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Wirtschaftspolitische Konzeptionen Review by: Antonio Montaner FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 21, H. 3 (1961), pp. 497-503 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909587 . Accessed: 15/06/2014 02:31 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.77.28 on Sun, 15 Jun 2014 02:31:17 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Wirtschaftspolitische Konzeptionen

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Wirtschaftspolitische KonzeptionenReview by: Antonio MontanerFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 21, H. 3 (1961), pp. 497-503Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909587 .

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Wirtschaftspolitische Konzeptionen* von

Antonio Montaner

Der Wirtschaftspolitische Ausschuß der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Verein für Socialpolitik) hat seine Forschungsarbeit bisher hauptsächlich zwei Problemkreisen gewidmet: der Willensbildung im Wirtschaftsleben und der wirtschaftspolitischen Führung (Band 19 dieser Schriftenreihe) sowie der wissenschaftlichen Fundierung wirtschaftspoliti- schen Handelns. Die ordnungspolitische Bedeutung dieses zweiten Fragen- komplexes, die im vorliegenden Band 18 mit Hinsicht auf das Grundsätzliche abgehandelt wird, ergibt sich - wie Hans- Jürgen Seraphim in seinem Vorwort (S. 5) bemerkt - schon daraus, „daß eine Wirtschaftspolitik, die langfristig angelegt ist und deren Teilausprägungen aufeinander abgestimmt sind, ohne eine wirtschaftspolitische Konzeption nicht auskommen kann". Leicht lassen sich vielfältige Beweise aus Theorie und Praxis der Wirtschaftspolitik für die Richtigkeit dieser oft mißachteten These finden ; stellvertretend für viele Ein- sichten und Mahnungen kann Walther Herrmanm Schrift „Wirtschaftspolitik in unserer Zeit" (Berlin 1957) als beredter Erfahrungsbericht dienen.

Theodor Pütz, der die Thematik dieses Arbeitsprogramms anregte, hat auch das hier eingangs abgedruckte grundlegende Referat „Die urirtschafts- politische Konzeption" beigesteuert. Er ruft dazu auf, eine leistungsfähige Theorie der Wirtschaftspolitik zu entwickeln, die „die vergleichsweise geeig- netsten Maßnahmen für die optimale Verwirklichung bestimmter wirtschafts- politischer Ziele" (S. 9) in ihren Haupt- und Nebeneffekten wie in ihren Nah- und Fern Wirkungen darlegt und analysiert und die darüber hinaus wirtschafts- politische Leitbilder entwirft und ihre Rationalität und Realisierbarkeit kri- tisch ausleuchtet. In den Vordergrund seiner stets um systematisch-prinzi- pielle Geschlossenheit bemühten Erörterungen rückt der Autor die Frage nach dem Wesensgehalt einer wirtschaftspolitischen Konzeption, die dem jeweiligen Datenkranz der wechselnden gesellschaftswirtschaftlichen Zeitver- hältnisse Rechnung zu tragen und vornehmlich den wirtschaftspolitischen

* Zur Grundlegung wirtschaftspolitischer Konzeptionen. Herausgegeben von H.-J. Seraphim. Schriften des Vereins für Socialpolitik / Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Neue Folge, Band 18. Berlin 1960. Duncker & Humblot. 291 Seiten.

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Zielen und Methoden und den ordnungspolitischen Grundsätzen zu gelten hat. Die Nationalökonomie muß dabei freilich der Verführung widerstehen, ,,die sogenannten theoretischen Modellergebnisse ... zu vorrangig wünschenswer- ten Zielen der Wirtschaftspolitik zu hypostasieren" (S. 19). Andererseits darf sich der Gelehrte um der Selbstverantwortung der Wissenschaft willen nicht wertneutral gegenüber solchen politischen Zielsetzungen verhalten, die er ethisch verurteilen müßte; nur dann und „gerade dadurch gewinnt die Kon- zeption auch an Überzeugungskraft für die praktische Wirtschaftspolitik" (S. 20). Im übrigen setzt der Autor nur geringes Zutrauen in die Stringenz unserer derzeitigen Wissenschafts- und Erkenntnistheorie, ,,über gegebene Ziele objektive Werturteile zu fällen und . . . Ziele normativ zu bestimmen, denen die wirtschaftspolitischen Konzepte gerecht werden müßten" (S. 21).

