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Wohn- und Lebenssituation demenzerkrankter Menschen in Augsburg

Wohn- und Lebenssituation demenzerkrankter Menschen in ...mit-alzheimer-leben.de/sites/default/files/media/broschuere_web.pdf · 10 Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz! Betroffen

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Wohn- und Lebenssituation demenzerkrankter Menschen in Augsburg

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Wohn- und Lebenssituation demenzerkrankter Menschen in Augsburg

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Mit freundlicher Unterstützung

Das KompetenzNetz Demenz wird durch das Bayrische Sozialministerium sowie die Stadt Augsburg und die ARGE der Pflegekassenverbände in Bayern gefördert.Die Trägerschaft liegt bei SiC Gesellschaft für Forschung, Beratung, Organisa-tionsentwicklung und Sozialmanagement GmbH, einer Tochtergesellschaft der AWO Augsburg.

ARGEPflegekassenverbändein Bayern

05Vorwort

Vorwort

„Wie kommen die Schuhe in den Kühlschrank?“ lautet das Motto des KompetenzNetz Demenz mit seinen ehrenamt-lich engagierten Demenzpaten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Bürgerinnen und Bürger der Stadt Augs-burg mit der Thematik Demenz vertraut zu machen und für die Belange demenzerkrankter Menschen zu sensibilisie-ren. Immer mehr Menschen haben in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld Kontakt zu Menschen mit Demenz. Viele fühlen sich in der Begegnung mit diesen Menschen

überfordert. Sie wissen nicht, wie sie mit ihnen umgehen bzw. deren Verhalten einordnen sollen. Die meisten ziehen sich deshalb zurück, lehnen die Ausein-andersetzung ab und sind der Auffassung, dass die Betroffenen am besten in speziellen Einrichtungen „aufgehoben“ sind. Tatsächlich können Menschen mit Demenz aber noch lange Zeit zufrieden und sicher in ihrer gewohnten Umge-bung verbleiben, wenn gewisse Rahmenbedingungen erfüllt werden.

Wie die Wohn- und Lebenssituation von älteren, teilweise allein lebenden, demenzerkrankten Menschen aussieht, wurde vom KompetenzNetz Demenz mittels Interviews mit Betroffenen erfasst. Auf den Ergebnissen und Aussagen aus den Gesprächen basiert diese Broschüre. Sie beschreibt Wissenswertes zum Thema Demenz sowie das subjektive Erleben der Erkrankung und die Bedürfnisse und Wünsche von Menschen mit Demenz. Es wird aufgezeigt, wie Menschen mit Demenz in ihren „eigenen vier Wänden“ leben, wie sie im Alltag zurechtkommen und welche Hilfen sie erhalten. Des Weiteren wird erklärt, was wir als Gesellschaft, als Nachbarn und Bekannte tun können, um diesen Menschen solange wie möglich ein zufriedenes und sicheres Leben in ihrer gewohnten Umgebung bieten zu können.

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Interviewpartnern, ihren Angehörigen, Nachbarn und Bekannten, die uns einen Einblick in ihr Leben und ihre Ge-danken gewährten und die sich die Zeit nahmen, sich ausführlich mit uns zu unterhalten.

Judith Ergenz Cornelia AnlaufProjektleitung Autorin

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07Inhaltsverzeichnis

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz!Situation in Bayern und AugsburgMenschen mit Demenz im InterviewWie erleben Betroffene ihre Situation? Demenz – was ist das?Demenz – ein ÜberbegriffErste Anzeichen und Hinweise DiagnostikKrankheitsverlauf

Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit DemenzDie Wohnung: „Hier bin ich und hier bleib‘ ich!“ Das Wohnumfeld: Unterwegs mit Herrn KaiserSelbständiges Wohnen mit Demenz: Schwierigkeiten im WohnalltagGrenzen des selbständigen Wohnens demenzerkrankter Menschen

Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“ Ein Tag mit Frau SommerDer strukturierte Tages- und Wochenablauf

Ressourcen und UnterstützungPersönliche Ressourcen und StrategienFamiliäre RessourcenNachbarschaftliche Hilfen und KontakteProfessionelle HilfenNetzwerkbildung

Sicherheit im Alltag mit DemenzSicheres WohnenUnfälle und StürzePsychische Unruhe und WeglauftendenzÄngste und Sorgen – Wahrnehmung von Sicherheit

Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun? Bedürfnisse und Wünsche von Menschen mit DemenzHinweise zu Umgang und KommunikationKonfliktsituationenMöglichkeiten der Hilfe und Unterstützung

Hilfreiche Informationen rund um das Thema DemenzKostenlose BeratungsstellenDiagnostik und BehandlungEntlastungsangebote für AngehörigeAlternative Wohnformen für demenzerkrankte MenschenSpezielle Angebote für demenzerkrankte Menschen mit Migrationshintergrund und deren AngehörigeSonstigesLiteraturhinweiseNützliche Links

1.1.1.1.2.1.3. 2.2.1.2.2.2.3.2.4.

3.3.1.3.2.3.3.3.4.

4.4.1.4.2.

5.5.1.5.2.5.3.5.4.5.5.

6.6.1.6.2.6.36.4.

7.7.1.7.2.7.3.7.4.

8.8.1.8.2.8.3.8.4.8.5.

8.6.8.7.8.8.

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Inhaltsverzeichnis

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz!08

Haben Sie es auch schon einmal erlebt, dass Ihre

ältere Nachbarin oder Ihr älterer Nachbar Ihnen verändert vorkam?

Vielleicht läutete Ihr Nachbar öfter mal, weil er seinen Schlüssel nicht fand oder ihn vergessen hat. Oder ihre Nachbarin erzählt innerhalb eines kurzen Zeitraums immer wieder das gleiche und kann sich offen-sichtlich danach nicht mehr daran erinnern,

was sie gerade gesagt hat.Erscheint Ihr Bekannter bei Ihren Treffen

manchmal einfach nicht oder kleidet er sich zu diesen Gelegenheiten unangemessen und

anders, als sie es von ihm gewöhnt sind?Vergisst die 90jährige Nachbarin die Hausordnung,

obwohl sie diesen Dienst früher immer gewissenhaft ausgeführt hat. Grüßt sie Sie auf einmal nicht mehr? Oder ist Ihnen schon einmal ein älterer Herr auf der Straße begegnet, der offensichtlich Probleme mit der Orientierung hatte?

Sind Sie da aufmerksam geworden oder haben den Kopf geschüttelt? Haben Sie sich gefragt, warum das so ist, was mit Ihrem Mitmenschen geschieht?

Die genannten Verhaltensweisen müssen nicht, könnten aber auf eine Demen-zerkrankung hinweisen.Menschen mit einer Demenz rücken oft erst dann in unser Bewusstsein, wenn sie uns seltsam erscheinen, wenn Anzeichen wie Orientierungslosigkeit, son-derbare (Wahn-) Vorstellungen, anscheinend unpassende Wut oder eigentümli-che Ereignisse auftreten, wie häufig verlegte oder verlorene Schlüssel, tägliche große Einkäufe für eine alleinstehende Person oder nächtliche Ruhestörung.

Manchmal stehen wir hilflos da, … weil wir nicht wissen, wie wir mit der Situa-tion und mit dem Menschen mit seiner Demenz umgehen sollen! Vielleicht auch, weil dieses befremdliche Verhalten uns ängstlich und unsicher macht. Manchmal möchten wir helfen, … wissen aber nicht, wie!

Um Menschen mit einer Demenzerkrankung verstehen und ihnen helfen zu können, ist es unbedingt notwendig, die Welt von ihrem Standpunkt, ihrem Erleben aus zu betrachten.

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz! 09

Ein erster Schritt ist es, sich über die Demenzerkrankung und die Lebenssi-tuation der Betroffenen zu informieren und sich mit ihren Empfindungen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Erst dadurch können wir ein Grundverständnis und ein Gefühl für die Welt der Menschen mit Demenz entwickeln. Und dann haben wir auch die Möglichkeit, uns richtig zu verhalten.

Deshalb wurde diese Broschüre entwickelt. Wir möchten die Bemühungen um Ver-ständnis für Menschen mit Demenz unterstützen, möchten aufklären und informieren. Gleichzeitig wollen wir auch eine Möglichkeit bieten, Einblick in das Leben und Empfinden der Betroffenen zu erhalten.

1.1. Situation in Bayern und Augsburg

Es ist durchaus möglich, dass Sie in Ihrem näheren Umfeld, in Ihrem Stadtteil, in Ihrer Nachbarschaft oder in Ihrem Freun-des- und Bekanntenkreis auf Menschen mit einer Demenzerkrankung treffen.Die Erkrankten können uns überall begegnen, nebenan, im Wohnhaus, in der Nachbarschaft, beim Einkaufen, auf der Straße, beim Arzt, in der Kirchenge-meinde …

Die Bevölkerungsentwicklung lässt erwarten, dass die Gruppe der Älteren (ab 65-Jährigen) stark zunimmt und dass es immer mehr Hochbetagte (75 bis 85 Jahre) und Höchstbetagte (ab 85 Jahre) geben wird. Durch wissenschaftliche Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass mit zunehmendem Alter auch das Risiko steigt, an einer Demenz zu erkranken.

Die Demenz zählt zu den häufigsten Krankheiten im Alter. Bis zum Jahr 2050 wird die Anzahl aller Menschen mit einer Demenz in Deutschland auf etwa 2,6 Millionen geschätzt. Zurzeit leben in unserem Land bereits über 1,2 Millionen demenzerkrankte Menschen über 65.

Foto: Fössinger

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz!10

Betroffen sind hauptsächlich ältere Menschen über 75. Nur ein geringer Teil aller Erkrankten ist unter 65 Jahre alt (ca. 3% der insgesamt an einer Demenz erkrankten Menschen).1 Es gibt mehr demenzkranke Frauen als Männer, da Frauen in der Regel ein höheres Lebensalter erreichen, in dem das Krankheitsrisiko zunimmt.

In Bayern leben momentan über 160.000 Menschen mit einer Demenzerkran-kung, wovon die Mehrzahl (ca. 60%) zuhause gepflegt wird. Bis in das Jahr 2023 wird die Anzahl der Demenzerkrankten vermutlich auf 225.000 Erkrankte steigen – um mehr als 40 %! In Augsburg sind rund 4.000 Einwohner an einer Demenz erkrankt. Auch hier gilt: Tendenz steigend! Für das Jahr 2023 wird ein Anstieg um fast 25% prognostiziert, auf ca. 4.900 demenzerkrankte Menschen.

Fest steht: Wir werden in Zukunft alle mehr oder weniger auf demenzerkrank-te Menschen treffen und auf die eine oder andere Weise von dieser Thematik berührt werden.

Zwar wird in der Stadt Augsburg bereits viel Aufklärungsarbeit geleistet und ein breites Spektrum an Hilfsmöglichkeiten angeboten, dennoch beschäftigen sich eher die Menschen mit dem Thema Demenz, die unmittelbar betroffen sind, ob als Erkrankte, Angehörige oder Fachpersonal.

1.2. Menschen mit Demenz im Interview

Damit interessierte Bürger aus Augsburg Einblicke in das Leben und das Empfinden demenzerkrankter Menschen erhalten können, hat sich das Mo-dellprojekt KompetenzNetz Demenz die Aufgabe gestellt, über die Wohn- und Lebenssituationen älterer, zum großen Teil allein lebender Menschen mit einer Demenzerkrankung zu berichten.

Dazu wurden Interviews mit demenzerkrankten Menschen, ihren Angehörigen und Personen aus dem sozialen Umfeld durchgeführt, um Alltagsbewältigung, Wohnsituation, soziale Kontakte sowie persönliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfassen und die Stützen im Alltag herauszufiltern.

1 Diese Gruppe wird in nachfolgenden Ausführungen nicht berücksichtigt.

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz! 11

Es konnten exemplarisch sechs Menschen mit einer Demenzerkrankung in verschiedenen Lebenslagen befragt werden, darunter alleinlebende und in Ge-meinschaft lebende Personen. Des Weiteren wurden dreizehn Gespräche mit ihrem sozialen Umfeld (Angehörige, Nachbarn, Bekannte) geführt.Unsere Gesprächspartner mit Demenz leben meist in kleineren bis mittelgro-ßen Wohnanlagen in der Stadt Augsburg. Manche bewohnen ihre eigenen vier Wände schon seit 40 Jahren oder verbringen ihr Leben schon seit 60 Jahren im gleichen Stadtteil. Das Alter der Befragten liegt zwischen 76 und 88 Jahren.

DurchführungDie Interviews mit den verschiedenen Gesprächspartnern wurden mit Hilfe eines Gesprächsleitfadens geführt. Zentrale Fragestellungen waren:• Wie leben Menschen mit einer Demenzerkrankung? Wie sieht ihr Alltag aus?• Wie kommen demenzerkrankte Menschen mit ihrer Lebenslage zurecht und

wer oder was hilft ihnen dabei?• Wie ist ihr Verhältnis zum räumlichen und sozialen Umfeld?• Wie empfinden Menschen mit einer Demenz ihre Situation? Was sind ihre

Bedürfnisse?

ErgebnisseBei den interviewten Menschen mit Demenz zeigte sich, dass sie vor allem von Angehörigen betreut und versorgt werden, wenn auch in ganz unterschied-lichem Maße. Des Weiteren ermöglichen professionelle Dienste und Betreu-ungseinrichtungen in fast allen Fällen, dass die Gesprächspartner so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können.

Bei der Gestaltung des Alltags waren alle Variationen vertreten, von selbständi-ger Haushaltsführung, Einkäufen und allein zurückgelegten Wegen bis zu einer „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ zu Hause. Krankheitsbedingte Eigenheiten waren bei den befragten Personen u. a. enor-me Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen, ein starkes Ordnungs- und Auf-räumbedürfnis, Orientierungsschwierigkeiten, ein starker sozialer Rückzug, die Fixierung auf Angehörige sowie die Ablehnung von Hilfsangeboten.Fast alle demenzerkrankten Gesprächsteilnehmer geben an, dass ihnen ein Leben in der gewohnten Umgebung sehr wichtig ist, sie möchten dort solange wie möglich selbstbestimmt und selbständig leben. Einige sehen jedoch auch, dass es für sie Grenzen des selbständigen Lebens gibt, z. B. bei einer starken gesundheitlichen Verschlechterung oder dem Wegfall der Betreuungsperson.

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz!12

Frau Lutz* ist 84 Jahre alt und hat eine Tochter, die sich zusammen mit einem gesetzlichen Betreuer um sie kümmert. Die körperlich gesunde Frau lebt seit 25 Jahren alleine in der jetzigen Wohnung, im Stadtteil schon 35 Jahre. Sie möchte hier nicht weg, obwohl sie gerne einen Balkon hätte. Die Demenz wurde vor ca. eineinhalb Jahren diagnosti-ziert. Den Haushalt kann die freundliche und meist heiter gestimmte Dame teilweise noch bewältigen, jedoch fühlt sie sich gelegentlich al-leine und ihr ist oft langweilig. Deshalb sucht sie manchmal die nahe gelegene Kneipe auf, um dort auf andere Menschen zu treffen. Inzwischen besucht sie auch zweimal wöchentlich eine Tagespflege-einrichtung, wo sie das Zusammensein mit anderen genießt.

Die 88-jähirge Frau Held* lebt mit ihrer Katze seit 17 Jahren in ihrer Wohnung. Sie ist be-wegungseingeschränkt und hält sich fast aus-schließlich in ihren eigenen vier Wänden auf. Von den vier Töchtern kümmert sich vor allem eine aufopfernd um sie. Tag und Nacht erhält sie Betreuung und Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst. Frau Held weiß teil-weise nicht mehr, wo sie sich befindet und ist oft sehr niedergeschlagen. Die Tochter möch-te ihr die gewohnte Umgebung so lange wie möglich erhalten, weil die Mutter früher an-gab, nie in ein Heim zu wollen.

Der 76-jährige sympathische und ruhige Herr Kaiser* lebt zusammen mit seiner Ehefrau seit 14 Jahren in einer großen Wohnung, die er sehr zu schätzen weiß. Sein Viertel und die Leute darin kennt er schon seit 49 Jahren und er möchte diese Umge-bung nicht missen. Der vielseitig interessierte Mann kommuniziert gerne mit anderen. Er möchte sich seine Selbständigkeit solange wie möglich erhal-ten und seine Frau unterstützt ihn dabei. Teilweise verlässt der körperlich agile Mann noch alleine die Wohnung um Besorgungen zu machen. Er erfuhr vor neun Jahren von seiner Demenzerkrankung.

* Die Namen wurden geändert.

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Die kontaktfreudige Frau Vogel*, die gerne singt und lange Gedichte rezitiert, ist 78 Jahre alt und hat einen Sohn, der sie umsorgt. Die Demenzerkrankung wurde bei ihr vor vier Jahren bestätigt, erste Anzeichen zeigten sich aber schon einige Jahre zuvor. Die körperlich gesunde Dame lebt seit 20 Jahren in ihrer jetzigen Wohnung, aus der sie nicht gerne ausziehen möchte. Diese bedeutet für sie ein Stück Unab-hängigkeit, obwohl sie den Haushalt nicht mehr alleine be-wältigen kann. In ihrem Stadtteil kennt sie sich schon seit einigen Jahrzehnten aus. Hier besucht sie viermal wöchent-lich eine Tagespflegeeinrichtung und die ansässige Sozial-station kommt zweimal täglich zu ihr nach Hause.

Frau Sommer* ist 88 Jahre alt und hat vier Kinder, die sich abwechselnd um sie kümmern. Dies gibt ihr Sicherheit und Geborgenheit, obwohl sie allei-ne lebt. Die Demenzdiagnose erhielt sie vor zwei Jahren. Körperlich ist sie außerordentlich fit und macht gerne mit ihren Kindern ausgiebige Spazier-gänge. Die fröhliche Dame fühlt sich geborgen in ihrer Wohnung, in der sie schon ca. 25 Jahre lebt. In den Stadtteil zog sie bereits vor 60 Jahren. Ne-ben den Angehörigen erhält sie täglich Hilfe und Unterstützung durch die Sozialstation. Viermal wöchentlich besucht sie die nahe gelegene Tages-pflegeeinrichtung, in der sie auch auf alte Bekannte aus dem Stadtteil trifft

Die 82-jährige Frau Conrad* lebt und versorgt sich alleine in ihrer Wohnung, in der sie seit 40 Jahren lebt. Ihr Mann ist verstorben, sie hat nur zur Schwester intensiven telefoni-schen Kontakt, zu weiteren Angehörigen selten. Kinder hat sie nicht. Ihre Situation fiel anderen erst auf, als sie sich bei einer Beratungsstelle nach Kontaktmöglichkeiten erkun-digte, da sie sich alleine fühlte. Sie erscheint sie äußerst gepflegt. Die Demenzdiagnose erhielt sie erst vor einem halben Jahr, körperlich ist sie relativ gesund. Anderen ge-genüber ist sie sehr misstrauisch, hat aber gerne Kontakt. Außerdem leidet aber unter Wahnvorstellungen, z. B. sieht sie Leute in ihrer Wohnung.

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz!14

1.3. Wie erleben Betroffene ihre Situation?

Wer an einer Demenz erkrankt, merkt es zunächst einmal selbst. Vor allem die Ver-gesslichkeit schränkt den Alltag zunehmend ein, aber auch andere Belastungen, Gefühle und Wahrnehmungen wurden von unseren Gesprächspartnern erwähnt:

„Ich spür‘ gar nix. Überhaupts nicht … dass ich vergesslich bin, ja, des spür‘ ich. Das tut mir weh, wo ich doch früher alles so aufgenommen hab‘ und des hätt‘ ich mir nie träumen lassen, dass ich dann so viel vergiss (…). Es tut mir weh, wenn andere mich für verrückt halten und mit mir schimpfen. Aber ich habe meinen eigenen Willen.“ (Frau Vogel)

„Lücken hab‘ ich schon, die Worte fehlen mir manchmal und fallen mir nicht mehr ein. (…) Neulich wusst‘ ich auf einmal nicht mehr, ob‘s Frei-tag oder Samstag is‘.“ (Frau Conrad)

Frau Sommer beschreibt ihre Situation so: „Manchmal is´ schon so, dass ich oft nim-mer weiß, wo ich bin. Das beunruhigt mich schon (…), schlaf‘n kann ich dann nimmer (…) manchmal bin ich auch sehr unruhig und hab‘ Angstgefühle. Dann ruf‘ ich halt eins von meinen Kindern an (…). Wenn ich nicht schlafen kann, schau ich immer wie-der raus beim Fenster, ob jemand unten is‘, weil oft klingelt‘s bei mir … .“

Foto: Fössinger

Unsere Nachbarn – Menschen mit Demenz! 15

„Ich seh‘ mit gemischten Gefühlen der Endphase meiner Krankheit zu. Also die Angst besteht, die hab‘ i‘ und die kann mir niemand nehmen. Denn was wird noch kommen, was kommt noch über mich – die Ungewissheit, die macht mich manchmal krank (…) Was kommt wohl alles?“ (Herr Kaiser)

„I‘ bin immer allein (…) immer für mich. (…) Langweilig is‘ mir schon auch. Dann schau‘ ich zum Fenster raus oder in den Fernseher oder ich geh‘ halt raus. (…) Einmal hab‘ ich aber meinen Schlüss‘l verlorn, da konnt‘ ich nimmer rein. Hab‘ dann bei den Nachbarn geläutet und g‘sagt, dass ich die Frau Lutz bin und hier wohn‘.“ (Frau Lutz)

Wenn Betroffene selbst, aber auch Menschen aus ihrem sozialen Umfeld den Eindruck gewinnen, dass eine Veränderung des Gedächtnisses, des Denkens und der Entscheidungsfähigkeit vorliegt, sollte dies als Warnsignal betrachtet werden.

„Ich hab‘ gar keine Freude mehr, wirklich wahr. Wissens, wenn jeder Tag grad‘ so is‘ wie der andere. Vielleicht wird´s noch, vielleicht auch nimmer. Einfach schlimm ist das, wenn man gar keine Zukunft mehr hat. (…) Man will‘s nicht glauben, aber es is‘ so. Das belastet mich schon.“ (Frau Held)

16 Demenz – was ist das?

Demenz war lange Zeit ein Thema, über das in der

Gesellschaft nicht gesprochen wurde. In den letzen Jahren hat jedoch ein Wandel

stattgefunden. Printmedien, Film, Funk und Fernsehen berichten zunehmend darüber. Allerdings werden der starke geistige Ver-fall und seine Auswirkungen oftmals auch dramatisch durch Extremfälle dargestellt. Diese können bei den Betrachtenden

zu einer sehr einseitigen Beurteilung der Lebenssituation von Menschen mit einer

Demenz führen.

„Man stellt sich die Krankheit anders vor, als sie is‘. Also wenn jemand Alzheimer hat, dann meint

man doch, der is total weggetreten. Bei unserem Nachbarn ist das nicht der Fall, der hat zwar Alzheimer, aber durch die Medikamente wird das auf-gehalten. Wenn der die Medikamente nicht hätt‘, könnte er vielleicht nicht mehr so leben und seine Frau is‘ ja auch nicht unbegrenzt belastbar.“ (Bekannte von Herrn Kaiser)

Eine Demenz entsteht durch verschiedene Ursachen. Deshalb treten auch nicht bei jedem Betroffenen die gleichen Krankheitsanzei-chen auf. Die Symptome oder Beschwerden können sowohl einzeln als auch kombiniert vorkommen. Manche Menschen mit Demenz erscheinen in ihrem Alltag nur wenig beein-trächtigt, bei anderen – in einem späteren Stadium – ist die Erkrankung offen-sichtlich. Die Auswirkungen und der Verlauf der Erkrankung sind sehr individuell und von der Persönlichkeit und der Lebenssituation des Betroffenen abhängig. Außerdem erleben und verarbeiten Menschen mit Demenz ihre Erkrankung auch unterschiedlich. Grund dafür sind unter anderem die verschiedenen (Problem-)Bewältigungsstrategien, die ein Mensch während seines Lebens erworben hat. Manche der Betroffenen können so trotz Demenz ein relativ zufriedenes Lebensgefühl empfinden. Andere Erkrankte geraten durch den Einbruch der Erkrankung in schweres Leid. Hierzu tragen nicht zuletzt der zunehmende Kontrollverlust in allen Bereichen des täglichen Lebens und der drohende Verlust aller Eigenständigkeit bei.

17Demenz – was ist das?

2.1. Demenz – ein Überbegriff

Mit dem Begriff Demenz wird keine einzelne Krankheit bezeichnet. Vielmehr handelt es sich um einen zusammenfassenden Überbegriff für Krank-heitszeichen. Diese Krankheitsmerkmale (Symptome) treten auf, weil Regionen des Gehirns zerstört werden (Untergang von Nervenzellen und -verbindungen). Ursache dafür können u. a. neurobiologische Störungen (Alzheimer Krankheit) oder Veränderungen der Blutgefäße (vaskuläre Demenz) sein. Diese krankhaften Vorgänge führen zu einer Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit.Typische Anfangsmerkmale dieser Erkrankungen sind Gedächtnisstörungen, Orientierungs- und Konzentrationsschwierigkeiten. Das Aufnehmen und Merken neuer Informationen wird beeinträchtigt. Mit zunehmendem Verlauf können Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen hinzukommen. Die Erinnerung an lange zurückliegende Ereignisse kann jedoch noch lange erhalten bleiben:

„Was andere Leute fasziniert, des sind ihre langatmigen Gedichte, die sie zum Beispiel noch von früher aufsagen kann. Die Gedichte, ihre Lieder, die Liedertexte oder die Melodien, die beherrscht se noch komplett. Es gibt Gesangsbücher, wo vielleicht von so am Lied drei, vier Strophen drinsteh‘n. Betreuer meiner Mutter haben schon festgstellt, sie kann oft acht Strophen von einem Lied, die stehen nirgendswo, aber die hat sie irgendwann g‘hört und hat se dann anghängt, als die Gruppe miteinander sang. Also des kann se noch gut, aber sonst … .“ (Sohn von Frau Vogel)

„Ich bewunder‘ ihn, weil er so viele Dinge von früher weiß, wie z. B. von Städten, wo er früher mit seiner Frau war. Sein Gedächtnis is‘ enorm (…) aber was jetzt aktuell war, in den letzen zwei Tagen, da tut er sich schwer.“ (Bekannte von Herrn Kaiser)

„Ja, sein Langzeitgedächtnis funktioniert, er kennt sich überall aus, vor allem hier im Stadtteil. Aber was Neues ist äußerst schwierig. Sei´s örtlich oder sei´s: was hast Du heut Mittag gegessn … .“(Bekannter von Herrn Kaiser)

18 Demenz – was ist das?

2.2. Erste Anzeichen und Hinweise

„Wenn ich zusammen mit der Mutter Bekannte z. B. beim Friedhofgang treffe, dann wissen diese mit Sicherheit nicht, dass sie Demenz hat. Da werden ganz normale Unterhaltungen geführt und niemand kommt auf den Gedanken, dass sie demenzkrank ist. Wenn man sich trifft, redet man von früher, wie schön des war, wie wir im Garten war‘n, wie alle kommen sind zum Kaffee und Kuchen. Da werden keine Fragen gestellt. Sondern einfach von früher g‘redet und des passt ja alles.“ (Tochter von Frau Sommer)

Eine Demenzerkrankung ist nicht leicht zu erkennen: Eine Verlangsamung der Gedächtnistätigkeit ist mit zunehmen-dem Alter bis zu einem gewissen Grad natürlich. Ebenso, wie die körperliche Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit mit zunehmendem Alter abnehmen, verlau-fen auch Denk- und Speicherprozesse im Gehirn langsamer. Doch diese „Gemäch-lichkeit im Alter“ beeinträchtigt nicht die Selbständigkeit im Alltag. Altgewordene Menschen, die keine Demenzerkrankung haben, können ihr Leben eigenständig gestalten und bewältigen.

Bei einer Demenz wird dagegen die All-tagskompetenz zunehmend eingeschränkt

und gelernte Täigkeiten wie Essen kochen, Kaffee machen und Körperpflege können mit fortschreitender Demenz nicht mehr ohne Hilfe durchgeführt werden.

Oftmals versuchen die betroffenen Menschen, die „Fassade zu wahren“, ihre Probleme zu überspielen, Ausreden für ihre Fehler zu finden oder allein mit der Situation fertig zu werden. Sie wollen – verständlicherweise wie wir alle – weiterhin selbständig und eigenverantwortlich leben. Gleichzeitig befürchten sie aber auch, dass sie durch Offenbarung ihrer Schwierigkeiten oder der Diagnose Demenz für „verrückt“ oder „nicht mehr zurechnungsfähig“ gehalten werden. Manchmal werden die Vergesslichkeit und andere Schwierigkeiten nicht ernst genommen und verdrängt.

Eine weit fortgeschrittene Demenz zu erkennen … ist leicht

Eine mittelschwere Demenz zu erkennen … ist nicht so schwierig, außer man will es nicht wahrhaben

Eine Demenz im frühen Stadium zu erkennen … ist schwer

(Deutsche Alzheimer Gesellschaft)

19Demenz – was ist das?

Häufig werden dann andere Ursachen, wie z. B. Stress oder das fortgeschritte-ne Alter vorgeschoben und der notwendige Gang zu einem Arzt/Altersmediziner vermieden.

Die Anzeichen der verschiedenen Demenzerkrankungen können individuell variieren und stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Es sind unter anderem Vergesslichkeit, Verlegen oder/und Verstecken von Dingen, Orientierungslosig-keit, sozialer Rückzug, Depression, wahnhafte Vorstellungen (z. B. bestohlen worden zu sein). Auch Mobilität und Bewegungsdrang können sehr verschieden ausgeprägt sein.Ein Krankheitsmerkmal ist jedoch bei allen Menschen mit Demenz zu erkennen: Es ist die zunehmende Unfähigkeit, sich selbst und die Situation angemessen einzuschätzen.

Die Demenzerkrankungen beginnen oft schleichend und verlaufen dann eine Zeit unbemerkt. In der Regel sind es die Betroffenen selbst, die zuerst begrei-fen, dass „etwas nicht mehr stimmt.“ Im weiteren Verlauf können dann auch die Familie, Partner und nahestehende Menschen nicht mehr ignorieren, dass eine gravierende Veränderung stattfindet, die nicht mehr mit Beschönigungen zu rechtfertigen sind.

Fehler machen wir alle, aber bei Menschen mit Demenz treten Fehler häufiger auf, nicht einmal im Monat, sondern vielleicht sogar mehrmals am Tag: beispielsweise die Brille unauffindbar zu verlegen, die Hausschuhe im Kühl-schrank zu deponieren, das Familiensilber zu verstecken und dann Angehörige zu beschuldigen, die Wertgegenstände gestohlen zu haben. (Auch wenn das „gute Besteck“ wieder auftaucht, entschuldigen sich die Demenzkranken dann nicht für ihre unberechtigten Vorwürfe. Sie können das nicht, da sie ihre Vorhal-tungen bereits vergessen haben.)

Bei den Menschen mit Demenz, die mit uns sprachen, verhielt es sich folgendermaßen:Eine Mitbewohnerin hat Frau Sommer öfter mal Spezialitäten aus ihrer Heimat gebracht, was diese dann auf einmal ablehnte:„Sie hat gesagt, >Das will ich überhaupt nicht. Die braucht mir nichts brin-gen, des mag i‘ net. Ich hab‘ doch selber mein Zeug<. Sie is‘ immer miss-trauischer geworden, meinte, dass die Nachbarin nur einen Grund sucht, zu ihr zu kommen und um sie auszuspionieren. Zuerst haben wir gesagt, das ist doch schön, wenn jemand ein bisschen nach dir schaut (…) aber sie wollt das einfach nicht“, so die Tochter.

20 Demenz – was ist das?

„Sie hat sich viel verändert, is‘ anders geworden, ruhig (…) manchmal ist sie nicht richtig ansprechbar oder sie erkennt mich nicht mehr und geht an mir vorbei. Dann grüßt sie kaum oder gar nicht, obwohl ich schon lange mit ihr in einem Haus lebe. Beim nächsten Mal sagt sie wieder lebhaft >Hallo, wie geht‘s<. (..) Und sie ist seit fast einem Jahr nachts sehr aktiv, ich hör‘ sie immer wieder. Entweder sieht sie laut fern oder sie redet mit sich selbst oder sie weint“, meint Frau Seiler, die Nachbarin von Frau Sommer.

