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Fortbildung 08.06, Forstliches Bildungszentrum Münchehof, 14.06.2016 Wälder mit natürlicher Entwicklung (NWE) und Hotspots der biologischen Vielfalt im Wald - Naturschutzbiologische Grundlagen und Einordnung in die naturschutzpolitische Diskussion P. Meyer

Wälder mit natürlicher Entwicklung (NWE) und Hotspots der … · 2016-07-01 · Fortbildung 08.06, Forstliches Bildungszentrum Münchehof, 14.06.2016 Wälder mit natürlicher Entwicklung

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Fortbildung 08.06, Forstliches Bildungszentrum Münchehof, 14.06.2016

Wälder mit natürlicher Entwicklung (NWE) und Hotspots der biologischen Vielfalt im Wald - Naturschutzbiologische Grundlagen und Einordnung in die

naturschutzpolitische DiskussionP. Meyer

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die

Naturschützer

Erschwernisausgleich

Erhaltungszustand

Vertragsverletzungsverfahren

NSG

LSG

Natura 2000

FFH

CBD NWE

LRP

§ 30 Biotop

erhe

blic

he B

eein

träc

htig

ung

lokale Population

Wildnis

Lebensraumtyp

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Flächenbestand und -entwicklung in Niedersachsen

Schutzgebiete: Strategien

Inhalt

Naturschutzfachliche Bewertung NWE 2013 - 2015

Definitionen und laufender Prozess in Deutschland und Niedersachsen

Pro und Contra Wälder mit natürlicher Entwicklung

Hotspotprozess in den Landesforsten

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Einführung: Politischer Kontext

Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS 2007):� NWE auf 5 % der Waldfläche und 10 % im öffentlichen Wald � 2 % Wildnis� historische Waldbewirtschaftsformen weiterführen bzw. ausbauen� Wiederherstellung von Waldmooren� …

LÖWE Runderlass des ML vom 27.2.2013: NLF prüft durch Hotspots die Wirksamkeit des Habitatbaum-, Totholz- und Waldschutzgebietskonzepts: bestehende Instrumente (Habitatbaumflächen, Lichter Wirtschaftswald, Naturwald) optimieren

Koalitionsvereinbarung niedersächsische Landesregierung:Landesweit sollen besonders schützenswerte Wälder oder Waldstücke mit alten und wertvollen Baumbeständen identifiziert und aus der Nutzung genommen werden.

Erlass ML 06.06.2014:„Die Landesregierung verfolgt das Ziel, auf der Grundlage der Ergebnisse des .. F+E-Vorhabens (NWE5) einen Beitrag Niedersachsens zur NBS zu leisten und sukzessive … (einen) Anteil von Wäldern mit natürlicher Entwicklung … (von) 10 % der Landeswaldfläche zu erreichen.“

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� Wald oder waldfähige Flächen

� ≥ 0,3 ha

� rechtliche bzw. vertragliche Sicherstellung oder dokumentierte Eigenbindung

� unabhängig von der aktuellen Naturnähe

Definition Wald mit natürlicher Entwicklung

� dauerhaft ohne Nutzung und Pflege

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a) Prozessschutz

b) naturnah

c) ursprünglich

d) Mindestgröße

e) keine menschlichen Einflüsse

Wildnisdefinitionen in Europa

Wilderness (Wild Europe 2013)

a) eingeschränkte Naturnäheb) geringere Flächec) menschlich beeinflusst

Wild Areas (Wild Europe 2013)

Aldo Leopold (* 11. Januar 1887 in Burlington, Iowa, USA; † 21. April 1948 in Baraboo, Wisconsin, USA), US-amerikanischer Forstwissenschaftler, Wildbiologe, Jäger und Ökologe

„Wildnis ist eine Absage an die Arroganz des Menschen“ (Aldo Leopold)

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Wildnis in der NBS

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NWE: Status quo in DeutschlandFlächenumfang

1,9 %2,3 %

3,0 %

Start F+E NWE5

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Möglichkeiten zur Umsetzung des 2 % Ziels für Wildnisgebiete

� Wildnisgebiete (WG) und Wildnisentwicklungsgebiete (WEG) sind immer großflächig (> 500 bzw. > 1.000 ha), unterscheiden sich aber anhand ihrer Naturnähe.

