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Wissenschaftliches Arbeiten – SS2010 - Teil 3/Philosophie 23.04.2010 1 Wissenschaftliches Arbeiten Teil 3: Philosophie und Wissenschaftstheorie

Wissenschaftliches Arbeiten Teil 3: Philosophie und ...wi.f4.htw-berlin.de/users/messer/LV/WI-WIA-SS10/Folien/WIA-03/03... · • Basis ist vernünftiges, rationales Argumentieren

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Wissenschaftliches Arbeiten – SS2010 - Teil 3/Philosophie 23.04.2010 1

Wissenschaftliches Arbeiten

Teil 3: Philosophie und Wissenschaftstheorie

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Literatur I

[3-1] Rosenberg, Jay F.: Philosophieren. Frankfurt a.M., VittirioKlostermann, 1986

[3-2] Tetens, Holm: Philosophisches Argumentieren. München,Beck, 2004

[3-3] Chalmers, Alan F.: Wege der Wissenschaft. Springer, 5.Auflage, 2001

[3-4] Kornmeier, Martin: Wissenschaftstheorie undwissenschaftliches Arbeiten. Physica-Verlag, 2007

[3-5] Detel, Wolfgang: Grundkurs Philosophie. 4 Bände, Reclam,2007

[3-6] Wuchterl, Kurt: Methoden der Gegenwartsphilosophie.Haupt, 2. Auflage, 1987

[3-7] Seiffert, Helmut: Einführung in die Wissenschaftstheorie.Bd. 1 bis 3, Beck, ab 10. Auflage, ab 1983

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Literatur II

[3-8] Savigny, Eike von: Grundkurs im wissenschaftlichenDefinieren. dtv Wissenschaft, 5. Auflage, 1980

[3-9] Feyerabend, Paul: Wider den Methodenzwang. Suhrkamp,1986

[3-10] Meehan, Eugene J.: Praxis des wissenschaftlichen Denkens.rororo, 1992

[3-11] Wuchterl, Kurt: Lehrbuch der Philosophie. Haupt, 4.Auflage, 1992

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Zitierte Literatur

[3-A] Heisenberg, Werner: Der Teil und das Ganze. 1969

[3-B] Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus. Suhrkamp, Werksausgabe Band 1, 6. Auflage, 1989

[3-C] Feynman, Richard: Es ist so einfach. Piper, 3. Auflage, 2004

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Übersicht

• Was ist Philosophie?• Was ist Wissen?• Was ist Wissenschaftstheorie?• Warum sind für ein Verständnis einer Wissenschaft

Kenntnisse aus der Wissenschaftstheorie sinnvoll?

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Zur Einstimmung

• "Philo" kommt von Liebe/Liebhaber, "sophie" von Weisheit• Ein Philosoph ist jemand, der die Weisheit so liebt, dass er

ihr nachstrebt, ja versucht zu erlangen.

Der Weg zum Philosophen wird gut im Höhlengleichnisvon Platon (Der Staat, Politeia, 7. Buch) beschrieben.

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Zur Weisheit

• Was ist das Leben?• Was ist der Mensch?• Wer bin ich?• Was ist der Sinn des Lebens?• Sind die Dinge wirklich so?• Worauf beruht alles? Gibt es (einen) Gott?• Was passiert nach dem Tod?• Ist der Tod wirklich sicher?• Was heißt Gut und was Böse?• Was heißt Existenz?• Was heißt Leben?

Zur Weisheit gelangt der, der die Grundfragen des Lebensder Menschen und damit seines eigenen Lebens beantwortet:

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Der Anlass

• Philosophie beginnt mit dem Staunen über das Selbstverständliche - über das, was unausgesprochen schon immer da war.

• Ein Philosoph fragt da weiter, wo andere sagen:nun, so ist es nun einmal.

• Warum tut er das? Weil er ein Problem hat,weil ihm der Schuh drückt (Wittgenstein)

• Ein Philosoph ist immer radikal (radix: die Wurzel).Er fragt nach dem Grund– Grund im Sinne einer Begründung– Grund im Sinne einer Basis wie der Grund des Meeres

• Einem Philosophen geht es um sich selbst:Er selbst ist sich selbst unklar.Philosophie ist daher auch eine Form von Selbsterkenntnis.

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Was tut ein Philosoph?

• Er denkt.• Typischer Arbeitsplatz: Lehnstuhl, Schreibtisch oder Bett.• Wie denkt er? Er reflektiert, er denkt über sich und seine

Welt systematisch nach.• Und wenn er mit dem Denken fertig ist, schreibt er seine

Gedanken auf und tauscht diese mit anderen Philosophen aus.

• Er diskutiert dann.Theoretisch ohne Emotionen, praktisch aber: er streitet, er kritisiert, er meckert rum.

• Gibt es ein Ergebnis? Nein, denn– es gibt keinen Konsens: 3 Philosophen -> 5 Meinungen– sein Leben ist zu kurz: er bleibt irgendwo mittendrin stecken

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Wozu dann Philosophie? I

• Denken lernen• Argumentieren lernen• Analysieren lernen• Sich über etwas bewusst werden• Hintergründe verstehen lernen• Sich seiner Grenzen bewusst werden• Verantwortlich Handeln lernen

Und das sind genau die Tätigkeiten eines Wissenschaftlers!

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Wozu dann Philosophie? II

• Jedes Philosophieren - sei es noch so naiv - hat immer Rückwirkungen auf sich selbst: es verändern einen.

