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Sport Donnerstag, 14. Januar 2016 50 Jahre Eishockey in Kassel Geschichten und Geschichte Von ESG zu Huskies Die Kasseler Puckjäger starteten als eine von zahlreichen Abteilun- gen des Eisenbahner-Sport-Ver- eins (ESV) Kassel, dessen Tisch- tennis-Teams über Jahrzehnte Spitzenklasse waren. 1967 grün- deten sie die Eissport-Gemein- schaft Kassel, später folgten der Eishockey-Club Kassel und die Kassel Huskies. 584 Spieler 584 Spieler haben in den 50 Jah- ren seit 1966 die Kasseler Eis- hockey-Trikots getragen von A wie Abstreiter (Peter und Tobias) bis Z wie Zores (Jürgen und Wer- ner). Einheimische Cracks wie die heutigen Huskies Manuel Klinge, Michi Christ und Alex Heinrich, hier heimisch gewordene wie Herbert Heinrich, Sepp Kontny, Milan Mokros und Shane Tarves, zweimal zu- und abgereiste wie Toni Hager und Dave Morrison, unvergessene wie Danny Coutu, Eddy Michel, Mike Millar, Greg Evtushevski, und und und. 32 Trainer 32 Trainer haben seit 1977 an der Bande gestanden. Legendäre wie „Tiger“ Toni Waldmann (1981/ 82), dessen Bewerbungsschrei- ben zwölf Seiten umfasste, Tore Hedwall (84 - 88), mit dem der Aufstieg in die Bundesliga nur um einen Punkt verpasst wurde, Vize- meistermacher Gerhard Brunner (96 - 97), DEL-Halbfinal-Abon- nent Hans Zach und Dauerbren- ner Stéphane Richer (2006 - 10), nur Hans Zach (95/96 und 98 - 02) war länger hier. Aber auch Sternschnuppen wie der Russe Sergej Nikolajew (90) aus Jaros- lawl, Bill Lochead (97/98), Axel Kammerer (2003/04) und Bernie Englbrecht (05/06). Tausende Fans Treu wie Pech und Schwefel: Die Fans des Kasseler Eishockeys ha- ben glanzvolle Triumphe gefeiert, aber auch große Qualen erlitten. Sie feierten ihre Lieblinge auf dem Rathaus-Balkon, aber sie demons- trierten auch mehrfach am selben Ort für den Erhalt des Eishockeys, wenn Misswirtschaft einzelner Funktionäre das Aus heraufbe- schworen hatte. Unvergessen: Die deutsche Vizemeisterschaft 1997, das Public Viewing in der Eissporthalle vom Halbfinale in Berlin und dem zweiten Finalspiel in Mannheim. Aber auch die Hes- senliga-Traumrunde der Kasseler Jungs 2010/11 und viele Feiern mit der Mannschaft (z. B. im Kor- bacher Eck) und die Happy Trains. Viele Funktionäre In den frühen Jahren bezahlten Vorsitzende wie Hans Kager, Det- lef Otto und Fritz Lipphardt ihr ehrenamtliches Engagement mit Herzblut, aber auch mit dem ei- genen Haus und/oder viel priva- tem Vermögen. An einem Oster- sonntag gar sollen in einem Gar- tenhäuschen rasch belastende Belege verbrannt worden sein. Geschichten und Geschichte Große Auftritte Zwei große Auftritte sind unver- gessen. 1985 wurde der Empfang von Miroslav „Kuki“ Dvorak me- dienträchtig inszeniert. Der Tscheche - damals 33, inzwischen verstorben - kam als Stanleycup- Sieger vom NHL-Club Philadel- phia nach Kassel. Am Hauptbahn- hof wurde der Star mit viel Brim- borium empfangen. Den Zug hat- te er aber erst in Wilhelmshöhe bestiegen. Im Sommer 1994 dann rätselte und hoffte die Kas- seler Fangemeinde: Kehrt „Mis- ter“ Dave Morrison aus Berlin zu- rück? Wie aus dem Nichts war der Publikumsliebling