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1 WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH «Wo ist der neugeborene König der Juden?» VON DER GEBURT UND DER SEHNSUCHT, NEU GEBOREN ZU WERDEN THEMA: 70 Jahre Dialog Von der Geburt Geburt im Geist DIE WIEDERGEBURT JUDEN UND CHRISTEN HEBAMME IM TOGGENBURG 1 12 6 1 1 DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE DES KANTONS ST.GALLEN www.kirchenbote-sg.ch SEITE 2 UND SEITE 4 SEITE 6 SEITE 15

«Wo ist der neugeborene König der Juden?» · kann denn ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht ein zweites Mal in den Schoss der Mutter gelangen und geboren

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Page 1: «Wo ist der neugeborene König der Juden?» · kann denn ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht ein zweites Mal in den Schoss der Mutter gelangen und geboren

1WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH

«Wo ist der neugeborene König der Juden?»

VON DER GEBURT UND DER SEHNSUCHT, NEU GEBOREN ZU WERDEN

THEMA:

70 Jahre Dialog Von der GeburtGeburt im GeistDIE WIEDERGEBURT JUDEN UND CHRISTEN HEBAMME IM TOGGENBURG

112 611

DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE DES KANTONS ST.GALLEN www.kirchenbote-sg.ch

SEITE 2 UND SEITE 4 SEITE 6 SEITE 15

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Der Mensch hat eine biologische Herkunft, aber auch eine, die ihn mit seinem Schöpfer, dem Geist Gottes, verbindet. Bergkreuze erinnern daran, dass Himmel und Erde sich im Menschen begegnen und Erneuerung vom oben her möglich ist.

Liebe Leserin, lieber Leser

Schon liegt der erste Advent hinter uns.

Es geht auf Weihnachten zu mit all den

schönen Traditionen und Bräuchen, dem

Adventskranz, Weihnachtsmärkten, Konzer-

ten, Gebäck, Geschenke einkaufen … und

dann die beliebten Gottesdienste und die

Familienfeiern an den Weihnachtstagen.

Dieses Brauchtum in der Zeit der Sonnen-

wende hat sich aus biblischen und natürli-

chen Motiven entfaltet, sich teils aber auch

verselbstständigt, den eigentlichen Sinn

überlagernd oder gar verdeckend.

Unsere Bilder von Krippenspielen rufen die

biblischen Erzählungen rund um die Geburt

Christi in Erinnerung. Wie schön, wenn

diese Tradition in Kirchgemeinden fortlebt –

mit immer neuen Spielen und Requisiten

dank vieler Helferinnen. Welch anschauli-

che Verkündigung der Botschaft, wenn Kin-

der in die Rolle der Eltern Jesu, der Hirten

oder der Könige schlüpfen und dem «neuge-

borenen König der Juden» huldigen! Davon

erzählen heute in vielen Privathäusern

auch Krippenfiguren unter dem Christbaum.

Die Geburt jedes Menschen ist an sich

schon ein Wunder. An Weihnachten aber

blickt die Christenheit auf eine Geburt, die

nicht nur eine globale Zeitrechnung begrün-

det hat. Diese Geburt künden die Engel auf

dem Hirtenfeld an «als grosse Freude, die

allem Volk widerfahren wird». – Aber wie

können wir diese Engelsbotschaft verneh-

men, etwas von dieser Freude erfahren?

Dazu muss auch etwas mit uns geschehen.

Stammeskulturen und antike Mysterien

kannten Rituale, in denen Menschen durch

tiefe Erfahrungen gingen und so wie neu

geboren wurden. Lesen sie nebenan, wie

auch Jesus von einer Wiedergeburt sprach,

die zu einem neuem Sehen führt. Und unser

Reformator Zwingli hat erfahren und be-

schrieben, wie wir samt unserer Nation aus

dem Geist Gottes neu

geboren werden kön-

nen – siehe Seite 4.

Prägnant formulierte

der katholische Barock-

dichter Angelus Silesius

dazu die Verse: «Und

wäre Jesus 1000 Mal in

Bethlehem geboren und

nicht in dir, so bliebst

du doch verloren.»

Geboren werden, um zu sehen Jesus und Nikodemus oder wie Denkmuster Verstehen behindernText: Pfrn. Christina Nutt, Azmoos | Bild: Bergkreuz im Alpstein oberhalb Wildhaus

«Jesus entgegnete ihm: Amen, amen, ich sage dir:

Wer nicht von oben geboren wird, kann das Reich

Gottes nicht sehen. Nikodemus sagt zu ihm: Wie

kann denn ein Mensch geboren werden, wenn er

alt ist? Er kann doch nicht ein zweites Mal in den

Schoss der Mutter gelangen und geboren wer-

den?» Johannes 3,3+4 (Zürcher Übersetzung)

Aus dem Dunkel der Nacht taucht dieser Nikode-mus bei Jesus auf. Nikodemus ist nicht irgendei-ner. Er zählt zu den Pharisäern, ist Mitglied des Hohen Rates. Ihm ist die Verankerung des Glau-bens im täglichen Leben wichtig und er gehört der obersten jüdischen religiösen und politi-schen Behörde an. Ihm imponiert Jesus. Mit dem, was er sagt. Mit dem, was er wirkt. Das kann nur jemand, der mit Gott in Beziehung steht.

VON OBEN GEBOREN WERDENWeiter kommt Nikodemus nicht. Jesus ergreift das Wort: «Wer nicht von oben geboren wird, kann das Reich Gottes nicht sehen.» Fast scheint es, als unterbinde Jesus mit diesem Satz die schnelle und leichtfertige Rede von Gott.

Wer von Gott sprechen will, der muss eine Be-dingung erfüllen. Er müsse von oben geboren werden, sagt Jesus. So wie Menschen gewöhn-lich funktionieren, das reicht nicht aus. Dafür braucht es etwas mehr. Etwas Neues. Eine neue Dimension. Einen neuen Anfang.

UNVERSTÄNDNISNikodemus kommt da nicht mit. Mit Händen greifbar ein Fragezeichen in Person. Er ist ja nicht auf den Kopf gefallen. Aber das übersteigt seinen Verstand. Noch einmal geboren werden?

Als Erwachsener noch einmal in den Bauch der Mutter? Das geht nicht!

Nikodemus versteht Jesus nicht. Kann Jesus nicht verstehen. Denn er bleibt ganz bei dem, was er kennt. Er bewegt sich ganz in bekannten Denkmustern. Denkmustern, die beanspruchen, auch auf Glaubensdinge anwendbar zu sein. Für einen so seltsamen, jeglicher Vernunft wider-sprechenden Satz gibt es darin keinen Platz.

NEU SEHENJesus und Nikodemus reden vom Gleichen. Und doch versteht Nikodemus Jesus nicht. Er kann die Botschaft von Jesus für sich nicht entschlüs-seln. In seinem Gedankengebäude verharrend entgeht ihm, dass es draussen noch mehr gibt als eigene Gedankenschusterei. Gerade in Glau-bensdingen.

Da zählt nicht Wissen. Da zählt vertrauender Glaube. Der Glaube, dass alles Sein Ursprung und Ziel in Gott hat. Dass Gott Ja sagt zum Le-ben, zum Menschen, zu mir. Dass Gott so in der Welt ist und in die Welt kommt. Vertrauender Glaube sieht anders, sieht neu. Sieht alles Sein und Leben aufgehoben in Gott und den Men-schen anvertraut, gut zu gestalten.

Advent und Weihnachten ermutigen mich, mein Gedankengebäude zu verlassen. Mich in vertrau-endem Glauben zu üben. Und dabei anders und neu zu sehen. Ganz so, wie es ein Weihnachtslied besingt: «Das Kind im Stall soll dir geboren wer-den. Du weisst nicht wie? Zünd deine Lichter an und trau darauf, dass jeder Ort auf Erden ihm Stall und Stroh und Krippe werden kann.»

Andreas Schwendener

EDITORIAL IM ANFANG

AUSGABE 12/20162

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Die Feiern zum 500-Jahr-Jubiläum nehmen weiter Fahrt auf. Am 3. November startete in Genf ein Truck auf den Europäischen Statio-nenweg. Die Tour führt durch 19 europäische Länder. Das Geschichtenmobil macht Halt in 66 Städten – und in Wildhaus. Den Abschluss des Stationenweges bildet die Lutherstadt Wittenberg am 20. Mai 2017, wenn dort die Weltausstellung Reformation «Tore der Frei-heit» eröffnet wird.

«Wir sind zwar keine Stadt, aber mit der Refor-mation hat Wildhaus viel zu tun», antwortet Hans-Ulrich Knaus, Kassier der Kirchgemeinde Wildhaus Alt St.Johann, auf die Frage, wie das Toggenburger Dorf auf die Liste der Reformati-onsstädte gekommen ist. Knaus weiter: «Wir vom Verein Reformationsjubiläum Toggenburg haben uns einfach beworben – und wurden als Station auf dem Stationenweg anerkannt. Wir haben nicht nur mit Zwingli geworben, sondern vor allem mit dem Argument, dass die Reformation in der Schweiz auch eine Angelegenheit der ländlichen Gemeinden war.»

DER TRUCK IN WILDHAUSSo wird nun der Truck mit seiner mobilen Re-formationsausstellung nach Genf, Lausanne, Neuenburg und Basel am 22. Dezember in Wild-haus zu Gast sein. Multimedial werden darin Geschichten zur Reformation präsentiert. Jede und jeder kann auch eigene Reformationsge-schichten erzählen – als Video, Audio, als Text oder Collage. Die Reformationsstädte – samt Wildhaus – können zudem mit einer App elekt-ronisch entdeckt werden. Mit dem Stationen-weg will das Partnerschaftsprojekt europäi-scher Kirchen und Städte das Zusammenspiel von Kunst, Kultur und Spiritualität fördern.

«Wir sind Geborene» – Wildhaus als Ort des europäischen StationenwegsText und Foto: pd/as

Wildhaus ist vom 21.–23. Dezember 2016 eine Etappe auf dem Europäischen Stationenweg wichtiger Reformationsstädte

Und der Tourismus soll als Nebeneffekt vom Stationenweg profitieren können.

GEWINN FÜR «TOGGENBURG TOURISMUS»Auch Sonja Fuchs von «Toggenburg Torusimus» ist im «Verein Reformationsjubiläum Toggen-burg» aktiv. Die Tage vor Weihnachten, sagt sie, seien touristisch eher ruhiger. Sie glaubt nicht, dass Wildhaus wegen der vielen Veranstaltun-gen vom 21.–23. Dezember überrannt werden wird. Trotzdem sieht sie den Anlass als eine riesige Chance: «Der Name Wildhaus wird in ganz Europa im Zusammenhang mit dem Stati-onenweg ins Bewusstsein geführt.» Selbst die

IM BRENNPUNKT

Station auf dem Weg der Reformationsstädte: das ländliche Dorf Wildhaus. Im Hintergrund die Churfirsten.

NZZ habe in einem ganzseitigen Artikel den Sta-tionenweg dargestellt und besprochen.

THEMA «GEBURTLICHKEIT»Pfarrer Hans-Jörg Fehle und seine Frau Ina Prae-torius haben viel zum Wildhauser Motto «Wir Menschen sind Geborene» beigetragen. Fehle sieht Bezüge zur Geburt Zwinglis in Wildhaus, aber auch zur Geburt einer neuen Epoche des Christentums, angestossen durch die Reforma-tion. Nicht zuletzt verweise die vorweihnächtli-che Station auch auf die Geburt von Jesus.