Vor etwa zwei Jahren wurde der Schwester die veränderte Situation von Frau Conrad bewusst, als diese immer öfter berichtete, Dinge verlegt zu haben, anrief und fragte, wo sie diese hingelegt haben könnte. Etwa zur gleichen Zeit begann die 82-jährige Frau immer wieder von unrealistischen Ereignissen zu berichten. Sie erzählte immer wieder von Diebstählen in ihrer Wohnung: „… wenn sie heimkommt vom Einkaufen hat man ihr was geklaut oder wenn s‘ zum Doktor geht oder sonst irgendwo hin … jedes Mal meint sie, dass sie be-stohlen wurde (…). Außerdem hat sie nachts Leut‘ in ihrer Wohnung gesehen, die ihr zwar nichts tun, vor denen sie aber Angst hat“, so die Angehörige.

Herr Kaiser erinnert sich an den Beginn der Krankheit: „Es war so, dass i‘ alles vergessen hab‘, manchmal hat man mir dreimal was g‘sagt und i‘ hab‘s net einmal checkt.“ Eine befreundete Nachbarin von Herrn Kaiser merkte lange Zeit keine Anzei-chen einer Demenzerkrankung bei ihm, obwohl sie schon relativ bald nach der Diagnose vom Ehepaar Kaiser darüber aufgeklärt wurde. „Man merkt schon, dass er abbaut (…) gestern hab ich zum Beispiel mit-bekommen, wie die beiden aneinander vorbeigeredet haben … er hat was erzählt und sie etwas anderes darauf und er wusste in dem Moment schon nicht mehr, was er denn eigentlich gesagt hat. Beide haben dann noch eine Weile diskutiert (…). Das war das erste Mal, dass ich es hautnah mitgekriegt hab‘ (…). Er hat mir leid getan, weil er ja selber gemerkt hat, das er ‘n Wurm reingebracht hat.“ (Bekannte von Herrn Kaiser)Eine Angehörige beobachtete am Verhalten des Vaters, dass er nicht mehr so aktiv sei wie früher und immer ruhiger würde. „Er kann den ganzen Nachmittag mit anderen zusammen sitzen ohne sich am Gespräch zu beteiligen.“

21Demenz – was ist das?

Frau Vogel gibt zu, Dinge zu verstecken: „… nicht vor den anderen, aber vor mir selber, dass ich ‘s eher find! Aber, da weiß i‘ dann net, hasch es jetzt da rein oder hasch es woanders rein oder sonst wohin. Dann muss ich solang suchen, bis i‘ wieder hinrumpl, an mein Versteck (lacht). Da könnt ich mich manchmal selber ohrfeigen. (…) Wenn ich mein Geld nicht mehr find’, dann werd’ ich nervös, deswegen ver-waltet jetzt mein Sohn das Geld und das ist gut so. Warum soll ich mir mein Hirn, des bissele wo noch drinnen is‘, auch noch kaputt mach’n?“Der Sohn bestätigt, dass immer wieder Dinge verschwinden: „Es ist nicht nachvollziehbar wohin sie Gegenstände ablegt, das sind keine sinnvollen Plätze. Sie nimmt einfach was in die Hand, läuft irgendwohin und plötzlich, innerhalb von Sekunden, is’ des Teil weg. Sogar in der Matratze haben wir schon Besteck gefunden.“Anfangs bemerkte Herr Vogel nur, dass seine Mutter immer häufiger sehr auf ihrer Meinung beharrte, „… weil sie irgendwas falsch verstanden hat oder sich eingebildet hat. Am Anfang hab‘ ich noch widersprochen (…) und ir-gendwann haben dann die Leute gesagt, dass sie ein auffälliges Benehmen hätte, unter anderem auch beim Einkauf. Da hätt‘ se Waren in den Ein-kaufswagen gepackt und wär loszogen und hätt‘ dann den Einkaufswagen irgendwo stehen lassen und wär‘ wieder gegangen.“ Die Verkäuferinnen hätten den Wagen dann wieder aufräumen und die Ware in die Regale zurückstellen müssen. „Verändert hat sich in den letzten Jahren, dass die Mutter noch vergessli-cher als früher wurde“, meint die Tochter von Frau Lutz. „Richtig aufgefallen is‘ mir erst, als meine Mutter immer et-was gesucht hat. Sie hat zum Beispiel einen Schlüssel in der Hand gehabt und ihn meinetwegen in die Handta-sche reingetan, hat dann immer an der Handtasche rumgespielt und den Schlüssel wieder raus. Dann hat sie gefragt: >wo hab ich ihn denn<, dann hat sie ‘n wieder vorne reingsteckt – es war ein ständiges Umpacken der Sachen. Das war des Erste was mir aufgefallen is‘ und dann des Zwei-te, dass sie mich öfter angerufen hat und g‘sagt hat, man hat ihr Sachen geklaut und es ging soweit, dass sie behauptet hat, man hat ihre Zähne gestoh-len und da is‘ mir dann aufgefallen, dass da irgend-was net stimmt.“

22 Demenz – was ist das?

Einmal sollte die Tochter für Frau Lutz Geld abheben, jedoch war nichts mehr auf dem Konto. Die Angehörige wurde informiert, dass Geld abgehoben wurde, die Mutter behauptete jedoch, dass sie nicht in der Sparkasse gewesen sei. „Dann hab‘ ich net g‘wußt, ob sie mich anlügt oder net, weil sie hat dann auch zum Teil des Geld versteckt. Bis dahin hat sie wirklich noch alles immer so im Griff g‘habt und plötzlich war des so, dass es dann weg war. Ja sie hat ‘s net, sie weiß net, hat sie behauptet. Und dann hab‘ i‘ gsagt, komm jetzt suchen wir mal die Schränke durch. (…) Dann haben wir halt ihre Verstecke gefunden.“ Alle Auffälligkeiten traten laut Tochter von Frau Lutz ziemlich parallel zueinander auf.

Anfangs ist der Familie von Frau Held der geringer werdende Wortschatz auf-gefallen. Dies wurde darauf zurückgeführt, dass sie schwerhörig ist und sie so Gesprächen einfach nicht richtig folgen könne.Lange Zeit rief Frau Held sehr oft bei der Tochter an. Mehrmals am Tag sprach sie auf den Anrufbeantworter oder sie versuchte es zeitweise auf dem Handy:„Sie spricht mir x-mal auf den Anrufbeantworter, manchmal normal >lass mal wieder was von dir hören<, dann steigerte sich das auch und sie rief am Nachmittag fünfmal an. Das ist die Zeit, wo sie alleine ist und wartet, bis jemand kommt. Da merkt man dann wirklich, sie is‘ nicht gern allein und man merkt auch, dass sie immer verzweifelter wird, sie spricht dann in sämtlichen Tonlagen, fordernd und weinerlich >keiner kümmert sich um mich, ich bin euch ganz egal< oder sie macht Vorwürfe und bittet >lass dich halt mal sehn< … .“ Heute käme das seltener vor.Die Tochter erinnert sich ebenso, dass man die Mutter früher noch bei be-stimmten Sachverhalten von der Realität überzeugen konnte oder sie bemerkte selbst, dass ihre Ansicht nicht richtig war:Frau Held gab zu: „Ja hasch recht“ oder „Des hab‘ ich vielleicht falsch geseh‘n.“ Aber irgendwann war das nicht mehr so. „So wie sie es empfindet, so is‘ es, a andere Meinung gilt net“, so die Tochter.

23Demenz – was ist das?

Mögliche Anzeichen einer dementiellen Erkrankung:• Ungewöhnliche Vergesslichkeit, nachlassende Gedächtnisleistung• Rückgang der Aufmerksamkeit und Konzentration• Unfähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun

(z. B. zu essen und gleichzeitig am Tischgespräch teilzunehmen)• Entscheidungsschwierigkeiten• Sprachliche Schwierigkeiten, eingeschränktes Sprachvermögen• Räumliche und zeitliche Orientierungslosigkeit• Schwierigkeiten im Organisieren des Alltages• Verlust der Eigeninitiative• Veränderter Tag- und Nachtrhythmus, Veränderung des Schlafrhythmus• Vernachlässigung von Kleidung und Körperhygiene• Eingeschränktes Urteilsvermögen• Probleme beim abstrakten Denken• Persönlichkeitsveränderungen

(z. B. sonst freundliche Person wird zunehmend streitsüchtig)• Antriebsverlust• Starker Bewegungsdrang und Unruhe• Stimmungs- und Verhaltensveränderungen

(z. B. Zunahme von Ärger und Frustration)• Verändertes Sozialverhalten

(z. B. Rückzug aus sozialen Kontakten)• Wahrnehmungsstörungen

(z. B. realitätsferne Vorstellungen, falsche Deutung der Umwelt, Halluzinationen)

Mit fortschreitender Erkrankung:• Kontrollverlust über den Alltag• Vertraute Personen werden nicht mehr erkannt• Selbständige Versorgung ist nicht mehr möglich• Körperliche Pflegebedürftigkeit

24 Demenz – was ist das?

2.3. Diagnostik

„Ich war so froh, dass endlich einmal jemand gesagt hat, nee, mit der Frau stimmt irgendwas nicht …“ sagt eine Tochter nach der Diagnosestellung. Sie war erleichtert, etwas unternommen zu haben, um die Gewissheit zu erhalten, was denn nun mit der Mutter los sei.

Stellt eine Person bei sich bzw. einem Verwandten oder Bekannten Gedächtnis-störungen und Auffälligkeiten im Verhalten fest, wird meist der vertraute Haus-arzt aufgesucht, der seine Patienten oft über längere Zeit hinweg kennt und der mit entsprechenden Fachärzten zusammenarbeitet bzw. im besten Falle zur Diagnose in eine Gedächtnisklinik überweist. Ausführliche Gespräche mit den Betroffenen und ihren Angehörigen, neurologi-sche Tests und körperliche Untersuchungen können helfen, eine Demenzerkran-kung zu diagnostizieren.

Fähigkeiten und Wissen, über die man auch früher nicht ver-fügte - wie z. B. Bankgeschäfte, die immer der Partner erledigte - sind keine Anzeichen für eine beginnende Demenz. Deshalb werden bei der Diag-nostik vergangene und gegen-wärtige Fähigkeiten nachge-fragt.Notwendig ist auch die Abgren-zung zu den Erkrankungen Delir und Depression, bei denen ähnliche Symptome wie bei der Demenzerkrankung vorkommen können.

Wichtige Anlaufstellen sind: Fachärzte für gerontopsychiat-rische Erkrankungen, Gedächt-nissprechstunden und Memory Kliniken.

Delir = akuter Verwirrtheitszustand, der vorübergehend ist und nach Operati-onen, Infektionen, Flüssigkeitsmangel etc. hervorgerufen werden kann.

Depression = psychische Störung, die das Leben erheblich beeinträchtigt und sich in einer lange andauernden trauri-gen und niedergedrückten Stimmung zeigt bzw. auch in der Unfähigkeit der Betroffenen, überhaupt Gefühle zu empfinden. Die Depression ist verbun-den mit Gefühlen der Wertlosigkeit, Hilflosigkeit und Schuld. Sie hat häufig ähnliche Anzeichen wie eine Demen-zerkrankung im Anfangsstadium (z. B. kognitive Einbußen), jedoch beginnt sie eher plötzlich. Eine leichte Depressi-on kann jedoch auch Hinweis auf eine beginnende Demenz sein.

25Demenz – was ist das?

Folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Diagnosestellung bei Demenz:

Meistens wird eine primäre Demenz diagnostiziert: Dabei ist das Gehirn unwiederbringlich geschädigt und nach heutigem Wissenstand ist dies nicht mehr heilbar. Bei dieser Art der Demenz gibt es unterschiedliche Ursachen und Formen. Die häufigste Demenzform ist die Alzheimer Demenz.Ursache für sekundäre Demenzen sind zumeist andere körperliche Erkrankun-gen oder Probleme, wie z. B. Schilddrüsenunterfunktion, Austrocknung (zu wenig Flüssigkeitsaufnahme), Vitaminmangel, Alkohol- und/oder Medikamen-tenmissbrauch etc.. Wenn diese behandelt werden, verschwindet auch die Demenz-Symptomatik wieder.

Ausschluss anderer Ursachen,

die Gedächtnis-störungen

hervorrufen

Demenz-verdacht

DiagnoseDemenz

Primär Sekundär

26 Demenz – was ist das?

2.4. Krankheitsverlauf

Grundsätzlich handelt es sich bei einer Demenzerkrankung um einen langsam, aber kontinuierlich fortschreitenden Prozess, der sich mehrere Jahre hinziehen kann. Die durchschnittliche Dauer einer Demenzerkrankung liegt zwischen 6 und 9 Jahren.

Im Verlauf der Erkrankung gehen immer mehr geistige und körperliche Fähigkei-ten verloren und der erkrankte Mensch verliert zunehmend seine Selbständigkeit, nicht jedoch seine Fähigkeit, zu fühlen, seine Sensibilität und Empfindsamkeit! Amerikanische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass bei Menschen mit schwerem Gedächtnisverlust die zu einem Erlebnis gehörenden Gefühle länger erhalten bleiben als die rein verstandesmäßige Erinnerung daran. Demenzkranke bekommen emotionale Stimmungen aus ihrem Umfeld mit, häufig sogar intensiver als Nicht-Demenzkranke. Die Betroffenen verfügen somit auch weiterhin über die gesamte Bandbreite der menschlichen Gefühls-skala, wie Freude, Trauer, Heiterkeit und Wut. Sie spüren auch sehr genau die gefühlsmäßige Befindlichkeit ihrer Mitmenschen, z. B. wenn diese gereizt, nervös oder gestresst sind.

Verständlicherweise gehen Betroffene häufig nicht zum Arzt und vertrauen sich auch niemand anderem an. Je früher die Demenzerkrankung aber er-kannt und diagnostiziert wird, desto besser ist es für die Betroffenen:1. Es gibt Demenzerkrankungen, die durch Faktoren ausgelöst werden, die

behandelbar sind wie z. B. Demenz durch Vitamin- und Flüssigkeitsmangel, bei Schilddrüsenerkrankungen, durch Depressionen, durch Medikamente, durch Alkoholmissbrauch.

2. Die meisten Demenzerkrankungen können nicht geheilt werden, doch durch frühzeitigen Einsatz von Medikamenten und Therapien kann das Fortschreiten der Erkrankung möglicherweise verlangsamt oder Gedächt-nis- und Konzentrationsleistungen zeitweise verbessert werden.

3. Die Unsicherheit wird genommen.4. Es wird Zeit gewonnen, in der z. B. Vorsorgemaßnahmen für die Zukunft

getroffen werden können (z. B. Bestimmung von Betreuung, Pflege und Wohnen in den letzen Phasen der Demenz).

5. Die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen kann möglicherweise verbessert werden, auch weil noch erhaltene (alltagswichtige) Fähigkeiten gezielt geübt und damit länger erhalten werden können.

27Demenz – was ist das?

Zuwendungen durch Angehörige und Pflegepersonal sowie gemeinsame posi-tive Momente können einen andauernden positiven Einfluss auf das seelische Wohlbefinden von Menschen mit Demenz haben: Ein Gespräch, ein Anruf oder Besuch wird vielleicht vergessen, das positive Gefühl das dabei entstand, kann jedoch erhalten bleiben!

In der Anfangsphase treten durch das beein-trächtigte Kurzzeitgedächtnis oft Wortfin-dungs- und Benennungsstörungen, Orientierungsschwierigkeiten, Konzentrations- und Gedächtnis-probleme auf. Insgesamt kommen die Betroffenen aber im Alltag noch gut alleine zurecht und behelfen sich z. B. durch Erinnerungszettel gegen die Vergesslich-keit. Ein unabhängiges Leben ist noch möglich.In dieser Zeit werden sich die Betroffenen ihrer geistigen Verluste und ihrer nachlassenden Fähigkeiten bewusst, wo-durch sie sich meist ver-unsichert, beschämt oder deprimiert fühlen. Oft ziehen sie sich vom Gemeinschafts-leben zurück, um ihre Unsicher-heit zu verbergen bzw. um der Gefahr, sich zu blamieren, entgehen zu können. In dieser Krankheitsphase werden auch zunehmend unbekannte bzw. ungewohnte Situationen gemieden.Zu Beginn der Erkrankung sind die Betroffenen zu-meist noch lange Zeit körperlich gesund und mobil.

Foto: Fössinger

28 Demenz – was ist das?

Im weiteren Verlauf der Krankheit wird zunehmend auch das Langzeitgedächt-nis beeinträchtigt. Lebenserfahrungen und -erinnerungen gehen verloren. Nach und nach müssen die Menschen mit Demenz erleben, wie ihnen die Bewältigung ihres Alltagslebens immer weniger gelingt und aus den Händen gleitet. Sie können ihren früheren Rollen in Beruf und Familie nicht mehr ausfül-len und fühlen sich häufig wertlos und von anderen abhängig.

Folgende Symptome treten nun vermehrt auf:• Erinnerungszettel werden jetzt nicht mehr verstanden. • Es kommt zur Veränderung der Sprache (oft langsamer, vereinfachter Satz

bau, keine Nebensätze, ungenauer oder bedeutungsloser Sprachinhalt etc.).• Die Betroffenen vergessen Worte und umschreiben die vergessenen Begriffe. • Die Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung gehen verloren, alltägliche Handlun-

gen werden vergessen, Zusammenhänge und komplizierte Sachverhalte nicht mehr begriffen.

• Situationen können nicht mehr richtig eingeschätzt werden, bekannte Perso-nen werden nicht mehr erkannt.

• Erinnerungen aus der Vergangenheit werden als aktuell, in der heutigen Realität stattfindend, betrachtet.

Weil das Gehirn bereits sehr vom Abbau betroffen ist, können Menschen mit Demenz sich in dieser Phase nicht mehr als krank erleben bzw. darüber reflek-tieren und nachdenken. Sie leben vielfach in ihrer eigenen Welt, in der sie nach ihrer Wahrnehmung logisch und richtig handeln. Die Umwelt kann häufig als immer bedrohlicher erlebt werden. Angehörige, vertraute Menschen und die wohlbekannte Wohnumgebung erscheinen oftmals und wiederkehrend als „fremd“ und unbekannt.Aber auch in dieser Krankheitsphase ist eine selbständige Lebensweise teil-weise noch möglich. Doch die Betroffenen sind auf Unterstützung von Angehö-rigen und/oder professionelle Hilfe angewiesen: je mehr Fähigkeiten verloren gehen, desto mehr muss die räumliche und soziale Umwelt diese ersetzen und den Erkrankten unterstützen. Für andere ist im Umgang mit demenzerkrankten Menschen vor allem darauf zu achten, dass sie sich vertraut, sicher und geborgen fühlen. Erlebnisse des Versagens und der Beschämung sollten vermieden werden.

29Demenz – was ist das?

Im letzten Stadium können Menschen mit einer Demenzerkrankung ihre Bedürf-nisse selten noch aussprechen und benötigen rund um die Uhr einfühlsame Unterstützung und Hilfe. Einfachste Dinge, wie Essen und Toilettengänge, werden zumeist nicht mehr gekonnt und eine Kommunikation ist teilweise nur noch über die Gefühlsebene möglich.Der demenzerkrankte Mensch verliert in dieser schweren Krankheitsphase die Kontrolle über seinen Körper. Letztendlich kommt es zu umfassender Pflegebe-dürftigkeit und Bettlägerigkeit.

Die Lebensqualität aller Beteiligten muss jedoch während der verschiedenen Stadien nicht zwangsläufig mit zunehmendem Krankheitsverlauf abnehmen. Um dies zu erreichen, ist immer wieder eine individuelle Anpassung an neue Situationen, Herausforderungen und Verluste notwendig.

„Menschen mit Demenz können glücklich sein, wenn sie im Kontakt mit anderen sind und Liebe und Wertschät-zung erfahren. Sie können aber auch traurig und verzweifelt sein, wenn sie sich einsam und hilflos fühlen.“ (Deutsche Alzheimer Gesellschaft)

Foto: AWO Augsburg

30 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Demenzerkrankte Menschen möchten, wie die meisten älteren Menschen in Deutschland,

solange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Das Leben in der gewohnten Umgebung ist von Vorteil, weil durch die Krankheit bedingte, verlorene Fähigkeiten dadurch besser kompensiert werden können und die Betroffenen sich nicht auch noch an eine andere – neue –

Umwelt anpassen müssen. Die eigene Wohnung hat für demenzerkrank-

te Menschen ebenso vielfältige Funktionen, wie für andere Menschen auch: Die Wohnung

bietet ihnen Handlungs- und Bewegungsmöglich-keiten, ist Wahrnehmungs- und Gefühlsraum, in ihr fin-

det Kommunikation statt und mit ihr identifizieren sich die Bewohner - sie ist ein Teil ihres Lebens. Je mehr sich demenzerkrankte Menschen in ihre Wohnung zurückziehen, desto höher wird ihre Bedeutung. Dort fühlen sie sich geborgen und sicher, dort kennen sie sich schon lange Zeit aus und dort ist es ihnen trotz nachlassender Fähigkeiten möglich, noch eine gewisse Zeit ihren Alltag alleine zu bewältigen.

Bedeutung der Wohnung für

Menschen mit Demenz

OrientierungSicherheit

und Geborgenheit

Identität

GewohnheitGeschichte

und Erinnerungen

Routineund Rituale

31Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Die bekannte Wohnung unterstützt Menschen mit Demenz, trotz Verlust von geistigen Fähigkeiten, noch einige Zeit selbständig und eigenverantwortlich zu leben, denn die gewohnte Umgebung wurde im Laufe der Zeit verinnerlicht und die betroffene Person findet sich darin zurecht bzw. findet eine gewisse Routine in den Wohnräumen statt, die hilft, den Alltag zu bewältigen.

Nachbarschaft, regelmäßige und vertraute Kontakte sowie alltägliche Gewohn-heiten haben für Menschen mit einer Demenzerkrankung eine große Bedeu-tung. Nicht nur die gewohnten Orte und Räumlichkeiten, sondern auch Bezie-hungen sind für Menschen mit einer beginnenden Demenz – die sich oftmals sozial zurückziehen - die entscheidenden Stützen in ihrem Alltag. Vertraute Räume und vertraute Menschen vermitteln ihnen Sicherheit und Geborgenheit.So ist es durchaus möglich, dass ein demenzerkrankter Mensch noch eine gewisse Zeit lang fähig ist, in seinem wohlbekannten Stadtteil einkaufen zu gehen oder sonstige bekannte Orte oder Einrichtungen in seinem Wohnumfeld zu besuchen, wie z. B. die Kirche, den Friedhof oder ein Café.Die Aktivitäten im gewohnten Umfeld vermitteln Menschen mit einer Demen-zerkrankung Gefühle von Kompetenz und Selbständigkeit.Ein selbständiges Wohnen und Leben mit Demenz ist aufgrund der unterschied-lichen Symptome und Krankheitsverläufe allerdings nicht bei jedem Betroffenen in gleichem Maße möglich. Es sollte jedoch ein Ziel sein, die erkrankten Men-schen solange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden zu belassen, wenn sie es wünschen und es ihre Lebenssituation zulässt.

3.1. Die Wohnung: „Hier bin ich und hier bleib‘ ich!“

… beharrt die 78-jährige Frau Vogel. Ihre Wohnung hat für sie eine besondere Bedeutung. Sie lebt schon seit etwa 20 Jahren in einem 12-Parteien-Wohnhaus, bis heute - ungeachtet einer bereits fortgeschrittenen Demenzerkrankung. Im selben Stadtteil lebt sie sogar noch länger. Hier erinnert sie sich oft an ihre Vergangenheit, an ihre lange Berufstätigkeit - die Arbeitsstätte lag nur einen „Katzensprung“ von ihrem Zuhause entfernt - und auch in der Umgebung und im Haus lebten und leben viele Kolleginnen und Kollegen von früher. Mit ihrer Arbeit und den Mitarbeitern dort war sie sehr stark verbunden. Die Erinne-rung daran kehrt immer wieder zurück.

32 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Selbständig zu sein und das eigene Geld zu verdienen war für Frau Vogel schon früher bedeutsam und das Leben in den eigenen vier Wänden ist für sie auch heute noch „ … sehr wichtig. Ja, weil das is‘: Hier bin ich und hier bleib ich und hier bin ich fascht, ich wohn‘ hier 17 Jahre oder 18 Jahre (…) und i‘ bin froh, dass ich da bin. Da vorn‘ is‘ die Haltestelle von der Straßenbahn und alles is‘ in der Nähe. Hab‘ nur zwanzig Minuten, dann bin ich am Bahnhof. Kann ich mit ‘m Zug wegfahr‘n, wenn i‘ will. Aber ich nimm‘ den Zug net.“

Früher hat die 78-jährige Frau die zentrale Lage der Wohnung gerne genutzt und fuhr mit der Bahn zur Familie oder in den Urlaub. Die Erinnerung wird durch den vertrauten Stadtteil immer wieder in ihr wachgerufen.

Frau Vogel freut sich, ihre gewohnte Umgebung zu betrachten: „Dass ich immer raussehen kann, da zum anderen Haus, das ist hell be-leuchtet, wenn die Sonne scheint. (…) Da sind dann auch noch Erinnerun-gen dran und da freut´s mich immer, wenn ich rausguck … .“

Der Sohn weiß, dass sie „auf keinen Fall“ aus der Wohnung ausziehen will. Er ist der Ansicht, dass ihr der Verbleib in der gewohnten Umgebung sehr gut

tut und erklärt dies an einem Bei-spiel: Seine Mutter ist durch die Besuche in zwei ambulanten Ein-richtungen für demenzerkrankte Menschen oft mit vielen Eindrü-cken konfrontiert und zeigt sich auf der Heimfahrt sehr unruhig und angespannt. Wenn sie dann in ihrer Wohnung eintreffen, fällt diese Unruhe von ihr ab. Dies gibt ihm ein Gefühl, trotz vieler Belas-tungen das Richtige zu tun.

Jede Demenz verläuft unterschiedlich. Nicht jede Lösung ist für alle Erkrankten gleich gut anwendbar. Manche Erkrank-te blühen vielleicht in der Tagespflege auf, andere belastet die Situation mit den vielen Eindrücken eher.

Es sollten immer individuelle, dem jeweiligen Menschen angepasste Wege gesucht werden!

Menschen mit einer Demenzerkrankung vergessen zwar neue Eindrücke sehr schnell, aber das Langzeitgedächtnis funktioniert noch lange Zeit recht gut. Und so ist es für diese Menschen möglich, trotz schwindender geistiger und anderer Fähigkeiten das frühere Gefühl von Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Geselligkeit weiter zu fühlen.

33Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

„Also, ihr is‘ es sehr wichtig. Ich hab‘ den Eindruck, dass se manchmal, auch wenn sie in der Tagespflege2 is, einem gewissen Stress unterliegt und wenn‘s nur der Transport nach Hause ist. Also wenn ich sie im Auto heimfahre, und ein anderes Auto schneidet uns oder nimmt uns die Vorfahrt oder die Ampel schaltet schon wieder auf Rot … anscheinend baut sich in ihr da irgendwas auf und sie wird dann nervös. Sie ist ange-spannt und fängt fast zum Zittern an, kann schlecht laufen. Manchmal findet sie sogar die Eingangstür zum Haus nicht mehr, läuft auf die Straße, irgendwohin. Ich muss se also schnell einfangen. Man muss sie dann die Treppen raufführen, weil nix mehr funktioniert. Und dann sagt sie: >Fass mich net schon wieder an, was is‘n jetzt schon wieder los<. Eine starke Unsicherheit macht sich oft breit und die verschwindet, sobald se in der Wohnung drin is‘. Irgend-wie fühlt sie sich wohler, die ganzen Stresssituationen, die sie vorher belasten, die fallen dann von ihr ab. Wenn sie also die gewohnten Zimmer und Gegenstände sieht, dann is se wieder ganz normal, dann, hab‘ ich den Eindruck, dass sie sich wohler fühlt.“

Die Betreuung und Pflege von demenzerkrankten Menschen ist am Anfang noch gut in der gewohnten Umgebung leistbar. Je mehr die Kompetenzen der Betroffen sich verringern, desto mehr wird die Umwelt gefordert sein, Hilfe und Unterstützung zu bieten.

3.2. Das Wohnumfeld: Unterwegs mit Herrn Kaiser

Der 76-jährige Herr Kaiser ist geborener Augsburger. Der sympathische und ru-hige Mann lebt seit fast 25 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau in einer 80 qm großen Mietwohnung in einem größeren Wohnblock. Im selben Stadtteil wohnt das Ehepaar schon seit über 50 Jahren.

Vor neun Jahren ist Herr Kaiser zweimal in der Wohnung gestürzt und musste daraufhin jedes Mal in einem Krankenhaus versorgt werden.

Die vertraute Umgebung kann den de-menzerkrankten Menschen helfen, sich wohlzufühlen und einige Merkmale der Erkrankung zu verringern wie z. B. Verminderung von Angstgefühlen oder von Unruhezuständen.

2 Teilstationäre Einrichtung, in der pflegebedürftige und demenzerkrankte ältere Menschen während des Tages betreut werden.

34 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Die Ärzte in den beiden Kliniken rieten zu einem Besuch beim Neurologen. Dieser diagnostizierte eine Demenz vom Typ Alzheimer, die seitdem medika-mentös behandelt wird. Herr Kaiser erinnert sich, dass ihm auffiel, wie viel er vergaß und dass er sich auch manchmal verlaufen hätte. Zusätzlich ging es ihm vor einigen Jahren körperlich nicht gut. Davon hat er sich allerdings erholt und erscheint nun körperlich relativ gesund und mobil.

Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Herrn KaiserDie Wohnung der Familie Kaiser befindet sich in der Nähe eines Einkaufscen-ters, öffentliche Verkehrsmittel sind für sie gut zu erreichen. Beide fühlen sich in ihrem gewohnten Umfeld sehr wohl. Der demenzerkrankte Mann möchte solange wie möglich mit seiner Frau in der jetzigen Wohnung bleiben. „Ich hoffe, dass ich möglichst lange hier bleiben kann. Für mich ist das Leben in den eigenen vier Wänden überlebenswichtig. Ich würd‘ nur dann umziehen, wenn sich die Demenz sehr verschlimmert, wenn ich die Leut‘ nimmer kenn‘ oder ich nicht mehr kommunizieren kann … .“

An seiner Wohnung gefällt Herrn Kaiser alles: „Wir haben´s gemütlich und einfach eingerichtet und so in dem Umfeld fühl ich mich wohl.“ Sein Zuhause ist ihm vertraut und dadurch fällt ihm die Orientierung leicht. Er fühlt sich in seinen eigenen, wohlbekannten vier Wänden geborgen und sicher.

„Nur die Sauberkeit und Ordnung lässt bei mir manchmal zu wünschen übrig“, bemerkt er mit einem verschmitzten Lächeln. „Dafür ist meine Frau zuständig, aber im Großen und Ganzen helf‘ ich, so gut ich kann. Einige Besorgungen kann ich noch machen und im Haushalt helf‘ ich soviel wie möglich, zum Beispiel trockne ich das Geschirr ab oder mach‘ Kaffee. Es gibt aber auch einiges, was ich nicht mehr alleine kann … Entscheidungen treffen, also das ist fast unmöglich (…) des geht nimmer, ich kann mir nix mehr merken, das Gedächtnis lässt schwer nach. I‘ bin froh, soweit i‘ noch einigermaßen kommunizieren kann, aber manches begreif‘ ich nimmer, kann ich nimmer. Die Entscheidungen treffen meine Frau und die Kinder für mich.“

Besonders wertvoll gestaltet sich für Herrn Kaiser „die vertraute Umgebung (…). Hier bin ich verwurzelt. Die Kirche haben wir vor der Haustür, (…) und zum Einkaufen is‘ es nicht weit, ja und so verschiedene Annehmlichkeiten, Doktor und Zahnarzt sind in der Nähe. Also alles, was lebensnotwendig is‘, befindet sich im Umkreis (…) Das is‘ schön. Wenn man da was braucht, is‘ es jederzeit verfügbar.“

35Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Das Leben in „seinem“ Stadtteil bedeutet ihm sehr viel. Hier kennt er sich trotz seiner Demenzerkrankung immer noch aus. Auch das leicht erreichbare nahe Stadtzentrum und Grünanlagen in der Nähe waren noch lange wichtig für ihn. Mit Fortschreiten der Demenzerkrankung be-gibt er sich dorthin allerdings nicht mehr alleine, sondern nur noch in Begleitung seiner Frau.