dann da: Beim HNA-Lesertreff im rappelvollen Festzelt der Wehlheider Kirmes präsentiert Klubchef Gerhard Swoboda den Star mit der Num- mer 10. War das ein Jubel! Pleiten und Pannen Natürlich gab’s auch Pleiten (vor allem wirtschaftlich) und auch Pannen. Eine ereilte das ESG- Team in den frühen Jahren. Metz- ger Herbert „Coppi“ Herwig hatte für die Fahrt nach Unna wieder le- gendäre Lunchpakete geschnürt. Doch vor allem das Hackfleisch war nach dem Spiel ungenießbar. Der Grund: Die Auspuffanlage des Busses war defekt, und Abgase hatten während der Anreise den Proviant im Stauraum verdorben. Feiern mit Folgen So manche Feier der Puckjäger hatte Folgen. Im Stammlokal Schnatters Pub zerbrach 1982 nach der Oberliga-Vizemeister- schaft ein runder Marmortisch, auf dem Chris Spreigl und Harald Lemanczyk ausgelassen getanzt hatten. Ende der Achtzigerjahre kostete eines der manchmal aus- schweifenden Kabinenfeste der Mannschaft in einer Nacht gleich drei angetrunken erwischte Spie- ler für einige Wochen den Führer- schein. Und: Es gab auch Spieler, die unfreiwillig für Nachwuchs in Nordhessen gesorgt haben. Starke Ausländer Vom ersten Tag an hatten Kasse- ler Teams stets vorzügliche aus- ländische Spieler wie Danny Coutu und Gary Hoag. Als es noch keine Manager gab, sorgte dafür vor allen ein Kasseler Arzt. Dr. Wolf Jöckel hatte beste Dräh- te zu Spielervermittlern wie Rol- ly Thomson. In seinem Hinter- zimmer wurden am Telefon Kontakte geknüpft – u. a. zu Eric Thurston, Cary Cummins, Don Langlois und Jayson Meyer. Zahlreiche Statistiken dieser Kolumnen entstammen der sehr interessanten Homepage www.huskywiki.de Sporthistorie im Regiowiki N icht nur Bilder von den ersten Eishockeytagen in Kassel gibt es im Re- giowiki der HNA. Natürlich findet man dort auch Fußball, Leichtathletik, Motorsport, Rudern oder Gewichtheben, Boxen, Radsport oder Schach - von fast allen Sportarten der Region sind dort Bilder. Also: Klicken Sie sich durch die Sportgeschichte der Region und melden Sie sich bei uns, wenn Sie Infos zu einem der Bilder besitzen. Oder selbst historische Sportfotos haben. Entweder per E-Mail an [email protected] oder per Post an HNA-Online, Historische Sportfotos, Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel. Mehr im Regiowiki: http://regiowiki.hna. de/Portal:_Histori- sche_Sportfotos Pioniere neu in der Eissport- Gemeinschaft Kassel (ESG) und wählten Horst Schönewolf zum Vorsitzenden. Ein regulä- rer Spielbetrieb in Kassel aber wurde erst 1977 möglich mit der Eröffnung der von Edith und Simon Kimm errichteten Eissporthalle. Eisstockschießen und Kunst- lauf wurden angeboten, doch Eishockey begeisterte vom ers- ten Tag an die Massen. Es be- gann eine Erfolgsgeschichte bis hin zur Deutschen Vize- meisterschaft 1997, aber auch mit zahlreichen wirtschaftlich bedingten Abstürzen und Neu- starts als Eishockey-Club Kas- sel und als Kassel Huskies. Foto: Fritschler noch in Schwarz-Weiß – Spiel- szenen, Mannschaftsaufnah- men und sogar Fotos von einer Autopanne, die das Team auf dem Weg zu einem Spiel nach Bad Nauheim ausbremste. „Wir waren sehr von der Witterung abhängig, haben zu- meist auswärts gespielt“, erin- nert sich Rüdiger Seehof. Und erzählt natürlich auch die Ge- schichte vom ersten Spiel einer Kasseler Mannschaft über- haupt – Ende Februar 1965 auf einem Dorfteich bei Lauter- bach. „Die Partie musste abge- brochen werden, weil unser Spieler Wolfgang Drechsler im Eis eingebrochen war und bis zur Hüfte im Wasser stand.