� Das (theoretische) Potenzial für WG beträgt 517.000 ha (360.00 ha Wald) und für WEG 739.000 ha (343.000 ha Wald aktuell, 150.000 ha waldfähig)

� Die Überlagerung des Potenzials mit bestehenden Schutzgebieten liegt bei 84.000 ha im Fall von Nationalparken und bei 92.000 ha im Fall von Biosphärenreservaten

� Die Überlagerung mit bestehenden NWE > 1.000 ha beträgt 52.000 ha (60 %)

Quellen: Opitz et al. (2015), Spellmann et al. (2015), Rosenthal et al. (2016)

Ergebnisse Forschungs- und Entwicklungsvorhaben des BFN

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Chronologie Niedersachsen

� Projekt NWE5: 2011-2013

� „Hotspotprozess“ in den Niedersächsischen Landesforsten ab 2011

� 2007: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt

� Öffentlichkeitsbeteiligung NWE (Website: NWE-Kulisse 2015)

� Beschluss der nds. Landesregierung 2014: 10 % Wälder mit natürlicher Entwicklung im landeseigenen Wald

� 22.04.2016: Naturschutzfachliche und ökonomische Bewertung NWE-Vorschläge

Wälder mit natürlicher Entwicklung in den NLF

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Flächenbestand

StandFläche

[ha]

2013 17.000

Dezember 2014 24.300

Oktober 2015 24.100

+ NP Harz*1 27.600

*1 Kernzonenausweitung des NP Harz bis 2022 auf 75 %

Wälder mit natürlicher Entwicklung in den NLF

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45 Jahre Wälder mit natürlicher Entwicklung in Niedersachsen

2007: NBS 10 % NWE Landeswald

Nationalpark Harz

Ziel: 1 % Naturwald in den Landesforsten

1.000 ha (0,3 % der Landesforsten)

Naturwaldreservate

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Der Walderwartungswert der rund 213.000 ha NWE-Gebiete beträgt 3,9 Mrd. EUR.

Abkürzungen:Aln = PionierbaumartenaNH = andere NadelbäumeAlh= Edellaubbäume

Contra NWE

Baumarten- und Bonitätsverteilung der Wälder mit natürlicher Entwicklung in Deutschland (Datengrundlage: Wildmann et al. 2016)

Ökonomische Effekte

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nach: ZMP (2008) und Seintsch (2010)

Contra NWE?Ökonomische EffekteHolzmarkt: Handelsbilanz, Verbrauch und Einschlag

Einschlag

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Dieter et al. 2008

Contra NWE?Ökonomische Effekte

Holzaufkommen 2020

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Speicher-funktion

Senken-funktion

Substitutions-effekt

Primärwälder ++ 0 ? 0

Sekundäre Naturwälder + ++ 0

Extensive Nutzung + + +

Intensive Nutzung - 0 ++

„… erscheinen pauschale Aussagen wie die, dass mehr Holznutzung oder, im Gegenteil dazu, Nutzungsverzicht besser für das Klima seien, nicht haltbar.“ (Rüther 2011)

Contra NWE?Klimaschutz

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Totholzmenge: Vergleich Nationalpark Kellerwald – Urwälder

Pro NWE

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MVP = Minimum viable population = Populationsgröße, die erforderlich ist, um das Überleben der jeweiligen Art mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu gewährleisten.

Anzahl vermehrungsfähiger Individuen von Wirbeltieren, um Überleben über 40 Generationen zu sichern:50 % Wahrscheinlichkeit = 550 99 % Wahrscheinlichkit = 7.000 (nach Reed et al. 2003)

Unterschiedliche Arealansprüche:� Weißrückenspecht = 18.000 – 25.000 ha totholzreiche Laubholzbestände für 250 Brutpaare erforderlich (Bollmann & Müller 2012)� Eremit: hervorragender Erhaltungszustand bei mehr als 30 besiedelten Bäumen (Neukirchen et al. 2005)

Populationsgröße und Überlebenswahrscheinlichkeit

Überlebensfähige Populationen

Pro NWE

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Wer suchet, der findet?

