlang-te, blieb die Bedeutung mit den erworbenen kleineren Aktivitäten indem großen Markt Nordamerika gering. Die Position der chemisch-technischen Industrieprodukte ließ sich durch eigenes Wachstumgegen die etablierte Konkurrenz schwer entwickeln. Eine adäquateMarktstellung war nur durch weitere größere Akquisitionen erreich-bar.

74 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 129f.

75 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 131f.

76 „Die ,Henkel Incorporated‘erschloss den US-Markt“, in:Henkel-Blick 8/1978, S. 4f.

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77 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 10. InterviewHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 2.

78 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 137.

79 Die Produktgruppe Nahrungs-mittelchemie verkaufte Henkel1985 wieder, da sie nicht zumProdukt-Portfolio von Henkelpasste.

80 Henkel Geschäftsbericht1977, Sonderkapitel „Henkel inUSA“, S. 10–43. „Henkelgruppiert US-Firmen neu“, in:Henkel-Blick 12/1978, S. 1. DieZusammenlegung der For-schung in Tucson/Arizonamachte die Henkel Corporationbis zum Beginn der 1980erJahre zu einem weltweitführenden Unternehmen fürExtraktionshilfsmittel (LIX =Liquid Ion Exchange), die inIrland zentral produziert werden.

Die Umsetzung dieser strategischen Erkenntnis wurde von Überle-gungen der Eigentümer-Familie Henkel begleitet, die zeitgleich aufeiner ganz anderen Ebene stattfanden: Seit dem Korea-Krieg, der1950 eine Phase von „Stellvertreterkriegen“ zwischen den „Super-mächten“ USA und UdSSR eröffnete, schien es deutschen Firmenimmer mehr geboten, sich eine sichere wirtschaftliche Basis außer-halb Europas aufzubauen. Nach Aussage von Helmut Sihler ging dieInitiative zur nun beabsichtigten verstärkten Erschließung des US-amerikanischen Marktes von Mitgliedern der Familie Henkel aus, diezu Beginn der 1970er Jahre beklagten, „in Amerika [...] nichts“ zuhaben: Als der Kalte Krieg seinen Höhepunkt erreichte, spielte „dieSicherung des Familienvermögens gegenüber den Russen [...] in denKöpfen eine große Rolle“.77 Neben den eigentlichen Marktinteressenforcierte Henkel aus diesem Grund seine Bemühungen, finanzkräfti-ge, erfahrene Partner in den USA zu finden. Ab 1973 bereitete ein inDüsseldorf gegründetes „Projektteam USA“ die weitere Expansiondes USA-Geschäfts durch Marktuntersuchungen, Lizenzabschlüssemit amerikanischen Partnern, Know-how-Transfer und Akquisitionenvor.78

Mit dem Erwerb der Chemiesparte von General Mills, der GeneralMills Chemicals Incorporated (GMCI) in Minneapolis/Minnesota,gelang es Henkel 1977, in neue Märkte vorzudringen. Der Nahrungs-mittel- und Konsumgüterhersteller wollte sich von seinem umfangrei-chen Chemiegeschäft trennen, das in Kankakee/Illinois unter anderemKunstharze für Klebstoffe, fettchemische Produkte sowie Erzeugnisseder Nahrungsmittelchemie und Bergbauchemikalien umfasste.79 Hen-kel gelang dadurch eine der bedeutenden Akquisitionen in seinerUnternehmensgeschichte, denn durch den Erwerb der ausländischenTochterfirmen von GMCI – etwa in Irland, Japan, Mexiko und Brasi-lien – konnte gleichzeitig die Position in anderen wichtigen Märktengefestigt werden. 1979 fusionierte die Gesellschaft mit der HenkelIncorporated zur Henkel Corporation, die nun 2.300 Mitarbeiter in elfProduktions- und Forschungsanlagen in den USA und Kanadabeschäftigte.80

Unter der Führung von Dr. Dieter Ambros wurden die Bereiche Kleb-stoffe, Oberflächentechnik/Hygiene und Chemieprodukte in den Fol-gejahren durch den Erwerb zahlreicher Firmen gestärkt: Gleichzeitigwar Ende 1979 die Henkel of America mit Sitz zunächst in New Yorkals Holding und Führungsgesellschaft für alle Nordamerika-Aktivitä-ten gegründet worden. 1989 verlegte sie ihren Sitz nach Gulph Mills/Pennsylvania.

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1980 erwarb Henkel auf dem Sektor der industriellen Reinigung dieAmchem Products Incorporated in Ambler/Pennsylvania, einen Spe-zialisten im Bereich der Metalloberflächenbehandlung. Die Amchembesaß neben vier Produktionsstätten in Nordamerika auch ein welt-weit verzweigtes Netz mit Lizenznehmern in mehr als 30 Ländernsowie Tochtergesellschaften oder Beteiligungen in Brasilien, Mexiko,Belgien und Südafrika. Das P3-Arbeitsgebiet „Reinigung in derErnährungswirtschaft“ wurde durch die Akquisitionen von Bonewitz(1981) und Pennwalt (1984) in den USA weiter entwickelt. Ebenfalls1980 kam der Klebstoff-Hersteller Ross Chemical Company in Detroit/Michigan hinzu; er wurde allerdings 1985 wieder verkauft.1987 konnte Henkel das Geschäft der Parker Chemical Company inDetroit/Michigan mit Produkten für die Behandlung metallischerOberflächen erwerben. Zusammen mit Amchem war damit die welt-weit führende Position für Metallvorbehandlung erreicht.81

Mit der Übernahme von Oxy Process Chemicals in Morristown/NewYork (auch unter dem Namen Nopco bekannt) von Diamond Sham-rock erzielte Henkel, ebenfalls 1987, einen bedeutenden Wachstums-sprung im Geschäft mit chemischen Produkten in den USA und zahl-reichen anderen Ländern.82 Von 1987 bis 1989 hatte Henkel unter demNamen Aqualon mit der Hercules Incorporated in Wilmington/Dela-ware ein weltweites Gemeinschaftsunternehmen zur Vermarktungwasserlöslicher Polymere. Sie dienen als Verdickungs- und Bindemit-tel in der Bau-, Farben- und Erdölindustrie.83 1989 verkaufte Henkelseinen Anteil an dem Joint Venture an Hercules.

Eine große Akquisition tätigte Henkel 1989 mit dem Erwerb der Eme-ry Group in Cincinnati/Ohio von der Quantum Chemical Corporation,New York. Die Übernahme dieses führenden amerikanischen Herstel-lers von oleochemischen Grundstoffen und Spezialchemikalien ausnatürlichen Ölen und Fetten eröffnete Henkel den breiten Zugangzum US-amerikanischen Oleochemie-Markt sowie zu neuen Techno-logien und Anwendungsgebieten und stellte in Verbindung mit demspäteren Bau einer Fettalkohol- und einer Alkylpolyglycosid (APG)-Anlage in Cincinnati eine „ideale Ergänzung des weltweiten Fettche-miegeschäfts von Henkel“ dar. Das Henkel-Geschäft in den USAerhielt durch die weitreichende Marketing- und Service-Organisationvon Emery „eine neue Dimension“.84

Die Investitionen des Unternehmensbereichs Chemieprodukte zieltenzu Beginn der 1990er Jahre vor allem auf neue Technologien, zumBeispiel eine Sulfieranlage in Kankakee/Illinois, eine Ethoxilierungin Charlotte/North Carolina sowie die bereits erwähnten Anlagen fürAPG und Fettalkohole in Cincinnati/Ohio. Sie wurden auf eine län-derübergreifende Produktion ausgerichtet; in Düsseldorf errichteteHenkel 1995 eine nahezu identische APG-Anlage für den europäi-schen Markt.85 Die APG-Technik hatte Henkel zur Ergänzung dereigenen Forschungsaktivitäten bereits 1988 durch Erwerb der Hori-zon Chemical Division von der Staley Continental, einer Tochterge-sellschaft der britischen Tate & Lyle, übernommen.

81 Henkel Geschäftsbericht1986, S. 18.

82 Siehe dazu auch „NeuerAuftakt in Amerika“, in: Henkel-Blick 5/1987, S. 1 und 4.

83 Ebenda.

84 Henkel Geschäftsbericht1989, S. 22.

85 „Tolle Tenside. DüsseldorferAPG-Anlage eingeweiht“, in:Henkel-Blick 5/1995, S. 1 und 6.

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86 Interview Helmut Sihler,26.5.2000, S. 11, und ergän-zendes Schreiben vom4.4.2001.

87 Intern 6/1974. Siehe auch„Henkel und Clorox vereinbarenZusammenarbeit“, in: Henkel-Blick 8/1974, S. 2.

88 Verwaltungsrat Henkel GmbH,2.4. und 17.12.1974. HenkelGeschäftsbericht 2000, S. 80.

Insbesondere die so genannten Partnerstrategien waren für Henkeleine schlüssige Antwort auf ein dreifaches Problem, wie Helmut Sih-ler erinnert: Wie kann zur Sicherung des Risikos der Familienaktio-näre gewinnbringendes Vermögen in den USA geschaffen werden?Wie kann sich Henkel Erfahrungen aus dem amerikanischen Marken-artikel-Markt zunutze machen? Wie können diese Ziele bei begrenz-tem Mitteleinsatz erreicht werden? Wesentliche Beteiligungen anmittelgroßen amerikanischen Unternehmen schienen die Lösung zusein. Drei Markenartikel-Firmen wurden angesprochen; zwei davonexistieren nicht mehr als selbstständige Unternehmen. Damit ist auchdie Interessenlage des Zielunternehmens beschrieben: Ein Großaktio-när, der zu einer langfristigen Bindung bereit ist, schützt vor uner-wünschten Übernahmeangeboten; er bringt technisches Know-howmit; er ist bereit, im internationalen Maßstab Produkte des Unterneh-mens einzuführen. Das erste Unternehmen, mit dem ein Vertrag unter-schrieben wurde, war The Clorox Company in Oakland/Kalifornien.

Dem Beispiel Clorox folgten Loctite und Ecolab, womit die Partner-strategie über den Rahmen der Markenartikel-Interessen hinaus-wuchs. Die Beziehungen zu den Partnern waren nicht ohne Krisen,der Nutzen für beide Seiten letzten Endes außerordentlich groß. Inden 1990er Jahren stammte rund ein Drittel des US-Gewinns vonHenkel aus Joint Ventures und Strategischen Allianzen.86

Der bereits 1974 mit Clorox unter diesen Aspekten abgeschlosseneKooperations- und Beteiligungsvertrag beendete auch Diskussionenin der Geschäftsführung über den Vertrieb von Henkel-Markenarti-keln in den USA. Der Vertrag sollte Henkel-Markenprodukten denEintritt in den US-Markt erleichtern. Clorox erhielt das Recht, in denUSA, Kanada und Puerto Rico von Henkel entwickelte Haushalts-und Großverbraucher-Produkte zu produzieren und zu vertreiben.87

Die Zusammenarbeit mit Clorox erstreckt sich auf den Austausch vonRezepturen, Marketing-Konzepten und Prüfmethoden. Darüber hi-naus besteht in einigen Ländern (vorwiegend in Osteuropa) eineZusammenarbeit bei der Produktion und Vermarktung von Haushalts-bleichmitteln. Die Allianz mit Clorox, die für Henkel bis heute ein rei-nes Finanzengagement ohne eigene Geschäftstätigkeit ist, war profi-tabel genug, um das weitere US-Geschäft zu finanzieren, zumalHenkel seine Anteile an Clorox bis heute auf 62,8 Millionen StückAktien erhöhte, dies entspricht einer Beteiligung von 26,6 Prozent.88

Ende Dezember 1989 erwarb Henkel stimmberechtigte Vorzugsaktiender Ecolab Inc. mit Sitz in St. Paul/Minnesota im Wert von 110 Milli-onen US-Dollar. Sie entsprachen einem Anteil von 13 Prozent. Eco-lab ist einer der weltweit führenden Anbieter von Reinigungs- undHygieneprodukten sowie -systemen für industrielle und institutionel-le Großverwender, beispielsweise Hotels und Gaststätten, Kranken-häuser oder Großkantinen. Mitte 1991 brachte Henkel sein europäi-sches Hygiene-Geschäft in das Joint Venture Henkel-Ecolab ein. Dasneue Gemeinschaftsunternehmen wurde Marktführer auf dem Gebietder institutionellen und industriellen Reinigung in Europa. Gleichzei-tig veräußerte Henkel sein außereuropäisches Hygiene-Geschäft an 353