“ 1967 organisierten sich die park sollte im Winter eine Eis- bahn angelegt werden. Doch es dauerte dann noch bis zum Januar 1966, ehe das erste Spiel stattfinden konnte. „Kassels Eishockeymannschaft ließ ihr Blau leuchten“ titelte am 17. Januar die Hessische Allgemeine. Zu Gast war der VfL Bad Nauheim, der das Spiel vor 500 Zuschauern mit 14:3 gewann. Wagner, Klement, Ull- rich, Brosche, Hartwig, Kurrat, Augustin, Luck, Diechtl, Zores, Menzel, Heine, Albrecht und Spohr trugen damals die neu- en blauen Trikots der Kasseler Debütanten. Von diesen blauen Trikots gibt es sogar Farbaufnahmen. Doch der Großteil der Bilder ist V ON P ETER F RITSCHLER UND G ERALD S CHAUMBURG KASSEL. Der Kasseler Rolf Spohr hat selbst Eishockey ge- spielt, wenn auch nur kurze Zeit, eine Verletzung stoppte ihn 1979. Spohr (Jahrgang 1961) war, wenn man so will, erblich vorbe- lastet. Sein 2012 verstorbe- ner Vater Hell- mut „Hello“ Spohr hatte zu den Gründern des Eishockeys in Kassel ge- hört. So kommt es, dass Spohr nicht nur dem Puck auf schnellem Eis nach- jagte, sondern dass er auch im Besitz vieler alter Fotos ist. Aus dem Nachlass seines Vaters und aus dem von Viktor Kle- ment (2013 verstorben), der ebenfalls das Eishockey in Kas- sel mit aus der Taufe hob. Im Winter 1963 kam Spohr, Klement, Rüdiger Seehof und Jochen Luck, der kürzlich sei- nen 90. Geburtstag feierte, bei einem Spaziergang am Kü- chengraben in der Karlsaue die Idee, sich nach getaner Arbeit auf die gefrorenen Flächen in der Aue zu wagen. Der Küchengraben war da- mals einer der Plätze, auf de- nen sich Kasseler, Kasselaner und Kasseläner zum Schlitt- schuhlaufen trafen. Im Dezem- ber 1964 wurde dann die Eis- laufabteilung im ESV Jahn ge- gründet mit Viktor Klement als erstem Vorsitzenden. Auf der ESV-Tennisanlage im Aschrott- Es begann mit einem 3:14 Auftaktniederlage gegen Bad Nauheim folgten Gründung der ESG, Höhen und Tiefen Das erste Spiel: Im Januar 1966 spielte die Eishockey-Abteilung des ESV Jahn Kassel (in dunklen Trikots) gegen Bad Nauheim und unterlag vor 500 Zuschauern mit 3:14. Fotos: Archiv/Regiowiki Rolf Spohr Eishockey-Pioniere: Hellmut Spohr („Hello“) und Viktor Klement (rechts). Kabinengang: Strasser, Franz und Peter Kapr, Tappenbeck (von vorn), rechts Willi Kurrat. Auf der Bank in der Eissporthalle: Rolf Spohr (links), Eddie Haaf, Ni- cki Schönewolf und Stefan Heine im Jahr 1979. Die ESG Kassel im Dezember 1967 beim Pokalspiel in Bad Nauheim mit (hinten von links) Jürgen Zo- res, Rüdiger Seehof, Siggi Kreft, Hellmut „Hello“ Spohr, Werner Augustin, Josef „Beppi“ Reindl, Heinz Albrecht, Baldur Diechtl, Viktor Klement, Peter Anders, Jochen Luck, der Schiedsrichter; (vorn) Willi Kurrat, Torwart Dieter Tripp, Frank Brosche, Dieter Euler, Werner Zores und ein Nauheimer Spieler.