Mehr Infos: https://r2017.org

Zum Festprogramm in Wildhaus

MITTWOCH, 21. DEZEMBER 17.30 Uhr: Eröffnung und offizielle Begrüssung sowie Unterhaltung mit der Bürgermusik Wild-haus im Panoramazentrum Gamplüt

20 Uhr: Filmvorführung «Huld und Schuld» – Musical der Kantonsschule Wattwil im Mehrzweckgebäude Chuchitobel

DONNERSTAG, 22. DEZEMBER10–17.45 Uhr: Geschichtenmobil 10–12, 14–16 Uhr: Besichtigung Zwingli Ge-burtshaus und Ausstellung im Hotel Alpenblick

10.30 Uhr: Wir Menschen sind Geborene – Gespräch mit Dr. Ina Praetorius über die Geburtlichkeit des Lebens (Hotel Friedegg)

13.30 Uhr: Präsentation Schulprojekte zum Thema Reformation im MZG Chuchitobel

15 und 16.30 Uhr: Workshop I in der Zwingli–stube: Vo Gofe, Prinze und Prinzessine – Heb-ammen erzählen vom Gebären im Toggenburg. Workshop II in der evang. Kirche: Wie war das genau? – Episoden der Toggenburger Reforma-tionsgeschichte mit Pfarrer Walter Hehli

16.30 Uhr: Workshop III: Welche Kirche in der Zukunft? (Kath. Kirche) Podium mit Dr. Christi-na Aus der Au, Pastoralamtsleiter Franz Kreissl und Kirchenratspräsident Martin Schmidt

17.45 Uhr: Vesper-Andacht mit Pfarrer Tobias Claudy in der evang. Kirche

ab 20 Uhr: Togg. Stubete, Grussworte, Volks-musik, Tanz, Festwirtschaft: MZG Chuchitobel

FREITAG, 23. DEZEMBER, VORMITTAGS: Verabschiedung beim Geschichtenmobil

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4 AUSGABE 12/2016

Neugeburt des Einzelnen und des Landes

Wurzelgrund der Schrift. Eine Pflanze ohne Wur-zeln könne nicht wachsen, ebenso müsse man «dem Worte Gottes seine Natur belassen, dann

gebiert es in dir und mir den gleichen Sinn.» «Je tie-fer nämlich der göttliche Sinn im Verstand heraus-

gearbeitet und bewegt wird, desto tiefer schlägt er seine Wurzeln ins Herz.» Zwingli spricht von einer «geistlichen, gottgeschenkten Schwanger-schaft», die aus dem Hören auf Gottes Wort er-wachse, von einer Neugeburt aus dem Geist.

Die Nonnen vom Kloster Oetenbach sollen bald nach dieser Predigt das Kloster und ihr monas-tisches Leben verlassen haben.

NEUGEBURT DER EIDGENOSSENSCHAFTDie evangelische Predigt, welche anstelle der kirchlichen Heilsvermittlungen den direkten Weg zum Heil verkündete, war dem Bischof in Konstanz und auch den weltlichen Obrigkeiten suspekt – vor allem die fünf alten Orte in der

Zwingli entdeckte neu den Wert der Schrift und der Bibellektüre. Seine wesentliche und ihn überwältigende Entdeckung war aber das, wovon die Schrift zeugt: Gottes Güte, die seit Anfang der Schöpfung alles dafür tut, dass der Mensch aus Gottes Wort und Geist neu gebo-ren wird und ihn, Gott, erkennen und genies-sen kann. Das verändert auch die Welt.

Zwingli lebte adventlich – in der Erwartung grosser Veränderungen für Einzelne und für die Eidgenossenschaft. Er hat in Zürich als Leutpriester am Grossmünster erfahren, welch Potential in der biblischen Botschaft steckt – Gott erfüllt jetzt seine Verheissungen und giesst seinen Geist aus über alles Volk.

DAS ERNEUERNDE WORT GOTTES1522 erlaubte ihm der Rat in Zürich, den Domi-nikanerinnen im Kloster Oetenbach über «die Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes» zu predigen. Die später aufgeschriebene und aus-gebaute Predigt wettert nur nebenbei über kirchliche Missstände, welche die Verbindung zwischen Gott und Mensch verstellen. Primär zeigt Zwingli auf, wie Gott den Menschen so erschaffen hat, dass er Gott suchen, erkennen und seinem Willen folgen kann – wie es in der Bibel verheissen ist. Gott spricht seit jeher klar und gewiss zum Menschen, seinem Ebenbild. Diese innere Führung des «Gemüths» durch himmlische Inspiration hat demnach schon die Erzväter bestärkt, die Propheten zu ihrer Gesellschaftskritik angeleitet, die poetischen Bibeltexte inspiriert oder Maria die Geburt des Erlösers im Voraus wissen lassen.

Für Zwingli hat Christus nicht etwas ganz Neues in die Welt gebracht. Durch Gottes Menschwerdung ist aber das, was Gott von Ewigkeit her für die Menschen ist, uns verdeut-licht, «versüsst» und zu-gänglicher gemacht wor-den. Gott sucht uns, ja er zieht uns zu sich. Das er-möglicht einen Glauben, in dem sich Gott ohne kirchliche Vermittlung zeigt. «Das Wort Gottes, das Gott selbst ist, erleuchtet alle Menschen.»

WIEDERGEBURT DES EINZELNENDie Möglichkeit, im Glauben in eine direkte Beziehung zu Gott zu finden und so aus seinem Geist zu leben, schien für Zwingli in seiner Zeit neu erfahrbar zu werden. Ausgangspunkt für den spirituellen Weg hin zu den frei fliessenden Gnadengaben Gottes ist für Zwingli die Bibel.

Beim Hören auf das Wort Gottes sollen eigene Vorstellungen zurücktreten, damit man mit dem wahren Evangelium, von dem die Bibel zeugt, in Kontakt kommt – also mit dem himmlischen

«Das Wort Gottes, das Gott selbst ist, erleuchtet alle Menschen.»

THEMA

Innerschweiz wehrten sich gegen Pfarrer, welche von der neuen Lehre «infiziert» waren.

Zwingli hatte aus dem Alten Testament er-kannt, wie Gott sich auch der Politik bedient, um sein Volk zum Heil zu leiten. So ist es nicht verwunderlich, dass er Zürich in Absprache mit dem grossen Rat zur Reformation führte und in Kontakt trat mit anderen Städten, ja auch mit einem Landgrafen im Norden und mit dem französischen König. Stets predigend.

Zwingli sah sich als Propheten. Darum durfte er gegen die Regeln der Eidgenossenschaft ver-stossen, wenn es um den heiligen Auftrag ging, die biblische Predigt auch in der Innerschweiz zu ermöglichen. Er sah eine im Geist der Bibel erneuerte Eidgenossenschaft vor sich. Doch diese Vision wurde dann – wie oft – politisch missbraucht, konkret durch die Zürcher Macht-politik in den Untertanengebieten. So kam es zum Krieg und Zwingli starb tragisch im Kampf für die Neugeburt seines Landes.

Gottes Wort ergeht klar, und oft sind es die Geringsten, die es vernehmen – Verkündigungsengel bei den Hirten.

Über Zwinglis Predigt «Die Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes» von 1522 bei den Dominikanerinnen im Kloster OetenbachText: Andreas Schwendener | Foto: Daniel Ammann

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Was es heissen kann, im Leben nicht nur die «Sterblichkeit» des Menschen, sondern auch seine «Geburtlichkeit» vor Augen zu haben Text: Ina Praetorius, Wattwil | Foto: Daniel Ammann

THEMA

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«Ulrich Zwingli wurde als Sohn des Johann Ulrich Zwingli und der Margret Bruggmann am 1. Januar 1484 in Wildhaus im Toggenburg geboren.»

An diesem Satz ist nichts Ungewöhnliches, denn mit den Eltern, dem Geburtsdatum und dem Geburtsort beginnt fast jede Biografie. Meistens folgen ein paar Sätze über das Milieu, in dem ein Mensch aufgewachsen ist, über Kindheit und Jugend. Und dann kommt das Eigentliche: Reisen, Konflikte, Schriften, Schlachten, Siege, Wirkungen, Tod.

Was wäre, wenn wir einmal etwas länger als üblich beim ersten Satz einer Biografie verwei-len würden? Zum Beispiel derjenigen Ulrich Zwinglis, oder unserer eigenen? Etwa dann, wenn der Reformations-Truck vom 21. bis 23. Dezember 2016, kurz vor dem göttlichen Geburtsfest, in Wildhaus verweilen wird, ganze sechsunddreissig Stunden lang. Das ist unge-wöhnlich viel Zeit zum Nachdenken über unser aller Geburtlichkeit.

DIE BEDEUTUNG DES GEBORENSEINSGeboren zu werden bedeutet, als ganz und gar abhängiger Neuankömmling aus dem Leib ei-nes Menschen der vorangegangenen Genera-tion in die Welt einzutreten. Ungefähr neun Monate hat jede und jeder von uns im mütterli-chen Körper zugebracht, bevor wir «zur Welt gekommen» sind. Die Mutter ihrerseits ist Tochter einer Tochter einer Tochter. Ebenso wenig wie der Vater ist sie «Erzeugerin» des Kindes. Sie hat etwas entgegengenommen, des-sen Ursprung ihr verborgen bleibt. Sicher: Heu-te sagen uns Biologen, die Einzigartigkeit jedes Menschen sei in der Kombination aus mütter-lichen und väterlichen Genen begründet. Aber woher kommen die Gene? Wer entscheidet, welche sich mit welchen zusammentun? Und woher kommt das Leben selbst?

Nach der Geburt wird die Nabelschnur durch-trennt. Das heisst allerdings nicht, dass der Mensch «unabhängig» würde. Im strengen Sin-ne wird kein Mensch je unabhängig. Realisti-scher ist die Vorstellung, dass wir alle aus dem einen in einen anderen Mutterleib hinein gebo-ren werden: in den grossen Mutterleib Welt. Ob einer Ulrich Zwingli oder Steve Jobs, ob eine Hillary Clinton oder Maria von Nazaret heisst: alle bleiben vom ersten bis zum letzten Tag ih-res Lebens abhängig von Luft und Wasser, von Erde, Pflanzen und Tieren, von der Fürsorge ih-rer Mitmenschen, von schützenden Gemeinwe-sen und von Regeln, an die sich alle mehr oder weniger halten. Zwar lernen die meisten, selbst zu stehen, wegzugehen, zu sprechen und in be-zogener Freiheit ein Stück Welt zu gestalten.

«Man hat den Anfang zu bedenken vergessen.»

Aber alle bleiben ihr Leben lang Töchter und Söhne, eingeordnet in Generationengefüge, Geschichten und Kulturen, aus denen sie nur begrenzt ausbrechen können. Ist denn ein Ulrich Zwingli vor-stellbar, der nicht am 1. Januar 1484 in Wildhaus geboren wä-re? Ist irgendetwas von dem, was der Geburt folgt, unabhängig vom Anfang? Gibt es einen Menschen, der erzählen könnte, wie es sich lebt, ohne geboren worden zu sein?

DAS GEBORENE GÖTTLICHEEs ist seltsam, dass wir Christinnen und Chris-ten einerseits glauben, auch das unverfügbare Göttliche sei geboren, nämlich als Jesus Chris-tus an Weihnachten. Dass wir andererseits uns trotzdem viele Jahrhunderte lang von Philoso-phen und Theologen bloss «die Sterblichen» haben nennen lassen. Man hat den Anfang zu bedenken vergessen. Zwar feiern wir Weih-nachten und unsere Geburtstage, aber wir den-

Wir sind alle geburtlich – bis in den Tod

Der Engel verkündet «grosse Freude, die allem Volk wiederfahren wird: Euch wurde heute der Retter geboren … ihr werdet ein neugeborenes Kind finden, das in Windeln gewickelt ist …» Und die Hirten machten sich auf den Weg.

ken kaum darüber nach, was es bedeutet, dass wir alle bis zu unserem Tod erwachsen gewor-dene Babys bleiben: neugierig, offen, spiele-

risch, abhängig, lernbereit, wie Jesus von Nazaret.

Fünfhundert Jahre Reformation könnten eine Gelegenheit sein,

über Gottes und unser aller Anfänglichkeit nachzudenken, auch über die Art von Freiheit, die Jesus gelebt hat und die bis heute seine Faszination ausmacht. Denn Jesus lebte eine kindliche, wagemutige, fantasievolle Frei-heit, die gerade deshalb die Welt bewegt, weil sie sich nicht von ihrem geburtlichen Anfang löst, sondern ihn ein Leben lang kultiviert.

