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Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 1 von 107
Wirtschaft der Region Thun Ausgangslage und Entwicklungsmöglichkeiten
Ein Arbeitspapier für die Diskussionen unter Politik, Verwaltung und Wirtschaft.
Verfasser: Philippe Häberli Lorenz Zellweger
Mitverfasser: Nicole Berner Melchior Buchs
0.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 2 von 107
0.1. Management summary
Thun hat Potenzial. Die Führung der Stadt Thun hat die Absicht, dieses Potenzial zu nutzen und die
wirtschaftliche Entwicklung der Region mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Um
Wirtschaft, Politik und Verwaltung auf gleichem Informationsstand in die Diskussion einbeziehen zu
können, hat die Abteilung Stadtmarketing die vorliegende Studie als breit zugängliche
Informationsgrundlage verfasst.
Geschichte, Fakten und Möglichkeiten:
Die Wirtschaft der Region Thun wurde ein gutes Jahrhundert von der Rüstungsindustrie und ihrem
Umfeld geprägt. Bis in die „Belle Epoque“ hinein war Thun auch ein bedeutender Tourismusort. Die
Identifikation mit der Armee hat in der Bevölkerung seit den sechziger Jahren laufend abgenommen und
die Rüstungsaktivitäten sind anfangs der neunziger Jahre eingebrochen. Der prägende
Wirtschaftsbereich ist stark geschrumpft und durch nichts mit gleich grosser Bedeutung ersetzt worden.
Thun fehlt heute die wirtschaftliche Identität.
Thun ist es über lange Zeit immer gut gegangen, die konstante Auslastung der Bundesbetriebe hat für
eine hohe wirtschaftliche Stabilität gesorgt. Thun wurde in den vergangenen hundert Jahren
wirtschaftlich nie wachgerüttelt, wie dies zum Beispiel Biel mit Krise der Uhrenindustrie in den siebziger
Jahren widerfahren ist. Ein kräftiger Ruck war mit der „Thuner Rüstungskrise“ anfangs der neunziger
Jahre zwar spürbar, für das Auslösen einer nachhaltigen Aufbruchsstimmung reichte es jedoch nicht aus.
Thun war nie gezwungen, konsequent und strukturiert eine neue Wirtschaft anzusiedeln und zu pflegen.
Entsprechend hat sich in Thun keine aktive Wirtschaftskultur entwickelt.
Auch Zahlen zeigen auf, dass gesellschaftliche Dynamik nicht die herausragende Eigenschaft der Region
Thun ist. Sehr tiefe Ausländeranteile (Wirtschaftsraum Thun WRT 15%, CH 21%) und sehr wenig
Fremdsprachige in der Region deuten auf einen geringen „Austausch mit der Aussenwelt“ hin. Der
Austausch im engeren Raum hingegen ist intensiv: 36% der Arbeitstätigen pendeln aus dem WRT, von
aussen in den WRT pendeln 26%.
Zahlen zeigen auch auf, dass durch die exportierende Maschinen- und Metallindustrie und mit den
Pendlerlöhnen das Geld in die Region fliesst, welches die lokale Wirtschaft (Gewerbe, Dienstleistung, ...)
am Laufen hält. Diese Export-Unternehmen sind in ihren Disziplinen weltweit führend. Um weiter
erfolgreich zu sein, sind sie auf sehr kompetente Mitarbeiter und auf ein Umfeld angewiesen, das eine
dynamische Entwicklung unterstützt.
Die Bildungsstruktur des WRT ist sehr speziell: Wie nirgendwo in der Schweiz ist der Anteil der
Berufsleute mit abgeschlossener Lehre ohne Weiterbildung so hoch und der Anteil Personen mit
weiterführender Bildung im schweizerischen Vergleich tief. Ist das ein Hinweis auf eine allgemeine
Genügsamkeit und / oder auf ein schwaches Weiterbildungsangebot?
Die im nationalen Vergleich hohe Steuerlast scheint oberflächlich betrachtet nicht zu schmerzen, denn
weder Private noch Unternehmen verlassen die Region. Längerfristig führt die Steuerlast jedoch
unweigerlich zu einer wirtschaftlichen Verarmung der Region. Die unbestritten hohe Lebensqualität
reicht nicht aus, um die Steuererträge auf lange Zeit hinaus hoch zu halten.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 3 von 107
Dem Tourismus in der Region Thun wird mit Recht erhebliches Wachstumspotenzial zugeschrieben. Eine
klare Positionierung (z.B. Shopping und Tagesausflüge) ist nicht erkennbar. Um die Touristen länger als
einige Stunden in Thun zu halten, fehlen die passenden Übernachtungsmöglichkeiten.
Pointiert ausgedrückt heisst das, dass Thun
- das verloren hat, was über mehr als ein Jahrhundert seine Identität ausgemacht hat,
- das Potenzial dessen, was künftig die Identität prägen kann, noch nicht erkannt hat und
- Bildungs-, Steuer- und Mentalitäts-Ausprägungen aufweist, die einer kräftigen Entwicklung im
Wege stehen.
Die Ausgangslage für die Wirtschaftsregion kann auch positiv betrachtet werden: Die Region verfügt
über starke Exportunternehmen, über ein leistungsfähiges Gewerbe und ein breites
Dienstleistungsangebot. Dazu kommt, dass die hohe Lebensqualität einen Wert darstellt, der von
anderen Regionen auch mit riesigen Investitionen kaum erreicht werden kann. Die räumliche
Kompaktheit bewahrt auch längerfristig vor enormen Investitionen in Verkehrsinfrastruktur. Die Nähe
zu Bern sichert den Zugang zu den grossen Verkehrsnetzen und bietet einen grossen Pool an stabilen
Verwaltungsarbeitsplätzen.
Thun hat das Potenzial. Thun kann
- auf vorhandene, ausgewiesene und gut verwurzelte Stärken bauen,
- auf eine starke Facharbeiterschaft zählen und
- einen ausgesprochen attraktiven Arbeits- und Lebensraum bieten.
Thun ist grundsätzlich ein hervorragender Standort, um in den starken Export-Bereichen erfolgreich
wirtschaften zu können.
Was fehlt zur Umsetzung?
Erstens fehlt die Ausrichtung auf jene Aktivitäten, welche die Region „füttern“. Diese Exportbereiche
brauchen Entwicklungsraum und Bildungsinfrastruktur.
Zweitens braucht es die Bereitschaft, in Thun Neues zu schaffen. Thun hat dann grosse Chancen sich
wirtschaftlich zu entwickeln, wenn jene, die beim Versuch, Neues zu schaffen, scheitern, nicht mehr
süffisant belächelt, sondern als für die Region wichtige Akteure anerkannt werden – denn nächstes Mal
könnte es klappen.
Drittens braucht es die Identität. Sie wird mit der Umsetzung der ersten beiden Schritte von selbst
erkennbar. Die Stadt. Lieben. Leben. - das trifft auf Thun bestimmt zu, ist aber auch für jede andere
Stadt nicht falsch. Thun muss mehr wollen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 4 von 107
0.2. Vorworte
0.2.1. Zielgerichtet entwickeln
Der Gemeinderat hat sich zum Ziel gesetzt, die Stadt Thun wirtschaftlich zu stärken und
Voraussetzungen für die Ansiedlung neuer Betriebe und die Entstehung neuer, qualifizierter
Arbeitsplätze zu schaffen. Die Abteilung Stadtmarketing hat u.a. die Aufgabe, zusammen mit den
kantonalen und regionalen Institutionen Wirtschaftsförderung zu betreiben und bestehende Firmen bei
der möglichen Expansion und potenzielle neue Unternehmen bei einer allfälligen Neuansiedelung zu
unterstützen. Dazu ist das Wissen über die aktuelle Wirtschaftssituation von grosser Bedeutung.
Ein attraktiver Wirtschaftsstandort entsteht nicht von selber und auch nicht von heute auf morgen. Es
braucht Anstrengungen und Investitionen im Vorfeld, um die Grundlagen für eine positive
wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Um die Mittel wirksam einsetzen zu können, bedarf es der
Kenntnisse über die vorherrschende Wirtschaftstruktur mit den dazu gehörenden Stärken und
Schwächen. Zusammen mit dem Thuner Unternehmensberater Lorenz Zellweger, der ehemaligen Swiss
Economic Forum SEF-Projektleiterin Nicole Berger und dem ehemaligen Gemeinderat Melchior Buchs
haben wir im Rahmen dieser Studie die wichtigsten verfügbaren Daten über den Wirtschaftsstandort
Thun erhoben. Diese Grundlagendaten sollen aufzeigen, welches Wirtschaftsgesicht uns die Stadt und
Region Thun heute zeigt und wo allenfalls nutzbares Potenzial vorhanden ist. Ziel ist auch, diese
Grundlagen für eine weitere Vertiefung in einem neuen Projekt mit einer Universität zu nutzen.
Philippe Haeberli
0.2.1. Mit Zahlen und Fakten Bilder schaffen.
Wenn zu einer messbaren Sache keine nützlichen Zahlen vorliegen, so riskiert die Diskussion sich in der
Beliebigkeit zu verlieren. Zahlen und Fakten ermöglichen eine Auseinandersetzung mit einem umfang-
reichen Thema auf einer gemeinsamen Grundlage. Zur Auseinandersetzung gehören auch der kritische
Umgang mit den hier vorliegenden Informationen und eine sorgfältige Interpretation des Materials.
Absicht des gewählten Vorgehens war es, mit einem vertretbaren Aufwand möglichst viel Information
über die Wirtschaft in der Stadt Thun und im Wirtschaftstraum Thun WRT verständlich zur Verfügung zu
stellen. Dieses Vorgehen setzt einen gewissen Mut zur Lücke voraus, was zur Folge hat, dass die Arbeit
keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Wissenschaftlichkeit erheben kann. So wird die Information
auch mehr in groben Bildern dargestellt. Die gewonnenen Bilder sind teilweise auch für die Verfasser
überraschend – so zum Beispiel die auffällige Bedeutung einzelner Branchen, die spezielle
Bildungsstruktur oder der geringe Anteil fremdsprachiger Personen.
Es ist nicht möglich, in ein paar Wochen eine neue Wirtschaftsidentität für eine Stadt und eine Region zu
schaffen. Mit den hier neu beschriebenen Angaben lassen sich jedoch einige Ansätze skizzieren, in
welche Richtung eine Entwicklung gelenkt werden könnte, um damit ein erkennbares Wirtschaftsbild
entstehen zu lassen.
Ich freue mich auf eine kritische und facettenreiche Auseinandersetzung zur weiteren wirtschaftlichen
Entwicklung der Stadt und Region Thun.
Lorenz Zellweger
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 5 von 107
Inhalt
0. 1
0.1. Management summary ........................................................................................................... 2 0.2. Vorworte ................................................................................................................................. 4
0.2.1. Zielgerichtet entwickeln .................................................................................................. 4
0.2.1. Mit Zahlen und Fakten Bilder schaffen. .......................................................................... 4
1. Einleitung ....................................................................................................................................... 10
1.1. Ausgangslage - Thun, eine Stadt zwischen Zentren? ............................................................ 10 1.2. Zielsetzung ............................................................................................................................. 10
1.2.1. Zweck der Studie ........................................................................................................... 10
1.2.2. Zielpublikum .................................................................................................................. 10
1.3. Vorgehensansatz der Studie .................................................................................................. 10 1.3.1. Mit Zahlen und Fakten Grundlagen schaffen ................................................................ 10
1.3.2. Mechanismen aufzeigen ............................................................................................... 11
1.3.3. Weitere mögliche Schritte aufzeigen ............................................................................ 11
1.4. Inhalt und Aufbau .................................................................................................................. 11 1.4.1. Zahlenmaterial............................................................................................................... 11
1.4.2. Gliederung ..................................................................................................................... 11
1.4.3. Kurzfassung ................................................................................................................... 11
1.4.4. Darstellungen und Formen ............................................................................................ 11
1.5. Der Wirtschaftsraum Thun –WRT ......................................................................................... 12 1.5.1. Kurzbeschreibung .......................................................................................................... 12
1.5.2. Begriffshandhabung Thun / WRT .................................................................................. 12
2. Geschichte der Thuner Wirtschaft ................................................................................................ 13
2.1. Entstehung und Entwicklung der Thuner Wirtschaft bis 1990 .............................................. 13 2.2. Thuner Wirtschaft 1990 bis heute ......................................................................................... 14
2.2.1. Schicksalsjahr 1991 ........................................................................................................ 14
2.2.2. Wirtschaftliche Strukturveränderungen ....................................................................... 14
2.2.3. Gesellschaftliche Strukturveränderungen ..................................................................... 14
2.2.4. Das (Wirtschafts-)Gesicht von Thun .............................................................................. 14
2.3. Kommen und Gehen der grossen Unternehmen in Thun ..................................................... 15
3. Fakten heute.................................................................................................................................. 16
3.1. Bevölkerungswachstum ........................................................................................................ 16 3.1.1. Bevölkerungswachstum der Schweiz ............................................................................ 16
3.1.2. Bevölkerungsentwicklung im Kantonsvergleich ............................................................ 17
3.1.3. Bevölkerungsentwicklung im Städtevergleich .............................................................. 17
3.1.4. Bevölkerungsentwicklung der Berner Regionen und Städte......................................... 18
3.1.5. Bevölkerungswachstum im WRT ................................................................................... 19
3.2. Bevölkerungszusammensetzung ........................................................................................... 20 3.2.1. Altersgruppen ................................................................................................................ 20
3.2.2. Bildungsstruktur ............................................................................................................ 23
3.2.3. Haushaltsgrössen .......................................................................................................... 26
3.2.4. Ausländer-Anteile .......................................................................................................... 27
3.3. Pendler-Bewegungen ............................................................................................................ 28 3.3.1. Pendlerbewegung der Schweiz ..................................................................................... 28
3.3.2. Pendlerbewegungen im Kanton Bern ........................................................................... 29
3.3.3. Pendlerbewegungen im Städte-Vergleich ..................................................................... 29
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 6 von 107
3.3.4. Pendler im WRT ............................................................................................................. 30
3.4. Steuerbelastung .................................................................................................................... 31 3.4.1. Kantone im Vergleich .................................................................................................... 31
3.4.2. Steuerlast für Private und für Unternehmen ................................................................ 32
3.4.3. Steuerbelastung in % des Arbeitseinkommens ............................................................. 33
3.5. Wirtschaftsleistung ................................................................................................................ 34 3.5.1. Wirtschaftsleistung der Region Thun im Kanton ........................................................... 34
3.5.2. Export-Anteile nach Region und Bereich ....................................................................... 34
3.5.3. Tourismus als Export-Faktor .......................................................................................... 35
3.6. Mittelfluss im WRT ................................................................................................................ 37 3.6.1. Betrachtung nach Anzahl Arbeitsplätzen ...................................................................... 37
3.6.2. Quantifizierung .............................................................................................................. 38
3.6.3. Steuereinnahmen .......................................................................................................... 38
3.7. Branchen und Arbeitsplätze .................................................................................................. 39 3.7.1. Arbeitsplätze WRT nach Wirtschaftssektoren ............................................................... 39
3.7.2. WRT-Profil nach Arbeitsplätzen innerhalb des Kantons ............................................... 40
3.7.3. Export-Sektoren des WRT ............................................................................................. 41
3.7.4. Arbeitsplatzprofile der Gemeinden innerhalb des WRT ............................................... 42
3.7.5. Maschinenbau – vertiefte Betrachtung ........................................................................ 43
3.7.6. Bauindustrie- und Gewerbe – vertiefte Betrachtung .................................................... 43
3.7.7. Dienstleistungen – vertiefte Betrachtung ..................................................................... 44
3.7.8. Tourismus – vertiefte Betrachtung ............................................................................... 45
3.7.9. Verbände – vertiefte Betrachtung ................................................................................ 45
3.7.10. Verwaltung – vertiefte Betrachtung .............................................................................. 46
3.7.11. Ergänzung zur Binnenwirtschaft.................................................................................... 48
3.8. Bildungsstätten ...................................................................................................................... 49 3.9. Unternehmen der Region ...................................................................................................... 50
3.9.1. Die grossen Unternehmen ............................................................................................ 50
3.9.2. Gliederung der Export-Industrie.................................................................................... 51
3.9.3. Fach-Kompetenzen der Export-Industrie ...................................................................... 51
3.9.4. Spezielle Kompetenzen im WRT .................................................................................... 52
3.10. Verwaltung und Verbände .................................................................................................... 53 3.11. Regionen-Marketing .............................................................................................................. 55 3.12. Flächen und Distanzen .......................................................................................................... 56
3.12.1. Areal-Entwicklung .......................................................................................................... 56
3.12.2. Zentralität ...................................................................................................................... 57
3.13. Raumplanung, Infrastruktur .................................................................................................. 59 3.13.1. Planungsstellen.............................................................................................................. 59
3.13.2. Laufende Projekte ......................................................................................................... 59
3.13.3. Spezielle Infrastruktur ................................................................................................... 60
3.14. Innovationsstandort Schweiz ................................................................................................ 61 3.14.1. Bedeutung der Innovation ............................................................................................ 61
3.14.2. Innovative Schweiz ........................................................................................................ 61
3.14.3. Innovation am Standort Thun ....................................................................................... 62
3.14.4. Statements zum Thema Innovation .............................................................................. 62
3.15. Vergleich mit anderen Regionen ........................................................................................... 63 3.15.1. Thun – Biel – Uster ........................................................................................................ 63
3.15.2. Städte-Ranking BILANZ 14/09 ....................................................................................... 63
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 7 von 107
4. Identität – wer ist Thun heute? ..................................................................................................... 64
4.1. Definition Identität und Kultur .............................................................................................. 64 4.1.1. Identität ......................................................................................................................... 64
4.1.2. (Wirtschafts-)Kultur ....................................................................................................... 64
4.2. Bedeutung und Notwendigkeit einer Identität ..................................................................... 65 4.3. Prägung durch die Geschichte ............................................................................................... 66
4.3.1. Politik … ......................................................................................................................... 66
4.3.2. Aufbau der Industrie ..................................................................................................... 66
4.3.3. Stabilität über mehr als hundert Jahre .......................................................................... 66
4.3.4. Geschichten des Niedergangs ....................................................................................... 66
4.4. Verzerrte Wahrnehmung der Wirtschaftsthemen ................................................................ 67 4.4.1. Persönlicher Blickwinkel ................................................................................................ 67
4.4.2. Bedeutung der Exportbereiche ..................................................................................... 67
4.4.3. Bedeutung der Steuersituation ..................................................................................... 67
4.4.4. Tiefer Informationsstand ............................................................................................... 67
4.5. Generelle Werteverschiebung .............................................................................................. 68 4.5.1. Von der Industrie zur Dienstleistung ............................................................................. 68
4.5.2. Technikfeindlichkeit ...................................................................................................... 68
4.5.3. Militär und Rüstungsindustrie ....................................................................................... 68
4.6. Aussagen aufgrund von Fakten und Zahlen .......................................................................... 68 4.7. (Wirtschafts-)Identität Thun 2009 ......................................................................................... 69
4.7.1. Selbstbild ....................................................................................................................... 69
4.7.2. Selbstwert ...................................................................................................................... 69
4.7.3. Kontrollinstanz............................................................................................................... 69
4.8. Wirtschaftskultur Thun 2009 ................................................................................................. 70 4.8.1. Werte ............................................................................................................................. 70
4.8.2. Anlässe und Traditionen ................................................................................................ 70
5. Folgerungen – was geschieht in Zukunft? ..................................................................................... 71
5.1. Null-Lösung – was geschieht, wenn es wie bisher weiter geht? ........................................... 71 5.1.1. Grundsätzliches ............................................................................................................. 71
5.1.2. Wirtschaftswachstum .................................................................................................... 71
5.1.3. Folgen für die Bevölkerung ........................................................................................... 71
5.1.4. Hilfe von aussen ............................................................................................................ 71
5.2. Ansprüche und Interessen – welche Veränderungen sind erwünscht? ................................ 72 5.2.1. Zielsetzungen der Stadt Thun ........................................................................................ 72
5.2.2. Interessen der Unternehmen ........................................................................................ 73
5.2.3. Interessen potenzieller Zuzüger (Unternehmen) .......................................................... 74
5.2.4. Interessen potenzieller Zuzüger (Privatpersonen) ........................................................ 74
5.3. Einflüsse von aussen – welche Trends wirken auf die Region Thun? ................................... 75 5.3.1. Megatrends ................................................................................................................... 75
5.3.2. Regionale und spezifische Trends ................................................................................. 76
5.4. Randbedingungen – was schränkt die Möglichkeiten ein? ................................................... 77 5.4.1. Finanzielle Mittel ........................................................................................................... 77
5.4.2. Geografie und Infrastruktur .......................................................................................... 77
5.4.3. Trägheit der grossen Strukturen ................................................................................... 77
5.4.4. Demografische Trägheit ................................................................................................ 77
5.4.5. Fremdbestimmung wesentlicher Unternehmen ........................................................... 77
5.4.6. Mentalitäts-Trägheit ...................................................................................................... 77
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 8 von 107
5.4.7. Zeit-Horizonte ................................................................................................................ 78
5.5. Was geschieht in der Wirtschaft? ......................................................................................... 78 5.5.1. Konjunktur ..................................................................................................................... 78
5.5.2. Branchen ....................................................................................................................... 78
5.5.3. Regionen ........................................................................................................................ 80
5.5.4. Trend-Impact der aktuellen Wirtschaftskrise ................................................................ 80
5.5.5. Trends für den Maschinenbau ...................................................................................... 81
5.5.6. Trends Tourismus .......................................................................................................... 82
5.5.7. Trends Verwaltung und Verbände ................................................................................ 83
5.6. Wie entwickeln sich Bevölkerung und Infrastruktur? ........................................................... 84 5.6.1. Wachstumsprognosen ................................................................................................... 84
5.6.2. Dynamik und Ausländeranteile ..................................................................................... 84
5.6.3. Raumplanung ................................................................................................................ 84
5.6.4. Infrastruktur .................................................................................................................. 84
6. Potenziale – was kann getan werden? .......................................................................................... 85
6.1. Stärken und Ansatzpunkte für eine starke Identität ............................................................. 85 6.1.1. Stabile Arbeitsplätze ...................................................................................................... 85
6.1.2. Facharbeiterschaft ......................................................................................................... 85
6.1.3. Maschinenbau auf hohem Niveau ................................................................................ 85
6.1.4. Position im Tourismus ................................................................................................... 85
6.1.5. Verkehrsanschluss ......................................................................................................... 85
6.1.6. Lebensqualität ............................................................................................................... 85
6.1.7. Auf dem Sprung in die Urbanisierung ........................................................................... 85
6.2. Systematik zur Ordnung der Möglichkeiten und Ziele .......................................................... 86 6.2.1. Schritte zur Variantenfindung ....................................................................................... 86
6.2.2. Umgang mit Stärken und Schwächen und Potenzialen ................................................ 86
6.2.3. Mehreres ist möglich ..................................................................................................... 86
6.2.4. Wollen vor Können ........................................................................................................ 87
6.2.5. Wunsch und Realität ..................................................................................................... 87
6.3. Argumentations-Wege .......................................................................................................... 88 6.3.1. Analytisch-ökonomischer Ansatz .................................................................................. 88
6.3.2. Startpunkt Steuererträge .............................................................................................. 88
6.3.3. Startpunkt soziale Gesellschaft ..................................................................................... 89
6.4. Hauptelemente eines Massnahmenplans ............................................................................. 90 6.4.1. Auf (Export-)Stärken setzen .......................................................................................... 90
6.4.2. Schwächen umgehen .................................................................................................... 90
6.4.3. (Export-)Potenziale im Auge behalten / aufbauen ........................................................ 90
6.4.4. Binnenwirtschaft qualitativ entwickeln ......................................................................... 90
6.4.5. Offen bleiben für anderes ............................................................................................. 90
6.4.6. Unterstützende Massnahmen ....................................................................................... 91
6.4.7. Initiale Massnahmen ..................................................................................................... 91
6.5. Mögliche Massnahmen nach Bereichen ............................................................................... 92 6.5.1. Initiale Massnahmen ..................................................................................................... 92
6.5.2. Maschinenbau ............................................................................................................... 92
6.5.3. Bauindustrie .................................................................................................................. 93
6.5.4. Pendler .......................................................................................................................... 93
6.5.5. Tourismus ...................................................................................................................... 93
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 9 von 107
6.5.6. Schwächen-Management .............................................................................................. 93
6.5.7. Bereiche mit Potenzial ................................................................................................... 94
6.5.8. Bildungsstruktur ............................................................................................................ 95
6.5.9. Netzwerke und Plattformen .......................................................................................... 95
6.5.10. Infrastruktur .................................................................................................................. 95
6.5.11. Raum- und Verkehrsplanung ......................................................................................... 96
6.5.12. Unternehmenssuche ..................................................................................................... 96
7. Fazit – Thuns Gesicht von morgen ................................................................................................ 97
7.1. Vier Hauptpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung ............................................................. 97 7.2. Identitätsansätze für den WRT 20XX ..................................................................................... 98
7.2.1. Industriegeschichte nicht leugnen, zu den Stärken stehen .......................................... 98
7.2.2. Nachbarn Bern und Interlaken ...................................................................................... 98
7.2.3. Tourismus schafft Lebensqualität ................................................................................. 98
7.2.4. Sicht nach vorne ............................................................................................................ 98
7.2.5. Offenheit und Konventionsfreiheit ............................................................................... 98
7.3. 10-Punkte-Fazit der Studie .................................................................................................... 99 7.3.1. Potenzial ist da – im WRT handeln ................................................................................ 99
7.3.2. Maschinenintegratoren ................................................................................................. 99
7.3.3. Integratoren sind Multiplikatoren ................................................................................. 99
7.3.4. Themen vertikal ergänzen ............................................................................................. 99
7.3.5. Handwerk schafft „goldenen Boden“ ............................................................................ 99
7.3.6. Pendler an Region binden ............................................................................................. 99
7.3.7. Tourismus positionieren ................................................................................................ 99
7.3.8. Ausbildung ist ein Muss ................................................................................................. 99
7.3.9. Thun wächst .................................................................................................................. 99
7.3.10. Thun ist anders .............................................................................................................. 99
8. Anhang ........................................................................................................................................ 100
8.1. Priorisierung der Wirtschaftsbereiche ................................................................................ 100 8.1.1. Innerhalb der Grenzen der Einflussnahme .................................................................. 100
8.1.2. Binnenwirtschaft und Exportwirtschaft ...................................................................... 100
8.1.3. Differenzierung Industrie und Gewerbe...................................................................... 100
8.1.4. Auf Multiplikatoren setzen .......................................................................................... 100
8.1.5. Kompetenzen statt Branchen ...................................................................................... 101
8.1.6. Synergien und Cluster-Potenzial nutzen ..................................................................... 101
8.1.7. Feste Trends antizipieren ............................................................................................ 102
8.1.8. Nachhaltigkeit schaffen ............................................................................................... 102
8.1.9. Köpfe statt Institutionen ............................................................................................. 102
8.1.10. Die Kiste verlassen (thinking out of the box) .............................................................. 103
8.2. Wachstumsbeiträge nach Branchen ................................................................................... 104 8.3. Erläuterungen „Systemintegrator“...................................................................................... 105 8.4. Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 106 8.5. Verfasser .............................................................................................................................. 107
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 10 von 107
1. Einleitung
1.1. Ausgangslage - Thun, eine Stadt zwischen Zentren? Liegt Thun im Schatten der grossen Hauptstadt Bern und der weltweit bekannten Tourismusdestination
Interlaken? Vielleicht zeichnen neben Verwaltung und Tourismus noch andere Ausprägungen das
Wirtschafts-Gesicht dieser Region.
Wie schaut das Wirtschafts-Gesicht von Thun aus? Ist es ein Gesicht, das nicht nur einzigartig, sondern in
der weiteren Region, national, international hervorragend ist? – Wenn nicht, bestehen allenfalls die
Potenziale dazu? Wo sind diese Potenziale – und wie können sie genutzt werden?
1.2. Zielsetzung
1.2.1. Zweck der Studie
Ziel der Studie ist es, die heutige Position sowie Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der
wirtschaftlichen Entwicklung der nächsten 15 bis 20 Jahre aufzuzeigen.
Die Studie soll dazu dienen, die politische Diskussion der Wirtschaftsentwicklung im Speziellen und auch
der regionalen Entwicklung im Allgemeinen anhand von Fakten und mit gemeinsamer Terminologie zu
führen.