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Ecolab und stockte die Beteiligung auf. Heute besitzt Henkel 32,2Millionen Stück Aktien von Ecolab Inc.; das entspricht einer Beteili-gung von 25,4 Prozent. Das europäische Joint Venture Henkel-Ecolabund Ecolab Inc. mit seinen Aktivitäten in den USA und in den übri-gen außereuropäischen Regionen sind gemeinsam Weltmarktführerauf dem Gebiet der institutionellen und industriellen Hygiene. Zum 2.Januar 2002 wird die Henkel-Beteiligung von 50 Prozent an Henkel-Ecolab mit Ecolab Inc. zusammengeführt. Im Gegenzug erhält Hen-kel die Möglichkeit, die Beteiligung an Ecolab Inc. auf 35 Prozent zuerhöhen. Durch die Zusammenführung wird die Basis für ein globa-les Hygiene-Geschäft gebildet, was im Rahmen des bisherigen Joint-Venture-Vertrages nur eingeschränkt möglich war.89

Die Übernahme der Loctite Corporation mit Sitz in Hartford/Connec-ticut für 1,3 Milliarden US-Dollar 1997 war bislang die „bei weitemgrößte Akquisition in der Firmengeschichte von Henkel“. Bereits1985 hatte Henkel knapp über 25 Prozent der Loctite-Stammaktienvon der Gründerfamilie Krieble erworben und diese Beteiligung bis1996 in mehreren Schritten auf 35 Prozent aufgestockt. Loctite stell-te mit einem Jahresumsatz von über 800 Millionen US-Dollar undweltweit rund 4.500 Beschäftigten hochwertige Klebstoffe für eineVielzahl spezieller Anwendungen her. Beispiele sind die Sicherungvon Schraubverbindungen, das luftdichte Verschließen von Maschi-nenelementen im Fahrzeugbau, Hochleistungsklebstoffe für Gummi,Kunststoff, Glas, für elektrische Verbindungen sowie für den Heim-werkerbedarf. Mehr als die Hälfte des Umsatzes entfiel auf indus-trielle Abnehmer, etwa ein Viertel auf den Endverbrauchermarkt undder übrige Teil auf das Kfz-Handwerk. Regional gesehen wurdenmehr als ein Drittel des Umsatzes in Nordamerika und rund 40 Pro-zent in Europa erzielt. Mit Loctite konnte Henkel seinen Kunden eine„optimal ergänzte Palette“ an technologisch hochentwickelten Kleb-stoffen anbieten. Der Erwerb eröffnete Henkel auch den Zugang zumwichtigen amerikanischen Endverbraucher-Markt.90

Die Henkel of America hatte 1993 mit der Lord Corporation inErie/Pennsylvania das Joint Venture Liofol Company mit Sitz inCary/North Carolina gegründet. Das Gemeinschaftsunternehmen pro-duziert Kaschierklebstoffe für die Herstellung von Verbundfolien.Damit wurde das internationalie Industrieklebstoff-Geschäft vonHenkel gestärkt. Bereits ab 1960 hatte eine Lizenz-Vereinbarung zwi-schen Henkel und der Lord Corporation bestanden. Dadurch warHenkel der Eintritt in den Markt der Gummi-/Metall-Bindemittelgelungen, vor allem zur Fertigung schwingungsdämpfender Elemen-te im Fahrzeug-, Flugzeug- und Brückenbau. Das Geschäft mit diesenProdukten unter dem Dachnamen Chemosil ist heute ein Spezialge-biet der Industrieklebstoffe von Henkel.

Die Akquisition von United Resins Products in Green Brook/NewJersey verstärkte 1996 die Henkel-Position bei Heißschmelzklebernund brachte mit zusätzlichen Produktionsstandorten eine bessereMarktabdeckung in den USA.

89 Henkel Geschäftsbericht1989, S. 22, Henkel Geschäfts-bericht 1990, S. 8 und 20.Henkel Geschäftsbericht 1991,S. 18, Henkel Geschäftsbericht2000, S. 17 und 80.

90 Henkel Geschäftsbericht1996, S. 7 und 30.

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91 Henkel Geschäftsbericht1998, S. 17.

92 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 11.

93 Henkel Geschäftsbericht1996, S. 7f.

94 Henkel Geschäftsbericht1997, S. 12.

1998 übernahm Henkel die Manco Inc. in Avon/Ohio. Das Unterneh-men verfügt über eine breite Palette an Klebebändern, Heimwerker-produkten, Schreib- und Papierwaren sowie Bastelbedarf. Henkel istnach dieser Übernahme im gesamten nordamerikanischen Raum einführender Anbieter von Klebebändern für den Do-it-yourself-Sektorund Konsumentenklebstoffen. Diese Akquisition veranlasste Henkel,das Klebstoffgeschäft für Endverbraucher in den USA und in Kanadaneu zu ordnen: Die kanadischen Geschäfte von Le Page in Bramp-ton/Ontario – wie Henkel 1876 gegründet und 1995 von Henkel über-nommen –, Canadian Adhesives in Quebec, 1996 erworben, sowie dasUS-amerikanische Konsumenten-Klebstoffgeschäft von Loctite wur-den unter die einheitliche Führung von Manco gestellt.91

Eine Investition in den Zukunftsmarkt Mirkoelektronik war im Jahr2000 der Erwerb des überwiegenden Teils des Polymer-Spezialisten-geschäfts von Dexter in Windsor Locks/Connecticut. Das Geschäftumfasst Produkte für die Montage von Bauelementen auf Leiterplat-ten für elektronische Geräte sowie Klebstoffe für weitere anspruchs-volle industrielle Anwendungen, unter anderem in der Luft- undRaumfahrtindustrie. Ebenfalls hinzu kam die Power Devices in Lagu-na Hills/Kalifornien, ein Spezialanbieter von Chemieprodukten zurbesseren Wärmeableitung in elektronischen Geräten wie Mobiltelefo-nen und Computern. Damit war das Ziel nahe gekommen, „Henkel zueinem weltweit führenden Komplettanbieter für Montagematerial inder Elektronik zu machen“.92

Zu einer bedeutenden Stärkung des Metallchemie-Geschäfts führte1996 die Übernahme der Novamax Technologies in Atlanta/Georgiamit 340 Millionen Mark Umsatz. Die 800 Mitarbeiter stellten Pro-dukte und Systeme her zur Behandlung metallischer Oberflächen füreine Vielzahl von industriellen Kunden. Dazu zählten Hersteller vonBandstahl, Aluminiumfassaden, Getränkedosen, Haushaltsgerätenund Landmaschinen sowie die Automobilindustrie und deren Zuliefe-rer in 23 Ländern.93 Hinzu kamen ebenfalls 1996 die Thiem Automo-tive Division mit Sitz in Oak Creek bei Milwaukee/Wisconsin, einHersteller von Kleb- und Dichtstoffen sowie Korrosionsschutzmittelnfür die nordamerikanische Automobilindustrie, und 1997 die Diversi-fied Technology Inc. (DTI) in San Antonio/Texas, ein Produzent vonGleitmitteln für die Dosenindustrie.94 Auch der im Februar 2001 ver-einbarte Erwerb des Metallbehandlungsgeschäfts von Atofina stärktdie Position von Henkel Surface Technologies in Nordamerika, dennzwei Drittel dieses Umsatzes entfallen auf die USA.

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Während die Geschäfte mit Chemieprodukten, Klebstoffen und Pro-dukten für die Metalloberflächenbehandlung kontinuierlich ausgebautwurden, war Henkel in den US-Märkten für Markenartikel zunächstweiterhin unterrepräsentiert. Einzig die strategische Partnerschaft mitClorox existierte. Mit der Akquisition des HaarpflegespezialistenDEP Corporation in Los Angeles begann die Henkel-Gruppe erst1998 mit der Erschließung des nordamerikanischen Marktes für Kos-metik und Körperpflege. Die Firma wurde umbenannt in Schwarz-kopf & DEP – 2001 auf die Henkel Corporation verschmolzen – undist mit den beiden Serien L.A. Looks und DEP in den USA ein füh-render Anbieter im Styling-Segment. „Sehr begrenzt“ war allerdingsdie Resonanz der Verbraucher in den USA und in Kanada auf die Ein-führung der Körperpflege-Marke Fa seit 1999.95

1999 wagte Henkel auch den Eintritt in den überaus wettbewerbsin-tensiven nordamerikanischen Waschmittelmarkt: Aus dem Joint Ven-ture mit The Dial Corporation in Scottsdale/Arizona ging ein Gemein-schaftsunternehmen zur Entwicklung und Vermarktung hochwertigerWaschmittel in Nordamerika hervor.96 Da die Geschäftsentwicklungder Marke Purex Advanced jedoch „weit unter unseren Erwartungen“blieb, wie Waschmittel-Vorstand Dr. Klaus Morwind Anfang Januar2001 bilanzierte, wurde das Dial/Henkel-Gemeinschaftsunternehmen„auf eine neue Basis gestellt“. Ein eingeschränktes Joint Venture inden USA führt seitdem lediglich das „Custom Cleaner“-Geschäft fort(Trockenreinigung im Wäschetrockner). Stattdessen will Henkel dieMarketing-Bemühungen nun „besser auf ausgewählte Wachstums-märkte auf dem amerikanischen Kontinent, wie zum Beispiel Mexi-ko, konzentrieren“.97

95 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 8.

96 Henkel Geschäftsbericht1999, S. 2. Henkel-Blick6/1999, S. 7.

97 D 646, Henkel-Pressemel-dung „Änderungen im Dial/Hen-kel Waschmittel-Joint Venture“,3.1.2001.

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98 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 149–156.

99 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 12f.

Lateinamerika

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Mexiko

Henkel nahm schon vor dem Zweiten Weltkrieg über die Tochterge-sellschaften Böhme und Dehydag den Vertrieb von Textil- und Leder-hilfsmitteln in Mexiko auf. Politische Unsicherheiten und protektio-nistische Tendenzen führten vorübergehend dazu, die Position vonHenkel in Mittel- und Südamerika zu erschüttern. Doch nach der poli-tischen Stabilisierung erwarb das Unternehmen 1964 eine Beteiligungan der Onyxmex in Tlalnepantla, die fortan unter Henkel Onyxmexfirmierte und ihre Produktion um Henkel-Produkte, insbesondereFettalkoholsulfate, erweiterte. 1967 wurde das Mexiko-Geschäft, dasmit hohen Verlusten arbeitete, durch den Erwerb der Firma Organo-quimica Mexicana in Ecatepec gestärkt. Ab 1971 firmierte die HenkelOnyxmex als Henkel Mexicana. 1973 wurde auch die Organoquimi-ca umbenannt, und zwar in Quimica Henkel, um den Nachteil des feh-lenden Hersteller-Namens bei den meisten Produkten auszugleichen.

Ab der zweiten Hälfte der 1970er und in den 1980er Jahren geriet dasmexikanische Geschäft durch die hohe Inflationsrate und die steigen-den Rohstoffpreise unter starken Druck. Dennoch konnte Henkel sei-nen Mengenabsatz und Umsatz in allen Produktgruppen der Chemie-palette erheblich erhöhen.

1988 erweiterte das Unternehmen die Mexiko-Aktivitäten durch denvollständigen Erwerb der Gemisa S.A. de C.V. in Mexico City, einenHersteller von metallchemischen Produkten. Nachdem sich gegenEnde der 1980er Jahre die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen inMexiko durch die Senkung der Inflationsrate und die Liberalisierungvon Importen (NAFTA, 1992) stabilisiert hatten, sind seit 1991 sämt-liche Henkel-Aktivitäten in der Henkel Mexicana zusammengefasst.98

Im Jahr 2000 erwarb Henkel den Waschmittelhersteller Salgado inToluca und ist dadurch auch im zweitgrößten WaschmittelmarktLateinamerikas vertreten. Anfang 2001 übernahm Henkel das mexi-kanische Universalwaschmittel- und Seifen-Geschäft mit der MarkeViva, Know-how und ausgewählten Produktionsanlagen von Colgate-Palmolive.99

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Brasilien und Argentinien

Zu Beginn der 1950er Jahre hatten die Henkel-Tochterfirmen BöhmeFettchemie und Dehydag erste Erfahrungen in Brasilien gewonnen.Sie verkauften ihre Produkte erfolgreich über die Indústrias Quimicasdo Brasil in São Paulo, die dem deutsch-tschechischen Geschäfts-mann Hermann Back gehörte. Er gründete die Firma DetergentaIndustrial, an der sich Henkel 1955 mit 75 Prozent beteiligte. DasUnternehmen wurde in Henkel do Brasil umbenannt und nahm auchdas einige Jahre zuvor gestartete P3-Geschäft auf. 1957 begann aufeinem Grundstück in Jacarei der Bau einer Fabrik für Dehydag- undP3-Produkte sowie für die Textil- und Lederhilfsmittel der BöhmeFettchemie. Die Produktion lief 1958 an.

In der Folgezeit erschwerten eine rückläufige Nachfrage, die politi-schen Umstände im Rahmen der Kuba-Krise sowie Unstimmigkeitenmit den übrigen Anteilseignern die Führung der Gesellschaft. Erstnach einem personellen Wechsel in der Geschäftsleitung und Über-nahme der restlichen Partner-Anteile 1964 konnte Henkel do Brasil inder zweiten Hälfte der 1960er Jahre in die Gewinnzone gesteuertwerden. 1966 begann die Klebstoffproduktion.