Zum Weiterlesen: Hans Saner, Geburt und Phantasie. Von der natürlichen Dissidenz des Kindes, Basel 1977

Ina Praetorius, Immer wieder Anfang. Texte zum ge-burtlichen Denken, Ostfildern 2011

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Christen, Juden und der neue AntisemitismusDIE CHRISTLICH-JÜDISCHE ARBEITSGEMEINSCHAFT FEIERTE IM JAHR 2016 IHREN 70. GEBURTSTAG MIT EINER STUDIENTAGUNG IN BASELText: Regula Vogt-Kohler, Redaktorin bei «KIRCHE heute – römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz» | Foto: Andreas Schwendener

Die Geschichte der Juden und des christ-lich-jüdischen Dialogs in der Schweiz, der heutige Antisemitismus und die Christen im Nahen Osten waren Themen einer Studien-tagung zum 70-jährigen Bestehen der Christ-lich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft (CJA) Schweiz.

Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung – was die Juden in ihrer mehr als 3000 Jahre alten Ge-schichte immer wieder erlebten, kulminierte im Holocaust, der mit der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 begann. Zu den besonders verstörenden Aspekten des Völker-mords gehört, dass sich Christen an vorderster Front beteiligten. Sich dieser Frage zu stellen, sei vor 70 Jahren eine grosse Herausforderung gewesen, sagte der Basler Kirchenratspräsi-dent Lukas Kundert, zugleich Präsident der Regionalgruppe Basel der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft (CJA) Schweiz.

ABWEHR VON ANTISEMITISMUSDie Abwehr von Antisemitismus aller Art, aber auch die Förderung des gegenseitigen Ver-ständnisses zwischen Christen und Juden und des interreligiösen Dia-logs sind Aufgaben der 1946 von Christen und Juden gegründeten CJA. Ekkehard Stegemann, langjähriger Theologieprofessor an der Univer-sität Basel und Ehrenpräsident der CJA beider Basel, wies darauf hin, dass die Wurzeln der christlichen Judenfeindlichkeit weit zurückrei-chen.

Die Bekämpfung des Antisemitismus sei ein permanenter Lernprozess. «Der Hydra wachsen immer wieder Köpfe nach», hielt Stegemann fest. Die Existenz des jüdischen Volkes werde nicht zuletzt durch die Existenz eines jüdi-

schen Staates sichergestellt. Zionismus sei aber nicht als Befreiungsbewegung anerkannt. Im Gegenteil: 1975 hat eine (inzwischen wieder aufgehobene) UNO-Resolution den Zionismus als eine Form von Rassismus bezeichnet.

Der Antisemitismus richte sich heute gegen Israel, sagte Lukas Kundert. Er äussert sich in antiisraelischen Mythen, die auch in Kirchen vertreten würden, wie Stegemann beklagte. Kri-tik an Israel sei erlaubt, es sei aber ein Unter-schied, von Apartheid zu reden oder Kritik zu üben, sagte Herbert Wohlmann, Vorstandsmit-glied der CJA Schweiz. Den arabischen Musli-men gehe es nirgendwo so gut wie in Israel.

GLEICHBERECHTIGT IN ISRAELGleiches gilt für die Christen. Israel sei das ein-zige Land im Nahen Osten, wo Christen gleich-berechtigt neben Juden und Muslimen leben können, hielt Petra Heldt, Pastorin und Direkto-rin des Ökumenischen theologischen For-schungszentrums «Fraternity» in Israel, fest. Mit der Anerkennung der aramäischen Chris-ten habe Israel eine seit Jahrhunderten beste-

hende Apartheid von Christen im Nahen Os-ten annulliert. Mit der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert

waren Juden und Christen als sogenannte Dhimmis zu Menschen zweiter Klasse gewor-den. Mit der Forderung, dass es im Gebiet der Umma, der islamischen Gemeinschaft, zu kei-ner nicht-islamischen Staatsgründung kommen dürfe, werde die Existenzberechtigung des Staates Israel bestritten.

Das Engagement für die Palästinenser, wie es die politische Linke, aber auch der Lutherische Weltbund betreibe, ist aus der Sicht von Stege-mann und Heldt nicht nur einseitig. Stegemann

FOKUS

Aus der ganzen Schweiz waren Vertretungen von Regionalgruppen der Christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft (CJA) ins jüdische Gemeindehaus in Basel angereist.

sprach von einer Religion oder Ideologie des Palästinismus. Die palästinensische Theologie sei keine Theologie im christlich-jüdischen Sinn, erläuterte Heldt. Die christlich-jüdische Theologie werde benutzt, um die islamischen Forderungen der Umma durchzusetzen. Der Palästinismus habe negative Konsequenzen, meinte Heldt. So beeinträchtige er die Hilfe für Christen im Nahen Osten und versuche durch ständige Erodierung den Staat Israel zu zerstö-ren. Er schade auch den Muslimen selbst, was diesen immer stärker bewusst werde. Im Wes-ten werde der Palästinismus weiterhin stark ge-fördert, gleichzeitig aber im Nahen Osten abge-baut, sagte Heldt.

«Den arabischen Muslimen geht es nirgendwo so gut wie in Israel.»

DIE JUDEN IN DER SCHWEIZ – SEIT 150 JAHREN GLEICHGESTELLT

Der Fund eines Rings mit einem Meno-ra-Motiv in Augusta Raurica zeigt, dass Juden schon im 4. Jahrhundert auf dem Gebiet der heutigen Schweiz präsent wa-ren. Niederlassungen sind ab dem frühen 13. Jahrhundert belegt. Ob die Präsenz kontinuierlich war, wisse man nicht, sagte Simon Erlanger in seinem Referat zur Geschichte der Juden in der Schweiz.

Die Juden spielten in vielen Schweizer Städten eine wichtige Rolle. Als im 14. Jh. die Pest ausbrach, wurden sie zu Sünden-böcken gemacht und gewaltsam ausge-löscht. Der Aufenthalt in Städten wurde ih-nen verboten, aber im Umland konnten sie sich teilweise halten. In den napoleonischen Kriegen kamen die Juden wieder in schweizerisches Gebiet. 1866 erhielten sie die Gleichstellung, Syna-gogen entstanden, 1880/81 in St.Gallen.

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«Dieses Reformationsgedenken brauchte keine zusätzliche Pointe» Zur Eröffnung des Reformationsgedenkens am 31. Oktober im schwedischen LundText: Eva-Maria Faber, Professorin und Rektorin der Theologischen Hochschule Chur | Foto: kna

Papst die römisch-katholische Kirche «Mitiniti-antin» dieses Reformationsgedenkens.

Der Streit darum, ob dieses Jubiläum sich feiern lässt oder lediglich ein Gedenken sein kann, wird angesichts der Liturgie in Lund zweitrangig. Denn sie war eine von Freude er-füllte Feier, an deren Beginn die gemeinsame Danksagung stand. Diese erinnerte an Anliegen der Reformatoren, welche Lutheraner und Katholiken gemeinsam wertschätzen können.

Erst darauf folgte im Bussakt das Gedenken an die Schatten der Reformation von Unterstellun-gen bis hin zu blutiger Verfolgung. Die Klage über die Spaltung verband sich mit dem Einge-ständnis, unheilvoll auf das Trennende fixiert gewesen zu sein. Im Gegenzug dazu stand das gemeinsame Zeugnis der Predigten von Martin

Junge, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, und Papst Franziskus.

Die Feier war ein Meilen-stein der Ökumene, der keiner zusätzlichen Pointe

bedurfte und durch eine zusätzliche «Geste» zu Unrecht überlagert worden wäre. Die fünf «commitments» sowie die im Gottesdienst be-gangene und in einer gemeinsamen Erklärung unterzeichnete Selbstverpflichtung wollen nun aber eingelöst werden. Die Erklärung nennt ausdrücklich die Sehnsucht nach Gemeinschaft in der Eucharistie, im Abendmahl.

«Die Feier war ein Meilenstein der Ökumene», schreibt Eva-Maria Faber zur Eröffnung des Reformationsgedenkens am 31. Oktober im schwedischen Lund. In ihrem Gastkommentar macht die Theologin darauf aufmerksam, dass der gemeinsame Auftritt der Spitzen der lutherischen und der römisch-katholi-schen Kirche ein wichtiger Schritt für die Ökumene war.

Hätte vor 100 Jahren jemand vorgeschlagen, der Papst solle die nächste Jahrhundertfeier der Reformation eröffnen, so hätte dies wohl Empörung oder allenfalls Belustigung hervor-gerufen. Eben dieses Unvorstellbare aber ge-schah am 31. Oktober 2016.

Bischof Munib A. Younan von Jerusalem, Präsi-dent des Lutherischen Weltbundes, eröffnete zusammen mit dem Bischof von Rom das Reforma-tionsjahr zum 500. Jahres-tag der Reformation. Papst Franziskus war nicht etwa nur Gast, sondern wirkte bei der Eröffnung mit – in den liturgischen Farben des Reformationstages und indem er die ersten liturgischen Worte sprach!

Das heisst: Der Lutherische Weltbund wollte die 500-Jahr-Feier der eigenen Wurzeln nicht ohne die Katholiken – die damaligen «Altgläubi-gen» – eröffnen. Umgekehrt war durch den

FOKUS

«Der Lutherische Weltbund wollte die 500-Jahr-Feier der eigenen Wurzeln nicht ohne die Katholiken – die damaligen ‹Altgläubigen› – eröffnen.»

Papst Franziskus (r.) und Munib Younan, Präsident des Lutherischen Weltbunds, in der Kathedrale Lund, Schweden

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Das Podium diskutierte Thesen zur Reformation.

Kirchenbund: Auf der Suche nach einer reformierten SpracheText: Susanne Leuenberger | Foto: Thomas Flügge/SEK

Am 7. und 8. November tagte in Bern die Ab-geordnetenversammlung des Kirchenbundes. Höhepunkt bildete die Podiumsdiskussion «Thesen zu 500 Jahre Reformation».

Unter der Moderation von Pfarrer Simon Weber bezogen namhafte Vertreter aus Kirche, Politik und Wirtschaft im Hotel Bern kontrovers Stel-lung. Die kirchenexternen Teilnehmer gaben dem Gespräch dabei eine religionspolitische Stossrichtung. Isabelle Chassot, Direktorin des Bundesamts für Kultur, verwies auf Globalisie-rung und Migration, die die Schweizer Gesell-schaft veränderten. Es gelte neu zu bestimmen, wie die Reformierten sich gesellschaftlich und kulturell einbringen und wie das Verhältnis von Kirche und Staat zu gestalten sei.

Der baselstädtische Regierungspräsident Guy Morin stimmte dem zu. Er vermisse die Stimme der Reformierten in öffentlichen Religions-debatten, etwa in Bezug auf den Umgang mit Wertekonflikten, wie sie im Zusammenhang mit dem Islam auftreten. Dem widersprach Christi-na Aus der Au, Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2017 in Berlin. Die Kirche bringe sich aktiv in gesellschaftliche Prozesse ein, etwa in der Asylpolitik: Der SEK beteilige sich am Ausschaffungsmonitoring, und viele Kirchgemeinden würden sich zum Kirchenasyl entschliessen.

Zu denken dürfte vor allem der Beitrag des Wirtschaftsvertreters Rudolf Wehrli geben. Der Verwaltungsratspräsident des Chemie-unternehmens Clariant machte in seinem Vo-tum klar, wie weit sich die Sprache der Kirche von der Wirtschaft und dem säkularen Alltag entfernt hat. Wehrli gab sich kirchenkritisch, aber nicht ablehnend. Denn im Grunde wünsch-te er sich eine stärkere Debatte über Werte: «Ich bin calvinistisch-puritanisch sozialisiert. Ich sehe grundlegende protestantische Werte wie Aufrichtigkeit heute immer mehr erodieren.»

Die Diskussion hinterliess bei den Anwesenden gemischte Gefühle. Deutlich wurde allerdings der Wunsch der Vertreter aus Kultur, Politik und Wirtschaft, dass kirchliche Akteure sich stärker in Fragen des gesellschaftlichen Zusam-menhalts und des religiösen Friedens einbrin-gen – in einer verständlichen Sprache.