Es begann mit einem 3:14 - HNA.de

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SportDonnerstag, 14. Januar 2016

50 Jahre Eishockey in Kassel

Geschichtenund GeschichteVon ESG zu HuskiesDie Kasseler Puckjäger startetenals eine von zahlreichen Abteilun-gen des Eisenbahner-Sport-Ver-eins (ESV) Kassel, dessen Tisch-tennis-Teams über JahrzehnteSpitzenklasse waren. 1967 grün-deten sie die Eissport-Gemein-schaft Kassel, später folgten derEishockey-Club Kassel und dieKassel Huskies.

584 Spieler584 Spieler haben in den 50 Jah-ren seit 1966 die Kasseler Eis-hockey-Trikots getragen von Awie Abstreiter (Peter und Tobias)bis Z wie Zores (Jürgen und Wer-ner). Einheimische Cracks wie dieheutigen Huskies Manuel Klinge,Michi Christ und Alex Heinrich,hier heimisch gewordene wieHerbert Heinrich, Sepp Kontny,Milan Mokros und Shane Tarves,zweimal zu- und abgereiste wieToni Hager und Dave Morrison,unvergessene wie Danny Coutu,Eddy Michel, Mike Millar, GregEvtushevski, und und und.

32 Trainer32 Trainer haben seit 1977 an derBande gestanden. Legendäre wie„Tiger“ Toni Waldmann (1981/82), dessen Bewerbungsschrei-ben zwölf Seiten umfasste, ToreHedwall (84 - 88), mit dem derAufstieg in die Bundesliga nur umeinen Punkt verpasst wurde, Vize-meistermacher Gerhard Brunner(96 - 97), DEL-Halbfinal-Abon-nent Hans Zach und Dauerbren-ner Stéphane Richer (2006 - 10),nur Hans Zach (95/96 und 98 -02) war länger hier. Aber auchSternschnuppen wie der RusseSergej Nikolajew (90) aus Jaros-lawl, Bill Lochead (97/98), AxelKammerer (2003/04) und BernieEnglbrecht (05/06).

Tausende FansTreu wie Pech und Schwefel: DieFans des Kasseler Eishockeys ha-ben glanzvolle Triumphe gefeiert,aber auch große Qualen erlitten.Sie feierten ihre Lieblinge auf demRathaus-Balkon, aber sie demons-trierten auch mehrfach am selbenOrt für den Erhalt des Eishockeys,wenn Misswirtschaft einzelnerFunktionäre das Aus heraufbe-schworen hatte. Unvergessen:Die deutsche Vizemeisterschaft1997, das Public Viewing in derEissporthalle vom Halbfinale inBerlin und dem zweiten Finalspielin Mannheim. Aber auch die Hes-senliga-Traumrunde der KasselerJungs 2010/11 und viele Feiernmit der Mannschaft (z. B. im Kor-bacher Eck) und die Happy Trains.

Viele FunktionäreIn den frühen Jahren bezahltenVorsitzende wie Hans Kager, Det-lef Otto und Fritz Lipphardt ihrehrenamtliches Engagement mitHerzblut, aber auch mit dem ei-genen Haus und/oder viel priva-tem Vermögen. An einem Oster-sonntag gar sollen in einem Gar-tenhäuschen rasch belastendeBelege verbrannt worden sein.

Geschichtenund GeschichteGroße AuftritteZwei große Auftritte sind unver-gessen. 1985 wurde der Empfangvon Miroslav „Kuki“ Dvorak me-dienträchtig inszeniert. DerTscheche - damals 33, inzwischenverstorben - kam als Stanleycup-Sieger vom NHL-Club Philadel-phia nach Kassel. Am Hauptbahn-hof wurde der Star mit viel Brim-borium empfangen. Den Zug hat-te er aber erst in Wilhelmshöhebestiegen. Im Sommer 1994dann rätselte und hoffte die Kas-seler Fangemeinde: Kehrt „Mis-ter“ Dave Morrison aus Berlin zu-rück? Wie aus dem Nichts war derPublikumsliebling dann da: BeimHNA-Lesertreff im rappelvollenFestzelt der Wehlheider Kirmespräsentiert Klubchef GerhardSwoboda den Star mit der Num-mer 10. War das ein Jubel!

Pleiten und PannenNatürlich gab’s auch Pleiten (vorallem wirtschaftlich) und auchPannen. Eine ereilte das ESG-Team in den frühen Jahren. Metz-ger Herbert „Coppi“ Herwig hattefür die Fahrt nach Unna wieder le-gendäre Lunchpakete geschnürt.Doch vor allem das Hackfleischwar nach dem Spiel ungenießbar.Der Grund: Die Auspuffanlage desBusses war defekt, und Abgasehatten während der Anreise denProviant im Stauraum verdorben.