Damit soll
a) eine zielgerichtete Wirtschaftsentwicklung ermöglicht werden,
b) die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung des Kantons konkretisiert werden,
c) der Aufwand für wenig aussichtsreiche Aktivitäten reduziert werden und
d) das Verständnis für die Arbeit der Abteilung für Stadtmarketing in Verwaltung, Politik und
Bevölkerung verbessert werden.
1.2.2. Zielpublikum
Das Zielpublikum des vorliegenden Berichtes sind die Verwaltungen der WRT-Gemeinden, Vereine und
Verbände, Politiker aus Stadt und Kanton sowie Privatpersonen, welche sich mit der Entwicklung der
regionalen Wirtschaft auseinandersetzen.
Die Studie soll so weit verständlich und informativ verfasst werden, dass sie für die breite politische
Diskussion, Aufklärung und Meinungsbildung genutzt werden kann.
1.3. Vorgehensansatz der Studie
1.3.1. Mit Zahlen und Fakten Grundlagen schaffen
Die Studie soll Zahlen, Fakten und Argumentationen zusammentragen, die für Grundsatzdiskussionen
notwendig sind. Dazu gehören auch die Aufbereitung (Strukturierung und Bereinigung) der
Informationen und die Formulierung möglicher Folgerungen.
Die in kurzer Zeit verfasste Studie zum Thema Wirtschaftsentwicklung soll eine breite Informationsbasis
zur Verfügung stellen. Die Verfasser erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Informationen. So
wurden auch durchwegs nur die aktuell verfügbaren, oft älteren Zahlen verwendet und auf unsichere
Zahlenanpassungen wurde bewusst verzichtet. Aus diesem Grund ist es auch nahe liegend, dass in der
Folge einige Themen weiter vertieft werden müssen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 11 von 107
1.3.2. Mechanismen aufzeigen
Neben Zahlen soll die Studie aufzeigen, welche Rolle welchen Akteuren (Branchen,
Wirtschaftsbereichen) zukommt und über welche Akteure die wirtschaftliche Entwicklung allenfalls
gelenkt werden kann.
1.3.3. Weitere mögliche Schritte aufzeigen
Aus Fakten und Zusammenhängen lassen sich die möglichen Wege in die Zukunft aufzeichnen. Die
Studie soll sich darauf beschränken, diese Wege mit Chancen und Risiken neutral zu beschreiben, ohne
eine Empfehlung abzugeben. Die Wertung der verschiedenen Wege und daraus folgende Entscheide
sind Aufgabe der Politik.
1.4. Inhalt und Aufbau
1.4.1. Zahlenmaterial
Das Zahlenmaterial stammt hauptsächlich aus den Erfassungen des Bundesamtes für Statistik und aus
Auswertungen des beco (Berner Wirtschaft – économie bernoise). Die Quellen der verwendeten Zahlen
sind im jeweiligen Abschnitt angegeben, ein Verzeichnis der verwendeten Quellen ist im Anhang zu
finden.
1.4.2. Gliederung
In einem ersten Teil (Kapitel 2 bis 4) werden mit der Geschichte und der Situation heute bekannte
Fakten zusammengestellt. Der Abschnitt zur Identität stellt den Versuch dar, aus diesen Fakten ein
Gesicht des WRT zu skizzieren.
Im zweiten Teil (Kapitel 5 bis 7) folgt nach einem allgemeinen Blick in die Zukunft, eine
Zusammenstellung der wesentlichen Potenziale, die sich aus der heutigen Situation mit der möglichen
Zukunft ergeben. Daraus abschliessend folgt ein kurzes Kapitel mit dem Fazit.
1.4.3. Kurzfassung
Der vorliegende Bericht enthält die vollständigen Daten und Resultate der Studie. Als übersichtliche
Lektüre-Variante wird eine Kurzfassung verfasst.
1.4.4. Darstellungen und Formen
Am Ende eines Kapitels sind in blau und orange hinterlegten Feldern eine konzentrierte Aussage des
Inhaltes und die wesentlichen Interpretationen aufgeführt:
Konzentrierte Aussage
Interpretation
Bei der Verwendung der männlichen Form ist die weibliche Form jeweils mitgemeint.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 12 von 107
1.5. Der Wirtschaftsraum Thun –WRT
1.5.1. Kurzbeschreibung
Der Wirtschaftsraum Thun (WRT)
besteht aus zwölf Gemeinden und ist
mit ca. 100‘000 Einwohnern und einer
Fläche von 157 km2 eine bedeutende
Wirtschaftsregion im zentralen Raum
der Schweiz.
Die Region verfügt über Gastronomie,
Einkaufsmöglichkeiten, kulturelle
Institutionen und Veranstaltungen
sowie über ein breites Angebot an
Freizeit- und Sportmöglichkeiten. Die
4‘400 Betriebe stellen ca. 40'000
Arbeitsplätze zur Verfügung.
1.5.2. Begriffshandhabung Thun / WRT
Soweit nicht anders vermerkt beziehen sich alle Aussagen und Zahlen im vorliegenden Bericht auf den
gesamten Wirtschaftsraum Thun (=WRT).
Um den Text lesbar zu halten und dem Leser Wortkonstrukte wie WRT-ler oder Thuner
Wirtschaftsräumler zu ersparen, ist zwischendurch auch von Thunern die Rede, auch wenn eigentlich
alle WRT-Einwohner gemeint sind. Es wird davon ausgegangen, dass es an den betreffenden Stellen
ersichtlich ist, wenn mit Thunern alle angesprochen sind.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 13 von 107
2. Geschichte der Thuner Wirtschaft Wo ist der Ursprung der nicht rein gewerblichen Wirtschaft in der Region und wie
hat sich diese Wirtschaft bis heute entwickelt? Was hat geprägt?
2.1. Entstehung und Entwicklung der Thuner Wirtschaft bis 1990
Rüstungsbetriebe – Arbeitgeber und Katalysator
1819 wählte die Tagsatzung der alten Eidgenossenschaft Thun zum eidgenössischen Waffenplatz.
1850 erliess der Bundesrat die Vorschrift, Schweizer Truppen einheitlich auszurüsten.
1863 wurde in den Laboratorien (Munition) und in den Reparaturwerkstätten (Geschütze und
Fuhrwerke) der Betrieb aufgenommen, 1874 erfolgte die Umbenennung in Eidgenössische
Konstruktionswerkstätte.
Die untenstehende Grafik zeigt lückenhaft, aber eindrücklich den Verlauf der Anzahl Arbeitsplätze von
- K+W (ursprünglich Konstruktionswerkstätten, danach SW, seit 1999 Ruag Land Systems) und
- M+F (ursprünglich Munitionsfabrik, danach SM, seit 1999 Ruag Ammotec)
Quellen: (12) Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun 1863 – 1963, Hans Siegenthaler, 1963; VBS – Personalentwicklung 1999; Personalwesen RUAG Holding
Mit dem Entscheid, die Rüstungsunternehmen in Thun aufzubauen, wurde der wesentliche Impuls zur
Industrialisierung der Region gegeben. Diese Unternehmen zogen Zulieferer in die Region, mit der Zeit
entstand ein ausgedehntes Netzwerk an industriellen und handwerklichen Zulieferbetrieben.
Beispiel Selve: Die Firma Selve kam nach Thun, weil die Munitionsfabrik als grosser Buntmetall-
Abnehmer für die Hülsenproduktion vor Ort war. Die Selve AG produzierte nicht nur für die
Munitionsfabrik, sondern lieferte in die ganze Welt. Um die Buntmetall-Bänder in der Selve-Produktion
zu schneiden, entwickelte und baute die Firma Nobs die Bandschneid-Anlagen.
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000
Anzahl Mitarbeiter in Thun In den Jahren 1860 bis 2010
K+W
M+F
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 14 von 107
2.2. Thuner Wirtschaft 1990 bis heute
2.2.1. Schicksalsjahr 1991
1991 wurde der Entscheid gefallt, die Aktivitäten der Rüstungsbetriebe in Thun zu reduzieren. Dadurch
wurde eine Strukturänderung in der Thuner Wirtschaft ausgelöst: Arbeitsplätze der damaligen
Munitionsfabrik und der Konstruktionswerkstätten fielen weg und ihre Zulieferer verloren entsprechend
an Umsatz. In den neunziger Jahren sind ca. 1800 Bundesstellen verloren gegangen. Im selben Zeitraum
wurde die Selve definitiv geschlossen, von Roll verlagerte die Seilbahn-Aktivitäten nach Bern, Nobs
wurde verkauft, Studer wurde verkauft. Damit war die Ära der grossen, eigenen Thuner Industrie zu
Ende.
2.2.2. Wirtschaftliche Strukturveränderungen
Dank grossen Anstrengungen, vor allem auch von politischer Seite, konnte ein grosser Stellenschwund
abgewendet werden. Wie die Statistik aufzeigt, wurde die Anzahl Arbeitsplätze in der Region erhalten,
jedoch konnte keine im selben Mass tragende Struktur gehalten oder geschaffen werden: Die
verlorenen Arbeitsplätze von einem guten Dutzend Grossfirmen wurden von mehreren hundert neuen
kleinen Betrieben aufgefangen. Das heisst, viele kleine Unternehmen mit unterschiedlichen
Ausrichtungen traten an die Stelle von wenigen, die operativ oder geschichtlich miteinander verknüpft
waren.
Aus diesen Initiativen entstanden auch die EMPA Thun (ursprüngliches Wissenschaftler-Team der
Munitionsfabrik) oder das ZUT (Zentrum für Umwelttechnik) in Steffisburg.
2.2.3. Gesellschaftliche Strukturveränderungen
Der Schock anfangs der neunziger Jahre hat auch gesellschaftlich viel bewegt. Die alte Kruste ist
aufgebrochen, gesellschaftlich/kulturell wurde Neues gewagt – inspiriert dadurch, dass wirtschaftlich
Neues gewagt wurde, gewagt werden musste:
- Das Thun wurde mit der „Selve“ zum Treffpunkt für Jugendliche aus der ganzen Schweiz
- Der Abbruch der Mühle (1988) schuf Raum für eine sprunghafte Attraktivitätssteigerung der
Innenstadt
- SEF, Seespiele, Künstlerbörse
2.2.4. Das (Wirtschafts-)Gesicht von Thun
Thun im 19. Jahrhundert – eine Stadt zwischen Tourismus und Militär (aktuelle Ausstellung im
Schlossmuseum Thun) – dieses Bild wirkte bis in die vergangenen neunziger Jahre: Wirtschaftliches
Hauptstandbein ist die Rüstungsindustrie, gleich nebenan sind die Kasernen.
Mit dem Umbruch anfangs der neunziger Jahre wurde dieses Bild jedoch jäh zerzaust. Was bisher als
sicherer, massiver Sockel galt (Rüstungsindustrie, Militär), war nur noch ein recht wackeliges Standbein.
Zwar schaffte man es, weiter aufrecht zu stehen – worauf man stand, war jedoch schwer auszumachen.
Das alte, hundertjährige Bild taugt nicht mehr, ein neues Bild entsteht nicht einfach in ein paar Jahren.
Seit dem Umbruch sind nun 15 Jahre vergangen, eine für diese Betrachtung recht kurze Zeit. Trotzdem
hat sich in diesem Zeitraum gezeigt, welche Bereiche sich behaupten konnten und in welche Richtungen
sich die wirtschaftlichen Entwicklungen bewegen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 15 von 107
2.3. Kommen und Gehen der grossen Unternehmen in Thun Die untenstehende Grafik verschafft einen Überblick über die Lebensdauer der grossen Unternehmen,
deren Geschichte direkt oder indirekt mit der Geschichte der Rüstungsbetriebe verknüpft ist (andere
wesentliche Unternehmen der Region wie Frutiger, Duscholux, … sind nicht aufgeführt).
Quelle: diverse
Auffallend sind einerseits das Alter der Thuner Industriegeschichte, welches tief ins 19. Jahrhundert
zurückreicht und andererseits die Umbruchphase in den achtziger und neunziger Jahren nach einer
langen stabilen Zeit.
Die Thuner Industrie ist vor anderthalb Jahrhunderten um die Rüstungsbetriebe entstanden und daraus gewachsen. Vor dreissig Jahren begann eine Phase erheblicher Veränderung in fast allen grossen Unternehmen.
Wenn lange Zeit alles in den gleichen Bahnen verläuft und sich dann alle Akteure plötzlich verändern, so verliert diese Industrie das vertraute Bild.
1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
KW-MF / Ruag
Selve
Habegger
Nobs
Studer
Meyer Burger
Rychiger
Schleuniger
Hoffmann
Ursprüngliche Form Neue Form andere Aktivität / Schwierigkeiten
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 16 von 107
3. Fakten heute Was wissen wir heute?
3.1. Bevölkerungswachstum
3.1.1. Bevölkerungswachstum der Schweiz
Zur ständigen Wohnbevölkerung zählen alle Personen, deren Wohnsitz während des ganzen Jahres in
der Schweiz liegt. Nebst den schweizerischen Staatsangehörigen zählen auch alle ausländischen
Staatsangehörigen mit einer Niederlassungsbewilligung oder einer Anwesenheitsbewilligung, aber auch
internationale Funktionäre, Diplomaten und deren Familienangehörige dazu. Die ständige
Wohnbevölkerung umfasste Ende 2007 7’593’494 Personen.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Erhebungen Bevölkerungsanzahl 2007
Nebenstehende Grafik stellt das
kontinuierliche und gleichmässige
Wachstum der Schweizer
Wohnbevölkerung dar.
Hochrechnungen des Bundesamtes
für Statistik zeigen auf, dass ein
Rückgang ab dem Jahr 2020 zu
erwarten ist.
6 000 000
6 500 000
7 000 000
7 500 000
8 000 000
8 500 000
1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
Wachstum der ständigen Wohnbevölkerung
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 17 von 107
3.1.2. Bevölkerungsentwicklung im Kantonsvergleich
Im Kanton Bern leben knapp
eine Million Personen bzw. 13
% der schweizerischen
Bevölkerung. Damit ist der
Kanton Bern
bevölkerungsmässig der
zweitgrösste Kanton nach
Zürich und gefolgt vom
Kanton Waadt.
Das unterdurchschnittliche
Wachstum des Kantons Bern
(2.6%) ist auf die geringe Zuwanderung zurückzuführen. Von den 962‘982 Einwohnern des Kantons Bern
leben 385‘000 in den Städten. Das Bevölkerungswachstum in den nicht-städtischen Regionen des
Kantons Bern beträgt im Durchschnitt ca. 1.7%. Gemäss dem beco kann man damit rechnen, dass die
Bevölkerungszahl im Kanton Bern bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2007 um 4% (+ 40‘000 Einwohner)
ansteigen wird.
3.1.3. Bevölkerungsentwicklung im Städtevergleich
Bevölkerungswachstum der Städte mit über 20‘000 Einwohnern, 1997 bis 2007:
Quelle: (17) Statistik der Schweizer Städte 2009
Thun wächst im schweizerischen Vergleich mittelmässig, innerhalb der Region (Espace Mittelland) stark.
Eine (kalkulatorische) Stadt Thun/Steffisburg/Spiez „ThunSS“ würde sogar über der dem Mittel der
Region Leman liegen!
Die Städte des Espace Mittelland und um Luzern wachsen schwächer als jene der Regionen Zürich und Leman.
Das Wachstum des WRT ist an das Potential der Region gebunden. Das für die Region überragende Wachstum von ThunSS weist auf Standortvorteile hin.
Zürich
Winterthur
Uster Rapperswil
Zug
Dietikon Dübendorf
Bern Biel
Thun Köniz
Fribourg
Neuchâtel
Genf Lausanne
Vernier Lancy
Montreux
St.Gallen
La Chaux de Fonds
Schaffhausen
Chur Sion Yverdon
Frauenfeld
ThunSS
Steffisburg
Luzern Emmen
Kriens
-10
-5
0
5
10
15
20
10'000 100'000 1'000'000
Region Zürich Region Basel Esp. Mittelland
Region Leman andere Region Luzern
Log. (Region Zürich) Log. (Esp. Mittelland) Log. (Region Leman)
Riehen
Basel
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 18 von 107
3.1.4. Bevölkerungsentwicklung der Berner Regionen und Städte
Ständige Wohnbevölkerung des Kantons Bern 2007 nach Regionen / Stadtregionen Quellen: beco, K+S-Bulletin 1-2009
Beo- :
Berner Oberland ohne WRT
Berner Mittelland- :
Region Bern-Mittelland ohne VRB
(Verein Region Bern)
Biel-Seeland:
Region Biel-Seeland ohne
Stadtregion Biel
Wachstum der Regionen / Stadtregionen von 1997 bis 2007 (ständige Wohnbevölkerung)
Die anderen Wachstumsregionen
des Kantons Bern liegen
ausserhalb der Agglomeration.
Das Berner Oberland ohne WRT
wächst nicht!
Das Wachstum 1997 bis 2007 in den grösseren Städten/Stadtregionen des Kantons Bern:
Auch andere Städte im Kanton
Bern wachsen zum Teil sogar
stärker als der WRT.
Innerhalb des WRT wachsen
Steffisburg (+12.5%) und Spiez
(+6.8%) stärker als Thun (+5.7%).
Die Bedeutung des WRT im
Kanton liegt vor allem in dessen
absolutem Wachstum.
Die WRT-urban = Thun+Steffisburg+Spiez,
Mü-Worb = Münsingen+Worb,
Biel+ = Biel+Nidau,
Interlaken+ = Interlaken+Unterseen
Andere Berner Städte wachsen prozentual ebenso wie Thun.
Nicht nur Thun ist attraktiv – Thun steht in Konkurrenz auch zu kleineren Städten.
Der WRT ist die einzige städtische Region im Kanton Bern mit einem wesentlichen Wachstum.
Ist Thun attraktiv?
-3000
-2000
-1000
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
12
Wac
hst
um
ab
solu
t [A
nz.
Ein
wo
hn
er]
Wac
hst
um
in %
% abs.
98'674
103'23
0
316'287
42'132
94'975
62'205
116'938
77'185
51'356 WRT
Beo-
VRBern
Bern Mittelland -
Stadtregion Biel
Biel-Seeland -
Emmental
Oberaargau
Jura
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Wac
hst
um
in %
WRT
Beo-
VRBern
Bern Mittelland -
Stadtregion Biel
Biel-Seeland -
Emmental
Oberaargau
Jura
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 19 von 107
3.1.5. Bevölkerungswachstum im WRT
Wachstum der WRT-Gemeinden 1997 bis 2007 in %
Fünf von zwölf Gemeinden
wachsen über dem
schweizerischen Durchschnitt
(7.0%).
Drei der ländlichen
Gemeinden wachsen deutlich
unter dem Schnitt.
Quelle: BFS
Geburtenüberschuss der WRT-Gemeinden 1997 bis 2007 in %
Der Geburtenüberschuss
zeigt das Wachstum der
Gemeinde ohne
Wanderungssaldo auf.
Aus dem Vergleich beider
Grafiken kann der
Wanderungssaldo gelesen
werden:
Wanderungssaldo in % Uttigen 15.2 Oberhofen 14.3 Steffisburg 12.9 Hilterfingen 12.8 Sigriswil 9.9
Quelle: BFS
In den Regionen um Thun Nord ist in den letzten Jahren ein starkes Wachstum zu verzeichnen. Auf der rechten Seeseite wird der stark negative Geburtenüberschuss durch hohe Zuwanderung mehr als kompensiert.
Verkehrslage und Wohnattraktivität bestimmen die Zuwanderung.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 20 von 107
3.2. Bevölkerungszusammensetzung
3.2.1. Altersgruppen
Übersicht Schweiz
Der Altersaufbau der Bevölkerung hat sich im
Lauf des 20. Jahrhunderts massiv verändert.
Der Anteil der unter 20-Jährigen sank von
40,7% (Jahr 1900) auf 21,5% (Jahr 2007); bei
den über 64-Jährigen stieg er von 5,8% auf
16,4% und bei den Hochbetagten, das heisst bei
den über 80-Jährigen, ist der Anstieg besonders
ausgeprägt und beläuft sich von 0,5% auf 4,7%.
Dieser demografische Alterungsprozess ist eine
Folge der steigenden Lebenserwartung und vor
allem der abnehmenden Geburtenhäufigkeit.
Quelle: BFS
Dieselbe Entwicklung anders dargestellt zeigt der Verlauf der Quotienten (Jugendquotient: Anteil der
Bevölkerung unter 20 Jahre – Altersquotient: Anteil über 64 Jahre):
Quelle: Bundesamt für Statistik, 2009
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 21 von 107
Städte-Vergleich
Interessant ist der Vergleich der grössten 16 Schweizer Städte (alle über 30‘000 Einwohner). Wenig
jüngere bedeutet nicht mehr ältere Einwohner. Wenig von beiden deutet auf einen hohen Anteil an
Einwohnern im erwerbsfähigen Alter hin:
Quelle: Bundesamt für Statistik, 2000
Lesebeispiele zur obigen Grafik: In Luzern sind 16% aller Einwohner jünger als 20 Jahre, 21.8% älter als 64 Jahre. In Thun sind 20.2% aller Einwohner jünger als 20 Jahre, 19% älter als 64 Jahre; in Städten
über der roten Linie ist der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter tiefer als in Thun, darunter grösser.
Den grössten Anteil Einwohner zwischen 20 und 64 Jahre weisen die Städte Zürich, Genf und Freiburg auf.
- - - - Gemeinden auf der roten Linie weisen einen gleich grossen Anteil an Personen im arbeitsfähigen Alter auf (in Thun leben anteilsmässig weniger Personen im erwerbsfähigen Alter als in der gesamten Schweiz!).
Thun weist einen eher hohen Anteil Älterer (>64 Jahre) auf. Auffallend ist der vergleichsweise geringe Anteil Einwohner im erwerbstätigen Alter von 20 bis 64 Jahre (60.8%); als Stadt liegt Thun damit sogar unter dem gesamtschweizerischen Mittelwert von 61.8%
Im Interesse der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss mit geeigneten Massnahmen (z.B. Siedlungsplanung) der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung erhöht werden.
Zürich
Genf
Basel
Bern
Lausanne Winterthur
St. Gallen
Luzern
Biel Thun
Köniz
La Chaux-de-Fonds
Schaffhausen
Freiburg
Chur
Neuenburg
Schweiz
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Alt
ers
qu
oti
en
t: B
evö
lke
run
gsan
teile
ält
er
als
64
Jah
re
Jugendquotient: Bevölkerungsanteile bis 20 Jahre in %
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 22 von 107
Altersstruktur im WRT
Anteil Personen über 64 Jahre
im Jahr 2000:
Quelle: Bundesamt für Statistik, 2000
Signifikant ist die Ballung älterer
Einwohner am rechten
Thunerseeufer, wobei in
Oberhofen und Hilterfingen der
Anteil Kinder und Jugendliche
sehr tief, in Sigriswil mässig tief
ist.
Anteil Kinder und Jugendliche
unter 20 Jahren im Jahr 2000:
Die „Kinder- und Jugendlichen-
Region“ liegt im Norden des
WRT.
Auffällig ist Wattenwil mit sehr
grossem Anteil an jungen
Einwohnern und trotzdem
mässig viel Älteren. Somit leben
in Wattenwil weniger Einwohner
im erwerbsfähigen Alter.
Quelle: BFS
Die Altersstruktur innerhalb des WRT ist inhomogen. Grob betrachtet lässt sich der WRT in eine ältere Region (rechtes Seeufer), einen ausgeglichenen Stadtbereich (Thun, Steffisburg, ev. Spiez) und eine jüngere Region (Nordwest-Gemeinden) gliedern.
Welche Entwicklung ist aus Sicht der Wirtschaftsentwicklung erwünscht? Eine weitere Segmentierung oder eine Homogenisierung?
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 23 von 107
3.2.2. Bildungsstruktur
Definition
Die in diesem Bericht beschriebene Bildungsstruktur beschreibt die Anteile dreier Ausbildungsstufen,
gemessen an der Anzahl Personen im Erwerbsalter.
Ausbildungsstufe Höchster Abschluss
Max. Sekundarstufe I Höchstens obligatorische Schule absolviert
Sekundarstufe II Berufsausbildung nach obligatorischer Schulzeit, Matura
Tertiäre Ausbildung Weiterbildung oder Studium, aufbauend auf sekundäre Berufsbildung (Lehre oder Matura)
Bedeutung
Zwischen Bildung und volkswirtschaftlichem Nutzen besteht ein enger Zusammenhang:
Hohe Bildung hohe berufliche Position hoher Lohn hohe Steuerleistung
Die Bildungsstruktur ist auch ein Abbild der Wirtschafts- und Unternehmensstruktur in der betreffenden
Region. Im Hinblick auf die verfügbaren personellen Kompetenzen ist die Bildungsstruktur ein
wesentlicher Faktor bei der Standortwahl neu zuziehender Unternehmen.
Bildungsstruktur im Vergleich zu den grossen Schweizer Städten
Quelle: BFS
Die stark positive Abweichung Thuns im Bereich der Sekundarstufe II (Handwerker, Berufsleute) fällt auf.
Die Grafik auf der folgenden Seite ermöglicht es, Thuns „Bildungsposition“ etwas differenzierter zu
erläutern.
-15
-10
-5
0
5
10
15
Abweichung vom gesamtschweizerischen Mittelwert in %, Stand 2000
max. Sekundarstufe I CH: 22.9%
Sekudarstufe II CH: 61.8%
Tertiärer Abschluss CH: 15.4%
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 24 von 107
Quelle: BFS, Volkszählung 2000
Beim Lesen dieser Grafik ist Folgendes zu beachten:
- Bei den Zählungen konnten nicht alle Personen erfasst werden. Der Anteil nicht erfasster
Personen liegt zwischen 5 bis 10%, in Genf sogar 16%. Entsprechend lässt sich aus dieser Grafik
der Anteil der schwächer Gebildeten nicht exakt ablesen.
- In den französischsprachigen Kantonen (grüne Punkte) ist der Anteil der Maturanden erheblich
grösser, damit sind mehr Personen der tertiären Stufe zugeordnet als in der Deutschschweiz.
Die grünen Punkte müssten zum direkten Vergleich nach unten rechts korrigiert werden.
Wo liegt Thun? Verglichen mit den anderen Schweizer Städten ist in Thun der Anteil Personen …
- mit einer abgeschlossenen Lehre (Sek. I) sehr gross (Thun ist mit Abstand führend),
- mit höherer Ausbildung (tertiär) sehr klein (nur in Biel und La Chaux-de-Fonds tiefer) und
- ohne berufliche Ausbildung sehr gering (nur in Köniz tiefer)
Folgende Faktoren könnten zur heutigen Bildungsposition geführt haben:
- Die ansässigen Unternehmen haben diese Qualifikationen favorisiert.
- Das mangelnde Bildungsangebot bremst das Aufsteigen von Sek. II in die tertiäre Stufe.
- Hoher gesellschaftlicher Stellenwert des Berufsausbildung (mit einer Lehre ist man wer) mit der
damit verbundenen Genügsamkeit (mehr braucht man nicht).
Sehr viele Thuner verfügen über eine solide Bildung.
Sehr wenig solide Gebildete absolvieren eine tertiäre Ausbildung
In Anbetracht des wachsenden Bedarfs an höher qualifizierten Arbeitskräften, insbesondere der Exportindustrie, muss Thun Massnahmen ergreifen, damit diese Personen auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind. Mit dem soliden Bildungsstand sind die allgemeinen Voraussetzungen dazu gut.
Um einen höheren Anteil tertiär gebildeter Personen zu erreichen, reicht ein vergrössertes Bildungsangebot alleine nicht aus. Aber es ist eine notwendige Voraussetzung.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 25 von 107
Bildungsstruktur innerhalb des WRT
Quelle: BFS
Über den WRT betrachtet fällt der grosse Anteil höher Gebildeter in Hilterfingen und Oberhofen auf, alle
anderen Gemeinden entsprechen mehr oder weniger stark ausgeprägt dem Bild des gesamten WRT.
Wenn die Frage gestellt wird, wo die Personen
mit höherer Bildung sind (z.B. um ein neues
Unternehmen zu platzieren), so interessiert
nicht der prozentuale Anteil, sondern die
absolute Anzahl (der potenziellen Mitarbeiter).