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8 AUSGABE 12/2016

Nesslau: neu im PfarrteamText: Reto Neurauter I Bild: pd

Seit Mitte Oktober ist Pfarrer Marco Wehrli Mitglied des Pfarrteams der Evange-lisch-reformierten Kirchge-meinde Nesslau. Seine Ar-beitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Kinder, Ju-gend und Familie. Zudem wird er auch Gottesdienste und weitere kirchliche Anläs-

se mitgestalten. Wehrli ist im thurgauischen Islikon aufgewachsen. Nach dem Theologiestu-dium hat er das Vikariatsjahr in der evangeli-schen Kirchgemeinde Sulgen absolviert. Er wurde am 14. August dieses Jahres durch die Evangelische Landeskirche Thurgau ordiniert. Wehrli, 1985 geboren, ist in Nesslau kein Unbe-kannter, hat er doch während seiner Studien-zeit in den Jahren 2006 bis 2013 die jeweiligen Konfirmandenlager begleitet.

Bad Ragaz: neugotisches Lesepult Text: Gemeindeseite

Die evangelisch-reformierte Kirche in Bad Ragaz hat auch 126 Jahre nach ihrer Erbau-ung immer noch ihren histo-rischen Charakter bewahrt. Bei der Chorrenovation 2001 wurden nur behutsame Ver-änderungen vorgenommen. Die neugotische Ausstattung blieb erhalten.

So entfaltet das Gotteshaus auch heutzutage noch eine wohltuende Atmosphäre und erfreut jeden Besucher, der es betritt.

Nicht nur vom Stil her bildet ein 1980 ange-schafftes Lesepult eine Ausnahme. In dieser Zeit wurde wenig auf Ästhetik und auf andere Gesichtspunkte geachtet, die in letzter Zeit wieder ins Bewusstsein gerückt sind.

So wurde der Plan eines neuen, historisieren-den Lesepults geboren, das sich bestens in den Kirchraum einfügt. Es soll nicht nur vom Holz her zu Kanzel und rückseitiger Chorwand pas-sen, es nimmt auch deren Profile und Ornamen-te vollständig auf; dazu wird es mobil sein.

Realisiert wird das Vorhaben durch eine renom-mierte Holzschnitzerwerkstatt, die in der Anfer-tigung sakraler Einrichtungen erfahren ist. Sie hat bereits eine entsprechende Fotomontage des künftigen Lesepults angefertigt (siehe Bild).

Da keine Mittel aus dem Budget der Kirchge-meinde dafür bereitstehen, wird das Lesepult ausschliesslich durch freiwillige Spenden finan-ziert. Wer sich an diesem schönen Projekt im laufenden Jahr noch beteiligen möchte, ist herzlich dazu eingeladen!

PANORAMA GEMEINDEN

Einblick in Bundesgerichtsentscheide Zum Referat des Bundesrichters Peter Karlen in St.Gallen St.Georgen Text: Andreas Schwendener | Foto: pd

Peter Karlen ist eines der 38 Mitglieder des Bundesgerichts. In St.Gallen erklärte er, wie das Christentum den säkularen Staat mitge-prägt hat und wie dieser Staat angesichts der zunehmenden religiösen Pluralität seine Rahmenbedingungen anpasst — auch im Hin-blick auf Gerichtsentscheide.

Die Bevölkerung war verunsichert, als das Bun-desgericht 2015 entschied, dass ein Mädchen in St.Margreten sein Kopftuch in der Schule tragen dürfe. Wie kommt es zu einem solchen Ent-scheid? Fürs Erste erinnerte Karlen an die Optik der Richter: Sie hätten einen Einzelfall zu beur-teilen – und es müsse entschieden werden. Um die Rahmenbedingungen solcher Entscheide verständlicher zu machen, sprach der Referent über den säkularen Staat, über aktuelle Ge-richtsfälle und über die Entscheidungsfindung.

CHRISTENTUM UND SÄKULARER STAAT«Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott was Gottes ist.» Diese Antwort Jesu auf die Frage der Schriftgelehrten, ob man dem Kaiser Steuern zahlen soll, erwähnte Karlen als bibli-schen Beleg für die im Christentum angelegte Trennung von weltlicher und geistlicher Sphäre.

In verschiedenen Stationen habe sich diese Trennung durchgesetzt, so im mittelalterlichen Kampf zwischen Papst und Kaiser, dann im nachreformatorischen Ringen um einen Staat, in dem verschiedene Konfessionen zusammen leben, und schliesslich in der Anerkennung der Grundrechte im Zeitalter der französischen Revolution. Die Trennung von Staat und Kirche, die zuerst von der protestantischen und dann auch von der katholischen Kirche anerkannt worden ist, sei aber kein universelles Konzept, sagte Karlen. Asiatische Religionen hätten durch ihre Toleranz diese Trennung weniger thematisiert und im Islam sei sie nicht vorgese-hen. Zudem zeige dieses Modell der Trennung in Europa viele nationale Eigenheiten.

Zur rechtlichen Situation in der Schweiz er-wähnte Karlen die Präambel der Verfassung «Im Namen Gottes». Sie habe aber juristisch keine Bedeutung, sei eher eine geschichtliche Erinne-rung. Relevant seien Art. 8 zur Rechtsgleichheit, Art. 15 zur Glaubens- und Gewissensfreiheit und Art. 72, der die Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat den Kantonen überlässt.Als Fremdkörper erscheine da auch der Satz: «Der Bau von Minaretten ist verboten.»

AKTUELLE GERICHTSFÄLLE 1990 wehrte sich ein Lehrer im Tessin gegen ein Kruzifix im Schulzimmer – das Bundesgericht gab ihm recht. Ein analoger Fall in Deutschland wurde 1995 ähnlich entschieden. Anders aber Strassburg 2011 bei einem Streit in Italien.

Bei der Verweigerung des Schwimmunterrichts eines muslimischen Mädchens gab das Bundes-gericht 1993 den Eltern recht. Anders 2009 bei einem Knaben. Hier wurde das Schwimmen als Teil schweizerischer Werte gesehen und im Sin-ne der Integration der Schule recht gegeben.

Kleidervorschriften können für Muslime religiös geprägt sein, was sich vor allem beim Kopftuch zeigt. 1997 hat das Bundesgericht einer Lehre-rin verboten, beim Unterricht ein Kopftuch zu tragen, was von Strassburg bestätigt wurde. Im Fall von St.Margrethen hingegen wurde 2015 einer Schülerin erlaubt, das Kopftuch zu tragen.

Karlen erinnerte daran, dass Juden und Sekten oft unkompliziert Dispensen erhalten hätten. Unterricht von Ordensschwestern war allge-mein akzeptiert. Zu den Bundesgerichtsent-scheiden meinte er, dass sie oft zu allgemein wirkten. Man könne noch mehr differenzieren und beachten, wo ein Kruzifix hänge oder was die Motive für die Einhaltung religiöser Vor-schriften seien. Und es gelte zu beachten, ob damit ein politisches Signal für die Integration oder gegen eine Religion ausgesandt werde.

Das 1922–1927 erbaute Gebäude für das Schweizerische Bundesgericht im Lausanner Stadtpark «Mon-Repos».

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Umgestaltung der religiös-ethi-schen Bildung an der VolksschuleText: Holger Brenneisen | Foto: as

Das nächste Schuljahr bringt Änderungen im Bereich der religiösen und weltanschaulichen Bildung. Künftig gibt es zwei Fächer: den Fachbereich «Ethik Religionen Gemein-schaft» (ERG) und Religionsunterricht.

Kinder, die anderen Religionen oder keiner Religion angehören, werden – anders als bisher – ebenfalls ein Unterrichtsfach in diesem Fach-bereich besuchen. Dieses Fach ERG ist religi-onskundlich konzipiert und wird von der drit-ten bis zur neunten Klasse erteilt.

ERG wird – und das ist eine St.Galler Besonder-heit – in zwei Varianten angeboten. Die eine wird von den Kirchen ökumenisch verantwor-tet und auch von kirchlichen Lehrpersonen un-terrichtet (ERG-Kirchen), die andere von den Schulen (ERG-Schule). Welche Variante sie be-suchen, können die Schülerinnen und Schülern – beziehungsweise ihre Eltern – frei wählen.

An der Primarschule wird es darüber hinaus weiterhin Religionsunterricht geben, und zwar in allen Klassen eine Wochenlektion, in der zweiten sogar zwei. Auch dieser Unterricht wird von den Kirchen verantwortet und von kirchlichen Lehrerinnen und Lehrern erteilt.

ELTERN MÜSSEN WÄHLENDie ERG-Wahl steht im Januar/Februar 2017 an. Einmalig werden zu diesem Zeitpunkt alle Schü-lerinnen und Schüler – beziehungsweise deren Eltern – ab der zweiten Volksschulklasse wäh-len, welche Variante von ERG sie im kommen-den Schuljahr belegen. Die Eltern der Kinder-gärtler im zweiten Jahr und der Primarschüler der Klassen 1 bis 5 entscheiden ausserdem, ob ihre Kinder den kirchlichen Religionsunterricht neu oder weiter besuchen.

Zur Vorbereitung der ERG-Wahl ist ein Merk-blatt in Arbeit, das den Eltern gemeinsam von Schulen und Kirchen abgegeben wird. Daneben ist es eine wichtige Aufgabe der Kirchgemeinden, Eltern über den Religionsun-terricht zu informieren und sie einzuladen, ihre Kinder, wie bisher, in den Religionsunterricht zu schicken. Aus Sicht der Kirchen liegt es nahe, diese Eltern auch zur Wahl von ERG-Kir-chen zu motivieren.

PANORAMA KANTON PANORAMA KANTON

Das Patronatskomitee für das Reformationsjubiläum traf sich am 3. November in Vadians Geburtshaus, um sich über Ideen und Projekte zum Reformationsjubiläum zu informieren: Im Bild Martin Schmidt, Präsident des Kirchenrates der Evang.-ref. Kirche des Kantons St.Gallen, Regierungsratspräsident Martin Klöti und Bischof Markus Büchel.

Ab November 2017 feiert der Kanton St.Gallen 500 Jahre Reformation Text: Andreas Ackermann | Foto: as

Das Jubiläum «500 Jahre Reformation» startet im Kanton St.Gallen offiziell am Re-formationssonntag 2017. Unter dem Motto «quer denken, frei handeln, neu glauben» ist die St.Galler Bevölkerung eingeladen, wäh-rend eines ganzen Jahres mitzufeiern, nach-zudenken, zurück und nach vorne zu schau-en. Schlusspunkt ist ein Jahr später, nämlich am Reformationssonntag 2018.

Unter der Federführung der Evangelisch-refor-mierten Kirche des Kantons St.Gallen nimmt das Jubiläum langsam Form an. «Uns ist es ein Anliegen, dass wir das Jubiläum breit abge-stützt begehen, sowohl ökumenisch als auch gesellschaftlich», sagt Pfr. Martin Schmidt, Präsident des Kirchenrates der Evangelisch- reformierten Kirche. Zum Ausdruck komme dies einerseits im Programm des Jubiläums, andererseits beim Patronatskomitee.

VORBOTEN, AUFTAKT UND PROJEKTEInhaltlich gibt es bereits jetzt Vorboten: Die Stadt St.Gallen hat im Sommer 2016 einen Re-formationsweg durch die Innenstadt eröffnet, samt passender App. Und vom 21. bis 23. De-zember macht der «Europäische Stationenweg» mit einem Geschichtenmobil halt in Wildhaus (siehe auch Seite 3).

Am 5. November 2017, dem Reformationssonn-tag, ist dann grosse Auftaktfeier in St.Gallen, mit Gottesdienst, einem Essen für die Bevölkerung, Musik und Begegnung. Im Laufe des Jahres folgen zahlreiche Veranstaltungen und Projekte von Kirchgemeinden und der Kantonalkirche,

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der Stadt St.Gallen oder den Hochschulen. So lädt etwa eine «Reformierbar» auf drei Rädern bei Kaffee oder Zwinglibier zum Gespräch. In St.Gallen entsteht ein grosses Reformations-musical oder in Sargans ist die Bevölkerung ein-geladen ihre Kirche zu renovieren. Wildhaus, der Geburtsort von Huldrych Zwingli, pflanzt und kocht wie vor 500 Jahren und informiert in einer neuen Ausstellung über Zwinglis Leben, sein Geburtshaus und die Reformation. Oder die Stadt St.Gallen lädt zu einer Ausstellung zur Reformation ins Völkerkundemuseum und öffnet Türen zu Häusern der Reformation.