Feiern mit FolgenSo manche Feier der Puckjägerhatte Folgen. Im StammlokalSchnatters Pub zerbrach 1982nach der Oberliga-Vizemeister-schaft ein runder Marmortisch,auf dem Chris Spreigl und HaraldLemanczyk ausgelassen getanzthatten. Ende der Achtzigerjahrekostete eines der manchmal aus-schweifenden Kabinenfeste derMannschaft in einer Nacht gleichdrei angetrunken erwischte Spie-ler für einige Wochen den Führer-schein. Und: Es gab auch Spieler,die unfreiwillig für Nachwuchs inNordhessen gesorgt haben.

Starke AusländerVom ersten Tag an hatten Kasse-ler Teams stets vorzügliche aus-ländische Spieler wie DannyCoutu und Gary Hoag. Als esnoch keine Manager gab, sorgtedafür vor allen ein Kasseler Arzt.Dr. Wolf Jöckel hatte beste Dräh-te zu Spielervermittlern wie Rol-ly Thomson. In seinem Hinter-zimmer wurden am TelefonKontakte geknüpft – u. a. zu EricThurston, Cary Cummins, DonLanglois und Jayson Meyer.

Zahlreiche Statistiken dieserKolumnen entstammen dersehr interessanten Homepagewww.huskywiki.de

Sporthistorieim Regiowiki

N icht nur Bilder von denersten Eishockeytagenin Kassel gibt es im Re-

giowiki der HNA. Natürlichfindet man dort auch Fußball,Leichtathletik, Motorsport,Rudern oder Gewichtheben,Boxen, Radsport oder Schach -von fast allen Sportarten derRegion sind dort Bilder. Also:Klicken Sie sich durch dieSportgeschichte der Regionund melden Sie sich bei uns,wenn Sie Infos zu einem derBilder besitzen. Oder selbsthistorische Sportfotos haben.

Entweder per E-Mail [email protected] oder per Post anHNA-Online, HistorischeSportfotos, Frankfurter Straße168, 34121 Kassel.

Mehr im Regiowiki:http://regiowiki.hna.de/Portal:_Histori-sche_Sportfotos

Pioniere neu in der Eissport-Gemeinschaft Kassel (ESG) undwählten Horst Schönewolfzum Vorsitzenden. Ein regulä-rer Spielbetrieb in Kassel aberwurde erst 1977 möglich mitder Eröffnung der von Edithund Simon Kimm errichtetenEissporthalle.

Eisstockschießen und Kunst-lauf wurden angeboten, dochEishockey begeisterte vom ers-ten Tag an die Massen. Es be-gann eine Erfolgsgeschichtebis hin zur Deutschen Vize-meisterschaft 1997, aber auchmit zahlreichen wirtschaftlichbedingten Abstürzen und Neu-starts als Eishockey-Club Kas-sel und als Kassel Huskies.

Foto: Fritschler

noch in Schwarz-Weiß – Spiel-szenen, Mannschaftsaufnah-men und sogar Fotos von einerAutopanne, die das Team aufdem Weg zu einem Spiel nachBad Nauheim ausbremste.

„Wir waren sehr von derWitterung abhängig, haben zu-meist auswärts gespielt“, erin-nert sich Rüdiger Seehof. Underzählt natürlich auch die Ge-schichte vom ersten Spiel einerKasseler Mannschaft über-haupt – Ende Februar 1965 aufeinem Dorfteich bei Lauter-bach. „Die Partie musste abge-brochen werden, weil unserSpieler Wolfgang Drechsler imEis eingebrochen war und biszur Hüfte im Wasser stand.“

1967 organisierten sich die

park sollte im Winter eine Eis-bahn angelegt werden.