Bundesamt für Statistik, Volkszählung 2000 – WRT total 18‘000 Personen mit tertiärer Bildung
Unter diesem Aspekt bilden Thun und
Steffisburg das Zentrum. In Uetendorf,
Heimberg und Hilterfingen wohnen gleich viele
Personen mit tertiärer Bildung.
Eine Zuordnung der Bildungsstufen nach Branchen ist mit dem verfügbaren Zahlenmaterial nicht einfach
möglich. Naheliegend ist, dass die fachliche Aufteilung den Anteilen der ansässigen Branchen (Pendler
zu berücksichtigen) entspricht. Es ist denkbar, dass einzelnen Branchen überproportional viele Personen
einer bestimmten Bildungsstufe zugeordnet werden können. Diese Information wäre in einer vertieften
Studie zu erarbeiten.
Am rechten Seeufer ist der Anteil an Personen mit höherer Bildung zwar am grössten, absolut betrachtet wohnen die meisten Personen mit tertiärer Bildung in Thun, Steffisburg und Spiez.
Die Art der Verteilung der Personen mit tertiärer Bildung im WRT ist für die wirtschaftliche Entwicklung der Region wenig relevant.
-15.0
-10.0
-5.0
0.0
5.0
10.0
15.0
20.0Abweichung vom gesamtschweizerischen Mittelwert in %, Stand 2000
Sek I - Sek II Tertiär
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 26 von 107
3.2.3. Haushaltsgrössen
Die Zusammensetzung der verschiedenen Haushaltsgrössen liefert Hintergrundinformationen zur
gesellschaftlichen Struktur einer Region. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Positionen und
Potenziale ist sie von untergeordneter Bedeutung.
Es wird nach folgenden privaten Haushaltsarten unterschieden (Zahlen CH 2000)
- Einzelpersonen-Haushalte 36 %
- Paarhaushalte ohne Kinder 27 %
- Elternpaare mit Kindern 29 %
- Elternteile mit Kindern 5 %
- Einzelpersonen mit Eltern(teil) 1 %
- Nichtfamilien-Haushalte (Wohngemeinschaften, …) 2 %
Quelle: BFS
Thun fällt allenfalls durch einen hohen Anteil an Paarhaushalten ohne Kinder auf. Dieser Anteil ist in den vergangenen 30 Jahren gewachsen.
Die Struktur der Haushaltsanteile liefert für die Entwicklung der Region keine relevanten Informationen.
0.00
10.00
20.00
30.00
40.00
50.00
60.00Haushalts-Anteile im Jahr 2000 in % Einzelpersonen
Paare ohne KinderPaare mit Kinder
-20.00
-15.00
-10.00
-5.00
0.00
5.00
10.00
15.00
20.00
25.00Veränderung der Haushaltsanteile von 1970 bis 2000 in %
EinzelpersonenPaare ohne KinderPaare mit Kinder
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 27 von 107
3.2.4. Ausländer-Anteile
Ausländeranteile der Berner Städte (Gemeinden mit mehr als 10‘000 Einwohnern):
Ein wesentlicher Grund für den niedrigen Ausländeranteil ist die Tatsache, dass Thun als Garnisonsstadt
mit staatlicher Rüstungsindustrie in den vergangenen hundert Jahren wenige Arbeitsplätze für
Ausländer geboten hat.
Einen Hinweis auf den Grad der „interkulturellen Öffnung“ gibt auch der Anteil fremdsprachiger
Einwohner im Vergleich mit den grossen Schweizer Städten:
Quelle: Schweizerischer Städteverband, Statistik der Schweizer Städte 2009
In der Region Thun sind der Ausländeranteil und der Anteil fremdsprachiger Einwohner sehr tief.
Die geringe sprachliche und kulturelle Durchmischung ist Zeugnis davon, dass die Wirtschaft in Thun ohne grosse Dynamik verlaufen ist.
WRT
Bern
Biel
Thun
Köniz
Steffisburg
Burgdorf
Ostermundigen
Langenthal Uster
Muri
Spiez
Worb
Münsingen
Lyss
Ittigen
0
5
10
15
20
25
30
10'000 20'000 40'000 80'000
Au
slän
de
ran
teil
20
07
Ständige Wohnbevölkerung 2007 (logarithmisch)
Kanton Bern 12.3 %
Schweiz 20.7 %
0.0
5.0
10.0
15.0
20.0
25.0 Anteil fremdsprachige Einwohner in % (alle Sprachen ausser Deutsch und Französisch)
Trendlinie der Berner Städte
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 28 von 107
3.3. Pendler-Bewegungen
3.3.1. Pendlerbewegung der Schweiz
Zahlen
Pendlerstatistik für die gesamte Schweiz (Bundesamt für Statistik, Volkszählung 2000) Wegpendler (in der Schweiz wohnhafte Personen, die ihre Wohngemeinde zur Arbeit verlassen)
934‘974
Zupendler (Personen, die in eine Schweizer Gemeinde pendeln) 1‘080‘835
Pendlersaldo (Differenz gesamthaft) 145‘861
Pendlerzeiten
Herr und Frau Schweizer nehmen durchschnittlich 20 Minuten pro Arbeitsweg in Kauf.
Nur 2 Prozent sind länger als eine Stunde unterwegs, dieser Anteil der „Weitpendler“ hat sich nicht
markant vergrössert.
Der Anteil mit kurzem Arbeitsweg (maximal 15 Min.) scheint sich nicht zu verändern. Offenbar arbeiten immer weniger Personen direkt am Wohnort und haben dafür einen längeren Arbeitsweg als 15 Min.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 29 von 107
3.3.2. Pendlerbewegungen im Kanton Bern
Wie die Volkszählung 2000 aufzeigt,
fallen Wohn- und Arbeitsort der
Bevölkerung zunehmend auseinander. Im
Kanton Bern waren im Jahr 2000 über
500'000 Personen erwerbstätig. Rund 9
von 10 Erwerbstätigen verlassen ihren
Wohnort, um zu ihrem Arbeitsort zu
gelangen. Dies entspricht dem Schweizer
Mittel. Nur 26'000 Personen bzw. 5
Prozent der Berner Erwerbsbevölkerung
arbeiten ausserhalb des Kantons. 83
Prozent bzw. 420'000 Personen im
Kanton Bern sind so genannte
Binnenpendler, d.h. sie pendeln innerhalb
des eigenen Kantons.
Der Pendlersaldo des Kantons Bern
beträgt im Jahr 2000 plus 13‘332
Personen.
Quelle: BFS, Volkszählung 2000
3.3.3. Pendlerbewegungen im Städte-Vergleich
Pendlerzahlen des WRT, der Region Biel und des Vereins Region Bern, in absoluten Zahlen:
und relativ zur gesamten in der Region wohnhaften, erwerbstätigen Bevölkerung:
Quelle: Bundesamt für Statistik, Volkszählung 2000
Der WRT ist eine Pendlerregion. Der WRT ist nicht nur eine Schlafregion, sondern auch eine Arbeitsregion mit annähernd so vielen Zupendlern wie Wegpendlern
Wie wächst Thun weiter? Mit Pendlern oder mit eigenen Arbeitsplätzen? Die Gefahr, zur Schlafstadt zu werden, ist nicht abgewendet.
- 50'000 100'000 150'000 200'000 250'000 300'000 350'000 400'000
VRBern
Region Biel
WRT Wegpendler Lokale Zupendler
7
22
36
93
78
64
31
3
26
- 20 40 60 80 100 120 140
Region Bern…
Region Biel…
WRT…
-
2'000
4'000
6'000
8'000
10'000
12'000
14'000Pendler von/in andere Kantone
BFS 2000
Zupendler
Wegpendler
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 30 von 107
3.3.4. Pendler im WRT
Pendlerherkunft und Destinationen im Jahr 2000
Aus dem WRT wird hauptsächlich nach
Bern, in den WRT aus den ländlichen
Regionen um den WRT gependelt.
Die Region Interlaken hat als
Pendelpartner eine untergeordnete
Rolle. Alle andern, inkl. Biel, Burgdorf,
Langenthal sind in der Gesamtzahl kaum
erkennbar.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Volkszählung 2000
(Im Jahr 2000 gab es noch keine Pendler
durch den Lötschberg-Basistunnel)
Veränderung der Pendlerbewegungen von 1990 bis 2000 in %
Im Jahr2000 wurde mehr gependelt als
1990. Verglichen mit der Situation im
Jahr 1990 hat sich zum Jahr 2000 die
Veränderung in den ländlichen
Regionen (inkl. Interlaken) und in die
Regionen nördlich von Bern negativ
entwickelt (= mehr Weg- als Zupendler).
Positiv verschoben hat sich die
Veränderung gegenüber Bern und
entfernteren Regionen (West-/Ost-
Schweiz), wobei letztere in absoluten
Zahlen nicht ins Gewicht fallen
Quelle: Bundesamt für Statistik, Volkszählung 2000, 1990
Weitere Entwicklung der Pendlerbewegungen
Die Entwicklung der Pendlerbewegungen hängt von der Entwicklung der Arbeits- und
Wohnmöglichkeiten und dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ab. Der Pendlersaldo entwickelt sich
positiv, wenn die Verwaltungs-Arbeitsstellen in den WRT verlagert werden können (weniger
Wegpendler) und wenn die Zentrums-Bedeutung des WRT in der weiteren Region zunimmt (mehr
Zupendler). Auch wenn die Zahlen im gesamten Rahmen gering sind, werden die Auswirkungen der
neuen direkten Verbindung nach Visp auf die Pendlerzahlen interessant zu verfolgen sein.
Bern ist die dominante Destination der WRT-Pendler. Die Pendlerbewegungen nehmen laufend zu.
Die Gefahr, zur Schlafstadt zu werden, hängt mit den Bern-Pendlern zusammen. Zur Verringerung müssten Berner Arbeitsplätze in den WRT verlagert werden – es ist nicht möglich, aus dem Nichts im WRT neue Arbeitsplätze für die heutigen Bern-Pendler zu schaffen.
-
2'000
4'000
6'000
8'000
10'000
12'000
Zupendler
Wegpendler
- 50 100 150 200
Ländl. Gebiete
Bern
Interlaken
BE-nord
CH Osten
CH Westen
Zupendler
Wegpendler
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 31 von 107
3.4. Steuerbelastung
3.4.1. Kantone im Vergleich
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 32 von 107
3.4.2. Steuerlast für Private und für Unternehmen
Quelle: beco, K+S-Bulletin 1-2009; Zahlen 2006
Quelle: beco, K+S-Bulletin 1-2009; Zahlen 2006
Die Besteuerung der natürlichen Personen ist hoch. Ein differenzierteres Bild vermittelt die Darstellung
auf der folgenden Seite.
Die Steuerlast für Unternehmen liegt unter dem schweizerischen Mittel und ist bei einer Standortwahl
kaum ein Grund gegen den Kanton Bern.
- 50.0 100.0 150.0
Zug
Tessin
Schwyz
Nidwalden
Zürich
Thurgau
Aargau
Genf
Basel-Landschaft
Appenzell I. Rh.
Waadt
Graubünden
Basel-Stadt
Schaffhausen
St. Gallen
Solothurn
Luzern
Wallis
Appenzell A. Rh.
Bern
Freiburg
Jura
Glarus
Neuenburg
Uri
Obwalden
Totalindex der Einkommens- und Vermögenssteuer der natürlichen
Personen
- 50.0 100.0 150.0
Obwalden
Zug
Appenzell I. Rh.
Nidwalden
Thurgau
Schwyz
Appenzell A. Rh.
Luzern
Wallis
Bern
Glarus
Solothurn
Zürich
Tessin
St. Gallen
Schaffhausen
Jura
Waadt
Freiburg
Uri
Aargau
Basel-Landschaft
Neuenburg
Basel-Stadt
Genf
Graubünden
Totalindex der Reingewinn- und Kapitalbelastung der Aktiengesellschaften
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 33 von 107
3.4.3. Steuerbelastung in % des Arbeitseinkommens
Verheirateter mit zwei Kindern (Zahlen 2008):
Quelle: BFS Dokument 78883
Das obenstehende Bild ist für Standort-Promotoren im Kanton Bern ernüchternd. Auch wenn die Zahlen
der Stadt Bern nicht für alle Gemeinden des Kantons gelten, so stimmt dennoch bedenklich, dass nur
Neuenburg und Delsberg heissere Steuerhöllen sind.
Störend ist vor allem, dass die Situation nicht nur für Grossverdiener unattraktiv ist, sondern auch für
jene Personen, auf welche unsere Unternehmen bauen. So zahlen mittlere bis obere Kader und
Spezialisten im Lohnbereich zwischen CHF 70‘000.- und 150‘000.- bereits hohe Steuern.
Eine Verringerung der Steuerlast für Privatpersonen liegt im Kanton Bern zwar nicht im direkten
Wirkungsbereich des WRT. Auch wenn kurzfristig Anstrengungen nur darauf ausgerichtet werden
können, mit diesem Nachteil bestmöglich umzugehen, so muss längerfristig unbedingt eine
Verbesserung bewirkt werden.
Die Steuerbelastung für Unternehmen ist moderat. Für Private ist die Steuerlast bereits für mittlere Einkommen sehr hoch.
Die hohe Steuerlast führt langfristig unweigerlich zur Verarmung – nicht durch Abwanderung, sondern durch Nicht-Zuwanderung. Nicht-Zuwanderung ist aber schlecht messbar. Wie weit die Thematik im eigenen Einflussbereich liegt, ist nicht relevant, eine nachhaltige Senkung muss langfristig erwirkt werden.
-
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
0 50'000 100'000 150'000 200'000 250'000
Arbeitseinkommen pro Jahr
ZürichBernSchwyzSarnenZugFreiburgSolothurnChurBellinzonaLausanneNeuenburgDelsbergMittelwert
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 34 von 107
3.5. Wirtschaftsleistung
3.5.1. Wirtschaftsleistung der Region Thun im Kanton
Gut 50% der Leistung werden in der Region Bern erbracht (53%); die Leistung des WRT (7.5%) liegt in
der Grössenordnung der Region Biel (9%).
Der WRT (7.5%) erbringt mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung des Berner Oberlandes (13.8%).
3.5.2. Export-Anteile nach Region und Bereich
Quelle: beco K+S-Bulletin 1-2009
Bern; 2913
Biel-Seeland;
4354 BEO; 1116
Emmental; 1877
Oberaargau; 1597
Jura; 1191
Exportleistungen der Regionen in Mio. CHF, Jahr 2007
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 35 von 107
Quelle: beco, K+S-Bulletin 1-2009
Die Bereiche Maschinen/Apparate/Elektronik erbringen im WRT mit grossem Abstand die höchste Exportleistung.
Wirtschaftlich von aussen betrachtet ist der WRT eine Maschinen/Apparate/Elektronik-Region
3.5.3. Tourismus als Export-Faktor
Wirtschaftsleistung des Tourismus im Vergleich zum Export
Für eine fundierte Gegenüberstellung von Exportleistungen und den Tourismus-Leistungen fehlt das entsprechende Zahlenmaterial. Die Annahme, dass die Export-Leistung des Gastgewerbes je Mitarbeiter und Jahr CHF 100‘000.- im Berner Oberland und CHF 50‘000.- in den andern Regionen des Kantons beträgt, ist in Anlehnung an eine empirische Studie plausibilisierbar. Quellen: beco, Bericht zur Wirtschaftslage 2009 Empirische Ermittlung Tourismusanteile 2007
Das Berner Oberland und der WRT sind in Grössenordnung gleich kräftige Exporteure. In der Art des Exportes sind sie jedoch sehr unterschiedlich.
Eine Förderung der Exportwirtschaft muss im Berner Oberland und im WRT völlig andere Wege gehen.
Der Anteil der verschiedenen Tourismus-Leistungsbereiche innerhalb des WRT ist noch zu klären.
-
5
10
15
20
25
30
35
Bern-Mittelland
BielSeeland
(BernerOberland)
WRT Beo- Emmental Oberaargau Jura
Exportleistung pro erwerbstätige Person in 1'000 CHF pro Person 2007
Land, Forst, Fisch Papier und Grafik
Chemie + Metalle
Masch/App/Elektronik Fahrzeuge
Präzisionsinstrumente Energie … Erden
übrige
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
WRT Beo -
Jährliche Exportleistung in Mio. CHF
Maschinen +MetalleExport andere
Tourismus
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 36 von 107
Gliederung der Tourismusleistungen
Der Tourismus erbringt in verschiedenen Bereichen einen volkswirtschaftlichen Nutzen:
Alle Güter und Dienstleitungen
Nicht tourismusspezifische Produkte
Tourismusspezifische Produkte
(und Leistungen)
Tourismusverwandte Produkte
Tourismuscharakteristische Produkte
Beherbergung Verpflegung und Gaststätten
und Hotels Passagierverkehr Kultur Sport und Unterhaltung Verschiedene Dienstleistungen
Nebenstehende Grafik für
die gesamte Schweiz zeigt
auf, dass die Leistung des
Tourismus nicht auf die
Bereiche der Beherbergung
und Verpflegung reduziert
werden darf, dieser Anteil
macht klar weniger als 50 %
der Gesamtleistung aus.
Bedeutung des Berner Oberlandes als Schweizer Tourismus-Region
Quelle: beco, K+S-Bulletin 1-2009
Das Berner Oberland ist bezüglich Logiernächte einer der drei wichtigsten Akteure der Schweiz.
Logiernächte ist nicht gleich Umsatz – aber mit Logiernächten sind die Touristen immerhin schon mal vor Ort.
35.1
0.0 1.5
31.5
14.2
3.1
0.0
5.0
10.0
15.0
20.0
25.0
30.0
35.0
40.0
Logiernächte je Einwohner CH-weit
Beo
WRT
BE-
GR
VS
andere
3'615
1 1'159
5'976
4'245
19'474
Anteil Logiernächte CH-weit (in 1'000 Logiernächte)
Beo
WRT
BE-
GR
VS
andere
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 37 von 107
3.6. Mittelfluss im WRT
3.6.1. Betrachtung nach Anzahl Arbeitsplätzen
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 38 von 107
3.6.2. Quantifizierung
Die schematische Darstellung nach der Anzahl Arbeitsplätze (s. vorderen Abschnitt) sagt zu wenig
Genaues über den Geldfluss in die Region aus. Sicher wäre es interessant, die detaillierten
Zusammenhänge zu kennen. Die entsprechende Analyse würde den Umfang der vorliegenden
Grobstudie jedoch sprengen.
Die folgende Tabelle mit Grafik soll dennoch in Grössenordnungen aufzeigen, woher das Geld in die
Region fliesst. Dabei wurde berücksichtigt, dass neben den Lohnzahlungen direkte Aufträge an das
lokale Gewerbe, Verpflegungen über Mittag, etc. Kapital in die Region bringen. So bringen eine
Pendlerstelle den Netto-Lohn in den WRT, ein Industriearbeitsplatz erheblich zusätzliches Kapital.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass Zupendler ihren Lohn nicht im WRT lassen.
Die in der Tabelle eingefügten Leistungen pro
Export-Arbeitsplatz sind Schätzwerte, entsprechend sind
die Resultate zu interpretieren.
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005; Schätzwerte Zellweger
Der Geldfluss in die Region durch die Löhne der Pendler liegt in derselben Grössenordnung wie der (Lohn-)Kapitaleintrag durch die exportierenden Unternehmen.*
Pendler „füttern“ die Region ebenso wie die Exportunternehmen.
* Diese Aussage ist für eine allfällige weiterreichende Verwendung zu verifizieren
3.6.3. Steuereinnahmen
Der Steuerertrag der Stadt Thun stammt zu 95% von natürlichen Personen.
Die Stadt Thun ist abhängig von privaten Personen – ein Unternehmensanteil von 20% würde den Handlungsspielraum der Stadt erheblich vergrössern.
Bereiche Anzahl Arbeitsplätze
Leistung pro Arbeitsplatz (Schätzung) [CHF/Jahr]
Gesamte Leistung [Mio. CHF pro Jahr]
Ind. + Gew. 6‘600 150‘000 990 Tourismus 1‘400 80‘000 112 Dienstleistung 300 100‘000 30 Pendler 17‘000 60‘000 1‘020
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 39 von 107
3.7. Branchen und Arbeitsplätze
3.7.1. Arbeitsplätze WRT nach Wirtschaftssektoren
Total Arbeitsplätze primär (grün), sekundär (blau) und tertiär (orange)
Äusserer Kreis: Total Anzahl Arbeitsplätze je Sektor (42‘300 Arbeitsplätze)
Innerer Kreis: Anzahl exportwirksamer Arbeitsplätze (insgesamt 8‘300 Arbeitsplätze)
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005
Landwirtschaft
Metalle
Maschinen
Bau
Verschiedene
Handel
Gastgewerbe Verkehr + Nachrichten
Kredit + Versicherung
Immobilien IT + F&E
Unternehmens-DL
Öff. Verw. + Landesvert.
Unterricht
Gesundheit+Soziales
Div. DL
Landwirtschaft Holz Nahrung + Bekleidung Papier + Chemie
Metalle Maschinen Feinmechanik Uhren
Fahrzeugbau Energie + Wasser (Bau-) Kunststoffe Glas + Beton
Bau Verschiedene Handel Gastgewerbe
Verkehr + Nachrichten Kredit + Versicherung Immobilien IT + F&E
Unternehmens-DL Öff. Verw. + Landesvert. Unterricht Gesundheit+Soziales
Div. DL
total
Export
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 40 von 107
3.7.2. WRT-Profil nach Arbeitsplätzen innerhalb des Kantons
Kreis 2: Branche ist doppelt so stark vertreten wie im Kantonsmittel
Kreis 1: entspricht dem Kantons-Mittelwert
Kreis 0.5: Halb so stark vertreten wie im Kanton
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005
Die Bedeutung des Maschinenbaus für den WRT zeigt sich nicht nur in der Anzahl Arbeitsplätze, sondern auch in der starken Präsenz innerhalb des Kantons.
Die relative Stärke der Sektoren Bau und Handel lässt sich hauptsächlich durch die Zentrumslage erklären.
Bau-Kunststoffe und Glas+Beton heben sich als regionale Stärke ab, sind aber aufgrund des geringen Volumens von untergeordneter Bedeutung.
Das Berner Oberland weist ein ganz anderes Profil als der WRT auf.
Im produzierenden Bereich unterscheidet sich das Profil der Region Biel (Uhren, Feinmechanik) von jenem des WRT (Maschinenbau).
0.125
0.25
0.5
1
2
4
Landwirtschaft
Holz
Nahrung + Bekleidung
Papier + Chemie
Metalle
Maschinen
Feinmechanik
Uhren
Fahrzeugbau
Energie + Wasser
(Bau-)Kunststoffe
Glas + BetonBau
Verschiedene
Handel
Gastgewerbe
Verkehr + Nachrichten
Kredit + Versicherung
Immobilien
IT + F&E
Unternehmens-DL
Öff. Verw. + Landesvert.
Unterricht
Gesundheit+Soziales
Div. DL
Regionen-Profile: WRT / Beo ohne WRT / Biel-Seeland Abweichung vom Kantonalen Durchschnittswert ohne Gewichtung
Kanton Bern
WRT
Beo-
BielSL
Lesebeispiel:
Im Beo- arbeiten 3-mal mehr
Personen im Gastgewerbe als im
Durchschnitt des Kantons Bern
Duscholux
…
Glas Troesch
Pilkington
…
Studer
Ruag Landsystems
Meyer Burger
Schleuniger
Rychiger
…
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 41 von 107
3.7.3. Export-Sektoren des WRT
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 42 von 107
3.7.4. Arbeitsplatzprofile der Gemeinden innerhalb des WRT
Die WRT-Gemeinden unterscheiden sich in der Anzahl und der Bereichs-Zuordnung der Arbeitsplätze
erheblich.
Gemeinden mit anteilsmässig wenigen
Arbeitsplätzen sind in einem höheren
Mass Wohngemeinden.
Interessant, wenn auch nicht
überraschend ist die geografische
Clusterung der Wirtschaftsbereiche. Je
tiefer im Oberland, desto grösser die
Bedeutung des Tourismus. Je tiefer im
Westamt, desto grösser die Bedeutung
der Landwirtschaft und
Holzverarbeitung.
Die industriellen und gewerblich
produzierenden Aktivitäten sowie der
Handel sind in der eigentlichen
Zentrumsregion angesiedelt.
Quelle: BFS
Die wirtschaftliche Struktur des WRT ist sehr heterogen, geografisch jedoch ist die Region nach Wirtschaftsbereichen geordnet.
Industrie und produzierendes Gewerbe können von kurzen Distanzen zueinander profitieren.
0
10
20
30
40
50
60 Anzahl Arbeitsplätze pro 100 Einwohner
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 43 von 107
3.7.5. Maschinenbau – vertiefte Betrachtung
Im Jahr 2005 wurden dem Bereich Maschinenbau 2‘700 Arbeitsplätze zugeordnet. Die fünf grössten
Maschinenbauer der Region (Ruag Land Systems, Studer, Meyer Burger, Schleuniger und Rychiger)
stellen den Hauptanteil dieser Arbeitsplätze zur Verfügung.
Die Produkte dieser Unternehmen haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun, die
Kernkompetenzen sind unterschiedlich (gepanzerte Fahrzeuge, Schleifprozess, Bearbeitung harter
Materialien, Kabelverarbeitung, Stanzen und Versiegeln). Betrachtet man jedoch die Kompetenzen,
worauf diese fünf Unternehmen bauen, so fallen grosse Gemeinsamkeiten auf. Alle fünf Unternehmen
sind Systemintegratoren in den Disziplinen der anspruchsvollen Mechanik, Elektrik und Maschinen-
Software, auch sind alle hauptsächlich auf internationalen Märkten aktiv.
Das bedeutet auch, dass diese Top5-Fachkräfte mit denselben Fähigkeiten beschäftigen. Auch wenn dies
zu einer Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt führt, hat es auch den Vorteil, dass diese Kompetenz
gemeinsam weiterentwickelt werden kann.
Darüber hinaus, dass der Maschinenbau im WRT den Grossteil der Export-Arbeitsplätze stellt, zeichnet sich diese Branche durch die ausgeprägte Stärke als Systemintegratoren aus.
Systemintegration erfordert interdisziplinäre Kompetenz auf hohem Niveau – erfolgreiche Integratoren sind die „Umsetzer“ auf dem Werkplatz Schweiz.
Die WRT-Maschinenindustrie unterhält ein grosses Lieferanten- und Partnernetz.
3.7.6. Bauindustrie- und Gewerbe – vertiefte Betrachtung
Bau-Hauptgewerbe Gross-Unternehmen Grössere Unternehmen Mittlere und kleinere Unternehmen
Frutiger Helmle, Läderach-Weibel, Zaugg ca. 500 (total NOGA Klasse F)
Die Frutiger AG unterhält als einzige Thuner Baufirma grössere Unternehmensteile an Standorten
ausserhalb des WRT und kann mit ihren Spezialisten-Leistungen in der ganzen Schweiz zum Teil als
Thuner Exportunternehmen betrachtet werden.
Nachdem bis vor zehn Jahren die Bauunternehmen praktisch ausschliesslich in ihrer Region tätig waren,
sind heute die WRT-Baufirmen auch im Oberland und in der Region um Bern unterwegs. Da in
ähnlichem Umfang auswärtige Unternehmen im WRT bauen wie WRT-Unternehmen ausserhalb, kann
weniger von Export-Aktivitäten als von einer Durchmischung gesprochen werden.
Trotzdem hebt sich die Thuner-/WRT-Bauindustrie positiv ab: Anders als vor einigen Jahren hat die
Bauindustrie keine Probleme, ihre Lehrstellen zu besetzen, 90% bis 95% der WRT-Maurerlehrlinge
bestehen die Lehrabschlussprüfung (Region Bern 70%), nur 5% brechen ihre Lehre ab (Region Bern
40%). Diese Fakten zeigen auf, dass die hiesigen Unternehmen es geschafft haben, sich mit
gewinnendem Auftritt und guter Leistung in eine Position zu bringen, die sich mittelfristig bestimmt
auch als Wettbewerbsvorteil nutzen lässt.