In ihrem Beitrag „Die wirtschaftspolitische Konzeption als Problem der theoretischen Wirtschaftspolitik" will Gertrud Neuhauser auf der von Pütz vor- gezeichneten Linie speziell das Verhältnis wirtschaftspolitischer Leitbilder zu den anderen Kategorien der theoretischen Wirtschaftspolitik umreißen. Da- bei geht es einmal um den immanent-logischen Charakter der Konzeptionen selbst und zum andern um die teleologischen Beziehungen zwischen solchen „Handlungsplänen" und Koordinationsmodellen, Ordnungssystemen, histo- rischen Realtypen sowie theoretisch denkbaren und realiter möglichen Sy- stemen der Wirtschaftspolitik. Die Verfasserin setzt auseinander, warum die wirtschaftspolitische Konzeption kein Modell im theoretischen Sinn ist: „Aus der Verschiedenheit der Konstruktionsprinzipien folgen voneinander abwei- chende denkgebildliche Strukturen" (S. 29). Mit Hilfe von Modellen leiten wir aus gedachten Bedingungskonstellationen hypothetische Gesetzmäßig- keiten ab (S. 34), wirtschaftspolitische Konzeptionen hingegen sind eng mit historischen Realtypen verknüpft (S. 37) und als Ordnungsprogramme mehr oder weniger aktuell und realisierbar. Im Unterschied zu den von Jöhr, Pütz und H.-J. Seraphim entwickelten ordnungsmorphologischen Systemen kommt Walter Euckem monistischen Koordinationsmodellen, wie die Autorin S. 45 ff. urteilt, nur „beschränkter Erkenntniswert" zu. Aber „Modelle ge- hören zu den Erkenntnismitteln, deren man beim Entwurf wirtschaftspoli- tischer Konzeptionen bedarf" (S. 58).

„Der Wandel des Gerechtigkeitsbegriffes" wird von Hans Georg Schacht- schabel ideengeschichtlich von der griechischen Philosophie und der christli- chen Religion als den beiden entscheidenden Quellen der Lehre von der Ge- rechtigkeit über die philosophisch-theologische Synthese in Thomas' System der christlichen Ethik und die Säkularisierung des Gerechtigkeitsdenkens im rationalistischen Naturrecht bis in die Gegenwart hinein vor dem wechseln- den sozialgeschichtlichen Szenarium bildkräftig nachgezeichnet. Dabei wird namentlich der jüngeren und jüngsten katholischen Gesellschafts- und Rechts- lehre der ihren Leistungen gebührende Tribut gezollt und dem neoliberalen „Ordo"-Gedanken das Zeugnis ausgestellt, „die Vorstellung von sozialer Ge- rechtigkeit als Ziel gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Gestaltens nicht nur begrifflich zu fundieren und inhaltlich zu bereichern, sondern auch die Mittel ihrer konkreten Verwirklichung aufzuzeigen, sei es in der Form des sozialen Rechtsstaates oder ... in der Form der sozialen Marktwirtschaft",

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jedoch die Frage offengelassen, „inwieweit die gegenwärtige Gestalt der Wirt- schaft Anspruch darauf erheben kann, eine soziale Marktwirtschaft zu sein" (S. 87). Die für unsere Zeit relevante soziale Gerechtigkeit kann ,, nicht nur auf den Staat oder nur auf die Gruppen und Verbände beschränkt werden, vielmehr muß sie im Staat und durch ihn, in der Gruppe und durch diese auch in Beziehung zu den anderen Gruppen und Verbänden gültig sein und wirk- sam werden, wenn ein realer Ausgleich mit seinen entsprechenden Ergebnis- sen und Erscheinungen im sozialökonomischen Bereich konkretisiert werden soll" (S. 93).