Doch es dauerte dann nochbis zum Januar 1966, ehe daserste Spiel stattfinden konnte.„Kassels Eishockeymannschaftließ ihr Blau leuchten“ titelteam 17. Januar die HessischeAllgemeine. Zu Gast war derVfL Bad Nauheim, der das Spielvor 500 Zuschauern mit 14:3gewann. Wagner, Klement, Ull-rich, Brosche, Hartwig, Kurrat,Augustin, Luck, Diechtl, Zores,Menzel, Heine, Albrecht undSpohr trugen damals die neu-en blauen Trikots der KasselerDebütanten.

Von diesen blauen Trikotsgibt es sogar Farbaufnahmen.Doch der Großteil der Bilder ist

V O N P E T E R F R I T S C H L E RU N D G E R A L D S C H A U M B U R G

KASSEL. Der Kasseler RolfSpohr hat selbst Eishockey ge-spielt, wenn auch nur kurzeZeit, eine Verletzung stoppteihn 1979. Spohr (Jahrgang1961) war, wenn man so will,

erblich vorbe-lastet. Sein2012 verstorbe-ner Vater Hell-mut „Hello“Spohr hatte zuden Gründerndes Eishockeysin Kassel ge-hört.

So kommtes, dass Spohr nicht nur demPuck auf schnellem Eis nach-jagte, sondern dass er auch imBesitz vieler alter Fotos ist. Ausdem Nachlass seines Vatersund aus dem von Viktor Kle-ment (2013 verstorben), derebenfalls das Eishockey in Kas-sel mit aus der Taufe hob.

Im Winter 1963 kam Spohr,Klement, Rüdiger Seehof undJochen Luck, der kürzlich sei-nen 90. Geburtstag feierte, beieinem Spaziergang am Kü-chengraben in der Karlsaue dieIdee, sich nach getaner Arbeitauf die gefrorenen Flächen inder Aue zu wagen.

Der Küchengraben war da-mals einer der Plätze, auf de-nen sich Kasseler, Kasselanerund Kasseläner zum Schlitt-schuhlaufen trafen. Im Dezem-ber 1964 wurde dann die Eis-laufabteilung im ESV Jahn ge-gründet mit Viktor Klement alserstem Vorsitzenden. Auf derESV-Tennisanlage im Aschrott-

Es begann mit einem 3:14Auftaktniederlage gegen Bad Nauheim folgten Gründung der ESG, Höhen und Tiefen

Das erste Spiel: Im Januar 1966 spielte die Eishockey-Abteilung des ESV Jahn Kassel (in dunklen Trikots) gegen BadNauheim und unterlag vor 500 Zuschauern mit 3:14. Fotos: Archiv/Regiowiki

RolfSpohr

Eishockey-Pioniere: Hellmut Spohr („Hello“)und Viktor Klement (rechts).

Kabinengang: Strasser, Franz und Peter Kapr,Tappenbeck (von vorn), rechts Willi Kurrat.

Auf der Bank in der Eissporthalle: Rolf Spohr (links), Eddie Haaf, Ni-cki Schönewolf und Stefan Heine im Jahr 1979.

Die ESG Kassel im Dezember 1967 beim Pokalspiel in Bad Nauheim mit (hinten von links) Jürgen Zo-res, Rüdiger Seehof, Siggi Kreft, Hellmut „Hello“ Spohr, Werner Augustin, Josef „Beppi“ Reindl, HeinzAlbrecht, Baldur Diechtl, Viktor Klement, Peter Anders, Jochen Luck, der Schiedsrichter; (vorn) WilliKurrat, Torwart Dieter Tripp, Frank Brosche, Dieter Euler, Werner Zores und ein Nauheimer Spieler.

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Sport Donnerstag, 14. Januar 2016

50 Jahre Eishockey in Kassel

Kommentar

Erfolgsstoryauf dem Eis

N iemand hätte im Januar1966 gedacht, dass ausder Gaudi der Männer

vom Aschrottpark eine solcheErfolgsgeschichte werdenkönnte. Dass Eishockey in derFußballstadt Kassel zu solch ei-nem Renner würde. „Hello“Spohr, Wiktor Klement, Rüdi-ger Seehof und Jochen Luck –sie legten damals den Grund-stein. Die Eröffnung der Eis-sporthalle 1977 war der nächs-te elementare Meilenstein.