PROMINENZ IM PATRONATSKOMITEESo breit das Programm ist, so breit ist es abge-stützt. Neben Regierungsrat Martin Klöti, Stadt-präsident Thomas Scheitlin und Bischof Mar-kus stehen Ulrike Landfester, Prorektorin der Universität St.Gallen; Sebastian Wörwag, Rektor der Fachhochschule St.Gallen; Horst Bieder-mann, Rektor der Pädagogischen Hochschule; Martin Gehrer, Präsident des Administrations-rates des katholischen Konfessionsteils des Kantons St.Gallen; und Arno Noger, Bürgerrat-spräsident der St.Galler Ortsbürger im Patro-natskomitee für das Reformationsjubiläum ein.

Die gleiche Breite gilt auch für die Finanzierung: Das Parlament der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen hat für das Jubilä-um eine Million Franken gesprochen. Die Stadt St.Gallen legt für die eigenen Ausstellungen und Veranstaltungen 700 000 Franken dazu und der Lotteriefonds des Kantons St.Gallen alimentiert das Jubiläum ebenfalls grosszügig. Erstklässler mit seiner im «Reli» gebastelten Schöpfung.

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Ein Kämpfer für Toleranz und Menschlichkeit Text: ref.ch | Foto: zVg

Er kämpfte für Toleranz in der Epoche der lodernden Scheiterhaufen: Sebastian Castellio. Der Reformator erhielt in Basel eine Gedenk-tafel für sein Engagement. Eine späte Ehrung, 453 Jahre nach seinem Tod.

Steinig sei der Weg gewesen, bis im Hof der Bas-ler St.Albankirche am unteren Ende des Castel-liowegleins der Reformator Sebastian Castellio eine Gedenktafel bekam, sagte Kirchenratsprä-sident Lukas Kundert. Kein Ruhmesblatt erhielt dabei die Denkmalpflege. «Ich habe zuerst eine Tafel im Kreuzgang des Münsters vorgeschla-gen, wo Castellio begraben ist. Die Denkmalpfle-ge erlaubte dies aber nicht», so Kundert.

Die Odyssee der Gedenktafel reiht sich nahtlos an den Lebensweg Sebastian Castellios. Gebo-ren im Jahre 1515, studierte er in Lyon alte Sprachen. 1540 zog er nach Strassburg, wo auch Johannes Calvin lehrte. Spannungen zwi-schen Castellio und dem Genfer Reformator führten dazu, dass Castellio mit Frau und sie-ben Kindern nach Basel zog. «Er lebte hier in ärmlichsten Verhältnissen», sagte Bernhard Vischer von der Gruppe «Basler Bürger für eine Castellio-Gedenktafel». Er habe Holz aus dem Rhein gesammelt, um überleben zu können.

Den Höhepunkt erreichte die Auseinanderset-zung, als Castellio gegen Calvin die Schrift «Con-tra Libellum Calvini» verfasste. Dies nach der Hinrichtung des spanischen Arztes und Huma-nisten Michel Servet, die Calvin gutgeheissen hatte.

Lukas Kundert ehrte Castellio bei der Einwei-hung der Gedenktafel als Kämpfer, der nicht für eine Toleranz heutiger Ausprägung eingestan-den sei, sondern für ein Nebeneinander, also für Duldung des andern in einer Parallelgesell-schaft. «Damit ist er unserer Zeit sogar noch vo-raus», stellte Kundert fest. In seinem Referat ging Kundert auf jene Bibelübersetzung ein, die Castellio 1551 in Basel schuf und die er dem jungen englischen König Eduard VI. widmete. «Wohl in der Hoffnung, einst die Stelle von Mar-tin Bucer zu bekommen», führte Kundert aus.

Es wurde nichts daraus. 1563 wurde gegen Ca-stellio Anklage erhoben. Im gleichen Jahr starb er, bevor es zu einem Urteil kam.

SCHWEIZER REFORMATION PANORAMA SCHWEIZ

Ziegen, Esel oder Bienen schenken?Text und Foto: HEKS

Eine Geiss frankieren und per Post an seine Liebsten verschicken? Ob das wohl gut geht?

Immer wieder stellt sich vor Weihnachten die Frage, was wir unsern Liebsten schenken sol-len – vor allem Menschen, die schon seit Lan-gem keine Wunschliste mehr haben. Die Aktion «Hilfe schenken» von HEKS macht es einfach,

jemandem eine sinnvolle Freude zu bereiten, zum Beispiel einen Maulesel oder ein Ferkel.

Die Beschenkten erhalten das Geschenk in Form einer edel gestalteten Geschenkkarte, und bedürftige Menschen in der ganzen Welt bekommen das tatsächliche Geschenk. www.hilfe-schenken.ch

Feierliche Eröffnung des «Europäi-schen Stationenwegs» in Genf Text und Foto: Marianne Weymann

Vertreter aus Kirche und Politik eröffneten am 3. November in Genf den «Europäischen Stationenweg» zum Reformationsjubiläum. Dazu gehört der Lastwagen, der 68 Orte in 19 Ländern anfährt (siehe auch Seite 3)

Die Reformation gehört nicht nur den Refor-mierten, sagte Bundesrat Alain Berset. Denn durch sie seien Ideen in die Welt gesetzt wor-den, die auch heute noch Grundlagen für den modernen Staat sind: die Freiheit des Individu-ums – und die Sorge um das Gemeinwohl.

Ähnlich SEK-Ratspräsident Gottfried Locher: «Wir betreiben hier keinen Personenkult um Luther, Zwingli oder Calvin.» Für den Kirchen-bund stehe die Frage im Vordergrund, was die Reformation für die Generation von heute und morgen bedeute. Dementsprechend der Slogan «Quer denken, frei handeln, neu glauben».

Sigrist zum Dalai Lama: «Darf ich Sie als Bruder ansprechen?»Text: kath.ch, Charles Martig | Foto: Manuel Bauer

«Sie alle haben die Verantwortung, Frieden in die Welt zu bringen!» Der Dalai Lama rief in seiner Predigt Mitte Oktober im Züricher Grossmünster die über tausend Anwesenden auf, mit ihm für den Frieden zu beten. Mit da-bei waren Vertretungen anderer Religionen in der Schweiz und der Zürcher Politik.

Christoph Sigrist, reformierter Pfarrer des Grossmünsters, eröffnete den Anlass mit war-men Worten und sprach «Seine Heiligkeit» zu-erst mit dem offiziellen Titel an. Dann fügte er hinzu: «Oder darf ich Sie als unseren Bruder an-sprechen?» Diese Wärme und Herzlichkeit sorg-te für Applaus, eine ungewöhnliche Reaktion in diesem Gotteshaus, das dem Geist von Zwingli huldigt und sonst nur das Wort der Bibel und die Musik von Bach zulässt. An diesem Sams-tagmorgen war alles etwas anders: vielfältiger, farbiger und herzlicher.

Gedenktafel für Sebastian Castellio (1515–1563) in Basel Start in Genf: der Truck zum Reformationsjubiläum Verschieden im Glauben, aber verbrüdert als Menschen

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Bei Protesten an der Jerusalemer Klagemau-er kam es Anfang November zu gewalttätigen Zusammenstössen – wegen der Geschlech-tertrennung beim Beten an der Klagemauer.

Eine internationale Gruppe nicht-orthodoxer Rabbiner und ihre Unterstützer hatten sich mit einem Protestmarsch gegen die Verzögerung der Einrichtung einer Gebetssektion ohne Ge-schlechtertrennung gewandt. Dann Anfang 2016 wurde ein Gebetsabschnitt zugesagt, in dem Frauen und Männer gemeinsam beten können. Damit sollte der jahrelange Streit um die religiö-

Schweizer Konvertitin handelt ARD Klage wegen Volksverhetzung einText: kath.ch

Der Auftritt der vollverschleierten Schweizer Konvertitin Nora Illi an einer ARD-Talkschow hat ein gerichtliches Nachspiel. Gegen die TV-Moderatorin Anne Will und «gegen die weiteren verantwortlichen Entscheidungsträ-ger», die den Auftritt ermöglichten, wurde Strafanzeige gestellt, meldete die «Frankfur-ter Allgemeine Zeitung».

Die Anzeige wurde von einer Rechtsanwältin aus Neuruppin bei der zuständigen Hamburger Staatsanwaltschaft erstattet, da der «Norddeut-sche Rundfunk» (Hamburg) für die Sendung zuständig sei. Es geht in der Anzeige vor allem um den Tatbestand der Volksverhetzung nach Paragraf 130 des deutschen Strafgesetzbuches, schreibt die FAZ, der die Anzeige vorliegt.

Illi war zur Sendung im Niqab erschienen und hatte sich positiv zu Ausreisen junger Mädchen in den Herrschaftsbereich des IS geäussert. Schon während der Sendung gab es dazu heftige Kritik. Die Frau gehört dem Verein «Islamischer Zentralrat der Schweiz» (IZRS) an, der wiederholt in die Nähe des Salafismus gerückt wurde.

Playmobil-Luther schon eine halbe Million Mal verkauftText: epd | Bild: Playmobil

Die Playmobilfigur von Martin Luther ging schon 500 000 mal über den Ladentisch. Sie gehört somit zu den meistverkauften Playmobilfiguren.

Die meisten Abnehmer findet die Lutherfigur in Deutschland, aber auch in den USA und den Niederlanden ist der Kunststoff-Luther beliebt, wie die Nürnberger Congress- und Tourismus-zentrale (CTZ) mitteilte. Playmobil-Kenner gehen davon aus, dass der kleine Reformator die meist verkaufte Playmobil-Einzelfigur ist.

Der 7,5 Zentimeter grosse Werbebotschafter war 2015 in einer ersten Auflage von 34 000 Stück erschienen und nach 72 Stunden vergrif-fen. Für 2017 rechnet die CTZ noch einmal mit einem guten Lutherfiguren-Jahr.

IN KÜRZEPANORAMA SCHWEIZ/WELT

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Die Lutherfigur mit Bibel, Federkiel und Umhang.

Gebetsplätze noch immer getrennt Text: kath.ch/kna | Bild: as

sen Rechte von Frauen an der Stätte entschärft werden. Das Vorhaben hatte jedoch für scharfe Kritik des israelischen Oberrabbinats gesorgt.

Die Demonstration richtete sich gegen die israe-lische Regierung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die Demonstranten am Vor-abend dazu aufgerufen, ihren Protestmarsch ab-zusagen. «Wir haben ein Volk und eine Mauer – es ist unsere Mauer», zitierte ihn die Tageszei-tung «Haaretz». Je weniger das Thema an die Öffentlichkeit komme, desto grösser seien die Chancen für eine Lösung.

Die Klagemauer ist die frühere Westmauer vom Plateau des zweiten Jerusalemer Tempels. Für viele Juden ist die Mauer Symbol für den ewigen Bund Gottes mit seinem Volk. Vor dem Sechstagekrieg 1967 wurde der Ort von Jordanien verwaltet.

Die katholische Bischofskonferenz in den USA hat dem designierten US-Präsidenten Donald Trump zum Wahlsieg gratuliert und dabei den Lebensschutz betont.

Die Bischofskonferenz blicke zuversichtlich auf die Zusammenarbeit mit dem gewählten Präsi-denten, «um das menschliche Leben von sei-nem höchst verletzlichen Beginn bis zu seinem natürlichen Ende zu schützen», betonte der Vorsitzende Erzbischof Joseph Kurtz nach der Wahl von Trump.

Zugleich bekräftigte Kurtz den Einsatz der Bischöfe für Einwanderer. «Wir sind fest ent-schlossen, dass unsere Brüder und Schwes-tern, die Migranten und Flüchtlinge sind, menschlich willkommen geheissen werden, ohne dass unsere Sicherheit geopfert wird.»