Von erheblichem Lehrwert weit über das hier diskutierte Generalthema hinaus ist Theo Surányi-Ungers Aufsatz über „Die philosophischen Grundlagen wirtschaftspolitischer Zielsetzungen", der an der Entwicklung der National- ökonomie in den Vereinigten Staaten deutlich macht, wie sehr das Maß und die Richtung erkenntnistheoretischen Selbstverständnisses einer Disziplin wissenssoziologisch bestimmt sind und begriffen werden müssen. Die der weitaus überwiegenden Mehrzahl amerikanischer Nationalökonomen eigene, ,,den Europäer seltsam anmutende pragmatische Einstellung läßt sich vor allem durch die heranströmende Fülle praktischer Aufgaben erklären, die den amerikanischen Lebenskampf auch heute noch kennzeichnet" (S. 96). Nimmt es daher auch nicht wunder, wenn man der Frage, ob und wie eine wissenschaftliche Wirtschaftspolitik möglich ist, verhältnismäßig wenig In- teresse entgegenbringt, so umfaßt die interessierte Minderheit doch namhafte Nationalökonomen mit einem beachtlichen literarischen Gesamtwerk. Der erste Entwicklungsabschnitt stand im Zeichen des großen Methodenstreites, und viele junge amerikanische Volkswirte, die ihr Doktorat bei den Gründern des Vereins für Socialpolitik erworben hatten, sagten sich ,,von der abstrakt- theoretischen Betrachtungsweise der alten klassischen Nationalökonomie britischer Observanz los, um sich der empirischen Methode und sozialethi- schen Richtung der deutschen historischen Schule . . . anzuschließen und ihr Programm als eine umwälzende Revolution' der Wirtschaftswissenschaft zu begrüßen" (S. 97). In ihrer zweiten Entwicklungsphase neigte die amerikani- sche Nationalökonomie stärker der österreichische Grenznutzenlehre zu und suchte diese mit der englischen Neoklassik zu verbinden. J. B. Clark, der führende amerikanische Neoklassiker, färbte die Wirtschaftstheorie der Neuen Welt mit dem Optimismus der unbegrenzten Möglichkeiten ein, und ,,bei den daraus abgeleiteten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen nahm man . . . an, sich innerhalb der Grenzen einer , werturteilsfreien' Nationalökonomie zu be- wegen, die sich selbst bei den strengsten wissenschaftlichen Maßstäben recht- fertigen lasse" (S. 99). Die dritte Stufe schließlich ist charakterisiert durch das Ringen um eine Synthese der neoklassischen Theorie mit den modernen insti tutionalistischen, keynesianischen sowie wohlfahrtstheoretischen Lehren. Im zweiten Teil seiner Abhandlung erläutert Suranyi-Unger, wie für die phi- losophischen Grundlagen wirtschaftspolitischer Zielsetzungen realtypische Modelle aufgebaut und analytisch verwertet werden können.

Eduard Willeke nimmt „Zur Problematik der Zielbestimmung in wirt- schaftspolitischen Konzeptionen" ausführlich Stellung. Gegenüber der als communis opinio fortgeltenden Überzeugung Max Webers - daß der Wissen-