Selbständige Wege - solange wie möglich!Im Gegensatz zu alleinlebenden Menschen mit Demenz erfährt Herr Kaiser tagtägliche Hilfe und Unterstützung durch seine Frau. Sie ist allerdings bemüht, ihrem Mann soviel Selbständigkeit wie möglich zu belassen. Frau Kaiser ist sich dessen bewusst, dass ihr Mann es für sein Wohlbefinden und seine Zufriedenheit braucht – das Gefühl der Selbständigkeit, die Bewe-gung außer Haus, die Verbindung zum Viertel und den Kontakt mit den Leuten darin. Instinktiv spürt sie, dass sie durch ein Überbehüten die Selbständigkeit ihres Ehemannes einschränken oder bremsen würde. Sie weiß, dass er das nicht möchte. Sie spricht über die erschwerte Beziehung durch die Erkrankung:

„Es is‘ schwierig. Ich möchte ihn soviel wie möglich selbständig machen lassen, eine gewisse Kontrolle ist in mancher Hinsicht allerdings schon nötig. Zuviel Überwachung ist aber auch nicht gut, wenn man ihm zum Beispiel dauernd über die Schulter schaut und sagt, wie er was machen soll. Also wie macht man‘s dann? Es is nicht immer einfach, ihn allein aus der Wohnung geh‘n zu lassen.“

Herr Kaiser möchte seine Selbständigkeit trotz Demenzerkrankung solange wie möglich aufrecht erhalten. Deshalb tätigt er regelmäßig alleine einige Besor-gungen: er geht zum Bäcker in der Nähe, um Brot zu kaufen, holt Medikamente in der Apotheke oder macht Einkäufe beim etwas entfernten Metzger, den er schon seit vielen Jahren einmal wöchentlich aufsucht. Vor seinen Gängen schreibt er sich zur Erinnerung eine Einkaufsliste, die er mitnimmt. „Das könnt´ ich mir sonst nicht merken“, gibt er zu. Er geht die bekannten Wege oder fährt sogar alleine eine Station mit dem Bus, um zum 500 m entfernten Metzger zu gelangen. Die vertraute Wohnumgebung hilft ihm dabei, sich zu orientieren und eigen-ständig Wege zurückzulegen. In den Läden trifft er auf Bekannte, Nachbarn und Freunde aus dem Stadtteil, mit denen er sich gerne länger unterhält. Seinen wichtigen Bedürfnissen nach Selbständigkeit und Kontakt kann er somit Rechnung tragen.

36 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Für Herrn Kaiser ist es sehr wichtig, sich allein draußen zurecht zu finden und den Kontakt mit anderen Menschen zu pflegen – seine Frau ist allerdings oft in Sorge, wenn er nicht gleich wieder heim kommt. Frau Kaiser schätzt die Zeit, die ihr Mann unterwegs sein müsste und falls es mal länger dauern würde, sieht sie nach, wo er bleibt. „Also, es kann ja mal was passieren. Ja dann liegt es auch an mir: Dann muss ich mir Vorwürfe machen oder machen lassen. Warum hast ihn geh‘n lassen (…) aber er braucht die anderen Men-schen, den Kontakt.“

Partnerschaft ermöglicht weite Wege und KontakteHerr Kaiser profitiert sehr davon, dass seine Frau seinen Alltag teilt, ihm behilf-lich ist, ihn bei Bedarf unterstützt, korrigiert und ihn zu Ausflügen oder Veran-staltungen animiert und mitnimmt. Er erzählt, dass er oft nur durch Anregung seiner Frau an öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt, alleine würde er sich mehr zurückziehen:„Ich tät mich da mehr abkapseln. Früher ist das nicht so gewesen, da hab‘ ich noch gern mitgelacht und mitg‘scheckert … aber heut‘ muss i‘ oft über-legen, soll i‘ jetzt da lachen oder net.“

Wohnung

Nahes Umfeld

Apotheke

Bäcker

Metzger

Abb.: Selbständig zurückgelegte Wege von Herrn Kaiser

37Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Im Allgemeinen unternimmt der aufgeschlossene Demenzkranke schon gerne etwas zusammen mit anderen Menschen, aber „i‘ brauch halt lang‘, bis ich warm werd‘, also, i‘ bin net gleich Feuer und Flamme (…) es dauert a ge-wisse Zeit, bis ich mich akklimatisiert hab.“Zu Gemeindefesten müsse ihn seine Frau meistens überreden,„ … weil ‘s zu viel Leut dort sind, des schwirrt mir dann im Kopf rum, da fühl ich mich net ganz wohl. Eine kleinere Gruppe oder ein bis zwei Leute gehen schon, große Veranstaltungen sind mir zu viel … und mit Fremden zu kommunizieren, also des is‘ schwierig, weil die meisten sind so g‘scheit, da kann ich gar net drauf antworten, da merk‘ i‘, dass ich da net mitdisku-tieren kann.“

Gemeinsam macht das Ehepaar Ausflüge in die städtischen Grünanlagen und zu den Kindern in der nahegelegenen Großstadt, sie besuchen Veranstaltungen der (Kirchen-)Gemeinde, zweimal monatlich ein Erzählcafe sowie den Gottes-dienst. Familie Kaiser pflegt regelmäßigen persönlichen und telefonischen Kontakt zu den Kindern sowie zu einigen Verwandten und Bekannten und zu einem befreundeten Ehepaar im Nachbarhaus. Sogar Ein- und Zweitagesfahrten zu weiter entfernten Zielen, wie z. B. an den Main oder in die Wachau, werden gemeinsam wahrgenommen.

Gemeinde-Treffs

Kirche

Einkaufen

Wohnung

Nahes Umfeld

Erweitertes Umfeld

Besuche bei Familie und Bekannten

Ausflüge

Abb.: Gemeinsame Wege des Ehepaars Kaiser

38 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Obwohl Herr Kaiser noch viele Dinge unternimmt und körperlich rege und mobil erscheint, bemerkt er zunehmend, dass er schneller ermüdet als früher. Einen alleinigen Spaziergang in den nahegelegenen Wald schafft er heute nicht mehr und auch Mehrtagesfahrten mit seiner Frau werden ihm zu viel: „Das is mir z‘ viel. Eine Tagesfahrt is‘ mir am liebsten, höchstens zwei Tag‘, ja, mehr nicht. Ich will meinen gewohnten Alltag nicht vermissen.“

In Begleitung seiner Frau kann Herr Kaiser auch weitere Strecken mit öffentli-chen Verkehrsmitteln (Straßenbahn, Bus und Bahn) zurückzulegen. Allerdings kann trotz Anwesenheit der Frau etwas passieren: Frau Kaiser berichtet, dass sie ihren Mann bei einer gemeinsamen Fahrt mit der Straßenbahn schon einmal fast verloren hätte: Sie wollte an einer Station aus-steigen und sagte dies auch zu ihrem Gatten. Sie stieg aus – er blieb sitzen. Er hat es aber bemerkt, ist an der nächsten Straßenbahnhaltestelle ausgestiegen und wieder zurück gefahren … sie haben sich wieder getroffen. Seitdem lässt Frau Kaiser ihren Partner immer zuerst aussteigen!

Ein Vergleich der Abbildungen oben lässt erkennen, dass sich der Aktionsradius von Herrn Kaiser durch die Begleitung seiner Frau wesentlich erweitert und er so weiterhin andere Menschen treffen und Kontakte pflegen kann. Auch ent-fernte Ziele sind für ihn so erreichbar. Anders verhält es sich bei alleinlebenden Menschen mit Demenz. Sie ziehen sich oft vom sozialen Leben zurück und sind dadurch häufig einsam und isoliert.

Herr Kaiser meint:„Wenn ich allein auf mich angewiesen wär‘, da würd‘ ich, glaub‘ i‘, strau-cheln (…) und alleine möcht‘ ich net sein. Ich bin dankbar, dass meine Frau bei mir is‘ und hoffe möglichst lang. Solang i‘ mei‘ Frau hab‘, bin ich nicht einsam.“

Unvorhergesehene Zwischenfälle können bei einer Demenzerkrankung auf-treten, sie müssen jedoch nicht unbedingt einen negativen Ausgang haben.

39Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

3.3. Selbständiges Wohnen mit Demenz: Schwierigkeiten im Wohnalltag

Das Zusammenleben mit seiner Frau gestatte es Herrn Kaiser ein größtmög-liches Maß an Selbständigkeit zu erhalten. Für alleinlebende Menschen mit Demenz ist ein eigenständiges Leben schwieriger zu bewältigen, als in dem Fall, wenn Partner oder andere Angehörige in der gleichen Wohnung oder dem selben Haus leben. Bei alleinlebenden Menschen mit Demenz oder bei Menschen mit fortge-schrittener Demenz tritt die Bedeutung des Wohnumfeldes immer mehr in den Hintergrund. Sie werden durch Verlust ihrer Fähigkeiten in ihrem Alltag zuneh-mend eingeschränkt. Durch Orientierungsschwierigkeiten oder sozialen Rückzug und einen dadurch geringer werdenden Aktionsradius sind sie mehr und mehr auf eine (demenz-)angepasste Wohnung angewiesen.Die eigene Wohnung dient als Gedächtnisstütze und Orientierungshilfe, sie ist vertraut und birgt Erinnerungen. Ein Verlust der bekannten Wohnung kann des-halb auch oft mit einem Verlust von Persönlichkeitsteilen verglichen werden.

Herr Kaiser betont immer wieder, wie überaus wichtig es ihm ist, solange wie möglich in jeder Hinsicht selbständig zu bleiben. Er trainiert dies, wo er nur kann. Einerseits hält er sich teilweise alleine im Stadtteil und in seiner nahen Wohnumgebung auf, andererseits versucht er auch innerhalb der Wohnung, im Zusammenleben mit seiner Frau, seine Eigenständigkeit zu bewahren.Beispielsweise nimmt er seine Medikamente selbständig ein – er hat sich dazu selbst eine Liste angefertigt, auf der steht, wann er welches Medikament einnehmen muss.Die Körperpflege führt Herr Kaiser meist alleine durch. Manchmal klappt es, manchmal muss seine Frau ihn korrigieren. Sie mustert ihn und weist z. B. darauf hin, dass ihr Mann sich noch mal rasieren soll. „Ja, es is‘ einiges, was ich net so zusammen bring‘ und die Frau dann korrigiert, wie z. B. Wäsche und Kleider herrichten oder die Unterscheidung unserer Duschgele. Aber die Farben der Tuben sind verschieden und außer-dem hilft mir bei der Unterscheidung, dass bei meinem Duschgel meistens auf englisch steht - for men.“

Je nach individuellen Aspekten und Verlauf der Demenzerkrankung wird mehr und mehr die Fähigkeit zum selbständigen Wohnen abnehmen. In der Anfangs- und vielleicht auch noch in der mittleren Phase der Erkrankung ist diese Fähig-keit noch vorhanden, im späten Krankheitsstadium geht sie verloren. Mit einem pflegenden Partner ist allerdings ein selbständiges Wohnen länger möglich als bei Alleinlebenden!

40 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Um demenzerkrankten Menschen ein langes Wohnen in den „eigenen vier Wän-den“ zu ermöglichen, muss eine räumliche und soziale Umgebung geschaffen werden, die hilft, Einschränkungen der Betroffenen auszugleichen. Die Umwelt muss auf die spezifischen Bedürfnisse und Schwierigkeiten im Wohn- und Lebensalltag der Menschen mit Demenz angepasst werden.

Typische Wohnprobleme von Menschen mit Demenz sind vor allem:

Eine demenzangepasste Wohnumwelt sollte Vertrautheit, Orientierung und Sicherheit bieten, sie sollte so ausgestattet sein, dass Alltagsfähigkeiten geför-dert und erhalten bleiben und einem möglichen Bewegungsdrang Rechnung getragen wird, indem keine räumlichen Einschränkungen bestehen. Die Wohnung sollte jederzeit an die veränderten Bedürfnisse durch die fort-schreitende Erkrankung angepasst werden können.Allerdings gilt auch hier, dass es keine einheitliche Lösung, keine Musterform für das selbständige Wohnen mit Demenz gibt.

Wohnalltag mit

Demenz

ZunehmendeVergesslichkeit

(z. B. Verlegen von Gegenständen, nicht abgeschalteter Herd)

Zeitliche und räumlicheOrientierungslosigkeit

(z. B. Verlaufen in der Um-gebung, nicht mehr nach Hause finden, Veränder-

ter Tag-/Nacht-Rhythmus)

Probleme bei Tätigkeitenim Haushalt

(z. B. Nutzung von Wohnungsausstattung

wie elektr. Geräte, Toilette, etc.)

Sicherheitsgefährdung(z. B. Gefährdung der

Umwelt, Eigengefährdung)

Wahrnehmungs-schwierigkeiten

(z. B. Bodenbelag wird als Hindernis gesehen,

Schattenbildung und Dun-kelheit erzeugt Angst)

Gesundheitliche Veränderungen

(z. B. Bewegungsein-schränkungen,

Pflegebedürftigkeit)

Unruhe(z. B. zielloses

Umherwandern, Weglauftendenz)

Veränderte soziale Beziehungen

(z. B. Rückzug, Verein-nahmung der Betreu-

ungsperson)

41Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Gesellschaftlich wird zwar „ambulant vor stationär“ bevorzugt. Letztendlich muss je nach Demenzstadium und individueller Situation eine entsprechende Wohnmöglichkeit gefunden werden, in der sich der Erkrankte wohlfühlen kann. Dabei kann auch das Pflegeheim die richtige Wahl sein.

Es gibt „demenzgerechte“ Wohnkonzepte, die dann in Betracht gezogen werden können, wie z. B. Wohngemeinschaften oder Wohngruppen für De-menzerkrankte und spezielle gerontopsychiatrische Pflegeheime. Dort wird die räumliche und soziale Umwelt so gestaltet, dass sie an die krankheitsbedingten Fähigkeiten angepasst ist. Demenzerkrankte Menschen reagieren auf eine solche Um-welt positiv und ein „herausforderndes Verhalten“, wie Angst- und Unruhezustände, lautes Rufen und Wei-nen, Wutausbrüche etc. unterbleiben oft.

Das in den letzten Jahrzehnten etablierte Betreute Wohnen ist eigentlich nicht für demenzerkrankte Menschen konzipiert. Jedoch verändert sich auch dort die Bewohnerschaft: Durch Alterung der Bewohner und durch ein bereits hohes Eintrittsalters in das Betreute Wohnen werden zunehmend hoch- und höchstalt-rige Menschen in dieser Wohnform leben. Damit einhergehend wird auch die Anzahl von Menschen mit Demenz im Betreuten Wohnen zunehmen.

3.4. Grenzen des selbständigen Wohnens demenzerkrankter Menschen

Eine unserer Gesprächsparterinnen, Frau Vogel, könnte es sich momentan nicht vorstellen, umzuziehen. Warum auch? Sie kommt doch mit ihren Nachbarn gut aus. „Die mögen mich und ich mag die Leute auch.“ Sie hätte mit niemandem ‚Händel‘ „… i‘ bin wunschlos glücklich. Wenn ich mal irgendwie, dass ich schon so durchdreht bin, dass i‘ mein Zeug nimmer richten kann und weggehen würd‘ - aber da sind ja noch meine Kinder - dass ich nimmer heimfinden tät‘, dann will ich in ein Heim (…) sofort in ein Heim. Nie alleine rumvegetieren. Das tät‘ ich nicht wollen!“

Mögliche alternative Wohnformen bei Demenz (vgl. Kapitel 8.4.): • Ambulant betreute (Pflege-)Wohngemeinschaften• Demenzwohngruppen in stationären Einrichtungen• Alten- und Pflegeheime• Gerontopsychiatrische Pflegeheime

42 Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Sowohl demenzerkrankte Menschen wie auch ihre Angehörigen, Nachbarn und Bekannten sehen individuell verschiedene Grenzen des selbständigen Wohnens:• Fehlende Hilfe durch Angehörige und Ehepartner• Verletzung der persönlichen Würde• Nachlassende (Körper-)hygiene• Inkontinenz3

• Weglaufgefährdung• Ständige Pflegebedürftigkeit• Selbst- und Fremdgefährdung

Die Grenzen des selbständigen Wohnens von demenzerkrankten Menschen sind immer individuell verschieden. Sie werden durch folgende Faktoren bestimmt:• Welche Demenzform und welcher Grad der Erkrankung vorliegt• Welche Arten von Beeinträchtigungen vorkommen• In welcher körperlichen Verfassung die Betroffenen sich befinden• Wie die Persönlichkeit der Erkrankten ausgebildet ist• Welche Lebensumstände vorherrschen• Welche und wie viel familiäre oder professionelle Hilfe geleistet werden kann • Welche finanziellen Ressourcen vorhanden sind

Individuelle Versorgungskonzepte können einen langen Verbleib in der gewohn-ten Umgebung ermöglichen. Mit fortschreitender Demenz und geringer wer-denden Fähigkeiten werden immer mehr Hilfen durch die soziale und räumliche Umwelt nötig werden. Hier gibt es vielseitige ambulante, teilstationäre und sta-tionäre Angebote, die bei Bedarf für die jeweilige Situation eingesetzt werden können (vgl. Kapitel 8.3., 8.4.).

Auch für Frau Sommer ist das Leben in den eigenen vier Wänden „… wichtig, weil des bin ich halt g‘wöhnt und es kommt ja immer jemand, der mir hilft.“ Sie kann sich jetzt noch nicht vorstellen in eine andere Wohnung oder in eine Einrichtung der Altenhilfe umzuziehen, denn sie hat momentan ausreichend familiäre und professionelle Unterstützung. Sie würde aber nicht mehr daheim weiterleben wollen, „… wenn ich halt nix mehr machen könnte, im Kopf nimmer ganz richtig bin, dann würd ich umziehen, wenn‘s nimmer geht … .“

3 Unfähigkeit, Körperausscheidungen bewusst und kontrolliert zurückzuhalten.

43Bedeutung der Wohnung und des Wohnumfeldes für Menschen mit Demenz

Für Herrn Kaiser ist das Wohnen in seinen eigenen vier Wänden „überlebens-wichtig.“ Er kann sich momentan nicht vorstellen, in einer Einrichtung oder im Betreuten Wohnen zu leben.„Ich hoffe, dass ich möglichst lange hier bleiben kann“, sagt er. „Ein Grund umzuziehen wär‘s, wenn sich die Demenz verschlimmert, dass man d´ Leut‘ nimmer kennt oder nimmer kommunizierbar ist, also, wenn man sich nimmer so äußern kann, wie man will (…) oder wenn man alleine ist. Alleine möcht ich nicht sein.“

Eine Nachbarin beschreibt die Grenze des selbständigen Lebens folgendermaßen:„ … wenn die Würde weg is‘, wenn den Erkrankten die Würde genommen wird … durch ein Leben mit Inkontinenz oder fehlende Hygiene … da sind Grenzen oder wenn man merkt, die Angst wird größer, die Unsicherheit wird noch größer, da sind die Grenzen. (…) Die Grenze ist da, wo Men-schen mit Demenz ihr würdiges Leben verlieren!“

44 Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“

Frau Sommer lebt seit dem Tod ihres Mannes vor 14 Jahren alleine in einer Dreizimmer-Altbau-

wohnung mit ca. 60 qm Wohnfläche. Insgesamt lebt sie in dem Acht-Parteien-Miethaus schon etwa 20 Jahre. Im gleichen Stadtteil wohnt sie schon seit 60 Jahren. Die 88-jährige Dame fühlt sich in ihrem Zu-hause sehr wohl und konnte sich, obwohl sie über ihre Demenzerkrankung Bescheid

weiß, nicht dazu entschließen, dieses für ein Betreutes Wohnen zu verlassen.

Vor zwei Jahren fiel den Angehörigen auf, dass etwas mit der sonst lebhaften Mutter nicht mehr

stimmte. Sie befand sich in einem schlechten Allge-meinzustand, trank und aß schlecht, war „durcheinander“ und zog sich vom Familienleben zurück.Die Tochter erzählt: „Das hat lang gedauert, bis wir gemerkt haben, dass des so was wie eine Demenzerkrankung sein kann (…). Sie hat das verborgen. Und vergessen tun wir ja alle. Des geht mir genauso … als sie sagte, was hab’ ich jetzt wieder vergessen, sagten wir: Mutti, schreib ’s dir auf, wir schreiben uns ja auch alles auf. Das war dann unsere Antwort.“Keiner der Kinder hat zunächst Veränderungen bemerkt. Erst als bei der Mutter starke Unruhe- und Angstzustände in der Nacht auftraten, wurden sie aufmerksam. Die Tochter erinnert sich: „Das war schlimm, (…) des war furchtbar. Sie hat uns ja mitten in der Nacht angerufen. Sie war käsweiß, wenn man dann in der Nacht hingegangen is‘ zu ihr. Sie hat gleich gewackelt, getaumelt. Da haben wir Angst gehabt. Auch dachte sie, dass gegenüber der Kamin raucht, bei ihr aber die Heizung nicht warm wird und hat das immer mit dem anderen Haus in Verbindung gebracht. Die Mutter meinte auch einmal, keine Luft mehr zu bekommen und klagte über Herzklopfen, woraufhin die Sanitäter gerufen wurden …“ „Ja, das war eine schlimme Zeit.“

Parallel zu den Angstzuständen verlief Frau Sommer sich in dieser Zeit öfter. Diese Tatsache belastet sie selbst sehr: Immer wieder erzählt sie von diesen Ereignissen.Sie berichtet zum Beispiel von einer Begebenheit, als sie vom Friedhof nicht mehr heim kam, sich an der Kirche des Stadtteils zu orientieren versuchte, aber den Weg nicht mehr fand. Immer wieder ist ihr ähnliches passiert.

45Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“

Einmal wurde sie sogar von der Polizei nach Hause gebracht. Seitdem geht sie nur noch in Begleitung ihrer Kinder aus dem Haus. Seit die Familie sich intensiv um die Mutter kümmert und sie viermal in der Woche eine Tagespflegeeinrichtung besucht, seien die starken Angstzustände laut Tochter „nicht mehr vorgekommen“ und Frau Sommer verlässt ihre Woh-nung nicht mehr alleine.

Auch heute, zwei Jahre nach den ersten Anzeichen der Demenzerkrankung, fällt – nach Meinung der Tochter – den Menschen nicht offensichtlich auf, dass die Mutter an einer Demenz erkrankt ist. Wenn sie mit ihr unterwegs ist und beide Bekannte der Mutter treffen, falle diesen „mit Sicherheit“ nicht auf, dass Frau Sommer anders ist als früher. Sie ist körperlich fit und macht nach wie vor gerne lange und ausgiebige Spa-ziergänge mit den Angehörigen. Mit den Bekannten führe sie „ganz normale“ Unterhaltungen, man spricht von früher, von vergangenen Zeiten, vom Schre-bergarten, gemeinsamen Bekannten usw. Fragen werden bei diesen Gesprächen in der Regel nicht gestellt und Frau Som-mer antwortet auf die Frage nach ihrem Befinden mit „Gut, i‘ bin zufrieden (…) solang‘ ich jeden Tag aufstehen kann.“ Lediglich Vergesslichkeit gibt sie gegenüber anderen zu. Frau Sommer äußert, dass sie niemand – außer ihre Kinder – über ihre Demen-zerkrankung aufklären möchte: „Nein, das tät‘ ich nicht sagen. Hier im Haus überhaupt net. Die wissen oft manchmal net, wann ‘s dran sind mit der Dings … (Tochter hilft: mit der Hausordnung) … ah, Hausordnung.“

4.1. Ein Tag mit Frau Sommer

Frau Sommer wird heute mal wieder von der Mitarbeiterin der Sozialstation geweckt. Gestern wurde es doch wieder spät, ehe sie ins Bett kam. Die allein lebende Dame sieht oft bis tief in die Nacht fern und geht dann zwi-schen 24 und 1 Uhr zu Bett: „Des is schon oft spät geworden, bis i‘ ins Bett kommen bin, manchmal war‘s schon ein Uhr, da bin i‘ in der Zwischenzeit vor ‘m Fernseher eing‘schlaf‘n ….“

So kommt es manchmal vor, dass sie morgens länger schläft. Die Mitarbeiter des Pflegedienstes haben damit aber kein Problem: Sie nutzen einen Zweit-schlüssel, um in die Wohnung zu gelangen, wenn Frau Sommer ihnen nicht aufmacht.Früher ging das nicht so leicht, denn die alte Dame ließ immer den Schlüssel von innen stecken und ein Öffnen von Außen war somit nicht möglich.

46 Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“

Trotz Hinweisen, Aufforderungen und Überredungsversuchen blieb Frau Som-mer bei dieser Angewohnheit und es half nur noch, das Schloss auszuwechseln. Auch die Türkette musste bei dieser Aktion entfernt werden. Es gibt Türschlös-ser, die von beiden Seiten aufzuschließen sind, wenn der Schlüssel steckt! Türketten und –verriegelungen müssen aber entfernt werden.

Das freundliche „Guten Morgen“ der Pflegedienstmitarbeiter hört Frau Sommer also manchmal nicht, weil sie noch im Bett liegt. Sie bekommt zweimal täglich – früh und abends – Medikamente gegen das Fortschreiten der Demenzerkran-kung gereicht und bei Bedarf wird ihr auch das Frühstück gemacht. Am heutigen Donnerstag erhält sie – wie jede Woche einmal – Hilfe beim Baden.

Normalerweise steht sie alleine auf, wäscht sich und putzt die Zähne. Das macht sie 3 bis 4 mal täglich, denn sie vergisst immer wieder, dass sie es schon getan hat. Die Töchter weisen sie aber nicht extra darauf hin, denn mehrmaliges Zähne putzen schadet nicht und die Mutter wird nicht ständig auf ihre Ver-gesslichkeit hingewiesen.Außerdem zieht Frau Sommer

sich selbständig an. Dabei achtet sie aber nicht mehr auf das

Aussehen und den Zustand der Kleidung. Die Angehörigen müssen darauf schauen, dass sie frische Wäsche anzieht und geben die gebrauchten Teile bei Bedarf in die Wäsche, denn die Mutter legt benutzte Kleidung gerne mal in den Schrank zurück. Damit hat sie für sich Ordnung geschaffen.

Auch das Frühstück macht Frau Sommer sich selber, wenn noch niemand vom Pflegedienst da war: Tee und Marmelade- oder Honigbrot … sie liebt Süßes. „An Tee kann i‘ mir doch machen und a Brot kann ich mir auch streich‘n, mit Butter oder Honig drauf (…) und danach tu ich mein Geschirr wieder sauber machen, abspülen, trocknen und wieder aufräumen …“ . Schon ihr Leben lang war Frau Sommer sehr auf Sauberkeit und Ordnung be-dacht und diese Eigenschaft ist bei ihr bis heute noch zu erkennen, obwohl es mit der Ausführung oft nicht mehr so gut funktioniert. Die Tochter meint: „Es wird nicht mehr ordentlich gespült oder sauber gemacht … .“

Demenzerkrankte Menschen handeln oft nicht vernünftig in unserem Sinne. Sie verhalten sich manchmal im Alltag ungewöhnlich, machen manches anders als wir es machen würden, wie z. B. im-mer wieder die Zähne zu putzen, benutzte Kleidung in den Schrank zurücklegen … Aus ihrem inneren Verständnis heraus handeln sie aber durchaus logisch.

47Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“

Die Mutter hält das Spülgut nur kurz unter den Wasserhahn, wischt kurz drüber und stellt es dann weg. Da sieht sie nicht mehr so genau hin: „Sie is‘ nimmer so gewissenhaft, wie sie mal war.“

Nach den morgendlichen Ritualen sieht Frau Sommer fern – sie sieht meistens fern, wenn sie alleine ist – denn sie möchte über Neuigkeiten informiert sein oder auch nur unterhalten werden. Ihre Zeitung wurde von den Angehörigen abbe-stellt, da sie diese immer ungelesen im Haus verteilt und vor die Türen der Nachbarn gelegt hat. So ist der Fernseher für die alte Dame sehr wichtig. Sie sieht ausgiebig fern und auch die Nachbarn hören das, weil das Haus hellhörig und Frau Sommer schwerhörig ist.

Immer Dienstag und Donnerstag zwischen 11 und 12 Uhr kommt eine der drei Töchter. Sie bringt etwas zum Essen mit oder kocht mit der Mutter zusammen eine kleine Mahlzeit, wie Fisch- oder Gemüsestäbchen oder Leberkäse mit Ei.Da Frau Sommer keinen Mittagsschlaf macht, geht sie nach dem Essen in Begleitung der Angehörigen ausgiebig spazieren, oft zum Friedhof und danach wird häufig gemeinsam eingekauft. Manchmal machen die Frauen gemeinsame Ausflüge in den Zoo oder auch nur mal in ein Cafe. Daheim schaltet Frau Sommer meistens wieder den Fernseher an und die Toch-ter erledigt noch anfallende Hausarbeiten, wie Wäsche waschen oder saugen. Manchmal setzt sie sich nach getaner Arbeit zur Mutter und sie sehen gemein-sam fern oder sie lösen zusammen ein Kreuzworträtsel.

Der Großteil der Hausarbeit bleibt den Töchtern überlassen. Frau Sommer räumt immer alles weg „dass es sauber ausschaut“ … und ist auch sonst nicht ganz untätig: „Ja manchmal mach’ i‘ was im Haushalt, aber sonst kommen ja die Kinder auch, abwechselnd, die des machen. Ein bissle helf’ ich mit, Fenster putzen hab‘ ich auch erst gemacht, ja … ich will es schon a bissle sauber haben!“

Die Kinder bemerken, dass Staubsauger und Bügeleisen in ihrer Abwesenheit nicht benutzt werden. Allerdings lässt sich die Mutter in die Hausarbeit einbin-den, wenn die Töchter da sind: dann saugt sie auch mal oder wischt Staub. Um die Wäsche, Hausordnung, Treppen putzen und andere wesentliche Aufga-ben im Haushalt könne sie sich nicht mehr selbständig kümmern. Obwohl sie früher sehr viel gekocht hat und komplette Menüs nicht selten waren, lies dies seit Beginn der Krankheit stark nach. Da hat sie schon mal vergessen, die Herdplatte auszuschalten und Nahrung oder auch nur Wasser einkochen lassen. Deshalb kam die Feuerwehr bei ihr schon zum Einsatz (vgl. Kapitel 6).

48 Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“

Lange Zeit machte Frau Sommer sich dann Dosen- oder Fast-Food-Gerichte warm, aber auch das lässt in letzter Zeit nach.

Aktivitäten, die bei Frau Sommer mit starken Eindrücken, Empfin-dungen oder Ängsten verbunden sind, vermeidet sie von

alleine, z. B. wegen dem Verlaufen durch Orientie-rungslosigkeit oder der Rauchentwicklung am

Herd. Für andere Tätigkeiten, die sie leicht vergisst oder vergessen könnte, schreiben

ihre Angehörigen Erinnerungszettel: ‘Herd ausmachen!’ ‘Abendbrot im Kühl-schrank!’ etc. „Wenn es irgendwas gibt, was sie sich merken muss, dann schreiben wir einen Zettel und legen diesen dorthin, wo er nötig ist, z. B. kleben wir im Bad einen Zettel an den Spiegel mit ‘eincremen nicht vergessen’, weil die Mutter im Ge-sicht so eine schlechte Haut hat.“

Die Mutter behaupte zwar, dass sie sich jeden Tag im Gesicht eincremen

würde „aber des stimmt nicht“, meint die Tochter.

Deshalb wurde ein Zettel geschrieben und die Sozialstation angewiesen, das Ein-

cremen zu kontrollieren.

