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wohnbund informationen 1/2003 Ökologie im Wohnungs- und Siedlungsbau Editorial 2 Impressum 3 Schwerpunktthema Ökologie im Wohnungs- und Siedlungsbau Einleitung zum Schwerpunkt – Ökologie im Wohnungs- und Siedlungsbau 2 Doris Haas-Arndt und Holger Wolpensinger Zur Ästhetik des umweltverträglichen Wohnungs- und Siedlungsbaus 4 Doris Haas-Arndt Ökologische Standards im Siedlungsbau 7 Katrin Klemme Denk- und Kommunikationsansätze zur Bewertung des nachhaltigen Bauens und Wohnens 9 Holger Spies-Wallbaum Ökobilanzierung von Siedlungen 11 Holger Wolpensinger „Was machen die Nachbarn?“ – Umweltindikatoren für Gebäude und Siedlungen in Dänemark und den Niederlanden 14 Sven Damman NetzWerkZeug Nachhaltige Stadtentwicklung – Anwendung Karlsruhe Südost 16 Rolf Messerschmidt Umweltkommunikation in der Stadtteilentwicklung am Beispiel Hannover-Kronsberg 19 Michael Danner Passivhäuser in Hamburg 20 Joachim Reinig Rezensionen – Ankündigungen 21 Rezensionen 21 Termine 23

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w o h n b u n dinformationen

1/2003

Ökologie im Wohnungs- und

Siedlungsbau

Editorial 2Impressum 3

SchwerpunktthemaÖkologie im Wohnungs- und Siedlungsbau

Einleitung zum Schwerpunkt – Ökologie im Wohnungs- und Siedlungsbau 2

Doris Haas-Arndt und Holger Wolpensinger

Zur Ästhetik des umweltverträglichen Wohnungs- und Siedlungsbaus 4

Doris Haas-Arndt

Ökologische Standards im Siedlungsbau 7Katrin Klemme

Denk- und Kommunikationsansätze zur Bewertungdes nachhaltigen Bauens und Wohnens 9

Holger Spies-Wallbaum

Ökobilanzierung von Siedlungen 11Holger Wolpensinger

„Was machen die Nachbarn?“ – Umweltindikatoren für Gebäude und Siedlungen in Dänemark und den Niederlanden 14

Sven Damman

NetzWerkZeug Nachhaltige Stadtentwicklung –Anwendung Karlsruhe Südost 16

Rolf Messerschmidt

Umweltkommunikation in der Stadtteilentwicklungam Beispiel Hannover-Kronsberg 19

Michael Danner

Passivhäuser in Hamburg 20Joachim Reinig

Rezensionen – Ankündigungen 21

Rezensionen 21

Termine 23

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■ Was vor einigen Jahren kaum vor-stellbar war, ist mittlerweile gebauteRealität geworden: Der Energiebedarfvieler neuer Gebäude und Siedlungenwird zu großen Teilen durch Solar-energie gedeckt, Passivhäuser erzeu-gen fast ihren eigenen Energiebedarfund kommen ohne Heizungsanlage ausund vereinzelt produzieren Gebäudebereits mehr Energie als sie selbst ver-brauchen.

Das 100 000-Dächer-Programm in Deutschland ist das vom Umfang her größte existierende Förder-programm für Solarenergienutzung;darüber hinaus bietet das Erneuer-bare-Energien-Gesetz weitere Maß-nahmen zur Förderung der Nutzungregenerativer Energien. Dem solarenund energiesparenden Bauen scheintdemnach der Durchbruch gelungen zusein. Technisch gesehen bereitet dieszumindest keine besonderen Schwie-rigkeiten mehr.

Wenn man jedoch genauer hinsieht,so beschränken sich die ökologischenBeiträge des Wohnungs- und Sied-lungsbaus meist auf den Aspekt derEnergieeinsparung. Das integrale öko-logische und nachhaltige Bauen, dasvom Grundsatz her wesentlich mehrThemen umfasst, als nur das Energie-sparen, spielt in der aktuellen Archi-tekturdiskussion eine eher geringeRolle. Beim Energieverbrauch von Ge-bäuden zählt heute jede eingesparteKilowattstunde, beim Umgang mit derRessource Wasser hingegen herrschtweitgehend Sorglosigkeit. Zwar redu-ziert sich der tägliche Trinkwasser-bedarf mit Spararmaturen standard-mäßig, Regenwassernutzung für dieWC-Spülung oder Waschmaschinewerden jedoch eher zögerlich einge-

Schwerpunktthema

Ökologie im Wohnungs- und SiedlungsbauEinleitung von Dr.-Ing. Doris Haas-Arndt und Dipl.-Ing. Holger Wolpensinger

2

Der Aufbruch ins Solarzeitalter istgeschafft. Aber wo der Weg verläuft,wo er hinführt, wie komfortabel oderbeschwerlich er ist - das ist nochreichlich unklar. Vielerorts liegen Stol-persteine. Manche Pfadfinder habensich schon verlaufen. Das ist normalauf neuem, oft unbekanntem Terrain.

Aber der Bewußtseinswandel isteingeleitet und die Nachfrager nachökologischem Wohnraum und Sied-lungsbau erweisen sich als eine sehrnachhaltige Triebkraft. Das zeigen dieAgenda 21-Prozesse genauso wie dieHäuslebauer, die sich wenigstenseinen Wärmekollektor aufs Dachschrauben.

Die Bewertung und Evaluation derMaßnahmen spielen hierbei einewesentliche Rolle. Nur sie können eineOrientierung bieten im Dschungel derMöglichkeiten und Interessen.

War früher alles besser? Ist regiona-les Bauen eine wichtige Quelle derErfahrung? Welchen ökologischenBaumaterialien, welchen technischenSystemen kann man trauen? IstBestandserhaltung wichtiger als Neu-bau? Wie bewähren sich Solarsiedlun-gen, wie nachhaltig werden siebewirtschaftet?

Mit diesem Heft stellen wir dieArbeiten an Hochschulen vor, vonDiplomanten und Hochschullehrern,die sich mit den Standards ökologi-schem Wohnungs- und Siedlungsbauauseinandersetzen. Sie spiegeln dieDiskussion und die Ansätze auf unter-schiedliche Weise – aber zeigen auchdie Ernsthaftigkeit der wissenschaft-lichen Arbeit und die Erkenntnis: DieZukunft ist solar.

Wir danken Holger Wolpensingerund Doris Haas-Arndt für ihr Engage-ment und die Redaktion dieses Heftes.Der wohnbund will damit auch wiederverstärkt Hochschulabsolventenansprechen und zur Mitarbeit imwohnbund anregen.

Joachim Reinig

wohnbund-informationen 1/2003

Editorial

baut und bleiben in ihrer Verbreitungweit hinter dem Thema „Energie-sparen“ zurück. Beim Einsatz umwelt-freundlicher Materialien herrschtebenfalls große Zurückhaltung. Meistüberwiegt der wirtschaftliche Faktorund es werden auf Grund ihrer Ökono-mie billige Materialien bevorzugt, diein der Regel nicht immer die umwelt-freundlichste Lösung darstellen. Hinzukommt, dass z.B. allein in Bayern täg-lich 26 Hektar Boden zugebaut1 und inden Städten immer mehr Fläche durchSiedlungs- und Verkehrsflächen bean-sprucht werden. Dennoch: der allei-nige Trend zum freistehenden Ein-familienhaus scheint nach einerUmfrage im Jahr 2001 unter 70 000mosaik- und Stern-Lesern gebrochenund ökologische Materialien werdengleichermaßen mit der Größe der Woh-nung als entscheidendes Kriterium zurBewertung der Wohnqualität genannt2.

Ein entscheidendes Bewusstseinzum Durchbruch einer umweltge-rechten Wohn- und Baukultur scheintjedoch nach wie vor zu fehlen, obwohldie Entwicklung des Wohnungs- undSiedlungsbaus die Tendenz aufweist,dass Umweltfreundlichkeit und Nach-haltigkeit mit einer größeren Selbst-verständlichkeit als noch vor einigenJahren thematisiert und umgesetztwerden.

So wurden in den letzten 20 Jahrenin Deutschland rund 150 Projekte mitzusammen etwa 15 000 Wohnungen(darunter die Vorzeigestadtteile Han-

1) Vgl. Gauzin-Müller, D.: „Nachhaltigkeit in Archi-tektur und Städtebau“, Berlin 2002

2) Bausparkasse Schwäbisch Hall und Stern:Ausschreibungsunterlagen zum Wettbewerb„sternstadt“. Hamburg, 2001

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3wohnbund-informationen 1/2003

nover-Kronsberg mit 2700 WE undFreiburg-Vauban mit rund 2000 WE) ineinem ökologischen Kontext erstellt[www.oekosiedlungen.de]. Ihr Anteilläge nach eigenen Berechnungen undunter der Annahme, dass alle Woh-nungen im baukonjunkturschwachen2001 erstellt worden wären, bei knapp5% der Neubauten. Dennoch zeigenStudien aus Baustoffhandel und vonBausparkassen, das in den nächstenJahren von optimistischen Wachstums-raten von jährlich 25–30% ausgegan-gen werden kann.

Mit wachsender Erfahrung in derUmsetzung des umweltgerechten Bau-ens schreitet auch die Entwicklungund Optimierung der technischen Sys-teme voran, die das Sparen vonRessourcen in der Betriebsphase vonGebäuden erleichtern sollen. Für dieBewohner heißt die technische Opti-mierung, dass trotz des gewohntenKomforts und ohne dass eine Verände-rung ihrer Lebenspraxis erforderlichist, der Energie- oder Wasserverbrauchgesenkt wird. Dies hat jedoch zurFolge, dass sich das Bewusstsein derMenschen in bezug auf die Umweltnicht tiefgreifend wandelt. Unter Öko-logie wird lediglich eine Reihe vonReduktionszielen verstanden, die sichmit Hilfe technischer Maßnahmen rela-tiv mühelos erreichen lassen. Oftmalswerden diese aufgrund einer gestiege-nen Anspruchshaltung jedoch ausge-glichen oder sogar überkompensiert,wie Energiesparbemühungen, z.B.

Dämmmaßnahmen an Gebäuden,durch den Zuwachs des Wohnflächen-bedarfs. Langfristig tragfähig könnenin erster Linie bewusste Lebens- undDenkweisen sein, die insgesamt einenmaßvollen Umgang mit natürlichenRessourcen nach sich ziehen.

Einerseits kann eine Weiterentwick-lung des bisher Erreichten nur gesche-hen, wenn alle am Bauen Beteiligtendie Integration ökologischer, innovati-ver und sozialer Gesichtspunkte alsHerausforderung und als Chance füreine positive Zukunft begreifen. Ande-rerseits kann sich diese Entwicklungnur fortsetzen, wenn sie gleicherma-ßen durch Forschung gestützt undvoran gebracht wird.