Tempo, Rasanz, Athletikund manchmal auch die Härtedieses Sports verzaubern dieMassen. Die Fans strömen zuden Spielen, heute wie gestern.Sie gingen mehrfach auf dieStraße, wenn ihr Sport wegenMisswirtschaft Einzelner malwieder vor dem Aus stand. Blauund weiß ein Leben lang – inguten wie in schlechten Zeiten.In der untersten Liga, in derzweiten, in der ersten und so-gar im Europapokal 1997/98.

Jetzt, 50 Jahre nach den An-fängen, reift die Zeit für eineneue Generation von Pionierenheran, die langfristige Perspek-tiven schaffen für das KasselerEishockey. Männer und Frauenwerden benötigt, die den Fort-bestand der Eissporthalle si-chern. Schließlich sind die Hal-lenbetreiber Edith und SimonKimm weiterhin recht rüstig,aber auch schon über 80 undsomit so alt wie die einstigenMacher vom Aschrottpark.Schon jetzt sollten sich neuePioniere darum bemühen, end-lich, endlich eine zweite Eisflä-che zu schaffen. Als Basis fürJugendarbeit, Breiten- undSpitzensport im Sinne derMänner vom Aschrottpark.

[email protected]

GeraldSchaumburgüber Ge-schichte undPerspektivedes KasselerEishockeys

aktuell20051994199119671966

hockeys. „Wir waren nicht nurMannschaftskameraden, wirwaren auch dicke Freunde“,sagt Peter Ullrich. Doch dieWege trennten sich bald, nurhin und wieder haben sie sichspäter noch getroffen. Es gabkeinen Stammtisch, kein Klub-heim. Auch bei den heutigenSpielen der Huskies sieht mandie Pioniere nur vereinzelt. Inanderen Eisklubs haben die Al-ten feste Plätze, wird die Tradi-tion gepflegt. „Mit der Kom-merzialisierung hat sich vielesverändert, nicht alles zum Bes-seren“, sagt Jürgen Zores.

Dank von GibbsUnd freut sich dennoch, dass

auch Joe Gibbs in den Aschrott-park gekommen ist. Der heuti-ge Huskies-Manager war erstsechs Jahre alt, als das KasselerEishockey aus der Taufe geho-ben wurde und kam in Kanadagerade in die Schule. Er sagt:„Ich danke Ihnen sehr herzlichfür Ihren Einsatz und freuemich, wenn Sie am 9. Februarzum Spiel gegen Kaufbeurenunsere Gäste sein werden.“ Inder Eissporthalle. Wo es keineneun Grad Frost haben wird.

brochen von ihren Weggefähr-ten, immer neue Erinnerungenwerden bei den zahlreich er-schienenen Mitstreitern wach.Frank Brosche ist aus Wolfs-burg gekommen. „Ich war derErste, der eine Strafzeit aufge-brummt bekam und wurde da-nach von meinen Freundenund Brüdern gefrotzelt“, sagter. Und laut hallt das Lachenüber die Tennisplätze des ESVJahn. „Baldur hatte es da leich-ter, er schoss unser erstes Torund wurde gefeiert.“

„Wir waren dicke Freunde“Stolz sind sie allesamt, die

Pioniere des Kasseler Eis-

Riessersee, war Eisschnellläu-fer und Eishockeyspieler. Ihnhatte es nach Kassel verschla-gen, er wohnte nur wenige Me-ter neben den Tennisplätzen.Er war unser erster Eismeisterund hat sich alle zwei Stundenden Wecker neu gestellt“, er-läutert Zores. Selbst von Rück-schlägen ließen die Kasselersich nicht beirren. „Die An-schlüsse von Schläuchen undHydrant waren kaum anzufas-sen. Und als ein Schlauch ein-mal geplatzt ist, da waren wirsofort bis auf die Haut von Eis-wasser durchnässt.“

Mehrfach werden die Berich-te von Seehof und Zores unter-

den Tore hatten Gefangene imWehlheider Knast zusammen-geschweißt, die Bande habenwir für 800 Mark von der Zweh-rener Tribünenbaufirma Heit-mann erhalten.“

„Damals gab es nochrichtige Winter. 15, 16Grad minus, das warnachts nicht außerge-wöhnlich.“