Etwa ab 17:00 Uhr ist Frau Sommer dann wieder alleine. Nur die Mitarbeiter des Pflegedienstes kommen

noch einmal, um ihr die Medikamente zu verabreichen und nach ihr zu schauen.Das Abendbrot wird noch von den Angehörigen vorbereitet und in den Kühl-schrank gestellt. Sie nimmt sich ihre Brotzeit dann heraus, wenn sie essen möchte. Die Kinder sehen aber immer nach, ob die Speise noch im Kühlschrank oder ob sie verdorben ist. Sie sind sich nicht sicher, ob die Mutter die Mahlzei-ten zu sich nimmt, obwohl sie es behauptet.Im weiteren Verlauf des Abends sieht Frau Sommer wieder lange fern oder liest Romane. Spät geht sie selbständig zu Bett. Vorher mache sie sich sogar noch eine Wärmflasche, weil sie – im Gegensatz zu früher – nun ein stärkeres Wärmebedürfnis habe.

49Alltag mit Demenz: „Des bin ich halt so g‘wöhnt“

4.2. Der strukturierte Tages- und Wochenablauf

Die drei Töchter kümmern sich abwechselnd an zwei Tagen in der Woche um die Mutter. An vier Tagen besucht sie eine Tagespflegeeinrichtung4 (vgl. Kapitel 5.4., 8.3.) im gleichen Stadtteil. Sie wird dorthin abgeholt und wieder gebracht. Am Sonntag wechseln sich die insgesamt vier Kinder einschließlich Sohn in der Betreuung ab und holen die Mutter zu sich nach Hause, was diese sicht-lich genießt. Sie erwarte die Hilfe durch die Angehörigen und lasse sich gerne bedienen, erzählen die Kinder. Frau Sommer bewältigt ihren Alltag immer seltener aus eigenem Antrieb, sie lässt sich aber in Haushaltstätigkeiten von anderen mit einbinden. Dadurch steigt die Abhängigkeit von ihrer Familie bzw. professionellen Einrich-tungen. Jedoch schenken die sich immer wiederholenden Tagesabläufe in der eigenen Wohnung, die Aufenthalte in der Tagespflegeeinrichtung und vor allem das Umsorgtsein durch ihre Angehörigen Frau Sommer Sicherheit und Gebor-genheit. Sie ermöglichen es ihr, noch alleine in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Durch die regelmäßige Betreuung und Zuwendung sowie immer wieder-kehrende Strukturen im Tages- und Wochenablauf sind die nächtlichen Unruhe- und Angstzustände nicht mehr aufgetreten und aus der Sicht der Angehörigen haben sich die Gedächtnisleistungen der Mutter sogar verbessert.

Demenz verändert zunehmend den Alltag!• Da die Eigeninitiative zur Bewältigung des Alltags mit zunehmendem

Krankheitsverlauf verloren geht, wird die Unterstützung der Erkrankten durch andere Menschen und Institutionen unausweichlich. Dabei ist darauf zu achten, dass ihre Selbständigkeit durch Hilfeleistungen nicht zu sehr ein-geschränkt wird (z. B. Brot streichen, obwohl der Betroffene es noch selber könnte). Vielmehr bedarf es einer Förderung und Erhaltung der noch beste-henden Fähigkeiten und Kompetenzen sowie der Motivation, aktiv am Leben teilzunehmen.

• Ein strukturierter und überschaubarer Tagesablauf mit festen Zeiten für Beschäftigungs- und Ruhephasen ist von Vorteil. Gewohnheiten des demen-zerkrankten Menschen sollten dabei beachtet und Reizüberflutung vermie-den werden.

• Menschen mit Demenz brauchen sinnvolle Beschäftigungsanregungen ohne Leistungsanspruch, wie Aufgaben im Haushalt, die zu bewältigen sind, (z. B. Handtücher zusammenlegen), frühere Lieblingstätigkeiten (z. B. Gartenar-beit), Aktivitäten wie Musik hören, Spazieren gehen etc.. Eine Überforderung ist zu vermeiden, denn dies könnte Versagensängste und Nichtstun zur Folge haben.

4 Teilstationäre Einrichtung, in der pflegebedürftige und demenzerkrankte ältere Menschen während des Tages betreut werden.

50 Ressourcen und Unterstützung

Die Demenz wird vielfach nur defizitorientiert be-trachtet: als ein unausweichlicher geistiger Ab-

bauprozess, den die Betroffenen hinnehmen müssen. Mediziner geben an, die diagnos-tizierte primäre Demenz (vgl. Kapitel 2.3.) beeinflussen, aber nicht heilen zu können: Durch Medikamente können lediglich die Symptome behandelt und abgemildert und/oder der Verlauf verlangsamt werden.

Betroffene, Angehörige und Freunde stehen der Situation oftmals hilflos gegenüber.

Im öffentlichen Leben reagieren Menschen nicht selten mit Verständnis- oder Ratlosigkeit auf

die Krankheitssymptome, Verhaltens- und Persönlich-keitsveränderungen der Menschen mit Demenz.

Kompetenzen und Ressourcen sind auch bei Frau Held nach Aussage der Toch-ter nicht mehr vorhanden. „Sie macht überhaupt nichts mehr, alles fällt ihr schwer und sie hat an nichts mehr Interesse. Das ist schlimm, dass sie an nichts mehr Interesse hat. Manchmal sagt sie, dass sie auf ‘s Sterb’n wartet. >Was soll i’ eigent-lich noch <, sagt sie dann. Sie möcht’ nimmer und is’ des Lebens einfach müde. Aber gerne machen tut mei’ Mutter gar nichts mehr und sie war doch leidenschaftliche Schneiderin, Näherin, also die hat Handarbeiten gemacht, gestickt, gehäkelt, gestrickt … die aufwendigsten Schneiderarbei-ten hat se g’macht, … früher. (…) Und schuld bin zum Teil ich, die letzten Jahre, weil i’ meiner Mutter nach und nach eigentlich alles abg’nommen hab’ und - des hab’ i’ immer wieder g’hört oder g’lesn - des war ’s Verkehrte eigentlich. Mei’ Mutter hat irgendwann nimmer g’wusst, wie sie die Mik-rowelle betätigen soll, des war’n lauter so Dinge, wo ich eigentlich dann kaputt g’macht hab’, weil ich ihr dann alles abg’nommen hab’.“ (Frau Sieber, Tochter)

Menschen mit Demenz und ihr Verhalten kann man nicht ändern.Wir können jedoch die eigene Wahrnehmung und Beobachtung beeinflussen, indem wir unser Augenmerk auf die verbliebenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Ressourcen der Erkrankten richten und nicht nur die Verluste sehen. Ressourcen sind Kräfte, Fähigkeiten und Strategien, die dem Betroffenen trotz geistigem Abbau noch zur Verfügung stehen.

51Ressourcen und Unterstützung

Während die Krankheitsanzeichen und Probleme offensichtlich zu Tage treten, müssen die Ressourcen von Außen erkannt und aktiviert werden. Um Ressourcen zu ermitteln, sind Informationen vom Leben des Betroffenen und ein Kennen der erkrankten Person sehr nützlich. Oft liegen nämlich die persönlichen Ressourcen der Menschen mit Demenz in früh erlernten Normen oder in ihrer ausgeprägten Persönlichkeit, wie z. B. Ordnungssinn, Pflichtbe-wusstsein, Fürsorglichkeit, Selbständigkeit, Kommunikationsbereitschaft, etc..Allen demenzerkrankten Menschen gemeinsam ist die Fähigkeit, die momentan erlebten Empfindungen direkt ausdrücken zu können. Ihr Verhalten entsteht durch innere Antriebe und Gefühle. Diese sind auch bei fortgeschrittenem Sta-dium erkennbar wahrzunehmen.

5.1. Persönliche Ressourcen und Strategien

Bei unseren Gesprächen mit Erkrankten, Angehörigen und Nachbarn wurden wir einerseits auf Defizite hingewiesen, andererseits ließen sich auch persön-liche Ressourcen der einzelnen herausfiltern und Strategien erkennen, wie die Betroffenen versuchen, mit ihrer Erkrankung umzugehen.

Ressourcen und Strategien, die unsere Interviewpartner auszeichnen:• Versuch, die Selbständigkeit solange wie möglich aufrecht zu erhalten

und soviel wie möglich noch selbständig zu machen „Meine Mutter führt den Haushalt noch alleine, macht ihr Bett selber und wischt alleine raus“, so die Tochter von Frau Lutz. „Zwar sieht sie Flecken nicht oder ich putz’ mal den Kühlschrank raus, aber man kann immer zu ihr reingehen, es is’ keine Unordnung, alles is’ auf seinem Platz, die Schuhe stehen nebeneinander und das Waschen ihrer Kleidung macht sie gern, des is’ ihr Hobby. Das hat sie früher, als junge Frau, auch gern getan. Die Damen vom am-bulanten Dienst haben mir bestätigt, dass sie sogar regelmäßig alleine badet (…). Am Samstag geh’ ich dann durch die Wohnung und schau’ nach, ob was zu tun is’ und wir machen das dann miteinander. Meine Mutter überzieht die Betten oder staubt ab, während ich das Bad putz’ und im Wohnzimmer kehre. I’ mach’ halt die Dinge mit ihr zusam-men, damit se sich au’ a bissl bewegt.“

Wenn wir die Betroffenen mit ihren Kräften und Gefühlen ernst nehmen, schaffen wir die Basis für respektvollen und wertschätzenden Umgang.

52 Ressourcen und Unterstützung

• Ressource gewohnte UmgebungZur Aufrechterhaltung der Selbständigkeit spielen die eigene Wohnung und die gewohnte Umgebung eine wichtige Rolle (vgl. Kapitel 3).

• Anderen von der Demenzerkrankung erzählen, OffenheitFamilie Kaiser klärt ihr Umfeld über die Demenzerkrankung des Mannes auf, „wenn es sich im Gespräch ergibt.“ Die Reaktionen seien durchgängig positiv „Er merkt des im Seniorenclub und auch im Erzählcafe. Es is’ so, dass die Leut’ dann eher auf ihn zuge-hen“, meint Frau Kaiser. Auch die Bekannten bestätigen, dass die Menschen sich aktiv um Herrn Kaiser bemühen, sobald sie erfahren haben, dass er de-menzerkrankt ist. „Es is’ besser, wenn man da offen d’rüber spricht“, äu-ßert ein Bekannter „… und er steht offen zu seiner Krankheit. Des is’ viel wert.“ Als seine Stärke bezeichnet Frau Kaiser es, „dass mein Mann seine Krankheit annimmt, des is’ auch eine Kraft.“ „Wichtig ist es, die Wahrheit zu sagen, zur Krankheit zu steh’n. Das man einfach sagt: Ich hab’ nun mal die Krankheit, andere haben andere Krankheiten. Es kann sich keiner aussuchen, welche Krankheit er hat. Man muss sie annehmen, wie einen Bruch oder Halsschmerzen“, meint Frau Kaiser.

• Durch Kontakte und Anrufe bei Angehörigen innere Sicherheit schaffen Bedingt durch ihre Wahnvorstellungen und die enorme Angst vor Diebstahl und Einbruch traute sich Frau Conrad irgendwann kaum mehr aus dem Haus, so dass sie keine Besuche mehr zu ihrer Schwester unternahm, die ihrerseits an ihre Wohnung gebunden ist. Die Verbindung besteht seitdem nur noch durch gegenseitige Telefonanrufe, die jeden zweiten bis dritten Tag erfolgen. Für die alleinlebende Frau Conrad ist der telefonische Kontakt zu ihrer Schwester die Stütze in ihrem Alltag. Ihr kann sie von ihren Ängsten und Problemen erzählen. Frau Conrad sagt oft zu ihrer Angehörigen: „Wenn ich dich nicht hätt’, dann tät’ ich dumm ausschau’n.“

• Familiäre und professionelle Unterstützung annehmen Die meisten unserer Interviewpartner nehmen inzwischen Hilfe durch Ange-hörige oder/und professionelle Dienste an. Im Anfangsstadium ist es jedoch eine Herausforderung, die Betroffenen und auch die Angehörigen dahin zu bringen, sich helfen zu lassen.

53Ressourcen und Unterstützung

Professionelle Hilfe ist bei Familie Kaiser zuhause noch nicht nötig. Obwohl Frau Kaiser selbst an einer schweren Erkrankung leidet, kann sie ihren Mann noch selbst betreuen. Bei Hilfebedarf weiß das Ehepaar aber um professio-nelle Anlaufstellen in der Stadt und hat wichtige Telefonnummern zu Bera-tungsstellen und Hilfsangeboten in Augsburg notiert. Sie würden es allerdings beide bevorzugen, zunächst Hilfen von den Kindern und Angehörigen zu erhalten. Professionelle Hilfe würde Herr Kaiser nur dann annehmen, „wenn’s von Nöten is’ oder wenn mei’ Frau nicht mehr kann. Im Ausnahmefall würd’ ich schon sagen, dass ich fremde Hilfe annehm’, ja. Aber mir is’ zunächst lieber, wenn die eigenen Leut’ mich pflegen.“

• Einsamkeit und Langweile aktiv bewältigen und Hilfe (von außen) suchenAls Frau Conrad sich einsam fühlte und niemanden zum Reden hatte, ver-suchte sie, etwas dagegen zu tun: Sie ging zum nahegelegenen Altenzentrum und suchte dort Beratung. „Ich wollt’ nur wissen, ob es irgendwo eine Art Heim gibt, wo ich ein paar Tage Urlaub machen kann und ein bisschen Kontakt zu anderen Menschen bekomm’. Die Frau dort hat mir dann ein Tagesheim gezeigt. Das ist aber nichts für mich. Da muss ich den ganzen Tag in einem Raum verbringen. Ich will aber raus gehen. (…) Diese Frau kommt jetzt ab und zu und besucht mich und fragt nach, wie‘s mir geht.“

• Kontakte suchen und mit anderen sprechenDie Nachbarn beschreiben Frau Vogel als lustige und umgängliche Person, mit der sie sich gerne mal unterhalten. Ihr Nachbar Herr Huber sagt: „Ja, die kann einfach noch umgeh’n mit die Leut’, kann reden mit ihnen … und sie redet gern. Manchmal denk’ ich mir, es is’ so schade, dass se zu wenig Kontakt nach außen hat (…).“

• Festgelegte TagesstrukturImmer wiederkehrende Strukturen im alltag, sowie regelmäßige Betreuung hel-fen bei Frau Schuber Angst- und Unruhezustände zu veringern (vgl. Kapitel 4).

Bei vielen Menschen mit einer Demenzerkrankung verändert sich die Selbstwahrnehmung mit zunehmender Erkrankungsphase: dann können sie ihre Gedächtnisstörungen nicht mehr wahrnehmen und/oder sind davon überzeugt, Tätigkeiten und Handlungen noch selbständig richtig ausführen zu können. Deshalb lehnen sie angebotene Hilfe häufig ab. Ursache dafür ist, dass das Gehirn mit zunehmender Demenzerkrankung nicht mehr „über-sich-selbst-nachdenken“ kann, d. h. dass das Bewusst-sein bzw. -werden „Ich bin krank“ nicht mehr leistbar ist.

54 Ressourcen und Unterstützung

• Glaube und ReligiositätNach seinem täglichen Mittagsschlaf betet Herr Kaiser fast jeden Tag einen Rosenkranz. „Ich bin ein guter Katholik’, des tu’ ich mit Vorliebe gern, Rosenkranz beten, und des gibt mir an Halt, des gibt mir Hoffnung.“Frau Lutz meint: „Ich bet’ immer, des hilft mir a wenig. Des tut gut und dann geht’s mir besser.“

Bedeutung von Medien, insbesondere Fernsehen:Fast alle unserer demenzerkrankten Gesprächspartner schauen gerne fern. Sie verbringen oft viel Zeit damit. Eine Tochter erzählt „Mei’ Mutter schaut halt immer Fernseh’. Wenn es dann gerade von unten läutet, geht sie zur Tür, öffnet die, wartet aber nicht ab, ob jemand hochkommt, sondern geht wieder ins Wohnzimmer zurück. Sie könnte ja was Wichtiges verpassen und die Mut-ter weiß dann auch alles, was so passiert. (…) Manchmal lässt sie sogar uns in der Küche sitzen und geht einfach ins Wohnzimmer, so als ob wir gar nicht da wär’n. Dann will sie Fernseh’ schau‘n, ihre Ruh‘ haben “ Frau Sommer dazu: „Wenn nichts g‘scheit’s kommt, dann schalt’ i’ halt weiter, solang’, bis i’ halt wieder was find‘.“

Im fortgeschrittenen Stadium kann das Interesse fürs Fernsehen abnehmen. Frau Held kann den Sinn von Sendungen nicht mehr erfassen und verstehen. Sogar Szenen einer ihr bekannten Telenovela, die sie gerne ansah, interpretiert sie jetzt falsch. Manchmal gibt sie Kommentare, so dass die Tochter meint, sie schaue zu und verfolge alles, bei Nachfragen kommt jedoch heraus, dass sie nichts versteht, Personen verwechselt oder ihnen falsche Attribute zuschreibt. Die Tochter glaubt zwar, dass Frau Held den Fernseher noch alleine ein und aus machen kann, weil der Knopf am Fernseher durch die Angehörigen gekenn-zeichnet wurde. Dies wird inzwischen aber vom Pflegepersonal übernommen.

Herr Kaiser ist froh, noch fernsehen oder andere Medien wie CD-Spieler, Ra-dio oder Kassettenrecorder nutzen zu können. Am Nachmittag hört er gerne CDs oder Kassetten, v. a. mit volkstümlicher Musik, aber auch Klassik. „Mit Vorliebe schau‘ ich mir Filme im Fernsehen an, wo viel Natur vorkommt, ob Berge, Wälder, Seen und so weiter (…) oder i’ horch‘ mir eine Diskussion an. Da nimm’ i’ schon teil dran. Ich versteh’ zwar nimmer alles, aber die Mei-nungen von den Leuten, die kann i’ schon noch auseinanderhalten (…), also Diskussionen horch‘ i’ mir gern an.“

55Ressourcen und Unterstützung

• Interessen pflegen (Musik hören, Kreuzworträtsel lösen, Fernsehen), Rituale und Gewohnheiten pflegenHerr Kaiser erzählt „… aber noch les’ ich und rätsle, ich betätig’ mich geis-tig so viel wie möglich und versuche so, meine Fähigkeiten zu erhalten.“ Neben den geistigen Beschäftigungen sind ihm seine Rituale sehr wichtig, wie z. B. nach dem Frühstück die Zeitung lesen, der tägliche Mittagsschlaf, der wöchentliche Gang zum Metzger etc..

Auch Frau Held liest noch täglich ihre Zeitung sowie Boulevardblätter, die ihr die Töchter mitbringen. „Also ohne Anleitung macht mei’ Mutter eigentlich nichts mehr, außer ihre Zeitung lesen. Sie liest ihre Boulevard-Presse und die Augsburger Allgemeine (…), des liest se gern und ihr Fernseh-zeitschrift, über Stars und VIP-Geschichten und sie versteht des auch, weil sie dann ja eben sagt, >du der und der is’ jetzt gestorben<, oder >was wieder Schlimmes passiert is’ da in Kalifornien mit den Bränden< und so weiter und sie kriegt schon vieles mit. Also des is’ eigenartig.“(Tochter von Frau Held)

• Sich um andere kümmern wollen (z. B. Haustier)Bei unserem gemeinsamen Gesprächstermin war Frau Held sehr aufgeregt, weil ihre Katze erkrankte. Das Tier liegt ihr sehr am Herzen und sie macht sich Sorgen um sie. „Man wächst ja direkt zusammen. Sie geht sogar mit mir ins Bett, ist schon vor mir drin (…), dann rede ich mit ihr >Was willsch den du. Ich bin noch nicht mal ausgezogen<. Dann muss se halt warten“, meint Frau Held lächelnd. Das Reden über die Katze belebt Frau Held, sie gibt gerne Auskunft und kann hier klarere Aussagen machen als bei manch anderen Gesprächsthemen.

• Humor und WitzUnangenehme Situationen oder Vergesslichkeit überspielt Frau Conrad mit Witz und Humor.Der Nachbar von Frau Vogel bewundert sie „weil sie immer so aufgeschlos-sen, so fröhlich ist. Wenn sie mit den Leuten vom Fahrdienst runter geht, da gibt’s oft was zum Lachen. Sie is’ immer lustig und strahlt Freude aus, des find’ ich gut so.“

• Selbstwertstärkung durch Erinnerung an frühere Kompetenzen „Früher hab‘ ich viel g‘sungen und Gedichte vorgetragen, bei Feiern, auf ‘m Plärrer. (…) So Sach‘n, wie Gedichte, hab‘ ich in meinem Kopf und da denk‘ ich immer dran …“ , erzählt Frau Vogel.

56 Ressourcen und Unterstützung

Am Singen und Gedichte vortragen hat sie große Freude. Auch ihre Nachba-rin ist von ihren Fähigkeiten beeindruckt. „Immer wieder singt sie ein Lied oder trägt ein langes Gedicht vor. Des is’ irre, weil sie kann die ganzen Texte auswendig und des is’ manchmal nicht recht begreifbar für mich, dass sie soviel weiß und trotzdem geht der Geist irgendwie ….“

• Erinnerungshilfen nutzen (z. B. Einkaufszettel)Bei Frau Sommer schreiben die Angehörigen Erinnerungszettel für Dinge, die sie sich merken soll. Das funktioniert teilweise noch gut.Herr Kaiser schreibt sich den Einkaufszettel selbst, ebenso richtet er seine Medikamente nach einer von ihm angefertigten Liste.

• Körperliche Gesundheit„Beim Einkaufen hat meine Mutter mich mal so genervt, sie war wie mein Schatten und rannte immer hinter mir her. Dann hab’ ich ihr einfach die Einkaufsliste in die Hand gedrückt und gesagt, sie soll sich ihre Sachen besorgen. Den Zettel hat sie ohne Brille gelesen und alles hat sie in den Wagen gelegt. Das hat einwandfrei funktioniert. Sie kann ohne Brille noch sehr gut lesen und auch körperlich ist sie gesund und beweglich. Diese Dinge gehen noch recht gut. Das bewund’re ich an ihr.“ (Tochter von Frau Lutz)

Frau Lutz geht ausFrau Lutz behauptet während des Gesprächs immer wieder: „ Ich bin für mich allein’. Ich mag net soviel Leut‘“ und ebenso „langweilig is’ mir schon.“ Freunde hat sie keine, ihr Kontakt be-

schränkt sich auf die Tochter und deren Familie sowie ihren rechtlichen Betreuer5. Ihre verstorbene Nachbarin fehlt ihr sehr. Mit ihr ging sie öfter

spazieren und sie besuchten sich gegenseitig, um sich zu unterhalten. Die anderen Nachbarn im Haus kennt sie nur durch den Grußkontakt im und ums Haus.

Eine Verbesserung der geistigen Leistungen wird bei demenzerkrankten Menschen in der Regel nicht durch Gedächtnistraining erreicht, sondern durch Förderung und Erhaltung von Fähigkeiten und Interessen, wie z. B. den Kontakt mit anderen Menschen den Humor, Sinn für Ordnung und Sauberkeit, Freude an Musik oder praktischen Fertigkeiten. Durch die Nutzung, Förderung und Erhaltung ihrer vorhandenen Ressourcen und Stra-tegien werden Menschen mit Demenz in ihrer Persönlichkeit gestärkt und erhalten ein höheres Maß an Lebenszufriedenheit und –qualität.

5 Siehe Fußnote auf Seite 64.

57Ressourcen und Unterstützung

Frau Lutz geht kaum aus ihrer Wohnung, schaut aus dem Fenster im Wohnzim-mer, schläft mal auf der Couch oder sieht häufig fern. Sie ist einerseits gern in ihrer Wohnung: „Hier bin ich jemand. (…) Da herin’ möcht’ ich bleiben. Ich zieh’ nicht um!“, meint sie. Andererseits geht sie aus dem Haus, wenn sie sich einsam fühlt oder „Wie es mir gerade einfällt.“Früher schon war sie sehr gesellig, ging weg und suchte Unterhaltung. So kam es wohl auch, dass sie vor ca. eineinhalb Jahren zum ersten Mal den Weg zu einer benachbarten Gaststätte fand.

Die Bedienung kann sich noch genau erinnern:„Ja, die Frau Lutz. Die kommt immer nachmittags, so ein- bis dreimal in der Woche, trinkt zwei, drei Cola, und dann geht sie wieder.“ Anfangs saß sie im Lokal allein an einem Tisch, mit Abstand zu den übrigen Gästen. Nachdem sich die 84-jährige Dame öfter in der Gaststätte aufhielt, luden die anderen Gäste sie ein, sich doch zu ihnen zu setzen. Seitdem kommt sie bei ihren Lokalbesuchen an den Stammtisch, wo sich die anderen mit ihr unterhalten. „Die Gäste geh’n also auch von sich aus auf die Frau zu und machen ihr Platz, wenn alle Stühle belegt sind. Sie begrüßt alle mit >Hallo<, mit Namen spricht sie aber niemand an. Ich glaub’, sie mag die anderen Gäste alle und kommt gut mit ihnen aus. Sie hat noch niemand beleidigt oder blöd angeredet, es gibt überhaupt keine Schwierigkeiten. Seit sie herkommt, haben wir noch keine Auffälligkeiten oder Veränderun-gen an ihr bemerkt. Sie redet völlig normal mit uns und sagt immer, sie möcht’ nicht allein daheim bleiben, da is’ es ihr zu langweilig. Von sich aus erzählt sie wenig, meistens spricht sie, wenn man sie etwas fragt, dann erzählt sie von ihrem früheren Leben, von ihrer Tochter oder dass sie gesund is’ und keinen Arzt braucht, sonst is’ sie eher still.“„Mir ist nur aufgefallen, dass sie sehr vergesslich ist. Häufig schaut sie nach, ob sie ihre Schlüssel dabei hat und sie fragt öfter, ob sie schon bezahlt hat. Ich schreib’ ihr zwar immer die Getränke auf einen Bierdeckel, damit sie selber sieht, was sie getrunken hat. Sie fragt trotzdem immer wieder mal nach. Beim Bezahlen hat sie keine Schwierigkeiten und das Geld hat sie auch noch nie vergessen. Vor der Bestellung schaut sie immer nach, ob sie genug Geld dabei hat. Manchmal sagt sie dann auch >Ich hab’ nicht mehr Geld, ich muss jetzt heim<.“Die Bedienung weiß nicht, ob Frau Lutz zuhause versorgt ist. Es kommt aber schon vor, dass die 84-Jährige sich erkundigt, ob sie ein Paar Wiener haben könnte. Einige Male hat ihr die Bedienung schon Essen angebo-ten, was ihr Gast gerne annahm.„Ab und zu raucht Frau Lutz. Entweder sie hat Zigaretten dabei oder ich biet’ ihr mal eine an.

58 Ressourcen und Unterstützung

Das Zigarettenpapier, aber auch jeden anderen Abfall räumt sie gleich weg. Das macht sie gern, obwohl ich ihr g‘sagt hab‘, dass sie das nicht tun muss. Nein, sie steht immer gleich auf und entsorgt jeden Müll selbständig im Abfalleimer.“In der Regel geht Frau Lutz heim, bevor es dunkel wird. Die Gaststättenange-stellte hilft ihr manchmal bei der Treppe, damit sie nicht fällt und hofft, dass ihr auf dem Nachhauseweg nichts passiert. „Manchmal hab’ ich schon Angst, dass sie nicht richtig im Kopf ist und nicht aufpasst, wenn sie über die Straße geht.“Die Bedienung weiß, dass sie wiederkommen wird, denn „ich glaub’, sie mag mich und kommt immer an den Tagen, wenn ich da bin. Ihr tut das gut, wenn ich mich ein bisschen um sie kümm’re und ich wünschte, sie hätte mehr Ansprache und Unterhaltung. Deswegen kommt sie ja her. Ihr macht’s Freude hier in die Wirtschaft zu gehen, weil sie vor Langeweile sonst nicht weiß, was sie tun soll.“

5.2. Familiäre Ressourcen

Eine der wichtigsten Ressourcen für Menschen mit Demenz sind ihre Ange-hörigen, die sich um sie kümmern, sie betreuen und letztendlich auch pflegen. Etwa zwei Drittel der Menschen mit Demenz werden zuhause betreut.Vor allem für betreuende und pflegende Familienmitglieder stellt die Demen-zerkrankung mit ihren Auswirkungen auf den Erkrankten mit zunehmendem Krankheitsverlauf eine enorme zeitliche, seelische und körperliche Belastung dar, vor allem dann, wenn die Unterstützung und Pflege vorwiegend von nur einem Angehörigen geleistet wird. Mit zunehmendem Krankheitsverlauf nehmen die Alltagsbelastungen für Be-treuende laufend zu: Sie müssen sich immer wieder neu auf krankheitsbedingte Veränderungen und unvorhersehbare Ereignisse einstellen und mit Schwierig-keiten, wie z. B. nächtlicher Unruhe, einschneidender Ängstlichkeit, Weglauften-denzen oder Inkontinenz zurecht kommen. Dabei nehmen mit fortschreitendem Stadium die körperlich-pflegerischen Aufgaben zu. Aufgabe der Betreuenden ist es vor allem, den Angehörigen Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. Sehr belastend für die Partner, Kinder und Familien ist dabei, das gleichzeitig die Vertrautheit der gemeinsamen Beziehung und des gewohnten gemeinsamen Lebens verloren geht. Die Betreuenden müssen sich auf eine Veränderung von Verhalten und Persön-lichkeit der Erkrankten einstellen, was oft sehr schwer fällt.

Es ist für Frau Sieber ganz besonders schlimm, „weil i’ sehr an meiner Mutter häng’ oder gehangen hab.

59Ressourcen und Unterstützung

Die Krankheit hat uns schon a Stück voneinander entfernt, die letzten Jahre, wo die Veränderungen stattgefunden haben, wo i’ eben vieles net nachvollziehen konnte. Da is’ jetzt einfach die Liebe nimmer so da. Es is’ schlimm, aber es passiert einfach automatisch, wie man sich in einer Partnerschaft ‚entliebt‘, so kann’ s mit der Mutter passieren, weil des einfach nicht mehr die Frau is’, die mei’ Mutter war.“ Früher hatten beide eine sehr enge Beziehung. Frau Sieber war immer schon für die Mutter da und hat sie unterstützt. Sie berichtet: „Mei’ Mutter war eine kräftige, eine starke Frau. Net bloß vom Äußerli-chen, sondern auch vom ganzen Geist. Sie hat auch in schweren Lebens-lagen immer noch ihren Humor bewahrt, also, des war wirklich eine ganz tolle Frau. Und des is’ schon schlimm, wenn nichts mehr da is’ von dieser Frau, gar nichts mehr, des is des, mit dem ich nicht klar komm’ (…) Wer bisch du, wo bisch du Mutti, wo bisch du? (…) Sekundenweise kommt zwar ihr Humor wieder zum Vorschein, in meiner Anwesenheit lacht sie aber nicht mehr viel. Sie hat irgendwie an Groll gegen mich, hab’ ich des Gefühl. (…) Mein Gefühl ihr gegenüber is’ abgekühlt, das muss ich schon sagen, auch wenn i’ dabei a schlechtes Gewissen hab’. Trotzdem fühl’ ich mich für sie verantwortlich und ich würd’ mich nie aus dieser Verant-wortung stehlen. Es is’ einfach das Pflichtgefühl, was mich noch zu ihr hinzieht. Dass ich gern zu ihr hingeh‘, des is’ nicht mehr der Fall, weil ich schon immer mit ‘ner Angst zu ihr geh‘: Was erwartet mich jetzt wieder, es ist eigentlich irgendwie immer was, wo wieder was zu knabbern hasch.“ (Tochter von Frau Held)

Die Angehörigen leiden häufig sehr unter der Betreuungssituation, u. a. durch das ständige Gefordertsein, Angebundensein, die Veränderung der eigenen Lebensplanung, durch berufliche und familiäre Probleme, durch die notwendig werdende körperliche Pflege des Erkrankten, Verschlechterung des eigenen Gesundheitszustandes, Isolation etc. .