Bau-Nebengewerbe
Neben den zahlreichen kleineren und mittleren Unternehmen des Bau-Nebengewerbes sind folgende
grössere Unternehmen in Thun tätig:
- Duscholux, Gwatt (Herstellung und Export von Duschwänden und Bad-Ausrüstungen)
- Pilkington Glas Thun AG, Gwatt (Bauglas; Hauptquartier in England)
- Glas Trösch AG, Steffisburg (Bauglas; Hauptquartier in Bützberg)
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 44 von 107
3.7.7. Dienstleistungen – vertiefte Betrachtung
Dienstleister unterstützen andere Unternehmen (und Privatpersonen) bei der Erbringung ihrer
Leistungen. Für die Standortpositionierung ist es interessant zu wissen, inwieweit der
Dienstleistungssektor nötige Unterstützung für die ansässigen Gesellschaften und Personen leistet und
in welchem Umfang diese Leistungen nach aussen verkauft werden (Export).
Art der Leistung Beispiele Standort-Gebundenheit Arbeitsplätze 2005
(A) Standort-gebunden
Stadt-, Kantons-, Bundes-Verw.; Verkehr & Nachrichten; Kredite & Versicherungen; Immobilien; lokales Gesundheitswesen
Gross Leistungen direkt an Standort gebunden Export-Potenzial < 1%
total 16‘572 unabhängig 166
(B) DL für Privatpersonen und lokale Gesellschaften
Treuhand; Rechtsberatung; Informatik-Beratung; Sicherheitsdienste
Gross Export-Potenzial < 5%
total 1‘089 unabhängig 56
(C) Stabs-Funktionen, Outsourced jobs, Services
Sekretariat; Personalvermittlung; Call-Center; Reinigung
Gross Export-Potenzial < 10%
total 489 unabhängig 50
(D) Bau-nahe DL regional
Architekten und Ingenieure; Maschinenvermietung
Mittel bis gross Export-Potenzial < 20%
total 1‘117 unabhängig 240
(E) Dienstl. überregionale
Unternehmensberatung; PR, Werbung;
Mittel – sehr untersch. Export-Potenzial ~ 50
total 294 unabhängig 150
(F) Produkt-analoge DL
Software-Entwicklung Gering Export-Potenzial > 90%
total 161 unabhängig 161
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005; Schätzung des Exportpotenzials durch Zellweger
Die heute ansässigen Dienstleister sind direkt an die hiesigen Strukturen und Unternehmen gebunden.
Der Bereich Software-Entwicklung wird weiter wachsen – es sind jedoch keine Anzeichen ersichtlich, dass dies gegenüber anderen Standorten überdurchschnittlich erfolgen könnte.
Der WRT ist in der heutigen Konstellation klar kein Dienstleistungs-Standort.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 45 von 107
3.7.8. Tourismus – vertiefte Betrachtung
Die nebenstehende Darstellung
veranschaulicht die Bedeutung des
Tourismus in verschiedenen
Bereichen.
Da die Grafik nur Anteile aufzeigt,
darf nicht auf eine absolute
Bedeutung geschlossen werden:
4% des Bau-Umsatzes sind in CHF
bestimmt mehr als die 32% der
Kultur.
Unter übrigem Personenverkehr
wird auch die Schifffahrt erfasst.
Quelle: (10)
Lesebeispiel:
65% der Hotellerie-Umsätze können dem
Tourismus zugeordnet werden (oranger
Punkt), die Unsicherheit beträgt ca. +/- 8%
(kleine schwarze Punkte).
Erläuterungen s. Quelle
Der Tourismus-Umsatz kann nicht einfach wenigen Branchen zugeordnet werden.
3.7.9. Verbände – vertiefte Betrachtung
In der Region Thun gibt es nur sehr wenige nationale Verbände. Die folgende Tabelle führt die in der
Region ansässigen Verbände auf:
Im WRT ansässige nationale/ internationale Verbände Gemeinde
Schweiz. Grosshandelsverband der Sanitären Branche (USGBS) Thun Schweizerischer Verband der Sozialversicherungs-Fachleute (SVS) Oberhofen Verband FGS Fachleute Geomatik Schweiz Steffisburg Internationaler Skiverband Oberhofen
Die Verbände als Arbeitgeber haben demnach in der Region Thun kaum eine Bedeutung.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 46 von 107
3.7.10. Verwaltung – vertiefte Betrachtung
Der Bericht zur Wirtschaftslage 2009 des Kantons Bern führt verschiedene Vergleichswerte zur
Beschäftigungssituation in der Bundes- und Kantonsverwaltung auf. Anfangs 2009 gab es im Kanton
Bern knapp 43'000 vollzeitäquivalente Arbeitsstellen in der öffentlichen Verwaltung. Davon waren
knapp 18'000 bzw. 42% bei der Bundesverwaltung, knapp 25'000 bzw. 58% bei der Kantonsverwaltung
beschäftigt.
Zahlen Kanton Bern Bundesverwaltung Kantonsverwaltung ohne VBS VBS Total ohne
Lehrkräfte Lehrkräfte Total
2009 Beschäftigte 13'710 5'903 19'613 18'711 15'220 33'931
VZÄ 11'929 5'625 17'554 14'815 10'177 24'992 Quelle: Bericht zur Wirtschaftslage 2009, beco; VZÄ: Vollzeitäquivalente
Die nebenstehende
Grafik zeigt die
regionale Verteilung
der Beschäftigten in
der öffentlichen
Verwaltung im
Kanton Bern im Jahr
2009.
Quelle: Bericht zur Wirtschaftslage 2009, beco
Aus der folgenden Tabelle ist unter anderem ersichtlich, dass das VBS mit 25.6% einen
überdurchschnittlich hohen Beschäftigungsanteil im Berner Oberland aufweist.
Bundesverwaltung Kantonsverwaltung ohne VBS VBS Total ohne
Lehrkräfte Lehrkräfte Total
Bern-Mittelland
absolut 11'606 3'581 15'187 10'883 3'587 14'470
Anteil 97.3 % 63.7 % 86.5 % 73.5 % 35.3 % 58.0 %
Berner Oberland
absolut 43 1'441 1'484 969 2'097 3'066
Anteil 0.4 % 25.6 % 8.5 % 6.5 % 20.7 % 12.3 %
Emmental/ Oberaargau
absolut 6 291 297 1'028 2'126 3'154
Anteil 0.1 % 5.2 % 1.7 % 6.9 % 20.9 % 12.6 %
Biel-Seeland/ Berner Jura
absolut 242 312 554 1'935 2'367 4'302
Anteil 2.0 % 5.5 % 3.2 % 13.1 % 23.3 % 17.2 %
Kanton Bern absolut 11'929 5'625 17'554 14'815 10'177 24'992
Anteil 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % Quelle: Bericht zur Wirtschaftslage 2009, beco
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 47 von 107
Beim Rüstungsbetrieb RUAG und bei der BLS sieht die Verteilung mit Beschäftigungsanteilen von 73
bzw. 46% im Berner Oberland deutlich anders aus, wie aus nachfolgender Grafik ersichtlich ist:
Quelle: Bericht zur Wirtschaftslage 2009, beco
Auch bei den Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung liegt das Schwergewicht ganz klar auf der
Region Bern-Mittelland.
Vergleicht man die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung anteilsmässig mit dem Total der
Beschäftigten im 2. + 3. Sektor, zeigt sich folgendes Bild für den Kanton und die einzelnen Teilregionen:
Region Beschäftigte 2. + 3. Sektor Beschäftigte öffentliche Verwaltung (VZÄ)
Anteil in %
Kanton Bern 478'573 43'000 9 % Bern-Mittelland 234'596 29'657 13 % Berner Oberland 81'750 4'550 6 % Quelle: Bericht zur Wirtschaftslage 2009, beco - eigene Berechnung
Bern-Mittelland hat auch gemessen an allen Beschäftigten im Kanton Bern im 2. + 3. Sektor den
höchsten Anteil an Verwaltungsangestellten mit 13%. Der Kanton Bern kommt auf einen Anteil von rund
9%, während er für das Berner Oberland rund 6% beträgt.
Die verfügbaren statistischen Daten lassen für die Region WRT keine Unterteilung der Verwaltung in die
Bereiche Bundesverwaltung, kantonale Verwaltung und Stadt-, respektive Gemeindeverwaltung zu.
Lediglich die Einteilung der Branchen nach NOGA gibt die Möglichkeit, einige weitere Aussagen zur
Bedeutung der öffentlichen Verwaltung in der Region Thun als Arbeitgeber zu machen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 48 von 107
7
7
15
19
21
26
26
31
36
279
303
0 200 400 600 800 1000
Seftigen
Thierachern
Hilterfingen
Uttigen
Oberhofen
Wattenwil
Sigriswil
Uetendorf
Heimberg
Steffisburg
Spiez
Thun2311
Anzahl Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung im WRT für das
Jahr 2005:
Quelle: BFS, Betriebszählung 2005
Der WRT weist nicht überdurchschnittlich viele Arbeitsstellen der Verwaltung oder der Unternehmen von Bund oder Kanton auf.
Die RUAG ist der grösste bundeseigene Arbeitgeber im WRT
Bund und Kanton sind wesentliche Arbeitgeber im WRT – deren Bedeutung ist jedoch nicht entscheidend grösser als in anderen Regionen.
3.7.11. Ergänzung zur Binnenwirtschaft
Struktur der Binnenwirtschaft
Wie aus der Übersichtsgrafik (Kapitel 3.7.1) entnommen werden kann, sind mehr als 80% aller
arbeitenden Personen in Branchen tätig, die der Binnenwirtschaft zugeordnet werden. Im WRT arbeiten
etwa 40‘000 Personen in ca. 4‘500 Unternehmen.
Diese Unternehmen sind vorwiegend in privatem Besitz und werden mit langfristiger Ausrichtung
geführt. Dadurch gefährden kurze Krisenphasen diesen Wirtschaftsbereich wenig.
Die KMU-Struktur in kleinen Einheiten wirkt stabilisierend auf die Wirtschaft des WRT.
Steuerbeitrag der Binnenwirtschaft
Der Beitrag der Binnenwirtschaft an die Steuereinnahmen ist sehr gering.
Wirtschafts-Gesicht der Region Thun
Binnenwirtschaften in verschiedenen Städten unterscheiden sich von aussen betrachtet wenig; sie
decken die jeweiligen Bedürfnisse der Privatpersonen, der Verwaltungen und der Exportwirtschaft ab.
Das WRT-Gesicht wird für den aussenstehenden Betrachter vor allem durch die Exportwirtschaft
geprägt. Aus diesem Grund steht in den folgenden Überlegungen zur Identität der Region die
Exportwirtschaft im Vordergrund.
Das Wirtschafts-Gesicht wird von den nach aussen wirkenden Aktivitäten geprägt.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 49 von 107
3.8. Bildungsstätten
Schulen Primarstufe, Sek I Sekundarstufe II Tertiäre Stufe
Volksschulen (Zahlen nur Stadt Thun)
17 Schulen, 222 Klassen, 4042 Schüler, 486 Lehrpersonen
Gewerblich- industrielle Berufsfachschule Thun (Kanton)
Berufsfachschule, Berufsmaturitässchule,
Fort- und Weiterbildungszentrum, Freifachkurse
Gymnasium und Fachmittelschule Seefeld Thun (Kanton)
Matur Fachmittelschule mit Fachmaturität
Gymnasium und Handelsmittelschule Thun Schadau (Kanton)
Matur Kaufmännische Ausbildung mit Diplom und Berufsmaturität
Wirtschaftsschule Thun (Kanton)
KV, Verkauf, BMS Weiterbildungszentrum
Volkshochschule Thun (Kanton)
Weiterbildungs-Angebote
Berntorschule Thun (privat)
Sekundarschule Handelsdiplom Weiterbildung
Rudolf Steiner Schule Steffisburg (privat)
Kindergarten bis Oberstufe
Noss Spiez (privat) 9. und 10. Schuljahr Berufsvorbereitende Lehrgänge, KV, Hotelhandel, Handelsschule
Hotelfachschule Thun (Schweiz. Hotelier-Verein)
Höhere Fachschule für Hoteliers und Restaurateure
HSO Schulen Thun Bern AG (privat)
Sprachen, Handels- und Kaderschule, höhere Fachschule für Wirtschaft
Quelle: www.thun.ch/bildung, Stand Oktober 2009
Bis und mit der Sekundarstufe II wird in der Region Thun ein sehr breites Spektrum abgedeckt. Im tertiären Bereich fehlen die Angebote für die in Thun starken Branchen Maschinen, Metall und Bau.
Längerfristig müssen Wege gefunden werden, auch in der Region selbst. Weiterbildungsmöglichkeiten.in den für den WRT wesentlichen Fachgebieten anzubieten (wachsende Anforderungen, lebenslanges Lernen, Berufswege mit Veränderungen).
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 50 von 107
3.9. Unternehmen der Region
3.9.1. Die grossen Unternehmen
Die grössten Unternehmen nach Anzahl Mitarbeiter:
Name Branche Anz. MA Besitz-Verhältnisse WRT total*
AVAG Thun Dienstleistung 90 Gemeinden
Colasit Anlagebau 83 privat
Duscholux AG Bau-Nebenbranche 200 privat
EMPA Thun Dienstleistung 30 Bund (EDI)
Frutiger AG Bau (400) 2000 privat, Management
Gafner Transporte Dienstleistung 60 privat
Glas Trösch AG Bau-Nebenbranche 50 Glas Trösch Holding
Hoffmann Neopac AG Anlagenbau, Volumenproduktion
400 600 privat
Labor Spiez Dienstleistung 100 Bund (VBS)
MeyerBurger AG Maschinenbau 400? Meyer Burger Technology AG, Baar; börsenkotiert
NRS Printing Solutions AG
Dienstleistung 40 privat
Pilkington Glas Thun AG Bau-Nebenbranche 90 Pilkington-Gruppe
Rychiger AG Maschinenbau 140 privat
RUAG Landsystems AG Maschinenbau 500? RUAG Holding AG – Bund (VBS)
RUAG Ammotec AG Prozesstechnik, Volumenproduktion
400? RUAG Holding AG – Bund (VBS)
Schleuniger AG Maschinenbau 250? Metall Zug Gruppe
Fritz Studer AG Maschinenbau 700 Schleifring-Stiftung, D Export-Industrie Bau Wissenschaft Dienstleister
Grosse öffentliche Arbeitgeber Stadtverwaltung Verwaltung XXX öffentlich
Spital STS Thun Gesundheitswesen XXX 1700 öffentlich * Angabe für Unternehmen mit Hauptsitz in Thun
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 51 von 107
3.9.2. Gliederung der Export-Industrie
Im Kapitel 3.5.2 (Export-Anteile) ist ersichtlich, dass „Maschinen/Apparate/Elektronik“ gut ¾ der Export-
Leistung des WRT ausmacht. Unter den WRT-Top 20 können folgende acht Unternehmen diesem
Bereich Zugeordnet werden:
Diese Unternehmen stellen insgesamt ca. 3‘000 Arbeitsplätze im WRT. Das entspricht ca. 90% des
Bereiches Maschinen/Apparate/Elektronik.
3.9.3. Fach-Kompetenzen der Export-Industrie
Unabhängig von Firmenbezeichnungen und Produkten ist es interessant, zu betrachten, auf welche
Kompetenzen (Skills) die Wirtschaft der Region baut. Dazu werden folgende Gruppen von Kompetenzen
unterschieden:
Kompetenz Erläuterung Beispiele
Organisation und Administration
Management, Prozess- und Administrations-Disziplinen
Führung, Marketing, Prozessmanagement, Qualitätssicherung; Finanzen, Personal, Logistik, interne Informatik, Liegenschaftsunterhalt, …
Allgemeine Fachkompetenz
Universelle Disziplinen, Grunddisziplinen
Physik, Chemie, Maschinenbau, Elektrotechnik, Software, Produktionstechnik,
Spezial- Fachkompetenz
Für das Produkt zentrale Kompetenzen
Schleiftechnologie (Studer), Umformtechnik (Hoffmann), Heiss-Siegeln (Rychiger), …
Organisations- und Administrationskompetenzen sind in allen Unternehmen notwendig, sind
selbstverständlich vom Marktumfeld und von der jeweiligen Unternehmenskultur geprägt,
unterscheiden sich inhaltlich jedoch wenig. Über diese Kompetenzen kann sich ein Unternehmen in
einem Markt auf hohem Niveau keine Vorteile verschaffen oder sich wesentlich differenzieren.
Bei der Betrachtung der allgemeinen Fachkompetenz fällt auf, dass die Maschinenbauer (Studer, Meier
Burger, RUAG LS, Schleuniger, Rychiger) durchwegs auf die gleichen Skills setzen (Maschinenbau,
Elektro- uns Steuerungstechnik, Software-Programmierung, Benutzer-Interaktion, Systemintegration,
Betriebs- und Unterhaltsdienstleistungen). Für die Massenproduktions-Unternehmen steht die Prozess-
Beherrschung im Vordergrund, die Maschinenbauer-Skills werden unterstützend genutzt.
Über die Spezial-Fachkompetenzen verfügen höchstens Unternehmen im selben Markt. Da keines der
Unternehmen mit einem anderen in Konkurrenz steht, haben die acht Unternehmen hier wenig bis gar
keine Gemeinsamkeiten.
Die fünf grossen Maschinenbau-Unternehmen nutzen dieselben allgemeinen Fachkompetenzen.
Qualifizierten Arbeitskräften steht der Weg zu verschiedenen Arbeitgebern offen. Die Unternehmen haben Zugang zu einem breit abgestützten Arbeitsmarkt.
0 100 200 300 400 500 600 700 800
Fritz Studer AG
Hoffmann-Neopac
Meyer Burger AG
RUAG Land Systems
RUAG Ammotec
Schleuniger AG
Rychiger AG
Colasit
Anzahl Arbeitsplätze:
Maschinenbau
Massenproduktion
Anlage-Komponenten
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 52 von 107
3.9.4. Spezielle Kompetenzen im WRT
Exklusive Kompetenzen, welche (weltweit) nur an wenigen Orten gepflegt werden, haben über die
heutige Anzahl Arbeitsplätze hinaus allenfalls das Potenzial, sich aus dieser Position stark weiter zu
entwickeln:
Labor Spiez Weltweit führende Institution des Bundes, Thema mit grossem Entwicklungspotenzial, bisher keine wesentlichen weiterführenden Nutzungen der Kompetenzen in anderen Unternehmen.
EMPA Thun Für Thun wichtige Zugangs-Stelle zu den ETH-Institutionen, die Zukunft der EMPA in Thun wird weitgehend politisch bestimmt.
Versteckte Kompetenzen werden in den gängigen Wirtschaftsstatistiken nicht als solche ausgewiesen.
Armee In ihren Schulen in Thun beschäftigt die Armee eine grosse Anzahl gut geschulter Erwachsenen-Ausbildner in teilweise technisch sehr anspruchsvollen Bereichen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 53 von 107
3.10. Verwaltung und Verbände
Im Folgenden sind Verwaltungsstellen und Verbände aufgeführt, die sich im Kanton Bern und im WRT
mit der wirtschaftlichen Entwicklung befassen. Die Aufzählung beschränkt sich auf Institutionen, für die
diese Zielsetzung eine zentrale Aufgabe bildet.
Name Zielsetzung Link
Verwaltungsstellen Kanton
Amt für Gemeinden und
Raumordnung
Raumplanung
Agglomerationsprogramme
www.jgk.be.ch/site/agr/
Berner Wirtschaft (beco)
Tourismus und
Regionalentwicklung
(TouReg)
Tourismus und Regionalentwicklung www.vol.be.ch/site/bec
o
Berner Wirtschaft (beco)
Wirtschaftsförderung
Kanton Bern (WFB)
Unterstützung Berner Unternehmen
Vermarktung Wirtschaftsstandort Bern im
Ausland
www.berneinvest.com/
2056/3145/2127.asp
Verwaltungsstellen WRT
Geschäftsstelle WRT Firmengründungen
Firmenansiedlung
Standortvermittlung
www.wrt.ch
Abteilung Stadtmarketing
der Stadt Thun
Wirtschaftsförderung
Stadtmarketing
Stadtentwicklung
www.thun.ch/stadtver
waltung/aemterfachst
ellen/abteilung-
stadtmarketing.html
Region Thun-InnertPort (TIP) Regionalentwicklung
Raumplanung
Verkehr
Agglomerationsprogramm Thun
www.region-tip.ch
Organisationen Kanton
innoBE AG/ Bern Neuunternehmerberatung
Innovationsberatung
Cluster- / Netzwerkförderung
www.innobe.ch/
Volkswirtschaft Berner
Oberland
Förderung nachhaltige Entwicklung des
Wirtschafts- und Lebensraumes Berner
Oberland
Pflege Unternehmen im Berner Oberland
www.volkswirtschaftbe
o.ch/
Handels- und
Industrieverein des Kantons
Bern
Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Services für Mitglieder
www.hiv-bern.ch
Berner KMU Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Services für Mitglieder
www.bernerkmu.ch/
Bürgschafts-
Genossenschaften
Erleichterte Beschaffung von Fremdkapital
bei Banken und Finanzinstituten für KMU
www.bgm-ccc.ch/
Unitectra Wissens- und Technologietransfer /
Innovationsförderung
www.unitectra.ch/
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Telematikcluster Bern Stärkung Branche
Netzwerk
Standortpromotion
www.tcbe.ch
Medizinalcluster Bern Stärkung Branche
Netzwerk
Standortpromotion
www.medical-
cluster.ch
Wirtschaftsberatungscluster
Bern-Espace Mittelland
Stärkung Branche
Netzwerk
Standortpromotion
www.wbcb.ch
Organisationen WRT
innoBE AG/ Filiale Thun siehe oben www.innobe.ch/wrt
Regionale
Wirtschaftskoordination
(RWK)
Förderung wirtschaftliche
Rahmenbedingungen und Standortgunst
Thunersee Tourismus Marketing für Tourismusregion Thunersee www.thunersee.ch
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3.11. Regionen-Marketing
Wie werden die verschiedenen Wirtschaftsregionen vermarktet?
Welche Vorzüge werden in den Vordergrund gestellt?
Die folgende Tabelle enthält die per Website zugänglichen Kerninformationen:
WRT Biel Leman* Uster www.thun.ch www.wrt.ch
www.biel-bienne.ch www.region-du-leman.ch www.lausanne.ch
www.uster.ch
Natur, Tradition und Moderne
Uhren-Weltmetropole Kommunikationsstadt
Innovation, Dynamik, wirtschaftliche und Investitions-entwicklung Hohes Bildungsniveau Lebensqualität
Industrie- und Technologieregion mit langer Tradition
Tor zum Berner Oberland Alpenlandschaft Thuner See Schloss Altstadt
3-Seen-Landschaft Am Fuss des Juras Im Herzen des Mittellandes
Genfersee-Region Tor zum Zürcher Oberland Greifensee Hügellandschaft
Moderne Geschäfts- und Wohnbauten; Charme; Überschaubare Grösse; Hoher Freizeitwert Förderung von Jungunternehmen
Internationale Veranstaltungen Museumsmeile Biel Sehr produktiv (32,6% der Berner Exporte); Kompetitive Unternehmens-Besteuerung; Terrainreserven Ausbildungszentren Technologie, Kommunikation und Sport
Gemeinsame Struktur für die Promotion der Region und die Akquisition von Unternehmen im Ausland Nähe zu Verkehrs-Knotenpunkt Genf mit Flughafen Internationale Institutionen (IOC, UNO in Genf)
Kulturelle Auszeichnungen für eigene Identität; Hohe Wohnqualität Sportinfrastrukturen; Bildungsinstitutionen; Studienangebote in Zürich (Universität und ETH) und die Zürcher Hochschule Winterthur Nähe zu Zürich Zentrum und Flughafen.
* Region du (Lac) Leman mit Schwerpunkt Lausanne
Tradition ist nicht mit Wirtschaft verknüpft, Thun heute hat nichts Grosses vorzuzeigen.
Zur Jungunternehmer-Förderung fehlen kommunizierbare Fakten.
Zentrumsnähe zu Bern lässt sich nicht als Wirtschaftsvorteil verkaufen.
Charme und Freizeit sind nicht primär wirtschaftliche Vorteile.
Thun fehlt das griffige Wirtschaftsprofil.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 56 von 107
3.12. Flächen und Distanzen
3.12.1. Areal-Entwicklung
Die Arealstatistik gibt Aufschluss über die räumliche Nutzung eines Gebietes. Gebäudeareal Erholungs- und
Grünanlagen Industrieareale, bes. Siedlungsflächen
Verkehrsflächen
Wohngebäude Landwirtschaftliche Gebäude Spitäler Schulen und Anstalten
Offene Sportplätze Golfplätze, Campingplätze, Schrebergärten, Friedhöfe, öffentliche Parkanlagen und ähnliches; Wald, Felder, …
Ver- und Entsorgungsanlagen, Abbau und Deponie, Baustellen und Ruinen
Flächen für ruhenden und bewegten Verkehr auf Strasse, Schiene und in der Luft
Arealanteile der Gemeinde Thun, total 2'159 ha (Daten 2005) Veränderungen 1979/85 (innerer Kreis), 1992/97 (Mitte), 2004/2009 (aussen) Die Veränderungen der vergangenen dreissig Jahre entspricht dem allgemeinen Trend. Grünfläche weicht Gebäuden, Industrie und Verkehr. Eine Aussage mit direkten Vergleichen und über absolute Zahlen ist wenig zweckmässig, da z.B. ein (zufälliger) grosser Waldanteil einer Gemeinde das Zahlengerüst unverhältnismässig beeinflusst.
Quelle: BFS
Aus der Arealentwicklung lassen sich keine Schlüsse zur Wirtschaftsentwicklung ziehen.
Gebäude Indusrie
Verkehr Grün+Erholung
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3.12.2. Zentralität
Verkehrs-, Wirtschafts- und Raumentwicklung stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis.
So ist die Erreichbarkeit einer Region ein wichtiges Element des Standortwettbewerbs.
Die Zentralität wird anhand der Distanz zu den nächsten Zentren sowie an deren Grösse gemessen. Für
den Kanton Bern gilt das nationale Zentrum Bern. Als kantonale Zentren sind Biel und Thun vermerkt.
Regionale Zentren von kantonaler Bedeutung sind Langenthal, Burgdorf und Interlaken.
Aufgrund der hohen Infrastrukturinvestitionen ins Strassen- und Schienennetz in den letzten
Jahrzehnten verbesserten sich die Erreichbarkeiten generell deutlich. Die einzelnen Regionen sind somit
näher zusammengerückt.
Verbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
Thun verfügt über ein gut ausgebautes Verbindungsnetz im öffentlichen Verkehr. Bern, das kantonale
Zentrum, kann alle 20 Minuten mit einer Fahrzeit von rund 20 Minuten erreicht werden. Durch den Bau
des Lötschberg-Basistunnels ist die Verbindung zum Wallis deutlich verbessert worden.
Die untenstehende Grafik zeigt die Fahrzeit zum nächsten Zentrum (Bern, Genf, Basel Zürich, Lugano)
mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Interessant ist der grüne Streifen zwischen Thun und Bern.
Vergleich von Fahrzeiten und Anzahl Verbindungen pro Stunde (Abfahrten zw. 07.00 und 08.00h):
Destination Bern HB Zürich HB Basel SBB [h:min] [Anzahl] [h:min] [Anzahl] [h:min] [Anzahl]
Thun 19 30
4 2
1:22 1:50
2 2
1:20 1:45
2 2
Biel 27 36
2 2
1:10 1:40
2 2
1:04 1:17, 1:36
1 1, 1
Uster 1:21 1:45
2 2
14 21
4 4
1:21 1:41
2 1
Thun (Bahnhof) liegt mindestens so nahe an Zürich HB wie jede andere Stadt im Kanton oder öV-
Anschlüsse Berner Vorortgemeinden.
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(Zeitliche) Zentrumsnähe mit dem motorisierten Individualverkehr
Die Fahrzeitenverteilung mit dem motorisierten Individualverkehr fällt deutlich flacher aus als jene mit
den öffentlichen Verkehrsmitteln. Da der WRT verkehrstechnisch hauptsächlich Richtung Bern
ausgerichtet ist, heisst das, dass nicht nur in den Regionen mit grossem Abstand zum Bahnhof Thun,
sondern auch im Norden des WRT die Attraktivität des Individualverkehrs gross ist.
Warentransporte
Die Zentrumsnähe rechnet sich für den Warentransport auf der Strasse gleich wie für den privaten
Individualverkehr. Innerhalb des WRT hängt die Attraktivität der Lage von der Distanz zu den
Autobahnanschlüssen und der Erschliessung für schwerere Fahrzeuge ab.