Drei Entwicklungstendenzen werdenanhand der im folgenden vorgestelltenHochschularbeiten deutlich:

● eine Versachlichung bzw. Operatio-nalisierbarkeit der Diskussion umdie z.T. sehr emotional geführteDebatte um das ökologische Bauen,

● andererseits das Bemühen um dieIntegration bzw. Implementierungvon Nachhaltigkeitszielen, also sozi-aler, ökonomischer und ökologischerAspekte, in den Planungs- und Ent-scheidungsprozess

● eine Orientierung von reinen Ökolo-gie- zu Nachhaltigkeitskonzepten,da ökologische Konzepte erst in derKombination mit sozialen und öko-nomischen Komponenten tragfähigwerden

Aufgrund mittlerweile ausgereifterMethoden und verfügbarer Planungs-werkzeuge, ist es durchaus vorstell-bar, dass in der Fortentwicklung derEnEV 2002, in der erstmals die inÖkobilanzen gängige Primärenergie-kennzahl berechnet werden muss,eine erweiterte Ökobilanz von Gebäu-den gefordert werden könnte. Dies ist insofern wünschenswert, weil ineinem Passivhaus bis zu zwei Drittelnaller Primärenergieinputs in denGebäudematerialien liegen, dort alsonennenswerte Einsparpotenzialevorhanden sind.

Die große Herausforderung liegt –darauf kann man nicht oft genug hin-weisen – im Bestand. Für jedes neuerrichtete Gebäude durch welchesStoff- und Energieströme induziertwerden, wird ein altes Gebäude meistunnötigerweise abgerissen, waswiederum die knappen Deponien füllt.

Die bei der UN-Konferenz 1992 in Riode Janeiro anvisierte Nachhaltigkeitund CO2-Reduktion ist nur zu errei-chen, wenn das im Gebäudebestandvorhandene (energetische Einspar-)Potential genutzt und die Zahl derNeubauten auf ein Minimum reduziertwird.

Dennoch liegt der Schwerpunkt derHochschularbeiten auf dem Woh-nungsneubau, der ton- und trendan-gebend im Bauwesen ist. Solange hierkeine Änderungen abzusehen sind,bleibt dessen nachhaltige Planung undGestaltung ein wichtiges Kriterium.Erst dadurch kann verhindert werden,dass „neuer Altbaubestand“ errichtetund innovativen Entwicklungen nichtgenügend Raum gegeben wird. ■

Impressum

wohnbund-informationenMitgliederzeitung des wohnbund e.v.Herausgeber und Redaktionsadresse:

wohnbund e.v.Aberlestraße 16/Rgb81371 München

Telefon 089-74 68 9611Fax 089-725 5074E-Mail: [email protected]

Redaktion: Holger Wolpensinger, Peter Schmidt

Layout und technische Bearbeitung: Bernd Hüller, [email protected]

Druck: Lichtpunkt medien e.K., München

Erscheinungsweise: viermal jährlich

Preis: Für wohnbund-Mitglieder kostenlosAbonnement: � 2,60 pro Ausgabe zzgl. VersandSammelbestellung (ab 10 Exemplare): � 1,50 pro Exemplar zzgl. VersandkostenAbo-Bestellung: per E-Mail, Telefon oder Fax an die Redaktionsadresse

Namentlich gekennzeichnete Beiträge gebennicht unbedingt die Meinung der Redaktionoder des wohnbund-Vorstandes wieder.

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neneinstrahlung reagiert. Pflanzen undWasserflächen im Zentrum jedes Hofesunterstützen die bioklimatische Wir-kung und schaffen ohne technischeHilfe schattige Kaltluftreservoire.

Sowohl Einzelgebäude als auchDorf-, Stadt-, oder Siedlungsstrukturender sogenannten anonymen Architek-tur passten sich den geographischenund wirtschaftlichen Gegebenheitender jeweiligen Umgebung und inhohem Maße auch den Bedürfnissender Menschen an und schafften klein-teilige, überschaubare Urbanstruktu-ren, die den Erfahrungsschatz vielerGenerationen repräsentieren. Zahlrei-che Orte und Gebäude sind in ihrerregionalen Formensprache nicht nur inökologischer sondern auch in ästheti-scher Hinsicht beispielgebend, da sienicht vordergründig auffallen, sondernsich in Landschaft und Umgebung ein-gliedern wollen.

Auch macht die anonyme Architek-tur deutlich, dass nicht nur eine per-fektionierte Technisierung von Gebäu-den zu energiesparenden Lösungenführen kann, wie dies heute vielfachpraktiziert wird. Sie zeigt, wie sichnaturverbundenes Bauen definierenkann, wenn es von ‚unverbildeten‘Baumeistern umgesetzt wurde. Deut-

wohnbund-informationen 1/20034

Doris Haas-Arndt, Hannover / Köln

Zur Ästhetik des umweltverträglichen Wohnungs- undSiedlungsbaus– ein kurzer Rückblick auf die Anfänge

Ökologischer Wohnungsbauheute

Umweltschonender Wohnungs- undSiedlungsbau erfährt angesichts derfortschreitenden Naturzerstörung eineerfreulich zunehmende Akzeptanz; inästhetischer Hinsicht führt er jedocheher ein Schattendasein. Zwar hat dasheute praktizierte ökologische Bauenunterschiedlichste Lösungsansätzehervorgebracht, die von einfacherFormgebung und zurückhaltendemUmgang mit modernen Technologienbis zu einer energieoptimierten High-Tech-Architektur reichen. Die über-wiegende Anzahl der heute als um-weltverträglich bezeichneten Bautenunterscheidet sich jedoch optischkaum mehr von den üblichen Varian-ten des modernen Wohnungsbaus. Da häufig auf einfache entwurflicheMaßnahmen zur Energie- und Res-sourcenersparnis verzichtet und viel-mehr auf eine effiziente Haustechnikzurückgegriffen wird, bleibt die Archi-tektur unspezifisch und universal undverzichtet auf eine eigene ästhetischeIdentität. Die gestalterische Anglei-chung mag zwar den Vorteil haben,dass umweltrelevante Aspekte zurSelbstverständlichkeit werden undkeine Sonderstellung mehr einneh-men, sie birgt aber auch die Gefahreiner Nivellierung der ursprünglichwesentlich diffizileren Werte ökologi-scher Architektur.

Überdies kann Architektur durchausbereichernd sein, wenn sie mit gestal-terischen Normen bricht und dadurchmenschenfreundlichere Wohnorteschafft. Das heutige Erscheinungsbildvon Architektur, Stadt und Umweltwirft ohnehin seit längerem die Frageauf, ob eine Baukultur, die sich näheran den natürlichen Bedingungenorientiert, nicht auch eine Chance zueinem neuen, gestalterischen Weg bie-tet, der sich weg bewegt von der viel-fach beklagten Anonymität und Aus-tauschbarkeit moderner Architektur.

Doch welche Formensprache könnteeiner ökologischen Architekturtheorieentsprechen?

Besinnt man sich auf die Ursprüngedes umweltschonenden Bauens, sowird schnell deutlich, dass die gestal-terischen Perspektiven der Ökologietendenziell in eine andere Richtungwiesen als die klassisch konzipierteArchitektur. Die Versöhnung vonMensch und Natur sollte ihren Wider-hall in der Gestaltung einer humanen,überschaubaren Umwelt finden, dieden physischen und psychischenBedürfnissen und gleichermaßen denökologischen Notwendigkeiten einerStadt gerecht wird, unabhängig vonjeder zeit- und modegebundenenGestaltung.

Vorläufer der ökologischenArchitektur und ihrer Denkansätze

Anonyme Architektur

Der Versuch, die ästhetischen Kompo-nenten der ökologischen Architekturzu erfassen, stellt zwangsläufig dieFrage nach ihren Vorbildern und ihrergeistigen Herkunft. Die Wurzeln desumweltschonenden Bauens sind in dereinfachen, regional unterschiedlichgestalteten Gebrauchsarchitektur zufinden, die sich von je her auf differen-zierte Weise im Einklang mit der Naturbefand. In alten, traditionellen Kultu-ren war es überlebenswichtig, in jederKlimazone und Landschaft eigeneHaustypen mit den am Ort vorkom-menden, natürlichen Materialien her-vorzubringen, die sich in der Lagezeigten, mit einfachsten technischenMitteln vor Regen, Hitze und KälteSchutz zu bieten.

Noch heute wird z.B. in südlichenKlimazonen mit massiven, geschlosse-nen, weiß gestrichenen Wänden oderbepflanzten, geschützten und nachinnen orientierten Atriumhöfen, diesich nachts mit kühler Luft füllen, aufeffektivste Weise auf eine möglicheÜberhitzung der Räume durch die Son-

Bergdorf Positano

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5wohnbund-informationen 1/2003

lich wird dabei die Wichtigkeit derErmittlung von Grundlagen vor demeigentlichen Entwurfsprozess undderen Einfluss bei der Umsetzung indas Gebaute. Angesichts der Aus-tauschbarkeit von Architektur ist esüberdies notwendig geworden, wiederein Bewusstsein dafür zu entwickeln,dass sich mit der gebauten Umgebung,der sogenannte genius loci, der ‚Geist‘eines Ortes, massiv verändert und keinstädtisches Gebäude für sich alleinexistiert, sondern erst im Zusammen-wirken mit anderen atmosphärischwirksam ist.

Das organische Bauen

Die organische Baukultur, die sich biszum Ende des 19. Jahrhundertszurückdatieren lässt, hatte für das heu-tige ökologische Bauen eine Art Vor-bildfunktion und weist inhaltlicheÄhnlichkeiten auf. Kaum eine Archi-tekturrichtung hat sich in so funda-mentaler Weise mit der Verbindungvon Natur und Gebäude auseinander-gesetzt und dafür so ungewöhnlichebauliche Lösungen gefunden. Die bei-spielhafte Präzision organischer Archi-tekten in der Vorbereitung eines Bau-werks wird in dieser Form ebenfallsnur noch selten praktiziert. An denorganisch gebauten Beispielen wirderkennbar, dass die entwerfendenArchitekten eine Synthese zwischeneiner natürlichen Integration vonGebäuden in ihr Umfeld und einerästhetisch anspruchsvollen Formge-bung herstellen konnten, ohne sichdabei an bestimmte formale Vorgabenzu halten.

Im Gegensatz zur heute in denVordergrund gestellten zeitgeistabhän-gigen Gestaltung von Gebäuden,besann sich der organische Ansatz aufdas eigentliche Wesen einer Bauauf-gabe und versuchte, hierfür die in derFunktion und den späteren Tätigkeits-abläufen begründete Form zu finden,ohne dass rein formale Gesetzmäßig-keiten gestaltbestimmend zugrundegelegt wurden. Im Gegensatz zurangestrebten Universalität des damalsvorherrschenden internationalen Stilsder Moderne, waren die Protagonistendes organischen Bauens1 bestrebt, denkomplexen Bedürfnissen des Men-schen gerecht zu werden, ohne dassdie Natur dabei größeren Schadennahm und stellten die klimatischen

Bedingungen, die regionalen Traditio-nen und die funktionalen Vorgabender Bauaufgabe in den Vordergrund.