J Ü R G E N Z O R E S

Aber wie kam das Eis auf dieTennisplätze? „Damals gab esnoch richtige Winter“, sagt Jür-gen Zores und lacht. „15, 16Grad minus, das war nachtsnicht außergewöhnlich.“ Alsohaben sie die Fläche zwischenden Banden geflutet. „Tagsüberwaren Mitarbeiter der Stadtfleißig, nachts wir selbst.“ Allezwei Stunden musste Wasseraufgespritzt werden, bis einevier, fünf Zentimeter dicke Eis-schicht entstand. 27 mal 53 Me-ter, gerade groß genug für einoffizielles Eishockeyspiel.

„Baldur Diechtl kam aus Gar-misch-Partenkirchen vom SC

V O N P E T E R F R I T S C H L E RU N D G E R A L D S C H A U M B U R G

KASSEL. Der 16. Januar 1966.Ein Sonntag, 11 Uhr. Es ist bit-terkalt im Kasseler Aschrott-park, neun oder zehn GradFrost, Schneemassen bedeckendie Region. Dennoch ist es rap-pelvoll auf den Tennisplätzendes ESV Jahn. „500 Menschenwaren da, mit Kuhglocken, Teeund Glühwein. Die Stimmungwar sensationell.“ Rüdiger See-hofs Augen leuchten, wenn ersich nun an diesen Tag erin-nert. Denn mit seinen Wegge-fährten vom ESV Jahn bestrei-tet er das erste offizielle Eis-hockeyspiel in Kassel. 3:14 un-terliegen die Kasseler Debütan-ten dem VfL Bad Nauheim (sie-he Bericht nächste Seite). Darü-ber können sie längst lachen,die alten Herren, als sie sichnun nach 50 Jahren am selbenOrt wiedersehen und im klei-nen Kreis die Erinnerung aufle-ben lassen an die Geburtsstun-de des Kasseler Eishockeys.

„Es war eine Heidenarbeitüber viele Tage und Nächte, biswir überhaupt spielen konn-ten“, berichtet Seehof. „Die bei-

Die Anfänge im AschrottparkAm 16. Januar begann auf den Tennisplätzen des ESV Jahn die Kasseler Eishockey-Geschichte

Die Jahner Eishockeyspieler der ersten Tage 1966 mit (von links) Jochen Luck, Manfred Rönz, Egon Sehling, Hellmut „Hello“ Spohr, Peter Ullrich, Frank Brosche, RolandWagner, Eddy Menzel, Viktor Klement und Jürgen Zores. Foto: Archiv/Regiowiki

Eishockeyspieler auf Tennisplätzen: Zum Wiedersehen im Aschrottpark kamen jetzt (von links) Rolf Spohr (Sohn von „Hello“ Spohr),Werner Zores, Manfred Rönz, Conny Schönewolf, Ernst Iben, Rüdiger Seehof, Jochen Luck, Peter Ullrich, Jürgen Zores, Frank Brosche,Huskies-Manager Joe Gibbs als Gast, Dieter Tripp und Werner Haßenpflug. 4 Fotos: Schachtschneider

Mit den Schlittschuhen voneinst: Frank Brosche.

War Fußballer und Eishockey-spieler: Werner Haßenpflug.

Der Älteste läuft noch Schlitt-schuh: Jochen Luck (90).

Von Albrechtbis ZoresVon A bis Z – dies sind dieMänner der ersten Stundeim Kasseler Eishockey:Heinz Albrecht, WernerAugustin, Frank Brosche,Baldur Diechtl, Dr. Wolf-gang Drechsler, JosephHartwig, Werner Haßen-pflug, Wilfried Heim, Gün-ther Heine, Viktor Kle-ment, „Siggi“ Kreft, WillyKurrat, Jochen Luck, EddiMenzel, Manfred Rönz,Horst Schönewolf, Rüdi-ger Seehof, Hellmut („Hel-lo“) Spohr, Hans-DieterTripp, Peter Ullrich, Ro-land Wagner, Jürgen Zo-res, Werner Zores. Einigesind bereits verstorben.(sam)

H I N T E R G R U N D