In wirtschaftlicher Hinsicht hatte sich die Situation in Brasilien deut-lich verbessert: Wie andere europäische Firmen schätzte auch Henkeldie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Südamerika trotz derhäufigen Währungsdisparitäten positiv ein und baute Brasilien zumzentralen Stützpunkt für die weitere Expansion nach Argentiniensowie später nach Chile und Paraguay aus.100

Nachdem das Unternehmen 1969 den argentinischen Markt für che-misch-technische Produkte sondiert hatte, erwarb Henkel im selben Jahrdie Firma Franchini in Buenos Aires für die Herstellung von Dehydag-und P3-Produkten, Klebstoffen sowie Textil- und Lederhilfsmitteln.Franchini wurde in Henkel Argentina umbenannt und aus Brasilien gelei-tet. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situationin Argentinien blieb das Geschäftsergebnis bis zum Ende der 1970er Jah-re negativ. Daher stellte Henkel die Produktion in Argentinien 1980 ein.Der argentinische Markt wurde komplett von Brasilien bedient.

Eine Stärkung des Fettchemiegeschäfts war 1986 die Übernahme derAcidos Graxos Fracionados in São Paulo.101

Während Henkel von der Aufnahme des Waschmittelgeschäftes inArgentinien Abstand genommen hatte, erschloss das Unternehmen1972 mit der Übernahme der Swift Armour in São Paulo, dem nebenUnilever führenden Waschmittelhersteller in Brasilien, den brasiliani-schen Waschmittelmarkt. Henkel gründete die Henkel ProdutosDomésticos, die 1976 mit der Henkel do Brasil zur Henkel IndústriasQuimicas fusionierte. Im Werk Campinas, in dem Markenartikel her-gestellt wurden, ging 1980 eine neue Sulfonieranlage in Betrieb,damals die größte ihrer Art in Lateinamerika und innerhalb der ge-samten Henkel-Gruppe.

100 D 119. Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 157–167.

101 Henkel Geschäftsbericht1986, S. 18.

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102 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 165.Henkel Geschäftsbericht 1994,S. 11. Henkel Geschäftsbericht1995, S. 11. Henkel Geschäfts-bericht 1996, S. 8.

103 Henkel Geschäftsbericht1998, S. 38.

104 Henkel Geschäftsbericht1985, S. 21.

105 „Chile klebt kräftig“, in:Henkel-Blick 4/1993, S. 9.

Das Chemie-Geschäft in Brasilien entwickelte sich überaus erfreulichund Henkel avancierte auf den Gebieten der Kosmetik-Rohstoffe undLederhilfsmittel bereits 1978 zum Marktführer; jedoch gelang es auf-grund des Wettbewerbsdrucks nicht, auch das Waschmittelgeschäft indie Gewinnzone zu führen. Daher trennte sich das Unternehmen 1984von dieser Sparte, unternahm aber 1995 mit dem Erwerb einer Betei-ligung von 25 Prozent an der Bombril SA einen erneuten Versuch imWaschmittelgeschäft. Doch auch dieser Versuch misslang: NachdemGespräche zur Übernahme weiterer Anteile an Bombril ohne Erfolgbeendet worden waren, veräußerte Henkel seine Anteile an Bombril1996 wieder.102

1987 erwarben die Chemieprodukte in Argentinien eine 49-prozenti-ge Beteiligung an der Axxa in Buenos Aires, einem Hersteller vonEmulgatoren und Lebensmittel-Zusatzstoffen. 1995 übernahm Hen-kel das Geschäft mit Kleb- und Dichtstoffen für die Automobilindus-trie von der Argenpisa in Buenos Aires. In Brasilien wurde im selbenJahr die Tenaz Colas in São Paulo mit dem Klebstoff-Geschäft unterder Marke Tenaz übernommen. Henkel Teroson kaufte 1996 zur Ver-stärkung des Oberflächentechnik-Geschäfts die Firma Takiplas, dieKleb- und Dichtstoffe für die Automobilindustrie produzierte und ver-trieb. 1998 erwarb Henkel die Firma Tirreno in São Paulo, den zweit-größten Kleb- und Dichtstoffhersteller Brasiliens. In diesem Segmenterreichte Henkel nach Zusammenführung aller Aktivitäten die Markt-führerschaft.103

Chile

In Chile erwarb Henkel 1985 einen Anteil von 25 Prozent an der Qui-mica Härting in Santiago de Chile, einer Firma, die sich mit Kleb-stoffen, Alkyd- und Polyesterharzen sowie Bauhilfsstoffen bereitseinen Namen gemacht hatte.101 Mit dem einsetzenden Know-how-und Personal-Transfer aus Düsseldorf konnten die Umsatz- undErtragslage sowie die marktführende Position der Quimica Härtinginnerhalb kürzester Zeit verbessert werden. Henkel erhöhte seineAnteile an dem 1993 in Henkel Chile umbenannten Unternehmen105

schrittweise auf 100 Prozent im Jahr 1996. Vermarktet wurden zusätz-lich auch Produkte zur Oberflächenbehandlung und Chemieprodukte.

Weitere Henkel-Aktivitäten sowie Verbundene Unternehmen derGeschäftsbereiche Klebstoffe, Kosmetik/Körperpflege, Oberflächen-technik und Chemieprodukte (Cognis) befinden sich in der gesamtenRegion Lateinamerika.

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Im Werk Hoboken/NewJersey: Untersuchungen imLabor und in der Produktion,1988.

Weltweit führend in derMetallvorbehandlung:Parker + Amchem in Warren/Michigan, 1988.

Technologiepartner in derFormel 1: Loctite-Produktekommen bei mehr als 80 verschiedenen Anwen-dungen im West McLarenMercedes zum Einsatz,2001.

Ein weiteres Spezialgebietvon Loctite-Klebstoffen: die Oberflächenmontageelektronischer Bauteile,2001.

Rechts: Duck Tape-Klebebänder von Manco im Einsatz, 2001.

Das AuslandsgeschäftHenkel in den USA

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Henkel-Mitarbeiter und -Trucks in den

US-amerikanischen WerkenWarren/Michigan,

Kankakee/Illinois undCharlotte/North Carolina,

1988.

Seit 1974 hat Henkel mitThe Clorox Company in den

USA einen Kooperations- undBeteiligungsvertrag:

Clorox-Produktpalette, 1998.

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Im Werk Kankakee/Illinois in den USA, 1988.

Lösemittel sicher gelagert:oberirdisches Tanklager imKlebstoffwerk von LePage im kanadischen Brampton,1996.

Die Verwaltung der HenkelMexicana in Mexico City inder ersten Etage diesesBüro-Hochhauses, 1981.

Rechts: Produktionsstätteder Henkel Mexicana inEcatepec, 1989.

Henkel Chile: das Werk ineinem Industriegebiet imNorden von Santiago, 1998.

Henkel in den USAund Lateinamerika

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Bürogebäude der HenkelVenezolana in Guacara,

1987 (oben links). Alle anderen Fotos aus dem

Werk im brasilianischenJacarai bei São Paulo:Laboruntersuchungen,

Hinweistafel mit dem Leitbilddes Unternehmens, die

Wasseraufbereitungsanlage,alle 1994, und

Luftaufnahme, 1972.

Henkel in Südamerika

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Afrika

106 Siehe zu Ägypten etwa„Aufbruch zu neuen Ufern“, in:Henkel-Blick 10/1996, S. 12. ZuTunesien „Neu in Tunesien“, in:Henkel-Blick 1/1997, S. 12.

107 Rembrandt Group Ltd., Vonder Garage zum Weltkonzern,in: Henkel-Blick 7/1999, S. 12f.

364

Im Gegensatz zu Mittel- und Südamerika, die sich ab der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts zu attraktiven Märkten entwickelten,erschien der „schwarze Kontinent“ aufgrund seiner Wirtschaftsstruk-tur, der politischen Instabilitäten und des insgesamt niedrigenLebensstandards für europäische und US-amerikanische Anbieter vongeringerem Interesse. Dennoch versuchte Henkel, in einigen afrikani-schen Ländern Fuß zu fassen und die auf Exporten basierendenGeschäfte durch die Errichtung eigener Firmen, Zusammenschlüssemit lokalen Partnern oder Lizenzverträge abzusichern. So engagiertesich Henkel schon 1951 in Südafrika und in den frühen 1950er Jahrenin Ägypten. Weitere Firmengründungen folgten ab den 1970er Jahren.Im Rahmen seiner „Mittelmeerstrategie“ bemühte sich Henkel seitden 1990er Jahren, in allen Ländern des nordafrikanischen Raumsvertreten zu sein.106

Südafrika

Das Geschäft in Südafrika nahm Henkel mit der Gründung der Sou-thern Chemical Manufacturers (SCM) in Durban 1951 auf, der erstenTochtergesellschaft außerhalb Europas. Zunächst stellte sie P3-Indus-triereiniger her. In den ersten Jahren blieben Umsatz und Ergebnisdeutlich hinter den Erwartungen zurück. Dies änderte sich nachhaltig,als 1955 die Produktion von Industrieklebstoffen aufgenommen wur-de. Ab 1959 schrieb die SCM schwarze Zahlen mit rasch steigenderTendenz. 1964 wurde die Firma in Henkel South Africa umbenannt.

Nach dem Erwerb der Firma Kwikbrite in Durban mit einer beste-henden Waschmittelfabrik im Jahr 1971 trat Henkel 1972 in das süd-afrikanische Geschäft mit Wasch- und Reinigungsmitteln ein. Gleich-zeitig siedelte Kwikbrite unter Beibehaltung des Werks in Durban ineine neue Verwaltung und Produktionsstätte in Johannesburg um.

Aufgrund erheblicher finanzieller Schwierigkeiten geriet der Aufbaudes Markenartikelgeschäfts immer wieder ins Stocken. Zu einem derwichtigsten internationalen Partner von Henkel wurde daraufhin vormehr als 30 Jahren die Rembrandt-Gruppe, das „Vorzeige-Unterneh-men“ Südafrikas. Der Zigarettenhersteller, der 1995 mit der britisch-niederländischen Rothmans International Holdings fusionierte, gehörtzu den größten Industrie-Unternehmen des Landes und engagiert sichseit 1980 durch die 50-prozentige Beteiligung an der Henkel SouthAfrica gemeinsam mit Henkel im südafrikanischen Markt.107

Dadurch konnten 1982 seit langem entwickelte Pläne zur Errichtungeiner modernen Waschpulverfabrik realisiert werden, und zwar aufeinem neuen Grundstück in Johannesburg durch eine Tochtergesell-schaft der Henkel South Africa, die Henkel Construction. Da sich dieErwartungen an die Entwicklung dieses Geschäfts aufgrund einer

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108 Siehe D 130.

109 Henkel-Blick 6/1999, S. 2.

anhaltenden Rezessionsphase im Land nicht erfüllten, gab es die Hen-kel South Africa bereits 1984 wieder auf; die Anlagen wurden an Col-gate-Palmolive verkauft.

Henkel South Africa konzentrierte sich nun auf das Geschäft mit P3-Industriereinigern, Klebstoffen sowie oleochemischen Produkten annur einem Standort in Johannesburg. Der Erwerb der britischen Kleb-stofffirma Monarch Adhesives im Jahr 1984 mit einem Werk in Alro-de brachte diesem Geschäftszweig eine noch breitere Basis.108

1985 erweiterte Henkel seine Aktivitäten in Südafrika auf Bergbau-chemikalien und erwarb die Firma Trochem in Wadeville. DiesesGeschäft wird seit 1991 in einem Joint Venture mit Chemserve Stein-hall betrieben. In einem weiteren Gemeinschaftsunternehmen mitTiger Oats wurden die Aktivitäten mit Textil- und Lederhilfsmittelnzusammengefasst.

Die Henkel-Klebstoffe verstärkten sich in Südafrika 1992 durch denErwerb der Firma Darex, 1995 durch die Klebstoffsparte Tylon derTrans Hex Group in Parow, die Fliesenklebstoffe und andere bauche-mische Produkte vermarktete, sowie 1997 durch den Kauf der FirmaTile Grip.

Ägypten

Zu Beginn der 1950er Jahre stellte Henkel in einem eigenen Betriebunter dem Namen Seric chemisch-technische Produkte in Ägyptenher. Wegen der damaligen Revolutionswirren wurde die Firma bereits1952 wieder geschlossen.

Erst 40 Jahre später engagierte sich Henkel erneut in Ägypten: 1992erwarb das Unternehmen 50 Prozent an dem WaschmittelherstellerPort Said Detergent & Chemical Industries (PDC) in Port Said. Imselben Jahr führte PDC neben anderen Henkel-Marken Persil ein,kurz darauf auch Pril. 1995 erhöhte Henkel seine Beteiligung auf 96,7Prozent.