Nicht zuletzt aus Protest gegenästhetische Normen und Regelwerke,die eine verfestigte Ordnung vorgaben,gelang es dem organischen Bauen,eine visuelle Ästhetik mit einer sinn-lichen Komponente zu koppeln. Dieorganische Architektursprache konntejedoch nicht grundsätzlich mit einemnaturähnlichen, kurvenreichen For-menrepertoire gleichgesetzt werden,wie vielfach angenommen wird. AlleFormen, auch geometrische, konntenVerwendung finden, wenn sie demWesen der Aufgabe entsprachen. Ent-scheidend war die Art und Weise, wiesie im Entwurf eingesetzt wurden.

Ökologische Pionierprojekte

Das Architekturverständnis, wie es inder Ökologiebewegung der sechzigerund siebziger Jahren formuliert wurde,versuchte eine erneute Verbindungvon Mensch und Natur herzustellenund distanzierte sich konsequent vonrein akademischen und stilistisch vor-gegebenen Formvorstellungen. Gebäu-de wurden wieder eingebettet in dieTopografie von Landschaft oder Grund-stück, entsprechend den Himmelsrich-tungen ausgerichtet und bestandenaus Baumaterialien, die sich durcheine natürlich alternde Patina aus-zeichneten. Wenn sie in aller Konse-quenz geplant wur-den, stellten sie einKreislaufsystem dar,das Energie, Wasserund organischeAbfälle sammelt,speichert, erzeugtund in den natür-lichen Materialkreis-lauf zurückführt.

Die Pionierprojek-te dieser Bauweiseentfernten sich weitvon einer formalbestimmten Gestal-tung. Die eigenwilli-ge Formgebung der Gebäude übte sichzwar nicht in einer Zurückhaltung dergestalterischen Mittel, jedoch nicht umAufsehen zu erregen oder vordergrün-dig schockieren zu wollen, sondern

einerseits aus der Konsequenz derökologischen Anforderungen undandererseits aus der Lust heraus, zumbekannten Gleichmaß der modernenArchitektur einen Kontrapunkt zu set-zen. Der ästhetische Reiz der unge-wöhnlichen Formen, Farben und Mate-rialien der ökologischen Architektur

wurde jedoch von der vorherrschen-den Ästhetikauffassung nicht als Qua-lität akzeptiert.

Stadt- und Siedlungsplanung

Dem Gedankengut der ökologischenStadtplanung steht die Idee der soge-nannten ‚Gartenstadt‘ nahe, derenUrsprung in den sozialen und städte-baulichen Reformbestrebungen der

Siedlung Laher Wiesen

1) u.a. Hugo Häring, Hans Scharoun, Frank LloydWright oder Richard Neutra

Titel der Dissertation:Doris Haas-Arndt: Ästhetische Qualitätendes ökologischen Bauens und Wohnens –Ein Beitrag zu neuen Ansätzen in derArchitekturkonzeption. Hannover, 1999

Die Autorin:

Doris Haas-Arndt, Dr.-Ing. Architektin, Hannover / Köln. – Von 1993 bis 2000 wissenschaftliche Mitar-beiterin an der Universität Hannover, Institutfür Bautechnik und Entwerfen, Abteilung Tech-nischer Ausbau und ressourcensparendesBauen, bei Prof. Dr. Margrit Kennedy – 1996 bis 2001 Lehrauftrag am FachbereichArchitektur der Universität Hannover für ener-gie- und ressourcensparendes Bauen im Neu-bau und im Bestand– 2001 Grundlagenforschung zum Thema„Energetische Sanierung von Vorhangfassa-den“ am Institut für Entwerfen und Baukon-struktion der Universität Dortmund– Seit September 2001 Vertretungsprofessorinam Institut für Technik und Ökologie der Fach-hochschule Köln für die Fachgebiete Techni-scher Ausbau, Ressourcenschonendes Bauenund Tageslichttechnik

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zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertsliegt. Um die Vorteile des städtischenLebens mit denen der beschaulichenLändlichkeit zu kombinieren, wendensich die Gartenstadtanhänger ab vomdamaligen Mietskasernentypus, derihnen weder Wohnlichkeit noch Natur-nähe bietet und ordnen jeder Woh-nung einen eigenen Nutzgarten zurSelbstversorgung zu.

Sowohl für die wesentlichen Prinzi-pien des ökologischen Siedlungsbausals auch für spätere visionäre städte-bauliche Ideen sind Gartenstädte häu-fig Leitbild gewesen und ebneten denWeg für heutige Erkenntnisse in Berei-chen der Wohn- und Lebensqualität.Hohe Verdichtung und städtebaulicheDurchgrünung haben ihre Gültigkeitals Ziele des ökologischen Wohnungs-baus bis heute behalten. Einige Ele-mente des Gartenstadtgedankens undderen Weiterentwicklung finden sichnoch heute im modernen verdichtetenFlachbau wieder, jedoch bleiben heuterealisierte Siedlungsprojekte sowohl inihrer stadträumlichen als auch in ihrergestalterischen Qualität hinter denGartenstadtsiedlungen oft zurück.

Ökologische Entwurfs- undGestaltungsprinzipien

Heute konzentriert sich die ökologi-sche Idee in erster Linie darauf,Gebäude mit niedrigem Energie- undRessourcenverbrauch zu erstellen unddabei nach Möglichkeit auf erneuer-bare Energieformen, wie z.B. Sonnen-einstrahlung, Luftströmungen, Spei-chermassen und Erdwärme zurückzu-greifen, um den Heizungs-, Kühlungs-,Lüftungs- und Strombedarf zu decken.Neben den Maßnahmen zur Minimie-rung des Energieverlustes, wie eineausreichende Wärmedämmung sowieeine möglichst dichte Gebäudehülle,ist für den Energiehaushalt das vor-handene, regenerative Energiepoten-tial des Standortes entscheidend.

Einfachstes Entwurfsprinzip, um diesolare Einstrahlung zur Raumerwär-mung mit zu nutzen, ist die Ausrich-tung des Gebäudes nach den entspre-

chenden Himmelsrichtungen. Währenddie Nordfassade möglichst geschlossenausgebildet wird, öffnet sich die Süd-,Ost- oder Westfassade zur Sonne.Kombiniert mit entsprechenden Ver-schattungsmöglichkeiten im Sommer,kann die sogenannte passive Solar-energienutzung einerseits durch eineGrundrisszonierung und andererseitsdurch einen Wintergarten als unbe-heizte, thermische Pufferzone, in vie-len Fällen noch verbessert werden.Ausreichend speicherfähige Wändeund Böden unterstützen das solareKonzept und geben die aufgenommeneWärme auch noch längere Zeit nachder Sonneneinstrahlung an den Raumab.

Eine kompakte, einfache Gebäude-form, die Lage des Gebäudes innerhalbder Topographie, entsprechendeWindschutzmaßnahmen, die Beeinflus-sung des Mikroklimas durch Vegeta-tion und Außenraumgestaltung, bildenweitere entscheidende Entwurfs- undGestaltungskriterien des umweltscho-nenden Bauens. Die Einbindung desGebäudes in seine unmittelbare Umge-bung, die in Vergessenheit gerateneBeachtung des genius loci, die Regio-nalität sowie die natürlichen, standort-bedingten und sozialen Vorgaben sindweitere Aspekte, die sich in vielerleiHinsicht ergänzen ließen. Werdendiese einfachen Grundprinzipien kon-sequent eingehalten und mit der Ver-wendung natürlicher Materialien undOberflächen kombiniert, ist dies bereitsvon einer Veränderung im architekto-nischen Erscheinungsbild begleitet. Ineinen städtebaulich anspruchsvollenZusammenhang integriert, belebenökologische Aspekte die Atmosphäredes Ortes meist positiv, da sie durcheine sinnvolle Kombination aus Belich-tung, Belüftung, Besonnung undBegrünung die Sinne auf natürlicheWeise anregen.

Grundvoraussetzung für die soge-nannte Nachhaltigkeit beim Bauen istin erster Linie, ökologische Daten als

gleichwertige Planungsfaktoren anzu-erkennen und sie bewusst in den Bau-und Planungsprozess zu integrieren, sodass die Gebäudeästhetik hiervonnicht unbeeinflusst bleibt. Zukunfts-weisendes Entwerfen heißt deshalbauch, Grundrisse flexibel zu halten undden heutigen Bedürfnissen und Wohn-formen anzupassen: Paare, Allein-erziehende, Wohngemeinschaften undSingles treten zunehmend an dieStelle der klassischen Kleinfamilie undstellen heute keine provisorischeWohnform mehr dar. Normierte Grund-risse und einengende Vorgaben imWohnungsbau, denen nach wie vordie Kriterien der Kleinfamilien zugrun-de gelegt werden, lassen jedochwenig Spielraum für Lebensstil undindividuelle Entfaltung. Neue Leitbilderkönnten hier die Entwicklung und Pla-nung alternativer und kreativer Wohn-modelle beleben, die darüber hinausauch noch der Umweltverträglichkeitund einer ästhetischen LebendigkeitRechnung tragen.

Die Verflechtung von ökologischenund kreativen Planungsansätzen undeiner folgerichtigen Gestaltung derArchitektur würde bedeuten, dassGebäude nicht mehr gesichts- undeigenschaftslos oder als abstrakteSkulpturen gebaut werden, sondernumweltschonende Aspekte, solareAusrichtung, natürliche Materialhaftig-keit und lebendige Bewohnbarkeit ineinem Entwurf erkennbar bleiben undihm ästhetische Prägnanz verleihen.Auf diese Weise könnte ein lang-fristiges Bewusstsein für ökologischeInhalte und Ideen entstehen. Wennumweltschonende und nachhaltigeKriterien wirklich Einfluss auf zukünf-tige Entwürfe gewinnen sollen, wiedies vielfach behauptet wird, bedarf es jedenfalls einer tiefgreifendenÄnderung in der Architektur- undStadtplanung.

Kontakt: Doris Haas-ArndtTel/Fax: 0511-69 85 35E-Mail: [email protected]

wohnbund-informationen 1/20036

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7wohnbund-informationen 1/2003

■ Um der immer weiter wachsendenweltweiten ökologischen Krise ent-gegenzuwirken ist ein Umdenken inunserer heutigen Stadt- und Sied-lungsplanung notwendig. Da der Städ-te- und Siedlungsbau maßgeblich andieser Krise beteiligt sind, muss hiereine Ursachenbekämpfung stattfinden.Durch einen konsequent ökologischenund baubiologischen Ansatz kanndiese erreicht werden.

Vorraussetzung eines Wechsels hinzu einem ökologischen und baubiolo-gischen Städte- und Siedlungsbau sind fundierte wissenschaftliche Ver-gleichsanalysen. Auf dieser Basis ist es möglich ökologische Standards zudefinieren, welche dann als Rahmen-bedingungen sämtliche Planungenmaßgeblich anleiten können. Zur Durch-setzung dieser Rahmenbedingungenist Konsequenz innerhalb der politi-schen Ebene „von oben“ wie innerhalbder gesellschaftlichen Ebene „vonunten“ gefordert. Momentan ist diesleider noch nicht der Fall. Gute Ansätzeverlaufen im Sande oder die Entschei-dungsträgerInnen verstricken sich inHalbwahrheiten, welche dann zuscheinheiligen Kompromissen führen.