Urwaldreliktarten in Hessen im 19.ten Jahrhundert im Vergleich zu heute (Meyer et al. 2015)

1840-1866

1990-2014

Art

enza

hl U

rwal

drel

ikta

rten

Käf

er

Anzahl Individuen

Pro NWEWiederherstellung gefährdeter Artenvielfalt

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Landschaftsgeschichte

Regional hoher Waldanteil im 16. Jh. (Karte des Würzburgischen Hofmalers Jacob Cay, aus dem Jahr 1584, die den Grenzverlauf zwischen dem Dorf Wüstensachsen und dem würzburgischen Amt Fladungen zeigt und als Unterlage in einem Grenzstreit zwischen dem Hochstift Würzburg und der Familie von Thüngen vor dem Reichskammergericht in Speyer diente).

„Holtz im Überfluß“

„Holz und Sorgen wachsen alle Morgen.“(mittelalterliches bäuerliches Sprichwort)

Pro NWEGefährdungsursachen

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„… gewaltigen Forstkomplexes mit fast urwaldartigen Zuständen. … wies damals das Plateau ausgedehnte Bruchflächen auf. Infolge der starken Weidebelastungen … bestand ein großer Teil der Reviere aus Hutflächen, die jedoch einen gänzlich verwilderten Charakter trugen. Die sanften Abdachungen hingegen bargen bis in die 1860er Jahre hinein noch gewaltige Vorräte alter und selbst überalter Buchenbestände. Vorzugsweise zeichnete der gesamte Solling sich damals aber noch aus durch mehrhundertjährige Eichenbestände in einer so raumen Stellung wie sie nur ein solcher servitutenreicher Wald zulassen konnte."aus: Stolze (1911), zit. n. Scherner (1977)

Der Solling im 19. Jh.

Pro NWEGefährdungsursachen

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o Die großflächigen mittelalterlichen Rodungen, die regional intensive neuzeitliche Nutzung und die Verfolgung von Arten dürften zu einem deutlichen Rückgang der waldgebundenen Biodiversität geführt haben.

o Mit der flächendeckenden Einführung der Hochwaldwirtschaft, dem verstärkten Nadelholzanbau und der räumlichen Homogenisierung der Nutzungsart und –inten-sität im 19.ten und 20.ten Jahrhundert hat die Gefährdung von Arten reifer, naturnaher Laubwälder, kulturhistorischer Wälder und von Wäldern auf Extremstandorten nach gegenwärtiger Einschätzung zugenommen.

o Dieser Trend könnte in den letzten Jahrzehnten durch eine zunehmend naturschutzorientierte Waldbewirtschaftung aufgehalten worden sein.

o Allerdings stehen dieser Entwicklung neuere Gefährdungsfaktoren gegenüber: N-Einträge, Klimawandel und möglicherweise eine zukünftige Nutzungsintensivierung

Pro NWEGefährdungsursachen

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Zahlreiche Studien belegen den hohen naturschutzfachlichen Wert sich selbst überlassener Wälder für die Erhaltung einer typischen Biodiversität.

Als zentral wichtige Faktoren haben sich die Habitatkontinuität (Wald- und Strukturkontinuität) und Strukturen reifer Wälder erwiesen.

Der passive Wiederherstellungsprozess durch dauerhafte Stilllegung eines bewirtschafteten Waldes wird je nach Ausgangssituation Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauern.

Wälder mit natürlicher Entwicklung sind ein Beitrag zur Daseinsvorsorge = Nachhaltigkeit einer multifunktionalen Forstwirtschaft!

Warum Wälder mit natürlicher Entwicklung?