1999 gründete Henkel mit der Banawi-Gruppe ein Gemeinschafts-unternehmen für Industrieklebstoffe. Es baute in der Nähe von Kairoein Werk zur Herstellung von Industrieklebstoffen für die Verpa-ckungsindustrie.109

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Libyen

Seit Mitte der 1960er Jahre wurden bei der Firma Gheddah Industriesin Tripolis mit Henkel Know-how Waschmittel für den libyschenMarkt gefertigt. Vertrieben wurden die Produkte über die 1966gegründete Handelsfirma Persil Ltd. Libya unter Einschaltung derVertriebsgesellschaft Gheddah Trading. 1972 ordnete die libyscheRegierung die Stilllegung dieser Firmen an. Das Geschäft wurdezunächst auf Importbasis fortgeführt, bis sich Henkel 1973 ent-schloss, wieder im Land produzieren zu lassen. Der inzwischen ver-staatlichten Gheddah Industries erteilte Henkel eine Lizenz für dieHerstellung verschiedener Markenartikel.110

Tansania

1969 entstand in Daressalam die Henkel Chemicals East Africa fürdie Herstellung von Klebstoffen und P3-Hgyieneprodukten. AusDaressalam belieferte die Firma nach Produktionsbeginn im Jahr1972 die Märkte Tansania, Kenia und Uganda. Nach dem Verkauf desP3-Geschäfts an Ecolab wurde das Werk in Daressalam unrentabelund die Klebstoff-Produktion 1997 nach Kenia verlagert. Die HenkelChemicals East Africa blieb als Verkaufsbüro bestehen.111

Nigeria

Im Hinblick auf die guten Marktchancen für chemisch-technischeProdukte in Nigeria gründete Henkel mit dem Hamburger Export-unternehmen Voss & Umlauft 1972 eine Firma zur Herstellung vonKlebstoffen, P3-Produkten sowie Textil- und Lederhilfsmitteln. Ander Henkel Chemicals Nigeria in Lagos war Henkel mit 75 Prozentbeteiligt. Im Zuge der Nationalisierungsbestrebungen der nigeriani-schen Regierung fiel der Anteil von Henkel im Jahre 1979 auf 30 Pro-zent und der des deutschen Partners auf 10 Prozent zurück. Dierestlichen 60 Prozent übernahmen nigerianische Partner. Schwerwie-gende Meinungsverschiedenheiten mit den lokalen Mehrheitspartnernveranlassten das Düsseldorfer Unternehmen 1988, sich aus Nigeriazurückzuziehen.112

Kenia

Henkel erwarb 1974 die African Packers & Manufacturers in Nairobizur Herstellung kosmetischer Produkte und Reinigungsmittel sowiezur Belieferung Ostafrikas. 1975 wurde die Firma in Henkel Kenyaumbenannt; und 1979 konnte eine neue Fabrik den Betrieb aufneh-men. Sie stellte auch chemisch-technische Produkte her. Als zuBeginn der 1980er Jahre ebenfalls in Kenia der Druck auf die auslän-dischen Firmen wuchs, einheimische Partner aufzunehmen, verkaufteHenkel 45 Prozent der Anteile 1984 an die kenianische Firma Orbit.Das Management verblieb bei Henkel, so dass die Kontinuität in derGeschäftspolitik beibehalten werden konnte.113

110 Intern 2/1972, S. 8.

111 D 157.

112 D 1801.

113 D 1802. Intern 5/1984,S. 11.

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114 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 12.

115 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 172.

116 „Neu in Tunesien“, in:Henkel-Blick 1/1997, S. 12.

Algerien

1974 gründete Henkel in Algerien ein Bureau de Liaison für die Kon-taktierung der dortigen Abnehmer von chemisch-technischen Produk-ten. Später erteilte Henkel eine Lizenz zur Herstellung verschiedenerKlebstoffe. Pläne zur Übernahme des Lizenznehmers konnten auf-grund der politischen Verhältnisse in Algerien nicht realisiert werden.

Mit der ENAD-Gruppe gründete Henkel im Jahr 2000 ein Joint Ven-ture für Waschmittel, die Henkel ENAD Algérie in Sour EL Ghozlane.Mit diesem Gemeinschaftsunternehmen, an dem Henkel 60 Prozenthält, konnte die Marktpräsenz des Unternehmensbereichs Wasch-/Reinigungsmittel in der Mittelmeerregion weiter ausgebaut wer-den.114

Marokko

Ende 1988 erwarb Henkel die Klebstoff-Firma Le Soleil in Casablan-ca. Nach Modernisierung und Erweiterung der Fabrik stellte sie Kleb-stoffe und P3-Industriereiniger her. Die in Marokko produziertensowie weitere importierte oleochemische Produkte vertrieb die FirmaHenkomar. Sie gehörte anfangs zu 50 Prozent und später zu 100 Pro-zent zu Henkel.

Die starke Expansion des Geschäfts erforderte Anfang der 1990erJahre den Erwerb eines neuen Grundstücks und den Neubau einergrößeren Fabrik, die 1994 in Betrieb genommen wurde. Gleichzeitigwurde die bisher getrennte Produktionsfirma mit der Vertriebsfirmafusioniert und in Henkel Maroc umbenannt.115

Tunesien

1996 beteiligte sich Henkel mit jeweils 51 Prozent an zwei tunesi-schen Unternehmen: an dem führenden Wasch- und Reinigungsmit-tel-Hersteller Alki in Tunis sowie an der Henkel Extra-Colle für Kleb-stoffe in Sfax. Alki vermarktet neben seiner beliebten HauptmarkeNadhif auch die internationale Henkel-Waschmittel-Marke Dixan fürden wachsenden Markt der Maschinenwaschmittel. Henkel brachtedarüber hinaus in Alki seine bislang in Tunesien über Dritte verkauf-ten Kosmetikprodukte ein.116

Das Exportgeschäft in die frankophonen Länder Nordafrikas wirdaußerdem über das 1982 gegründete Bureau de Liaison Henkel LesMilles E.U.R.L. im südfranzösischen Aix-en-Provence gesteuert.

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Blick auf das Werk derHenkel South Africa: Henkelund die Rembrandt Grouphalten seit 1980 je 50 Prozent der Anteile, Foto von 1998.

Henkel Chemicals EastAfrica in Daressalam,Tansania, 1977.

Henkel führt 1992 Persil und1993 Pril in Ägypten ein,Fotos von 1996.

Das AuslandsgeschäftHenkel in Afrika

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Henkel in Lagos, Nigeria(oben und links), 1984.

Daneben und unten Henkelin Nairobi, Kenia: Luftaufnah-

me vom Werk, Blick in dieProduktion und Transportvon P3-Produkten, 1987.

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Asien und Australien

370

Die Überlegungen von Henkel, in asiatischen Märkten aktiv zu wer-den, lassen sich bis in die 1950er Jahre zurückverfolgen. Das bedeu-tende Marktpotential Asiens war schon damals absehbar. Die rasanteEntwicklung der japanischen Industrie hatte bereits eingesetzt; unddie sich daraus ergebenden Veränderungen der Weltwirtschaft warenerkennbar. Mit Blick auf die strategische Bedeutung Japans wurdebereits 1957 die Nippon Henkel als erster Stützpunkt in Kobe errich-tet.

Die notwendigen großen Anstrengungen von Henkel in der Nach-kriegszeit, wieder ein starkes Europageschäft aufzubauen, führtenallerdings dazu, dass für eine längere Periode alle wesentlichenRessourcen auf den deutschen und die europäischen Auslandsmärktekonzentriert wurden. Lediglich das Exportgeschäft verfolgte Henkelin den wichtigen asiatischen Ländern über Vertretungen und schuf soeine Grundlage für spätere verstärkte Aktivitäten. Intensiviert wurdeder Geschäftsausbau in der 12-jährigen Periode bis 1976, in der dieHenkel International für die asiatische Region verantwortlich war. Indieser Zeit wurden in Asien/Australien eine Reihe von Henkel-Firmengegründet, und die Entwicklung von Produktionsstätten begann. Auf-grund der unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten im asiatischenRaum, die damals eine unternehmerische Betätigung für europäischeFirmen erschwerten, arbeitete Henkel dabei häufig mit einheimischenGeschäftspartnern zusammen.

Das in den 1970er Jahren stark zunehmende Interesse am US-ameri-kanischen Markt ergab ab Mitte der 1970er bis Ende der 1980er Jah-re eine starke Konzentration von Management und Finanzressourcenauf Amerika. Asien und Australien fanden in dieser Zeit daher weni-ger Interesse. Erst nach der „amerikanischen“ Periode führten dasrapide Wachstum und die zunehmende Bedeutung Asiens als „Konti-nent der Zukunft“ wieder zu einer größeren Zuwendung sowie stär-kerer Fokussierung. 1991 wurde die Henkel Asia-Pacific (HAP) inHongkong als Management-Holding für Asien und Pazifik gegründet.Unter der Führung von Ulrich Lehner, der von 1991 bis 1993 die HAPleitete, verstärkte sie die Erschließung der Region für Henkel. Wäh-rend aus diesem Raum 1990 noch weniger als 3 Prozent des Gesamt-umsatzes der Henkel-Gruppe stammten, hat sich der Anteil als Folgedieser Intensivierung im Jahr 2000 auf 10 Prozent erhöht.

Neben den Marktinteressen von Henkel am asiatisch-pazifischenRaum bestand seit Jahrzehnten eine enge Beziehung zu Asien als demweltweit wichtigsten Produzenten von natürlichen Ölen, vor allemKokos- und Palmkernöl. Henkel setzt diese Produkte für die Herstel-lung von oleochemischen Grundstoffen ein und ist der weltweit größ-te Verwender für industrielle Zwecke. Die Kontakte zu den Erzeuger-ländern Philippinen, Indonesien und Malaysia wurden besonders

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gepflegt. Das Streben dieser Länder, anstelle von Exporten durchEigenverarbeitung der Rohstoffe eine höhere Wertschöpfung im Landzu erreichen, führte zum Aufbau entsprechender Industrien. AuchHenkel folgte in den 1980er Jahren diesem Trend durch Errichtungeiner Fabrik in Malaysia.

Das enorme Absatzpotential und der Reichtum Asiens an nachwach-senden Ölen für die Rohstoffversorgung bilden für Henkel einen star-ken Antrieb dafür, dass die Region einen hohen Stellenwert in denUnternehmenskonzepten findet.

371

117 Henkel Blick 6/1996, S. 9,Henkel Geschäftsbericht 2000,S. 12.

118 Siehe Henkel Geschäftsbe-richt 1985, S. 21. Henkel-Blick6/1996, S. 9. „Aufbruch zuneuen Ufern“, in: Henkel-Blick10/1996, S. 12.

Naher und Mittlerer Osten

Israel

Wegen der Konflikte Israels mit der arabischen Welt war jahrzehnte-lang keine direkte Betätigung in diesem Land möglich, wollte mannicht riskieren, mit einem Handelsverbot mit arabischen Ländernbelegt zu werden. Dies änderte sich erst in den 1990er Jahren. Dieverschiedenen Geschäftsbereiche von Henkel begannen über Vertre-tungen und Distributeure mit dem Aufbau von Marktpositionen. DieUnternehmensbereiche Wasch-/Reinigungsmittel und Kosmetik/Kör-perpflege starteten 1996 das Joint Venture Henkel Soad in Haifa mitder Shemen Industries. Im Jahr 2000 übernahm Henkel auch die Part-neranteile an diesem Unternehmen. Es vermarktet erfolgreich inter-nationale Henkel-Marken wie Persil, Vernel und Fa in Israel.117

Libanon

Henkel beteiligte sich 1974 erstmalig an einer libanesischen Waschmit-telfabrik, der Firma Sonade in Beirut. Aufgrund der Krisen im Libanonwurde die Beteiligung 1985 wieder verkauft. Erst 1996 wagte Henkeleinen Neuanfang und gründete zusammen mit dem langjährigen Lizenz-nehmer Obegi das Gemeinschaftsunternehmen Henkel Lebanon in Bei-rut. Henkel Lebanon produziert und vermarktet Waschmittel und Haus-haltsreiniger, darunter die Marken Persil und Der General.118

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Iran

Bereits Ende der 1950er Jahre entstanden Pläne für die Errichtung einerWaschmittelfabrik in Persien, die sich jedoch zerschlugen. Erst 1970gründete Henkel gemeinsam mit einheimischen Geschäftspartnern dieIran Henkel AG. Sie fungierte als Vertriebsgesellschaft für aus Düssel-dorf importierte Klebstoffe, Textil- und Lederhilfsmittel sowie P3- undDehydag-Produkte. Aus diesen Aktivitäten ging Mitte der 1970er Jah-re eine Produktionsstätte in Teheran hervor. Aufgrund von Meinungs-verschiedenheiten mit den iranischen Partnern übernahm Henkel Ende1977 auch deren Anteile. Die Revolution von 1979 und der Krieg zwi-schen Iran und Irak unterbrachen die erfolgreiche Entwicklung desUnternehmens. Die Fabrik stand über einen längeren Zeitraum still;und Henkel musste in der Folgezeit zur Erfüllung von Regierungsauf-lagen wieder iranische Partner aufnehmen. Hierfür fanden sich drei ira-nische Industrielle. Aufgrund des völligen wirtschaftlichen Zusammen-bruchs des Irans nach der Revolution blieb das auf Sparflammegeführte Geschäft jahrelang negativ. Dennoch hielt Henkel an seinemEngagement im Iran fest und gehörte zu den wenigen ausländischenUnternehmen, die ihre iranische Firma auf privatwirtschaftlicher Basisweiterführen konnten. Erst Ende der 1980er Jahre verbesserte sich dieLage wieder. Henkel steuerte die Iran-Firma über die türkische Henkel-Tochter.119

Saudi-Arabien

Ein Joint Venture für Industrieklebstoffe gründeten Henkel und diesaudi-arabische Al-Bawani-Gruppe 1991: die Ashwa AdhesivesIndustries mit Sitz in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda. DieBeteiligung von zunächst 40 Prozent stockte Henkel 1998 auf 50 Pro-zent auf.