In der Geschichte des ökologischenund baubiologischen Bauens sowiedes ökologischen Siedlungsbaus gibtes viele unterschiedliche und interes-sante Beispiele. Deren Entwicklunglegt dar, was heute auf diesem Gebieterreicht werden kann. Als Überblick zu dieser Geschichte habe ich zweiaktuelle Fallbeispiele, die „Kronsberg-

Siedlung“ in Hannover, Deutschlandund die „EVA-Lanxmeer-Siedlung“ inCulemborg, Niederlande, miteinanderverglichen. Die dort angewandten öko-logischen Konzepte werden von mirdargestellt, analysiert und bewertet.

Die zwei Fallbeispiele wurden aus-gewählt, da an ihnen aufgezeigt wer-den kann, wie unterschiedlich an dasThema des ökologischen Siedlungs-baus herangegangen werden kann.Sie geben einen Ausschnitt dessenwieder, was momentaner Stand imökologischen Siedlungsbau ist. Es sindProjekte, die teilweise noch nichtabgeschlossen sind und die sich trotzder unterschiedlichen Rahmenbedin-gungen an verschiedenen Kriterienmessen lassen. Die beiden Siedlungensind in unterschiedlichen Ländern undmit unterschiedlichen Voraussetzungen

Katrin Klemme, Stuttgart

Ökologische Standards im Siedlungsbau

Kronsberg

realisiert worden. Zur Strukturierungeines Vergleiches, wurden die folgen-den zehn unterschiedlichen ökologi-schen Aspekte untersucht:

1. Energie/Ressourcen/Klima/Luft2. Wasser/Abwasser 3. Baustoffe/Materialien 4. Abfall 5. Boden 6. Landschaftsraum/Freiflächen-

und Grünplanung 7. Verkehr/ÖPNV/Mobilität 8. Versorgung/Arbeit 9. Kultur/Soziales/Partizipation

10. Städtebau/Architektur

Die „Kronsberg-Siedlung“ ist ein EXPO2000 Projekt, wurde „von oben“geplant, d.h. die Stadt Hannover, derBund sowie einige große BauträgerIn-nen sind die InitiatorInnen und Geld-geberInnen. Durch das Leitthema derEXPO 2000: „Mensch-Natur-Technik“wurde hier versucht, einen Stadtteil zurealisieren, welcher ganz im Zeichender Agenda 21 steht und ökologische,ökonomische und soziale Aspektegleichermaßen mit einbezieht. Eswurde der sogenannte „Kronsberg-Standard“ entwickelt. Dieser gilt alsverpflichtende Vorgabe für alle Bau-herrInnen. Hier sind grundlegendeökologische Kriterien verankert, wie z.B. das Baustellenabfallkonzept oderdas ökologische Bodenmanagement.

Kronsberg

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Die Bruttobaulandfläche ist 130 ha, aufder 6000 WE für 15 000 Menschenentstanden sind. In Deutschland wardie „Kronsberg-Siedlung“ die erste mitökologisch ehrgeizigen Zielen reali-sierte Siedlung in dieser Größe, womitsie Modellcharakter erlangte. Mittler-weile bzw. zeitgleich sind einige wei-tere Projekte mit vergleichbarer Größein Deutschland realisiert worden (Frei-burg-Vauban; München-Riem; Franz.Viertel, Tübingen).

Die „EVA-Lanxmeer-Siedlung“ ist aufInitiative der privaten „EVA-Stiftung“ins Leben gerufen worden und mitUnterstützung der Gemeinde Culem-borg verwirklicht worden. Durch diePlanung „von unten“, d.h. maßgeblichdurch die BauherrInnen selber, ent-steht hier die erste ökologische Sied-lung auf einer Bruttobaulandfläche von24 ha. Geplant sind insgesamt ca. 200WE für 500 EinwohnerInnen. VonAnfang an wurden ganzheitliche undbaubiologisch-ökologische Kriterienbeachtet. Ein wichtiges Kriterium beidieser Siedlung ist der Permakultur-Gedanke. Das bedeutet, die gesamteSiedlung und ihre umliegenden Frei-

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Kronsberg – Lageplan

EVA-Wohnhöfe

sondern auch Nahrung und sinnlicheErfahrung geben. Dieser ganzheitlicheAnsatz ist auch in dem integriertenDienstleistungs- und Büroquartier zuerkennen und so ist die angestrebteMischnutzung nicht ein unkontrollier-tes Aneinanderreihen der Funktionensondern ein auf gegenseitiges Wirkenangelegter spürbarer Teil des Ganzen.Trotz der unterschiedlichen Rahmen-bedingungen zeigte sich in der Unter-suchung, dass ein ökologischer Stan-dard gefunden werden kann. DieUmsetzung ökologischer Kriterienscheiterte meist nicht an den unter-schiedlichen Voraussetzungen, demGeld oder dem Können, sondern ander Inkonsequenz der betroffenenPersonen, die für die Planung undDurchführung zuständig sind. Bei der„EVA-Lanxmeer-Siedlung“ wurden die ökologischen Konzepte bislangkonsequent umgesetzt, da die Kriterienvon den BauherrInnen selbst aufge-stellt wurden und eine Selbstkontrolle,welche in dieser Siedlungsgröße effek-tiv machbar ist, stattfinden konnte undimmer noch stattfindet. Dies konntebei der „Kronsberg-Siedlung“ nichterfolgen, da die Siedlung zum einen zugroß ist und unter Zeitdruck entstehenmusste (Expo). Weiterhin sind die jetzi-gen BewohnerInnen zu spät in denPlanungsprozess mit einbezogen wor-den. Diese defizitäre Beteiligung hattezur Folge, dass Fehlplanungen statt-fanden und die Selbstkontrolle nicht indem erwünschten Masse vorhandenwaren. Einzelne Projekte, die beson-ders ökologische Kriterien erfüllen,wurden hervorgehoben und extraunterstützt, andere aber wurden nichtim gleichen Maße gefördert. Dieanfangs formulierten recht hohenAnsprüche traten mehr und mehr inden Hintergrund. Die ökologischenAnsätze konzentrierten sich in der

flächen als ein System zu sehen, wel-ches sich selbst erhält und nach ökolo-gisch-kypernetischen Prinzipien orga-nisiert wird. Die Siedlung soll nicht nurWohnraum, Arbeit und Schutz bieten,

Die Diplomarbeit „Ökologische Standardsim Siedlungsbau“ ist im Wintersemester2001/2002 an der Universität Stuttgart,Fakultät Architektur und Stadtplanung,entstanden. Im Internet ist sie unter www.oekosiedlungen.de/hochschularbeiten als pdf-Datei abrufbar.

Die Autorin:

Katrin Klemme, Dipl.-Ing. (Architektur u.Stadtplanung), anerkannte Baubiologin IBN

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EVA-Lageplan

„Kronsberg-Siedlung“ sehr stark aufdie technischen Konzepte und eswurde die ganzheitliche Betrachtungs-weise vernachlässigt. Themen wienatürliches und künstliches Licht,Farbwirkungen, Größenverhältnisse,Sinneswahrnehmungen, Elektrosmog,Permakultur (Vernetzung einzelnerunterschiedlicher Ökosysteme), etc.wurden nicht aufgegriffen und ist inder Siedlung als Defizit spürbar.

Notwendig ist aber ein gemeinsamerökologischer Standard, ein Forde-rungskatalog, der je nach Nutzung,Lage, individuellen Bedürfnissen, etc.variiert werden kann, aber als obers-tes Planungsziel Pflicht ist.

Abbildungen: Kronsberg: Modell Kronsberg. Hrsg.: Landeshauptstadt Hannover. Hannover, 2000;EVA: stedebouw&architectuur. Jahrgang 18, Nr. 2/2001

Kontakt: Katrin KlemmeTel.: 0711-6 20 96 54E-Mail: [email protected]

Holger Spies-Wallbaum, Wuppertal

Denk- und Kommunikationsansätze zur Bewertungdes nachhaltigen Bauens und WohnensEin Beitrag zur Erfassung des gegenwärtigen Standes der Diskussion und zur Anwendbarkeit auf ein konkretes Beispiel

■ Auf dem Weg zu einer nachhaltigenEntwicklung nimmt das HandlungsfeldBauen und Wohnen eine herausragen-de Stellung ein. Die Bauwirtschaft isttrotz ihrer kritischen Situation mit ca.100 Mrd. Euro Jahresumsatz ein zen-traler Wirtschaftsfaktor in Deutschland.Sie bietet rund einer Millionen Men-schen einen Job. Gleichzeitig sind inden letzten Jahren in keiner anderenBranche so viele Insolvenzen undArbeitsplatzverluste zu vermeldengewesen. Darüber hinaus sind immen-se Ressourcen und Flächenverbräuchesowie heizwärmebedingte Emissionenauf Grund baulicher Aktivitäten zukonstatieren.

Vielfältige wissenschaftliche, politi-sche und wirtschaftliche Anstrengun-gen sind in der Vergangenheit auf dernationalen und internationalen Ebene

unternommen worden, um diesensicherlich nicht als nachhaltig zubezeichnenden Entwicklungen Einhaltzu gebieten; doch bisher ohne sicht-baren Erfolg.

Diese Arbeit versucht den Ursachenfür diese Missstände zunächst in einerumfassenden Betrachtung der Diskus-sion über nachhaltiges Bauen undWohnen und daran anschließend amBeispiel des Neubaus der ÖkologischenWohnsiedlung Flintenbreite in Lübeckauf den Grund zu gehen und Auswegedaraus aufzuzeigen. Zu diesem Zweckwerden unterschiedliche Bewertungs-konzepte verwendet, die einemAnspruch an eine lebenszyklusweiteBetrachtung gerecht werden. Im ein-zelnen sind dies für die ökologischen

Belange das Softwaretool GaBi (Ganz-heitliche Bilanzierung) des Institutesfür Kunststoffkunde und Kunststoffprü-fung der Universität Stuttgart, dasMIPS-Konzept (Materialintensität proServiceeinheit) des Wuppertal Institu-tes für Klima, Umwelt, Energie sowiedas Softwaretool GEMIS (Gesamt Emis-sions Modell Integrierter Systeme) desÖko-Institutes. Zur Beurteilung derQuantität und Qualität der Flächennut-zung wurde eigens ein Berechnungs-verfahren auf Basis von Hemerobiestu-fen entwickelt, das den Natürlich-keitsgrad einer Fläche abbildet. Dieökonomischen Belange werden u.a.mit dem BKI-Kostenplaner des Bau-kosteninformationszentrums analysiert.Zur Beurteilung der sozialen Aspektewird ein eigenes Untersuchungsrasterauf Grundlage nationaler und interna-

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wohnbund-informationen 1/200310

tionaler Diskussionen entwickelt undangewendet.