Bischöfe gratulierten Trump – und wollen helfen, das Land zu einen Text: kath.ch/kna

Auch wenn die meisten US-Bischöfe versuch-ten, sich aus der Politik herauszuhalten, könne die Kirche nun eine wichtige Rolle bei dem Pro-zess der «Versöhnung und Heilung» nach einem rüde geführten Wahlkampf spielen, meinte der Journalist und Jesuit Thomas Resse. «Die ka-tholische Kirche ist eine der wenigen Organisa-tionen in den Vereinigten Staaten, die fast gleich viele Republikaner und Demokraten in ihren Reihen hat. Sie umfasst Hispanics, Schwarze und Weisse sowie Menschen aus al-len Schichten und Milieus», so Resse. Zudem habe die katholische Kirche «viel Erfahrung in Sachen Dialog, besonders mit unseren protes-tantischen Brüdern und Schwestern. Wenn wir Republikaner und Demokraten dazu bringen können, so gut miteinander auszukommen wie Katholiken und Protestanten, wären die Verei-nigten Staaten ein grossartiges Land».

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SingenHEILSINGEN IN DER GALLUSKRYPTAIm Dezember fällt das Heilsingen aus, nächste Daten: 19. Januar und 16. Februar, jeweils von 18 bis 18.30 Uhr, danach wieder am ersten Donnerstag des Monats Die Galluskrypta des St.Galler Doms wird geöff-net. Hildegard Aepli, Pastoralassistentin, lädt zum Heilsingen an diesem Kraftort ein: Einfa-che Lieder, Gebet, Lesung, Stille, Zuspruch und Segen. Mithilfe: Marianne Kundt, Pfarrerin, St.Gallen. Eingang rechtes Chorgitter. Info: [email protected]

MeditierenSTILLE AM MITTAGFreitags, 12.15 bis 13.15 UhrEingangsgebet oder Mystikerwort, Sitzen in der Stille, achtsames Gehen, Sitzen in der Stille, Schlusstext. Ort: ökumenische Kirche Halden

MEDITATION IN DER STILLE (ZAZEN) NACH VIA INTEGRALISMittwoch, 7. und 21. Dez., 18–20.30 UhrSchulung auf Wunsch. Schnuppernde sind im-mer willkommen. Am 21.12.16 einen ganz ruhi-gen Abend mitten im Vorweihnachtsstress erle-ben – für alle Spontanen zum Ausprobieren. Wer vorab eine kurze Einführung wünscht, melde sich bitte beim Kursleiter.Ort: KGH Heiligkreuz, Lettenstr. 18, St.GallenAnmeldung und Auskunft: Werner Frei, Kon-templationslehrer, [email protected], www.meditation-sg.ch

GELASSENER UND SELBSTBESTIMMTER IM ALLTAG – SCHATTENARBEIT 2. TEILMittwoch, 25. Januar, 18.30–21.15 Uhr.Immer wieder bringen dieselben Kleinigkeiten uns in Aufregung. Das tut uns und unseren Mit-menschen nicht gut. Wir vertiefen die verblüf-fend einfache 3-2-1-Übung und verkleinern da-durch unseren Schatten (C.G. Jung), integrieren Teile unserer Persönlichkeit, die wir noch nicht leben können. Hilfreich für uns alle. Wer dazu-kommen will, melde sich beim Kursleiter:Werner Frei, [email protected], www.meditation-sg.ch.Ort: KGH Heiligkreuz, Lettenstr. 18, St.Gallen

MEDITATIONSABENDE IM ADVENT 6./13. und 20. Dezember, 19–21 UhrWir nehmen uns Zeit für die Ruhe und das stille Dasein in der Vorbereitungszeit auf Weihnachten.Ort: Ökumenisches Gemeindezentrum Halden, St.Gallen; Leitung und Anmeldung: Margrit Wenk-Schlegel, Kontemplationslehrerin 071 288 65 88/ www.meditation.margritwenk.chKursbeitrag: Fr.60.– für alle drei Abende

MEDITATIONSNACHT:«DEM FRIEDEN KRAFT GEBEN»9. Dezember, 19–24 Uhr im Rahmen der Friedenswoche St.GallenDas Sitzen während der Nacht hat eine ganz spezielle Qualität. Zu jeder vollen Stunde be-steht die Möglichkeit, neu dazuzukommen oder zu gehen. Es braucht keine Anmeldung.Ort: Ökumenische Kirche Halden, Oberhal-denstr. 25, St.GallenLeitung: Matthias Wenk, Birke Horvath-Müller, Josef Wirth, Charlie und Margrit Wenk

HEILMEDITATIONMittwoch, 14. Dezember, 14.30 UhrMit Heilpraktikerin Hedda Schurig, Weirden 1,9062 Lustmühle/AR, Tel. 071 333 30 [email protected]: Offene Kirche St.Gallen

Eine Welt «GERECHTIGKEIT UND FRIEDEN KÜSSEN SICH» (BIBELZITAT)Montag, 5. Dezember, 14.30–16 Uhr Was bedeutete für unsere Vorfahren Gerechtig-keit, was taten sie für den Frieden? Ein Stadtrundgang mit den Theologen Walter Frei und Charlie Wenk. Treff beim Vadian.

ÖKUMENISCHE KAMPAGNE VORBEREITEN:Halbtägige Impulsveranstaltung mit Vertie-fungsreferat, Workshops für alle Unterrichts-stufen und Vertiefungsworkshop. Kontakt und Anmeldung: [email protected]. Jan., 8.15 – 12 Uhr: St.Gallen, St.Mangen

25. Jan., 14.15 – 17.15 Uhr: Wattwil, kath. KGH

7. Feb., 17 – 20 Uhr: Walenstadt, Rägabogä

8. Feb., 13.35 – 16.45 Uhr: Teufen (Anmeldung: [email protected])

DEN WELTGEBETSTAG VORBEREITENDer Weltgebetstag WGT ist eine Basisbewegung christlicher Frauen. Alljährlich am ersten Frei-tag im März feiern Menschen weltweit den WGT mit einem Gottesdienst. Er findet am 3. März 2017 statt. Die Liturgie stammt von philippinischen Frauen. Wir gestalten ihre Liturgie zum Thema «Bin ich ungerecht zu euch?». Auch im Kanton St.Gallen wird dieser ökumenische Anlass gefeiert. Dazu gibt es Vor-bereitungstreffen. Anmelden via www.wgt.chMittwoch. 18. Jan.: Kirchgemeindehaus Lachen, St.Gallen, 8.30–16.45 Uhr, Fr. 70.–Donnerstag, 19. Jan.: Kirchgemeindehaus Lachen, St.Gallen, 8.30–16.45 Uhr, Fr. 70.–Samstag, 21. Januar: Saal im Untergeschoss der ev. Kirche Lichtensteig, 9–16 Uhr, Fr. 60.–Info, Anmeldung: Regionalgruppe St.Gallen: [email protected] Tel. 071 390 04 48Regionalgruppe Lichtensteig:[email protected] Tel. 071 988 15 77Anmeldeschluss ist der 9. Januar.

GottesdiensteÉGLISE FRANÇAISECultes du dimanche à 10 h à l’église de St-Mangen, sauf le premier dimanche du mois. Cultes du soir mensuels à Rorschach, Rappers-wil et Glaris. Renseignements auprès de Rédouane Es-Sbanti, pasteur, tél. 071 801 96 02 ou www.eglisefrsg.ch

ALL SOULS PROTESTANT CHURCHService: December 4, 11:45 am–1:00 pm, Location: St.Mangen, St.Gallen

PALETTE

Ein neues St.Galler Projekt gibt MigrantInnen und Flüchtlingen auf migraNET.sg eine Stimme. Jede Woche kommt eine neue Person zu Wort in Text, Bild und Video. Die «Zweiheimischen» berichten auf sehr persönliche Weise von ih-rer Herkunft, von den hiesigen Herausforderungen, von ihren Ressourcen und Träumen und von ihrem Engagement. Realisiert wird das Projekt vom St.Galler Fotografen Peter Käser.

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Ausstellung im Historischen Museum Bern zur Reformation

Noch bis zum 17. April 2017Niklaus Manuel (1484–1530) war Maler, Zeich-ner, Söldner, Literat, Politiker, Diplomat und Berner Reformator. Die Ausstellung folgt der Biografie dieser schillernden Persönlichkeit, die den Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit beispielhaft erleben lässt. Eine reiche Auswahl von Ausstellungsstücken zeigen die Welt von Niklaus Manuel. (www.bhm.ch)

Ökumenischer Elternkurs: staunen, fragen, Gott entdecken

Zwei Vormittage mit Mittagessen. Ort: Evang. Kirchgemeindehaus RorschachSamstag, 21. Januar 2017 «Frag mich!»Samstag, 18. Februar 2017 «Wo wohnt Gott?»

Kinder wollen ihre Welt begreifen: nicht nur wie alles funktioniert, sondern auch warum alles so ist, wie es ist. Und so stellen sie ihren Bezugspersonen unweigerlich die kleinen und grossen Fragen des Lebens. Dieser Kurs unter-stützt Eltern darin, gemeinsam mit Kindern auch in religiösen Fragen auf dem Weg zu sein.

Der Kurs knüpft an Erfahrungen und Stärken der Teilnehmenden an. Er unterstützt sie in einer ganzheitlichen Erziehung, indem auch die religiöse Dimension des Lebens mit in den Blick genommen wird. Dabei orientieren wir uns an den spirituellen Bedürfnissen der Kin-der mit Übungen und konkreten Anregungen für die Praxis zu Hause.

MusikMITTWOCH-MITTAG-KONZERTEKIRCHE ST.LAURENZEN IN ST.GALLEN12.15 bis 12.45 Uhr7. Dezember: Tasten nach Saiten, Gerd Bingemann, Gitarre und Flügel14. Dezember: Station Sehnsucht – nordische Musik, Elena Neff Zhunke und Raissa Zhunke21. Dezember: Entre dos Tierras – zwischen Spanien und Brooklyn, mit Andreas Arnold, Flamencogitarre, und Claude Diallo, Klavier

WEIHNACHTSKONZERT QUEM PASTORES LAUDAVERE VON ENRICO LAVARINIConcentus rivensis Chor, Orchester, SolistenSo 11.12., 17 Uhr: Klosterkirche PfäfersSo 18.12., 17 Uhr: kath. Kirche WalenstadtBerührende Musik zu Weihnachten, die anders ist als vieles, was gewöhnlich in dieser Zeit zu erklingen pflegt – Musik zum Fest und zur stil-len Stunde. www.concentus.ch

MATINÉE MANESSE QUARTETTSonntag, 11. Dezember, 11 Uhr «Eine kristallklare Form, Weihnachtsstimmung zu schaffen, und zwar eine von der echteren Art.» – Kammermusik mit literarischen Texten zu Weihnachten. Es spielt das Manesse Quar-tett: Christine Baumann, Sibylle Bremi, Brigitte Meier, Antonia Ruesch; Lesung: Nathalie HublerMit Werken von Felix Mendelssohn und Tsultan Tsintsatse und Texten von Selma Lagerlöf und Erich Kästner. Eintritt: 25.– /15.–, Reservation: 071 222 10 59, [email protected],

Junge Erwachsene.8 (PUNKT ACHT GOTTESDIENST)Freitag, 2. Dezember, 20 UhrEin moderner Gottesdienst mit Band, Theater-spiel, Predigt und Kreuzverhör. Mit feinem Apéro im Anschluss!Ort: Evang. Kirchgemeindehaus AltstättenVeranstalter: Evangelische Kirche Altstätten

ST.GALLER STADTGEBETDonnerstag, 8. Dezember, 19.30 bis 20 Uhr,Einsingen um 19.15 UhrDas St.Galler Stadtgebet für junge Leute im Chorraum der Kathedrale ist eine Ermutigung zur Begegnung mit der eigenen Spiritualität. Ort: Chorraum der Kathedrale St.GallenVeranstalter: Safranblau

GOTTESDIENST MIT BANDSonntag, 11. Dezember, 10 UhrGottesdienst mit Lobpreis, Kreativteil, Themenpredigt und Apéro.Ort: Kreuzkirche Wil, Toggenburgerstrasse 50, 9500 Wil SG, Veranstalter: Evang. KG Wil