„I’ hab einfach überhaupt keinen Freiraum mehr durch Beruf und Betreu-ung meiner Mutter. I’ kann nix les‘n, i’ hab’ früher so gern g‘lesn. Obwohl i’ des so wichtig find‘ und i’ des auch gern g‘macht hab‘, aber ich erfass’ den Sinn gar nicht mehr, wenn ich mich abends hinsetz‘ und versuch’, a bissle was zu lesen. In Windeseile fall’n mir die Augen zu, sie brennen so, weil sie überanstrengt sind. Also lies i’ fascht nix mehr. Man hat das Gefühl, dass man da verblödet, langsam (…). Meiner Mutter gegenüber bin i’ sehr intolerant g‘word’n.. I’ war früher toleranter. Ich war aber o andern gegenüber toleranter (…).

60 Ressourcen und Unterstützung

Ich nehm’ ihr einfach schneller etwas übel. Früher dachte ich, die Mutter ist halt jetzt gerade schlecht drauf, lass sie halt in Ruhe. Heute bin ich eher auf Konfrontation aus und weiß gleichzeitig, dass das total falsch is’, mach’ aber im nächsten Moment den Fehler wieder.“ (Frau Sieber, Tochter von Frau Held)

Trotzdem sind Angehörige gefordert, dem Erkrankten ausgeglichen und gedul-dig gegenüber zu treten, für ihn viel Zuwendung aufzubringen und zu versu-chen, seine vorhandenen Fähigkeiten soweit wie möglich zu fördern und zu erhalten.

Frau Sieber legt beispielsweise mit ihrer Mutter Wäsche zusammen. Solche Sachen macht sie, weil sie weiß, dass man den demenzerkrankten Menschen nicht alles abnehmen sollte. Das Problem besteht für sie darin, dass immer alles schnell gehen muss. „Des is’ eben des Schwierige dran, sich Zeit zu nehmen, für denjenigen, wenn so viel andres ansteht, ob’s Arztbesuche oder irgendwelche Erledi-gungen sind, dass man Medikamente besorgen muss oder irgendwas was ausgegangen is’ an Lebensmitteln (…), dass alles da is’, was benötigt wird.“

Die Betreuung kann aber auch den positiven Effekt haben, dass sich die An-gehörigen nicht mehr hilflos der Erkrankung gegenüber fühlen, sondern das Gefühl haben, eine sinnvolle und nützliche Aufgabe zu verrichten. Für sie ist es wichtig, Hilfen von anderen anzunehmen, vielleicht von Nachbarn und Bekannten, aber auch von professionellen Diensten. Vor allem Beratungs-stellen (vgl. Kapitel 8.1.) können den Angehörigen beistehen, sie vielfältig infor-mieren und Hilfen vermitteln.

5.3. Nachbarschaftliche Hilfen und Kontakte

Bei allen unseren Gesprächspartnern war sehr stark das Bedürfnis nach Kontakt mit anderen Menschen wahrnehmbar. Vor allem Angehörige kommen diesem Bedürfnis nach und kümmern sich z. T. aufopferungsvoll um die erkrankten Familienmitglieder. Manchmal sind aber noch Kontakte zu Verwandten, früheren Bekannten, Freunden und Nachbarn vorhanden (z. B. erhält Frau Sommer öfter Besuch von einer langjährigen Freundin, Frau Vogel wird einmal monatlich von ihren sudetendeutschen Landsleuten zu einem Treffen abgeholt und wieder heimgebracht). Während die Unterstützung durch Angehörige den Menschen mit Demenz Sicherheit vermittelt, fühlen sich Angehörige sicherer, wenn Nach-barn über die Situation Bescheid wissen und „die Augen offen halten“ oder ggf. auch „nachschauen“

61Ressourcen und Unterstützung

NachbarschaftshilfenKontakte zu Nachbarn gestalteten sich bei unseren Interviewpartnern selten intensiv, sondern eher zufällig und oberflächlich. In einigen Fällen wurden Nachbarn über die Demenzerkrankung ihrer Mitbewohner aufgeklärt, in anderen nicht. Vor allem zu langjährigen und/oder direkt nebenan lebenden Nachbarn bestehen Kontakte durch Austausch der Zeitungen, durch Gespräche im Trep-penhaus oder auch durch zweitweise Unterstützung. Manchmal erkundigen sich Nachbarn auch bei den Angehörigen nach den de-menzerkrankten Mitbewohnern. Gegenseitige Besuche finden nur selten statt.

Von der Demenzerkrankung hat Frau Eder, die Nachbarin von Frau Vogel, zu-nächst nichts gewusst. Nach ihrem Einzug vor einigen Jahren hatte sich immer wieder ein Zusammentreffen mit der Nachbarin ergeben. Sie tranken öfter einmal Kaffee miteinander und der Kontakt erweiterte sich, als Frau Eder bemerkte, dass es ihrer Nachbarin manchmal nicht so gut ging. Sie bot an, dass Frau Vogel sich bei ihr melden solle, „wenn was wär‘.“ Sie müsse nur an die Tür oder an die Wand klopfen, Frau Eder würde es schon hören. Der Sohn von Frau Vogel hatte mitbekommen, dass sich die Nachbarin um seine Mutter bemühte und so haben beide sich zusammengesetzt und über die Lebenssituation der Mutter und die Demenzerkrankung gesprochen. Seitdem hat Frau Eder einen Schlüssel zur Wohnung der Nachbarin erhalten. Des Weiteren bekommt sie von Herrn Vogel Informationen zur Demenzthematik und wird über „jeden Schritt“ ihrer Nachbarin informiert, „…ich wär’ schon erschrocken, wenn sie auf einmal nicht mehr da is’ und ich nicht wüsste, wo sie is’. Da könnt’ se ja weggelaufen sein.“Bei Problemen oder Notsituationen informiert Frau Eder den Sohn ihrer Nachbarin.

Einige der anderen Hausbewohner wissen von Herrn Vogel, dass seine Mut-ter an einer Demenz erkrankt ist. Jedoch wurden nicht alle Nachbarn darüber aufgeklärt, sondern nur diejenigen, zu denen der Sohn selbst Kontakt hatte oder wo es sich im Gespräch ergab. Diese Nachbarn achten nicht in dem Maße wie Frau Eder auf Frau Vogel, jedoch sind diese aufmerksam: Schon ein paar Mal haben sie die muntere alte Dame auf der Straße vor dem Wohnhaus angetroffen und sie dann wieder nach Hause begleitet. Die Nachbarschaft hat sich durch die Erkrankung von Frau Vogel nicht negativ verändert - im Gegenteil - die Nachbarn unterhalten sich gerne im oder vor dem Haus mit ihr und manche wissen, dass ein Pflegedienst ins Haus kommt und die erkrankte Nachbarin vom Fahrdienst in die Tagespflege abgeholt wird.

62 Ressourcen und Unterstützung

Oftmals ist es für Angehörige nicht leicht, über die Demenzerkrankung des Verwandten zu sprechen. Offener Umgang mit dieser Erkrankung bringt jedoch für alle Beteiligten Vorteile: In oben genanntem Fall ist es für den Sohn eine Erleichterung, zu wissen, dass Nachbarn - besonders eine - immer mal nach der Mutter sehen bzw. sie aufmerksam beobachten. Das gibt ihm ein Gefühl von Sicherheit.Im Gegenzug werden auffällige und unverständliche Verhaltensweisen dem sozialen Umfeld (Nachbarn, Freunden, Bekannten, Ärzte, Pfarrer etc.) verständli-cher, wenn die Ursache bekannt ist und somit auch ein Umdenken hin zu einem demenzangepassten Umgang stattfinden kann (vgl. Kapitel 7.2.).

Frau Eder, die mit uns sprach, beschreibt ihre Nachbarschaftshilfe folgendermaßen:„Unser Kontakt is’ sehr unterschiedlich und nicht regelmäßig, manchmal jeden Tag, manchmal zweimal in der Woche (…) Aber ich bin schon sensibilisiert, wenn ich was hör’, bin i’ drüb’n. Ich gehe auch so mal rüber, (…). Manchmal besuch’ ich se und dann trinken wir auch mal Kaffee miteinander. Sie kommt aber nur selten zu mir rüber. Von alleine kommt sie eher nicht, das ist schwierig. Obwohl sie sich immer total freut, wenn ich komm’, nimmt sie mein Angebot nicht an, mich zu besuchen. Ich sag’ zu ihr: >Komm’ rüber, vor allem wenn dir was weh tut oder wenn durcheinander bist<. Ich versuch’ halt, normal mit ihr umzugehen. Also dass ich das Demente bei ihr net in den Vordergrund stell, sondern des Menschliche einfach. Das spürt sie, glaub’ ich schon (…) Ich glaube, dass des scho’ schlimm genug is’ für sie, dass se nimmer so kann, … ich weiß nicht, ob sie‘s noch merkt manchmal, dass was anders is’. Ich frag halt immer, >Weißt‘s noch, was mir gestern g‘macht haben< Dann sagt’s: >Warst du gestern da?< (…) Ich find, des gehört einfach zur Nachbarschaft dazu, wenn’s mal jemand net so gut geht, dass man dann um den andern schaut.“

Sonstige KontakteDie Kontakte nehmen bei Menschen mit einer Demenz mehr und mehr ab. Sei es zunächst deshalb, weil immer mehr Bekannte, Verwandte und Nachbarn versterben oder wegziehen oder Kinder und Verwandte nicht mehr in der Nähe wohnen. Des Weiteren verändert sich möglicherweise die eigene Lebenssitua-tion (z. B. durch abnehmende Mobilität, Erkrankungen verschiedenster Art) und die Betroffenen sind immer mehr auf das nahe Wohnumfeld und die Wohnung sowie die engere Verwandtschaft oder Bekanntschaft konzentriert. Besuche bei Verwandten und Bekannten sind irgendwann nur noch mit Hilfe anderer möglich.

63Ressourcen und Unterstützung

„Meine ganzen Bekannten und Verwandten, das wird immer weniger. (…) Also des is’ traurig, aber wahr. Viele sind schon weggestorben. Früher hab’ ich immer alle eingeladen, immer wieder war jemand da. Aber jetzt kann ich des nimmer machen, weil wer macht dann ‘n Kaffee und alles. Ich denk’, des kann ich net machen. Des geht einfach nimmer.“ (Frau Held)

Durch die Demenzerkrankung wird die Kommunikation mit den betroffenen Menschen immer schwieriger, so dass Kontakte abbrechen. Verwandte und Bekannte bleiben fern, weil sie nicht mit dem demenzerkrankten Menschen umgehen wollen oder können (das Erleben der Erkrankung und ihrer Auswir-kungen macht vielen Menschen Angst). Manchmal ziehen sich aber auch die Betroffenen aufgrund der Erkrankung vom gesellschaftlichen Leben zurück.

Frau Sieber, Tochter von Frau Held, klagt: „ … und seit meine Mutter in den letzten Jahren die Demenz hat, kommt halt immer weniger jemand von den Verwandten oder Bekannten. Ihre engste und liebste Freundin, eine ehemalige Nachbarin, ist verstorben und bei allen anderen, mit denen meine Mutter noch in Verbindung steht und die sie früher oft besuchten, hab’ ich das Gefühl, je mehr sie merken, dass d’ Mutter an einer Demenz erkrankt is’, umso weniger lassen sie sich sehn. Auch mein Cousin meinte, was mit seiner Tante los sei, mit ihr könne man ja gar kein normales Wort mehr reden, sie würde ja eh‘ nichts mehr mit-kriegen und da ginge er nicht mehr gern hin. Kein Verständnis … , obwohl er um die Demenz Bescheid weiß!“ Einzig die Nichte von Frau Held nähme sich immer wieder ein paar Stunden Zeit für die Tante. „Das is’ so die Einzige, aber wirklich die Einzige, die mit Rück-sichtnahme und Liebe und Freundlichkeit zu meiner Mutter spricht, auch mit Respekt. Sie geht ganz gut auf meine Mutti ein und redet mit ihr, ist wirklich einige Stunden für sie da, wo ich schon oft keinen Nerv mehr hab’. Meine Mutter erkennt sie immer und genießt es, wenn sie da ist.“ Die Kinder versuchen, jedes Familienfest bei Frau Held zu feiern, oder doppelt zu feiern, damit sie integriert wird. Eigentlich hat nur die engste Familie regel-mäßig persönlichen Kontakt zu der 88-jährigen Frau, die früher viele Beziehun-gen pflegte.

64 Ressourcen und Unterstützung

5.4. Professionelle Hilfen

Anfangs können Familien (unter Mithilfe von Nachbarn, Freunden, etc.) die Be-treuung ihrer erkrankten Angehörigen alleine übernehmen. Mit zunehmendem Krankheitsverlauf, wenn private Netzwerke nicht mehr ausreichen, müssen professionelle Hilfen mit einbezogen werden. Angehörige haben jedoch oft Bedenken, die Erkrankten wegzugeben. Häufig befürchten sie – vielfach zu Unrecht – dass es „ihrem Demenzkranken“ in „fremden Händen“ schlechter gehen könnte. Für sie ist es allerdings wichtig, rechtzeitig eine Entlastung durch professionelle Dienste anzunehmen, damit sie nicht vorzeitig die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit erreichen.

Die Tochter von Frau Lutz, die anfangs skeptisch gegenüber Hilfen für ihre Mut-ter war, hat die Unterstützung durch eine Beratungsstelle angenommen, wo ihr die für sie individuellen Lösungsmöglichkeiten in ihrer persönlichen Lage aufge-zeigt wurden. Sie hat die kostenlos angebotene Hilfe gerne und viel genutzt.„Wenn wir die Dame bei der Beratungsstelle nicht gehabt hätten, ich weiß nicht, ob wir dann da wär’n, wo wir heut’ sind. Also des war wirklich a große Hilfe.“Sie hat sich dafür entschieden, einen rechtlichen Betreuer6 und einen ambulan-ten Pflegedienst hinzuzuziehen. „I’ bin jetzt bloß froh, dass ich selber Hilfe hab’, jetzt kann i’ loslassen, weil ich ein Mensch bin, der immer eine Sache zu Ende bringen will, gut zu Ende bringen will (…).“Der Betreuer ist für Frau Lutz und auch ihre Tochter die Unterstützungs- und Hilfsperson schlechthin. „Ich bin dankbar, dass wir den haben, der kann’s gut mit ihr.“

Herr Vogel berichtet von seinen Erfahrungen mit Hilfsangeboten in Augsburg: „Es is’ jetzt schon einiges passiert, seit meine Mutter an der Demenz erkrankt is’. Anfangs war’s für mich schwer, Informationen zu den verschie-denen Themenbereichen rund um die Demenz zu bekommen. Ich hab’ überhaupt keine Möglichkeit g‘habt, mich irgendwo schlau zu machen, hab’ net g‘wußt, wo man hingehen kann, wer einem helfen kann (…). Erst nach und nach erfuhr ich von Veranstaltungen und Angeboten für Menschen mit Demenz und ihre Familien. In der Zwischenzeit gibt’s sogar so ein großes Angebot, was vielleicht sogar schon als Überangebot bezeichnet werden kann. I’ kann alle Termine zum Thema Demenz gar nicht mehr wahrnehmen.

6 Ein „rechtlicher Betreuer“ kann durch Anregung/Antrag vom Betreuungsgericht bestellt werden. Er erledigt vom Gericht festgelegte Angelegenheiten des Alltags (z. B. Geldverwaltung, Vertragswesen, Behördengänge)für Menschen, die dazu nicht mehr in der Lage sind. Der Betreuer handelt zum Wohl des Betreuten, Wünsche und verbliebene Fähig-keiten der betreuten Person sollen dabei berücksichtigt werden.

65Ressourcen und Unterstützung

Jetzt is’ a Zustand erreicht, wo einem tatsächlich geholfen wird, wo man weiß, was man machen kann, wo man hingeh‘n kann. Was weiter passiert, das wird einem dort ja mehr oder weniger beigebracht (…) Man fühlt sich net so alleingelassen.“

Für Herrn Vogel ist es ein wichtiges Bedürfnis, sich umfassend zu informieren, um der Situation nicht vollkommen hilflos gegenüber zu stehen und deshalb sagt er „Ich nehm’ alles mit, was geht .“

Informationen erhält er in verschiedensten Vorträgen durch Ärzte (BKH, Memory Klinik, Neurologen), Beratungsstellen, Alzheimergesellschaft, etc. . Vor allem in der Beratungsstelle seines Stadtteils wurde ihm in vielerlei Hinsicht geholfen. „Die Dame dort hat den Überblick über alle Möglichkeiten und Angebote, sie kennt sich sehr gut aus und hilft mir beispielsweise, finan-zielle Unterstützung zu bekommen. Vor allem aber hat sie meine Frau auf-geklärt, die die Krankheit einfach nicht verstand und meinte, dass meine Mutter uns nur etwas vormacht.“Er besucht zwei Selbsthilfegruppen für Angehörige, wo er Austausch, Aufklärung zu aktuellen Themen zur Demenz und Unterstützung erfährt. „In der Zwischenzeit mach’ i’ des schon a ganze Weile. Ich bin oft ein Ansprechpartner für andere, weil i’ schon eine gewisse Erfahrung hab’ mit solchen Problemen. Ich kann also auch Tipps geben, wie man sich selbst a bisserl zu helfen weiß oder wie man leichter zurechtkommt.“Die Mutter von Herrn Vogel erhält täglich Unterstützung und Hilfe durch die den ambulanten Pflegedienst. An vier Tagen in der Woche besucht sie eine Tagespflegeeinrichtung. Um sich mit seiner Frau wenigstens einige Tage zu erholen, konnte Herr Vogel seine Mutter in eine stationäre Kurzzeitpflege geben, in der sie während seiner Abwesenheit lebte.Neben diesen professionellen Maßnahmen sieht zusätzlich die Nachbarin von Frau Vogel ab und zu nach dem Rechten bzw. informiert ihn, wenn es Schwie-rigkeiten gibt.

Herr Vogel hat viele der möglichen Beratungs- und Entlastungsangebote in der Stadt Augsburg bereits angenommen und ermöglicht dadurch seiner Mutter weiterhin ein Leben in der gewohnten Umgebung, ohne sie selbst rund um die Uhr betreuen zu müssen. Die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten, Hilfen und Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen sind im Kapitel 8 nachzulesen. Deshalb wird hier nicht näher darauf eingegangen.

66 Ressourcen und Unterstützung

In unseren Gesprächen fiel besonders auf, dass Besuche in Betreuungsgruppen7 bzw. Tagespflegeeinrichtungen positive Auswirkungen auf die Erkrankten haben können. Es wurde berichtet, dass die Gäste sich dort sehr wohlfühlen, den Kontakt mit anderen genießen und diese Besuche positive Auswirkungen auf Aktivität und Gedächtnisleistung haben.

Die Gemeinschaft in der Tagespflegeeinrichtung scheint für Frau Sommer besonders wichtig zu sein. Immer wieder erzählt sie von den Bekannten dort. Einige davon kennt sie von früher, vom Zusammenleben im gleichen Stadtteil oder aus der Nachbarschaft. Mit diesen Menschen unterhält sie sich gerne. Besondere Freude macht es ihr außerdem, wenn sie in der Tagespflege mithilft, mitkocht und mitarbeitet. „Da gefällt’s mir, weil ich da manchmal mithilf‘, wenn irgendwie was is’, beim Kochen halt, herrichten, Rettich schneid‘n, Kohlrabi schneiden und schälen, Karotten, zu allem halt. Allein daheim koch’ ich net viel, ich mach’ mir höchstens was warm.“

Die Tagespflege ist eine mögliche Versorgungsform für demenzerkrankte Menschen. Sie gewinnt neben der ambulanten und der stationären Versorgung immer mehr an Bedeutung. Es ist eine teilstationäre Einrichtung, d. h. dass pflegebedürftige und demenzerkrankte ältere Menschen dort während des Tages durch qualifiziertes Personal betreut werden. Die restliche Zeit, den Abend und die Nacht, verbringen sie zu Hause.

Diese Einrichtung bietet für Betroffene und pflegende Angehörige großen Nutzen:• Die Tagespflege ergänzt in optimaler Weise die ambulante Betreuung.

Der Besucher kann morgens und abends von pflegenden Angehörigen oder von einem ambulanten Pflegedienst versorgt werden und wird dazwischen in der Tagespflegeeinrichtung umfassend betreut.

• Die pflegenden Angehörigen haben die Gewissheit, dass der Verwandte in der Tagespflege gut versorgt ist und haben so Zeit, einfach mal durchzuatmen und neue Kräfte für die anstrengende Pflege und Betreuung zu sammeln.

• Das Risiko der Vereinsamung sowie der Selbst- oder Fremdgefährdung wird verringert, da sich der Demenzerkrankte in der Tagespflege unter Aufsicht von geschultem Personal befindet.

7 Betreuungsgruppen sind für Menschen konzipiert, die Betreuungsbedarf, aber keinen Pflegebedarf (z. B. nicht alleine essen oder auf die Toilette gehen können) haben, vgl. Kapitel 8.3..

67Ressourcen und Unterstützung

• In der Tagespflege (besonders bei spezieller Einrichtung für Menschen mit Demenz) findet individuelle Beschäftigung und therapeutische Betreuung statt, wie z. B. Einbindung in die alltäglichen Abläufe (wie Kochen, Spülen, Abtrocknen), Gesprächs- oder Zeitungsrunden, Bewegung (Spaziergänge, Seniorentanz), kognitive Aktivierung durch Erinnerungsarbeit und leichte Ge-dächtnisübungen oder auch gemeinsames Singen und Musizieren.

Frau Sommers Tochter meint dazu: „Die Tagespflege ist uns eine große Hilfe. Der Kontakt zu den anderen Leuten tut meiner Mutter sehr gut. Nur mit uns tät‘s ihr langweilig werden. Mit Sicherheit! Also da sind wir alle überzeugt, was Besseres hätten wir nicht machen können.“

Auch der Betreuer von Frau Lutz freut sich, dass er sie in einer Betreuungsgrup-pe (ehrenamtliche Kräfte unter fachlicher Führung) unterbringen konnte. Er weiß, dass es ihr langweilig ist und sie viel Zeit alleine verbringt. Sie hat keine Freunde und die einzige befreundete Nachbarin ist gestorben. „Die fehlt mir schon, i’ bin immer allein …“, bestätigt Frau Lutz. Er konnte seit dem Besuch in dieser Gruppe sogar eine Verbesserung der Ge-dächtnisleistung an ihr feststellen. Die Tochter von Frau Lutz ist froh, dass ihre Mutter jetzt eine „schöne Abwechslung“ hat, die ihr sichtlich gefällt. „Neulich hat sie gesagt, da geht sie gerne hin. Sie braucht auch den Kon-takt zu den Leuten.“ Frau Lutz selbst wollte am Ende unseres Gesprächs unbedingt betonen: „Mir gefällt‘s da in der Gruppe, da will ich wieder hin. Ja, da hat’s mir g’fallen.“

Viele Hilfsmaßnahmen und professionelle Unterstützungsmöglichkeiten, Heil- und Hilfsmittel, können durch die Kranken- oder Pflegekassen finanziell bezu-schusst oder übernommen werden. Genauere Hinweise dazu geben Beratungs-stellen und Kassen (vgl. Kapitel 8.1.). Auch Kosten für Therapien bei Demenz werden übernommen, wie z. B. Ge-dächtnistraining, Verhaltenstherapie, Bewegungstherapie, Ergotherapie, Realitätsorientierungstherapie, Selbst-Erhaltungs-Training (SET), Milieuthera-pie, Musik- und Kunsttherapie etc.. Durch eine nichtmedikamentöse Therapie können Symptome der Demenzerkrankung wie Persönlichkeits- und Verhaltens-veränderungen beeinflusst und einer Unterforderung der Betroffenen im Alltag entgegengewirkt werden. Genaue Information hierzu erhält man bei Beratungs-stellen und Gedächtnissprechstunden (BKH, Memory Klinik, vgl. Kapitel 8.2.)

68 Ressourcen und Unterstützung

5.5. Netzwerkbildung

Um es Menschen mit Demenz mit fortschreitendem Krankheitsverlauf zu ermöglichen, in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld zu bleiben, sollten Ange-hörige oder nahestehende Personen alle Möglichkeiten ausschöpfen, die ihnen Fachberatungen, Kommune, ambulante Dienste etc. bieten. Sie sollten neben der eigenen Betreuungstätigkeit• die Sicherheit des Erkrankten in Wohnung und Wohnumgebung gewährleisten• alle möglichen (ehrenamtlichen und professionellen) Hilfen mit einbeziehen• versuchen, ein Netzwerk um den Menschen mit Demenz aufzubauen

Im Fall von Frau Vogel (wie auch bei anderen unserer demenzerkrankten In-terviewpartner) bilden Angehörige, professionelle Dienste und teilweise auch Nachbarn zusammen ein gut eingespieltes Team, das eine optimale Versorgung in der eigenen Wohnung möglich macht.Frau Vogel wird hauptsächlich von ihrem Sohn unterstützt, der in der Nähe wohnt und öfter vorbei kommt, sie aber nicht während des ganzen Tages betreut. Durch eine kompetente Beratung wurden individuelle Unterstützungs- und Hilfs-maßnahmen für die Erkrankte und ihre Angehörigen besprochen und vermittelt. Mit Hilfe einer Tagespflegeeinrichtung wird Frau Vogels Alltag strukturiert und der Sohn wird in der Betreuung tageweise entlastet. Besonders eine Nachbarin sieht öfter mal nach ihrer Mitbewohnerin, die ande-ren Nachbarn sind aufmerksame Beobachter und kümmern sich bei Bedarf um sie (vgl. Kapitel 5.3. Nachbarschaftshilfen). Trotz Schwierigkeiten und Aufwand holen die sudetendeutschen Landsleute Frau Vogel einmal monatlich zum ge-meinsamen Treffen des Heimatvereins ab und bringen sie wieder nach Hause.

Professionelle Angebote wie Kurzzeitpflege, ambulanter Pflegedienst, Therapie und Ärzte, Beratungsstellen und Fachvorträge ergänzen dieses private Netz-werk und so wird es möglich, die demenzerkrankte Dame ambulant in ihren eigenen „vier Wänden“ zu versorgen.

Frau Vogel selbst schätzt ihre vertraute Wohnumgebung sehr. Hier kann sie mit den gehüteten Erinnerungen und vertrauten Einrichtungen leben. „Mein Sohn kommt zwischendurch immer wieder vorbei, ein paar Mal in der Woche. Im Notfall müsst ich ihn anruf’n, dass er kommt. Den Zettel mit der Rufnummer hat er mir irgendwo hingelegt, die hab’ ich nicht mehr im Kopf, wie früher, die is’ nicht mehr g‘speichert. Manchmal muss ich ihn nicht mal anrufen und er kommt vorbei. (…) Ja doch, ich hab’s Gefühl, ich bin nicht vergessen. Man stellt mich nicht auf‘s Abstellgleis.“

69Ressourcen und Unterstützung

Frau Vogel

Angehörige

Beratung

Therapie

Selbst-hilfe-

gruppeFachvor-

träge

Heimat-verein

Nachbarn

Kurzzeit-pflege

Tages-pflege

ambulante Pflege

Ärzte

Ein funktionierendes Netzwerk, in dem Privatpersonen und professionelle Dienste zusammenwirken, kann Betroffene dabei unterstützen, trotz Demenz noch lange ein lebenswertes Leben in gewohnter Umgebung zu führen, wo sie sich geborgen und sicher fühlen.

70 Sicherheit im Alltag mit Demenz

Die Wohnzufriedenheit älterer Menschen hängt in einem beträchtlichen Maß vom empfunde-

nen Sicherheitsgefühl ab. Deshalb nimmt die innerhäusliche Sicherheit einen hohen Stellenwert in diesem Lebensabschnitt ein. Dementsprechend gebührt dem Faktor „Sicherheit“ eine erhebliche Beachtung bei der Planung und Gestaltung altenge-rechter Wohnungen. Menschen werden

mit zunehmendem Alter nun einmal um-weltabhängiger und anfälliger für Verletzungen.

Im Zusammenhang mit demenzerkrankten Men-schen treffen wir häufig auf das Thema Sicherheit,

mit unterschiedlichen Bedeutungen:• Schwindende Selbstsicherheit der Betroffenen durch das individuelle

Bemerken, dass etwas nicht stimmt • Unsicherheitsgefühle der Betroffenen auf Grund der Anzeichen der Erkrankung• Mit zunehmenden Krankheitsverlauf haben Menschen mit Demenz im

Allgemeinen ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit• Es gibt Sicherheitsgefahren für die Erkrankten (Selbstgefährdung)• Eine Sicherheitsgefährdung des Umfeldes wird durch die Handlungen von

Menschen mit Demenz (Fremdgefährdung) oftmals befürchtet• Das Sicherheitsbedürfnis des sozialen Umfeldes erhöht sich und die Sorge

um den demenzerkrankten Menschen steigt • Sicherheitsmaßnahmen werden eventuell nötig

Menschen mit Demenz, aber auch ihre Angehörigen und das weitere soziale Umfeld haben durch die Situation und die möglichen Auswirkungen der Demen-zerkrankung zumeist ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Durch zunehmende Kompetenz- und Fähigkeitsverluste und den sich daraus ergebenden Verände-rungen (z. B. sozialem Rückzug, sinkendem Selbstwertgefühl, Kontrollverlust) werden Unsicherheiten wahrscheinlicher. Die Sorge um das Wohl des demen-zerkrankten Menschen steigt. Teilweise bestehen im sozialen Umfeld der Betroffenen enorme Bedenken über das weitere Leben mit dieser Krankheit und das Sicherheitsbedürfnis ist nicht selten sehr groß. Oftmals sind die Ängste des Umfeldes größer als die tat-sächliche Belastung und Gefährdung, was manchmal eine Überbehütung oder extreme Vorsichtsmaßnahmen nach sich zieht.

71Sicherheit im Alltag mit Demenz

Unser Ziel sollte es sein, Menschen mit einer Demenz eine „objektiv“ vorhande-ne sichere Umwelt im Hinblick auf Wohnung, Wohnumfeld und die alltäglichen Lebensvollzüge zu gewährleisten, als auch eine gefühlte („subjektive“) soziale Sicherheit (z. B. Angstfreiheit durch soziale Zuwendung) zu schaffen. Gleichzeitig sollte ihnen aber soweit und solange wie möglich zu Selbständigkeit und Selbst-bestimmung verholfen werden. Vor allem allein lebenden Menschen mit Demenz sollte deren Sicherheit im All-tagsleben als eine wichtige Aufgabe gesehen werden.

Frau Eder ist lange Zeit an ihrer älteren Nachbarin nur aufgefallen, dass diese sehr „schusslig“ ist. Dass es sich um eine Demenz handeln könnte, dachte sie erst, als sie Rauch im Hausgang bemerkte ...Es passierte schon öfter einmal, dass Frau Vogel die Brotscheiben auf den Herdplatten geröstet hat, es liegen lies und sich weiter nicht mehr darum ge-kümmert hat. Die Nachbarn haben den Rauch bemerkt. „Da hab‘ ich Angst um sie gehabt“ so der Kommentar von Frau Eder. „… immer wieder is‘ des Brot angebrannt, was vorher nie so war. Also, dass sie das einfach vergessen hat, dass sie ‘s auf die Herdplatten legt …, das war immer so gefährlich, find ich. (…) Ja, da hat’s richtig geraucht. Das war‘n schwarze Brote.“ Frau Eder hat sofort bei ihrer Nachbarin geläutet, als sie den Rauch bemerkt hat. Diese hätte ihr auch geöffnet, „… und dann hat’s g‘sagt, >ah, i‘ hab‘ nur ’s Brot vergess‘n<. Des is‘ ihr dann schon eingefallen, wenn man sie daran erinnert hat. Und jetzt, wenn man mit ihr was spricht, dann is‘ des weg. Also wenn sie jetzt Brot hinlegen würde, würd’ se wahrscheinlich sagen >des war ich nicht<.“

Menschen mit Demenz tun oftmals Dinge, die man in der heutigen Zeit nicht mehr macht bzw. die einem heute nicht zweckgerecht erscheinen! Früher – in der Jugend der älteren Menschen – war es durchaus normal, z. B. das Brot auf dem Herd zu rösten, wie hier am Beispiel der älteren Dame. Frühere Gewohnheiten aus der Vergangenheit werden von de-menzerkrankten Menschen weiter praktiziert. Alt bewährte und einge-übte Tätigkeiten vermitteln ihnen Sicherheit. Aus ihrer Wahrnehmung heraus ist ihre Handlung sinnvoll!