Neben der Berücksichtigung allge-mein akzeptierter ökologischer Indika-toren wird in dieser Arbeit auch derVersuch unternommen, ökonomischeIndikatoren und Indikatoren zur Messungder Sozialverträglichkeit von Sied-lungskonzepten zu erstellen und anhandeines praktischen Beispiels auf ihrePraxistauglichkeit hin zu überprüfen.

Zur Beurteilung des Standes dernachhaltigen Entwicklung der Ökolo-gischen Wohnsiedlung Flintenbreitewerden 15 Indikatoren verwendet. Essind dies:

● Der Total Material Requirement (TMR)

● Der kumulierte Energieaufwand(KEA)

● Das Global Warming Potential bezo-gen auf 100 Jahre (GWP 100)

● Die Flächennutzung

● Der Wasserverbrauch

● Die Planungs- und Durchführungs-kosten

● Die Errichtungs- oder Herstellungs-kosten

● Die Nutzungskosten inkl. der Instand-haltungs- und Wartungskosten

● Die Rückbaukosten

● Der Mietspiegel

● Die Altersstruktur der Einwohner

● Die Einkommensstruktur der Ein-wohner

● Die Arbeitslosenrate der Einwohner

● Der Anteil erwerbstätiger Frauen ander berufstätigen Bevölkerung

● Die Partizipationsmöglichkeiten derBewohner

Zur Beurteilung und Visualisierung dereinzelnen Indikatoren wird die amWuppertal Institut entwickelte COM-PASS-Methodik (Companies’ and Sec-tors’ path to Sustainability) angewen-det, die auf Basis des deutschen Schul-notensystems den Zielerreichungsgradeines Indikators von 1 bis 6 bewertetund mittels einer grün-gelb-roten-Beampelung für alle Akteure kommu-nikationsfreundlich in einem sog. Indi-katorenbaum bzw. dem dazugehörigenNetzdiagramm (Abb. 1) aufbereitet.

Da der Bauprozess in der Ökologi-schen Wohnsiedlung Flintenbreite aufGrund der Insolvenzen zweier Bauträ-ger nur deutlich verzögert vorangeschritten ist und heute erst 26 dergeplanten 119 Wohneinheiten fertiggestellt wurden, musste der Betrach-tungsansatz im Laufe der Arbeit redu-ziert werden, um noch aussagekräftigeErgebnisse zu erzielen. Als zentraleElemente der Betrachtung wurdensomit der Hochbau und das erstmaligin dieser Größenordnung eingesetzteAbwasserkonzept fokussiert. DasAbwasserkonzept basiert auf einerVakuumtechnik, die aus den Flugzeug-oder ICE-Toiletten bekannt ist. Dieseszukunftsweisende integrierte Abwas-serkonzept berücksichtigt neben derWassereinsparung (nur 1 Liter proSpülgang) die Nutzung von Nährstoffenund des Energieinhalts von Fäkalienund Bioabfall. Dazu wird innerhalb desKonzeptes eine separate Behandlungder Teilströme Grauwasser (Abwasserohne Fäkalien), Schwarzwasser (Toilet-tenabwasser), Regenwasser und Bio-abfall durchgeführt. Die gemeinsame

Abb. 1 – Netzdiagramm

Bioabfall- und Fäkalienvergärung führtdann zu einer Gewinnung von Biogas,das in dem siedlungseigenen Block-heizkraftwerk zur Energieerzeugungeingesetzt wird. Drei Pflanzenkläranla-gen werden zur Reinigung des Grau-wassers genutzt. Das Regenwasserversickert direkt über Mulden auf dem4,9 Hektar großen Siedlungsgelände.Der bei der anaeroben Behandlungverbleibende Flüssigdünger wird ineinem Speicherbehälter gesammeltund an die Landwirtschaft abgegeben.So können Nährstoffkreisläufegeschlossen werden.

Da die Note 1 die bestmöglicheBewertung darstellt, zeigt die Abbil-dung, dass noch ein gewisses Optimie-rungspotential für die meisten Indika-toren vorhanden ist. Es wird deutlich,dass die Möglichkeiten der Partizipa-tion für die Bewohner der Siedlung alssehr positiv und die perspektivischenRückbaukosten für das Gebäude alsrecht niedrig bewertet werden, sichgleichzeitig aber hinsichtlich der Flä-

chennutzung, des Mietpreises und desWasserverbrauchs deutliche Schwä-chen offenbaren.

Anders stellt sich die ökologischeBeurteilung des Abwasserkonzeptesder Ökologischen Wohnsiedlung Flin-tenbreite (Vergärung) dar (siehe Abbil-dung 2). Im Vergleich mit einer kom-munalen Kläranlage, einer Kleinklär-anlage und einer Kompostvariantekonnte die Vergärungsvariante für dievier betrachteten Indikatoren überzeu-gen. Die Kleinkläranlage schnitt beieinigen ökologischen Indikatoren bes-ser ab, wobei sie in der ebenfallsdurchgeführten Betrachtung der jähr-lichen Kapitalkosten schlechter lag.Abschließend wurde noch eineBewohnerbefragung hinsichtlich derAkzeptanz des integrierten Abwasser-konzeptes durchgeführt, die zu rechtermutigenden Ergebnissen geführt hat.Bis auf einige Interventionen bezüglichder Lautstärke des Systems, würde das

Titel der Arbeit: Denk- und Kommuni-kationsansätze zur Bewertung des nach-haltigen Bauens und Wohnens

Der Autor

Holger Spies-Wallbaum, Dr.-Ing., bis 12/2001Projektleiter am Wuppertal Institut und seitdemfreier Mitarbeiter; geschäftsführender Direktorder Beratungsgesellschaft Triple Innova fürKlima, Umwelt, Energie

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Gros der Bewohner das Konzept imFalle einer erneuten Entscheidungs-möglichkeit wieder wählen.

Trotz teilweise positiver Ergebnissemuss festgestellt werden, dass dieseBaumaßnahme bezogen auf den Hoch-bau keinen wesentlichen Beitrag inRichtung eines nachhaltigeren Bauensleistet. Bei dem Abwasserkonzeptwerden entsprechende Potentialeschon eher gesehen, obwohl auch

hier noch Optimierungsreserven be-stehen.

Eine wesentliche Voraussetzung fürdie erforderliche Optimierung ist eineverbesserte Kommunikation allerbeteiligten Akteure. Es bedarf hierzujedoch neuer Denkansätze und Hand-lungsmöglichkeiten, um die Chancenwahrzunehmen, die sich daraus erge-ben, auch über die Fachgrenzen hin-weg zu agieren, die Fähigkeit zur Kom-

munikation als Schlüssel gemein-schaftlichen Handelns zu erkennenund sich für neue Wege zu öffnen.Dazu müssen alle Akteure, privateFunktionsträger und gewählte Vertre-ter, zu der notwendigen Bildung undQualifizierung beitragen.

Insgesamt bedarf es nationaler undinternationaler Anstrengungen, um dieRahmenbedingungen in Richtungeiner nachhaltigen Entwicklung zuverändern. Die Bundesrepublik hat mitihrer jetzt verabschiedeten Nachhaltig-keitsstrategie einen wichtigen Beitragunternommen, den es aber noch mitLeben zu füllen gilt. Darüber hinausmuss auf der internationalen Ebenedringend eine veränderte ehrliche undzielkonformere Ausrichtung der Welt-leitverträge von WTO, ILO und UNEPangestrengt werden, ohne die einenachhaltigere Entwicklung auchweiterhin Utopie bleibt.

Kontakt: Holger Spies-WallbaumTel.: 0202-2 49 23 02E-Mail: [email protected]

11wohnbund-informationen 1/2003

Abb. 2 – Netzdiagramm Abwasserkonzept der Ökologischen Wohnsiedlung Flintenbreite

Holger Wolpensinger, Karlsruhe

Ökobilanzierung von Siedlungen

■ Die Ökobilanzierung ist eine Metho-dik, die in Untersuchungen von Sied-lungen bisher nicht angewandt wurde.In der Diplomarbeit sollte geklärt wer-den, ob sie aussagekräftige und rich-tungssichere Ergebnisse liefern kann.Konkret wird dies am Energiever-brauch einer Beispielsiedlung für dieThemenschwerpunkte Gebäude, Mobi-lität und dem allgemeinen Lebensstilder Bewohner untersucht. Als For-schungsgegenstand wurde die Sied-lung gewählt, weil an ihr globalpoliti-sche Ziele auf einen überschaubarenMaßstab herunter gebrochen werdenkönnen und weil sie komplex undvielfältig genug ist, um den Alltag vie-ler Menschen (und nicht nur einzelnerevtl. extremer Zeitgenossen) wider zuspiegeln.

Im folgenden wird am Beispiel einesNeubauentwurfs einer Wohnsiedlungmit 140 WE für 416 Bewohner und18100 m2 Wohnfläche ein neues Ana-lyseverfahren vorgestellt. Dabei han-

delt es sich um eine sog. bottom-up-Modellierung. In diesem Verfahrenwerden drei Szenarien entwickelt. ImStandard-Szenario wird von einerdurchschnittlichen Bebauung, einerdurchschnittlichen Mobilität und einemdurchschnittlichen Lebensstil derBewohner ausgegangen. Die Annah-men hierzu wurden ausentsprechenden Veröf-fentlichungen des statisti-schen Bundesamtes ent-nommen. Zudem wurdeein Best-Case-Szenariomodelliert, das sich anWerten gebauter ökologi-scher Siedlungen (sieheu.a. www.oekosiedlun-gen.de) und Erkenntnis-sen aus den Umweltwis-senschaften orientiert.Schließlich gibt es einWorst-Case-Szenario, in

dem energieaufwendige Aspekte desLebensstils bilanziert werden.

In allen Berechnungen werden diesog. Vorketten berücksichtigt, worun-ter Rohstoffabbau, Materialienproduk-tion und Baustofftransporte verstandenwerden. Als Umweltindikator wurdender Primärenergieinput (PEI) und das

0

20 000

40 000

60 000

80 000

100 000

45 00039 000

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Gesamtenergieverbrauch einer Siedlungin kWhPEI/EWa

Reduktionum 75%

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Abbildung 1

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Die Holzbauvariante (Best-Case) ver-braucht nur die Hälfte der PEI wie dieZiegel-Beton-Konstruktion. Die für denTransport von Aushub oder Baustoffennötigen Energiemengen sind im Nor-malfall vernachlässigbar. Lediglich derLkw-Transport der Baustoffe überlange Distanzen kann zur relevantenGröße werden. Im Beispiel waren dieseine Betonfertigelemente-Lieferungmit einem Gesamtgewicht von knapp16000 t über eine Entfernung von500 km von Hannover nach Karlsruhebzw. der Holzelementetransport ausdem 2000 km entfernten Skandina-vien (s. Abb. 2).