Für das Waschmittelgeschäft gründete Henkel 1997/98 mit der Arabi-an Company for Detergents in Riyadh das Gemeinschaftsunterneh-men Henkel Detergent Saudi Arabia, an dem der Düsseldorfer Kon-zern 50 Prozent der Anteile und die Stimmenmehrheit erhielt. DiesesGeschäft wurde als „Basis für den Geschäftsaufbau im arabischenRaum“ angesehen. Als wesentliche Stütze für das zukünftigeGeschäft soll Persil dienen, das im Mai 1998 in Saudi-Arabien sowiein den Golf-Staaten auf den Markt kam.120

In weiteren Ländern des Mittleren Ostens entwickelte Henkel im Lau-fe der Jahre kleinere Aktivitäten und Verbundene Unternehmen.

119 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 184f.

120 Henkel Geschäftsbericht1998, S. 18 und 46.

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Indien

Henkel erschloss den indischen Markt mit chemisch-technischen Pro-dukten ab den 1960er Jahren durch Importe über lokale Vertretungen.Erst 1985 kam eine Produktion mit Textil- und Lederhilfsmitteln inIndien hinzu, und zwar durch den Erwerb eines 40-prozentigenAnteils an der Diamond Shamrock (India). Das Unternehmen wurdein Henkel Chemicals (India) umbenannt. Aufgrund von Differenzenmit dem Partner zog sich Henkel 1991 aus diesem Joint Venture wie-der zurück. Durch die Beteiligung an der Auschem Ahura trat Cognisim Jahr 2000 wieder mit einer eigenen Aktivität in den indischenMarkt für Textilhilfsmittel ein. Die Firma heißt seitdem Cognis Ahura India.

Mittlerweile gilt Indien, trotz seiner nachhaltigen sozialen Probleme,als eines der wichtigsten Schwellenländer mit einem stark wachsen-den Mittelstand. Mit Blick auf diese Entwicklung nahm Henkel 1992durch das Joint Venture SPIC Fine Chemicals mit der indischen Fir-ma Southern Petrochemical Industries auch das Waschmittelgeschäftauf und nahm 1993 eine Produktion in der Nähe von Madras inBetrieb, wo SPIC als erster Anbieter in Indien moderne phosphatfreieWaschmittel für Südindien herstellt. Ende 1994 wurde die internatio-nale Henkel-Marke White Giant (Weißer Riese) als Waschpulversowie -seife eingeführt.121 Im Jahr 2000 kam auch die Körperpflege-Marke Fa auf den indischen Markt.

Die Produktgruppen Kleb- und Dichtstoffe für die Automobilindustrieund Metall-Oberflächentechnik verstärkte Henkel 1997 durch zwei neueGemeinschaftsunternehmen: die Henkel Teroson India in Gurgaon/Haryana mit der Anand-Gruppe und die Henkel Chembond MetalChemicals in Bombay, die heutige Henkel Chembond Surface Techno-logies. An beiden Firmen hält Henkel 51 Prozent der Anteile.122

373

121 Henkel Geschäftsbericht1994, S. 42.

122 Henkel Geschäftsbericht1996, S. 64, sowie HenkelGeschäftsbericht 1997, S. 12.

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Südostasien

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Thailand

1972 eröffnete Henkel ein Verkaufsbüro in Bangkok. Die erfolgreicheEntwicklung der Importgeschäfte mit chemisch-technischen Produk-ten führte schon wenige Jahre später zum Aufbau einer Produktionaußerhalb von Bangkok. Aufgrund der hohen Auslastung und fehlen-der Erweiterungsmöglichkeiten wurde die Produktion Ende der1990er Jahre an einen neuen Standort in den Industriepark Bangpa-kong verlagert, der etwa 50 Kilometer südöstlich von Bangkok liegt.Die Henkel Thai stellt hier Klebstoffe sowie Oberflächentechnik-Pro-dukte her; Cognis produziert in modernen Anlagen Tenside und ande-re oleochemische Produkte.123

Malaysia

Für den Vertrieb von chemisch-technischen Produkten entstandbereits 1974 die Henkel Chemicals Malaysia. Der Reichtum Malaysi-as an oleochemischen Rohstoffen, die Henkel für die Herstellung vonTensiden und anderen Produkten weltweit benötigte, führte schonEnde der 1970er Jahre zu Verhandlungen mit lokalen Palmöl-Raffine-rien, die 1980 zu dem Joint Venture Henkel Oleochemicals (Malaysia)in Port Kelang führten. Dort wurden Fettsäuren aus Palmkernölenhergestellt und vertrieben. Dazu ging 1984 eine Fettsäure-Methyl-esterproduktionsanlage in Betrieb.124 Ab 1990 entstand in Malaysiaim Rahmen des Joint Ventures Henkel Rika mit Partnern aus Malay-sia, Japan und Korea eine neue Fettalkoholanlage, die 1992 die Pro-duktion aufnahm.125 Die Henkel-Chemiefirmen wurden auch inMalaysia 1999 auf Cognis übertragen und umbenannt.

Die Geschäftsfelder Oberflächentechnik und Loctite sind in Malaysiaebenfalls mit Firmen vertreten. Mit dem Erwerb von Multicore inGroßbritannien kam eine Produktionsstätte in Ipoh hinzu; dort wer-den Produkte für die Montage von Leiterplatten hergestellt, insbeson-dere Lötpasten und Lötzinn. Durch die Akquisition von Dexter in denUSA übernahm Loctite ein Werk in Kuala Lumpur für die Herstellungvon so genannten Underfill und Encapsulants, die ebenfalls zur Mon-tage von elektronischen Bauelementen und Leiterplatten benötigtwerden.

123 Henkel-Blick 5/1999, S. 9.

124 Henkel Geschäftsbericht1983, S. 35.

125 Henkel Geschäftsbericht1990, S. 8.

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Singapur

Bereits 1973 gründete Henkel ein Verkaufsbüro in Singapur, das aller-dings 1985 aufgegeben wurde. Neue Geschäftsmöglichkeiten eröff-neten sich 1987 durch die Akquisition der Parker Chemicals in Sin-gapur, einer Tochterfirma der US-amerikanischen Parker Chemicals.Sie stellt Produkte für die Metalloberflächenbehandlung her. Gleich-zeitig ist hier das Service Center für diese Produktgruppe für dieRegion Asien/Australien angesiedelt.

1982 richtete Henkel in Singapur die Henkel South East Asia (HSEA)als Steuerungseinheit für die Verbundenen Unternehmen vor allem inSüdost-Asien ein. Der Erfolg war gering, da der HSEA die erforder-lichen Kompetenzen fehlten. Darauf hin wurde die HSEA 1990 wie-der aufgelöst.

Vietnam

In Ho Chi Minh City (Saigon) gründete Henkel 1995 ein Repräsenta-tionsbüro, das den zunehmend interessanten und sich öffnendenMarkt für Oleochemie- und Metallbehandlungsprodukte betreut. Seit1997 unterhält auch Loctite ein Repräsentationsbüro in Ho Chi MinhCity.

Der Unternehmensbereich Kosmetik/Körperpflege vertrieb ab 1994über den lokalen Partner Lotus mit Sitz in Hanoi Produkte der MarkeFa in ganz Vietnam. 1999 eröffneten Henkel und Lotus zusammen dasSchwarzkopf Professional-Friseurgeschäft in Ho Chi Minh City. EinJahr später folgten die Marken Taft und Schauma. Bedingt durch dasanhaltende Wachstum wurde im März 2000 die Henkel Vietnamgegründet, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Henkel. DieHenkel Vietnam produziert in Ho Chi Minh City Fa-Produkte undkoordiniert gemeinsam mit dem lokalen Partner das Marketing undden Vertrieb aller Kosmetik-Importwaren.126

Indonesien

Die im Gegensatz zu anderen ostasiatischen Ländern sehr spät einset-zende Industrialisierung Indonesiens begrenzte noch in den frühen1970er Jahren das Geschäftspotential für Henkel. Dennoch wurde1974 zusammen mit dem bisherigen Importeur für chemisch-techni-sche Produkte eine nach indonesischem Recht rein nationale Firmagegründet, die Zeta Aneka Kimia in Jakarta. Sie fungierte als reineHandelsgesellschaft.

Nach langwierigen Vorbereitungen und Verhandlungen mit der indo-nesischen Regierung entstand zusammen mit lokalen Partnern ab1976 in der Nähe von Jakarta die Henkel Indonesia, eine Produk-tionsgesellschaft für Klebstoffe, oleochemische Produkte und Indus-triereiniger.127 Der Verkauf mußte wegen der gesetzlichen Vorschrif-ten weiter über die Zeta Aneka Kimia abgewickelt werden. DasGeschäft entwickelte sich nach Anlaufschwierigkeiten sehr positiv. 375

126 D 1983, Ulrich Link, U-K-Historie in Vietnam, 2001.

127 Leitzbach/Schröder, Aus-landsgeschäft, S. 187, HenkelGeschäftsbericht 1976, S. 53.

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Philippinen

Die Philippinen sind seit jeher einer der wichtigsten Lieferanten vonHenkel für Kokosöl, das zu oleochemischen Produkten weiterverar-beitet wird. Aus diesem Grund wurde 1976 die Henkel Philippineszunächst als reine Vertriebsgesellschaft für chemisch-technische Pro-dukte gegründet, obwohl der Markt der Philippinen, die Mitte der1970er Jahre als das „Armenhaus Asiens“ galten, relativ unbedeutendwar. Das strategische Ziel, eine Weiterverarbeitung für Kokosöl auf-zubauen, gab Henkel Philippines allerdings schon frühzeitig wiederauf. Ende der 1970er Jahre wurde dem Unternehmen eine kleine Pro-duktionsstätte angegliedert, in der seitdem P3-Produkte, Textilhilfs-mittel sowie Klebstoffe hergestellt werden.128 Ende 1996 wurden ineinem der hochentwickelten Industrieparks südlich von Manila aufeinem 8.000 Quadratmeter großen gekauften Grundstück eine neueFabrik und ein Lagerkomplex eingeweiht.129

376

128 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 189.

129 Henkel-Blick 3/1997, S. 7.

Ost-Asien

Hongkong

Im Zuge der Bearbeitung asiatischer Märkte gründete Henkel 1971die Henkel Chemicals in Hongkong. Sie fungierte in den ersten Jah-ren als Importgesellschaft für Klebstoffe, Industriereiniger und oleo-chemische Produkte zur Versorgung des Marktes in Hongkong, der indiesen Jahren in verschiedenen Bereichen des produzierenden Gewer-bes rapide wuchs. Herausragende Bedeutung erlangte die Textil- undkunststoffverarbeitende Industrie. Schon frühzeitig entwickelte sichHongkong auch zum Tor zu dem damals noch weitgehend abge-schlossenen Markt in China. Henkel Chemicals knüpfte wie vielewestliche Firmen Kontakte mit chinesischen Unternehmen und ent-wickelte ein Exportgeschäft, das im Laufe der Jahre erheblicheBedeutung gewann. Konsequenterweise wurde das Unternehmen1992 in Henkel China umbenannt. Mit dem Aufbau eigener Aktivitä-ten in China und den Anschluss Hongkongs an die VolksrepublikChina verlor das Geschäft an Gewicht.

1991 wurde Hongkong auch Sitz der Henkel Asia-Pacific (HAP). Siewurde als Managementholding für die zentrale Steuerung der Geschäf-te in Südost- und Ost-Asien sowie Australien/Neuseeland gegründet.