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schaftler verbindliche Urteile nur über die Eignung von Mitteln für Ziele fällen kann, nicht aber über die Ziele selbst - erhebt sich die Frage, „ob es zwingend notwendig ist, die Grenzen in der Urteilsfindung über wirtschafts- politische Ziele so eng zu sehen* ' (S. 115). Der Autor verneint dies und leitet seine Argumente aus der Lösung des Problems ab, bis zu welchem Grade wirtschaftspolitische Ziele dennoch wissenschaftlich determinierbar sind und was dies für die wissenschaftliche Erfassung wirtschaftspolitischer Konzep- tionen bedeutet. Wohl üben subjektive- weltanschauliche Wertungen einen entscheidenden Einfluß auf die Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele bzw. Bedarfe aus, doch ergeben sich andererseits aus der Natur der Sache eigenge- setzliche Zwangsläufigkeiten, die diese Art der Bestimmung in Grenzen halten und die zu erkennen der Wissenschaftler aufgerufen ist (S. 117). Nachdem der Verfasser zunächst dargetan hat, auf welche Weise sich wirtschaftspolitische Ziele in der Sicht wirtschaftpolitischer Konzeptionen fixieren lassen, hält er nach brauchbaren Beurteilungsmaßstäben kritisch Ausschau und mißt die Reichweite und Zuverlässigkeit des spezifisch ökonomischen Aspekts (für die Bestimmung der Ziele), der Strukturrichtigkeit (des Systems der Grundziele) und der Dringlichkeitsrichtigkeit (in bezug auf die Rangstellung der Grund- ziele) aus, wobei für dieses letzte Kriterium die ,, Minimumsregel", die „Wert- opfermaximumsregel" und die „Wertopferfixierung" als rational-ökonomische Gradmesser dienen. Es steht außer Frage, daß der Erkenntniswert dieser Kriterien davon abhängt, „inwieweit es möglich ist, mit diesen Beurteilungs- maßstäben über ihren ordinalen Charakter im Sinne allgemeiner gedanklicher Orientierungsgesichtspunkte zu sogenannten kardinalen Maßstäben zu kom- men oder sich ihnen anzunähern" (S. 155). Überdies zeigt beispielsweise die Darstellung des Volkswohlstandes die ganze Schwierigkeit, ökonomische Ziel- setzungen mit nichtökonomischen zu kombinieren. Erscheinen „Gleichge- wicht und Leistungseffekt (als) . . . die erste inhaltlich bezogene Ausdrucks- form des ökonomischen Grundzieles" (S. 170) hinter allen „Vorzielen", so gilt es, die für die einzelnen ökonomischen und „außerökonomischen Bereiche grundsätzlich in Frage kommenden Bedingungszusammenhänge zu erkennen und ihre konkret-geschichtliche Ausdrucksform aufzudecken, wie sich dieses z. B. in der Grundaufgabenstellung der Arbeitersozialpolitik . . . verdeutli- chen ließe" (S. 173).

In seinem Korreferat zu W illekes Ausführungen richtet Georg Weippert das Hauptaugenmerk auf das Verhältnis der Wirtschaft zu den meta-ökono- mischen Zielen. Da die Existenz der Wirtschaft die Realisierung bestimmter außerökonomischer Grundwerte erheischt, treten zu den ökonomischen Ziel- setzungen wesenhaffc auch außerökonomische. Gilt auch die Wertminimums- regel unabdingbar für alle historisch-konkreten Wirtschaften, so ist doch „die Wertproportionalität (innerhalb der einzelnen Realtypen konkreter Wirt- schaftsgestalten) eine sehr verschiedene" (S. 177). Jede Unterschreitung eines Wertminimums löst Notsituationen aus, die eben von diesem Minimum her zu beheben sind. In einer Zwischenbetrachtung befaßt sich der Korreferent mit der Verwendung mathematischer Analogien bei der Erörterung wesens- und insbesondere werttheoretischer Fragen und konfrontiert Willekes Mi- nimumsregel mit dem zweiten Gossenschen Gesetz, dessen fiktiver Charakter

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„schon damit gegeben ist, daß das Maximum des Genusses mit dem Gleich- maß des Sättigungsgrades in unmittelbare Beziehung gebracht wird. Denk- bar wäre ja, daß ein bestimmtes Subjekt auf die Befriedigung einer Reihe von Mangelempfindungen mehr oder weniger asketisch ganz verzichtet, um an- dere Bedürfnisse um so reichlicher, also überproportional zu bedenken, wäh- rend wieder andere Bedürfnisse nur unterproportional befriedigt werden. Ein solches, durchaus real-mögliches Vorgehen liegt aber außerhalb des zwei- ten Gossenschen Gesetzes" (S. 180 f.). Der Rezensent möchte allerdings zu bedenken geben, daß eine solche behavioristische Interpretation - setzt man an die Stelle des ökonomischen ein „asketisches Prinzip" von der Minimalbe- friedigung bei Disparität der Grenznutzen bis hin zur Maximierung des Grenzleids - Gossen und gleichgesinnten „Subjektivisten" als eine Art zu- sätzlicher Beweissicherung mit umgekehrten Vorzeichen gelegen käme. Die Pointe Weipperts, daß das zweite Gossensche Gesetz nicht an überindividuelle Wirtschaftseinheiten herangetragen werden kann (S. 182), bleibt dennoch letztlich unanfechtbar. Und was Gierschs Deutung des Prozesses der gesell- schaftlichen Willensbildung als eines „Kampfes konkurrierender Normen" mit dem Ergebnis eines „optimalen Kompromisses analog dem zweiten 6rossenschen Gesetz" anlangt, wogegen Weippert S. 184 „schwerste Bedenken" anmeldet, so ließe sich beipflichtend hinzufügen: sowenig Rousseaus „volonté générale" mit der „volonté de tous" zusammenfällt. Die letzten Seiten seines Beitrages hat Weippert einer kritischen Auseinandersetzung mit Willeke vor- behalten, die von der Gedankentiefe beider Autoren und der wissens- und objekttheoretischen Zähigkeit ihres Gesprächsstoffes zeugt.