Was die Gebäude betrifft sind diegrößten PEI-Einsparungen eindeutigim Heizenergiebereich (Niedrigener-gie- oder Passivhausbauweise) undder Energieversorgung (im Best-Case:BHKW und Erneuerbare Energien) zuerreichen. An dritter und vierter Stellefällt der Strom- und Warmwasserver-

brauch ins Gewicht. Erst bei Passiv-häusern werden die PEI in den Bau-stoffen in einer Größenordnung von biszu 2/3 der Lebenszyklus-PEI relevant.Hier kann es sich lohnen, auf ener-giesparend produzierte Baustoffe wieHolz, Gasbeton und Lehm zurückzu-greifen. Damit kann man dem Zieleiner ZERO-Emission-Village schonsehr nahe kommen. Eine ökologischeOptimierung einer Siedlung bleibt sehrunvollständig, wenn man sich nur aufdie Energieeinsparung bei den Gebäu-de beschränkt. Entscheidend ist darü-ber hinaus ein anderes Mobilitätskon-zept und ein veränderter Lebensstil,wie im Folgenden gezeigt wird.

Allein im Bereich der Mobilität sindPEI-Einsparungen wie in den Gebäu-den zu erreichen (vgl. Abb. 3). Im Best-Case wurden Modal-Split-Kennwertesog. „autofreier“ Siedlungen und aufdem Markt erhältliche 1-Liter-Pkws

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Global Warming Potenzial (GWP 100 =Treibhauswirkung der CO2 und CO2-Äquivalente in 100 Jahren) ge-wählt, wie dies in Screening-LCAsüblich ist.

75% Einsparungen aufSiedlungsebene möglich

Insgesamt verbraucht jeder Deutscheim Schnitt 45 000 kWh PEI pro Jahr(siehe Abb. 1). 39 000 kWh davonwerden nach den vorliegenden Berech-nungen direkt beeinflusst durch dieSiedlungsgestaltung bzw. durch denLebensstil der Bewohner. Im Best-Case-Szenario sind die PEI gegenüber demStandard-Szenario um 75% reduziert.Auch die Berechnungen der GWP 100ergeben ein Einsparpotenzial von rund80%. Das zentrale Ergebnis derDiplomarbeit ist, dass die von derEnquete-Kommission der Bundesregie-rung empfohlene Reduktion von CO2

für das Jahr 2050 mit heutigem Know-how auf Siedlungsebene bereits jetztschon erreicht werden kann.

Einzelergebnisse Bauwerke

Mit dem Ökobilanzierungs-Tool sira-dos-LEGOE wurden sowohl die Kostenals auch die Ökologie der Gebäudeermittelt. Der größte Teil der PEI derGebäudematerialien fällt bei der Her-stellung des Gebäudes an. Teilt mandiese durch eine angenommeneLebensdauer von 80 Jahren, erhältman den PEI-Aufwand pro Jahr, derauf diesem Wege mit den Aufwen-dungen der anderen Bereiche, wie z.B.der Mobilität oder der Ernährung, ver-gleichbar wird. Die einzelnen unter-suchten Parameter auf Gebäudeebenesind:

● Auswirkung der Baustoffwahl (Roh-bau in Ziegel-Beton-Bauweise imVergleich mit einer Holzbauweise)

● PEI für die Errichtung der Tiefgarage

● Baustofftransporte

● die Bauform (Einfamilienhaus =>viergeschossiger Wohnungsbau mitfreiem Grundriss bzw. in Kompakt-bauweise)

● der Anteil von Heizung, Warm-wasser und Strom

● Dämmstandard (Niedrigenergie-oder Passivhaus)

● Energie- und Wasserversorgung

Die wichtigsten Ergebnisse sind inAbbildung 2 dargestellt.

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0

Energieverbrauch einer Siedlung durch Bau und Nutzungin kWh/EWa (PEI)

Heizeinsparung durch Baukörperoptimierung im

Niedrigenergiehaus | Passivhaus

Baustoff-Inputs Strom- und Warm-wasserverbrauch

Abbildung 2

kWh/

EWa

380100

850

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730 630

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5

10

15

20

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GebäudeEnergieversorgung

der Gebäude

Mobilität Reisen Ernährung privater Konsum

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2,8 3,5 3,2

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10,6

1,9

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13,2

2,8

Worst-Case

Standard

Best-Case

Energieverbrauch verschiedener Themenbereichein MWh/EWa

Abbildung 3

MW

h/EW

a

Lebensstil

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zugrunde gelegt. Durch ein Mobilitäts-konzept, das auf kurze Wege, Fahrrad,ÖPNV und CarSharing ausgerichtet ist,würde die sonst nötige Tiefgarage mit230 Stellplätzen überflüssig. Mit denfinanziellen Einsparungen könnennach der Kostenberechnungs-Softwaresirados die erhöhten Aufwendungenfür ökologische Baustoffe ausgeglichenwerden.

Darüber hinaus kann durch einenveränderten Lebensstil der Bewohner,beispielsweise durch eine andereErnährungsweise, der Energiever-brauch beträchtlich gesenkt werden.Angenommen, die Bewohner stellenihre Ernährung auf saisonale undregionale Kost aus ökologisch zertifi-ziertem Anbau mit einem geringerenAnteil von Fleisch- und Milchproduk-ten um, so ist das Ergebnis: eine PEI-Reduktion in gleicher Höhe wie einUmzug vom Niedrigenergie- ins Passiv-haus. Eine der großen offenen Fragenist, wie sich die vom Verhalten der Siedlungsbewohner abhängigenPotenziale mobilisieren lassen.

Allerdings verdeutlichen die vorliegen-den Daten die Auswirkungenbestimmter Lebensstile, bestimmterMobilitätskonzepte und Siedlungsbau-

13wohnbund-informationen 1/2003

Energieverbrauch in einem autofreien Wohnprojekt mit spezifischem Flugreiseverhalten

MobilitätBest-Case

1900 kWh/EWa(5%)

Gebäude Best-CaseStandard-Materialien

800 kWh/EWa(2%)

Ernährung, Bekleidung,privater Konsum16 800 kWh/EWa

(43%)

Gesamt: 39 200 kWh/EWaAbbildung 4

Flugreisen19700 kWh/EWa

50% !

Titel der Arbeit: Ökobilanzierung von Siedlungenmit sirados-LEGOE und WinMobil unter Berück-sichtigung von Lebensstilaspekten. Diplomarbeit.Ökonomie und Ökologie des Wohnungsbaus/Prof. Lützkendorf und ifib/Prof. Kohler. UniversitätKarlsruhe, 2002. Modellbilder, Grundrisse und Informationen über den bilanzierten Entwurf befinden sich unterwww.nancystrasse.oekosiedlungen.de

Der Autor:

Im Vorfeld der Diplomarbeit erstellte HolgerWolpensinger eine Studienarbeit überÖkobilanzierungs-Tools im Baubereich (s. www.oekosiedlungen.de/tools). Nachseinem Studium war er an der Erstellung derStudie CO2-Bilanz 2001 für den StadtteilHannover-Kronsberg am ifeu-Institut Heidel-berg beteiligt. Seit Dezember 2002 arbeitet eram Forschungszentrum Karlsruhe im NetzwerkLebenszyklusdaten im Fachbereich Bau. Indem von HGF und BMB+F unterstützten Pro-jekt sollen in Zusammenarbeit mit allen wichti-gen Akteuren die Methodik und die Daten-grundlage von Ökobilanzen und Stoffstrom-analysen in Deutschland vereinheitlicht unddadurch die Akzeptanz erhöht werden. Ehren-amtlich ist er im Doktoranden-Netzwerk nach-haltige Stadtentwicklung und der KarlsruherIAN – Initiative Architektur und Nachhaltigkeite.V. tätig.

Energieverbrauch eines „Lifestyle-Ökos“ in einem Gebäude mit durchschnittlichem Heizenergieverbrauch

Mobilität(Best-Case)

1900 kWh/EWa(9%)

Gebäude (nur Material)800 kWh/EWa

(4%)

Lebensstil (Best-Case)4100 kWh/EWa

(20%)

Gesamt: 20 900 kWh/EWa

Strom und Warmwasser(Gastherme Best-Case)

2 300 kWh/EWa11% !

Abbildung 5

Heizung (Gastherme)11800 kWh/EWa

56% !

weisen. In Abb. 4 ist die Energiebilanzeines autofreien Wohnprojektes inDeutschland dargestellt. Die Bewohnerpflegen in diesem Szenario einengewöhnlichen Lebensstil, wohnenjedoch in effizienten Passivhäusernund nutzen eine Energieversorgungs-anlage, die mehr Energie aus erneuer-baren Energiequellen erzeugt als dieGebäude brauchen. Mit der überschüs-sigen Energie werden die weniggefahrenen Pkws versorgt. Im Alltagsind die Bewohner zwar das ganzeJahr ökologisch Mobil, unternehmenjedoch überdurchschnittlich häufigeFlugreisen in ferne Länder (nach An-gaben aus der Diss. Von Jan Scheurer1998). Obwohl die Gebäude technischhocheffizient optimiert sind, steigendie PEI dadurch sogar leicht über dasNiveau eines Bundesbürgers.

Etwas anders stellt sich die Situationeines „Lifestyle-Ökologen“ dar, dessenErgebnisse in Abb. 5 dargestellt ist.Dieser wohnt in einem schlechtgedämmten Gebäude und heizt miteiner konventionellen Gastherme.Durch seinen ausgesprochen ökologi-schen Lebensstil reduziert er seine PEI immerhin auf etwa die Hälfte desBundesschnitts. Dennoch sind größere

Einsparungen möglich. Denn immerhinwerden in diesem Szenario nun knapp70% der PEI durch das Wohnen ineinem schlecht isolierten Gebäude ver-ursacht.

Fazit:

Um das theoretische Einsparpotenzialvon insgesamt 80% auszuschöpfen, isteine ausgewogene ökologische Ent-wicklung in möglichst vielen Themen-bereichen anzustreben. Durch einseiti-ge Maßnahmen auf rein technischerEbene oder rein auf den Lebensstilorientierte Ansätze, können diese Ein-sparungen nicht erzielt werden.Methodisch eignet sich die Ökobilanzzur Analyse von Optimierungspoten-zialen und zur Quantifizierung einzel-ner ökologischer Aspekte, wodurchderen Relevanz ermittelt werden kann.Mit Hilfe mittlerweile verfügbarer Öko-bilanzierungs-Tools könnten darausgewonnene Erkenntnisse in die Pla-nungsentscheidungen von Gebäude-und Siedlungsplanern einfließen.

Kontakt: Holger Wolpensinger, Dipl.-Ing. (Arch.), Tel. 0721-3 84 48 48 E-Mail: [email protected]

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Sven Dammann, Hørsholm, Dänemark

„Was machen die Nachbarn?“Umweltindikatoren für Gebäude und Siedlungen in Dänemark und den Niederlanden

Als Achsen eines Koordinatensystemszusammengefügt spannen diese Kon-fliktlinien den sozialen Raum auf, indem sich die Umweltindikatoren fürGebäude und Gebäudeensembles ver-orten müssen (Abb. 1, S. 15).