• Jedes Philosophieren ist daher ein Schritt persönlicher Weiterentwicklung.

• Damit ist es auch ein Schritt in Richtung menschlicher Reife.

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Sokrates/Platon

• Rechtes Denken ist nur möglich, wenn es persönlich verantwortet wirdd.h. nicht hinter Autoritäten oder der Mehrheitsmeinung verstecken oder diese nachplappern

• Klarheit der Überzeugung• Deutlichkeit der Sprache• Mut zur Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit

Sokrates hat nichts Schriftliches hinterlassen, so dass wir nur über Platonetwas von Sokrates wissen.

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Falls das noch nicht reicht:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst-verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögensich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Ent-schließung und des Mutes liegt [...]Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Immanuel KantKant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?

In: Bahr, Erhard (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Reclam 9714, 1974 , S. 9

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Zusammenfassung zum Thema „Wozu Philosophie“

• Philosophieren ist eine Tätigkeit des Verstandes(und hoffentlich auch der Vernunft).

• Es wird versucht ohne Gefühle und Emotionen auszukommenPhilosophieren ist eine Tätigkeit des Kopfes, nicht des Herzens - was einer der größten Schwachpunkte ist(?).

• Der Gegenstand ist der Mensch selbst.• Dabei werden die Grundprinzipien der Menschlichkeit in großer

Allgemeinheit betrachtet.

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Einteilung der Philosophie

• Was kann ich wissen?Die Antwort führt in die Erkenntnistheorie (Kant: Metaphysik).

• Was soll ich tun?Die Antwort führt in die Ethik.

• Was kann ich hoffen?Die Antwort führt in die Metaphysik (Kant: Religion).

• Was ist der Mensch?Die Antwort führt in die Anthropologie.Diese Frage schließt die drei vorherigen mit ein.

Immanuel Kant stellte folgende Fragen:

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Wissenschaftstheorie I

• Wissenschaftstheorie ist eine Kombination aus Erkenntnistheorie und Ethik:

Was muss ich tun, damit ich das, was ich erkennen kann, auch wirklich erkenne?

Wie kann ich mich davon überzeugen, dass dies auch wirklich erreicht wurde?

• Die Ethik wird als praktische Philosophie, während die anderen Bereiche als theoretische aufgefasst werden.Wissenschaftstheorie ist daher „praktische Theorie“.

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Wissenschaftstheorie II

• Was ist Wissen?• Was ist Wissenschaft? Was sind deren Kriterien?• Wie sehen Begründungen für Wissenschaft aus?• Welche Grenzen haben wissenschaftlichen Methoden?• Welche Erkenntnisquellen stehen zur Verfügung?• Wie lassen sich Begründungen begründen?• ...

Folgende Fragen stehen im Vordergrund:

Natürlich müssen auch die konkreten Arbeitsweisen in denWissenschaften analysiert werden, dazu gehört besonders dieGeschichte der Wissenschaften.

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Erste Schritte

• Wissen = richtiges Meinen samt Begründung [Platon]

• Wissenschaft ≈ "Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d.i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganze der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft, [...]" I. Kant

• diese wissenschaftstheoretisch gut untersucht sind,• diese im Vergleich zu den Geisteswissenschaften einfach sind.

In dieser Veranstaltung werden viele Beispiele der Physik und derMathematik entnommen, da

Kant, Immanuel: Schriften zur Naturphilosophie. Suhrkamp,Werksausgabe Band 9, 1977, A III

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Wissenschaft und Wissenschaftstheorie I

Wissenschaftler und Philosophen haben traditionsgemäßein gespanntes Verhältnis - ein paar Zitate:

Werner Heisenberg [3-A, S.49]"Philosophie ist der systematische Mißbrauch einer eigens zu diesem Zwecke erfundenen Nomenklatur."

Richard Feynman [3-C, S.183]"Was Philosophen als Wissenschaft definieren […] hat nichts mit Wissenschaft zu tun."

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Wissenschaft und Wissenschaftstheorie II

Paul Feyerabend [3-9, Inhaltsverzeichnis]"Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunftals Galilei selber und zog auch die ethischen und sozialen Folgender Galileischen Lehren in Betracht. Ihr Urteil gegen Galilei warrational und gerecht [...]"

Ludwig Wittgenstein [3-B, §119, S.301]"Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung eines schlichten Unsinns und Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat."

Wissenschaftler und Philosophen haben traditionsgemäßein gespanntes Verhältnis - weitere Zitate:

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Ein paar Regeln für das Philosophieren

• Basis ist vernünftiges, rationales Argumentieren• Keine Emotionen, keine persönlichen Angriffe• Ein offenes Herz, Verständnis und Toleranz anderen,

besonders anders denkenden gegenüber• Wenn schon Kritik, dann Kritik als Hilfe zur Stärkung der

gegnerischen Position!• Die fremde, aber auch die eigene Position prüfen• Sachgerechte Begriffe und Behauptungen• Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber• Keine Berufung auf Gott oder andere Geister• Nicht Nachplappern großer Meister - selbst philosophieren!

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Wenn das so ist...

• dann müssen wir uns mit der Sprache, der Logik und dem Argumentieren beschäftigen.

• dann müssen wir irgendwie heraus bekommen, was rational oder vernünftig ist.

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Nun etwas Entspannung...

Die richtige Gegend zum Nachdenken