Für den schweren Warentransport auf der Schiene bestehen folgende Anschlüsse:
Hauptstrecken: Güterbahnhof Thun, Kleine Allmend (RUAG-Areal), Bahnhof Gwatt, Bahnhof Spiez
Nebenstrecken: Bahnhof Uetendorf, Bahnhof Steffisburg, Heimberg Bahnhof und Dornhalte
Thun kann seine Zentralität nur in Verbindung mit der Bahnhofsnähe oder der Autobahnnähe nutzen.
Der Zentralitätsvorteil nimmt jedoch deutlich ab bei zunehmender Distanz zum eigenen Bahnhof -> Beispiel Sigriswil.
Thuns Verkehrslage ist nicht zentral, kann für Unternehmen ohne hohe Ansprüche an schnelle Logistik als gut bezeichnet werden.
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3.13. Raumplanung, Infrastruktur
3.13.1. Planungsstellen
Folgende kantonale und regionale Stellen befassen sich mit der Planung von Raum und Infrastruktur:
Kurzname Bezeichnung Bemerkung
Kanton
TBA, OIK I Tiefbauamt Kanton Bern
Oberingenieurkreis I (Berner Oberland)
Strassenbau
Wasserbau
AGG Amt für Grundstücke und Gebäude Grundstücke und Gebäude des Kantons
Bern (Planung, Bauherrschaft, Verkauf)
AöV Amt für öffentlichen Verkehr Angebot und Infrastruktur öffentlicher
Verkehr
AGR Amt für Gemeinden und Raumordnung Kantonale Raumentwicklung, Aufsicht über
regionale und kommunale Raumplanung,
Genehmigung von Zonenplänen,
Überbauungsordnungen
AGI Amt für Geoinformation Koordination und Bewirtschaftung der
Geodaten
LANAT Amt für Landwirtschaft und Natur Vollzug der Agrar- und Naturschutzpolitik
von Bund und Kanton
Region
TIP Region Thun-InnertPort Regionale Planungen
(Siedlung, Verkehr, Landschaft)
RVK OW Regionale Verkehrskonferenz Oberland
West
Angebot öffentlicher Verkehr
3.13.2. Laufende Projekte
Im Bereich Raumplanung und Infrastruktur sind folgende bedeutende überkommunale Projekte im WRT
im Gang:
Projekte Ziele/ Hinweise
Bypass Thun Nord www.bypassthunnord.ch/
Regionales Gesamtverkehrs- und
Siedlungskonzept
Abstimmung von Gesamtverkehr und Siedlungsentwicklung
auf Stufe Region
Landschaftsprojekte Landschaftsprojekte gemäss Landschaftsrichtplan
Regionaler Teilrichtplan ökologische Vernetzung
Regionale Naturpärke Umsetzung der Regionalen Naturpärke Thunersee-Hohgant,
Gantrisch und Diemtigtal
Agglomerationsprogramm Thun Umsetzung Infrastrukturprojekte motorisierter Verkehr,
Langsamverkehr, öV
Gemeinsame Siedlungs- und Mobilitätsplanung
Überkommunale Nutzungsplanung Gemeinsame Suche und Festlegung von geeigneten
Arbeitsstandorten in der engeren Agglomeration Thun
Entwicklungsschwerpunkt (ESP)
Thun Nord
Überarbeitung Richtplan
Arealentwicklung
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3.13.3. Spezielle Infrastruktur
Die Zusammenstellung aussergewöhnlicher Infrastruktur soll allfällige Potenziale und „versteckte
Werte“ aufzeigen.
Umwelttechnik im weiteren Sinne
- Moderne KVA
- Nitrochemie AG, Wimmis
- Labor Spiez
Mobilität
- Verkehrssicherheitszentrum Stockental
- Panzerpiste
- Einrichtungen zur Fahrzeugerprobung Armee und RUAG
Ausbildung
- Ausbildungsanlagen der Armee
Logistik
- Bahnanschlüsse auf der Achse Basel-Mailand
Spezielle Industrie-Bauten
- Munitions-Fabrikation Anlage „Boden“
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3.14. Innovationsstandort Schweiz
3.14.1. Bedeutung der Innovation
Innovation: Fähigkeit, neue Produkte und Leistungen zu schaffen, die sich gegenüber Bestehendem
nicht durch Optimierung, sondern durch ihre Andersartigkeit unterscheiden.
Innovative Produkte und Leistungen ermöglichen es, gegenüber Niedriglohn-Ländern konkurrenzfähig
zu bleiben und damit den hohen Lebensstandard zu erhalten.
Die Schweiz kann ihren Lebensstandard halten, solange sie sich mit neueren und besseren Produkten und Leistungen immer den nötigen Vorsprung verschafft.
3.14.2. Innovative Schweiz
Ein Blick auf die Position der Schweiz im Vergleich mit anderen Europäischen Staaten zeigt Interessantes
auf. Die untenstehende Grafik zeigt die Leistungsfähigkeit auf,
a) neue Ideen zu finden (x-Achse) und
b) Ideen zu einem Produkt umzusetzen und das Produkt zu vermarkten (y-Achse).
Quelle: UNU-MERIT - European Innovation Scorecard 2007
Die Schweiz hat europaweit aufgrund ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit weitaus die besten Voraussetzungen, um mit Innovationen / innovativen Produkten Wohlstand zu schaffen – nutzt die Möglichkeiten jedoch bei weitem nicht.
Die Schweiz braucht auch Umsetzer.
Als Ursachen für die verhältnismässig schlechte Umsetzungsleistung werden in der Studie der UNU-
MERIT folgende Punkte aufgeführt:
- Fehlende Entrepreneurship-Kultur (z.B. werden Misserfolge nicht toleriert)
- Schlechte Verfügbarkeit von Aufbau-/Risikokapital
- Administrative Hürden
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3.14.3. Innovation am Standort Thun
Wie die Studie im vorderen Kapitel aufzeigt, braucht die Schweiz eher einen „Ideen-Umsetzer“-Standort
Thun als einen „Ideen-Generator“-Standort Thun.
Ganz wichtig für jeden Umsetzer ist der direkte und enge Kontakt mit den Ideen-/Technologie-
/Wissensgeneratoren an Universitäten, Fachhochschulen und Grossunternehmen. Seit Jahrzehnten fehlt
es nicht an nationalen (KTI), kantonalen (WFB) und regionalen (ZUT) Institutionen. Erfolgreiche
Zusammenarbeiten entstehen jedoch erst, wenn der direkte persönliche Kontakt von Forscher- und
Unternehmerseite gesucht und gepflegt wird.
Mit den EMPA-Aktivitäten in Thun ist ein derartiger direkter Link zum ETH-Bereich gegeben. Weitere
Ableger von Universitäten oder Fachhochschulen bestehen heute in der Region Thun nicht.
3.14.4. Statements zum Thema Innovation
Die Schweiz ist nach Deutschland der attraktivste Wirtschaftsstandort der Welt. Ausländische Manager
schätzen die politische Stabilität und die Rechtssicherheit sowie die Lebensqualität und das soziale Klima
der Schweiz, wie eine Studie der Beratungsfirma Ernst & Young deutlich macht. Nachholbedarf hat die
Schweiz dagegen bei Innovation und Unternehmergeist.
Quelle: SDA – bluewin-News 10:50 21.09.2009
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3.15. Vergleich mit anderen Regionen
3.15.1. Thun – Biel – Uster
Kriterium Stadt Thun Stadt Biel Stadt Uster
Wachstum der Anzahl stetiger Einwohner in % 1997-2007
Ausländer-Anteil in %
Alterstruktur (Abweichung vom CH-Mittel) 0-19, 20-64, 64+
Bildung (Abweichung vom CH-Mittel) Tief, mittel, hoch
Wirtschaftsprofil Maschinen, Rüstung Uhren,
Präzisionsmechanik Elektrik, Textil
Wirtschafts- Förderung
Akquisition von Neuunternehmen
Erfolgreich durch Landreserven
Fokus Gesundheit (?)
Quelle: bfs
Nach demografischen Zahlen erscheint Thun deutlich attraktiver als Biel, schwächer als Uster.
Thuns schwächeres Wirtschafts-Image als Biel kann nicht durch diese Zahlen erklärt werden.
3.15.2. Städte-Ranking BILANZ 14/09
Stadt Thun Stadt Biel Stadt Lausanne Stadt Uster
Rangordnung 94 79 41 5
Arbeitsmarkt 47 39 58 70 Dynamik 89 111 93 16 Erholungswert 16 22 62 17 Öffentl. Verkehr 60 17 8 21 Reichtum 118 123 89 41 Sozialstruktur 100 112 62 42 Steuerbelastung 125 118 99 25 Tourismus 35 46 19 80 Zentralität 90 36 16 8 Quelle: Bilanz (16)
Auch wenn das Bilanz-Ranking populärwissenschaftliche Züge aufweist, so sind doch dieselben Schwachstellen wie in anderen Analysen erkennbar.
5.7
-0.9
14.2
-505
1015
11.1
27.2 21.6
0
10
20
30
-2.8 -4.1
-0.7 -1 -0.2
3.2 3.6
4.3
-2.6 -5
0
5
-2
4.5
-2.9
8.1
-3.4
1.1
-3.9 -4.2
2.1
-5
0
5
10
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4. Identität – wer ist Thun heute? Welches Bild gibt Thun heute ab?
4.1. Definition Identität und Kultur
4.1.1. Identität
Der Begriff der Identität wird von Frey/Hausser (1987) für den Menschen nach den Teilbereichen
Selbstkonzept, Selbstwertgefühl und Kontrollinstanz beschrieben. Mit diesem Ansatz kann auch die
(Wirtschafts-)Identität einer Region zweckmässig aufgezeigt werden.
Selbstkonzept oder Selbstbild: Wie nehmen wir uns selber wahr? Wie sieht sich die Thuner Wirtschaft?
Selbstwertgefühl: Ist das Schloss einfach da, weil es jemand mal gebaut hat, oder ist es eines unserer
Wahrzeichen, auf welches wir stolz sind? Schämen wir uns für unseren Waffenplatz, akzeptieren wir ihn
als Teil unserer Geschichte oder betrachten wir ihn als wertvolles Element im Thun von heute und
morgen?
Kontrollinstanz: Bestimmt die Region Thun über ihre Zukunft oder lebt man mit der Bestimmung durch
andere? Liegt Thun hilflos im Schatten der Bundeshauptstadt Bern und der Tourismusstadt Interlaken
oder hat Thun seine Rolle selber in der Hand?
Identität kann nicht einfach kreiert und mit einem Slogan verordnet werden. Nicht einmal das beste
Marketingteam macht Thun zum Heart of Europe. Hingegen ist ebenso einleuchtend, dass in Kenntnis
der Stärken, mit dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und mit klarer Sicht auf die vorhandenen
Möglichkeiten deutlich mehr erreicht werden kann als mit ziellosen Ansätzen und defaitistischer
Haltung.
4.1.2. (Wirtschafts-)Kultur
Die Kultur beschreibt, welche Werte hochgehalten werden, welche Glaubenssätze gelten, welche
Normen befolgt werden und mit welchen Riten die Kultur zelebriert wird. Diese Begriffe mögen
theatralisch wirken, es sind jedoch diese Elemente, welche auch eine Wirtschaftskultur beschreiben.
Werte: Welche Branchen werden hoch geachtet?
Glaubenssätze: An welchen Positionen wird nicht gerüttelt? Es kann durchaus sinnvoll sein, gewisse
Positionen nicht dauernd zu hinterfragen.
Normen: Welche formellen oder informellen Vorgaben hat man sich selber gegeben?
Riten: Mit welchen Anlässen und (standardisierten) Verhaltensweisen tritt die Kultur in Erscheinung?
Nebst den qualitativen Ausprägungen kann nach mehreren Kriterien die „Stärke“ einer Kultur
beschrieben werden. Die Prägung zeigt auf, wie stark das Individuum in seinem Denken und Handeln
von der Kultur beeinflusst wird. Die Diffusion (Verbreitung) sagt aus, wie viele Personen die Kultur
aufnehmen. Mit dem Tiefeneffekt wird die Wirkung auf die verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppierungen beschrieben. Die Persistenz (Dauerhaftigkeit) ist das Kriterium für die Lebensdauer einer
Kultur.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 65 von 107
4.2. Bedeutung und Notwendigkeit einer Identität Identität kann als die Gesamtheit der Fähigkeiten und Merkmale/Eigenheiten bezeichnet werden. Darin
ist neben dem „was man hat und was man kann“ auch das „wie man damit umgeht“ enthalten. Zur
Identität gehören also auch Aspekte wie Fortschrittlichkeit, Veränderungsbereitschaft,
Naturverbundenheit, …
Wie jede Person hat jede Region eine Identität. Nicht überall ist die Identität in gleichem Masse fassbar.
Wie die Identität einer Person bei jeder Begegnung eine wichtige Rolle spielt, so trifft dies auch auf die
Identität einer Region in der Kommunikation mit anderen Regionen, gegenüber dem Kanton oder den
Bürgern zu. Wenn man weiss, mit wem man es zu tun hat, so kommt man auch schneller zusammen ans
Ziel.
Identität wirkt nach aussen, aber auch nach innen. Wenn eine Stadt oder eine Region ein treffendes und
verständliches Bild von sich selber skizziert, so können alle angesprochenen Akteure ihr Tun darauf
ausrichten – das gilt für Auswärtige wie für Privatpersonen und Unternehmen aus der Region. Wie das
analog auch für Individuen gilt: Erst wenn ich weiss, wer ich bin, kann ich wissen, was ich tun soll.
So ist es einleuchtend, dass eine eigene Identität / ein eigenes Gesicht für die Region Thun von grossem
Nutzen ist. Sei es für die Vermarktung nach aussen, sei es für den Tourismus, für die Ansiedlung neuer
und das Halten ansässiger Unternehmen wie auch zur Gewinnung steuerzahlender Privatpersonen.
Die Stadt. Lieben. Leben. - das mag zutreffen, beschreibt die Identität der Region bestimmt nicht
vollständig und ist als Bild zur Gewinnung neuer und Stärkung bestehender Unternehmen auch wenig
nützlich.
Thun hat eine Geschichte und eine Gegenwart. Bei aufmerksamer Betrachtung sind Züge eines
Gesichtes erkennbar. Ziel der auf den Bericht folgenden Arbeit muss es auch sein, ein auf diesen Zügen
basierendes Gesicht zu zeichnen, das der Thuner Wirtschaft / den Thunern zur Identifikation dient und
gleichzeitig eine für die zukünftige Entwicklung nützliche Vision beinhaltet.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 66 von 107
4.3. Prägung durch die Geschichte
4.3.1. Politik …
Thun war nie ein bedeutendes politisches Zentrum. Auf nationaler Ebene war Thun immer auf zweiter
Stufe. Die Nähe zu Bern war auch immer der Grund, weshalb Thun nicht zu einem selbstständigen
regionalen Zentrum geworden ist, Thun ist auch nicht das Zentrum des Berner Oberlandes.
Thun hat politisch wenig Bedeutung
4.3.2. Aufbau der Industrie
Die Wahl vun Thun als eidgenössischer Waffenplatz war für Thun von grosser Bedeutung. Es war ein
Entscheid von aussen. Der Bund hat den Waffenplatz aufgebaut, der Bund hat die Rüstungsbetriebe
nach Thun gebracht, die Familie von Selve aus Deutschland hat das einst grösste private Unternehmen
in Thun aufgebaut.
Es scheint, als wäre alles Wesentliche in Thun von aussen gebracht worden
4.3.3. Stabilität über mehr als hundert Jahre
Über mehr als ein Jahrhundert ist die Wirtschaft stabil gewachsen – über sehr lange Zeit ohne
existenzielle Krise, ohne Umbrüche und ohne grosse Sprünge. Diese Stabilität schafft Vertrauen und
bringt Ruhe. Man war über Generationen nie dazu gezwungen, ganz Neues zu schaffen und
wirtschaftliche Risiken einzugehen. In dieser wohligen Lage ist eine Haltung der Genügsamkeit
entstanden. Es ist nicht nur so, dass es keinen triftigen Grund für die Entstehung einer
Veränderungskultur gegeben hat, sondern allfällige Veränderungen stören auch die Ruhe. Bis heute ist
auch auf politischer und kultureller Ebene feststellbar, dass Neuem gegenüber eher Unbehagen als
gespannte Erwartung entsteht.
Thun hatte immer seine Ruhe. Das lehrt einen nicht, sich dynamisch zu bewegen.
4.3.4. Geschichten des Niedergangs
Innert weniger als zwanzig Jahren sind fast alle grossen Unternehmen der Region verschwunden (Selve,
Habegger Seilbahnen) oder von einem grossen Partner übernommen worden (Studer, Rychiger, Nobs).
In der gleichen Zeitspanne wurden die Rüstungsunternehmen (Konstruktionswerkstätten und
Munitionsfabrik) massiv reduziert und in eine privatrechtliche Gesellschaft überführt, womit diese
Unternehmen erheblich grösseren Risiken ausgesetzt sind als als reiner Bundesbetrieb.
Innert sehr kurzer Zeit sind fast alle wesentlichen Unternehmen verschwunden, wurden verkauft oder wie die Rüstungsbetriebe in Volumen und Kompetenzen zusammengestutzt.
Die Aufbauarbeiten in den neunziger Jahren vermochten die Anzahl Arbeitsplätze zu erhalten. Es sind
daraus jedoch keine neuen, tragenden Unternehmen entstanden.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 67 von 107
4.4. Verzerrte Wahrnehmung der Wirtschaftsthemen
4.4.1. Persönlicher Blickwinkel
Von 100‘000 Einwohnern des WRT arbeiten nur 8‘000 in Exportunternehmen. Die wenigsten nehmen
wahr, wie sich insbesondere die Maschinenbauunternehmen entwickeln. Wer im Unternehmen A
arbeitet, weiss auch wenig über das Unternehmen B. Die Exportunternehmen sind in ihrer Aktivität
hauptsächlich nach aussen orientiert und kommunizieren wenig an die breite Bevölkerung. Aus diesen
Gründen können die Leistungen dieser Unternehmen nicht angemessen erkannt werden.
Es besteht auch die Gefahr, dass Politik und Verwaltung, die vornehmlich aus lokalen Personen besteht,
ohne Beiträge von aussen ebenfalls aus diesem persönlichen Blickwinkel argumentieren und handeln.
4.4.2. Bedeutung der Exportbereiche
Die Differenzierung zwischen Export- und Binnenwirtschaft ist sicher nicht neu, aber sie ist nicht üblich.
Aus der Geschichte ist in Thun auch ein sehr leistungsfähiges und lebhaftes Gewerbe entstanden, das
gesellschaftlich und politisch sehr gut vertreten ist. Industrievertreter hingegen sind oft Auswärtige oder
haben aus ihrer Tätigkeit wenige Verknüpfungen mit dem gesellschaftlichen Leben in der Region.
Nebst dem, dass die Exportbereiche wenig erkannt werden, sind sie auch schwach vertreten.
4.4.3. Bedeutung der Steuersituation
Die langfristigen Folgen zu hoher Steuersätze werden nicht erkannt, der Mechanismus wird zu wenig
verstanden. Die Tatsache, dass auch für viele Gutverdiener in der Region die Lebensqualität vor dem
Steuervorteil steht, ist ein Blender-Argument. Wenn heute die hier Verwurzelten nicht wegziehen, heisst
das nicht, dass längerfristig genug Personen hierher ziehen, um überhaupt das aktuelle Niveau zu
halten.
4.4.4. Tiefer Informationsstand
Die Bevölkerung weiss wenig über Unternehmen und die wirtschaftlichen Grössen und
Zusammenhänge. Sogar die Unternehmen selber wissen wenig voneinander, die Verwaltung weiss
wenig von Unternehmen. Das gilt bestimmt auch für andere Regionen, in diesem Bereich den
Informationstand zu erhöhen, ist aber auch nicht sehr schwierig.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 68 von 107
4.5. Generelle Werteverschiebung
4.5.1. Von der Industrie zur Dienstleistung
Dass der Dienstleistungssektor wächst, ist unbestritten. Noch vor nicht allzu langer Zeit war vom
Dienstleistungsstandort Schweiz die Rede davon, wie die industrielle Tätigkeit innert kurzer Zeit hier
ganz verschwinden wird. Darunter hat das Image der Industrie gelitten, insbesondere das Image der
traditionellen Bereiche (Maschinen, Metalle, Anlagen).
4.5.2. Technikfeindlichkeit
Technik wird mit Umweltbelastung in Verbindung gebracht: Maschinen verschmutzen. In der Werkstatt
ist es schmutziger als im Büro.
4.5.3. Militär und Rüstungsindustrie
Die Bedeutung des Militärs hat sich seit den sechziger Jahren verändert, seit dem Mauerfall wird vieles
immer wieder in Frage gestellt. Seit dem Mauerfall steht auch die Rüstungsindustrie vor einem ganz
anderen Hintergrund, diese Industrie wird heute im Wesentlichen eher wegen ihrer wirtschaftlichen
Bedeutung als aus sicherheitspolitischen oder gar patriotischen Überlegungen verteidigt.
Das sind alles Entwicklungen, die es den Thunern nicht einfach machen, auf ihre Industrie von gestern wie auch von heute stolz zu sein.
4.6. Aussagen aufgrund von Fakten und Zahlen Wachstum: Der WRT ist die einzige städtische Region des Kantons, die wächst.
Thun zieht mittelständische Familien an.
Ausländer: Sehr geringer Anteil
Altersstruktur: Geringer Anteil im arbeitsfähigen Alter
Bildung: Gute, breite Berufsbildung – wenig mit höherer Bildung
Arbeitsplatz und Wohnort: Viele Zu- und Wegpendler
Mittelfluss: Geld in die Region fliesst ½ durch die Pendler, ¼ Maschinenindustrie
und ¼ Bau, Tourismus, Dienstleistung und anderes.
Steuern: Für Private jeder Einkommensklasse abschreckend / belastend
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 69 von 107
4.7. (Wirtschafts-)Identität Thun 2009
4.7.1. Selbstbild
Thun war Garnisonsstadt mit stolzen militärischen Betrieben – in Thun wurden sogar Flugzeuge gebaut!
Die Industrie, welche mit diesen Betrieben gewachsen ist, ist unterdessen verschwunden oder wurde
verkauft. Thun hat versucht, sich zu einem Dienstleistungsstandort zu entwickeln, davon ist bis heute
noch nichts erkennbar. Die angesiedelten Unternehmen aus interessanten Branchen sind teilweise recht
erfolgreich, bringen aber nicht eine grosse Zahl von Arbeitsplätzen. In Thun will nichts richtig Fuss
fassen, von Thun lässt sich kein klares Wirtschaftsbild zeichnen.
Die Stadt. Lieben. Leben.
Hingegen verfügt der WRT über ein lebhaftes, gut organisiertes Gewerbe. Oberflächlich wird unter
„Wirtschaft der Region Thun“ wohl meist dieser attraktive Binnenteil der Wirtschaft verstanden
(Innensicht).
4.7.2. Selbstwert
Thun hat im Bereich Wirtschaft nichts Grosses, worauf man auf Thuner stolz sein könnte. Positive
Meldungen von Meyer Burger, Robidog, Duscholux und anderen werden sicher würdigend
aufgenommen, daraus ergibt sich jedoch nicht ein Ganzes, mit dem sich die Region identifizieren
könnte.
Wie gross ist der Selbstwert, wenn man nichts hat und niemand ist?
Auch hier unterscheiden sich Aussensicht und Innensicht: Wegen der aktuellen Situation haben wohl die
wenigsten ein Selbstwertproblem – auch hier werden in der breiten Bevölkerung Handel und Gewerbe
als „Wirtschaft“ wahrgenommen – da fehlt es an kaum etwas.
4.7.3. Kontrollinstanz
Seit 1850 führt der Bund die Wirtschaft in Thun. Meyer Burger wird von Baar (ZG) aus, Studer von
Deutschland aus kontrolliert. Ein Drittel der Thuner arbeitet in Bern. Thun wirtschaftet nicht, Thun wird
gewirtschaftet.
Wirtschafts-Thun weiss heute nicht, wer es ist, wohin es will und ob es überhaupt will. Überhaupt liegt es nicht in der Kraft Thuns, das Wirtschafts-Geschick Thuns beeinflussen zu können.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 70 von 107
4.8. Wirtschaftskultur Thun 2009
4.8.1. Werte
Militär und Bundesbetriebe, Selve und andere waren bis in die achtziger Jahre die „Werte“ der Thuner
Wirtschaft. Fast alle sind verschwunden oder haben sich gewandelt. Neues, Prägendes scheint nicht
entstanden zu sein.
Alte Werte sind verschwunden und neue Werte sind nicht da oder nicht erkannt.
4.8.2. Anlässe und Traditionen
Welche sind die hervorragenden Zeugnisse einer Wirtschaftskultur? OHA? Das einzige Happening mit
beachtlicher Wirkung über die WRT-Grenzen hinweg ist das Swiss Economic Forum, der Anlass, der sich
mangels Infrastruktur mittelfristig von Thun verabschieden muss.
Ein letztes, klangvolles Zeugnis der Thuner Wirtschaftsgeschichte ist die Blaskapelle SELVE.
Thun kann sich mit einer vielseitigen, wertvollen Gewerbekultur wohl rühmen, aber Thun hat heute keine sichtbare Wirtschaftskultur.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 71 von 107
5. Folgerungen – was geschieht in Zukunft? Was bedeutet die heutige Situation? Was wird erwartet? Was wird kommen?
5.1. Null-Lösung – was geschieht, wenn es wie bisher weiter geht?
5.1.1. Grundsätzliches
Auch in diesem Abschnitt werden unter Wirtschaft jene Aktivitäten verstanden, die von aussen sichtbar
sind und den WRT von anderen Regionen unterscheidet. Binnen-Aktivitäten wie lokaler Handel und
Gewerbe sind selbstverständlich auch Teil der Wirtschaft, haben aber wenig Möglichkeit, die Identität
der Wirtschaftsregion zu prägen.
Es ist schwierig, ohne das Bewusstsein für die Art und Bedeutung der (Export-)Wirtschaft deren
Bedürfnisse richtig zu erkennen und zu decken oder sie gar weiter auszubauen. Diese nach aussen
gerichteten Unternehmen organisieren sich ihre Partnerschaften selber und sehen von sich aus keinen
Anlass, Synergiemöglichkeiten innerhalb der Region zu nutzen. Sie entwickeln sich eigenständig und
geben damit kein „ganzes Bild“ ab.
Im Bereich des Tourismus wird ohne klare, kommunizierbare Strategie kein Weg aus der heutigen
Blockade gefunden. Die guten Ideen brauchen zusätzliche Infrastruktur – für Infrastrukturinvestitionen
können die Ideen nie gut genug sein, solange es nur einzelne gute (und sehr gute) Ideen sind, die nicht
zusammen als Ganzes erkannt werden können. Thun bleibt ein „Irgendwas“ am Thunersee mit wenig
Hotels.
Auf den höheren Bildungsstufen ist eine starke regionale Konzentration der Bildungsangebote
erkennbar. Solange im WRT eine thematische Ausrichtung fehlt, fehlt auch die Unterstützung des
Kantons. Dadurch werden auch private Institutionen keine breit zugänglichen Angebote machen
können.
5.1.2. Wirtschaftswachstum
Das Wachstum hängt an den Unternehmen, die bereits im WRT aktiv sind. Aufgrund der heutigen
Sachlage und ohne kommunizierbare Perspektiven gibt es für potenzielle Zuzüger kaum Gründe für den
WRT. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das wirtschaftliche Wachstum weiterhin unstrukturiert und
schwach ausfallen wird.
5.1.3. Folgen für die Bevölkerung
Wenn wegen der schwachen wirtschaftlichen Position weniger Mittel zur Verfügung stehen, werden
Investitionen der öffentlichen Hand in Infrastruktur immer schwieriger. Auch Private können weniger in
ihre Liegenschaften investieren. Die Wohnlage an sich wird nicht weniger attraktiv, deshalb wird das
Bevölkerungswachstum weiter anhalten; aber die schleichende Verarmung der Region reduziert
bestimmt die Lebensqualität für alle Bevölkerungsschichten.
5.1.4. Hilfe von aussen
Der Kanton Bern tut sich schwer damit, gute Lösungen für die wirtschaftliche Entwicklung des WRT
einzubringen. Der Schwerpunkt lag in der vergangenen Zeit hauptsächlich in der Region Biel, wo das
beco auch ein eigenes Büro eröffnet hat.