Die beobachteten Konflikte zeigen,dass es schwierig ist, ein einheitlichesIndikatorsystem zu entwickeln, dassalle Akteure gleichermaßen zufrieden-stellt. Die Konfliktlinie zwischen derglobalen und der lokalen Einstellungkönnte durch Indikatoren überwundenwerden, die einfach alle für relevantgehaltenen Umweltaspekte abdecken.Die Dichotomie zwischen LCA-basier-ten und maßnahmen-basierten Indika-toren ist schwerer zu überwinden, dasie gegensätzlichen Vorstellungen vonWissensgewinnung und gegensätzlichenemotionalen Bedürfnissen entspringt.

Als weitere Herausforderung kommthinzu, dass politische Entscheidungs-träger und Bauherren grundsätzlichLCA-Indikatoren befürworten mögen,dabei aber an simpleren, stärkerzusammengefassten Indikatoren inter-

LCA-basierte Indikatoren versus maßnahmenbasierte IndikatorenParadigmen: Paradigmen: quantitativ qualitativ basiert auf Ökobilanzen basiert auf Einschätzung

und Computer-Tools und ErfahrungMessungen Vertrauen, Glauberationalistisch sensualistischatomistisch ganzheitlichjeder Einzelfall muss überprüft werden Ideen und universale PrinzipienAristoteles Platon

typische Befürworter: typische Befürworter:Ingenieure ArchitektenPolitiker BauherrenWissenschaftler Laien

Globale Indikatoren versus Lokale IndikatorenParadigmen: Paradigmen: globale Umweltthemen: Treibhauseffekt, lokale Umweltthemen: Innenklima,

Ressourcenverbrauch, Ökotoxizität Grün, Lärm, Lebensqualitätaltruistisch egoistischder Mensch als Täter der Mensch als Opferdie Bebauung in der Umwelt die Umwelt in der Bebauungdort und später hier und heute

typische Befürworter: typische Befürworter:Wissenschaftler ElternNGOs Arbeitnehmer + ArbeitgeberPolitiker Bauherren

Konfliktlinien zwischen den Akteuren

Grundsätzlich lassen sich zwei Hauptkonfliktlinien unterscheiden:

1. Der Gegensatz zwischen den Befürwortern von Indikatoren, die auf Ökobilanzen (im Folgenden mit „LCA“ für „Life Cycle Assessment“ abgekürzt) basieren und denBefürwortern von Indikatoren, die auf der Anwendung bestimmter Maßnahmen,Materialien und Technologien beruhen („maßnahmenbasierte Indikatoren“).

Konfliktlinie 1:

2. Der Gegensatz zwischen Akteuren, die sich vor Allem für die direkte lokaleUmwelt und das Innenklima interessieren und denen, die vor Allem die globaleUmwelt im Blick haben.

■ Wer sich mit der Planung einer öko-logischen Siedlung beschäftigt wirdschnell mit der Tatsache konfrontiert,dass die verschiedenen Akteure sehrverschiedene Vorstellungen haben,was eine ökologische Siedlung undwas ökologisches Bauen sei. Dieserschwert die Kommunikation zwi-schen den Akteuren und steht der For-mulierung überprüfbarer Umweltziel-setzungen im Wege. Eine Doktorarbeitam Dänischen Bauforschungsinstitut,die im Dezember 2003 abgeschlossenwerden soll, beschäftigt sich mit derEntwicklung eines Sets von Umweltin-dikatoren für Gebäude und Gebäu-deensembles, das akteurübergreifendund in den verschiedenen Lebenspha-sen des Gebäudes Entscheidungs- undKommunikationshilfe bieten soll. Alsein wichtiger Teil der Studie wurdequalitativ untersucht, welche Sichtwei-sen und Bedürfnisse Entscheidungsträ-ger in Dänemark und in den Nieder-landen in Hinblick auf die Indikatorenhaben. (Siehe rechts).

essiert sind als Ingenieure und Wis-senschaftler sie verwenden. Letztereweisen darauf hin, dass die Fixierungauf die Anwendung bestimmter Tech-nologien und Materialien, wie sie inmaßnahmenbasierten Indikatoren fest-gelegt wird, zu ökologisch völlig fal-schen Entscheidungen führen kann. Sofiel es z.B. in einem dänischen Projekt

schwer, private Bauherren davon zuüberzeugen, dass die mit einer Wandaus lokalem Lehm erzielten Umweltge-winne marginal sind verglichen deneneiner Investition in eine zusätzlicheWärmedämmung mit konventionellemDämmmaterial.

Die Affinität von Architekten zuMaßnahmen-Indikatoren erklärt sichaus dem Bedürfnis, klare Aussagen fürEntscheidungen im Entwurfsprozess zubekommen ohne viel Arbeitszeit mit

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einem Computer-Tool verbringen zumüssen, das ihnen nicht vertraut ist.Der Konflikt LCA- versus Maßnahmen-Indikatoren ist für sie gleichzeitig mitder Frage verbunden, welche Berufs-gruppe zukünftig die Definitionsmachtund Entscheidungskompetenz imBereich des Ökologischen Bauenshaben wird.

Forscher des interdisziplinären For-schungsprojektes „Die ÖkologischeStadt“ der TU Delft haben für dieAkteure und ihre unterschiedlichenBedürfnisse das Modell des Transdiszi-plinären Lern-Kreislaufes entwickelt(Abbildung 2).

Im Politikbereich (oben im Kreis)werden gesellschaftliche Problemeund Ziele definiert und als Forderun-gen an die Pratiker gegeben. Diesesind gehalten, kreative Lösungen zuentwerfen und in der Praxis zu reali-sieren (das zweite Feld, unten rechts).Ingenieure und Wissenschaftler (dasdritte Feld, unten links) messen undevaluieren den Stand der Praxis undgeben ihre Ergebnisse als Feedback an

Abbildung 1: Konfliktlinien zwischen Akteuren in Hinblick auf Umweltindikatoren, exemplifiziert mit (idealisierten) typischen Äußerungen

die Politik weiter, worauf der Kreislaufauf’s Neue beginnt. Jede der dreiAkteurgruppen braucht ihre eigenenTools (Policy-Tools, Design-Tools undModelling-Tools) und Indikatoren. Umein transdisziplinäres Lernen zuermöglichen, wie es ein komplexerBereich mit vielen verschiedenenAkteuren wie das Bauen erfordert,müssen diese jedoch aufeinanderabgestimmt sein.

Was ist der Status quo und welche Entwicklungenzeichnen sich ab?

In der Tat sieht die Indikatoren-Landschaft in Dänemark und inden Niederlanden heute so aus,dass eine Reihe von Indikator Sys-temen nebeneinander existieren.In den Niederlanden wurden seitMitte der 90er Jahre von der Bau-industrie mit Unterstützung desBau- und Umweltministeriums dieauf Maßnahmen-Indikatorenbasierten „Nationalen Pakete Nach-haltiges Bauen“ entwickelt undeingeführt, die heute von vielenKommunen bei der Formulierungvon Umweltforderungen verwendet

werden. Kritiker werfen den Paketenvor, dass sie den kleinsten gemeinsa-men Nenner als „nachhaltig“ deklarierthaben, die empfohlenen Maßnahmeneiner Überprüfung in einer Lebenszy-klusbetrachtung oft nicht standhaltenund der „Kochbuch-Charakter“ derPakete einem tiefergehenden Lernpro-zess bei den Akteuren abträglich ist. InModellversuchen gehen erste Gemein-den jetzt dazu über, ihre Umweltforde-rungen stattdessen auf das LCA-ToolEcoQuantum zu beziehen. Planer tun

sich zwar zunächst schwer, mit Eco-Quantum umzugehen, begrüßen aberdie Gestaltungsfreiheit, die sie dadurcherhalten, dass sie zwar bestimmteEmissions- und Verbrauchswerte errei-chen müssen, ihnen aber selber über-lassen ist, wie sie diese Ziele errei-chen.

Zur Zeit existieren in den Niederlan-den noch zwei LCA-Tools parallel (Eco-Quantum und GreenCalc), es wirdjedoch an deren Fusion und der Schaf-fung einer einheitlichen nationalenDatenbank gearbeitet. Die Normbehör-de hat eine Kommission mit der Erar-beitung einer Norm für materialbezo-gene Umweltprofile von Gebäudenbeauftragt, deren anvisierte Integrationin die Bauordung allerdings von derjüngeren politischen Entwicklung imLand wieder in die Ferne gerücktwurde.

Interessant in Hinblick auf eine Inte-gration verschiedener Indikatorensys-teme ist das an der TU Delft weiter inEntwicklung befindliche Planungstool„MEDIA“, das Stadtplaner durch denPlanungsprozess begleitet und ihnendurch Verwendung integrierter LCA-Berechnungsprogramme für Verkehr,Energie und Material unmittelbar undquantitativ die ökologischen Konse-quenzen ihrer Entscheidungen vorAugen führt.

In Dänemark nutzte die GemeindeAlbertslund das dänische LCA-Tool„BEAT“ bei der Ausschreibung einesWettbewerbes für eine ökologischeSiedlung, indem sie von allen Wettbe-werbsteilnehmern neben der Berück-

Abbildung 2: Der transdisziplinäre Lern-Kreislauf nach Müller,Tjallingii et al., Environmental Planning A, 2002

“Wir wollen präzise wissen, wieviel unsere Gebäude zumTreibhauseffekt beitragen.“

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wohnbund-informationen 1/200316

sichtigung einer Reihe von ökologi-schen Entwurfsprinzipien forderte

1. eine BEAT-Berechung für den Ent-wurf durchzuführen und

2. für die Bauteile Wand, Decken undDach jeweils zwei Konstruktionsal-ternativen zu entwerfen und fürdiese ebenfalls ein LCA-Umwelt-profil zu berechnen.

Ziel dieser Praxis war einerseits, einenLernprozess bei den Architekten zuinitiieren und andererseits, in derWettbewerbsentscheidung einen grö-ßeren Spielraum im Umgang mit denWerten Gestalterische Qualität undUmweltfreundlichkeit zu gewinnenindem die Entscheidung für einen Ent-wurf durch die Auswahl der Bauteil-konstruktionen ökologisch (und ästhe-tisch) „feinjustiert“ werden konnte.

Für das Umweltmonitoring in derNutzungsphase von Gebäuden ist inDänemark die Grüne Kontoführung fürWohnungen und Siedlungen („GrønneRegnskaber”) gut etabliert, die bewußtauf leicht zugänglichen Daten wieStrom-, Wasser- und Heizenergiever-brauch und Müllaufkommen beruhtund mit diesen die Verbräuche und

CO2-Emissionen pro Jahr und Personberechnet. Die Ergebnisse werden mitVergleichswerten (vom Vorjahr +Durchschnitt + Minimale Werte) regel-mässig and die Nutzer geschickt undvon einigen Gemeinden mit einemzusammenfassenden Kommentar ver-sehen („Sie sind ein grüner / gelber /roter Verbraucher!”). Zur Zeit wird ander Integration des Verkehrsaufkom-mens gearbeitet.