Egon Tuchtfeldts Betrachtungen „Zur Frage der Systemkonformität wirt- schaftspolitischer Maßnahmen" gründen sich in der Fragestellung zum guten Teil auf einen wohlgelungenen früheren Versuch des Verfassers, im wirtschafts- politischen Werkzeugkasten Ordnung zu schaffen („Das Instrumentarium der Wirtschaftspolitik. Ein Beitrag zu seiner Systematik". In: Hamburger Jahr- buch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Jg. 1957, S. 52 ff.), und for- dern einleitend, „zwischen den beiden möglichen Aspekten des Konformi- tätsprinzips, dem Postulat und dem Beurteilungskriterium, . . . streng zu unterscheiden. Als Forderung, nur konforme Instrumente zu benutzen, stellt es eine nichtwissenschaftliche Aussage über das Seinsollende dar. Unter der Voraussetzung einer gegebenen Wertbasis ist es dagegen ein wissenschaftlich legitimes Beurteilungskriterium für wirtschaftspolitische Maßnahmen" (S. 206), die auf ihre Ziel- und Systemkonformität hin geprüft werden müssen, wenn die „logische Struktur der Mittelwahl" evident werden soll. Nach einer literaturkundlichen Skizze des Weges von der Markt- zur Systemkonformität weist der Autor nach, daß die letztere innerhalb der breiten Zone dualistischer Wirtschaftsordnungen nur als material-relatives Prinzip Aussagen darüber zuläßt, „wie sich eine Maßnahme zur Funktionsfähigkeit eines gegebenen Mischsystems verhält" (S. 223), wobei alsdann fünf typische Konformitäts- grade - systemnotwendige, -fördernde, -adäquate, -verschlechternde und -zerstörende Maßnahmen - zu unterscheiden sind. Die mangelnde Prognosti- zierbarkeit der Wirkungen wirtschaftspolitischer Instrumente, die faktische Elastizität des Gesamtsystems und das Hereinspielen „systemfremder" (mili-

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tärischer, politischer, „meta-ökonomischer") Ziele schränken jedoch die An- wendbarkeit des von Tuchtfeldt entwickelten analytisch-kategorialen Appa- rats ein. Immerhin aber können ökonomische Systemverschlechterungen dem außer-, vor- und innerparlamentarischen Gruppenegoismus als Kaufpreis politischer Kalküle vorgerechnet werden.

Sein Thema „Definitionen des Leistungswettbewerbs und ihre Verwendungs- fähigkeit für die praktische Wirtschaftspoltik" hat Hans Ohm in der Weise an- gepackt, daß er den heterologen Sinngehalt dieses Begriffs als Modewort in der Alltagsmeinung und als nicht minder vieldeutiges ordnungspolitisches Leitbild im Fachschrifttum Revue passieren läßt und in seinen mikro- und makroökonomischen Perspektiven auslotet. Dabei zeigt sich, daß - fernab der erklärlichen, weil allzumenschlichen Übung ,,der Interessenorganisatio- nen . . . , unter der Flagge einer weithin akzeptierten Wertvorstellung ihre gruppenegoistischen Ziele segeln zu lassen" (S. 242) - ,, trotz der zentralen Stellung, die dem Begriff in der modernen ordnungspolitischen Literatur zu- kommt, ernsthafte Versuche zu einer umfassenden und detaillierten Klärung . . . bisher nicht unternommen worden sind" (S. 254). Der Rezensent stimmt Ohm bei, daß keine einzige und einfache Regel Leistungswettbewerb oder Wettbewerb schlechthin determinieren und automatisch garantieren kann; die Konkurrenz als Verhaltensweise normativ-explikativ näher zu fixieren, läßt im Kern alles beim alten. Lawrence Abbotts schönes Buch „Quality and competition" (New York 1955, dt. Übers. „Qualität und Wettbewerb", München und Berlin 1958) hätte in puncto Nicht-Preiskonkurrenz manches noch klarer werden lassen.