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China

Die Geschäftsbeziehungen mit China weisen eine mehr als 100 Jahrealte Tradition auf, denn bereits 1887 begann Firmengründer FritzHenkel damit, Tee aus China nach Deutschland zu importieren (bis1913). Ab den 1980er Jahren entwickelten Henkel-Repräsentantender damaligen Henkel Chemicals in Hongkong zunehmend intensiveKontakte zu chinesischen Betrieben und Außenhandelsgesellschaften,die besonderes Interesse an den Henkel-Produkten zur Textil- undLederbearbeitung zeigten. Durch die Präsentation bewährter Produk-te auf Messen und Ausstellungen wurde der Bekanntheitsgrad desUnternehmens in dem noch weitgehend unerschlossenen chinesi-schen Markt gefördert. Die durchweg positive Resonanz und das gro-ße Interesse an westlichem Know-how bestärkten Henkel, seineGeschäftsbeziehungen zur Volksrepublik China über Importe, Lizenz-abkommen und Joint Ventures auszubauen. 1988 konnte das Unter-nehmen in Peking das Henkel KGaA Beijing Representative Officeeröffnen, das zu dieser Zeit als zentrale Anlaufstelle von Henkel inChina fungierte. In dem Repräsentationsbüro wurde auch Personalder Henkel Chemicals, Hongkong, für die Marktbetreuung statio-niert.130

Als sich China zu Beginn der 1990er Jahre unter Deng Xiaoping zuneh-mend der Marktwirtschaft öffnete, besaß Henkel somit schon einen gutenAusgangspunkt für die Erschließung eines der zukunftsträchtigstenMärkte des pazifischen Raumes: 1990 startete das Unternehmen mit derGründung der Shanghai Henkel Chemicals das erste chinesische JointVenture für die Herstellung und Vermarktung von Industriereinigern,Oberflächenbehandlungschemikalien und Reinigungsprodukten fürGroßverbraucher. Aufgrund der rechtlichen Situation in China war esdamals notwendig und auch sinnvoll, die Geschäfte mit lokalen Partnernzu starten. Die chinesischen Partner brachten in der Regel eine Fabrik,Mitarbeiter sowie Kontakte in die Märkte, zum Handel und zu kommu-nistischer Partei und Behörden in das Gemeinschaftsunternehmen ein.Auf dieser Basis konnte Henkel die Geschäfte entwickeln.131

Nachdem die Henkel-Geschäftsführung die Vision einer starken Präsenzaller Produktgruppen in China verabschiedet hatte, übernahm die HenkelAsia Pacific unter der damaligen Leitung von Ulrich Lehner die Intensi-vierung der Verbindungen zu potenziellen Partnern in China. Die HAPführte die Joint Venture-Verhandlungen, die in der Regel von Fachleutenaus der Henkel-Zentrale in Düsseldorf begleitet wurden.132

Heute versorgen vier produzierende Waschmittel-Firmen die Volksrepu-blik China mit national etablierten sowie mit internationalen Henkel-Pro-dukten. So wurden im Herbst 1993 Persil sowie Wipp Express und Hen-ko eingeführt. Der Unternehmensbereich Kosmetik/Körperpflegemittelverfügt ebenfalls über vier Unternehmen in China, die die bekanntenJoint Venture- und neu eingeführte Schwarzkopf & Henkel-Marken wieFa vermarkten.

130 Henkel Geschäftsbericht1988, S. 27.

131 Siehe „Ehrgeizige Schritte imReich der Mitte“, in: Henkel-Blick3/1990, S. 5.

132 Siehe „Neue Holding: Aktiv in Fernost“, in: Henkel-Blick11/1991, S. 5.

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Beteiligungen in China 2001

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Die heute fünf Unternehmen der Oberflächentechnik erfüllten denWunsch der international tätigen Automobilhersteller nach Lieferantenmit lokaler Produktion. Auf dem Klebstoff-Sektor sind drei Firmen tätig.Oleochemische Produkte werden in einem Cognis-Werk in der Nähe vonShanghai produziert und vermarktet.

Die 1995 gegründete Henkel (China) Investment Company hat eine Rei-he von Holding-Aufgaben übernommen, insbesondere auf den GebietenFinanzierung und Personal. Im Hinblick auf die knappen lokalenRessourcen für Führungspersonal hat Henkel 1997 mit der Jiao-Tong-Universität Shanghai eine Vereinbarung über die Einrichtung einesManagement-Training-Centers geschlossen. Hier wird Mitarbeitern derchinesischen Henkel-Unternehmen modernes Managementwissen aufallen Gebieten der Unternehmensführung vermittelt und für die chinesi-schen Märkte nutzbar gemacht.133 2001 verlegte die Henkel (China)Investment ihren Sitz von Peking nach Shanghai.

Heute bestehen 18 Henkel-Unternehmen aller Unternehmensbereichemit insgesamt rund 3.800 Mitarbeitern in China. Durch die Entwicklungder chinesischen Rechtsvorschriften wurde es inzwischen möglich, auchohne lokalen Partner beziehungsweise ohne Kapitalbeteiligung eines chi-nesischen Partners Geschäfte in China zu betreiben. Diese Möglichkeithat Henkel in einigen Fällen genutzt, wie die Übersicht zeigt.

Taiwan

Durch die Übernahme des oleochemischen Geschäfts von der dama-ligen Vertretung entstand 1988 die Henkel Taiwan, zunächst als reineImportgesellschaft. Durch die Akquisition der Nopco in den USA1987 hatte Henkel auch eine Produktionsstätte in Taiwan erworben.Sie wurde in die Henkel Taiwan integriert und modernisiert. Danachvertrieb Henkel alle chemisch-technischen Produkte in Taiwan.

Südkorea

In Südkorea ist Henkel seit Mitte der 1980er Jahre tätig, zunächst überein Repräsentationsbüro. Daraus wurde 1989 die Vertriebsfirma Hen-kel Korea für Chemieprodukte, Metallbehandlungsprodukte undKlebstoffe. Gleichzeitig steuert die Henkel Korea das ausgegliederteKlebstoff- und Oberflächentechnikgeschäft: die Henkel Adhesivesand Buildung Materials mit angeschlossener Produktion sowie dieBeteiligung an der Hong Seong Chemicals mit eigenem Werk, mit derdie Henkel-Oberflächentechnik Ende 1998 in den koreanischenMarkt der Automobil-Zulieferer einstieg.134

1996 gründete Henkel das Gemeinschaftsunternehmen Henkel JoungJin Chemicals zur Herstellung von Faser- und Textilhilfsmitteln, dieheutige Cognis Joung Jin.

133 Siehe „Seminare fürManager“, in: Henkel-Blick2/1997, S. 9. „Manager-Schuleeröffnet“, in: Henkel-Blick7/1997, S.9.

134 Siehe „Vergrößert“, in:Henkel-Blick 2/1999, S. 7

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Ebenfalls ab 1989 exportierte Henkel zudem aus Düsseldorf Wasch-und Reinigungsmittel für den Großverbrauch nach Südkorea. Ausanfänglichen Kontakten mit der koreanischen Daesung-Gruppe wur-de 1989 das Joint Venture Daesung Henkel Chemical für Großver-brauch-Produkte.135 Henkel verkaufte seine Anteile an dem Gemein-schaftsunternehmen im Herbst 2000 an den Partner Daesung.

Japan

Japan zählte schon in den 1950er Jahren zu den am dichtesten besie-delten Gebieten der Erde und stellte mit seiner hochentwickelten Tex-til- und Metallindustrie eine scharfe Konkurrenz für die europäischenund US-amerikanischen Anbieter auf dem Weltmarkt dar. 1952 hatteHenkel den Export von P3- und Dehydag-Produkten aus Düsseldorfnach Japan aufgenommen, die von vor Ort ansässigen Vertriebsge-sellschaften weiterverkauft wurden. Nachdem die Henkel-TochterBöhme 1954 dem Handelshaus West European Trading Company inKobe die Alleinverkaufsrechte ihrer Produkte übertragen hatte, ver-dichteten sich die Geschäftsbeziehungen mit Japan in Form vonLizenzverträgen, wie etwa zur Herstellung von Terephthalsäure. 1957wurde die West European Trading Company in Nippon Henkel Che-mical umbenannt und vertrieb auch die Produkte anderer Hersteller.136

Insgesamt maß Henkel dem japanischen Markt offenbar bis in die1970er Jahre kaum Bedeutung bei, da die Umsätze nur gering bliebenund sich das Land weiterhin kulturell und wirtschaftlich verschlossengab. So war auch der Versuch, Henkel-Markenartikel in Japan zu ver-treiben, aufgrund fehlender Marktforschungen und mangelnder Pro-duktanpassung zum Scheitern verurteilt. 1969 nahm die japanischeFirma Hakusui Chemicals in Osaka, ein langjähriger Vertriebspartnervon Henkel in Japan, die Produktion von Industriereinigern auf, weilsich gezeigt hatte, dass eine Expansion des Japan-Geschäfts ohneeigene Produktionsanlagen vor Ort nicht möglich war. 1974 wurdediese Kooperation in ein Joint Venture umgewandelt, um ein Geschäftmit chemisch-technischen Produkten zu entwickeln. Die HenkelHakusui und die Henkel Japan, die aus der General Mills Japan her-vorgegangen war, fusionierten 1984 und firmierten als Henkel Haku-sui Corporation in Osaka. Henkel hielt die Kapitalmehrheit mit 60Prozent der Anteile.137 1986 entstanden am Standort Kitatone in derNähe von Tokio in einem bestehenden Werk eine große Produktions-anlage zur Herstellung oleochemischer Spezialprodukte, insbesonde-re für die kosmetische Industrie, sowie ein modernes Labor für For-schung und Anwendungstechnik.138 1996 übernahm Henkel vonseinem langjährigen Partner Hakusui Chemicals dessen Anteile anHenkel Hakusui, die fortan als Henkel Japan firmierte.

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135 Siehe „Joint Venture mitbewährtem Partner“, in: Henkel-Blick 6/1989, S. 5.

136 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 198f.

137 Henkel Geschäftsbericht1984, S. 51f.

138 Henkel Geschäftsbericht1986, S. 46.

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In die Zeit der Neuorientierung des japanischen Geschäfts in den1970er Jahren fiel auch die erfolgreiche Einführung des Pritt-Klebe-stifts in einer Vertriebskooperation mit der Kokuyo K. K. in Osaka,dem Marktführer im Bereich Papier-, Büro- und Schreibwarenbedarf.Pritt wurde mit einem Marktanteil von 50 Prozent Marktführer inJapan. Seit 1998 betreut ein Gemeinschaftsunternehmen diesesGeschäft, an dem Henkel und Kokuyo jeweils 50 Prozent der Anteilehalten.139

Im Rahmen einer Kooperation übernahm Henkel 1999 eine Minder-heitsbeteiligung in Höhe von 10 Prozent des Aktienkapitals vonCemedine, Tokio, einem führenden Anbieter von Kleb- und Dicht-stoffen in Japan. Ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit istdas Gemeinschaftsunternehmen Cemedine Henkel für Kleb- undDichtstoffe in der Automobilindustrie, ebenfalls mit Sitz in Tokio. Esverbessert der Henkel Oberflächentechnik den Marktzugang insbe-sondere zu japanischen Automobilherstellern. An dem Joint Venture,das Anfang 2000 die Geschäftstätigkeit aufnahm, hält Cemedine 67Prozent des Kapitals und Henkel 33 Prozent.140

Den Schritt in den Markenartikel-Sektor unternahm Henkel 1978, alsdie Lion Fat & Oil Company, ein japanischer Hersteller von Wasch-und Reinigungsmitteln sowie Körperpflegemitteln, von Henkel dieLizenz zur Herstellung phosphatfreier Waschmittel erwarb. DieseZusammenarbeit wurde 1986 durch die Neugründung des Joint Ven-tures Lion Henkel Corporation in Tokio intensiviert. Ein zweitesGemeinschaftsunternehmen – die Henkel Lion GmbH – wurde paral-lel in Düsseldorf gegründet. Die beiden Firmen vermarkteten Körper-pflege-Produkte. Trotz dieser Stützpunkte besaß das Japangeschäft inder Henkel-Gruppe bis in die 1990er Jahre einen geringen Stellenwertund galt intern weiterhin als „entwicklungsfähig“.141

Um die langjährige Partnerschaft mit der Lion Corporation in Tokiozu unterstreichen, erwarben beide Firmen Ende 1999 Anteile desjeweiligen Partners im wertmäßig gleichen Umfang. Henkel hält cir-ca 5 Prozent der Anteile an Lion im Wert von 55 Millionen Euro undist damit einer der größten Einzelaktionäre.142

Im Jahr 2000 trat der Unternehmensbereich Kosmetik/Körperpflegein den japanischen Colorationsmarkt ein: Henkel erwarb YamahatsuSangyo K. K. in Osaka, einen der führenden japanischen Anbieter vonHaarcolorationen im Einzelhandel und im Friseurgeschäft. Gleichzei-tig wurde die Basis für eine weitergehende Zusammenarbeit in die-sem Marktsegment mit der Lion Corporation geschaffen, an die Hen-kel eine Minderheitsbeteiligung an Yamahatsu abgab.143

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139 Henkel-Blick 5/1998, S. 2.