Es ist nicht davon auszugehen, dass Kanton oder Bund Thuns Wirtschaftsprobleme löst.
Thun muss sich selber helfen. Thun muss auch selber die Grundlagen dazu erarbeiten.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 72 von 107
5.2. Ansprüche und Interessen – welche Veränderungen sind erwünscht?
5.2.1. Zielsetzungen der Stadt Thun
Allgemein
Allgemein formuliert setzt die Stadt Thun mit den Legislaturzielen 2007 - 2010 auf qualitatives
Wachstum. Thun will mit seiner sehr hohen Lebensqualität sein Potenzial nutzen und weniger gegen
aussen als vielmehr gegen innen wachsen.
Konkret
Mit der auf drei Legislaturperioden hinaus formulierten Strategie Stadtentwicklung heisst das:
- Den Wirtschaftsstandort Thun und die Wertschöpfung stärken
- Private und öffentliche Arbeitsplätze erhalten und ausbauen
- Die Lebensqualität durch zeitgemässe Erneuerung und den Ausbau des Wohnungsangebots
aufwerten
- Die Finanzkraft der Stadt über eine Stärkung der Steuerkraft und eine haushälterische
Ausgabenpolitik verbessern
- Siedlung, Landschaft und Verkehr durch angepasste Planung bestmöglich ordnen
Oberste Priorität
Oberstes Ziel von Gemeinderat und Stadtrat für die nächsten Jahre ist ein ausgeglichener Finanzhaushalt
bei konkurrenzfähiger Steueranlage und stabiler Verschuldung.
Dabei sind die Schwerpunkte in den Bereichen Wirtschaft und Arbeiten:
- Bessere Abgeltung der Zentrumslasten
- Standortsicherung der drei wichtigen Anlässe SEF, Künstlerbörse und Seespiele
- Mittel- und längerfristige Nutzung des Casinosaals
- Entwicklung der Arbeitszone ESP Thun Nord Steffisburg und des Wirtschaftsparks Thun Schoren
- Entwicklung Gebiet Bahnhof West
- Bewältigung des Agglomerationsverkehrs
Schwerpunktprojekt Wirtschaft im WRT
Mit den grösseren Agglomerationsgemeinden erarbeitet die Stadt Thun einen überregionalen
Zonennutzungsplan mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung in Bezug auf die Entwicklung von
bestehenden und die Ansiedelung von neuen Unternehmen in Zukunft koordiniert und qualitativ hoch
stehend zu fördern.
Steuern
Das Steuersubstrat besteht heute zu ca. 95% aus den Privathaushalten. Es ist das Ziel, das
Steueraufkommen von Unternehmen zu erhöhen und damit den finanziellen Spielraum der Stadt Thun
zu verbessern.
Die detaillierten Beschreibungen zu den Zielen findet man im Dokument Legislaturziele 2007 - 2010 sowie im Dokument Strategie Stadtentwicklung.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 73 von 107
5.2.2. Interessen der Unternehmen
Industrie
Die folgende Übersicht wurde aufgrund der Aussagen von Führungskräften von grösseren und mittleren
WRT-Unternehmen erstellt.
Generell wünscht sich die Industrie ein stärkeres Bekenntnis und die entsprechende Wertschätzung
von/durch Politik, Verwaltung und Bevölkerung.
Konkret haben oberste Priorität:
- Rasche Umsetzung administrativer Anliegen (Baubewilligungen)
- Bau-/Expansionsmöglichkeiten
Die Anforderungen an die Mitarbeiter praktisch aller Bereiche nehmen zu. Die Einstellung von
ausreichend qualifiziertem Personal wird zunehmend schwierig. Es fehlen in der Region
(berufsbegleitende) Ausbildungsmöglichkeiten auf den Stufen der höheren Fachschulen und der
Fachhochschulen. Das Fehlen der Ausbildungsmöglichkeiten ist mit ein Grund, weshalb zu viele
Mitarbeiter mit Potenzial auf eine Weiterbildung verzichten.
Nicht erwünscht sind marktfremde Förderungsmassnahmen, welche unter dem Strich vor allem
Aufwand generieren und keine klar erkennbare Wirkung erzielen.
Erwünscht sind einfache, zielgerichtete Koordinationsimpulse zur besseren Vernetzung der nach aussen
orientierten Export-Unternehmen des WRT (Innovationszirkel, …).
Gewerbe
Der WRT darf nicht zur Schlafregion werden, Thun nicht zur Schlafstadt. Pendler decken ihren Bedarf an
Produkten und Dienstleistungen (Lebensmittel, Autokauf, Arztbesuch) vermehrt in der Arbeitsregion
und nicht mehr am Wohnort. Dadurch fallen dem hiesigen Gewerbe Kunden weg.
Ein Anliegen des Baugewerbes ist es, bei Projekten der öffentlichen Hand angemessen berücksichtigt zu
werden. An den Prinzipien des offenen Marktes ist konsequent festzuhalten, dennoch stellt man fest,
dass andere Regionen ihr Gewerbe stärker zu unterstützen vermögen.
Tiefere Steuern sind vor allem für Privatpersonen wünschenswert. Grundsätzlich ermöglichen tiefere
Steuern mehr Konsum und weiter bedeuten höhere Steuern tendenziell weniger Zuzüge kaufkräftiger
Personen.
Allgemein erwünscht sind eine unkomplizierte und professionelle Zusammenarbeit mit Behörden,
möglichst wenig Handelshindernisse und transparente Vorgaben und Richtlinien.
Tourismus
Der Fokus der regionalen Touristiker liegt in der Positionierung und Vermarktung einer
„Tourismusregion Thunersee“. Eine separate Vermarktung einer Destination Thun scheint nicht
zweckmässig.
Innerhalb der Tourismusregion Thunersee fällt der Destination Thun als regionales Zentrum mit
spezifischen Attraktionen (Shopping, Stadtleben, Schloss, Kultur, …) eine entsprechende Rolle zu.
Eine klar erkennbare Identität und Positionierung der Stadt Thun (WRT) würde es ermöglichen, diese
Rolle konkret und attraktiv zu gestalten.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 74 von 107
Unbestritten ist unter Tourismus-Fachleuten der Bedarf an zusätzlicher Hotelkapazität im oberen
Segment.
5.2.3. Interessen potenzieller Zuzüger (Unternehmen)
In chronologischer Reihenfolge der Abklärung:
- Ansprechstelle für die Gesamtregion (WRT)
- Transparenz des Angebotes (Raum, Infrastruktur, Partner, Steuern)
- Qualität des Angebotes
o Vielseitiges Raumangebot
o Bestehende (oder zumindest realisierbare) Infrastruktur
o Kompetente Arbeitskräfte in der Region / Region für Arbeitskräfte attraktiv
o Leistungsfähige Partner und Zulieferer vor Ort
o Geringe Steuerlast
- Kompetenz der „Betreuung“
- Rasche Umsetzung der Formalitäten
5.2.4. Interessen potenzieller Zuzüger (Privatpersonen)
- Arbeitsplatz
- Übersicht Wohnmöglichkeiten, attraktiver Wohnraum
- Kinderbetreuung
- Freizeit-, Sport-, Erholungs- und Kulturangebot
- Tiefe Steuern, übersichtliche Steuersituation
- Rasche Integration in das gesellschaftliche Umfeld
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 75 von 107
5.3. Einflüsse von aussen – welche Trends wirken auf die Region Thun?
Verschiedene Entwicklungen der Zukunft sind in mehr oder weniger groben Zügen
vorhersehbar. Welche sind diese Trends und welchen Einfluss können sie auf die
Entwicklung der Region haben?
5.3.1. Megatrends
Einige Entwicklungen dauern über mehrere Jahrzehnte an. Haben diese Entwicklungen Auswirkungen
auf alle Lebensbereiche, spricht man von „Megatrends“. Auch wenn die Forschungen um Megatrends
wenig wissenschaftlich sind, zeigen sie doch eindrücklich und weitgehend einleuchtend wesentliche
Entwicklungen auf.
Megatrends in der
Gliederung nach
Matthias Horx*
Trend Erläuterung Chancen für die Region Thun
Alterung Mit der höheren Lebenserwartung nimmt der Anteil älterer Personen zu.
Know-How-Träger werden länger arbeiten – in Thun … Senioren als Steuerzahler.
Neue Frauen Der Anteil arbeitstätiger Frauen nimmt zu, der geschlechterbedingte Rollenunterschied nimmt ab.
Pro-aktiv familien-/frauenfreundliche Infrastrukturen aufbauen (Kinderhorte).
New York Gearbeitet wird unabhängig von einer festen Zeit und einem festen Ort.
Thun als attraktiver Arbeitsort für ortsflexible Arbeitskräfte.
Individualisierung
Jeder nimmt sich zunehmend als Individuum wahr und stellt die entsprechenden Ansprüche.
Sehr vielseitiges Freizeitangebot als Standortvorteil ausspielen.
Mobilität Mobilitätsanspruch steigt. Know-How, Skills und Infrastruktur ideal einsetzen.
Digitalisierung Information ist überall vorhanden. Geografische Distanzen verlieren teilweise an Bedeutung.
Globalisierung Unternehmen agieren weltweit, Abhängigkeiten der Märkte bestehen weltweit.
Kommunikation der Synergie Tourismus-Freizeit-Wirtschaft-Industrie.
Neo-Ökonomie
Ökologische, nachhaltige Lebensweise und Produkte erhalten für breite Bevölkerungsschichten grosse Bedeutung.
Unversehrte Landschaft als Trumpf (auch ein Trumpf zum Thema Gesundheit).
Gesundheit Gesundheitsbewusstsein nimmt zu. Bedürfnis nach medizinischen Dienstleistungen und medizinaltechnischen Produkten.
Bildung Bildung als Eintrittskarte ins Berufs-/Gesellschaftsleben; mit laufend neuen Technologien und Produkten ist Lernen lebenslang wichtig.
Bildungsnachfrage steigt – vielseitiges Angebot an attraktiver Lage bieten.
* Matthias Horx, Quelle (13)
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 76 von 107
Alterung und Neue Frauen werden unbestritten einen grossen Einfluss auf die demografische
Entwicklung haben, damit auch auf die Raum- und Verkehrsplanung.
New York, Individualisierung, Digitalisierung und Mobilität werden bestimmen, wann, wo und wie wir
arbeiten.
Neo-Ökonomie und Gesundheit werden unser Konsumverhalten und unsere Freizeitgestaltung prägen.
Bildung ergibt sich schon alleine als Notwendigkeit aus den obigen Entwicklungen.
So unwissenschaftlich und populistisch Trendforschung zu einem grossen Teil sein mag, lässt sich nicht
bestreiten, dass die beschriebenen Entwicklungen/Veränderungen langfristig ganz erhebliche
Auswirkungen auf unsere Gesellschaft der kommenden Jahrzehnten haben wird.
5.3.2. Regionale und spezifische Trends
Andere langfristige Entwicklungen sind vielleicht nur von regionaler Bedeutung, haben aber auf die
betroffene Region ganz erheblichen Einfluss.
Ausbildung, „Bologna-Reform“
Konzentration der Ausbildungsstandorte: Mittelfristig besteht wenig Aussicht auf zusätzliche Fachhochschul-Standorte. Akademisierung nicht-akademischer Berufe: Mittelfristig werden Anpassungen notwendig sein, die auch auf private Bildungsangebote bauen.
Regionalisierung Entgegen der Globalisierung wird der Nutzen regionaler Netzwerke mit kurzen Distanzen und persönlicher Kommunikation zunehmend erkannt.
Rüstungsindustrie auf dem Rückzug
Gleichzeitig gehen die Ausgaben des Bundes für die Rüstung zurück und die Exportauflagen verschärfen sich.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 77 von 107
5.4. Randbedingungen – was schränkt die Möglichkeiten ein? Verschiedene Mechanismen liegen ausserhalb unserer Einflussmöglichkeiten und setzen uns in der
Gestaltung der WRT-Zukunft Grenzen.
5.4.1. Finanzielle Mittel
Die Stadt Thun verfügt über begrenzte finanzielle und personelle Mittel. Aufgrund der ungenügenden
Ertragslage besteht die Gefahr, dass diese Mittel unter politischem Druck weiter gekürzt werden, falls
der Nutzen einer Wirtschaftsförderung nicht glaubhaft dargelegt werden kann.
Die Wirtschaftsförderung des Kantons Bern hat keinen eigenen Massnahmenplan zur Förderung der
Region Thun. Der Umfang einer allfälligen Unterstützung hängt im Wesentlichen von der Qualität eines
Antrages an die Wirtschaftsförderung ab.
5.4.2. Geografie und Infrastruktur
See, steiles Gelände und „Landwirtschaft-gebundene“ Zonen grenzen die wirtschaftlich nutzbare Fläche
klar ein. Bestehende Nutzungen, Verkehrsachsen und Aare lassen nicht viele Varianten für eine
langfristige Nutzungsplanung offen. Günstiges Industrie- und Gewerbeland fehlt.
5.4.3. Trägheit der grossen Strukturen
Die aktuellen Planungsstrukturen (Regionen, Thun-Innertport, Gemeinden, …) entsprechen nicht einer
für die Wirtschaftsplanung zweckmässigen Struktur. Die Vertreter aktueller Regionen/Strukturen
müssen vom Nutzen neuer Modelle und Strukturen erst überzeugt werden. Eine überregionale Raum-
und Nutzungsplanung ist von zentraler Bedeutung. Die Bildung tragfähiger Strukturen ist deshalb eine
zeitkritische Aktivität im Prozess der Wirtschaftsentwicklung.
5.4.4. Demografische Trägheit
Die Bildungsstrukturen lassen sich nur langfristig verändern. Der Grad der Überalterung lässt sich
hingegen zuverlässig voraussagen, die langfristige Entwicklung der Altersstruktur hängt stark vom Inhalt
und der Dynamik der Wirtschaftsentwicklung ab.
5.4.5. Fremdbestimmung wesentlicher Unternehmen
Die (geldbringende) Exportwirtschaft ist im Besitz von Privatpersonen oder ist Teil grosser
Unternehmensgruppen mit Hauptsitz ausserhalb der Region. Verschiedene Gründe können Anlass dazu
sein, Arbeitsplätze im WRT in grossem Stil zu reduzieren oder Unternehmen ganz zu schliessen. Ebenso,
wenn auch besser absehbar, verhält es sich mit Unternehmen oder Verwaltungsbereichen des Bundes.
Natürlich kann solchen Veränderungen politisch oder gewerkschaftlich begegnet werden,
schlussendlich bleiben die Arbeitsplätze jedoch nur dann in der Region, wenn die Region objektive
Vorteile bietet und die Aktivität eine Zukunft hat (z.B. Rüstungsindustrie in der Schweiz).
5.4.6. Mentalitäts-Trägheit
Wem es (zu) lange gut geht, der mag sich nicht bewegen. Die Tugend, Probleme eher auszusitzen als
anzupacken, ist auch im WRT spürbar. Wer verändern will, darf nicht auf breite Unterstützung hoffen;
wenn hingegen etwas umgesetzt wird, kommen die positiven Aspekte der hiesigen Mentalität zum
Tragen: Dann wird es gründlich und professionell getan!
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 78 von 107
5.4.7. Zeit-Horizonte
Man darf sich keine Illusionen darüber machen, wie viel Zeit wirtschaftliche oder gar demografische
Entwicklungen in Anspruch nehmen. Entsprechend sind Ziele und Zwischenschritte dahin in vernünftig
langen Etappen zu planen.
5.5. Was geschieht in der Wirtschaft?
5.5.1. Konjunktur
Laut den aktuellen Konjunkturprognosen wird sich die Wirtschaft ab dem Jahr 2010 langsam von der
Finanzkrise erholen. Die Erholung kann sich über mehrere Jahre hinziehen.
Die Exportunternehmen der Region können mit den hiesigen Lohnkosten nur bestehen, wenn sie
weltweit beste Produkte anbieten können. Da in Bedeutung der aktuellen Krise zurzeit fast überall
Überkapazitäten bestehen, ist die Forderung nach neuen Lösungen noch grösser: Die Kunden brauchen
noch eine Weile keine Maschinen und Geräte, um Kapazitäten zu erhöhen, sie kaufen nur Produkte, die
ihnen erlauben, besser oder schneller zu sein. Wer über die besseren Produkte verfügt, für den zieht die
Konjunktur früher an.
5.5.2. Branchen
Bedeutung der Branchen bisher
Prognosen werden meist nach Branchen erstellt. Um die folgenden Betrachtungen ins richtige Licht zu
stellen, soll die untenstehende Grafik aufzeigen, welche Branchen seit dem Jahr 1992 bis und mit 2007
welchen Anteil zum Wachstum der Schweizer Wirtschaft beigetragen haben:
Quelle: bfs
-2.0%
-1.0%
0.0%
1.0%
2.0%
3.0%
4.0%
5.0%
6.0%
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Arbeitsproduktivität nach Branchen Prozentpunkte kumuliert von 1992 bis 2007
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 79 von 107
Wachstumsbranchen 2009-2015:
Untenstehende Grafik zeigt, wie viele Arbeitsplätze in den kommenden Jahren im WRT entstehen
respektive verloren gehen. Die Veränderungen beziehen sich auf die Prognose des beco je Branche,
betrachtet über den gesamten Kanton. Aufgrund der Prognose-Unsicherheit kann die Aussage dieser
Grafik nur indikativ (in die Richtung weisend) gewertet werden.
Quelle: beco K+S bulletin 1-2009
Der Maschinenbau ist die wachsende, treibende Branche der Region.
Der Wirtschaftszweig „Immobilien – Informatik – F&E – DL für Unternehmen“ kann in dem Masse wachsen, wie er Aufgaben der hiesigen Unternehmen übernehmen kann, er hängt damit direkt am Wachstum der exportierenden Industrie. Dank dem attraktiven Arbeitsort könnten sich diese Dienstleister allenfalls in der Region für Kunden ausserhalb tätig sein (Export).
Gemäss Prognose wird das für Thun wichtige Baugewerbe schrumpfen.
Dem Maschinenbau müssen Wachstumsmöglichkeiten offen gelassen werden.
Die Baubranche muss sich qualitativ von der Konkurrenz ausserhalb der Region abheben können, um ihre Grösse halten zu können.
-600
-500
-400
-300
-200
-100
0
100
200
300
400
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-60
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-40
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-20
-10
-
10
20
30
40
50
60
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Exp
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NOGA-Branchen
Veränderung der Anzahl Arbeitsplätze im WRT über 7 Jahre (2009-2015)
EXPORT total
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 80 von 107
5.5.3. Regionen
Wachstumsprognosen kurzfristig nach Wirtschaftsregionen:
Quelle: beco K+S bulletin 1-2009
Die Prognosen für die kommenden Jahre sehen im kantonalen Vergleich ein erheblich geringeres Wachstum für das Berner Oberland voraus.
Aufgrund der stark unterschiedlich ausgeprägten Wirtschaftsstruktur von WRT und „Rest-Oberland“ ist es hingegen fraglich, wie weit diese Prognose für den WRT zutrifft:
5.5.4. Trend-Impact der aktuellen Wirtschaftskrise
Die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 schafft nicht eigentlich neue Trends, vielmehr beschleunigt
diese Destabilisierung des Wirtschaftssystems die Umsetzung seit Jahren anstehender Trends. Viele
Entwicklungen wurden durch die operative Hektik, hohe Renditen und die Tatsache, „dass es so wie es
jetzt ist, ja auch geht“, zurückgehalten. Jetzt geht es eben so nicht mehr – die Wirtschaftswelt wird in
den kommenden zehn Jahren möglicherweise nicht wie in den vergangenen zehn Jahren aussehen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 81 von 107
5.5.5. Trends für den Maschinenbau
Risiken der ansässigen Maschinenindustrie
Allgemeine Risiken
Die Schweizer Maschinenindustrie ist stark exportorientiert. Schwankungen der globalen Konjunktur
schlagen deshalb direkt auf den Auftragseingang dieser Unternehmen. Die schon seit Jahren übliche
kurzfristige Planung führt vielerorts dazu, dass in guten Zeiten zu wenige Reserven geschaffen werden
und deshalb die Krisenzeiten die Unternehmen in grosse Schwierigkeiten bringen.
Spezifische Risiken
Abhängigkeiten von spezifischen Technologie-Entwicklungen (z.B. Verfahren zur Herstellung von
Solarzellen) oder von rüstungspolitischen Entscheiden bergen ein schwer kalkulierbares Risiko in sich.
Unternehmer-Risiken
Besitzerwechsel, Konjunkturveränderungen, starkes Wachstum und anderes mehr können die
Management und Inhaber in Konflikte führen, durch welche das Unternehmen grossen Schaden erleidet
oder gar von der Landkarte verschwindet.
Die grosse Bedeutung des Maschinenbaus im WRT stellt ein bedingtes Klumpenrisiko dar. Reduziert wird das Risiko durch die Heterogenität der Kunden/Märkte der grossen Maschinenbauer.
Potenziale der ansässigen Maschinenindustrie
Industrie und produzierendes Gewerbe haben in der Zeit seit anfangs der neunziger Jahre den grössten
Anteil zum Wirtschaftswachstum geleistet (siehe Anhang 8.2 Grafik Wachstumsbeiträge). Nachdem das
Umfeld für Finanzdienstleistungen schwieriger geworden ist, wird die Bedeutung der Industrie als
Wachstumsmotor steigen.
Die grossen Unternehmen der Region haben in den vergangenen Jahren auf die äusseren
Anforderungen reagiert und ihre Produkte und Leistungen immer wieder angepasst. Sie werden auch
die Potenziale der nächsten Jahre nutzen.
Neben den „BIG 5“-Maschinenbauern haben auch kleinere, jüngere Unternehmen das Potenzial, an
Bedeutung für die Region zu gewinnen. Heute noch kleinere Akteure wie Meridian (www.meridian.ch,
Lasergeräte für Augenoperationen) und Tofwerk (www.tofwerk.com, Massenspektrometer) sind
Maschinenbau-nahe Unternehmen mit Produkten einer neuen Generation; kompaktere Maschinen
respektive Geräte mit noch mehr Technologie. Diese Unternehmen bauen heute Kompetenzen auf, die
sich weiter entwickeln lassen. Daraus können neue, attraktive Arbeitsplätze entstehen.
Die Maschinenindustrie gilt als sehr konservative Industrie. Die konservative Haltung bringt Stabilität,
versperrt jedoch die Sicht auf neue Lösungen. Der WRT ist übersichtlich genug, um im gegenseitigen
Austausch von neuen Lösungen zu profitieren; die Tatsache, dass die WRT-Maschinenbauer nirgends
direkt in Konkurrenz zueinander stehen, vereinfacht eine Zusammenarbeit dieser Art.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 82 von 107
5.5.6. Trends Tourismus
Positionierung
Durch den weiter zunehmenden Konkurrenzdruck werden sich Destinationen noch klarer und über
grössere Distanzen positionieren müssen. Das heisst, dass sich kleinere Destinationen zur einer
finanzierbaren Vermarktung zusammenschliessen und gemeinsam als Region auftreten. So wird die
Tourismus-Destination Thun mit ihren Leistungen einen Sektor in der Tourismus-Region „Berner
Oberland“ abdecken.
Inhalte
Den Megatrends folgend werden die Themen Natur/Gesundheit/Nachhaltigkeit von grosser Bedeutung
sein. Auch die weitere Individualisierung und Alterung der Gesellschaft wird die Entwicklung der
touristischen Angebote massgebend beeinflussen.
Projekte
Die Konstituierung der Tourismus-Region Thunersee ist im Gange. Um den Thunersee sind verschiedene
Projekte in Vorbereitung (Sieben Brücken, …). In der Region Thun werden Anstrengungen
unternommen, das Hotelangebot auszubauen; der Schadausaal wird für zusätzliche Kongress- und
Kulturanlässe erweitert.
Bedeutung des Tourismus
Tourismus ist nicht nur direkter Umsatzbringer. Die touristischen Angebote und vor allem die allgemeine
Aufwertung von Verkehrs- und Erholungsarealen steigern die Wohnqualität für die heutigen Bewohner
und sind beste Werbung für potenzielle Neuzuzüger. Im Weiteren bringt der Tourismus Leute an den
Thunersee und nach Thun, welche sich später bei ihren beruflichen Tätigkeiten wieder an die Region
erinnern.
Je mehr die Themen Natur/Gesundheit/Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen, desto grösser wird die
Bedeutung des Tourismus als allgemeine wirtschaftsfördernde Massnahme.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 83 von 107
5.5.7. Trends Verwaltung und Verbände
Bei der kantonalen Verwaltung ist seit längerer Zeit eine Zentralisierung und Konzentration im Gange.
Im Grundsatz profitiert die Region Thun davon, weil dezentrale Verwaltungsstellen für das Berner
Oberland in Thun konzentriert werden. Daher baut der Kanton ein neues Verwaltungsgebäude auf dem
Selve-Areal. Für die wirtschaftliche Entwicklung sind diese Verwaltungsstellen in Thun aber eher von
untergeordneter Bedeutung.
Andererseits sind auch früher dezentrale Aussen-Fachstellen (z.B. Amt für Gemeinden und
Raumordnung) in Bern konzentriert worden, was für die Entwicklung der Region als eher nachteilig zu
bewerten ist.
Im Gegensatz zur Region Biel gibt es im WRT keine Filiale der Wirtschaftsförderung des Kantons Bern
(WFB). Mit der Eröffnung einer Filiale der innoBE AG in Thun hat der Kanton eine gewisse Korrektur für
diese Situation geschaffen. Zudem hat die WFB der Volkswirtschaft Berner Oberland einen
Leistungsauftrag in der Wirtschaftsförderung erteilt. Die Umsetzung dieses Auftrages teilt sich die
Volkswirtschaft Berner Oberland mit dem WRT.
Eine Konzentration ist auch bei den regionalen Organisationen im Gange. Die Region Thun-Innertport
mit 42 Gemeinden wird sich zusammen mit der Region Kandertal, der Region Obersimmental-
Saanenland, der Regionalen Verkehrskonferenz Oberland West und der Regionalen Kulturkonferenz
Thun zur Regionalkonferenz Thun-Oberland West zusammenschliessen. Diese Organisation wird sich
schwergewichtig mit der überkommunalen Siedlungs-, Verkehrs- und Landschaftsplanung, dem Angebot
des öffentlichen Verkehrs, der wirtschaftlichen Regionalentwicklung, der Energieberatung und der
Kulturförderung beschäftigen.
Im Gange sind auch Bestrebungen, im Raum Thunersee das Standortmarketing integral für den
Tourismus, die Wirtschaft und das Wohnen in einem grösseren regionalen Kontext zu betreiben.
Der Trend zu grösseren Organisationseinheiten ist bei allen öffentlichen und halböffentlichen Aufgaben
spürbar. Die Umsetzung ist jedoch mit zahlreichen Hindernissen versehen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 84 von 107
5.6. Wie entwickeln sich Bevölkerung und Infrastruktur?
5.6.1. Wachstumsprognosen
Aufgrund des anhaltenden und starken Bevölkerungswachstums und der Wachstumsprognosen für die
Schweiz im Allgemeinen gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Bevölkerung im WRT auf
absehbare Zeit nicht wachsen sollte.
Das konkrete Wachstum wird hauptsächlich von der globalen konjunkturellen Entwicklung und von der
Standortattraktivität innerhalb des Kantons Bern (Steuerlast) abhängen.
Wo, wie und wie stark das Wachstum im WRT ausfallen wird, hängt in diesem Rahmen davon ab, wie
a) Möglichkeiten zur Aufnahme zusätzlicher Mitbürger geschaffen werden (Anzahl Arbeitsplätze,
Wohnraum / verfügbares Bauland, Verkehrswege) und
b) wie attraktiv das Leben im WRT in Zukunft ist (Art der Arbeitsplätze, Lebensqualität)
Folgender pragmatischer Ansatz dürfte realistisch sein:
In den kommenden dreissig Jahren wird die Einwohnerzahl (von heute 100‘000) bestimmt um mehr als
10‘000, sicher um weniger als 40‘000 wachsen.