„Zur Verwirklichung des Leistungswettbewerbs" meint Burkhardt Roper, daß sich an den Reinheitsgrad der Konkurrenz um so geringere Anforderun- gen stellen lassen, je umfassender ihr Wirkungsfeld in der Marktwirtschaft sein soll. Zum andern hat die Wirtschaftstheorie den Wettbewerb (ordnungs- politisch speziell den „Leistungs" Wettbewerb) nicht nur im Bezieh ungsgefüge selbständiger Unternehmen, sondern auch am mannigfach differenzierten und oft bilateral-monopolistischen Arbeitsmarkt (und, wie man hinzufügen möchte: wirtschafts- und gesellschaftspolitisch mit dem Blick auf die von seiner vertikalen und horizontalen Mobilität eröffneten Leistungs- und Ge- genleistungschancen) und in denTauschkreisen nationaler, „gemeinsamer"und ganzer Weltmärkte auf seine Wirk- und Aussagekraft hin zu analysieren. Seine modelltheoretische und ordnungspolitische Problematik wird um die ju- ristische vermehrt, die namentlich an die Institutionalisierung des Lei- stungswettbewerbs geknüpft ist und von Röper gründlich unter die Lupe ge- nommen wird mit dem Fazit, daß Wettbewerbsregeln bezüglich Preiswahr- heit und -klarheit, Qualitätsbezeichnungen, Zugabe- und Ausverkaufswesen usw. durchaus konkurrenzhemmend zu wirken vermögen : machen doch Kon- ditionen- und andere Kartelle davon Gebrauch, um den Wettbewerb vorgeb- lich zu „zähmen", zu „veredeln" oder „parallel auszurichten" (S. 279). „Die Konzeption einer sozialen Marktwirtschaft setzt eine bestimmte ethische Grundeinstellung, den Wettbewerbsgeist voraus", doch „Wettbewerb . . . (ist) eine höchst labile Zwischenform zwischen gewollter Hilfe und Behinderung" (S. 286 f.). Notwendig ist „eine Abkehr von dogmatischem Beharren in der

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Vorstellung, man könne das Modell der vollständigen Konkurrenz und eines Parallelkampfes realisieren. Es gilt vielmehr, der Freiheit der Marktwirt- schaft, schöpferischen Unternehmern wie Verbrauchern, die ihre Marktchan- cen bewußt zu nutzen wissen, durch einen vielseitigen, weder erstarrenden noch entartenden Wettbewerb einen größeren Wirkungsbereich zu verschaffen* *

(S. 290). Diese letzten Sätze münden in die von Pütz eingangs postulierte Forde-

rung ein, „daß die Wirtschaftspolitik auch dann, wenn sie eine prinzipiell marktwirtschaftliche Ordnung anstrebt, ein positives Konzept von rahmen- und ablaufspolitischen Methoden entwickeln und befolgen muß, sofern sie eine funktionsfähige Marktwirtschaft verwirklichen und erhalten will" (S. 11), und stecken so ein nicht minder ergiebiges wie schwieriges Forschungs- feld theoretischer Wirtschaftspolitik ab, dessen fortschreitende Erschließung zwar wesentlich dazu beitragen kann, wirtschaftspolitischen Entscheidungen über die Koordination und Rangfolge der Leitziele und über die Wahl der Mittel die denkbar sicherste Orientierungsbasis zu liefern; dennoch wird in jeder wirtschaftspolitischen Aktion und Konzeption unvermeidlich das Wag- nis die Zügel des Erfolgs führen, soweit (oder gar trivial : weil) es uns nicht gelingt, Irrationales zu rationalisieren.

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