WAVE JUGENDGOTTESDIENSTSamstag, 17. Dezember, 19.30 bis 21 UhrDer Gottesdienst umfasst eine Zeit des Wor-

ships und einen spannenden Input oder Erleb-nisbericht. Kleine Snacks, Ort: Kreiselhuus, Toggenburgerstrasse 56, 9500 Wil

PRAISECAMP16 IN BASEL 27. Dezember 2016 bis am 1. Januar 2017Für Teenager, Jugendliche und ihre Leiter. Anmeldung online unter www.praisecamp.ch

BeratungDIE DARGEBOTENE HANDTelefonseelsorge, Telefon 143, www.143.ch

TELEFON 147 – HELP-O-FONNottelefon für Kinder und Jugendliche

INTERNETSEELSORGE: SOS per SMS: 767

EVANGELISCHE FRAUENHILFEBeratungsstelle für FrauenOberer Graben 42, 9000 St.GallenTel. 071 220 81 80, Fax 071 220 81 84

EVANGELISCH-REFORMIERTE PAAR- UND FAMILIENBERATUNG ST.GALLENOberer Graben 31, St.GallenPfr. Menges Achim, Psychotherapeut ASP,Tel. 071 220 88 00Imper Andrea, Psychologin FSP,Tel. 071 220 88 02Siehe auch: www.eheberatung-ostschweiz.ch

PFARRAMT FÜR GEHÖRLOSEPfrn. A. Leupp-Meierhofer, Tel. 071 227 05 72, und Pfr. R. Hofer, Tel. 071 227 05 70, Oberer Graben 31, St.Gallen, [email protected]

BLAUES KREUZ SG-APPENZELLFachstelle AlkoholberatungKugelgasse 3, Postfach 28,9004 St.Gallen, Tel. 071 231 00 [email protected]äche nach Vereinbarung

BÜRGSCHAFTEN UND DARLEHENFür Familien und Alleinerziehende, Landwirte und Selbstständige. Gesuche sind zu richten an: Evang. Bürgschafts- und Darlehensgenossen-schaft des Kantons St.Gallen, c/o Bonfida Treu-hand AG, Davidstrasse 38, CH-9001 St.GallenTel. 071 226 91 91, [email protected]

PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ Fühlen Sie sich im Rahmen des kirchlichen Lebens diskriminiert oder in Ihrer Integrität verletzt, seelisch oder körperlich ausgenutzt, sexuell bedrängt, gemobbt oder belastet Sie ein Abhängigkeitsverhältnis?Die Kirche bietet Ihnen die Möglichkeit, sich von einer neu tralen Fachperson kostenlos be-raten zu lassen. Telefon 071 222 04 55 oder www.ref-sg.ch/persoenlichkeitsschutz

PALETTE TIPPS DES MONATS

Mit Fantasie den grosssen Fragen des Lebens begegnen.

Eingang zur Ausstellung «Söldner, Bilderstürmer, Toten-tänzer» über Niklaus Manuel in Bern.

Page 14: «Wo ist der neugeborene König der Juden?» · kann denn ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Er kann doch nicht ein zweites Mal in den Schoss der Mutter gelangen und geboren

14 AUSGABE 12/2016

Franz Kreissl, Leiter Pastoralamt des Bistums St.Gallen, präsentierte an der gesamtstädtischen Reformationsfeier in St.Gallen seine Sicht der Ökumene.

In Deutschland haben sich die Bischöfe und die Spitzen der evangelischen Kirchen gefragt, wie sie sich gemeinsam auf das Reformationsjubilä-um vorbereiten könnten. Mit einer gemeinsa-men Reise, so ein Vorschlag. Aber wohin? Nach Wittenberg! Die Idee fand wenig Begeisterung, auch Rom kam nicht in Frage. Man einigte sich, nach Israel zu fahren. Im Oktober kamen alle begeistert zurück: Wir haben die gemeinsamen Wurzeln neu entdeckt. An diesen wollen wir uns beim Reformationsjubiläum orientieren.

«AUF DASS SIE ALLE EINS SEIEN» Das erzählte Franz Kreissl am Anfang seiner Ansprache. Auch er führte seine Zuhörer zu den gemeinsamen Ursprüngen, der Bibel. Paulus ermahnte seine Gemeinde in Ephesus, die von Gott geschenkte Einheit nicht durch Unfrieden zu zerstören. Denn die Einheit ist Gottes Geist in den Glaubenden – ein Glaube, eine Taufe, ein Leib, eine Hoffnung. Dement-sprechend sollen die Kinder Gottes leben.

Im Johannesevangelium betet Jesus für die Einheit der Glaubenden: «Erhalte sie in der Gemeinschaft mit dir, damit sie untereinander so eins werden, wie du und ich eins sind.» Franz Kreissl betonte, dass diese Einheit ein aus Gottes Wesen und Leben abgeleitetes Geschenk sei, keine Leistung oder Tugend der Glauben-den. Es sei eine Einheit, welche die Selbstwer-dung unterstütze und damit die Fähigkeit förde-re, aufeinander zu hören, vom andern zu lernen.

Am Bild eines Wagenrades erläuterte Kreissl die in der Einheit der Nabe zentrierte Vielfalt. Die Identitäten am Ende der Speichen sind von-einander entfernt und haben doch in der Mitte, in Gott, ihren Ausgangspunkt und ihr Ziel.

KÜNSTLICH VERENGTE IDENTITÄTENBezug nehmend auf die Theologin Johanna Rahner, charakterisierte Kreissl die Entwick-lung der Kirchen nach der Reformation hin zu konfessionellen «Exilsidentitäten». Wer aus der Heimat vertrieben ist, neigt dazu, die Heimat zu idealisieren. In ähnlicher Weise würden die Kirchen aus ihrer Verlusterfahrung die Einheit konfessionalistisch vorstellen und die eigene Identität exklusiv bestimmen. Dem gegenüber hätte das Mittelalter noch eine grosse Vielfalt an Sichtweisen und Liturgien ermöglicht.

Nach der Reformation sei durch die Konkur-renz der Kirchen viel uniformiert worden, bei den Katholiken durch das Konzil von Trient. Damit hätten sich die Kirchen vom Reichtum der Vielfalt ausgeschlossen. Für Katholiken war Kelchkommunion oder Bibellesen als protes-tantische Eigenart verpönt. Evangelische dis-tanzierten sich von rituellen Formen, die als ka-tholisch galten. Das Problem für die Einheit, so Kreissl, sei damit nicht die Reformation, son-dern die 500 Jahre Konkurrenz danach.

ÖKUMENE DER NEUGIERAngesichts dieser Analyse hält Kreissl wenig von einer «Ökumene der Profile», in der die Si-cherung der eigenen Identität im Vordergrund steht. Vielmehr müsse der Vielfalt Raum gege-ben werden, auch in der eigenen Kirche. Dazu brauche es die Fähigkeit zum Dialog und zur Debatte, ausgehend vom Bewusstsein des Man-gels, dass einem selber immer etwas fehlt und viel zu lernen ist von denen, die auf andere Art mit Christus im Leben unterwegs sind.

Dazu habe die katholische Kirche mit dem 2. Vatikanischen Konzil die Weichen gestellt, auch wenn das dort nicht alle begrüssen.Seine Kirche habe klar formuliert, dass die Anerkennung des andern und das Bewusstsein für das Eigene zusammengehören. Vorher dominierte der konfessionalistische Blick nach innen. Dann aber wurde realisiert, dass wir Kirche in einer Welt sind, die sich wandelt. Eigenes und Fremdes können im Hinblick auf gemeinsame Herausforderungen nicht mehr getrennt werden, da Christus sich da und dort zeigen kann. Und damit knüpfte Kreissl bei sei-nen biblischen Betrachtungen an, welche die Einheit in Gottes Wesen, in der gemeinsamen Nabe des Rades, lokalisiert hat.

In seinem Schlussplädoyer bezog sich Kreissl auf die Charta Oecumenica von 1997 und Aus-sagen der Churer Theologin Eva Maria Faber.Er plädierte für eine «Umkehr zum Verstehen-wollen», zur Fähigkeit, andern zuzuhören und das Eigene verständlich erklären zu können. Und zu einer Kirche, die sich stets reformiert.

Die Ansprache kann nachgehört werden auf der Website des Evang.-ref. Forums St.Gallen: www.erf-sg.com/

Christliche Migrationsgemeinden erobern die SchweizText: APD | Foto: as Laut der Studie «Kirchen in Bewegung» des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts SPI (St.Gallen) bestehen über 600 Migrationsgemeinden in der Schweiz. Gemeinden von Migranten und Migrantinnen würden ihren Mitgliedern in der Fremde eine Heimat bieten und seien gleichzeitig wichtige Netzwerke. Sie würden durch die Unterstüt-zung in Lebensfragen, wie Wohnungs- oder Arbeitssuche sowie bei medizinischen Fragen, zur Integration in die Schweiz beitragen. Die SPI-Studie bietet Einblicke in 370 christliche Migrationsgemeinden und gibt Auskunft über Mitglieder, Strukturen und Konfessionen sowie zu Kirchen und Gesellschaft in der Schweiz. Mehr als 100 der untersuchten Gemeinden sei-en seit der Jahrtausendwende gegründet wor-den. Dies sei ein «Gründungsboom», der quer-laufe zur Tendenz der Schliessung oder Fusion von Kirchgemeinden in der Schweiz. Die Studie habe grosse Unterschiede zwischen den Gemeinden gezeigt: «Konfessionen, Spra-chen, Nationalitäten usw. sind bunt gemischt». Die Mehrzahl der Migrationsgemeinden seien evangelischen Glaubens, hätten aber wenige Mitglieder. Die grössten Migrationsgemeinden seien eher katholisch. Laut Studie gibt es in organisatorischer und finanzieller Hinsicht grosse Unterschiede: Katholische Migrantinnen und Migranten profi-tieren von den Strukturen der katholischen Kirche. Evangelische Gemeinden funktionieren in der Regel wie Freikirchen, sind als Vereine organisiert und leben häufig von Spenden ihrer Mitglieder. Ihre Pastoren arbeiten oft unentgelt-lich und in ihrer Freizeit. Prägnant ist die kriti-sche Sicht vieler Migrationsgemeinden auf die Kirchen in der Schweiz. Die hiesigen Grosskir-chen seien «zu angepasst und kaum lebendig». Viele katholische und evangelische Migrations-gemeinden wiesen darauf hin, dass sie zur Evangelisierung der Schweiz beitragen würden. Damit würden alle Kirchen in der Schweiz durch die Migration in Bewegung geraten.

Kirchen in Bewegung, CHF 29.90

ÖKUMENE

Franz Kreissl bei der Ansprache in der Kirche St.Mangen.

«Umkehr zum Verstehen wollen» Text und Foto: Andreas Schwendener

Äthiopische Christen in der Offenen Kirche in St.Gallen.

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15WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH

S’Chindli oder s’Wiegeli?Corinne Haag-Brunner arbeitet gerne mit den Händen. Die Berufswahl fiel ihr nicht leicht. Sollte sie Schreinerin oder Hebamme werden?

«Was will ich? Ein Wiegeli schreinern oder ein Chindli auf die Welt begleiten?», fragte sie sich bei ihrer Berufswahl. Mit einem sonnigen Lächeln auf dem Gesicht strahlt sie ihr Gegen-über aus leuchtenden Augen an. Und doch um-gibt sie ein Schimmer von Nachdenklichkeit, wenn sie aus ihrem Alltag als Hebamme spricht.

«Mein Grosi sagte einmal, du hast so musku-löse Oberarme, seit du Hebamme bist», erzählt Corinne Haag-Brunner und lacht. «So ist es, man arbeitet mit Muskelkraft und will gleichzei-tig Ruhe und Stille schaffen, wenn eine Frau ihr Kind zur Welt bringt.»

NAHE AM LEBENAls Privileg in ihrer Berufslaufbahn sieht sie die Zeit als Hebamme am Spital Wattwil, das da-mals eine Geburtenabteilung betrieb. «Wir leis-teten Dienst in der Wochenbettabteilung und in der Gynäkologie. Ich hatte Anteil an vielen Fa-cetten eines Frauenlebens, an wunderschönen und an traurigen», erzählt Corinne Haag-Brun-ner. Als Antwort auf die Schliessung der Gebur-tenabteilung in Wattwil war sie Mitinitiantin der Hebammenpraxis Toggenburg, gemeinsam mit zwei jungen Hebammen aus der Region.