72 Sicherheit im Alltag mit Demenz

Der Sohn von Frau Vogel hat aufgrund der o. g. Vorfälle Rauchmelder installiert und die Sicherung für den Herd herausgenommen, so dass dieser jetzt nicht mehr funk-tioniert. Er erzählt, dass die Mutter sich selber nichts mehr kochen würde. „Sie kocht und wärmt nicht mehr auf, das mache entweder ich oder sie erhält viermal wöchentlich ihr Essen in der Tagespflegeeinrichtung, die meine Mutter besucht. Ansonsten nimmt sie nur noch kaltes Essen zu sich, das ihr angeboten wird (…) Sie ist nicht mehr aktiv in dieser Richtung, also, da erfolgt überhaupt nichts mehr…“ .

Einerseits muss bei einer Demenz immer mit Situationen gerechnet werden, in denen die Erkrankten eine Lage falsch einschätzen und in der eine Selbst- oder Fremdgefährdung möglich ist. Andererseits stellen Menschen mit Demenz im Verlauf der Erkrankung intuitiv oft gefährdende Tätigkeiten ein, weil sie ihnen Angst machen oder weil die Befürchtung besteht, dass das erwartete Ergebnis nicht mehr eintreffen könnte. Sie werden „inaktiv“. So wie beispielsweise bei Frau Sommer:Früher hat sie nach Angaben der Tochter „viel gekocht (…), da hat sie immer ihr komplettes Menü gemacht. Wo ich immer gesagt hab‘, i‘ muss dich wirklich bewundern, des tät‘ ich wahrscheinlich nicht.“ Seit Beginn der Krankheit veränderte sich das. Da habe die Mutter auch mal vergessen, eine Herdplatte auszuschalten, Sachen wären eingebrannt, manch-mal auch nur Wasser. Auch Mitarbeitern der Sozialstation sei das aufgefallen. „Dann hat man nimmer so viel Frisches her getan, sondern nur noch Fer-tiggerichte zum Aufwärmen und in letzter Zeit macht sie auch davon nicht mehr viel warm. Und an den Herd haben wir einen Zettel gelegt – ‚Ofen ausschalten nicht vergessen‘ – früher hat sie das immer gewissenhaft gemacht. Bevor sie aus ’m Haus gegangen is‘, hat sie immer geschaut, ob alles auf Null is‘. Unsere Zettel allerdings sammelt sie manchmal auch in der Ablageschale im Schrank, es is‘ also nicht immer gegeben, dass sie die auch wirklich an ihrem Platz belässt und liest.“Frau Sommer macht nach Ansicht der Tochter „nichts mehr auf dem Herd“, sie bekommt ihr warmes Essen entweder in der Tagespflegeeinrichtung oder von den betreuenden Kindern, die kleine schnelle Gerichte bei ihrer Mutter kochen oder ihr etwas vom Metzger mitbringen.

Da einer Demenzerkrankung unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen kön-nen, zeigt sich die Krankheit auch in verschiedensten Symptomen. Grundsätzlich kann man aber • von einer stark nachlassenden Gedächtnisleistung (Verlust der Fähigkeit

Neues aufzunehmen und sich an die Anforderungen der Umwelt anzupassen, Unfähigkeit, Handlungen zu planen) sowie

73Sicherheit im Alltag mit Demenz

• in fortgeschrittenen Krankheitsstadien von einer (erheblichen) Veränderung der Persönlichkeit und des Verhaltens (z. B. Depression, Angst, Unruhe, Rückzug oder falscher Einschätzung des eigenen Alters, manchmal auch Wahnvorstellungen,) sowie

• Störungen in der Wahrnehmung der Umwelt (Nachlassen des Fühlens von Kälte oder Hitze, beeinträchtigter Wahrnehmung des Raumes, des Geruchs-sinns, falsche Beurteilung der eigenen Bewegung) ausgehen.

Es empfiehlt sich deshalb, einerseits die Wohnung nach Gefahrenquellen abzu-suchen und andererseits dem Erkrankten eine vertraute, angstfreie Umgebung zu schaffen (also auch so wenig wie möglich in der vertrauten Wohnung zu verändern), um Unruhezustände und damit oftmals verbundene Unfälle und Stürze zu vermeiden.Folgende Gefahren und Sicherheitsprobleme können v. a. alleinlebende Men-schen mit Demenz in ihrem Alltag sowie deren Umfeld betreffen:• Nicht abgeschaltete Elektrogeräte, z. B. die nicht ausgeschaltete Herdplatte,

Kaffeemaschine oder Bügeleisen• Verbrühungen und Verbrennungen durch heißes Wasser, Elektrogeräte

(wie z. B. Bügeleisen) etc.• Verletzungen durch nicht wahrgenommene Fenster und Glastüren oder

spitze Gegenstände etc.• Verwechslung von giftigen Stoffen (Reinigungsmittel, Medikamente, giftige

Pflanzen) mit Lebensmitteln• Überschwemmungen durch nicht geschlossene Wasserhähne,• Rauch-, Brandentwicklung• Stürze in Wohnung und Wohnumgebung durch Schwindelzustände oder

Hindernisse wie Teppichkanten, Schwellen und Stufen • Herumirren in Wohnung und Haus oder in der Wohnumgebung durch

Orientierungslosigkeit

Durch die verschiedenen, z. T. oben genannten Symptome kann das Risiko einer Selbstgefährdung der Erkrankten oder eine Fremdgefährdung des Umfeldes bestehen. Deshalb wird die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der demen-zerkrankten Person von Außenstehenden manchmal stark in Frage gestellt.

Allen Menschen mit Demenz gemeinsam ist die zunehmende Unfähig-keit, sich selbst und die Situation richtig einzuschätzen. Dies erschwert es auch immer mehr, Gefahren rechtzeitig zu erkennen.

74 Sicherheit im Alltag mit Demenz

Es passiert aber auch immer wieder, dass zu viel Überwachung und Behütung die noch erhaltene Eigenständigkeit der Betroffenen beeinträchtigten.

Die Ehefrau von Herrn Kaiser deutet auf ihren inneren Konflikt hin:„Es is‘ schwierig, in einer Hinsicht soll man ’s selbständig lassen und in anderer Hinsicht, wenn du immer da bist und sagst, schau mach’s so und so, dann heißt ’s, lässt mich gar nix mehr machen, traust mir gar nix mehr zu. Also wie soll man’s machen?“

In der Regel sorgen meist die betreuenden Angehörigen für eine sichere Um-gebung der demenzerkrankten Menschen, denn auch sie haben das Bedürfnis, die betreuten Menschen vor möglichen Gefahren zu schützen. Rat und Hilfe bekommen Betroffene und ihre Angehörigen im Bedarf bei Beratungsstellen für Senioren oder Wohnberatungsstellen8 , die es in jeder Stadt gibt.

Die Tochter von Frau Held meint, „ … dass man als Angehöriger sowieso versucht, soviel wie möglich Gefahrenquellen auszuschalten: dass keine Kerzen mehr angezündet oder die Sicherungen vom Herd entfernt werden. Rauchmelder haben wir auch schon angeschafft. Bisher hat auch alles wunderbar geklappt. Aber wenn halt die Extremsa-chen, die eben bei Demenz vorkommen können, wenn so was dann vorkä-me, also des wär für mich dann nimmer machbar.“

Eine Balance und ein Kompromiss sollte je nach Persönlichkeit individuell herbeigeführt werden, indem einerseits für den Erkrankten ein hohes Maß an Sicherheit geschaffen wird und andererseits Selbständigkeit und Freiheit nicht zu sehr eingeschränkt werden.

Die Würde des kranken Menschen sollte immer in den Mittelpunkt aller Überlegungen und Maßnahmen gestellt werden!

8 Wohnberatung kann in Anspruch genommen werden, wenn Probleme in der Alltagsgestaltung vorliegen oder in der Wohnung technische oder bauliche Mängel bestehen. Sie wird meist von Diensten oder Einrichtungen der Altenhilfe bzw. Behindertenarbeit, freien Trägern oder von Kommunen und Kreisen angeboten. Wichtige Themenbereiche der Wohnbera-tung sind Unfallprävention und Sicherheit in der Wohnung.

75Sicherheit im Alltag mit Demenz

6.1. Sicheres Wohnen

Ängste bezüglich einer Gefährdung im Wohnumfeld wurden zwar in unseren Gesprächen nicht geäußert, aber es wurden Möglichkeiten erwogen, wie und durch was eine Gefahr ausgelöst werden könnte.„Als Gefahrenquelle sehen wir vor allem Gas und Elektroherd. Da könnte was passieren. Ein Rauchmelder ist eigentlich immer wichtig. Gegen alles kann man ja nicht vorbeugen, das ist nicht möglich. Aber, die Leute ma-chen ja des net aus Absicht. Die überseh‘n irgendetwas, kriegen des dann nimmer auf d’ Reihe und dann passiert halt auch mal was …“ . (Familie Huber, Nachbarn)

Damit die Wohnung nicht zur Gefahrenquelle für Menschen mit Demenz und ihr Umfeld wird, können sowohl bauliche, technische als auch andere praktische Maßnahmen erfolgen. Es können im Folgenden allerdings nur beispielhaft eini-ge Anforderungen hinsichtlich der sicheren Gestaltung der Wohnung gegeben werden:• Gefahrensituationen in der Wohnung lassen sich durch techni-

sche/elektrische Sicherheitsvorkehrungen eindämmen, wie beispielsweise- Herdabsicherung (Installation zusätzlicher „Aus-Schalter“, Entfernung der Sicherung)- Bewegungsmelder (automatisches Einschalten von Licht)- Gas- und Temperaturmelder, Thermostate- Zeitschaltuhren für Elektrogeräte, Elektrogeräte mit automatischer Abschaltung- Rauchmelder- Hausnotruf9 - Sturzmelder bzw. Falldetektor10 - Raumüberwachungssysteme etc.

• Insgesamt könnte man sich an den Richtlinien zu Gefahrenvermeidung im Haushalt/für Kinder orientieren oder auch Gerontotechnik11 einsetzen, um eine demenzangepasste Umwelt zu erhalten. Hierzu einige Beispiele:

9 Spezielles Benachrichtigungssystem für alleinlebende, behinderte, kranke, hilfebedürftige und alte Menschen. Ein Pfle-gehilfsmittel, das ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt und im Notfall Hilfe leisten soll: Durch einfache Betätigung einer Notruftaste am Gerät wird der Teilnehmer innerhalb weniger Sekunden mit einer Zentrale verbunden, wo ein Mitarbeiter über eine Freisprecheinrichtung Kontakt aufnehmen und bei Bedarf Hilfemaßnahmen einleiten kann.

10 Dieses Gerät ermöglicht bei einem Sturz automatisch, auch ohne Bedienung einer Notruftaste, die Meldung des Alarms bei einer Notrufzentrale oder anderen Notrufempfängern. Von dort können dann notwendige Maßnahmen eingeleitet werden.

11 Spezielle Technik, die es ermöglicht, dass ältere Menschen selbständig in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung leben können. Dazu gehören Informations- und Kommunikationstechniken, Haushaltstechnik, lebenspraktische Hilfen, Sicherheitstechnik.

76 Sicherheit im Alltag mit Demenz

- Benutzung eines Steckdosenschutzes - Gefährliche Alltagsgegenstände wie z. B. spitze Gegenstände, Brotschneide-

maschine, Bügeleisen, Feuerzeuge, Fön, Haushaltschemikalien, Medika-mente und giftige Stoffe etc. wegschließen

- Badezimmer mit Haltegriffen an Toilette und Badewanne ausstatten, Bade-wannenlifter anschaffen oder Toilettensitz erhöhen

- Fenster und niedrige Geländer können z. B. durch Gittertüren oder Sicher-heitsscharniere gesichert werden …

• Angst erregende, dunkle Bereiche in der Wohnung sollten beleuchtet werden: Nachtlichter mit Bewegungsmelder beleuchten z. B. den Weg zur Toilette. Es empfehlen sich auch Nachtlichter, wie sie z. B. für Kinderzimmer handels-üblich sind.

• Die Wohnbeleuchtung sollte weder blenden noch soll sie Schatten werfen. • Klare und übersichtliche Raumstrukturen, klare Farben und Konturen

ermöglichen eine bessere Wahrnehmung und vermindern optische Sinnestäuschungen.

Zu beachten ist: Je weiter die Demenzerkrankung fortschreitet, desto mehr wird sich das Leben der Betroffenen auf die eigene Wohnung konzentrieren und desto mehr werden sie von ihrer räumlichen und sozialen Umwelt abhängig werden. Deshalb sollte immer wieder die Umwelt an die jeweilige Befindlich-keit der Erkrankten angepasst werden.

Einsatz von Technik und PflegehilfsmittelnDer Einsatz von technischen und anderen Hilfsmitteln bei Demenz wird vielfach diskutiert, weil Technik und ihr Einsatz bei Demenz sich aufgrund der schlechter werdenden geistigen Leistungen auszuschließen scheinen. Der richtige und maßvolle Einsatz von Technik kann jedoch die Betroffenen unterstützen, mit ihren Funktionsverlusten und Fehlleistungen im Alltag zu leben sowie Betreuen-de emotional und zeitlich entlasten. Technik bzw. Pflegehilfsmittel wurden bei unseren befragten Personen kaum oder nur in geringem Maße eingesetzt: In einem Fall wurde etwa zwei Jahre ein Hausnotrufgerät benutzt, eine Dame verfügte über ein Notruftelefon mit spe-ziellen Notruftasten. Ein Badewannenlifter wurde in einigen Fällen verwendet. Einen kurzen Einsatz fand ein Schlüsselfinder.

Eine Besonderheit gab es, denn obwohl man im Zusammenhang mit Demenz sofort an Fähigkeits- und Kenntnisverlust denkt, hat eine demenzerkrankte Dame erlernt, mit einer Mikrowelle umzugehen: Sie erhielt aufgrund des „Essens auf Rädern“ eine Mikrowelle. Da sie nicht mehr selber kocht, bekommt sie das Essen eingefroren geliefert und muss es dann bei Bedarf selbständig erwärmen.

77Sicherheit im Alltag mit Demenz

Die Tochter von Frau Lutz meint: „ … und komischerweise, das hat se sich von Anfang an merken können, wie diese Mikrowelle funktioniert (…) Man hat’s uns zeigt und da hab‘ ich geschrieben und geschrieben und hab’s ihr wieder gezeigt. Am nächsten Tag hab‘ ich sie angerufen und gefragt: >Hast wieder was warm gemacht?<. Sie meinte, >Ja, haut schon hin<. Als ich wieder zu ihr kam fragte ich, >Wie machst des jetzt?< und sie zeigte es mir (…) dann hab‘ i‘ mir dacht, schau her, also das weiß sie.“ Laut Tochter hat die Mut-ter früher Tochter keine Mikrowelle besessen. Frau Lutz zu uns: „Mein Essen ist im Gefrierfach und mit der Mikrowelle mach ich’s dann warm. Ich hab schon früher eine Mikrowelle gehabt, die ist praktisch. Und alle zwei Wo-chen kommt der Lieferant und bringt das Essen.“ Das Aufwärmen der Spei-sen in der Mikrowelle bereitet ihr keine Schwierigkeiten, das funktioniere und sie erklärt auch wie. Frau Lutz findet die Mikrowelle einfach praktisch. „Essen rein, Knopf drücken und dann geht er rrrrr … .“

Die Wahl der richtigen Maßnahme zur Gefahren- und Unfallvermeidung ist immer von der Persönlichkeit des Betroffenen, seiner Erkrankung, sei-ner Wohn- und Lebenssituation, seinem Wohnumfeld und vielen weiteren Faktoren abhängig.Um die jeweilige Situation an die Kompetenz und die verbliebenen Fähig-keiten der demenzerkrankten Menschen anzupassen, gibt es verschiedene umweltseitige Maßnahmen, die Sicherheit herstellen oder erhalten helfen:- Barrierefreiheit schaffen- Wohnberatung in Anspruch nehmen- Wohnraumanpassung12 bei Bedarf- technische Hilfen für Menschen mit Demenz einsetzen (Die große Bandbreite an Maßnahmen kann hier nur kurz angedeutet wer-den. Beratungsstellen oder Hinweise im Kapitel 8 können weiterhelfen!)

Grundsätzlich sollten Veränderungen innerhalb der Wohnung, bauliche und technische Vorkehrungen sowie andere Schritte maßvoll vorgenom-men und individuell an die jeweilige Person und Situation angepasst werden!Technische Hilfsmittel müssen auf ihre Einsetzbarkeit hin überprüft wer-den, denn nicht immer haben sie die erzielte Wirkung oder sie überwa-chen zu sehr und schränken den letzten Rest der Eigenständigkeit ein.

12 Eine Leistung der Wohnberatung ist die Wohnraumanpassung. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, die Funktio-nalität der Privathaushalte an die Lebenssituation älterer Menschen anpassen, damit die Eigenständigkeit solange wie möglich erhalten werden kann.

78 Sicherheit im Alltag mit Demenz

Eine absolute Sicherheit wird nicht zu erreichen sein. Man muss im Falle von demenzerkrankten Menschen aber auch nicht immer von den schlimmsten Ge-fahrensituationen ausgehen. Wie beschrieben, kümmern sich meistens schon Angehörige um die Vermeidung gefährlicher Situationen, indem sie Sicherungen ausschalten, Rauchmelder installieren oder eine Herdsicherung anschaffen. Zum anderen vermeiden Menschen mit Demenz oft Situationen, die bei ihnen starke Angstgefühle ausgelöst haben oder wenn sie die Befürchtung haben, dass das erwartete Ergebnis ausbleibt.

Aufmerksamkeit des sozialen UmfeldesNeben den o. g. genannten Maßnahmen können vor allem die Menschen in der näheren Umgebung durch ihre Aufmerksamkeit dazu beitragen, dass Men-schen mit einer Demenzerkrankung sicher in ihrer gewohnten Umgebung leben und sich sicher fühlen. Dabei genügen oftmals schon kleine und taktvolle Hilfen, wie z. B. der Person bei Orientierungsproblemen den richtigen Weg zu zeigen oder sie zu beruhigen, wenn sie den Schlüssel nicht mehr findet. Manchmal müssen Menschen mit Demenz aber auch geschützt werden, indem man sie davor bewahrt, von Dritten betrogen, eingeschüchtert, angeklagt, gezwungen oder lächerlich gemacht zu werden – hier ist persönlicher Einsatz erforderlich.

6.2. Unfälle und Stürze

Viele Untersuchungen zeigen, dass mit zunehmendem Alter Menschen vor allem im häuslichen Bereich unfallgefährdet sind. Die häufigste Unfallart ist der Sturz und dieser stellt eine bedeutende Ursache für Verletzungen dar. Besonders eine Demenz stellt durch ihre verschiedenen Krankheitssymptome einen großen Risikofaktor für Unfälle und Stürze dar, die gravierende Verletzun-gen nach sich ziehen können.

Beobachtung und Aufmerksamkeit durch das soziale Umfeld sind sehr wichtige Maßnahmen, die vor allem alleinlebenden, demenzerkrankten Menschen helfen können, noch einige Zeit selbständig und sicher in ihren „eigenen vier Wänden“ zu bleiben!

79Sicherheit im Alltag mit Demenz

Gründe dafür liegen • bei persönlichen Faktoren (physisch und psychisch): Gleichgewichts-

probleme, Schwindelgefühle, Herz- und Kreislaufprobleme, Sehschwäche und veränderte Wahrnehmung (Demenzkranke können relativ früh starke Beeinträchtigungen bei der Fähigkeit zum dreidimensionalen Sehen haben), verlangsamte Reaktion, Gedächtnisverlust, Hirndurchblutungsstörungen, Störungen des Elektrolythaushaltes aufgrund zuwenig Flüssigkeitsaufnahme, etc.

Frau Vogel zeigt beispielsweise eine Unsicherheit beim Gehen oder Trep-pensteigen, was sie auf ihre schlechten Augen zurückführt. Tatsächlich hat sie Störungen in ihrer Wahrnehmung, so dass sie sich auch nicht traut, über Kanaldeckel oder –schächte zu laufen. Da bekomme sie nach Angaben des Sohnes Panik, muss außen herumlaufen und wird sehr unsicher. Er sagt, dass die Augen immer die Ausrede von Frau Vogel seien, in Wirklich-keit sehe sie gut.

• bei Umweltfaktoren: Bodenbelag, Eis und Schnee, schlechte Beleuchtung, falsches Schuhwerk, etc.

Manchmal meint die 88jährige Frau Sommer, dass es nachts bei ihr geklingelt hat, ein anderes Mal will sie nur nachsehen, ob die Haustüre unten abgesperrt ist.So kam es auch, dass sie nur mit Socken an den Füßen im Treppenhaus auf der gebohnerten Holztreppe stürzte. Ein Bluterguss an der Hüfte war die Folge, gebrochen habe sie sich Gott sei Dank nichts: „I‘ hab‘ halt einen richtig blauen Fleck gehabt. Des war einfach ein Feh-ler, ich denk’, heut’ würd’ ich nicht mehr runter gehen, egal, wer in der Nacht klingelt.“Auch der gewellte Teppich im Wohnzimmer wurde schon zur Stolperfalle für Frau Sommer: „Ja, da bin i‘ schon mal gestolpert. Des war aber ein ande-rer Teppich, (…), der wo sich so gewellt hat und drüb‘n im Wohnzimmer is‘ ja so ein komischer Teppich.“Frau Seiler, die Nachbarin, hat Frau Sommer auch schon stürzen hören: „Neulich - wie eine Bombe. Da bin ich nach oben gegangen, hab‘ ge-klopft und gefragt ob alles o. k. ist. Sie antwortete: >Ja i‘ bin von der Couch auf den Boden gefallen<.“ Die Nachbarin konnte allerdings nicht in die Wohnung, der Kontakt fand nur über die geschlossene Tür statt. Im Notfall oder bei Verdacht, dass ihrer demenzerkrankten Nachbarin etwas passiert sei, würde Frau Seiler jedoch auf jeden Fall Hilfe rufen.

Vor allem bei einer Art der Demenz, der vaskulären Demenz, kann aufgrund von kurzen Gefäßverschlüssen eine Blutleere im Gehirn entstehen, die oftmals einen Sturz als Folge nach sich zieht.

80 Sicherheit im Alltag mit Demenz

Bei allen unseren Gesprächen wurden ein bis mehrere Sturzsituationen von Be-troffenen und Angehörigen beschrieben, Schwindel- und Angstgefühle wurden häufig angegeben. Auszugsweise wird hier nur ein Fall dargestellt. Eine Interviewteilnehmerin beschreibt einen Sturz folgendermaßen:

„Einmal waren Bekannte da und als wir uns unterhalten haben, rutsch‘ ich auf einmal so, als wenn mich jemand runterschupft. Mein Bekannter hat mich hinten noch festgehalten, dass ich nicht mit dem Kopf auflieg’, aber ich weiß bis heut’ noch nicht, was das war. Bin einfach … von freien Stücken … des kann man hinterher nicht begreifen, wieso so was kommt, das man einfach so unter ‘n Tisch rutscht.“ Frau Held kann sich noch gut daran erinnern.Ihre Tochter, Frau Sieber, meinte, dass es sich hier wohl um eine Art epilepti-schen Anfall handelte, am selben Tag hätte die Mutter auch nichts gegessen und getrunken. Die Tochter berichtete auch von einem weiteren Sturz, bei dem sie neben der Mutter stand. „Da ist sie einfach der Länge nach auf den Boden gefallen. Der Notarzt fand aber keine Ursache. Er hat eine kurzzeitige Leere im Gehirn vermutet.“

Das erhöhte Sturzrisiko bei Demenz kann beispielsweise durch Entfernung von Stolperfallen wie hohe Teppichränder, rutschende Teppiche und durch Einsatz von rutschfesten Bodenbelägen reduziert werden. Zur Vorbeugung von Sturzver-letzungen sollten z. B. freistehende, wacklige Möbel an denen sich an der Kran-ke abstützen könnte, an der Wand befestigt werden. Gehunsichere Erkrankte können auch durch Hüftpolster o. ä. geschützt werden. Das Problem der überra-schenden Stürze durch Mangeldurchblutung im Gehirn kann damit zumindest etwas gelindert – wenn auch nicht tatsächlich behoben – werden.

6.3. Psychische Unruhe und Weglauftendenz

Menschen mit Demenz haben manchmal einen ausgeprägten Bewegungs-drang, sind ruhelos, verwirrt, erregt oder haben andere Gründe, die sie dazu bewegen, die Wohnung und das Haus zu verlassen. Die Unruhe kann durch verschiedene Ursachen wie körperliche Faktoren, Um-gebungswechsel, unbefriedigte Bedürfnisse der demenzerkrankten Person (z. B. Suche nach vertrauten Menschen), die jeweilige Persönlichkeit, das ge-genwärtige Befinden (z. B. Langeweile, Unbequemlichkeit) oder durch schwieri-ge Kommunikation hervorgerufen werden. Eine besonders gefährliche Situation entsteht, wenn die erkrankte Person nach Verlassen ihrer vertrauten Wohnung nicht wieder zurückfindet.

81Sicherheit im Alltag mit Demenz

„Weglaufen“ ist eine der Verhaltensweisen, die Demenzkranke immer wieder in besondere Gefahrensituationen bringen kann. Der Betroffene kann sich leicht verirren, wird dadurch unsicher und verwirrt. Gefahren lauern dann beispiels-weise im Straßenverkehr oder durch schlechte Witterung. Im Winter könnte der Erkrankte bei nicht angemessener Kleidung erfrieren, wenn man ihn nicht findet. Deshalb sollte mit Fortschreiten der Erkrankung einem Weglaufen möglichst vorgebeugt werden, beispielsweise • durch genügend Raum zum Umherlaufen • durch Beschäftigung des Erkrankten• durch das Verbergen der Haustür durch einen Vorhang oder ein Bildposter• durch Einsatz von technischen Warn- und Alarmsystemen oder

Bewegungsmelder• Anbringen von Produkten für die Pflege und Betreuung von demenzerkrank-

ten Menschen (elektronische Pieper, spezielle Klinken etc.)

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann es passieren, dass der demenzerkrankte Mensch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium unbemerkt seine Wohnung/das Haus verlässt. Für diesen Fall sollte das Auffinden der vermissten Person erleichtert werden, indem man• eine Notiz mit den persönlichen Daten z. B. in den Geldbeutel oder in die

Jacke legt (Vordrucke bietet z. B. die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.)• den Namen und weitere Daten in die Kleidung einnäht• die Nachbarn über die Erkrankung des Betroffenen informiert und sie um

Benachrichtigung bittet, wenn sich ihr Mitbewohner draußen alleine aufhält• aktuelle Fotos für die evtl. Suche bereit hält

Ein offensichtliches Einsperren kann vom erkrankten Menschen als Einengung, Bestrafung oder Bedrohung erlebt werden und verständliche und menschliche Reaktionen wie Ärger, Wut und Angst zur Folge haben.

Freiheitseinschränkungen wie z. B. Einsperren, Einsatz von mechanischen Fixierungen oder Gabe von beruhigenden Medikamenten dürfen nicht ohne gerichtliche Genehmigung vorgenommen werden. Denn die persön-liche Bewegungsfreiheit der demenzerkrankten Menschen wird durch das Grundgesetz (Artikel 2: freie Entfaltung der Persönlichkeit) geschützt.

82 Sicherheit im Alltag mit Demenz

6.4. Ängste und Sorgen - Wahrnehmung von Sicherheit

Neben einer sicher gestalteten Umwelt, ist es unbedingt nötig, dem Menschen mit Demenz eine größtmögliche persönlich empfundene Sicherheit zu vermit-teln, um Unruhe, Ängstlichkeit, Unsicherheit und dadurch Gefahrensituationen und Unfälle zu vermeiden. Dies wird erreicht, indem man vor allem durch persönliche Zuwendung Ge-borgenheit, Wohlbefinden und Ausgeglichenheit schafft. Desgleichen können alle Möglichkeiten der (Alltags-)Beschäftigung dem demenzkranken Menschen persönliche Sicherheit geben. Dabei sollten diese Tätigkeiten nicht ergebnisori-entiert, sondern nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel!“ gestaltet sein. Auch die vertraute Umgebung vermittelt mit ihren Erinnerungen und dem ge-wohnten Alltag ein Gefühl von Sicherheit und Orientierung.

Trotzdem sich unsere Gesprächsteilnehmer überwiegend geborgen und be-schützt in ihrer Umgebung fühlten (z. B. durch Betreuung durch Angehörige, durch das Leben in den bekannten vier Wänden), blieben aufgrund des zuneh-menden Kontrollverlustes über das selbständige Leben und der Unkalkulierbar-keit des weiteren Daseins Ängste und Sorgen bei den Betroffenen sowie auch bei ihren Angehörigen und Nachbarn bestehen.Betroffene beunruhigen vor allem die krankheitsbedingten Veränderungen, die für sie nicht mehr wie früher beeinflussbar sind sowie ihre ungewisse und nicht mehr vorhersehbare Zukunft. Angehörige und Nachbarn alleinlebender Demen-zerkrankter sorgen sich vor allem um Hilfe im Notfall.

Ängste Betroffener:„Angst hab‘ ich, dass ich halt nicht mehr heimfind‘. Am Friedhof, so is‘ mir damals mal ‘gangen, da bin ich in a ganz andere Richtung heim gegangen … dann hab‘ ich auf den Kirchturm geschaut, weil der ist gleich in der Nähe von meiner Strasse (…). Angst hab‘ ich auch, dass i‘ mal allein bin und mir selber nicht mehr helfen kann, das schon. Ja, ich weiß ja, dass von den Kindern immer wer kommt, abwechselnd. Da bin i‘ schon froh.“ (Frau Sommer)

„Als es mir schwindlig wurde, da hab‘ ich Angst gehabt, ja, sehr. Weil da hat’s mich gedreht und ich hab‘ auf den Stuhl sitzen müssen, hab‘ dann ’s Fenster aufgemacht und rausgeguckt, hab‘ gewartet. Mein Sohn ist dann auch gekommen. Ich hab‘ ihn aber nicht angerufen, das tu‘ ich nicht. Sonst hab‘ ich keine Angst, solange die Kinder nach mir schauen und anrufen.“ (Frau Vogel)

83Sicherheit im Alltag mit Demenz

Sorgen Angehöriger:„ … dass man Angst hat, wenn was passiert, dass nicht gleich Hilfe da ist, dass wäre woanders, in einer Einrichtung besser, da ist gleich jemand zur Stelle, bei Bedarf ist schneller Hilfe verfügbar.“ (Tochter von Frau Sommer)

„Meine Mutter hatte lange den Hausnotruf. In der ersten Zeit war das für mich schon beruhigend, dass sie im Notfall nicht mehr ans Telefon gehen muss … grad in der Nacht. Irgendwann hatte ich dann die Befürchtung, dass sie im Notfall nicht an den Hausnotruf denkt oder nicht auf die Not-ruftaste drückt und dann ist es für mich schon schwierig, abzuschalten und zu sagen, es wird schon nix passier‘n, in der Zeit wo ich nicht da bin. Manche können die Gedanken schon wegschieben, aber ich nicht.“ (Tochter von Frau Held)

Beobachtungen und Ängste von Nachbarn und anderen Kontaktpersonen:Nachbarn bekommen manchmal eher etwas von den Ängsten der demenzer-krankten Menschen mit als deren Angehörige, die nicht tagtäglich mit ihren Verwandten Kontakt haben:

Frau Eder bemerkte, dass ihre Nachbarin einerseits lustig und liebenswürdig sei, andererseits aber auch sehr ängstlich: „Wenn sie denkt, sie darf da nicht mehr wohnen, wenn sie denkt, das ist nicht ihre Wohnung und ihr Sohn kommt nicht mehr, dann wird sie ängstlich und unsicher. Das ist meistens abends, also da wird sie richtig unruhig.“

Foto: Fössinger

84 Sicherheit im Alltag mit Demenz

Frau Seiler hört manchmal in der Nacht, dass ihre Nachbarin weint, „sie hat gedacht, die Familie will sie in ein Heim stecken und sie will nicht, hat sie mir gesagt. Als sie wieder normal war, hat sie gesagt, wenn ich in ein Heim gehen muss, dann bring ich mich um. Darum hab ich Angst, dass sie in der Nacht etwas macht, dass sie sich selber etwas antut.“ Um sich und die anderen Nachbarn mache sie sich keine Sorgen „Nein, die kann uns nichts tun. Sie kriegt Tabletten, die sie beruhigen, nur manchmal kriegt sie Angst, weil s‘ alleine is‘. Meiner Meinung nach hat sie Angst, weil sie alleine ist.“

Eine Fremdgefährdung wurde von unseren interviewten Nachbarn nicht ge-fürchtet, vielmehr sorgen sich Nachbarn darum, dass ihre demenzerkrankten Mitbewohner sich selbst gefährden.