5.6.2. Dynamik und Ausländeranteile
Ein hoher Anteil gut qualifizierter Zuwanderer, Ausländer im Speziellen, ist Zeugnis eines attraktiven
Standortes mit Dynamik; attraktiv in welcher Art auch immer. Wenn man beachtet, dass aktuell
Secondos und „Domizil-Touristen“ die aktivsten Firmengründer sind (moneyhouse, 02.09.2009), so wird
ersichtlich, dass im WRT mit überdurchschnittlich viel Anstrengung Dynamik entfacht werden muss. Hier
fehlen diese Ausländer.
5.6.3. Raumplanung
Von mindestens 10‘000 zusätzlichen Einwohnern ausgehend stellt sich die Frage, wo diese Leute
arbeiten und wohnen werden. Aufgrund der Topografie und der bestehenden Verkehrsstrukturen lassen
sich die möglichen Varianten verhältnismässig einfach aufzeichnen.
So vermag das rechte Thunerseeufer kaum zusätzliches Wohnvolumen aufnehmen. Standorte für
industrielle Aktivitäten sind aus praktischen Gründen auch weitgehend gegeben. Um das regions-interne
Verkehrsaufkommen niedrig zu halten, sollen Wohn- und Arbeitsorte nicht zu weit auseinander liegen.
Diese Gedanken zeigen auf, dass eine gemeindeübergreifende Zusammenarbeit unumgänglich ist.
5.6.4. Infrastruktur
Nachdem eine langfristige, WRT-weite Raumplanung festgelegt ist, können die entsprechenden
Verkehrs- und Versorgungssysteme definiert werden. Wer weiss, wie lange diese Projekte vom
Planungsstart bis zur Inbetriebnahme dauern, erkennt auch die Dringlichkeit dieser langfristigen
Planungsarbeit.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 85 von 107
6. Potenziale – was kann getan werden? Welche Möglichkeiten ergeben sich ausgehend von der heutigen Situation
(Kapitel 3) unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklungen (Kapitel 0)?
6.1. Stärken und Ansatzpunkte für eine starke Identität
6.1.1. Stabile Arbeitsplätze
Pendlerarbeitsplätze in der Verwaltung sind stabile Arbeitsplätze. Allenfalls können einige dieser
Arbeitsplätze nach Thun geholt werden, respektive es kann auch vom Wohnort aus gearbeitet
werden.
6.1.2. Facharbeiterschaft
Solide Facharbeiterschaft, Möglichkeiten zur Weiterbildung schaffen und nutzen.
6.1.3. Maschinenbau auf hohem Niveau
Maschinenbau auf höchster Integrationsstufe. Weltweit führende Unternehmen!
6.1.4. Position im Tourismus
Zentrale Position im Tourismus. Am Eingang zum Berner Oberland und am Tor zum Wallis.
6.1.5. Verkehrsanschluss
Guter (nicht bester) Verkehrsanschluss – nützt nur, wenn Wirtschaftsstandorte richtig platziert
werden.
6.1.6. Lebensqualität
Attraktive Wohnlage, hohe Lebensqualität – hier bringt man alle Leute hin.
6.1.7. Auf dem Sprung in die Urbanisierung
Thun ist auf der Kippe zur richtigen Stadt – der Drang zum Umbruch kann genutzt werden.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 86 von 107
6.2. Systematik zur Ordnung der Möglichkeiten und Ziele
Wie können mit allen Anforderungen, Möglichkeiten und den vielen
Abhängigkeiten die systematisch besten Lösungen gefunden werden?
6.2.1. Schritte zur Variantenfindung
Analytisch korrekt würden alle Stärken und Schwächen allen möglichen Zukunftsentwicklungen
gegenübergestellt und daraus Chancen und Risiken in verschiedenen Szenarien erarbeitet. All diese
Kombinationen würden in jedem Szenario einander gegenübergestellt und bewertet, damit am Ende
eine beste Lösung gefunden wird. Die konsequente Umsetzung dieser Arbeit würde den Umfang dieser
Studie um ein Vielfaches aufblähen und kaum zu einem verständlichen Resultat führen.
Da „alles ein wenig von allem“ abhängig ist (Standort-Attraktivität, Anzahl Arbeitsplätze,
Steuereinnahmen), ist eine eindimensionale, triviale Argumentation nicht zielführend.
Deshalb wurden, wie im folgenden Kapitel aufgeführt, verschiedene Argumentationswege ausgeführt,
die schliesslich zu teilweise gemeinsamen Schlüssen führen. Liefert dieser pragmatische Ansatz
ausreichend Gemeinsamkeiten für alle Betrachtungsweisen, so sind die Chancen für einen breiten
politischen/gesellschaftliche Konsens gross. Ergeben sich auf den verschiedenen Argumentationswegen
mehr Widersprüche als Gemeinsamkeiten, so sind konkrete Umsetzungsmöglichkeiten trotz zahlreicher
Fakten in weiter Ferne.
6.2.2. Umgang mit Stärken und Schwächen und Potenzialen
Es ist unverhältnismässig einfacher, Stärken weiter auszubauen, als Schwächen zu Stärken zu machen.
So ist es zweckmässig, eine zukünftige Entwicklung primär auf vorhandene Stärken (z.B. Maschinenbau)
aufzubauen und Wege zu finden, wo einen die Schwächen (z.B. Steuerlast) möglichst wenig behindern.
Selbstverständlich muss langfristig darauf hingearbeitet werden, Schwächen zu verringern und neue
Stärken aufzubauen. Nur muss diesen Aktivitäten ausreichend Zeit zugestanden werden und sie dürfen
kein grosses Gewicht in der Planung des mittelfristigen Vorgehens (Strategie) haben.
Dieser Ansatz kann auch mit „Wachsen von innen nach aussen“ bezeichnet werden.
6.2.3. Mehreres ist möglich
Es ist weder notwendig, noch nützlich, alles auf eine Karte zu setzen. So können mehrere Standbeine
nebeneinander aufgebaut werden. Solange sich diese Ausrichtungen nicht gegenseitig behindern und
ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, ist nichts dagegen einzuwenden.
Sollte der Entscheid fallen, bestimmte Branchen oder Themen im WRT gezielt zu fördern, heisst das
noch lange nicht, dass alle andern interessierten Zuzüger nicht auch freundlich empfangen werden
sollen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 87 von 107
6.2.4. Wollen vor Können
Unbestrittene Stärken, klare Möglichkeiten und beste Ideen zur Umsetzung nützen nichts, solange die
Bereitschaft zur Veränderung nicht vorhanden ist.
- Sollen Thun und der WRT wachsen oder die aktuelle Grösse beibehalten?
- Will man sich ausdrücklich zukunftsorientiert verhalten oder lieber das Bestehende pflegen?
- Will man in der Region Thun einen Bildungssprung herbeiführen oder es bei der aktuellen
Bildungsstruktur belassen?
Es verhält sich für den WRT nicht anders als für ein Individuum, für eine Sportmannschaft oder für ein
Unternehmen:
- Ist man auf einem Weg und konstruiert sich ein passendes Ziel, oder
- hat man ein Ziel und ist bereit, den besten Weg dahin zu gehen?
Bevor über die Vorschläge der folgenden Kapitel diskutiert wird oder gar entsprechende Entscheide
gefällt werden, muss zu obigen Fragen (Zielen) ein breiter Konsens erreicht werden.
6.2.5. Wunsch und Realität
Alle haben Stärken und Schwächen und die Möglichkeiten eines jeden sind beschränkt. So verhält es
sich auch beim WRT. Dies ist bei den Argumentationen in den folgenden Kapiteln und in den auf die
Studie folgenden Diskussionen zu beachten.
Es ist nicht sinnvoll, Wunschziele anzustreben, die nicht erreichbar sind. Allenfalls kann hohen Zielen der
passende Zeithorizont zugeordnet werden.
Es ist nichts gegen Wünsche und Träume einzuwenden, für ihre Realisierung müssen jedoch immer
zuerst plausible Voraussetzungen geschaffen werden.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 88 von 107
6.3. Argumentations-Wege
6.3.1. Analytisch-ökonomischer Ansatz
Aspekt/Thema Konsequenz für die Wirtschafts-Entwicklung
Einflussgrenzen Der WRT kann nur Massnahmen in seinen Plan aufnehmen, die innerhalb seines Einflussbereiches sind. Grenzen erkennen, WRT stärken, mehr Einfluss gegenüber Kanton
Binnen- und Exportwirtschaft
Die Exportwirtschaft fördern, damit wird die Binnenwirtschaft belebt. Der Binnenwirtschaft Hindernisse aus dem Weg räumen. Maschinenbau, Bau-Export, Tourismus und Dienstleistungen mit Potenzial
Multiplikatoren Es sollen vorab jene Bereiche direkt gefördert werden, die ihrerseits Auftraggeber für weitere Unternehmen in der Region sind (Integratoren) Integratoren haben oberste Priorität
Kompetenzen statt Branchen
Die Aufteilung nach Branchen orientiert sich an Marktbereichen. Langfristig interessanter als wen man beliefert ist, was man kann. Kompetenzen bestimmen das Zukunftspotenzial. Integratoren und spezifische Fähigkeiten, auch Ausbildung
Synergien und Cluster
Synergien finden und Austausch initiieren. Potenzial innerhalb der Region nutzen
Trends Trends aufarbeiten und Impact berücksichtigen und nutzen. Langfristplanung aufsetzen
Nachhaltigkeit An den wirksamen Hebeln ziehen, auch wenn sie unmittelbar keine Wirkung zeigen. Langfrist-Planung laufend aktualisieren, kommunizieren und umsetzen
Köpfe statt Institutionen
Auf kompetente, begeisterte und begeisternde Personen setzen. mit starken Leuten Institutionen beleben, nicht umgekehrt
Kiste verlassen Konsequent auch neue Wege gehen. Pionier-Klima fördern
Ausführliche Beschreibung der einzelnen Aspekte siehe Anhang 8.1
6.3.2. Startpunkt Steuererträge
Thema Argumentation
Steuereinnahmen 1. Thun nimmt 95% des Steuerertrages von Privatpersonen ein Erträge von Unternehmen erhöhen Zahlungskräftige Privatpersonen in die Region bringen (/hier halten) 2. Thun ist für Private mit hohem Einkommen kein Steuerparadies. 3. Thuns Verkehrslage ist nicht dazu prädestiniert, sehr Vermögende ohne berufliche Bindung mit einem Pauschalsteuer-Angebot anzuziehen. Arbeits- und Wohnmöglichkeiten eher für viele Gutverdiener als wenige Topverdiener bereitstellen(für lokal Arbeitende wie für Pendler).
Fokus auf Export Gutverdienende Zuzüger sind vor allem dann interessant, wenn ihr Einkommen auf einer florierenden Export-Tätigkeit in der Region basiert. Der Binnenmarkt wächst nur mit der Exportleistung der Region. Zur Erläuterung: Es braucht nur mehr Bäcker, wenn auch mehr Geld da ist, um Brote zu kaufen; andernfalls verdienen alle bisherigen Bäcker weniger – und zahlen weniger Steuern. Exportsektoren mit Bedarf an Hochqualifizierten (=Gutverdiener) fördern
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Export bestimmt Branchenwahl
Maschinenbau und Bauindustrie sind die Exportstärken der Region Thun. Glas und Beton sind vorab aufgrund der zentralen Lage in der Region präsent; Bau-Export wird fast ausschliesslich durch eine einzige Firma (Frutiger) getragen. Der Bausektor weist beschränktes Wachstumspotenzial und ein gewisses Klumpenrisiko auf. Der Maschinenbau ist zumindest mittelfristig der einzige Wachstumssektor mit (volumenmässig) ausreichend Potenzial.
Alterssegmente Für welche potenziellen neuen Steuerzahler ist Thun attraktiv? Thun als Arbeitsort ist nicht für alle Alterssegmente gleichermassen interessant. Für junge Topshots ohne Bindung zu Thun ist die Region zu provinziell. Für Arbeitskräfte mit Familie hingegen hat Thun grosse Vorzüge. Somit sind „hype“ Branchen (Softwareentwicklung o.ä.) in Thun eher schwierig hochzuziehen. Generalisten und erfahrene Spezialisten sind Arbeitskräfte 35+. Stellen für Export-Generalisten und –Spezialisten schaffen
6.3.3. Startpunkt soziale Gesellschaft
Thema Argumentation
Lebensqualität für alle
Geringe Armut, hohes Durchschnittseinkommen, hoher Erholungswert, Bildung, Sicherheit Leistungsfähige Städte und Gemeinden
Finanzierung Leistungen werden privat oder von der öffentlichen Hand erbracht. Privat kann nur leisten, wer etwas verdient; ebenso kann die öffentliche Hand mit Steuern versorgen nur, wer etwas verdient. finanziell attraktive Arbeitsplätze
Angebot an guten Arbeitsplätzen
Anzahl und grundsätzlich auch Qualität der (Binnen-)Arbeitsplätze wachsen mit dem Umfang der durch die Exportwirtschaft und die Pendler erbrachten Leistung. Die Leistungsfähigkeit der Exportwirtschaft ihrerseits hängt auch von der Effizienz seiner lokalen Zulieferer und Dienstleister so wie von geeigneter Infrastruktur ab. Export- und Pendlerleistung effizient unterstützen und fördern
Export und Pendler Export und Pendler müssen Binnengewerbe am Laufen halten
Infrastruktur Voraussetzung für erfolgreiche Exporteure und Pendler müssen geschaffen werden; für Pendler müssen Gelegenheiten für den Tageseinkauf bestehen.
Zentrale Gemeinsamkeiten über alle Ansätze:
Hohe Lebensqualität des Einzelnen wie Handlungsspielraum von Städten und Gemeinden bauen auf ausreichend attraktiven Arbeitsplätzen.
Motor einer prosperierenden Region sind die Exportwirtschaft und die Pendler.
Die Leistungsfähigkeit der Exportwirtschaft baut vorab auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter, die Zusammenarbeit mit ihren (regionalen) Partnern und auf passende Randbedingungen.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 90 von 107
6.4. Hauptelemente eines Massnahmenplans
6.4.1. Auf (Export-)Stärken setzen
- Integratoren-Kompetenz der Maschinenbauer
- exportierende Bauindustrie (Frutiger) und Bau-Nebengewerbe (Glas Trösch, Pilkington,
Duscholux)
- stabile Pendler-Arbeitsplätze in der Verwaltung
- Tourismus mit innerhalb des Berner Oberlandes und der Tourismusregion Thunersee
differenziertem Angebot
6.4.2. Schwächen umgehen
Es besteht wenig Spielraum, um innerhalb des Kantons Bern die Steuersituation (im kantonalen
Vergleich) wesentlich zu verändern. Es sind deshalb Wege zu finden, auf welchen die Berner Steuerlast
nicht zu einem wesentlichen Hindernis wird.
Thuns Verkehrslage ist nicht dermassen gut, dass die Region für Unternehmen mit hohen Logistik-
Anforderungen attraktiv ist.
6.4.3. (Export-)Potenziale im Auge behalten / aufbauen
Es entstehen immer wieder neue Technologien und Geschäftsmöglichkeiten, die auf den in der Region
vorhandenen Kompetenzen bestens gedeihen können. Entstehen aus diesen neuen Entwicklungen neue
Unternehmen oder neue Aktivitäten bestehender Unternehmen, so sollen sie frühzeitig auf die
Möglichkeiten der Wirtschaftsregion Thun aufmerksam werden.
Beispiele solcher Unternehmen sind Tofwerk, Meridian oder der Technologie-Dienstleister EMPA.
6.4.4. Binnenwirtschaft qualitativ entwickeln
Binnenwirtschafts-Unternehmen sind einerseits wichtige Zulieferer (Teilefabrikation, …) und
Dienstleister (Bau, Treuhandwesen, …) der Exportwirtschaft und andererseits mit Handel und Gewerbe
Dienstleister für Private. Für die Region ist es wichtig, dass diese Leistungen effizient erbracht werden,
da Ineffizienz Mittelverlust für die Region bedeutet. Entsprechend sind der Binnenwirtschaft alle
unnötigen Hindernisse aus dem Weg zu räumen und gesunde Wettbewerbsvoraussetzungen zu
schaffen.
6.4.5. Offen bleiben für anderes
Die im Bericht aufgeführten Überlegungen legen im Sinne einer Ökonomie der Mittel und
Berücksichtigung der Kompetenzen und Landreserven eine Fokussierung auf bestimmte Aktivitäten
nahe. Es ist selbstverständlich, dass – auch wenn andere Aktivitäten nicht mit Nachdruck gesucht
werden – interessierte Zuzüger und Investoren ebenso freundlich empfangen werden. Es ist immer
möglich, dass die Fokussierung zu eng gewählt wurde, unterdessen neue Erkenntnisse vorliegen oder
sich Randbedingungen wesentlich verändert haben.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 91 von 107
6.4.6. Unterstützende Massnahmen
Neben den oben erwähnten kurz-und mittelfristigen Aktivitäten ist es wichtig, das Umfeld für diese
Tätigkeiten laufend zu verbessern. Dazu gehören sehr langfristige Bestrebungen zur Hebung des
Bildungsniveaus und einer ausgeglichenen Altersstruktur sowie die Schaffung der nötigen Wohn-,
Versorgungs- und Verkehrsinfrastruktur.
Kurzfristig wirksam können Anstrengungen zur regionsinternen Kommunikation oder spezifische
Weiterbildungs-Angebote sein.
6.4.7. Initiale Massnahmen
Eine wirtschaftliche Ausrichtung geht einher mit der Gestaltung oder zumindest der Formulierung der
regionalen Identität. Es ist ein breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens notwendig, damit alle
oben genannten Anstrengungen die nötige Unterstützung erhalten und nicht immer wieder bei der
operativen Umsetzung zum Stehen gebracht werden. Der Weg muss verständlich kommuniziert werden
und dermassen überzeugen, dass sich die wesentlichen Kräfte in diesem „neuen“ Bild erkennen können.
Erst dann werden die zur Umsetzung nötigen Mittel und Kräfte frei.
Dieser Konsens ist auch notwendige Voraussetzung für eine regionale Zusammenarbeit in Fragen der
Raumplanung. Eine WRT-weite Raum- und Nutzungsplanung ist eine wichtige Massnahme für eine
erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 92 von 107
6.5. Mögliche Massnahmen nach Bereichen
6.5.1. Initiale Massnahmen
Der WRT erscheint aufgrund der geografischen Gegebenheiten, strukturellen Entwicklung (Industrie und
verarbeitendes Gewerbe) und aufgrund der Lage der anderen Zentren (Bern, Interlaken) als
zweckmässiger Raum zur Planung und Führung der Wirtschaftsentwicklung. Entsprechend bietet es sich
an, diese Plattform zu nutzen, sie allenfalls in ihrer Struktur den aktuellen und kommenden
Anforderungen anzupassen.
Es ist anzustreben, dass die Kommunikation politisch und auf Stufe Verwaltung WRT-weit intensiviert
wird. Wenn die politischen Parteien einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten wollen,
müssten auch sie sich WRT-weit organisieren.
Zentrales Element der Wirtschaftsentwicklung ist die WRT-weite Raum- und Nutzungsplanung. Ohne sie
bleiben alle Aktivitäten in der Konzeptphase stecken. Dazu ist ein breiter Konsens über Gemeinden und
politische Parteien hinweg notwendig.
6.5.2. Maschinenbau
In vertiefenden Gesprächen sind die Verwandtschaft der Aktivitäten der grossen
Maschinenbauunternehmen (Studer, Ruag Land Systems, Meyer Burger, Schleuniger, Rychiger) und
auch deren gemeinsame Interessen jenseits von Steuern und Infrastruktur zu eruieren. Daraus lässt sich
ein schärferes Bild des WRT-Maschinenbaus zeichnen.
Aufgrund dieses heutigen Profils lassen sich mögliche Entwicklungen in die weitere Zukunft aufzeichnen.
Wie schauen unsere Unternehmen in Zukunft aus? Welche bereits ansässigen Unternehmen könnten
sich in Zukunft ebenfalls zu einem der Grossen entwickeln (Meridian, Tofwerk, …)?
Unternehmen welcher Art würden in Zukunft in die Region passen? Wie heissen diese Unternehmen?
Welche Pläne haben diese Unternehmen? Kennen sie Thun? …
Ausserhalb, aber nahe den WRT-Grenzen sind Unternehmen, deren Aktivitäten jenen der „Thuner
Maschinenbauer“ ähnlich sind, ohne gegeneinander in Konkurrenz zu stehen und mit Potenzial zu
beidseitigem Nutzen. Welche Interessen und Möglichkeiten bestehen, diese Unternehmen zur Stärkung
des WRT mit einzubeziehen?
Bezüglich Vernetzung mit Partnern und Lieferanten im WRT besteht im Maschinenbausektor Potenzial.
Informations- und Kommunikationsplattformen können alle Beteiligten stärken und steigern
unbestritten auch die Attraktivität der Region für mögliche Zuzüger. Der zahlreichen wuchernden
Netzwerke und Plattformen ist man auf grosser Breite überdrüssig! Deshalb ist darauf zu achten, diese
Aktivitäten sehr schlank, transparent und professionell zu halten.
Dem Thuner Maschinenbau soll entsprechend seiner Bedeutung der richtige Platz in der öffentlichen
Wahrnehmung zukommen. Dadurch kommt auch den vertretenen Berufsständen die richtige
Wertschätzung zu.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 93 von 107
6.5.3. Bauindustrie
Exportaktivitäten der lokalen Bauunternehmen sollen erkennbar gemacht werden, damit sie neben den
offensichtlichen Exporteuren nicht vergessen werden.
Falls die WRT-Bauunternehmen herausragende Leistungen erbringen, z.B. in der Ausbildung, sollen
Möglichkeiten geprüft werden, dies nach aussen auch sichtbar zu machen.
6.5.4. Pendler
Die wirtschaftliche Bedeutung des Pendelns ist gross. Negative Aspekte wie Verkehrsbelastung, Kosten
und Auswärtskonsum sind offensichtlich. Um mit dem Thema sachlich und effektiv umgehen zu können,
wäre eine vertiefte Studie über Kosten, Nutzen, Potenziale, Abhängigkeiten und Veränderbarkeit
zweckmässig.
Parallel dazu können konkrete Ideen, wie zum Beispiel „open spaces“ um den Raum Bahnhof bereits
geprüft werden.
In Raum- und Verkehrsplanung sollen die Interessen der Pendler berücksichtigt werden. Dabei dürfen
neben den Wegpendlern die Zupendler nicht vergessen werden.
6.5.5. Tourismus
Der mehrfache Nutzen des Tourismus soll auf breiter Front verständlich gemacht werden. Tourismus ist:
- direkter Export-Umsatz
- Attraktivitätssteigerung für Einheimische (Lebensqualität)
- Steigerung des Bekanntheitsgrades zu weiterem wirtschaftlichem Nutzen (Marketing-Element)
Die Tourismuspotenziale der Region sollen strukturiert werden:
- Welchen Kundensegmenten (Matrix nach Alter und Ansprüchen) können in der Region Thun
welche Leistungen und Attraktionen angeboten werden?
- Wie können diese Angebote als ideale Ergänzungen innerhalb der Tourismusregion Thunersee
und des Oberlands angepasst und ausgebaut werden?
- Wie können diese Leistungen allenfalls die Identität der Region unterstreichen?
Der Bedarf an Erneuerung und Erweiterung der Infrastruktur ist unbestritten. Wie gross ist er?
Von welchen Grössenordnungen wird gesprochen?
Die Interessen des Tourismus sollen rasch in die Raumplanungsarbeiten einfliessen, inklusive Ansprüche
für Hotelkapazitäten, Shopping, (touristische) Verbindungselemente wie Fähren etc.
6.5.6. Schwächen-Management
Steuerlast
Die Steuerbelastung für Unternehmen ist im Kanton Bern in der Regel kein direkter
Wettbewerbsnachteil. Anders sieht es mit der Besteuerung von Privatpersonen aus, vor allem höhere
Einkommen werden sehr stark belastet. Aus diesem Grund ist es wenig sinnvoll, Strategien zu verfolgen,
die auf den Zuzug von Personen mit (sehr) grossen Einkommen bauen.
Um dennoch einen möglichst hohen Steuerertrag zu erreichen, müssten Arbeitsplätze für mittlere bis
obere Kader angeboten werden können.
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 94 von 107
Je attraktiver und spezieller die Arbeit an sich ist, desto eher ist die Steuerhölle auch mit hohem Lohn zu
ertragen. Je anspruchsvoller und je zukunftsgerichteter ein Job ist, desto grösser ist der Anteil an
Enthusiasten und Freaks – da sind Inhalte wichtiger als Lohn und Steuern. Hingegen sind Jobs, die in
jeder Region angeboten werden (auch im Steuerhimmel Zug), auch in finanzieller Hinsicht vergleichbar
und im WRT entsprechend weniger attraktiv.
Zwar ist Tatsache, dass kaum jemand wegen der Steuern aus der Region wegzieht – Tatsache ist aber
auch, dass wegen der Steuern niemand in die Region zieht.
Auftreten als Wirtschaftsstandort
Für einen selbstbewussten Auftritt als Wirtschaftsstandort fehlt Thun, wie in den vorhergehenden
Kapiteln erläutert, heute die entsprechende Identität. Der Schlüssel zu gestärktem Selbstbewusstsein
liegt im Wissen um die eigenen Fähigkeiten. Deshalb ist es nicht nur wichtig zu wissen, wie wir leben
und geniessen (Die Stadt. Lieben. Leben.), sondern auch wichtig zu wissen, was wir erschaffen und
worauf wir selber stolz sein dürfen.
Welchen Einfluss die hiesige Mentalität auf die Wirkung unserer Auftritte hat, kann an anderer Stelle
erörtert werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich immer vor Augen zu halten, dass
a) die Wahrnehmung von aussen eine andere ist und
b) jedermann versucht ist, sich Vorurteile bestätigen zu lassen
Mit einem überzeugenden Auftritt und einer gewinnenden Haltung allein ist noch kein gutes Geschäft
gemacht – mit schwachem Auftritt und fahler Haltung kommt das beste Geschäft nicht in Gang.
6.5.7. Bereiche mit Potenzial
Nächste Integratoren
Neue Technologien bringen neue Produkte. Welche Produkte werden in den kommenden Jahren
„integriert“? Neben schweren Maschinen von heute sind es möglicherweise Produkte in der Art wie
Operationsgeräte von Meridian, Messausrüstungen von Tofwerk oder Lösungen im Bereich der
Umwelttechnologie. Mit dem Fokus auf die Integratoren-Kompetenz kann eine Suche nach neuen
Unternehmen für die Region zielgerichtet erfolgen.
Neue Zulieferer
Integratoren brauchen starke Zuliefer-Partner. Kann sich die Region mit ihrer Integratoren-Kompetenz
profilieren, so wird der Standort auch attraktiv für deren Zulieferer sowie für Unternehmen mit vor-
oder nachgelagerten Aktivitäten.
Dienstleister
Auch wenn heute der (Export-)Dienstleistungsbereich in der Region kaum entwickelt ist, so besteht
dennoch Potenzial. Am ehesten können Dienstleistungsaktivitäten, welche sich an den Standortstärken
orientieren, aufgebaut werden. Auch Bildung ist Dienstleistung – hier besteht im Bereich der höheren
technischen Bildung ein grosses Manko, entsprechend gross ist das Wachstumspotenzial (s. tertiäre
Bildung im folgenden Abschnitt).
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6.5.8. Bildungsstruktur
Der Bedarf an tertiären Bildungsangeboten wird mittel- und langfristig zunehmen. Einerseits wegen der
laufend steigenden Anforderungen und andererseits, weil mit dem unweigerlich steigenden
Pensionsalter neue Aufgabenfelder (für ältere Mitarbeiter) entstehen, die entsprechende Ausbildungen
verlangen.
Ausbildungsthemen im Umfeld der Exportaktivitäten erscheinen im Zusammenhang mit der
vorliegenden Studie im Vordergrund, aber auch alle anderen Leistungsträger bauen auf Kompetenz.
Bildungsmöglichkeiten in geografischer Nähe sind attraktiv, diese Angebote sind auch für das
Standortmarketing interessant.
Weiter ist zu überlegen, wie für Ausbildungsangebote im Bereich des Tourismus die zentrale Lage Thuns
im Berner Oberland und direkt an der Linie ins Wallis genutzt werden kann.
6.5.9. Netzwerke und Plattformen
Informationsplattform
Anders als im Gewerbe sind die exportierenden Unternehmen des WRT unter sich nicht stark vernetzt.