140 Siehe „Partner in Japan“, in:Henkel-Blick 6/1999, S. 7, und„Joint Venture“, in: Henkel-Blick10/1999, S. 7.

141 Leitzbach/Schröder,Auslandsgeschäft, S. 201.

142 Henkel Geschäftsbericht1999, S. 16.

143 Henkel Geschäftsbericht2000, S. 12.

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Australien/Neuseeland

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144 D 402, Böhme-Chronik,1925–1946.

In Australien hatte die Henkel-Tochtergesellschaft Böhme mit austra-lischen Partnern von 1936 bis 1939 die Gardinol Chemical Companybetrieben. Diese Vertriebsgesellschaft lieferte Spezialprodukte für dieTextil- und Lederindustrie in Australien und Neuseeland.144 Daherversuchte Henkel schon in den 1950er Jahren, hier erneut mit Gardi-nol ins Geschäft zu kommen. Nachdem die Dehydag-Produkte übereine einheimische Vertriebsfirma verkauft worden waren, wurde derDüsseldorfer Konzern jedoch erst 1975 mit der Gründung der Ver-kaufsgesellschaft Henkel (Australia) Pty mit Sitz in Sydney selbst inAustralien aktiv. Die neue Gesellschaft übernahm den Verkauf vonDehydag-Produkten in eigener Regie und baute Aktivitäten in denProduktbereichen Klebstoffe, Leder- und Textilhilfsmittel sowie P3auf.

Die Akquisitionen von Nopco und Parker in den USA im Jahr 1987brachten der Henkel Australia eine Erweiterung des Portfolios undneue Standorte. In den 1990er Jahren stärkte Henkel die BereicheKlebstoffe und Oberflächenchemie durch Akquisitionen, zum Bei-spiel 1996 durch die N.B. Love Adhesives in Melbourne, den führen-den Hersteller bei Verpackungsklebstoffen in Australien und Neusee-land, sowie 1998 durch den Erwerb der Automotive Division derMaxwell Chemicals in Botany, die Henkel eine marktführende Stel-lung in der Oberflächentechnik ermöglichte, vor allem als Automo-bilzulieferer mit Dicht- und Klebstoffen sowie Produkten zur Hohl-raumversiegelung. Im Jahr 2000 beteiligte sich Henkel in Neuseelandan der Firma Magnesium Technology. Dabei handelt es sich um eineneue Technologie für die Oberflächenbeschichtung mit Magnesium,die Henkel in Zusammenarbeit mit dem Partner als innovativen Kor-rosionsschutz fortentwickeln will.

Mit der Übernahme von Schwarzkopf erwarb der Unternehmensbe-reich Kosmetik/Körperpflege zahlreiche Auslandsfirmen, darunter dieseit vielen Jahren im australischen Haarkosmetik- und Friseurge-schäft erfolgreiche Niederlassung mit Sitz in Frenchs Forest. Im Jahr2000 wurde die internationale Körperpflegemarke Fa auch in Austra-lien und Neuseeland eingeführt.

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Henkel Soad besteht seit1996 in Haifa.

Rechts: Persil-Packungen inIsrael, ebenfalls von 1996.

Persil-Packung in Syrien, 1997.

Rechts: Portionierte Wasch-pulver-Päckchen bei einem

Einzelhändler in Indien,1997.

Internationale arabischeGäste informieren sich 1997bei einer Firmenpräsentationin Dubai umfassend über das

Unternehmen.

Das indische Gemein-schaftsunternehmen

Henkel SPIC India in Karaikalproduziert seit 1993 Seife,Waschmittel und Zeolithe.

Rechts: ein großes Verdun-stungsbecken für Produk-

tionsabwässer, 1997.

Das AuslandsgeschäftHenkel im Nahen und

Mittleren Osten

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Gründung des Kosmetik-GemeinschaftsunternehmensHenkel Kemeng Cosmetics inShanghai, 1995.

Rechts: Mitarbeiter desWaschmittel-Joint-VenturesSiping Detergents andCleaning Products Company,1994.

Henkel präsentiert Know-howund Produkte bereits 1984auf der „International FishingExhibition“ in Shanghai.

Rechts: Einweihung derHenkel Daliuhao-Grundschu-le, die mit Spenden vonMitgliedern der FamilieHenkel errichtet wurde, imJuli 2000.

Chinesische Waschmittel vonHenkel, 1996.

Rechts: Gedenkstein an dieUnterstützung des Unterneh-mens bei der Restaurierungeines Teilstücks der Chinesi-schen Mauer, 1989.

Shanghai Henkel (heute:Cognis) Oleochemicals,1999.

Rechts: das Werk der GuilinHenkel Detergents & Cleaning Products, 1997.

Henkel in China

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Impressionen von Henkel inJapan: in den Werken

Haratsuka und Kitatone,Klebstoff-Produkte, Luftbild

vom Werk Kitatone undMarketing-Konferenzen in

Osaka, alle 1989.

Fa-Werbung in Pakistan: mitSchimmeln auf dem Basarvon Lahore (links) und auf

großer Reklametafel, 1989.

Henkel in Japan undPakistan

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AnwendungstechischesLabor bei der Henkel Thai inBangkok, 1986.

Rechts: Ein buddhistischerMönch weiht eine neueVeresterungsanlage inThailand ein, 1989.

Nach nur 14 MonatenBauzeit eröffnet HenkelMetal Chemicals 1996 eineneue Fabrik bei KualaLumpur, Malaysia.

Rechts: Qualitätsprüfung imLabor, 1990.

Ölfrüchte werden in Malaysiain großem Maßstab ange-baut: Sie dienen als nach-wachsende Rohstoffe füroleochemische Produkte.

Rechts: Kontrolle in derFabrik in Port Kelang beiKuala Lumpur, 1990.

Henkel in Sydney, Australien,1987.

Henkel in Thailand,Malaysia und Australien

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Bedeutende ausländische Konzernunternehmen

Quelle: Henkel Geschäftsbericht2000, S. 79.

Trotz der beeindruckenden Entwicklung muss sich die Henkel-Geschäftsleitung vorhalten lassen, in den 1970er und 1980er Jahrenso manche Marktchance im Ausland „verschlafen“ zu haben, wieHans-Dietrich Winkhaus es rückblickend formulierte. Dies gelte zumBeispiel für das Asien-Geschäft. Da das Unternehmen „überall“ ver-treten war, habe „man ein ruhiges Gewissen“ gehabt. Allerdings seidiese Präsenz „im Vergleich zu den Notwendigkeiten und dem enor-men Potential dieser Region“ zu gering bemessen gewesen.145 DieseErkenntnis führte in der Folgezeit dazu, dass sich Henkel nach derÖffnung der Märkte in Osteuropa, in der Gemeinschaft UnabhängigerStaaten und in China als eines der ersten ausländischen Unternehmenpositionierte.

Auch aus früheren personalpolitischen Fehlern im Auslandsgeschäftzog das Unternehmen die Konsequenzen: Nachdem Fehlbesetzungenin Spanien oder Südamerika zu enttäuschenden Entwicklungen

Strategie mit globalen undlokalen Elementen

145 Interview Hans-DietrichWinkhaus, 26.6.2000, S. 12.

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146 Interview Hans-DietrichWinkhaus, 26.6.2000, S. 15,20.

147 A 8, Ulrich Lehner, GlobaleUnternehmen brauchen globaleStrukturen: Henkels Globalisie-rungsstrategie. Vortragsmanu-skript vor der spanischenBusiness School Esade inBarcelona, 2/2001, S. 10.

148 Ebenda, S. 11.

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geführt hatten, bemühte sich die Zentrale in Düsseldorf zunehmendum einheimische Führungskräfte, um die Integration der Auslandsge-sellschaften „auf organischem Wege“ voranzutreiben. Um auch lang-fristig erfolgreich zu sein, setzte Henkel vor allem auf Joint Ventures.Sie sollten den gegenseitigen Austausch von Erfahrungen und dasLernen voneinander fördern.146

Die in den letzten zehn Jahren erzielten Globalisierungsfortschrittesind beachtlich. Der Umsatzanteil der Überseegeschäfte hat sich seit1991 fast verdoppelt. Henkel hat beim Aufbau der Auslandsaktivitä-ten typische Entwicklungsstufen durchlaufen: Nach dem Ausbau derGeschäfte in Deutschland folgte der Export, dann kamen lokale Agen-ten und Lizenznehmer, lokale Vertriebsgesellschaften und schließlichlokale Vollgesellschaften. Betrachtet nach Regionen war es zunächstEuropa, danach die USA und anschließend Asien mit Japan und Chi-na. Heute ist Henkel ein Unternehmen, das sich, so Ulrich Lehner,Vorsitzender der Geschäftsführung, „aus einer multi-domestic-Posi-tion über ein transnationales Unternehmen zu einem globalen Anbie-ter entwickelt“.147

Der Globalisierungsgrad der Geschäfte weist – gemessen am erziel-ten Umsatz außerhalb des „Heimkontinents Europa“ – eine großeBandbreite auf: Die Industrie- und Systemgeschäfte Klebstoffe, Ober-flächentechnik und Cognis sind am weitesten globalisiert. DerSchwerpunkt der Markenartikelgeschäfte Kosmetik/Körperpflege undWasch-/Reinigungsmittel liegt dagegen noch eindeutig in Europa.Globalisierung zeichnet sich bei Henkel laut Lehner durch drei Krite-rien aus:

1. Sie ist weder Selbstzweck noch Zufalls- oder Gelegenheitsakti-vität, sondern Zukunftssicherung.

2. Sie ist das Ergebnis strategischer Geschäftsanalysen.

3. Sie ist ausgerichtet auf den „Shareholder Value“, unter dem Hen-kel die Summe aller Maßnahmen zur stetigen Verbesserung derWettbewerbspositionen seiner Geschäfte versteht, die zu profita-blem Wachstum führt.148

Die Konkurrenten von Henkel sind entweder Global Player oder star-ke internationale Spezialisten. Henkel ist es in diesem Wettbewerbs-umfeld gelungen, in den letzten Jahren führende Weltmarktpositionenin den Kerngeschäften oder in Teilmärkten zu erreichen. Globalisie-rung resultiert bei Henkel aus der strategischen Analyse des jeweiligenGeschäfts. Dabei werden zwei Typen der Globalisierung unterschie-den: „Muss“ und „Wünschenswert“. Beim ersten Typ ist die Globali-sierung Pflicht, weil die weltweit tätigen Kunden es fordern: bei Kleb-stoffen, in der Oberflächentechnik, bei Oleochemikalien und beiHygiene (gemeinsam mit Ecolab). Beim zweiten Typ ist es aus Kos-tengründen vorteilhaft, global zu agieren; aus marktstrategischenGründen ist die Globalisierung jedoch weniger dringlich.

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Das Wasch- und Reinigungsmittelgeschäft sowie das Kosmetikge-schäft „können sehr gut auf starker regionaler Basis geführt werden“.Ein wesentlicher Grund hierfür sind die erheblichen Besonderheitender Konsumpräferenzen und des Konsumentenverhaltens auf diesenMärkten. Deshalb werden, so Lehner, die starken lokalen Marken ihreBedeutung auch beibehalten: „In China beispielsweise erkannten wir,dass die Chinesen sehr stolz auf ihre bekannten nationalen Markensind. Diese bilden das Verkaufsprogramm unserer kooperierendenvier Waschmittel-Joint Ventures.“ In Europa entwickle sich Henkelallerdings bei den Markenartikel-Geschäften „in Richtung Euro-Mar-ken“, aber immer unter Akzeptanz der lokalen Bedingungen. Henkelglobalisiere die Geschäfte stets, wenn es nötig sei, und bearbeite nurdie Geschäftsfelder, in denen erwartet werden könne, die Nummer 1-, 2- oder 3-Position auf den jeweiligen Märkten einzunehmen.

Die sehr unterschiedlichen Märkte verlangen eine unterschiedlicheProduktion und differenziertes Marketing. Die Henkel-Strategieberücksichtigt aus diesem Grund sowohl globale als auch lokale Ele-mente. Für Lehner ist sie „sozusagen glocal“.149149 Ebenda, S. 13–17.

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125 Jahre. Menschen+Marken

125 years. focus : future.WWW.HENKEL.COM

Image-Anzeige 2001: ImJubiläumsjahr wird dieMarken-orientierte Positio-nierung für die nächstenJahre kommuniziert.