Denn viele schwangere Frauen zeigen das Be-dürfnis nach individueller Begleitung in ihrer Schwangerschaft, in ihrer Geburt und dem Wochenbett. Sie wollen bestärkt werden und Anteilnahme spüren. Wenn Corinne Haag-Brun-ner von ihren Erfahrungen an verschiedenen Geburts-abteilungen der Spitäler re-det und auch vom Glücksge-fühl, bei denen sie als Freundin oder Schwester die Gebärende betreute und die Geburt leitete, wird ersichtlich, wie vielschichtig das Thema Geburt ist.

Nahe am Leben und am Tod, geheimnisvoll, elementar und seit Menschengedenken in den gleichen Abläufen. Dies ist die eine Seite. Eine andere ist die hochtechnisierte, pathologisier-te und planbare. Manchmal sei sie traurig ge-worden bei Geburten. Das Kind könne sich nicht wehren für die Art und Weise, wie es komme, so Corinne Haag-Brunner. Und trotz-dem bleibt jede Geburt ein einmaliges Ereignis.

Und jedes Neugeborene braucht, wie immer die Umstände seiner Geburt auch sind, zualler-erst Schutz, Wärme und menschliche Zuwen-dung. Ohne diese kann kein Mensch weiterle-ben. «Jede Geburt erinnert mich ein wenig an

Weihnachten», sagt die Hebamme, sie blickt sinnend und lächelt dazu.

NAHE BEI DEN FRAUENDie Schwiegermutter von Corinne Haag-Brun-ner hat sie gemacht, eine aus dunkelroter Wolle gestrickte Hülle, eine «Gebärmutter samt Ge-bärmutterhals». Sie wird für die Geburtsvorbe-reitungskurse benutzt, dazu das lebensgrosse Bäbi, die «Nabelschnur» an einem Druckknopf

an seinem Bauch befestigt, die «Plazenta» aus Stoff und Tüll und das medizinische Modell eines weiblichen Beckens. Sie

halte nicht viel von Filmen zur Geburtsvorbe-reitung, meint die Hebamme: «Eine Geburt ist etwas sehr Persönliches. Ich will nicht falsche Vorstellungen bei den Schwangeren wecken, sondern sie bestärken und beruhigen.»

Jetzt kommen ihre beiden Töchter zu Wort, sechs und zehn Jahre alt. Sie wissen genau, wie eine Geburt abläuft. Über ihr eigenes Zur-Welt- Kommen sind sie bestens informiert. Und sie wollen mit dem «Kindlein» spielen, ungewickelt wie es ist.

Die Aufnahmeprüfung zur Hebammenausbil-dung machte Corinne Haag-Brunner, ohne jemals eine Geburt gesehen zu haben. Bei «ihrer» ersten Geburt im Praktikum war sie überwältigt. Ihre Hände wollte sie brauchen, mithelfen, wenn Kinder zur Welt kommen. Diese Faszination hält an.

«Welle für Welle dem Ziel entgegen»

MIT WELCHEN BILDERN WÜRDEST DU EINE GEBURT BESCHREIBEN?Für mich kommt das Bild des Meeres am nächsten. Es kann ruhig und entspannend sein, es kann dich überrollen, unheimlich, gewaltig sein. Es kann Angst einflössen, auf der andern Seite wieder wunderschön sein. Bei einer Geburt ist es am besten, wenn man sich einfach darauf einlässt, Welle für Welle dem Ziel entgegen!

ERINNERST DU DICH AN DIE ERSTE GEBURT, DIE DU GELEITET HAST?Ich war ganz aufgeregt. Ich habe das Geburten-set früh gerichtet. Mein Herz klopfte laut, ich hatte ganz rote Backen. Aber als das Kind da war, war ich überglücklich. Alles ist sehr gut und natürlich verlaufen. Es war eine schöne und gelungene Zusammenarbeit zwischen der Gebärenden, ihrem Partner, dem Kindlein und mir. Dann habe ich alles in mein privates Ge-burtstagebuch geschrieben. Das mache ich seither immer und kann so über jede Geburt meine Gedanken und Empfindungen wieder hervorholen.

HAST DU AUCH EINE TYPISCHE HEBAM-MENSTORY ZU ERZÄHLEN?Aber sicher. Und das kam so. Ich sass noch im Hebammenbüro nach meinem Nachtdienst. Es war ein nebliger Herbstmorgen. Ein Mann rannte herein und rief, seine Frau bekomme grad jetzt das Kind, ich solle schnell mitkom-men. Wir kannten uns schon von der letzten Geburt her. Das Auto hatte er in der Nähe des Spitaleingangs parkiert. Wir rannten zum Auto, ich hatte das Geburtsset unter dem Arm. Die Frau lag auf der Rückbank und war dabei zu gebären. Sie steige nicht mehr aus, sagte sie in einer Wehenpause. So kam ihr kleines Kindlein problemlos und ohne jegliche Hilfsmittel im Auto zur Welt. Ein Spitalbesucher wurde ge-schickt, um meine Hebammenkollegin mit war-men Tüchern zu holen, damit das Kleine sich nicht unterkühlte! Es war einfach unglaublich, aber alles ging gut. Und nachher waren wir so erheitert und stolz und klopften uns auf die Schulter, nun hatten wir auch unsere Geschichte, sagten wir zueinander.

WIE HAT SICH DAS GEBÄREN VERÄNDERT IN DEN LETZTEN 16 JAHREN, SEIT DU ALS JUNGE HEBAMME DEINEN DIENST IM SPI-TAL BEGONNEN HAST?Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Hebammen ist teilweise immer noch sehr hier-archisch und eher ein Gegeneinander anstelle des Miteinanders – was ich sehr bedauere.Leider wird heute immer mehr auf Technik und Kontrolle geachtet aus Angst – und zu wenig dem natürlichen Rhythmus der Schwanger-schaft, der Geburt und dem Wochenbett Zeit und Raum gegeben. Wir müssen wieder lernen, vermehrt auf unser «Bauchgefühl» zu vertrauen.

Text und Foto: Katharina Burri, Krinau

MONATSPORTRÄT INTERVIEW

Die Hebamme Corinne Haag-Brunner mit Utensilien für Geburtsvorbereitungskurse.

«Jede Geburt erinnert mich ein wenig an Weihnachten.»

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Matthäus, der erste EvangelistText: Andreas Schwendener | Foto: Daniel Ammann

«Jesus sah einen Mann, der Matthäus hiess, am Zoll sitzen. Und er sagte zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.» So berichtet das erste Evangelium nach Mat-thäus von der Berufung des Zöllners Matthäus. Jesus sass dann bei Matthäus und weiteren Zöllnern zu Tisch – zum Ärger der Pharisäer. Später im Evangelium werden die Jünger Jesu aufgelistet – darunter «Matthäus, der Zöllner».

So konnte die alte Kirche annehmen, dass dieses Evangelium vom Apostel Matthäus stammt, der die Lehre von Jesus, seine Wunder und Konflik-te, die Passion und die Auferstehung wie auch die Aussendung der zwölf Apostel miterlebt hat. Dagegen spricht aber, dass im Evangelium nicht wie von einem Augenzeugen berichtet wird und dass bei der Abfassung das ältere Markusevan-gelium wie auch diverse Sonderüberlieferungen verwendet wurden. Doch unabhängig davon, ob der Text auf den Apostel oder auf einen anony-

Ich heisse Matthäus

men Autorenkreis zurückgeht, kann das erste Evangelium in seiner Besonderheit gewürdigt werden. Der Name Matthäus steht dann für eine sehr menschliche und weltumspannende Inter-pretation dessen, was Jesus in die Welt bringt.

EINE GEBURT FÜR ALLE VÖLKER Das Matthäusevangelium beginnt mit einem Stammbaum, der Jesus in seiner irdischen Her-kunft als Abkömmling des Königs David sieht. Denn der Davidlinie wurde ein ewiges Königtum verheissen. Die himmlische Herkunft wird ver-deutlicht durch die wundersame Schwanger-schaft der Maria und die Taufe am Jordan. All das ist für Matthäus schon im Alten Testament angekündigt, was er mit Zitaten aufzeigt.

Jesus bringt nicht eine neue Religion. Das Gesetz der Juden wird nicht aufgelöst, sondern kann durch die verstärkte Wirksamkeit des Gottes-geistes vom Kern her, dem Liebesgebot, jetzt ge-lebt werden – so entsteht die universelle Ge-

MATTHÄUS PFRANGER, GOLDACHMein Vater kommt aus dem Bündnerland und meine Mutter aus Deutschland. Sie wollte mich nach dem Namen ihres Bruders Matheus tau-fen. Meine Eltern entschieden sich aber für die schweizerische Form des Namens mit «ä» und zwei «tt», so wie er in der Bibel steht. Früher habe ich noch mehr in der Bibel gelesen. Ich war immer auch etwas stolz, den Namen des ersten Evangelisten zu tragen. Als Kind nann-ten mich meine Kollegen oft «Matthi». Heute bin ich für die meisten Matthäus.

MATTHÄUS EGGENBERGER, GRABSMatthäus gibt es in unserer Gegend viele. Das war ein beliebter Name, der in den Familien weitergegeben wurde – dem sagen wir hier «nachgetauft». So habe ich den Namen von einem Onkel, denn als sechstes von neun Kin-dern war der Name meines Vaters schon verge-ben. Der Name hat mir immer gefallen, auch wenn man mir bis heute «Debis» sagt, im Ärger auch mal «Teab». Diese Abkürzungen für Mat-thäus sind hier fast offiziell anerkannt und all-gemein gebräuchlich wie «Tiss» für Matthias.

MATTHÄUS SCHERRER, BÜTSCHWILMein Grossvater, Mutters Vater, hiess Matthä-us. So kam wohl auch ich zu diesem Namen.Schon seit meiner Jugend werde ich in meinem Umkreis «Thes» genannt. Wenn es nicht gerade um eine geschäftliche Beziehung geht, stelle ich mich auch selber als «Thes» vor. Der Name Matthäus und auch die Abkürzung «Thes» gefal-len mir sehr. Er passt auch gut zu mir, da ich in unserer Familie das letzte von sechs Kindern bin. Die biblische Gestalt des Matthäus ist mir aus dem Religionsunterricht bekannt.

ImpressumHerausgegeben im Auftrag der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen.www.kirchenbote-sg.ch

Nächste NummerErfolg – Scheitern Erscheint am 30. Dezember 2016Redaktionsschluss: 8.12.2016

Redaktion(Bitte keine Adressänderung bei der Redaktion! Ihre Kirchgemeinde verwal-tet Ihre Adresse – siehe Mittelbund) Pfr. Andreas Schwendener (as)Rehweidstrasse 2, 9010 St. GallenTel. 071 244 34 [email protected]

Katharina Meier Bahnhofstrasse 29601 Lütisburg-StationTelefon 071 980 06 [email protected]

Druck9442 Berneck, www.galledia.ch

Altpapieranteil: mind. 50 % Auflage: 71 000

Abonnementspreis11 Ausgaben: Fr. 13.—(wird von den Kirchgemeinden bezahlt)

Oberhefenschwil im Novem-ber: Die Rollen für das Krip-penspiel der Sonntagschule sind verteilt, die Texte einge-übt. Jetzt proben die Kinder erstmals in den Kostümen. Weitere Bilder: Seite 4–5 und 16. Fotos: Daniel Ammann

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BIBLISCHE NAMEN

meinschaft der Berufenen, die an ihren Werken der Barmherzigkeit erkannt werden.

Schon der Prophet Jesaia beschrieb, wie alle Völ-ker mit ihren Schätzen zum Heil finden werden – bei Matthäus bringen die drei Magier aus dem Osten stellvertretend schon ihre Gaben.

Nur Matthäus schreibt von den Königen aus dem Mor-genland – die Geburt Jesu ist ein globales Ereignis.

Nachrichten aus Ihrer Kirchgemeinde im Mittelbund

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