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großräumig segregativ

kleinräumig segregativ

großräumig integrativ

Modell-Landschaften mit gleichen Anteilen von zwei Waldfunktionen (Funktionen = gelb und blau, grün = Kombination beider Funktionen)

Quelle: images.google.de

Differenzierte Landnutzung nach Haber als Lösungskonzept: Ein ausreichender Anteil an Vorrangflächen (Produktion/ Naturschutz) in einer

überwiegend integrativen Matrix

Strategien für den Waldnaturschutz

NaturschutzForstwirtschaft

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Naturschutzfachliche Bewertung von Schutzgebieten

nach: Primack, R. B. (2014): Essentials ofConservation Biology.

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Hotspot-Prozess

� Norman Myers: die biologisch vielfältigsten und am stärksten gefährdeten Gebiete der Erde � Ziel: möglichst effektiver Einsatz der Ressourcen zur Erhaltung der Artenvielfalt� Übertragung auf die regionale Ebene im Wald: Zentren der typischen Arten- und Lebensraumvielfalt

Foto: Zietz

� Anwendung: reife, naturnahe Wälder (Alters- und Zerfallsphasen) � Extreme Lebensräume (Trocken- und Nasswälder)

AFZ/Der Wald, 15, 2009

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Osmoderma eremita

Arten als Indikatoren der Alters-und Zerfallsphase

Sachdaten als Hilfsgrößen zur Vorhersage der Habitateignung

Fragestellung:

Auf welchem Weg können Biodiversitätszentren der Alters- und Zerfallsphase identifiziert werden?

Hotspot-Prozess

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Habitatmodelle: Datengrundlagen (Hess. Ried)

Hotspot-Prozess

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1. Modellgestützte Identifikation von Hotspots für die Erhaltung derBiodiversität der Alters- und Zerfallsphase naturnaher Wälder und dieLebensgemeinschaften auf extremen Standorten

2. Entwicklung eines Verfahrens zur Vor-Ort-Prüfung von Hotspots;Erarbeitung prüfungsrelevanter Unterlagen in Karten- undTabellenform

3. Vergleichende Bewertung der modellgestützten Identifikation undder Vor-Ort-Prüfung

4. Erarbeitung einer repräsentativen Flächenkulisse für Hotspots inVarianten unterschiedlichen Flächenumfangs

Hotspot-Prozess

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Recherche und Aufbereitung punktgenauer Artdaten im Wald der NLF

Habitatmodellierung für 7 Arten(gruppen):

� Mittel- und Kleinspecht: strukturreiche reife Laubwälder (NLWKN 2010)

� Hohltaube und Schwarzspecht: Artenvielfalt Höhlenbesiedler (NLWKN 2010)

� Grauspecht: struktur- und grenzlinienreicher Laub- und Mischwälder (NLWKN 2010)

� Käfer der Alters- und Zerfallsphase (Möller 2005, Müller et al. 2006)

� Habitatkontinuität anzeigende epiphytische Waldflechten (Schmidt et al. 2011, Wirth 2011)

� Naturnähezeiger Pilze (Blaschke et al. 2011)

� Fledermäuse strukturreicher Laubwälder (NLWKN 2010, BFN 2003)

Hotspot-Prozess

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Punktbewertung der forstlichen Beschreibungseinheiten je Artengruppe:

0 = Habitateignung fehlend oder gering

1 = geeignet

2 = optimal

Gesamtwert = Summe der gruppenweisen Punktbewertungen

Vor-Ort-Prüfung ab Punktsumme von 3 bzw. bei 1 und 2 nur der älteren Bestände

Hotspot-Prozess

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Punkt-summe

Fläche [ha]

Flächenanteil kumulativ

[%]

10 4 <0,05

9 121 <0,05

8 353 0,2

7 1.176 0,5

6 2.509 1,4

5 3.565 2,5

4 5.637 4,3

3 7.751 6,8

2 20.839 13,6

1 29.539 23,2

0 237.230 100,0

308.724

Flächenumfang je Wertstufe

+ 4.644 ha besonders geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG (Datenbasis = Waldbiotopkartierung)