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Schlussbetrachtung XI

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Die nunmehr 125-jährige Geschichte der Henkel-Gruppe ist geprägtvon Kontinuitäten und Konstanten, aber auch von einer Vielzahl vonBrüchen und Zäsuren. Die Entwicklung des unternehmerischenMikrokosmos von Henkel steht in engem Zusammenhang mit denexternen Rahmenbedingungen von Politik, Wirtschaft und Gesell-schaft. Sich mit der Geschichte eines 125 Jahre alten Unternehmenszu beschäftigen, bedeutet deshalb auch, die deutsche Wirtschafts- undSozialgeschichte von der industriellen Take-off-Phase in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts über die Jahre der Kriege, der Wirt-schafts- und Währungskrisen des 20. Jahrhunderts, die Wiederauf-bauphase nach dem Zweiten Weltkrieg bis in das heutige Zeitalter derGlobalisierung zu betrachten.

Fritz Henkel legte mit seinem Aachener Kleinbetrieb zur Entwicklungvon neuartigen Waschmitteln die Grundlage für den heute internatio-nal tätigen Hersteller von Markenprodukten der Konsumgüterchemieund von chemisch-technischen Erzeugnissen. Mit seinem Produkt-Portfolio nimmt Henkel eine Sonderstellung unter den internationalenChemie- und Markenartikel-Konzernen ein. Durch ihr hohes Maß anKonsumnähe in Verbindung mit einer breiten Produktpalette und geo-graphischer Streuung ist die Henkel-Gruppe heute gegen Schwankun-gen in einzelnen nationalen Märkten gut gerüstet.

Wie zuletzt die Verselbständigung des Chemiebereichs durch dieGründung und den geplanten Verkauf der Tochterfirma Cognis deut-lich gemacht hat, beabsichtigt Henkel, sich zukünftig stärker überMarkenartikel zu definieren.1 Das Unternehmen hat seine Produkt-und Marken-Palette im Bereich der Waschmittel und Haushaltsreini-ger durch Eigenaufbau, Akquisitionen und Beteiligungen nachhaltigerweitert und durch Diversifikationsmaßnahmen in den Kosmetik-und Klebstoffbereichen vorangetrieben. Dabei blieb stets der Bezugzu bereits bestehenden Geschäftsaktivitäten gewahrt, so dass die sorg-fältige Diversifikationspolitik „aus dem Innern“ und die einfühlsameIntegration der erworbenen Gesellschaften, die „nicht mit amerikani-schen Holzhammermethoden“, sondern „mit sehr viel Fingerspitzen-gefühl“ erfolgte, zu den typischen Merkmalen der Expansionspolitikvon Henkel zählen.2

Darüber hinaus lassen sich weitere Determinanten aufzeigen, die imVerlauf der 125-jährigen Firmengeschichte für den Unterneh-menserfolg von herausragender Bedeutung gewesen sind. Angesichtsdes sich ständig wandelnden Wettbewerbsumfeldes und neuer zeitspe-zifischer Anforderungen bilden Flexibilität, Aufgeschlossenheit undOffenheit wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg. Die notwendi-ge Flexibilität bewies das Unternehmen immer wieder, so etwa alsnach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Verkehrsblockade im Düssel-dorfer Süden durch die Besatzungsmacht die Leimvorräte zum Ver-schließen der Waschmittelpackungen ausgingen und Henkel sich kur-zerhand daran machte, den fehlenden Klebstoff selbst herzustellen.

1 Interview Hans-DietrichWinkhaus, 26.6.2000, S. 15:Hintergrund für die Ausgliede-rung bilde die „Konzentration aufdie weniger kapitalintensivenBereiche Markenartikel undSystemgeschäfte [...]“, ebensodie Tatsache, „dass wir von demzyklischen Chemiegeschäftwegwollen“.

2 „Unternehmenspolitik hat sichbewährt“, in: Henkel-Blick7/1979, S. 6. „[...] wachsen,wo wir stark sind”, so dieCharakterisierung HelmutSihlers, in: „Neuer Auftakt inAmerika“, in: Henkel-Blick5/1987, S. 3. Interview Hans-Dietrich Winkhaus, 26.6.2000,S. 2.

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3 Streck, Chemische Industrie,S. 244–246. So auch InterviewHans-Dietrich Winkhaus,26.6.2000, S. 3 und 18.

Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen zeigte Henkel auch iminternationalen Wettbewerb: Als weltweit agierende Konzerne wieProcter & Gamble und Colgate-Palmolive ab den 1950er Jahren neueProdukt-, Marketing- und Vertriebsstrategien auf den europäischenWaschmittelmarkt brachten, weitete das Unternehmen seine Geschäfts-tätigkeit über das Stammgeschäft hinaus aus, investierte in neueGeschäftsbereiche wie Kosmetik und Körperpflege, Oberflächentech-nik, Hygiene, Metallchemie sowie Nahrungsmitteltechnologie underschloss neue Marktsegmente.3

Seine hohe Lernbereitschaft zeigte Henkel auch gegenüber derUmweltbewegung und dem zunehmenden Umweltbewusstsein der Ver-braucher seit den 1960er Jahren. Früher als andere Chemieanbietersetzte sich das Unternehmen offensiv mit umweltpolitischen Fragenauseinander, führte die Diskussion mit der Öffentlichkeit und zog dar-aus Impulse für neue Marketingstrategien. Durch Produktinnovationenwie Phosphatersatzstoffe in Waschmitteln, den Einsatz nachwachsen-der Rohstoffe und abbaubarer Tenside oder Ersatzstoffe für Lösemitteleröffneten sich vor allem in den traditionellen Geschäftsbereichen wiedem Wasch- und Reinigungsmittelgeschäft, den Klebstoffen oder derOleochemie eine Vielzahl von Wettbewerbsvorteilen.

Eine weiteres Spezifikum des Unternehmens besteht in der engenFamilienbindung. Nach der Börseneinführung von Stammaktien wurdeder Aktienbindungsvertrag der Familie Henkel, der für Kontinuität undOrientierung an den Familieninteressen steht, in modifizierter Formverlängert. Eng mit diesem Themenkreis verbunden ist die solideFinanzpolitik der Henkel-Gruppe. Wie schon zu Gründerzeiten bemüh-ten sich Unternehmensleitung und Gesellschafter um eine angemesse-ne Eigenkapitalbasis.

Angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs sowie der anhaltendenRezessionserscheinungen sah sich das Unternehmen in den 1970er Jah-ren zu nachhaltigen Umstrukturierungsmaßnahmen gezwungen. AuchJoint Ventures und auf Minderheitsbeteiligungen gegründete strategischeAllianzen, die für die Geschäftsleitung bis in die 1960er Jahre undenkbarwaren, entwickelten sich zu wichtigen Elementen der Expansionspolitik.

Der Wandel von der Personengesellschaft zur Kommanditgesellschaftauf Aktien wurde durch eine kontinuierliche und den Zeiterfordernissenentsprechende Entwicklung der Unternehmensorganisation begleitet.Die Ablösung der funktionalen Struktur durch eine bereichsgesteuerteSpartenorganisation mündete in den 1980er Jahren in eine Matrixstruk-tur, die die operative Verantwortung der lokalen Einheiten mit einer glo-balen strategischen Steuerung der Unternehmensbereiche verbindet.

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert verändern sich die Märkteschneller als je zuvor. Der Blick auf die 125-jährige Firmengeschichtevon Henkel zeigt, dass sich das Unternehmen neuen Herausforderun-gen stets erfolgreich gestellt hat. Denn: Innovationskraft aus Know-how und Kreativität bildeten schon immer einen zentralen Bestandteilder Henkel-Kultur. 393

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Wirtschaftliche Entwicklung

Umsätze der Henkel-Gruppe nach Unternehmensbereichen und Regionen im Jahr 2000 9

Umsätze der Henkel & Cie 1884 bis 1900 in Tausend Mark 24

Umsatz der Henkel & Cie in Tausend Mark 1901 bis 1920 44

Bruttoumsätze der Henkel & Cie GmbH 1924 bis 1945in Millionen Reichsmark 60

Jahresüberschüsse der Henkel & Cie GmbHund ihre Verwendung in Reichsmark 1924 bis 1944 63

Umsatzrentabilität der Henkel & Cie GmbH (und AG)in Prozent 1924 bis 1944 87

Wachstumsraten des Sozialproduktsund Arbeitslosenquote in der Bundesrepublik Deutschland1951 bis 1990 in Prozent 105

Produktionsmengen und Bruttoumsätzeder Henkel & Cie 1946 bis 1973 146

Umsätze und Jahresüberschüsse Henkel Konzern1974 bis 2000 in Millionen DM 186

Zinssaldo der Henkel & Cie GmbH sowie der Henkel & Cie AG 1934 bis 1948 in Tausend Reichsmark 219

Henkel & Cie GmbH, laufende Bankabhängigkeiten,1970 bis 1976 223

Zinssaldo der Persil GmbH beziehungsweise der Henkel GmbH, der Henkel & Cie GmbH und der Henkel International GmbH 1949 bis 1976 in Tausend DM 226

Zinssaldo der Henkel KGaA in Millionen DM 1975 bis 1984 227

Produktion/Vertrieb

Produktionsmengen der Henkel & Cie 1900 bis 1913 in Tonnen 26

Produktionsmengen der Henkel & Cie in Tonnen 1914 bis 1918 46

Produktionsmengen der Henkel & Cie GmbH in Tonnen 1919 bis 1945 75

Produktionsmengen und Bruttoumsätze der Henkel & Cie 1946 bis 1973 146

Produktbereiche Henkel und Schwarzkopf 166

Anteil der Henkel-Gruppe am Weltmarkt für Industrie-klebstoffe in Prozent, 1990 169

„Handlungsunkosten“ für Werbung, Gehälter der Reisenden und Reisespesen 1908 bis 1912 in Tausend Mark 250

Tabellen und Grafiken

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Mitarbeiter

Lebenshaltungskosten und Realeinkommen im Deutschen Reich 1850 bis 1913 (1913 = 100) 19

Belegschaftsentwicklung 1876 bis 1918 40

Belegschaft der Henkel & Cie GmbH 1918 bis 1945 85

Mitarbeiter bei Henkel in Düsseldorf-Holthausen und bei Tochtergesellschaften, einschließlich ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener 1941 bis 1945 94

Belegschaftsentwicklung der Henkel & Cie 1946 bis 1973 139

Belegschaftsentwicklung der Henkel KGaA 1974 bis 2000 180

Beteiligungen der Mitarbeiter am Firmenkapital 231

Eingereichte Verbesserungsvorschläge in den Jahren 1942 bis 2000 289

Entwicklung der Mitarbeiterzahlen Henkel-Gruppe 1961 bis 2000 310

Organisation

Organisationsstruktur 1911 27

Organisationsstruktur 1913 28

Beteiligungen der Henkel & Cie GmbH 1946 196

Organisation Henkel ab 1950 198

Spartenorganisation 1969 200

Zuordnung der Tochtergesellschaften zu den Sparten 1969 203

Organisation der Henkel KGaA 1977 204

Organisation der Henkel KGaA 1985 206

Boston Consulting Group, „Strategie 20“ (1986) 208

Strategische Geschäftseinheiten der Henkel-Gruppe 1992 209

Beteiligungen in China 378

Bedeutende ausländische Konzernunternehmen 387

Sonstiges

Die Verbreitung von Werbemedien in Deutschland 264

Die Ergebnisse der Kinder-Untersuchungen vom 1. April 1925 bis 1. April 1935 281

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Zu den Autoren:

Prof. Dr. Wilfried Feldenkirchen, geboren 1947 in Köln. Studium derGeschichte, Anglistik und Volkswirtschafts-lehre in Bonn, Promotion zum Dr. phil. 1974, Habilitation 1980, Maier-Leibnitz-Preis 1982, Newcomen Preis 1987, ab1985 außerplanmäßiger Professor an derUniversität Bonn, von 1985 - 1990 Direktordes Akademischen Auslandsamtes der Uni-versität Bonn, 1989/1990 Professur an derUniversität Saarbrücken, seit Wintersemes-ter 1990/91 ordentlicher Professor für

Wirtschafts-,Sozial- und Un-ternehmens-geschichte ander Wirtschafts-und Sozialwis-senschaftlichenFakultät der Uni-versität Erlan-gen-Nürnberg.

Dr. Susanne Hilger, geboren 1965 in Gummersbach. Studium der Wirtschafts-und Sozialgeschichte, Kunstgeschichte undneueren Germanistik in Bonn, seit 1992 wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhlfür Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmens-geschichte der Universität Erlangen-Nürn-berg, Promotion zum Dr. rer. pol. 1996 miteiner Dissertation über Sozialpolitik und Unternehmensorganisation in der rheinisch-westfälischen Eisen- und Stahlindustrie.Neben der Mitarbeit an Forschungs- und

Ausstellungspro-jekten arbeitetsie zur Zeit anihrer Habilita-tionsschrift, die sich mit derAmerikanisierungder deutschenWirtschaft im 20. Jahrhundertbefasst.

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125 years. focus : future.