„Nein, Angst hab ich da keine, aber ich mein, wenn’s für den Menschen selber gefährlich wird, dann sollte er aus der Wohnung oder halt in a Betreuung, in a Ganztagesbetreuung, wenn er sich selber gefährdet, aber sonst (…) er kann natürlich, wenn die Verwirrung fortschreitet, könnte er ja auch für die Nachbarn a Gefahr werden (…) .“ (Nachbar)

Nur eine ältere Nachbarin wurde negativ durch einen Fernsehbericht und Lektüre beeinflusst, die über aggressive Menschen mit Demenz berichteten. Auch meinten einige ihrer Bekannten, dass sie nicht zu einem Menschen mit Demenz in die Wohnung gehen sollte, dass diese manchmal unberechenbar

seien. Sie übertrug diese Erkenntnisse auf ihre Nachbarin und meint „… dass die mich einfach nicht mehr kennt und i‘ hab‘ Angst, dass sie mir eine runter-haut oder mich beschuldigt, ihr etwas getan zu haben“ und jetzt, seit die De-menz ihr bekannt sein „trau‘ ich mich net länger in die Wohnung reingehen (…) jetzt geh‘ ich manchmal zu ihr und bringe Blumen oder was zum Essen, bleib‘ aber nur kurz im Gang stehen. Aber dann geh’ ich nicht rein. Ich hab‘ g‘sagt, >Nein, i geh’ net weiter<. Vor diesen Leuten muss man sich in Acht nehmen, ich hab‘ Angst vor ihr. Manchmal möchte ich schon nach ihr sehen, aber dann tu‘ ich’s doch lieber nicht.“

Menschen mit einer Demenzerkran-kung werden nicht automatisch aggressiv!Vielmehr entstehen herausfordernde Verhaltensweisen wie Wut und Ag-gression meist aus dem Gefühl des Erkrankten, nicht verstanden oder ernst genommen zu werden.

Bei Bedenken oder Problemen kann man sich jederzeit an zuständige Beratungsstellen wenden! (vgl. Kapitel 8.1.)

85Sicherheit im Alltag mit Demenz

Auf Nachfrage erklärt die Nachbarin, dass sie es der alten Dame eigentlich nicht zutraut, dass sie sie angreift, eigentlich sei diese auch zu alt dazu. Angst und Bedenken konnten durch das im Rahmen unseres Interviews geführ-te Gespräch genommen werden.

Manchmal kann es vorkommen, dass Menschen mit Demenz in Worten oder Taten ihrer Wut Ausdruck verleihen. Anstoß dazu kann auch schon eine Kleinig-keit wie z. B. eine falsch verstandene Aussage geben. Oftmals sind Angstgefühle die Auslöser oder das Gefühl, bedroht oder nicht ernst genommen zu werden (z. B. wenn Vorschriften gemacht werden, wenn Personen nicht erkannt werden). In jedem Fall ist es sinnvoll, nach der Ursache für das herausfordernde Verhalten zu suchen und sie zu beseitigen bzw. zu-künftig zu vermeiden (vgl. auch Kapitel 7.4.). Vielleicht hat der Erkrankte ja auch Schmerzen? Oder er wurde durch unser Verhalten gekränkt und verletzt?

86 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Nachbarn, Freunde und Bekannte erleben die Lebenssituation der demenzerkrankten

Menschen aus nächster Nähe. Sie erkennen oftmals, dass da etwas „nicht mehr so stimmt“ oder nicht mehr so ist, wie „nor-malerweise“. Manchmal fällt ihnen sogar noch vor den Angehörigen auf, dass sich Routinen im Alltagsleben der Betroffenen ändern (z. B. sozialer Rückzug, nächtliche

Unruhe, ständiger Verlust von Dingen) und Veränderungen im Verhalten auftreten (z. B.

nicht erkennen und grüßen, Belästigung oder Beschuldigungen anderer).

Viele wissen dann nicht, wie sie sich den Betrof-fenen und deren Familien gegenüber verhalten sollen.

Sie sind überfordert oder unsicher, weil sie sich vielleicht einerseits Sorgen um das Wohl der Betroffenen machen, sich andererseits aber nicht sicher sind, ob sie sich in die Belange anderer einmischen dürfen oder sollen.

Sie machen sich Gedanken: • Ist das nur das Alter?• Hat der Nachbar/die Nachbarin Probleme?• Vielleicht braucht er/sie Hilfe?

• Was soll, kann oder darf ich tun?• Was sollte ich unterlassen? • Darf ich mich überhaupt einmischen?• Möchte ich helfen oder ist mir das zuviel?

Vor allem alleinlebende Menschen mit Demenz können ihre Krankheit lange ver-bergen. Sie meiden zunehmend soziale Kontakte, ziehen sich vom Gemeinschafts-leben zurück und sind ihren Mitmenschen gegenüber vielfach verschlossener.In der Anfangsphase können sich die Betroffenen noch gut und ohne Probleme mit ihren Mitmenschen unterhalten. Vor allem bei Gesprächen zwischen „Tür und Angel“, wo man sich über Bekannte oder über frühere Zeiten aus-tauscht und keine Fragen gestellt werden, können sich Menschen mit einer Demenz gut behaupten.

Oft wird in Floskeln gesprochen, z. B. antworten unsere Gesprächspartnerinnen Frau Sommer und Frau Lutz häufig mit „mir geht’s gut“. Frau Conrad überspielt Unsicherheit im Gespräch mit Witzigkeit, Frau Vogel lenkt das Gespräch auf frühere Zeiten oder auf ihr Können, das Singen und Rezi-tieren von langen Gedichten.

87Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Auch beim zuvorkommenden und charmanten Herrn Kaiser entsteht beim per-sönlichen Gespräch nicht der Eindruck, dass es sich hier um einen an Demenz erkrankten Mann handelt.

Mit der Zeit und mit fortschreitender Demenzerkrankung kommen mehr und mehr Auffälligkeiten hinzu: Einige Interviewpartner/innen in der Nachbarschaft beobachteten unter anderem, dass die demenzerkrankte Mitbewohnerin bei Gesprächen nicht „ganz bei der Sache war“ oder die Mülltonnen inspizierte und Dinge, wie abgelaufene Lebensmittel und Gläser, daraus entfernt habe.

Andere haben Pakete nicht bekommen: „… früher hat sie zum Beispiel Pakete angnommen, und hat diese dann den Leuten gegeben. Jetzt, wenn sie Pakete annimmt – leider is‘ das so, dass manche ihr immer noch Pakete geben – gibt sie sie nicht weiter und man muss die Angehörigen ansprechen, um die Sendung zu erhalten. Des wär früher gar nicht passiert“, so eine Nachbarin.

Manchmal fällt die vermehrte Anhänglichkeit auf: „Heute hat mein Nachbar schon mehrmals geklingelt und gefragt, welchen Tag wir heute haben (…) dauernd kommt er, wenn er etwas nicht mehr weiß.“ Oder das Pflichtbewusstsein der Nachbarin wird erkennbar, indem sie täglich nachfragt, „Bin ich jetzt wieder dran mit der Hausordnung?“

Einer Mitbewohnerin fiel auf, dass ihre Nachbarin nachts immer aktiver wurde: „Ach, in der Nacht habe ich es bemerkt, Rollladen rauf um ein Uhr, da hab‘ ich mich erschrocken, … Einbrecher? Da wollt ich im ersten Moment Hilfe rufen, hab‘ dann aber noch mal hingehört. Es war tatsächlich nur der Roll-laden. Um ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr ging es so und ich hab‘ die Nachba-rin am nächsten Tag drauf angesprochen, >Warum machen sie den Rollo rauf?< Sie meinte dazu: “Ich schau‘, ob‘s noch Tag, ob‘s noch hell is‘.“ Jetzt geht es noch, aber wenn das so weitergeht oder schlimmer wird, dann kann ich hier nicht mehr wohnen bleiben.“

In solchen Situationen steht das nähere Umfeld vor ungeklärten Fragen, wie:• Sollen, müssen oder können wir etwas für den Betroffenen tun?• Braucht es eine besondere Art des Umgangs und der Kommunikation bei

demenzerkrankten Menschen? • In welcher Lage befindet sich ein demenzerkrankter Mensch überhaupt und

welche Bedürfnisse hat er?

88 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

7.1. Bedürfnisse und Wünsche von Menschen mit Demenz

Besonders in den ersten Phasen der Demenz ist es für die verunsicherten Erkrankten sehr wichtig, dass sie in Entscheidungen miteinbezogen und ihre Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt werden.Um die Bedürfnisse und Wünsche von Menschen mit Demenz zu verstehen, müssen wir nur versuchen, uns in ihre Lage zu versetzen.

Wenn wir uns vorstellen, dass … • wir bei uns selber bemerken würden, „etwas stimmt nicht“• wir immer häufiger Termine und Absprachen vergessen, immer wieder

nachfragen müssen• wir Probleme in unserer Alltagsbewältigung hätten – auch bei ganz

einfachen Dingen, wie z. B. einkaufen, kochen und uns auch Notizzettel nicht mehr helfen

• es immer unerquicklicher wird, dem Hobby nachzugehen oder für uns und andere zu sorgen

• wir uns anderen gegenüber nicht richtig verständlich machen könnten oder merken, dass andere uns nicht verstehen

• wir nicht mehr wissen, wo wir uns gerade befinden• wir unsere Umwelt als unüberschaubar, undurchschaubar und bedrohlich

empfinden würden.

Wie würden wir uns fühlen? … unsicher? … nutzlos? … hilflos?… allein? … verärgert? … niedergedrückt? … ängstlich? … ohnmächtig? … bedroht?

Würden wir uns anderen anvertrauen? Oder wäre es uns peinlich, über unsere Schwierigkeiten zu sprechen? Würden wir die Nähe zu vertrauten Personen suchen? Würden wir die „Fassade“ aufrechterhalten wollen? Würden wir andere für das Versagen verantwortlich machen, welches wir uns nicht erklären können? Sie beschuldigen? Oder würden wir einfach Dinge vermeiden, die uns in eine unan-genehme Situation gebracht haben?

In dieser Lebenslage brauchen wir jemanden, der Verständnis für uns hat, für uns da ist, sich um uns kümmert, uns zuhört. Was wir nicht brauchen, sind Kopfschütteln, Kritik, Vorwürfe, Beschimpfungen, …

89Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Um Wohlbefinden und Lebensqualität für Menschen mit Demenz zu erreichen, sollten ihre Mitmenschen versuchen, ihre Bedürfnisse zu erkennen, zu respek-tieren und zu berücksichtigen.Unsere demenzerkrankten Gesprächspartner äußerten vor allem folgende Wün-sche und Bedürfnisse:

„I wünsch‘ mir, dass i‘ noch einigermaßen g‘sund bleib und doch noch a bissle denken kann, wenn’s auch nicht mehr so is‘ (…) dass meine Kinder immer kommen und nach mir schau‘n (…) und keinen Streit mit den Nachbarn.“ (Frau Sommer)

„Das Leben in den eigenen vier Wänden ist für mich über-lebenswichtig.“ (Herr Kaiser)

Wünsche und Bedürfnisse:• Geborgenheit, Schutz und Nähe• Solange wie möglich selbständig bleiben• Möglichst lange in der gewohnten Umgebung leben• Achtung der Persönlichkeit und respektvoller Umgang

(sie wollen ernst genommen werden)• Anerkennung der verbliebenen Fähigkeiten• Vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten erhalten und nützen• Kontaktpflege mit Angehörigen, Freunden und Bekannten• Etwas für andere tun zu können• Gesund bleiben

„In Zukunft würd‘ ich mich gern‘ weiter mit andere Leut‘ treffen und mich mit ihne unterhalt‘n oder dass ich auch mal singen kann oder Gedich-te vortrag‘n.“ (Frau Vogel)

Ich wart‘ immer, dass jemand kommt … einmal kommt jemand, einmal nicht.“ (Frau Held)

90 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Manche vergleichen sich auch mit anderen: Herrn Kaiser “zermürbt“ die Gewissheit über seine Erkrankung: „Ich würd’ wohl anders agieren wollen, als es noch der Fall is‘‚ aber des wird zunehmend schlechter (…) Wenn ich seh‘, was andere Männer leisten und ich selber kann nimmer so, des macht mich a bissele verzweifelt.“

Frau Vogel sieht am Fenster stehend oft Bekannte von früher vorbeigehen und sagt sich „Siehst, die geht auch noch einkaufen. Ringsum leben Leute, die ich kenn‘ und die mit mir gearbeitet haben. Obwohl die manchmal älter sind als ich, müssen die auch noch zurechtkommen. Dann denk‘ ich mir, dass ich nicht soviel Angst haben sollte und auch alleine gehen muss … geh‘ ich ja auch. Mein Sohn kommt halt trotzdem. Erstens hat er das Auto und da braucht man die Sachen nicht heimschlepp‘n und zweitens is‘ es besser, weil er hat ja mein Geld. I‘ hab ihm mein Geld geben und das ist gut so, weil ich tät manchmal net wissen wo ich‘s hin hab‘ oder ob ich‘s versteckt hab‘.“

7.2. Hinweise zu Umgang und Kommunikation

Menschen mit Demenz verhalten sich in unseren Augen nicht immer „richtig“. Sie haben das Wissen und die Fähigkeit zu angemessenem Handeln verloren. Sie fühlen sich durch ihren geistigen Abbau verunsichert und durch die komple-xe und fremd gewordene Umwelt bedroht:

Frau Conrad fällt ihrer Umwelt immer wieder durch Erzählen von unrealistischen (Wahn-)Vorstellungen auf: Sie berichtet von Diebstählen und Einbrüchen in ihrer Wohnung, von vermeintlichen Verbrechern im Nachbarhaus, von Menschen, die nachts in ihr Schlafzimmer kommen und beschuldigt sogar die Nachbarin, sie zu bestehlen und den Schlüssel zu ihrer Wohnung zu besitzen.Einem Angehörigen der Nachbarin klagte sie ihr Leid.

Wesentliche Bedürfnisse demenzerkrankter Menschen: • Bedürfnis nach Geborgenheit, Schutz und Nähe• Bedürfnis nach Vertrautheit, Halt und Sicherheit• Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Eigenständigkeit

(solange wie möglich)• Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle über das eigene Leben

91Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

„Ich hab‘ ihn doch nur darum gebeten, dass er ihr sagen soll, dass sie nicht immer unaufgefordert in meine Wohnung kommen soll. Daraufhin hat er mich im Hof vor allen fertig gemacht. Er hat mich angeschrien, dass ich es doch selber bin, ich bin schuld und ich bin doch nicht mehr ganz dicht im Kopf. Mit Ausdrücken hat er mich beschimpft.Aber wenn ich auch nicht mehr ganz richtig im Kopf bin, gerade mit sol-chen Leuten sollte man nicht so umgehen!“

Die Beschuldigung der Nachbarin geschieht nicht aus bösem Willen heraus. Frau Conrad ist lediglich der Ansicht, dass ihre empfundene Wahrheit tatsäch-lich richtig ist und sie dazu berechtigt, ihr Problem bei anderen anzusprechen. Dass sie deshalb beschimpft und „fertig gemacht“ wird, kann sie nicht verste-hen. Sie ist sich keiner Schuld bewusst und wird durch die Situation zutiefst beschämt und verletzt.

Demenzerkrankte Menschen benötigen zur Wahrung ihrer Würde ein verständ-nisvolles und einfühlsames Umfeld, in dem ihre subjektive Wahrnehmung aner-kannt wird. Sie sprechen durch ihre (unsichere und unvorhersehbare) Lebenssi-tuation viel sensibler auf alle Eindrücke an, als wir Gesunde. Deshalb werden Einfühlungsvermögen und feinfühlige Kommunikation durch andere (Angehörige, Bekannte, Ärzte, Apotheker …) unentbehrlich.

UmgangFür den Umgang mit demenzerkrankten Menschen ist eine Unterscheidung der verschiedenen Symptome nicht nötig.Das allerwichtigste ist, Verständnis für die Erkrankung und die damit einherge-henden Veränderungen zu entwickeln. Wenn wir akzeptieren können, dass die Erkrankten in ihrer eigenen Welt leben, ist viel gewonnen. In jeder Phase der Erkrankung sollte man sich immer wieder neu auf Verände-rungen einstellen und entsprechend reagieren.

Die unangemessenen Verhaltensweisen der demenzerkrankten Menschen geschehen nicht absichtlich. Die Betroffenen wollen ihr Gegenüber nicht vorsätzlich ärgern oder pro-vozieren, vielmehr liegt die Ursache bei den organischen Störungen im Gehirn. Dessen Erkrankung macht es für die Betroffenen unmöglich, ihre Krankheit zu erkennen und zu begreifen.

92 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Nachbarn berichteten uns, dass sie nicht viel über Demenz wüssten. Da müssten sie sich noch mehr informieren. Ihnen helfe aber ihre Lebenserfah-rung im Umgang mit der erkrankten Hausbewohnerin: „Man versucht einfach, es richtig zu machen. Die Leute net brüskieren, net sagn >bisch a Deppele< oder so was“, meint Herr Huber. „Man muss die Leute einfach wie ganz normale Menschen behandeln oder ihnen des G‘fühl geben, dass sie vollkommen normal sind, also mein‘ ich zumindest. Net wie auf ein Kleinkind einred‘n, sondern halt ganz normal“, ergänzt seine Frau.

Oberste Priorität beim Umgang sollte es sein, die Würde des Erkrankten zu bewahren also erniedrigendes und demütigendes Verhalten (Korrekturen, Recht haben wollen) sowie abwertende Äußerungen dem Betroffenen gegenüber zu vermeiden. Man sollte ihm respektvoll und einfühlsam begegnen.

Wie bereits erwähnt, können demenzerkrankte Menschen emotionale Stim-mungen sehr gut wahrnehmen. Positive wie negative Gefühle und Handlungen wirken sich sehr wohl auf das Befinden der Betroffenen aus.

Frau Conrad möchte sich einen neuen Arzt suchen. Sie berichtete in verschiede-nen Gesprächen immer wieder vom Verhalten ihres Hausarztes ihr gegenüber: „Als ich von ihm wissen wollte, warum ich in letzter Zeit so stark abge-nommen habe, hat er mir nicht richtig geantwortet. Er hat mir nur gesagt, dass ich immer was auszumsetzen hab‘ und ich zu viel von ihm verlange. Dann sagt er wieder: >Oh, sind sie heut schon wieder da!< Einmal warf er sogar wütend die Karteikarte vor mich hin und leise hat er dazu gesagt: >Also, so eine Frau heut‘ noch frei auf der Strasse lauf‘n lass‘n, die g‘hört eingesperrt<. Ich hab’s sehr wohl verstanden. Das war gemein.“

Jeder Kranke verhält sich anders und auch der Krankheitsverlauf ist individuell unterschiedlich. Je nach Krankheitsstadium stellen sich dem sozialen Umfeld immer neue und andere Herausforderungen, auf die man sich einstellen muss.

Die Angehörige von Frau Conrad berichtet: „Bis se vom Einkaufen heimkommt, hat man ihr was geklaut oder wenn’s beim Doktor is‘, jedes Mal …. Ich hab‘ solange auf sie eingeredet, bis sie ein neues Schloss einbauen ließ (…) Jetzt behauptet sie aber wieder, dass die Nachbarin ihren Wohnungsschlüssel hat und wieder bei ihr klaut. >Das gibt’s net<, sag’ i‘, >du hasch doch deine ganzen Schlüssel<. >Ja, die hab ich, ja, aber die hat’s gleiche Schloß drin wie ich, also geht ihr Schlüssel auch zu mir rein<. Sag ich, >du, des geht net<.

93Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Und des lässt se sich net ausreden. Mein Sohn war erst kürzlich bei ihr (…) und dann hat sie halt wieder davon angfangen. Er hat dann gsagt, >Tante, i‘ glaub du bisch krank, du g‘hörsch zum Doktor, dir muss man helf‘n, lass dir helfen<. Dann wird sie abweisend, ja net bös‘ direkt aber … sie blockt ab. Aggressiv wird se nicht, sie redet dann einfach nicht mehr.“

Es gibt keine allgemein gültigen Regeln oder ein „Patentrezept“. Folgende Hinweise zum Umgang mit demenzerkrankten Menschen können generell weiterhelfen.

Grundsätze für den Umgang mit demenzerkrankten Menschen:• Sich über die Krankheit informieren und sie akzeptieren• Die Welt und die Sichtweise des Kranken akzeptieren (z. B. wenn der

Erkrankte meint, in der Vergangenheit zu leben oder glaubt, sich normal zu benehmen, weil er sich nicht als krank betrachtet)

• Respektvoller und wertschätzender Umgang mit dem Betroffenen • Die Gefühle des demenzerkrankten Menschen ernst nehmen• Den Betroffenen nicht ändern wollen bzw. versuchen, ihn von der

eigenen Meinung zu überzeugen • Helfen, seine Eigenständigkeit im Alltag zu bewahren, die die Grundlage

für sein Selbstwertgefühl ist, vorhandene Fähigkeiten beibehalten und fördern

• Die Stärken und verbliebenen Kompetenzen fördern und nicht nur die Defizite sehen

• Ermutigen und loben• Den Erkrankten nicht überfordern und zu sehr kontrollieren• Einen überschaubaren, strukturierten und gleichbleibenden Tagesablauf

ermöglichen, Sicherheit und Orientierung bieten, vertraute Gewohnhei-ten beibehalten, mit vertrauten Dingen und Menschen umgeben

• In kurzen, einfachen Sätzen sprechen• Nicht mehrere Sachen gleichzeitig ansprechen oder machen• Kontakt pflegen, Zuneigung zeigen und ggf. körperlichen Kontakt

herstellen• Gelassen auf Situationen reagieren (z. B. bei Ängstlichkeit, Weglaufen,

Aggressivität)• Ruhig und geduldig bleiben, den eigenen Humor nicht verlieren

Je mehr man über die Demenzerkran-kung weiß, desto sicherer wird man im Umgang mit demenzerkrankten Menschen!

94 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Kommunikation„Die Demenz (…) ist nicht bei jedem Menschen gleich. Jeder hat andere Merkmale von Demenz (…) bei mir is‘ es halt so, ich komm nimmer so mit. Bis ich das Gesprochene verarbeitet hab‘ – des dauert a zeitlang – derweil hat der andere schon wieder ein anderes Thema. Da häng‘ ich in der Luft, also ich kann nimmer so mitkommunizieren, wie ich gern möchte.“ (Herr Kaiser)

Menschen mit Demenz können uns zunehmend schlechter verstehen. Sie erfassen einzelne Wörter immer weniger und können unserem Wortlaut nicht mehr folgen, fühlen sich im Gegenzug oft selbst nicht verstanden. Daraus

können Gefühle wie Ängstlichkeit, Traurigkeit, Ungeduld, Wut und Verzweiflung resultieren und es kann zu Missverständnissen, Enttäuschung, Streit oder Rückzug kommen.

Normalerweise verlaufen Gespräche mit gesun-den Partnern wechselseitig. Beide Gespächspart-ner befinden sich auf einem gleichen Verständi-gungsniveau. Die Kommunikation ist in einem Gleichgewicht. (1)

Bei Unterhaltungen mit einem demenzerkrankten Menschen verändert sich die Situation: Das Sys-tem kippt, weil der Gesprächspartner aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr so kommunizieren kann, wie er möchte oder wie andere es von ihm erwarten. (2)

Ein Gleichgewicht der Kommunikation kann nur dann wieder hergestellt werden, wenn der ge-sunde Gesprächspartner sich an das verändertes Kommunikationsverhalten des Demenzerkrank-ten anpasst (vgl. folgende Hinweise). Der Partner mit Demenz ist nicht mehr in der Lage, das entstandene Ungleichgewicht auszugleichen. Er hat zunehmend Verständigungsprobleme. (3)

Probleme bei der Verständigung mit anderen können für demenzerkrankte Menschen zu Verwirrung, Enttäuschung und Belastung führen. Isolation ist nicht selten das Resultat.

Ge-sprächs-partner 1

Ge-sprächs-partner 2

GesunderDemenz-kranker

GesunderDemenz-kranker

Vgl. Schulungsreihe EduKation DEMENZ von Frau Prof. Dr. Sabine Engel

1

2

3

95Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Daher sollte das Umfeld Möglichkeiten suchen, trotz gestörter Kommunikation mit den kranken Gesprächspartnern in Kontakt zu bleiben und durch Verände-rung der eigenen Position ein Gleichgewicht bei der Kommunikation herzustellen.

Häufig auftretende Kommunikationsprobleme bei Menschen mit Demenz sind • Ständiges Wiederholen der gleichen Fragen sowie derselben Erzählungen• Erzählungen handeln vorwiegend von der Vergangenheit• Nach Beginn der Erzählung wissen die Erkrankten oft nicht mehr

worüber sie gerade gesprochen haben• Behauptung falscher Dinge• Häufig wird das Gespräch unpassend in eine andere Richtung gelenkt• Erinnerungen an Namen, Orte und Objekte werden erschwert• Probleme, dem Gespräch zu folgen, vor allem dann, wenn mehrere

Leute sprechen• Logische Erklärungen werden nicht verstanden• Fragen nach dem Grund des Verhaltens (warum er sich so verhält),

werden nicht verstanden Im Allgemeinen ist die Atmosphäre, in der das Gespräch stattfindet, wichtiger als die Sprache: Das WIE ist wichtiger als das WAS, denn die Erkrankten sind sehr empfänglich für Unstimmigkeiten zwischen Sprache und Gefühlsbotschaft! Für unsere Stimmung und die nichtsprachlichen Äußerungen sind Menschen mit Demenz sehr sensibel - häufig noch mehr als Gesunde.Kann ein Erkrankter noch kommunizieren, sollte man sich seinen Themen anpassen, wie z. B. bei Erzählungen aus Kindheit und Vergangenheit. So erhält man eine Verbindung, die es ermöglicht, auf andere aktuelle Themen überzulei-ten, z. B. was als nächstes im Tagesablauf geschieht.

Eine dem demenzerkrankten Menschen angepasste Kommunikation sollte dessen verändertem Sprachverständnis angepasst sein:• Einfache und kurze Sätze und Aufforderungen, nicht mehrere Informationen

zur gleichen Zeit • Langsam und deutlich sprechen, mit Pausen und Wiederholungen • Nicht lauter als gewöhnlich • Klare und eindeutige Informationen geben • Keine „Wieso-Weshalb-Warum“- Fragen, sondern solche, die mit Ja und Nein

beantwortet werden können und keiner Erinnerungen bzw. keines Wissens bedürfen

• Kein Korrigieren der Aussagen• Nicht auf Defizite hinweisen (das beschämt und verletzt), sondern ermutigen

und loben

96 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

• Wichtiges mehrmals wiederholen• Vertraute Sprache benutzen, z. B. Dialekt• Zuwenden, Blickkontakt herstellen und halten, nicht von hinten oder von

der Seite ansprechen• Aufmerksam zuhören und das Gehörte bestätigen

Wichtig ist, nicht zu viele Informationen auf einmal zu geben, z. B.: „Hallo Frau Nachbarin, möchten Sie gerne einen Apfelkuchen. Den habe ich heute frisch gebacken. Den haben Sie schon einmal probiert. Da hat er Ihnen geschmeckt!“ sondern: „Möchten Sie jetzt einen Kuchen essen?“

Vor allem die nichtsprachlichen Äußerungen können demenzerkrankte Men-schen noch lange verstehen. Deshalb werden Mimik und Gestik (wie z. B. Lächeln, Zeigen, Nicken und ggf. vorsichtige Berührungen) sehr wichtig.Die Körpersprache sollte ZUGEWANDT sein, Aufmerksamkeit und Wohlwol-len ausdrücken. Vorsichtige Berührungen (z. B. an der Hand, am Unterarm) können die Kontaktaufnahme und positive Beziehung erleichtern. Einerseits mögen manche Menschen – und damit auch Demenzerkrankte – als Zeichen von Nähe und Beruhigung auch einmal körperlichen Kontakt (z. B. sich nahe zueinander setzen oder in den Arm nehmen), andererseits gibt es genauso viele Menschen, die solche Nähe eher als unangenhm empfinden und körperlichen Kontakt nur mit nahestehenden Menschen wollen. Im Kontakt mit Demenzerkrankten sollte hinsichtlich des Körperkontaktes also individuell gehandelt werden.

Hinweise bezüglich nonverbaler Signale• Vermeidung negativer Signale wie: Wegdrehen, Augenrollen, Grinsen,

Hände in die Hüfte stemmen und Arme verschränken usw.• Besser sind positive Signale: z. B. auf den Betroffenen zugehen, lächeln,

bestätigend nicken, sich auf gleiche Augenhöhe begeben sowie sanfte Bewegungen. Das vermittelt Sicherheit und Geborgenheit.

Außerdem wird die Kommunikation mit demenzerkrankten Menschen durch „Störungen“ erschwert, da sie sich nicht auf mehrere Dinge gleichzeitig kon-zentrieren können. Dazu gehören Nebengeräusche (z. B. laufender Radio/Fern-seher, Gespräche nebenan), Lärm oder die unterschiedlichsten Ablenkungen. Ein direkter Gesprächskontakt von einer zur anderen Person ist unerlässlich.

Nicht nur wir sprechen die Menschen mit Demenz an, auch sie haben uns etwas zu sagen.

97Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

In den Gesprächen mit Betroffenen sollten wir deshalb immer nach der Bedeu-tung ihrer Äußerungen suchen, denn scheinbar falsche Wörter könnten etwas über Gefühle, Ängste, Sehnsüchte und Bedürfnisse aussagen.Der Wortwahl, der Grammatik und dem Wahrheitsgehalt sollte nicht soviel Be-deutung beigemessen werden wie der „Nachricht hinter der Nachricht“!„Ich habe Dir Deine Schuhe geputzt, sie stehen im Kühlschrank“, könnte z. B. bedeuten: Ich wollte Dir etwas Gutes tun!

7.3. Konfliktsituationen

Menschen mit einer Demenzerkrankung müssen nicht notgedrungen herausfor-dernde Verhaltensweisen wie z. B. Aggression, Wut und Abweisung entwickeln. Sie können auch ruhig und ausgeglichen sein. Dies hängt unter anderem vom sozialen Umfeld ab - in dem sich Kontaktperso-nen in die Situation der Menschen mit einer Demenz einfühlen können und so mit ihnen sprechen, dass sie es auch verstehen. Man sollte in jedem Fall versuchen, die Wahrnehmungen und Gefühle des ver-wirrten Menschen ernst zu nehmen. Bei Meinungsverschiedenheiten kann man einen demenzerkrankten Menschen kaum mit Argumenten überzeugen. Logische Erklärungen sind für ihn nicht nachvollziehbar. Deshalb sollte man abwägen, wie wichtig es ist, die eigene Meinung durchzusetzen.

Trotz allem Bemühen treten manchmal doch schwierige Situationen auf, in denen ein demenzerkrankter Mensch mit herausforderndem Verhalten agiert bzw. reagiert. Manchmal reagiert der Erkrankte schon auf einen kleinen Reiz in seiner Umwelt, fühlt sich bedroht oder er erkennt seine Unfähigkeit etwas zu tun, was er früher gut konnte und wird dann wütend.