Hotspot-Prozess

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Hotspot-ProzessMaximalalter

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Hotspot-ProzessÜbernahmequote

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Vergleichende Bewertung NWE 2013-2015Repräsentativität der Waldgesellschaften

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Größenklassen

Vergleichende Bewertung NWE 2013-2015

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Perspektiven

Lückenschluss: differenziertes, ausgewogenes NWE-System unter Berücksichtigung ökonomischer Effekte

weitere Ziele der NBS/des Landes berücksichtigen: • 5 % gesamter Wald, 10 % öffentlicher Wald• 2 % Wildnisgebiete• Eichenwälder• integrativer Waldnaturschutz• kulturhistorische Wälder• Moorwälder (Wiederherstellung)• …

Einbeziehung anderer Waldbesitzarten

Finanzieller Ausgleich für NWE

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Strategien für den WaldnaturschutzIntegration auf kleiner Fläche Der LÖWE-Wald in einer Fledermaus-Nacht

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Differenzierte Landnutzung am Beispiel der Waldlandschaft Solling

Strategien für den Waldnaturschutz

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Hotspot-Prozess

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Auswahl und Bewertung von Hotspots

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Hotspots Habitatmodellierung+ Sonderbiotope der WBK Prüfung Habitatbaumflächen

Vor-Ort-Prüfung, ggf. Ergänzung und bilaterale Abstimmung FA-BL der NLF

Hotspot-Bestand bestätigt

Pflegetypen des LÖWE-Waldschutzgebietskonzepts (15-20 Habitatbäume je ha)

NWE der NLF 2014

NWE-Bestand Mitte 2013

Habitatbaumflächen

gesetzte Flächen: Naturwälder, Naturdynamikzone NP, … etc.

10 % NWE in den landeseigenen Wäldern

Lückenschluss

Einführung: Weiterentwicklung Naturschutzvorrangflächen

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Auffassung und Quantifizierung von Repräsentativität

Quantifizierung durch Proportionalitätsquotient = Verhältnis zwischen dem Anteil in der NWE-Kulisse und dem Anteil im Wald insgesamt

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Literaturtipps

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Studie Buchenwald-Überschirmung

Häufigkeitsverteilung der Kronenschlussgrade

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Studie Buchenwald-Überschirmung

Kronenschlussgrade in Abhängigkeit von Alter und Nutzung

Wirtschaftswälder Totalreservate

aus: Meyer et al. (2016): Kronenschluss und horizontale Struktur in Buchen-Altbeständen. AFZ/Der Wald, 9, 42-45

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Wildniskontinuum (European Wilderness Society 2014)

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Die Meinung der Bevölkerung (BMUB 2014)

Bei der Frage „Wie viel Wildnis?“ plädieren Bürger mit geringerem Bildungsstand, weniger häufig für mehr Wildnis. Diese Gruppe ist aber stark unterrepräsentiert …

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Die Meinung der Bevölkerung (BMUB 2014)

Es handelt sich um Aussagen derjenigen Bürger, die mehr Wildnis wollen; dabei Bürger mit geringem Bildungsstand, die weniger häufig für mehr Wildnis plädieren unterrepräsentiert.

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Status Quo Waldnaturschutz

Naturschutzfachliche und ökonomische Bewertung der Wälder mit natürlicher Entwicklung in Deutschland

Naturschutzfachlicher Wert

Ökonomischer Wert

NWE2013

NWE2013

NWEZukunft

NWEZukunft

+ -

+-

Durch mehr systematische Planung lässt sich die zukünftige NWE-Kulisse optimieren:

Kombination von hohem naturschutzfachlichen Wert mit mäßigen forstwirtschaftlichen Ertragseinbußen

?

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Nordostdeutsches Tiefland: 3,5 %

Östliches Mittelgebirge: 2,5 %

Alpenvorland: 0,3 %

Alpen: 3,9 %

Nordwestdeutsches Tiefland: 1,2 %

Westliches Mittelgebirge: 2,1 %

Südwestdeutsches Mittelgebirge: 0,8 %

NWE: Status quo in Deutschland