Viel Nützliches vor der Haustüre ist nicht bekannt. Eine einfache Informationsplattform kann die
Verbindung zu Zulieferern, Dienstleistern nach Fachthemen und auch zu Ausbildungsangeboten
vereinfachen.
Lokaler Erfahrungsaustausch
Die grossen Unternehmen der Region sind in unterschiedlichen Märkten präsent und pflegen wenig
gemeinsame operative Aktivitäten. Der Nutzen eines intensivierten Austausches auf regionaler Ebene
scheint zumindest prüfenswert.
6.5.10. Infrastruktur
Mit neuen und mit wachsenden Unternehmen kommen neue Mitarbeiter in die Region. Möglicherweise
kommen die Unternehmen nur, wenn auch die Mitarbeiter mitziehen. Mitarbeiter sind meist einfacher
an einen neuen Arbeitsort zu motivieren als deren Familie. Die Rolle der Familie, in den meisten Fällen
die Rolle der Ehefrau, wird zu oft unterschätzt.
Aus diesem Grund ist es notwendig, neben einem allgemein attraktiven Angebot fürs Wohnen und für
die Freizeit Infrastrukturen für die Betreuung von Kindern aufzubauen.
Nicht nur die Kaderleute und Spezialisten müssen freundlich empfangen werden, sondern auch und vor
allem deren Familien.
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6.5.11. Raum- und Verkehrsplanung
Was geschieht, wenn man für die WRT-Raumplanung von einer Bevölkerungszahl von 110‘000 bis
140‘000 Einwohnern ausgeht? (Diese Zahlen sind zu erhärten.)
1) Wo wollen/können diese Leute wohnen?
2) Wo wollen/können diese Leute arbeiten?
3) Welche Versorgungs-Infrastruktur ist dazu notwendig?
4) Welche Verkehrsinfrastruktur ist dazu notwendig, wenn man berücksichtigt, dass langfristig
allenfalls andere Verkehrsmittel zum Einsatz kommen?
Diese Überlegungen werden insbesondere dann interessant, wenn sich zum Beispiel vor dem
Hintergrund höherer Energiekosten langsame und neue Verkehrsmittel (Fahrräder, Elektroroller, leichte
Elektromobile) weiter verbreiten. Arbeits- und Wohnräume in der Ebene, die ohne grosse Steigungen
erreicht werden, gewinnen an Attraktivität.
6.5.12. Unternehmenssuche
Wie dieser Bericht aufzeigt, kann die Suche nach neuen WRT-Unternehmen strukturiert und auf
bestimmte Branchen fokussiert erfolgen. Was ist wichtig? Hierzu zusammengetragene Gedanken:
- Die gewinnende Botschaft ist zentral: Thun ist … (z.B. die sonnige Region für die innovative
Wirtschaft, …).
- Dokumentationen müssen schlank und klar strukturiert sein (wer sucht, wird oft mit
unübersichtlichen und unzweckmässigen Unterlagen überschwemmt).
- Sobald die wesentlichen Vorabklärungen erledigt sind, ist der Kontakt Chefsache.
- Interessenten nach Thun bringen. Die sichtbar hohe Lebensqualität ist die beste Motivation, um
beste Mitarbeiter zu gewinnen, auf starke Mitarbeiter bauen starke Unternehmer. Das macht
Thun attraktiv.
- Konkrete Möglichkeiten (Räume, freie Flächen) müssen mit Preis und Termin der Verfügbarkeit
aufgezeigt werden können.
- Selbstverständlich muss die formelle Betreuung klappen. Mit einer spezifisch-fachlich
kompetenten Betreuung können grosses Vertrauen und bereits erste persönliche Kontakte zur
Thuner Community geschaffen werden: Für den Besuch eines Anlagebauers kann ein
Anlagebauer aus der hiesigen Szene eingeladen werden. An Interessenten wird es kaum
mangeln.
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7. Fazit – Thuns Gesicht von morgen Was kann in Thun geschehen? Welche Möglichkeiten stehen offen?
7.1. Vier Hauptpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung
Technik Technisch hochstehende Produkte mit hohem Integrationsgrad (Maschinen- und Anlagebau) für verschiedene Märkte.
Verwaltung Stabile Arbeitsplätze in der Verwaltung von Bund und Kanton, als Pendler-Arbeitsplätze in Bern und zunehmend im WRT
Tourismus Klar positionierter Thuner Tourismus – als Teil der Destination Thunersee
Gewerbe Überdurchschnittlich leistungsfähiges Gewerbe
Aufbauend auf
- Geschichte der Region
- Starke Facharbeiterschaft
- Hohe Lebensqualität
- Bildungs-Engagement
- Unterstützung durch Politik und Verwaltung
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7.2. Identitätsansätze für den WRT 20XX
7.2.1. Industriegeschichte nicht leugnen, zu den Stärken stehen
Aus Militär und Rüstung hat sich eine hohe technologische Kompetenz entwickelt, die heute zur
Herstellung von weltweit führenden Produkten genutzt wird.
(Früher hervorragende Schwerter, heute beste Pflugscharen …)
Ziel: Nirgends kann man technologisch hochstehende Produkte besser und schneller entwickeln als in
Thun.
7.2.2. Nachbarn Bern und Interlaken
Verwaltungsarbeitsplätze sind an sich wertvoll und sie sind stabil. Auch die privaten Unternehmen im
Raum Bern bieten attraktive Arbeitsplätze für die WRT-Einwohner. Deshalb ist die Nähe zu Bern
grundsätzlich ohne Vorbehalte als positiv zu werten.
Es besteht kein Grund, sich als Thuner, Steffisburger, … für die Nähe zum grossen Bern zu schämen!
Schliesslich hat dies niemand hier verschuldet. Vielmehr soll der WRT das Heft der „Arbeitsplatz-
Beziehungspflege“ in die Hand nehmen und mit Verweis auf die Entlastung der Verkehrsinfrastruktur
und auf neue technologische Möglichkeiten Wege suchen, finden und begehen, „Pendlerarbeitsplätze“
in den WRT zu bringen.
Gegenüber Interlaken als Tourismusstadt muss sich Thun ein klares, eigenes Tourismus-Profil schaffen
(auch bezüglich Kongress- und Seminar-Tourismus). Unabdingbar ist auch, dass in Thun die Tourismus-
Aktivitäten denselben Professionalitätsgrad erreichen wie ihn Interlaken vorgibt.
7.2.3. Tourismus schafft Lebensqualität
Richtig gestalteter Tourismus ist ein Gewinn für alle. Tourismus bringt nicht nur Geld in die Region und
macht den WRT bei möglichen Investoren und Unternehmen bekannt, sondern Tourismus macht die
Region auch für Einheimische attraktiver. Es besteht kein Grund zur Angst vor überfluteten
Einkaufsstrassen, zügellosem Verkehrsaufkommen oder ungesteuertem Leerwohnungsbau.
Ziel: Thun ist die schönste Stadt, um etwas zu tun. Für zwei Tage, eine Woche, (17 Wochen ) oder
eben auf unbestimmte Zeit …
7.2.4. Sicht nach vorne
Zu den Bildern (z.B. hervorragende Industrie, stabile Arbeitsplätze, Lebens-Stadt, etc.) braucht es auch
eine zeitliche Perspektive. Vertrauen in die Zukunft macht heute Mut. Aus diesem Grund sind klare und
starke Bekenntnisse zur Bildung und zur Stadtentwicklung (Urbanisierung) wichtig.
7.2.5. Offenheit und Konventionsfreiheit
Wer sich von Konventionen lösen kann, hat mehr Bewegungsfreiheit. Wer Bewegungsfreiheit hat, kann
etwas tun.
Thun kann.
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7.3. 10-Punkte-Fazit der Studie
7.3.1. Potenzial ist da – im WRT handeln
Der WRT ist der richtige Rahmen, um Potenziale zu nutzen. Die gemeinsame Raumplanung ist die
notwendige Grundlage dieser Entwicklung und hat hohe Priorität.
7.3.2. Maschinenintegratoren
Maschinenbau ist Ursprung, Geschichte und heutige Stärke der Region. Technologien und Produkte
mögen sich ändern - die Fähigkeit, anspruchsvolle, fertige Maschinen und Geräte entwickeln, bauen und
vertreiben zu können, soll weiter erhalten und genutzt werden.
7.3.3. Integratoren sind Multiplikatoren
Integratoren ziehen Zulieferer und Dienstleister an, diese wiederum schaffen ein attraktives Umfeld für
weitere Integratoren und Unternehmen mit vor- und nachgelagerten Aktivitäten.
7.3.4. Themen vertikal ergänzen
Maschinen, Geräte, Anlagen werden meist in einem umfangreicheren Prozess eingesetzt (z.B.
Drahtsägen im Bau von Solarzellen). Unternehmen, welche Ausrüstungen für andere Prozessschritte
bauen (z.B. Zusammenbau der Solarzellen), gehören auf die Kontaktliste der Wirtschaftsförderer.
7.3.5. Handwerk schafft „goldenen Boden“
Das langjährige Ausbildungs-Engagement der grossen Unternehmen, positive Rückmeldungen aus der
Baubranche und Aussagen der Statistik zeigen es auf: Thun ist die Region der Fachkräfte. Darauf kann
man bauen – gleichzeitig ist die solide Fachausbildung Grundlage für fortführende Ausbildungen.
7.3.6. Pendler an Region binden
Thun darf keine Schlafstadt werden. Thun muss attraktiv sein, damit Pendler ihre Freizeit in Thun
verbringen und auch ihre Einkäufe in der Region und nicht am Arbeitsplatz tätigen.
7.3.7. Tourismus positionieren
Tourismus bringt mehrfach Nutzen. Im WRT ist das Tourismusangebot nur spezifisch ausbaubar. Stadt
und Umgebung müssen die passende Rolle im grösseren Verbund finden.
7.3.8. Ausbildung ist ein Muss
1) Lebenslanges Lernen, und das immer mehr. 2) Wo ausgebildet wird, da lässt man sich nieder. Deshalb
soll die Region das Entstehen und den Ausbau von Ausbildungsstätten nach Möglichkeit fördern (bevor
zur Ausbildung weggepilgert wird).
7.3.9. Thun wächst
Die Region Thun kann einem Wachstum und der damit verbundenen Urbanisierung nicht ausweichen.
Die Frage kann nur sein, ob und wie man diese Entwicklung gestalten will.
7.3.10. Thun ist anders
Thun und WRT weisen ganz deutlich andere Wirtschaftsstrukturen auf als das Berner Oberland oder die
Region Thun Innertport.
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8. Anhang
8.1. Priorisierung der Wirtschaftsbereiche
Ausführliche Beschreibung des analytisch-ökonomischen Ansatzes zur Selektion
und Priorisierung der verschiedenen Wirtschaftsbereiche.
8.1.1. Innerhalb der Grenzen der Einflussnahme
Die Stadt/Region Thun kann nur in einem Bereich fördern, wo sie direkt oder indirekt innert nützlicher
Frist ausreichend Einfluss nehmen kann.
8.1.2. Binnenwirtschaft und Exportwirtschaft
Es soll unterschieden werden, welche Bereiche Mittel in die Region bringen (Exporteure wie Industrie,
Tourismus, …) und welche Bereiche die Mittel in der Region umsetzen oder abfliessen lassen
(Binnenwirtschaft wie Gewerbe, Handel, …).
Um die gesamte Wirtschaft zu fördern, müssen primär die exportierenden Bereiche gefördert werden.
Im Binnenbereich sorgt ein freier Markt für gute Leistungen.
Das Geld muss zuerst reinkommen, bevor es zirkulieren kann.
Das heisst nicht, dass die Binnenwirtschaft ausser Acht gelassen werden kann. Werden der
Binnenwirtschaft unnötige Hindernisse in den Weg gelegt, verliert sie an Effizienz und die Produkte und
Leistungen werden von ausserhalb der Region bezogen. Damit verlieren die Region als Ganzes und die
einzelnen Leistungserbringer gegenüber ihren Kunden an Attraktivität. Ein starkes Gewerbe ist eine
starke Stütze für die Exportwirtschaft.
8.1.3. Differenzierung Industrie und Gewerbe
Die Industrie hat ihre Konkurrenz meist ausserhalb der Region, die Gewerbetreibenden konkurrenzieren
sich innerhalb der Region.
Der Gewerbebereich ist weitgehend selbstregulierend: Wenn es zu wenig Bäcker oder Maler hat,
werden die bestehenden wachsen oder neue kommen hinzu. Mit der Industrie verhält sich dies anders:
Wenn es keine Toasterfabrik hat, kommt nicht eine Toasterfabrik von selbst.
Industrie muss aktiv gewonnen werden, Gewerbe kommt von selbst.
Mit städtischer Wirtschaftsförderung oder –einflussnahme müsste (aufgrund der Gleichbehandlung)
allenfalls ein gesamter Gewerbebereich gestützt werden.
8.1.4. Auf Multiplikatoren setzen
Ein Unternehmen A, das auswärts Rohmaterial (z.B. Eisenstangen) einkauft und fertige Teile (z.B.
Spezialschrauben) in alle Welt verkauft, unterhält wertvolle Arbeitsplätze, schafft aber in der Region
keine weiteren industriellen Arbeitsplätze.
Ein Unternehmen B, das Baugruppen und Module zu einem wesentlichen Teil in der Region einkauft und
zu einem Produkt integriert erhält die eigenen Arbeitsplätze und entsprechende Arbeitsplätze bei den
Lieferanten.
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Integratoren schaffen auch Arbeitsplätze ausserhalb ihres Unternehmens.
Im Interesse der Region setzen Fördermassnahmen bei Unternehmen an, die nebst den eigenen
Umsatzsteigerungen auch weitere Aktivitäten in der Region auslösen.
8.1.5. Kompetenzen statt Branchen
Man spricht von Wissensgesellschaft und geht davon aus, dass künftig das Wissen und weniger der
Besitz von Rohstoffen oder Produktionskapazitäten für den Erfolg einer Region oder eines Staates
entscheidend sein wird. Längerfristig wird eher nach Können und Wissen als nach Ausrüstung gefragt –
Ausrüstungen kann man innert Monaten beschaffen, Wissen nicht.
Unternehmen unterschiedlicher Branchen (z.B. Lebensmittel und Rüstungstechnologie) bauen
möglicherweise zu einem grossen Teil auf dieselben Kompetenzen – sie sind sich viel verwandter, als
dies von aussen erscheint. Andererseits haben Unternehmen aus derselben Branche oft überhaupt
nichts miteinander zu tun (z.B. Automobilgewerbe und Automobil-Zulieferer).
Die Region kann sich langfristig über Kompetenzen positionieren.
Die Betrachtung nach Kompetenzen eröffnet auch Potenziale für den regionalen Informationsaustausch
und für effiziente Ausbildungsmodelle und –strukturen.
Industrie ist weltweit tätig. Um sich über Kompetenzen wirklich positionieren zu können, müssen die
Kompetenzen auf einem Niveau liegen, das international auch erwähnt werden darf.
8.1.6. Synergien und Cluster-Potenzial nutzen
Interessensgemeinschaften und Cluster gibt es bereits seit langer Zeit, länger schon als man von Clusters
spricht. Ihre Entstehung und Entwicklung ist sehr unterschiedlich motiviert. Grössere Gemeinschaften
(>10 Akteure) laufen Gefahr sich zu wenig austauschen zu können und/oder ein kleines, motiviertes
Team zieht/fokussiert die Aktivitäten auf das Feld ihres (eher partikulären) Interesses.
Es sind sich alle einig darin, dass man gemeinsam mehr erreichen kann. Die lokalen
Industrieunternehmen konkurrenzieren sich am Markt nicht (Produkte sind zu unterschiedlich) – die
Tatsache, dass man auf dem Arbeitsmarkt sehr wohl im Wettbewerb steht und die eher zurückhaltende
Mentalität scheinen eine intensivere Kommunikation zu hemmen. Erfahrungen haben gezeigt, dass
(ausser auf Stufe Geschäftsführung) kaum Kontakte zu anderen Unternehmen bestehen. Da wird
gleichzeitig in derselben Region am selben Problem rumgeknobelt, jeder für sich.
Gedankenaustausch und informelle Zusammenarbeit erhöhen die Effizienz und
schaffen bessere Produkte.
Es bedarf einer externen Stelle, um diesen Bann zu brechen und die Cluster-Bildung zu initiieren. Es ist
nahe liegend, dass diese Initiierungs-Aufgabe der Stadt Thun zufällt.
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8.1.7. Feste Trends antizipieren
Die Welt dreht sich. Jeden Tag. Die Zukunft lässt sich nicht voraussagen, aber es können nützliche Bilder
entworfen werden, die für eine längerfristige Planung sehr nützlich sind.
Die Entwicklungen der Zukunft sind absehbar. Sehen wir hin!
Entscheidend ist weniger der Genauigkeitsgrad dieser Abschätzungen als vielmehr das Engagement, sich
systematisch mit den möglichen Entwicklungen auseinanderzusetzen, sich nicht mit der erst-besten Idee
zufrieden zu geben oder sich von den kurzfristigen, gefälligen Mainstream-Bedürfnissen nicht
vereinnahmen zu lassen. Es ist erstaunlich, was wir von der Zukunft alles wissen können.
Unternehmen entwickeln Produkte mit einer Lebensdauer von schätzungsweise zehn Jahren; die
Entwicklung dauert etwa drei Jahre – was heute angepackt wird, muss in gut einem Dutzend Jahren
noch passen! Für die Entwicklung einer Region ist ein Horizont von 15 bis 25 Jahren angezeigt. Es ist an
der Zeit, sich mit der Zukunft auseinander zu setzen.
8.1.8. Nachhaltigkeit schaffen
Langfristig bedeutet für eine Wirtschaftsregion ein Horizont von 15 bis 25 Jahren. Über diesen Zeitraum
hinaus sollen die hier entworfenen Schritte Wirkung zeigen. In diesem Rahmen ist die Forderung nach
„Nachhaltigkeit“ per definitionem bereits enthalten.
Mit Massnahmen in folgenden Bereichen kann auf die Wirtschaftsentwicklung auf lange Frist Wirkung
erzielt werden:
- Ausbildung (Kompetenzen schaffen)
- Raumplanerische Massnahmen (Gesamtplanung, Industrie- und Gewerbeland definieren)
- Steuerliche und administrative Randbedingungen
- Fachlich, kommerziell, administrativ, kommunikativ und sozial kompetente Betreuung der
Unternehmen
Nachhaltige, effektive Wirtschaftsentwicklung braucht Systematik,
Hartnäckigkeit und Geduld.
Eine langfristige Planung muss sich an einem Langfristziel (oder an einer Vision) orientieren, die
Legislaturziele können innerhalb dieser Planung definiert werden.
Durchdachte Lösungen und kompetente Umsetzung sind gefragt (Aktivismus kostet nur Geld, Zeit,
Nerven und Vertrauen).
8.1.9. Köpfe statt Institutionen
Die wirtschaftliche Entwicklung einer Region soll nicht sich selber überlassen werden, jemand muss sie
führen. Dazu brauchet es Personen, die immer wieder die Initiative ergreifen, Veränderungsprozesse in
Gang setzen und auf dem richtigen Weg halten. Um diese Leute herum, die Neues bringen und
umsetzen müssen die Institutionen geschaffen oder angepasst werden.
Es sind immer Menschen, die etwas bewegen – nicht Institutionen.
Eine Institution zu beauftragen und dabei zu hoffen, auf einen motivierten Kopf zu treffen ist praktisch,
aber wenig aussichtsreich.
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Es gibt ausreichend qualifizierte Persönlichkeiten, denen eine prosperierende Zukunft der Region ein
echtes, persönliches Anliegen ist. Diese Personen können deutlich mehr inhaltliche Substanz und „feu
sacré“ einbringen als jede ausgewiesene Wirtschaftsförderungs-Institution.
Dazu kommt, dass, wer von Berufs wegen Wirtschaft fördert, verständlicherweise immer wieder mit
denselben Ansätzen dieselben Werkzeuge einsetzt. Je länger und je erfolgreicher, desto ausgeprägter
kommt dieser Mechanismus zum Tragen.
8.1.10. Die Kiste verlassen (thinking out of the box)
Ist alles perfekt, besteht kein Grund zur Veränderung. Besteht Verbesserungsbedarf, ist eine
Veränderung unausweichlich.
Ohne Anspruch, besser zu sein, kann man die anderen kopieren (und sollte dabei die unterschiedlichen
Voraussetzungen berücksichtigen).
Wer etwas besser als die anderen und/oder anders als die anderen machen will, muss Neues finden.
Die erfolgreiche Zukunft liegt nicht auf der Extrapolation der Vergangenheit.
Das Neue liegt jedoch nicht in der Kiste, in der man sich in der Vergangenheit immer bewegt hat. In
dieser Kiste kennt man sich natürlich bestens aus und am liebsten würde man die neuen Lösungen hier
drin suchen (s. Gebiss von Dällenbach Kari). Der Schritt out of the box ist mühsam, aber logisch zwingend
(selbstverständlich ist die Verlockung gross, gleich in eine andere Box, die „Box der vorbereiteten
Lösungen“, zu hüpfen).
Out of the box heisst nicht nur, die bestehenden Lösungen zu hinterfragen, sondern sich für neue
Lösungen unabhängig von bestehenden Prozessen und Organisationen zu öffnen; neue Prozesse und
Organisationen werden sich von selbst (in Abhängigkeit der neuen Lösung) ergeben.
ACHTUNG: „thinking out of the box“ ist ein heikler Prozess. Sehr wenige Personen sind es gewohnt, in
zeitlich weit reichenden Räumen und ausserhalb des Gewohnten zu denken. Für direkt betroffene
Personen kommt zu den Unsicherheiten bezüglich künftiger Position und Arbeitsinhalte das Unbehagen,
den Überlegungen zu deren zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht folgen zu können. Ein
ungeschickt angegangener und kommunizierter Veränderungsprozess kann sehr schnell stecken bleiben.
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8.2. Wachstumsbeiträge nach Branchen Welche Branchen haben in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum der
Schweizer Wirtschaft beigetragen?
Hier die Auswahl der Branchen mit den grössten Beiträgen und Bewegungen:
Quelle: bfs
-0.02
-0.015
-0.01
-0.005
0
0.005
0.01
0.015
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006p
2007p
Wachstumsbeiträge Schweiz nach %-Punkten in den Jahren 1992 bis 2007
Industrie, verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe
Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kreditgewerbe
Versicherungsgewerbe Immobilien, Vermietung, Informatik, F&E,Dienstleistungen für Unternehmen
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8.3. Erläuterungen „Systemintegrator“ Neben fachlichen Kompetenzen charakterisiert die Integrationsstufe des jeweiligen Produktes ein
Unternehmen. Je mehr Disziplinen gleichzeitig beherrscht werden müssen, desto mehr Aufwand muss
zu deren Integration getrieben werden, desto mehr Generalisten kommen zum Einsatz. Je aufwändiger
und facettenreicher ein Produkt ist, desto grösser ist auch der Aufwand zur Betreuung der Kunden.
Die folgende Tabelle soll die Unterschiede in drei Integrationsstufen veranschaulichen:
Komponenten und Baugruppen
Module und Systeme Systemintegration
Beispiel Kolben Motor Fahrzeug Bedürfnis des Kunden
Produktanforderungen können sehr exakt beschrieben werden (Zeichnungen, …).
Leistung, Preis, Dimensionen und Schnittstellen des Produktes können eindeutig beschreiben werden.
Produkt muss ein vielseitiges Bedürfnis befriedigen, inkl. Design, …
Leistung (Entwicklung), Produktion und Lieferung
Entwicklung, Produktion und Lieferung
Entwicklung, Produktion, Lieferung, Kundenbetreuung
Garantie gemäss Auftrag gemäss Auftrag Haftung für das gesamte Produkt
Planungs-horizont
kurz (1 bis 3 Jahre) mittel weit (5 bis 15 Jahre)
Kompetenz-Vielfältigkeit
gering mittel hoch
Produkt-Komplexität
tief bis sehr hoch mittel bis sehr hoch hoch bis sehr hoch
*Beispiele von Unternehmen in den Bereichen des Maschinen- und Gerätebaus (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Im WRT
Hoffmann Neopac RUAG Ammotec Proto GmbH Primaform K. Schären Resax Tibram IST Nobs Kurt Schneider
Fritz Gyger Berger Lasag
Studer RUAG Land Systems Meyer Burger Schleuniger Rychiger Tofwerk Meridian Rotor
Am Rand des WRT
Wandfluh Produktion
Wandfluh Hydraulik Bieri Pumpen
Liechti, Langnau Remp, Oberdiessbach Kern, Konolfingen Insys, Münsingen
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System-Integratoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie
- benutzerbereite Produkte am Markt anbieten und sich dazu mit den vielseitigen Anforderungen
der Kunden, des Bedienpersonals, Normen und Gesetzgebungen auseinander-setzen,
- weltweit Verkaufs- und Unterhaltsorganisationen unterhalten,
- verschiedene Disziplinen koordinieren und ein breites Wissen aufrecht erhalten,
- eine Vielzahl von Lieferanten und Partnern unterhalten und
- viel Raum für Montagen, Prüfungen und Spedition beanspruchen.
Integratoren-Kompetenz …
- wird über Jahrzehnte aufgebaut und kann nicht „einfach eingekauft“ werden,
- baut auf erfahrene Generalisten und
- ist womöglich die Schlüsselkompetenz der Schweizer (Maschinen-)Industrie.
8.4. Literaturverzeichnis 1) Gurtner, M. (07.10.2008). Standort steht zur Diskussion (Climateforum). bernerzeitung.ch , 6, 22,
23.
2) Haeberli, P. (August 2008). Die neue Abteilung Stadtmarketing. Thun.
3) Imboden, M. (07.10.2008). Arbeitsplätze sind gefährdet (RUAG). bernerzeitung.ch , 23.
4) Kummer, C. (21.01.2009). Zwischen Zuversicht und Sorge (Wirtschaftslage 2009).
bernerzeitung.ch , 21.
5) Neuenburg, U., & GR/SDA. (23.01.2009). Stadtbevölkerung wächst wieder. bernerzeitung.ch , 6.
6) Ramel, D. (04.11.2008). Bern verkauft sich zuwenig gut. bernerzeitung.ch , 35.
7) Siegenthaler, H. (1963). Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun 1863 - 1963. Thun: Fritz Weibel AG
Thun.
8) Beco, K+S-Bulletin 1-2009, Konjunktur- und Strukturdaten des Kantons Bern Februar 2009
9) beco, Bericht zur Wirtschaftslage 2009 10) beco – im Auftrag von, Schlussbericht Empirische Ermittlung von Tourismusanteilen einzelner
Wirtschaftszweige Tourismusgemeinden der Region Berner Oberland 11) BFS, Satellitenkonto Tourismus der Schweiz (2001 und 2005); Thomas Baumann, Philippe Küttel,
Ueli Schiess, Tagung von 18. November 2008 12) Stadt Thun; Strategie Stadtentwicklung – 14 Teilstrategien des Gemeinderats zur
Stadtentwicklung Thun, Mai 2009 13) Matthias Horx; Zukunft machen; Campus 2007 ISBN 978-3-593-38468-9 14) Credit Suisse, Swiss Issues Regionen - Standortqualität: Welche Region ist die attraktivste?
August 2009 15) Maastricht Economic and social Research and training centre on Innovation and Technology
(UNU-MERIT), EUROPEAN INNOVATION SCOREBOARD 2007 16) BILANZ 14/09, Die besten Städte, S. 50 ff 17) Schweizerischer Städteverband; Statistik der Schweizer Städte 2009, Statistisches Jahrbuch des
Schweizerischen Städteverbandes, 70. Ausgabe
Wirtschaftsenwicklung-Thun_1.00 November 2009 Seite 107 von 107
8.5. Verfasser
Namen Kontakt Beiträge
Philippe Häberli Betriebsökonom FH
Leiter Stadtmarketing Thun [email protected]
Leitung der Studie
Lorenz Zellweger Dipl.-Ing. ETH / BWI
Zellweger Ing.-Gmbh, Thun 033 223 49 11 [email protected]
Informationserfassung, -Aufarbeitung und -Interpretation
Nicole Berner Betriebsökonomin FH
Osec, Zürich [email protected]
Marketing-Banchmarks Demografie-Studien
Melchior Buchs Dr. rer. pol.
Impulsa AG, Thun [email protected]
Raumplanung und Infrastruktur, Verwaltung und Verbände