Die Familie von Frau Held bemerkte irgendwann eine steigende Aggressionsbe-reitschaft bei ihr. Sie hatten alle das Gefühl, „dass es immer schlimmer wurde“. Doch stellte sich heraus, dass das veränderte Verhalten durch ein Medikament gegen Depression (ein Symptom der Demenzerkrankung) hervorgerufen wurde. Die Angehörigen hatten nun aber nicht mehr „die Geduld und den Nerv, dass man das mit der Dosierung ausprobiert hat. Uns war das Risiko zu groß, dass es sich schnell verschlechtert und wir empfanden, dass durch das Medikament keine Besserung eintrat. Deshalb wurde das Medikament abgesetzt und der Aggressionspegel sank wieder. Jedoch blieben die Gemütsschwankungen: „Die hat se eben, dann is‘ se einfach oft schlecht drauf.“

98 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Häufig ist vielleicht auch unsere Unsicherheit im Umgang mit demenzerkrank-ten Menschen der Grund für ihre enormen Stimmungsschwankungen. Indem wir ihren Standpunkt missverstehen oder ihnen unsere Sichtweisen aufdrängen wollen, z. B. durch Korrekturen oder vermeintliche „Rechthaberei“, können wir bereits schwierige Verhaltensweisen wie Aggression, Beschuldigung oder pein-liches Verhalten in der Öffentlichkeit hervorrufen.

Wenn die Betroffenen ihre Umwelt nicht verstehen oder sich nicht verstanden fühlen, kann es zu Konflikten kommen, in denen sie sich weigern, etwas zu tun oder Verhaltensauffälligkeiten /-änderungen zeigen.In solchen Fällen ist es erforderlich, die Erkrankten genau zu beobachten und versuchen, das herausfordernde Verhalten zu verstehen. Was könnte die Ursache für das herausfordernde Verhalten sein?Lässt sich ein Muster erkennen? In welcher Situation tritt es immer auf?Durch was lässt sich die Spannung lösen?

Durch Beantwortung dieser Fragen können wir evtl. erkennen, ob wir • die Situation (z. B. zu viele Menschen im Raum, Reizüberflutung) oder auch • unser eigenes Verhalten (z. B. Kommunikationsweise an den Kranken

anpassen) verändern müssen.

Angst- und Furchtverhalten bei Menschen mit Demenz kann man z. B. begegnen, in dem man • den Erkrankten beruhigt, Geborgenheit vermittelt (z. B. durch ruhiges

Auftreten, trösten)• Körperkontakt herstellt (z. B. Hand halten, streicheln)• auf die Gefühle des Betroffenen reagiert• ablenkt oder Rückzugsmöglichkeit anbietet• die Ursache der Aufregung beseitigt

Auslösende Faktoren von Angst- und Furchtverhalten könnten sein: Überforderung, unbekannte Umgebung, Situation wird vom Erkrankten nicht verstanden, Einsamkeit/Alleinsein.

Die Beziehung und Bindung zu anderen Menschen schafft für Menschen mit Demenz eine geborgene und sichere Umgebung, in der Ängste verringert werden können. Nur aus dieser sicheren Umgebung heraus können sie sich angstfrei bewegen.

99Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Bei verbalen Angriffen/Aggressionen/Wut sollte man • möglichst ruhig und gelassen bleiben, ruhig sprechen• sich nicht persönlich beleidigt fühlen (Aggression ist der Ausdruck einer

krankheitsbedingten Stressreaktion)• Ablenkungsversuche machen oder Umweltreize vermindern• nicht streiten oder den Erkrankten festhalten• Vorwürfe, Bevormundung oder Belehrungen vermeiden• Machtdemonstrationen, Drohungen oder Bestrafungen unterlassen• nach Ursachen suchen

Auslösende Faktoren von Wut und Aggressionen könnten z. B. körperliche Ursachen wie Schmerzen, Flüssigkeitsmangel, Mangelernährung oder die Ne-benwirkungen von Medikamenten sein oder psychische Ursachen wie Angst, Verunsicherung, Überforderung durch zuviel Umweltreize wie Hektik, und Lärm, unerwartete Veränderung der Umgebung, Scham oder Unterforderung durch Langeweile oder Alleinsein).

Manchmal nützen alle Versuche nicht, das herausfordernde Verhalten zu ändern. Dann ist es wichtig, die Situation nicht eskalieren zu lassen indem man• Diskussionen und Streit vermeidet• nicht versucht, den erkrankten Gesprächspartner vom eigenen Standpunkt

zu überzeugen• ruhig bleibt• gegebenenfalls den Raum kurzzeitig verlässt • wenn möglich, einen anderen Ansprechpartner hinzuzieht bzw. Personen

auswechselt

Verständnis für schwierige Situati-onen mit demenzerkrankten Men-schen kann man entwickeln, in dem man sich über den Krankheitsverlauf der jeweiligen Demenzart informiert oder andere um Hilfe bittet (Beratungs-stellen, Ehrenamtliche Demenzpaten in Augsburg etc.) Dann kann man Konflikte eventuell von vornherein vermeiden.

Bei Aufregung oder Konflikten gilt …Beruhigen statt erklären!Ablenken statt diskutieren!

100 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

7.4. Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung

Achtsamkeit gegenüber Menschen mit DemenzBei der Häufung oben genannter Auffälligkeiten und Veränderungen in der Persönlichkeit des Betroffenen könnte man als Nachbar, Freund oder Bekannter bereits mit Beobachtung oder kleinen Handlungen helfen. Es ist nicht nötig, sich in großem Maße verantwortlich zu fühlen oder viel Hilfe anzubieten. Wichtiger ist vielmehr, auf Veränderungen zu achten und nicht wegzusehen. Man sollte Kontakt mit dem Betroffenen halten und immer wieder versuchen, mit ihm zu sprechen. Unauffällig und behutsam könnten kleine Unterstützungen angeboten werden, wie z. B. die Begleitung zum Einkauf oder den Weg nach Hause weisen. Manchmal wird Hilfe von den Betroffenen aber nicht gewünscht. Falls der demenzerkrankte Nachbar Hilfsangebote ablehnt, sollte das respek-tiert werden, denn Menschen mit Demenz möchten – wie wir auch – solange wie möglich selbständig bleiben. Dies schließt weitere Aufmerksamkeit und Kontakt nicht aus und vielleicht wird die Unterstützung zu einem späteren Zeit-punkt angenommen.

Besonders für allein lebende Menschen mit einer Demenzerkrankung ist es sehr wichtig und hilfreich, wenn Menschen in ihrem sozialen Umfeld auf sie achten.

Wichtig für Kommunikation und Umgang bei herausforderndem Verhalten ist es …• Die Gefühle des Erkrankten wahrzunehmen• Würde- und respektvollen Umgang pflegen• Kritik und Überforderung vermeiden• Vorwürfe und Beschuldigungen sowie tätliche Angriffe nicht persönlich

nehmen, sondern als Symptom der Demenzerkrankung zu betrachten• Unterstützung und Hilfe nur dann geben, wenn sie erforderlich ist• Überflüssige Diskussionen und Streit vermeiden• In kritischen Situationen beruhigen und ablenken• Gefühle von Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln• Verhalten als krankheitsbedingt zu akzeptieren• Möglichst Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen

101Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Menschen aus dem näheren Umfeld, also Nachbar, Bankangestellte, Polizist oder Bäckereiverkäuferin, können durch ihre immer wiederkehrenden und alltäglichen Kontakte mit den Erkrankten manchmal gut erkennen, wenn sich in einer längeren Zeitspanne etwas im Verhalten des Mitmenschen ändert, er verwirrt oder hilfebedürftig ist.

Erst sehr spät wurde Familie Huber die Situation von Frau Vogel deutlich be-wusst: Es war an dem Tag, als Frau Vogel aus der nahe gelegenen Tagespflege-einrichtung weglief … . Den Weg nach Hause hat sie gefunden.Das Ehepaar erwartete Besuch und dieser machte sie bei Eintreten darauf auf-merksam, dass eine Frau draußen stehen würde, „… die wohnt hier im Haus, sie hat den Schlüssel vergessen und hat g‘sagt, ich heiße Sophie Vogel, ich wohne Sanderstr. 1*. Das hat sie eingeprägt gehabt und wir haben dann versucht, den Sohn zu erreichen, aber inzwischen ist der Betreuer der Tagespflege schon gekommen und hat sie abgeholt.“ Durch dieses Ereignis sprachen die Bewohner des Hauses über den Vorfall und seit dieser Begebenheit weiß Frau Huber auch, dass eine direkte Nachbarin von Frau Vogel den Schlüssel zu deren Wohnung hat und sie sich an sie wenden kann: „Wenn was is‘, kann man‘s auch zu ihr sag‘n.“ Hubers geben an, dass sie nicht aufmerksamer sind, seit sie von der Demen-zerkrankung ihrer Nachbarin wissen. Sie nehmen sie aber immer wahr. Herr Huber hat sein Auto am Haus stehen und sieht ins Wohnzimmer von Frau Vogel. Sie sitzt dort oft mit dem Stuhl vor dem Fenster. Er winkt ihr und schaut nach oben, wie sie reagiert.Auch durch die Begegnungen im Treppenhaus haben sich ein gewisser Kontakt und ein Kennen im weitesten Sinne ergeben. Besonders aufmerksam ist er nach eigenen Angaben nicht.Herr Huber sieht allerdings zum Balkon hoch, wenn er in sein Auto einsteigt. Da bemerkt er Frau Vogel oft. Es interessiert ihn nicht persönlich, was sie jetzt da macht, aber er nimmt sie wahr und registriert ihre An- oder Abwesenheit. „Wenn ich sie aber drei Tage nicht seh‘, dann würde mich das schon wun-dern, also speziell am Wochenende, weil am Wochenende is‘ sie ja zuhau-se, solche Sach‘n merkt man schon …“ .

Kontaktpersonen suchen und informierenBei unseren Gesprächen berichtete uns ein Angehöriger, dass die Familie lange Zeit die offensichtlichen Veränderungen bei der Mutter nicht erkannte. Sie wohnten von der Mutter entfernt und sahen sie nicht regelmäßig. Ihnen gegenüber konnte sie ihren Zustand gut verheimlichen und überspielen („Fassade wahren“).

* Die Adresse wurde geändert.

102 Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

In dieser Zeit fiel den Nachbarn aber schon auf, dass die alte Dame z. B. bei der Wohnung gegenüber aufsperren wollte oder gar ihr Wohnhaus öfter nicht fand und irgendwo läutete und nachfragte, wo sie wohne. Im richtigen Haus sei sie doch? Lange wurden die nächsten Verwandten nicht auf die Situation der Mutter auf-merksam gemacht, so dass wichtige Zeit verstrich, ehe Maßnahmen ergriffen werden konnten!

„Das haben die Nachbarn uns alles erst hinterher g‘sagt. Ich hab sie g‘fragt: >Warum habt’s ihr uns den nichts erzählt?< … Ganz wichtig ist in solchen Fällen, dass das Umfeld reagiert, dass Angehörige benachrichtigt werden und man aufeinander achtet … das Aufmerksamsein, das ist das Allerwichtigste“ (Angehöriger).

Wenn Kontaktpersonen (Angehörige, Freunde, Bekannte, Hausarzt etc.) des Erkrankten bekannt sind, sollte man diese über die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen informierenFalls Angehörige, Freunde, Bekannte oder der Hausarzt nicht bekannt sind, könnte man versuchen, durch ein vorsichtiges Gespräch mit dem demenzer-krankten Menschen etwas darüber zu erfahren, um Kontakte herzustellen.

Hilfemaßnahmen im AkutfallManchmal ist es nötig, in einer akuten Situation zu helfen und zu unterstützen: Bei auffälliger Orientierungslosigkeit sollte man den Betroffenen z. B. beruhi-gen, wenn möglich nach Hause bringen und für Sicherheit der Person sorgen. Bei einer Gesundheitsgefährdung der erkrankten Person sollte ein Arzt/Notarzt hinzugezogen werden.

Bei weiteren Kontakten sollte auf Veränderungen geachtet werden, um gegebe-nenfalls Hilfe und Unterstützung anbieten zu können.Verschlechtert sich der Zustand und sind keine Kontaktpersonen ausfindig zu machen, sollten - allerdings nur mit Einverständnis des Betroffenen - andere Ansprechpartner wie Beratungsstellen oder Hausarzt hinzugezogen werden.

Nur wenn der Erkrankte es gestattet, kann ein Nachbar, Freund, Bekann-ter oder Angehöriger einschreiten und Dritte über die Situation oder Pro-bleme informieren. Eine Ausnahme bildet die akute Selbstgefährdung des Erkrankten oder eine Fremdgefährdung des Umfeldes, z. B. bei erhöhter Verletzungsgefahr, Brandentwicklung, etc.

103Was können wir als Nachbarn und Mitmenschen, Freunde und Bekannte tun?

Kontakt zur regionalen Beratungsstelle suchen1. Zur eigenen InformationFür allgemeine Fragen zum Thema Demenz oder spezielle Probleme mit einem demenzerkrankten Menschen kann man sich jederzeit an verschiedene Be-ratungsstellen wenden (siehe Kapitel 8.1.). Dort erhält man als Angehöriger, Nachbar oder Freund kompetente Beratung, die bis zur Vermittlung von Hilfsan-geboten und Hilfe bei Behördenangelegenheiten reicht. In Augsburg informie-ren zusätzlich die Demenzpaten (siehe Kapitel 8.) vom KompetenzNetz Demenz über die Erkrankung Demenz. Sie vermitteln kompetente Ansprechpartner in den Stadtteilen. (Diese Angebote sind kostenlos.)

2. Beratungsstelle benachrichtigenFalls keine Kontaktpersonen gefunden werden können und/oder zusätzlich eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes der beobachteten Person eintritt, bzw. eine Selbst- oder Fremdgefährdung befürchtet wird, sollte eine entspre-chende Beratungsstelle informiert werden. In Augsburg sind dies vor allem die Ambulante Sozialarbeit Gerontopsychiatrie oder die Fachberatungsstellen für Senioren (siehe Kapitel 8.1.).Dadurch können eventuell notwendige Hilfsmaßnahmen frühzeitig veranlasst werden. Dazu gehören u. a. die Diagnosestellung oder die Anregung einer rechtlichen Betreuung.

Durch unseren respektvollen Umgang und unser einfühlsames Verhalten können wir alle den Menschen mit Demenz ein würdevolles Dasein mit Lebensqualität ermöglichen!

104 Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

Westliches Augsburg

AWO Augsburg Ambulante Sozialarbeit GerontopsychiatrieSeniorenzentrum Christian-Dierig-HausKirchbergstr. 1586157 AugsburgTel. 0821 / 22792-511

8. Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

KompetenzNetz Demenz und die DemenzpatenÖffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen zum Thema Demenz

Rosenaustr. 3886150 AugsburgTel. 0821 / 22799-29E-Mail: [email protected]: www.mit-alzheimer-leben.de

Demenzpatensind Paten für das Thema Demenz, die sich ehrenamtlich für Augsburg engagieren. Sie- werben in ihrem Stadtteil für mehr Verständnis im Umgang mit demenz-

erkrankten Menschen- informieren Interessierte in persönlichen Gesprächen, in Schulungen oder

bei Veranstaltungen über die Demenzerkrankungen- geben Hinweise für den direkten Kontakt mit Betroffenen - informieren über ortsnahe Beratungsstellen und Hilfsangebote- vermitteln Einzelfälle - auf Wunsch - direkt an Fachstellen weiter

Veranstaltungshinweise zum Thema Demenz unter www.mit-alzheimer-leben.de

8.1. Kostenlose Beratungsstellen

Gerontopsychiatrische FachstellenKostenlose Information, Beratung und Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehöri-gen in allen Angelegenheiten bei Demenz und sonstigen psychischen Problemen im Alter

Südliches Augsburg

Malteser AugsburgFachstelle für pflegende Angehörige Beratung für Angehörige von Demenz¬kranken - Alzheimer aktiv Diözesangeschäftsstelle AugsburgWerner-von-Siemens-Str. 1086159 AugsburgTel. 0821 / 25850-48

105Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

Östliches Augsburg

Caritas AugsburgAmbulante Sozialarbeit GerontopsychiatrieSozialstation LechhausenKantstr. 486167 AugsburgTel. 0821 / 72055-18

Stadtmitte Augsburg

Diakonie AugsburgFachstelle für pflegende AngehörigeAltenhilfezentrum der DiakonieAlte Gasse 1286152 AugsburgTel. 0821 / 5094313

Soziale Fachberatungen für SeniorenKostenlose Information, Beratung und Unterstützung für Senioren und ihre Angehörigen

BärenkellerCaritas AugsburgSozialstation St. KonradAmselweg 3286156 AugsburgTel. 0821 / 4604030

OberhausenCaritas AugsburgSozialstation Peter und PaulKaltenhoferstr. 586154 AugsburgTel. 0821 / 418543

StadtmitteDiakonie AugsburgAltenhilfezentrum der DiakonieAlte Gasse 1286152 AugsburgTel. 0821 / 5094313

Hammerschmiede / FirnhaberauAWO AugsburgSozialzentrum HammerschmiedeMarienbader Str. 29a86169 AugsburgTel. 0821 / 70021-742

KriegshaberCaritas AugsburgSozialzentrum KriegshaberLangemarckstr. 13c86156 AugsburgTel. 0821 / 240-1328

PferseeAWO AugsburgSeniorenzentrum Christian-Dierig-HausKirchbergstr. 1586157 AugsburgTel. 0821 / 22792-510

Herrenbach / SpickelAWO AugsburgSozialzentrum HerrenbachMatthias-Claudius-Str. 15a86161 AugsburgTel. 0821 / 56881-21

HochzollCaritas AugsburgSozialstation HochzollWatzmannstr. 186163 AugsburgTel. 0821 / 2637526

106 Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

LechhausenCaritas AugsburgSozialstation LechhausenKantstr. 486167 AugsburgTel. 0821 / 72055-20

Göggingen, Inningen, BergheimCaritas AugsburgSozialstation GöggingenRömerweg 1886199 AugsburgTel. 0821 / 93415

Hochfeld / UniviertelASB AugsburgSozialzentrum HochfeldHochfeldstr. 5286159 AugsburgTel. 0821 / 2594511

HaunstettenBRK Augsburg Sozialzentrum HaunstettenJohann-Strauß-Str. 1186179 AugsburgTel. 0821 / 8087733

Seniorenberatung in den LandkreisenKostenlose Information, Beratung und Unterstützung für Senioren und ihre Angehörigen

Landkreis Augsburg

Nord-Westlicher Landkreis Landratsamt AugsburgBismarckstr. 6286391 StadtbergenTel. 0821 / 3102-2718

Südlicher LandkreisLandratsamt AugsburgBismarckstr. 6286391 StadtbergenTel. 0821 / 3102-2705

Landkreis Aichach-Friedberg

AichachLandratsamt Aichach-FriedbergWerlberger Str. 3286551 AichachTel. 08251 / 872233

Außenstelle FriedbergLandratsamt Aichach-FriedbergKonradinstr. 486316 FriedbergKontakt über Zentrale 08251 / 872233

Nord-Westlicher Landkreis (Mitte bis Gersthofen)Landratsamt AugsburgBismarckstr. 6286391 StadtbergenTel. 0821 / 3102-2719

Südlicher Landkreis Beratung für Senioren mit seelischen Erkrankungen und deren AngehörigeCaritasverband Diözese Augsburg e.V.Weidenhartstr. 3186830 SchwabmünchenTel. 08232 / 96640

Außenstelle MeringLandratsamt Aichach-FriedbergLuitpoldstr. 2486415 MeringKontakt über Zentrale 08251 / 872233

107Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

Alzheimer Gesellschaft Augsburg e.V.Heilig-Kreuz-Str. 2286152 AugsburgAlzheimer-Telefon: 0821 / 3193 -110 Gesprächszeiten:Mittwoch: 10 bis 13 Uhr, Donnerstag: 16 bis 19 UhrInternet: www.alzheimer-augsburg.deEmail: [email protected]

http://www.alzheimer-augsburg.de/links.html hier finden Sie interessante Broschüren zu dem Thema

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.Friedrichstr. 23610969 BerlinAlzheimer-Telefon: 01803 / 171017 (9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz)Internet: www.deutsche-alzheimer.deEmail: [email protected]

Hier finden Sie auch ausgewählte Literatur zu dem Thema Alzheimer und Demenz

PflegeberatungKostenlose Beratung für pflegende Angehörige, die umfangreiche Informationen zum Leistungsumfang der Pflege- und Krankenkasse bietet

Gesetzliche PflegekassenKostenloser Anspruch bei jeder Pflegekas-se, Telefonnummer muss bei den jeweili-gen Krankenkassen erfragt werden.

COMPASS private Pflegeberatung derprivaten Krankenkassen COMPASS private Pflegeberatung derprivaten Krankenkassen

Bei beiden:Persönliche Beratung per Telefon und Hausbesuch,Ansprechpartner in allen Fragen rund um das Thema „Pflege“.

8.2. Diagnostik und Behandlung

Ambulant

Eine ambulante Behandlung und Diagnostik übernehmen alle niedergelassen Fachärzte für Psychiatrie und Nervenärzte.

Gerontopsychiatrische Institutsambulanz und Gedächtnissprechstunde am Bezirkskrankenhaus AugsburgDr.-Mack-Str. 186156 AugsburgTel. 0821 / 4803-4100

Memory-Klinik in der Geriatrischen Rehabilitationsklinik der Hessing-StiftungButzstr. 2786199 AugsburgTel. 0821 / 909-424

Alzheimer-Telefon

108 Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

Alzheimer Aktiv Malteser HilfsdienstWerner-v.-Siemens-Str. 1086159 AugsburgTel. 0821 / 25850-48

Alzheimer Gesellschaft AugsburgHilfe beim HelfenHeilig-Kreuz-Str. 2286152 AugsburgTel. 0821 / 3193130

Weitere Schulungen werden von den Sozial-stationen vor Ort angebotenTermine und Ansprechpartner können bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erfragt werden

Stationär

BKH AugsburgDr.-Mack-Str. 186156 AugsburgTel. 0821 / 4803-0

BKH KaufbeurenKemnaterstrasse 1687600 KaufbeurenTel. 08341 / 72–0

BKH GünzburgLudwig-Heilmeyer-Str. 289312 GünzburgTel. 08221 / 96-2282

8.3. Entlastungsangebote für Angehörige

Angehörigenschulung

Die Schulung soll helfen, die Verständigungs- und Kommunikationsbeziehung zwischen Angehörigen und demenzerkrankten Familienmitgliedern zu verbessern. Durch die Teil-nahme soll das Verständnis für den Erkrankten entwickelt und das Belastungsempfinden bei Angehörigen verringert werden.

Angehörigengruppen

Unter professioneller Anleitung erhalten Angehörige von Demenzerkrankten die Möglich-keit, sich regelmäßig mit anderen Betroffenen auszutauschen. Sie können Informationen und Wissen über die Krankheit und den Umgang mit den Erkrankten erwerben und neue Kontakte knüpfen.Genauere Informationen sowie eine ausführliche Liste der Angehörigengruppen sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich bzw. unter www.mit-alzheimer-leben.de.

Ambulanter Pflegedienst

Diese häusliche Versorgung von hilfe- und pflegebedürftigen Personen dient der Entlas-tung von Angehörigen bei der pflegerischen Betreuung und wird von ambulanten Pflege-diensten und Sozialstationen geleistet.Eine ausführliche Liste der Ambulanten Pflegedienste und Sozialstationen sowie Informa-tionen zur Finanzierungsmöglichkeit sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich.

109Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

Betreuungsgruppen

Geschulte ehrenamtliche Helfer bieten gemeinsam mit Fachkräften regelmäßige Treffen für demenzerkrankte oder pflegebedürftige Menschen. Die Gruppe ist auch Anlaufstelle für Senioren, die sich alleine fühlen und den Tag gerne mit anderen verbringen möchten. Das Angebot findet zur stundenweisen Entlastung der Angehörigen statt.Genauere Informationen sowie eine ausführliche Liste der Betreuungsgruppen in den Stadtteilen sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich bzw. unter www.mit-alzheimer-leben.de.

Tagespflege

Dieses teilstationäre Angebot ermöglicht halbtags oder ganztags die Betreuung von hilfs- und pflegebedürftigen Menschen. Für Menschen mit Demenz gibt es auch gerontopsy-chiatrische Tagespflegeeinrichtungen, die auf die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen eingehen. Die Gäste können ein bis mehrere Tage pro Woche dort verbringen.Eine ausführliche Liste der Tagespflegeeinrichtungen sowie Informationen zur Finanzie-rung sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich.

Ehrenamtliche Besuchsdienste und Helferkreise

Geschulte ehrenamtliche Helfer besuchen stundenweise (gegen eine geringe Aufwands-entschädigung) demenzerkrankte Menschen zu Hause und entlasten damit die pflegen-den Angehörigen. Genauere Informationen sowie eine ausführliche Liste der Besuchsdienste und Helfer-kreise in und um Augsburg sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich bzw. unter www.mit-alzheimer-leben.de.

Kurzzeitpflege

Diese zeitlich begrenzte stationäre Einrichtung ermöglicht es, die zu Pflegenden vorüberge-hend unterzubringen. Die Gäste werden einige Tage oder auch mehrere Wochen betreut.Eine ausführliche Liste der Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie Informationen zur Finanzie-rung sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich.

24 Stunden-Pflege

Bei diesem Rund-um-die-Uhr-Versorgungsangebot handelt es sich um die Beschäftigung von Betreuungspersonen in den Privathaushalten, u. a. auch in den Haushalten von Men-schen mit Demenz. Erkrankte haben dadurch die Möglichkeit, länger in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld zu verbleiben. Die medizinische und pflegerische Versorgung erfolgt dabei durch ambulante Pflegedienste bzw. Sozialstationen.Genauere Informationen sowie eine ausführliche Liste der Angebote von 24-Stunden-Pflege in und um Augsburg sind bei den Beratungsstellen erhältlich bzw. unter www.mit-alzheimer-leben.de.

110 Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

8.4. Alternative Wohnformen für demenzerkrankte Menschen

Pflegeheime

In dieser vollstationären Einrichtung erfolgt eine umfassende pflegerische Versorgung von hilfs- und pflegebedürftigen älteren Menschen, teilweise mit der Möglichkeit von integrierten Wohngruppen für Demenzerkrankte bzw. mit behütetem oder geschlossenem Wohnbereich (nur mit gerichtlichem Unterbringungsbeschluss).Ausführliche Beratung und eine vollständige Liste der Pflegeheime sind bei den Bera-tungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich.

Nützliche Links:Pflegeheimnavigator: www.aok-pflegeheimnavigator.de Zur weiteren Information: www.pflegenoten.de

Ambulant betreute (Pflege-)Wohngemeinschaften

Diese Wohnform ermöglicht hilfe- und pflegebedürftigen Menschen ein Leben in einem gemeinsamen Haushalt mit anderen und der Möglichkeit, externe Pflege- oder Betreu-ungsleistungen gegen Entgelt zu beziehen. Jede Bewohnerin bzw. jeder Bewohner hat einen eigenen Wohn- und Schlafbereich. Küche und Wohnzimmer werden gemeinsam genutzt.Genauere Informationen sowie eine ausführliche Liste der Pflegewohngruppen in und um Augsburg sind bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) erhältlich bzw. unter www.mit-alzheimer-leben.de.

8.5. Spezielle Angebote für demenzerkrankte Menschen mit Migrationshintergrund und deren Angehörige

Interkulturelles Netz Altenhilfe (ina)

Yaşlılar için kültürlerarası yardımlaşma ağıRosenaustr. 3886150 AugsburgTel: 0821 / 22799-17E-Mail: [email protected]

ina fördert den Kontakt und das gegenseitige Verständnis zwischen älteren Einwanderern, ihren Angehörigen und der Altenhilfe und informiert und berät Betroffene.

111Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

ina aktiviert engagierte Bürger innerhalb der Einwandererfamilien, welche sich in den verschiedenen Projekten einbringen, wie z. B. - Besuchsservice für alleinstehende ältere Menschen einschl. Schulung der Ehrenamtlichen- Arbeitskreis „Frauen“- Frühstückstreff für Senioren und Seniorinnen mit Einwanderungsgeschichte

Angehörigenschulung

EduKation DEMENZ: Entlastung pflegender Angehöriger von Demenzerkrankten durch Förderung der Kommunikation • Allgemeine Information: Frau Prof. Dr. Sabine Engel, Universität Erlangen, Tel.

09131 / 8523090 oder [email protected]• EduKationTÜRKISCH:

- Frau Semra Altinişik, Tel. 089 / 67942671 oder 0176 / 92101484- Frau Prof. Dr. Sabine Engel, Tel. 09131 / 8523090

• EduKationRUSSISCH:- Frau Olesya Belyaev, Tel. 0911 / 45060131- Frau Prof. Dr. Sabine Engel, Tel. 09131 / 8523090

Literatur

• „Alzheimer – şimdi ne olacak“ Alzheimer hastası ve yakınları için bilgilendirme. AWO-Landesverband Hamburg e. V. (Hrsg.): Hamburg 2010.

• Gesundheit und Krankheit im Alter (1): Was tun bei Alzheimer oder anderen Formen von Demenz? Informationen für Angehörige von Demenzkranken in russischer und türkischer Sprache.DIKS – Demenz Informations- und Koordinationsstelle (Hrsg.): Bremen 2007. Download unter www.sozialag.de

Nützliche Links

www.demenz-leitlinie.de (türkisch und russisch)www.demenz-service-nrw.de (Demenz-Servicezentrum für Menschen mit Zuwanderungs-geschichte)www.alz.co.uk (Alzheimer´s Desease International: internationale Organisation mit Links zu nationalen Organisationen)

112 Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

8.6. Sonstiges

Weitere Informationen zu Angeboten wie Urlaub mit Demenzerkrankten, hauswirtschaftli-che Hilfen, Wohnberatung/Wohnraumanpassung, etc. in und um Augsburg erhalten sie bei den Beratungsstellen (siehe 8.1.) bzw. unter www.mit-alzheimer-leben.de.

Vertretung und Information von älteren Menschen Seniorenbeirat der Stadt AugsburgSchießgrabenstraße 4, 86150 AugsburgTel. 0821 / 324-4325E-Mail: [email protected]

8.7. Literaturhinweise

• Wenn das Gedächtnis nachlässt. Ratgeber: Von der Diagnose bis zur Betreuung. Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.), Berlin 2011, 4. Auflage.Kostenlos beziehbar bei Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 481009, 18132 Rostock bzw. [email protected]

• Alzheimer – was kann ich tun? Erste Hilfen für Betroffene. Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V.: Berlin 2010, 12. Auflage.Kostenlos beziehbar über die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Friedrichstr. 236, 10969 Berlin.

Des Weiteren können Broschüren, wie z. B. die folgenden, kostenlos bzw. kostengünstig bestellt werden bei: Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Friedrichstr. 236, 10969 Berlin.

• Das Wichtigste über die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzformen. Ein kompakter Ratgeber. Berlin 2010.

• Herausforderung Demenz. Wissenswertes zur Kommunikation und zum Umgang mit demenzkranken Menschen. Berlin 2009.

• Leben mit Demenzkranken. Hilfen für schwierige Verhaltensweisen und Situationen im Alltag. Berlin 2011.

• Ratgeber Häusliche Versorgung Demenzkranker. Berlin 2010.• Ratgeber in rechtlichen und finanziellen Fragen für Angehörige von Demenzkranken,

ehrenamtliche und professionelle Helfer. Berlin 2010. • Technische Hilfen für Demenzkranke. Orientierungshilfe für den Umgang mit technischen

Unterstützungsmöglichkeiten bei der Betreuung Demenzkranker. Berlin 2005.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat auch viele Informationen und Publikationen in ihrem Downloadbereich, die kostenlos heruntergeladen werden können: www.deutsche-alzheimer.de

113Hilfreiche Informationen rund um das Thema Demenz

8.8. Nützliche Links

www.mit-alzheimer-leben.deHomepage des KompetenzNetz Demenz in Augsburg

www.alzheimer-augsburg.deder Alzheimer Gesellschaft in Augsburg

www.deutsche-alzheimer.deder Deutschen Alzheimer Gesellschaft

www.wegweiser-demenz.deWegweiser vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

114 Impressum

Impressum

HerausgeberKompetenzNetz DemenzRosenaustraße 3886150 AugsburgTel: 0821 / 22799 - 29E-Mai: [email protected]: www.mit-alzheimer-leben.de

FotosFreundliche Überlassung von: - Herr Hugo Fössinger, Augsburg- AWO Augsburg

Gestaltungnais-designwww.nais-design.de

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Wohn- und Lebenssituation demenzerkrankter Menschen in Augsburg

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