Ausblick

Die oben skizzierten Entwicklungenzeigen eine deutliche Tendenz hin zuIndikatoren, die prozess- statt produkt-orientiert sind (also nicht ein Produktallein, sondern vielmehr dessen

Lebenszyklus und Nutzungszusammen-hang betrachten) und die Vorteilequantifizierender, LCA-basierter Toolsnutzen. Eine stärkere Nutzerfreundlich-keit und Vereinheitlichung ist wün-schenswert und zu erwarten, gleich-zeitig werden Planer wohl nichtumhinkommen, ihre Kompetenzen inder Anwendung von LCA-Tools erwei-tern zu müssen. Die Integration desThemas „Verkehr“ in die Indikatorenwird hoffentlich noch stärker als bis-her das Dilemma des Passivhauses aufder grünen Wiese in die Diskussionbringen.

Befürworter einheitlicher Umwelt-und Nachhaltigkeits-Indikatoren hegenaußerdem die Hoffnung, dass diesedem ökologischen Bauen eine ähnlichbreite Präsenz und entwicklungsför-dernde Medallienjagd verschaffenkönnen, wie dies die quantifizierendenIndikatoren der PISA-Studie im Bil-dungsbereich getan haben.

Kontakt: Sven DammannTel.: 0045-4574-2379E-Mail: [email protected]

Der Autor:

Sven Dammann, Doktorand am DänischenBauforschungsinstitut („DBUR“) über „Umwelt-indikatoren für Gebäude und Gebäude-ensembles“. (Der Verfasser freut sich über Rückmeldungen,Kommentare und Hinweise auf verwandteForschungsprojekte!)www.by-og-byg.dk/forskning/miljoepavirkninger_fra_byggeri/svd_phd.htm

www.netzwerkzeug.de –Internetbasiertes Planungs-und Informationswerkzeug

Das NetzWerkZeug ist ein Planungs-und Informationswerkzeug zu nachhal-tiger Stadtentwicklung im Internet. Esgliedert sich in Grundlagen, Planungs-strategie, konkrete Maßnahmen unddafür notwendige Größenangaben undBerechnungshilfen. Die Anwendungund Visualisierung der Arbeitsweisemit dem Werkzeug am Beispiel des

Rolf Messerschmidt, Tübingen

NetzWerkZeug Nachhaltige Stadtentwicklung –Anwendung Karlsruhe Südost

innerstädtischen Stadtteils KarlsruheSüdost soll aufzeigen, wie mit Unter-stützung des NetzWerkZeuges Nach-haltigkeit in Stadtentwicklung inte-griert, urbane Prozesse für alle Akteuretransparent organisiert und darausstädtebauliche Entwurfsansätze ent-wickelt werden können.

Planungswerkzeuge fürIntegrale Planung:Nachhaltige Entwicklung ist einegesellschaftliche Schlüsselaufgabe,und dabei hat Stadtentwicklung fürviele Handlungsfelder zentrale Bedeu-tung. Dementsprechend nimmt derBedarf für die Entwicklung nachhalti-ger Stadtplanungsstrategien auf regio-naler und städtischer Ebene sowie inQuartieren zu. Immer mehr Kommunenbekennen sich zu Ihrer Verantwortungfür die Umsetzung von internationalenAbkommen, EU-Politik und nationaler

Gesetzgebung, aber auch viele lokaleFaktoren wie z.B. Agenda 21 – oderLeitbildprozesse haben mit Forderun-gen nach Konzepten und Implementie-rungsstrategien eine große Bedeutung.

Für die Umsetzung von nachhaltigerPlanung gibt es jedoch in der Planungs-praxis von Planungsämtern, freien Pla-nungsbüros und Beratern Hemmnisse:Die hohe, systemimmanente Komple-xität des Themenbereiches Nachhaltig-keit, der große Umfang und dieUnübersichtlichkeit der Untersuchun-gen, die schwere Vermittelbarkeit derErgebnisse, die mangelnde Motivationvieler Akteure sowie spezielle Kommu-nikationsprobleme bei interdisziplinä-ren Prozessen.

Um diesen Umsetzungsschwierigkei-ten zu begegnen, ist ein integraler Pla-

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17wohnbund-informationen 1/2003

etwas über eine mögliche sinnvolleräumliche Verteilung strukturdefinie-render Elemente aus, die den Ent-wurfsprozess unterstützen können.

Anwendungsbeispiel Karlsruhe SüdostDie Anwendung und Visualisierung amBeispiel des Stadtteils Karlsruhe Süd-ost, ein ehemaliges Bahnbetriebsge-lände nähe Innenstadt und Bahnhof,soll aufzeigen, wie mit Unterstützungdieses Werkzeuges ein integraler Pla-nungsprozess implementiert werdenkann.

Nach einer Analyse der städtebau-lichen Zusammenhänge des Planungs-gebietes auf unterschiedlichen Maß-stabsebenen – vom Planungsgebiet zurGesamtstadt – werden Strukturen nach den Kriterien des NetzWerkZeu-ges unter Anwendung der Bausteinezunächst abstrakt graphisch entwi-ckelt, auf das Planungsgebiet projiziert,für sich getrennt bearbeitet undanschließend bewertet. Diese werdenzu verschiedenen Konzepten für dieeinzelnen Bausteine zusammengefasst.Durch die Überlagerung der Konzeptewerden dann verschiedene Szenariengeneriert. Dabei können ausgehendvon unterschiedlichen Wertvorstellun-gen und damit differenzierten Anforde-rungen an Planung Schwerpunkte miteigenen Prioritäten, z.B. ein sparsamesErschließungskonzept für den motori-sierten Individualverkehr oder ein sehr

weitgehendes Energiekonzept mit dersaisonalen Speicherung von Solarener-gie vom Sommer in den Winter gebil-det werden. Die so als vorrangigermittelten Bausteine sind stark struk-turbildend und bedingen den stadt-strukturellen Ansatz. Es werden abergrundsätzlich die Strukturen aller Bau-steine, allerdings in unterschiedlichenStandards entsprechend der Schwer-punktbildung, integriert. Natürlichbestehen Abhängigkeiten und gegen-seitige Beeinflussungen zwischen denStrukturen, so dass diese durch Rück-kopplungen verändert werden – unterErhaltung wichtiger Ausgangskriterien– und so in das Ergebnis des Ent-wurfsprozesses eingehen.

Die Darstellung erfolgt in Struktur-grafiken, das sind abstrakte Grafikenals eine Art nachhaltiger Masterplan,in dem alle wichtigen Anforderungenan eine nachhaltige Entwicklung desGebietes definiert werden. Anhandeines Szenarios wird eine Konkretisie-rung von Freiraum und Bebauung auf-gezeigt sowie als ein für beteiligteAkteure selbst zu bewegendes dreidi-mensionales Modell im Internet, das inder Programmiersprache VRML (VirtualReality Modelling Language) erstelltund über ein Plug-in zum Internet-Browser betrachtet werden kann.Schließlich wurde für ein einzelnesStadtfeld ein Regelwerk für die weite-re Planung entwickelt, das die Umset-zung der ökologischen und sozialenQualitäten sichern, dabei aber dieMöglichkeiten einer zukünftigen inno-vativen Umsetzung so wenig wie mög-lich einzuschränken soll. ➥

nungsansatz notwendig. Dies bedeuteteinerseits die Integration ökologischer,sozialer und ökonomischer Inhalte mitklassischen Stadtplanungsaspektenund andererseits interdisziplinäreTeamarbeit aller wichtiger Planungs-partner von Beginn der Projekte an.

Für solche Ansätze fehlen adäquateWerkzeuge, da die vorhandenen Hilfs-mittel oft schwierig zu handhaben undfür den Entwurfs-/ Planungsprozessund dessen Vermittelbarkeit nichtgeeignet sind. Hier kann der Einsatzvon Planungswerkzeugen helfen, diebeschriebenen Konzepte in der Pla-nungspraxis anzuwenden, die Qualitätder Planungen zu erhöhen und dieEntwicklungsprozesse transparenter zugestalten.

NetzWerkZeug NachhaltigeStadtentwicklungDies waren die Ausgangspunkte fürdie Entwicklung des Projektes „Netz-WerkZeug Nachhaltige Stadtentwick-lung“ als einem internetbasiertenWerkzeug zur Planungsunterstützung.Es soll den Umgang mit den komple-xen Themen Nachhaltigkeit und Stadt-entwicklung erleichtern. Dazu werdendie speziellen Möglichkeiten des Inter-net genutzt, um komplexe Informatio-nen miteinander zu verbinden undZusammenhänge zwischen vernetzten,das heißt sich gegenseitig beeinflus-senden, Maßnahmen durch interaktiveAnwendungen zu vermitteln. ZurUmsetzung der allgemeinen Nachhal-tigkeitsanforderungen auf Stadtteilebe-ne werden Bausteine wie z.B. Energie,Wasser/Abwasser oder Stadtklima vor-gestellt. Sie liefern konkrete Maßnah-men, Kriterien und Prinzipien wie akti-ve und passive Sonnenenergienutzung,Schwarzwasserreinigung, städtischeBelüftungssysteme, ÖPNV-Konzepte,Nutzungsmischung, etc. und die dafürnotwendigen Größenangaben. ÜberBerechnungshilfen auf Basis der Ein-gabe von Grundstücksparameternkönnen Kennwerte, die direkt in diePlanung einfließen, ermittelt werden.So kann für ein neu zu beplanendesGebiet etwa der Energiebedarf alsKennwert für die Dimensionierung vondezentralen Energieversorgungsanla-gen (z.B. Solarflächen) oder derErschließungsbedarf als Kennwert fürdie Ausstattung mit Infrastrukturermittelt und abgefragt werden. NebenKriterien- und Maßnahmenlisten,sagen visuelle Strukturen bereits

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wohnbund-informationen 1/200318

Anwendungs- und Einsatzmöglichkeiten

Bildung

Die Inhalte des NetzWerkZeugs, dieden derzeit gültigen Stand nachhalti-ger Stadtentwicklung darstellen undmit anderen Internetangeboten durchkommentierte und strukturierte Linklis-ten vernetzt sind, können zur Wissens-vermittlung und Fortbildung in Vorträ-gen, Seminaren oder online für Planerin freien Büros und bei Kommunensowie Projektentwicklern, Politikernund NGOs genutzt werden. Im Gegen-satz zu Printmedien kann die komplexeVernetzung der Maßnahmen in inter-aktiven Darstellungen und durch Ver-weise (Links) aufgezeigt werden.

Stadtplanung

Das Werkzeug eignet sich ebenfallsdazu, Prozesse bei Stadtplanungspro-jekten zu strukturieren und durch dieEinordnung nach Qualitätsstandardsstadtökologisch zu qualifizieren. So istauch eine Evaluation städtebaulicherEntwürfe etwa bei Wettbewerbenmöglich.

Die vorgeschlagene Planungsstrate-gie unterstützt die Entwicklung vonPlanungsansätzen in komplexen Pro-zessen mit Integration sehr unter-schiedlicher Parameter aus den ver-schiedenen beteiligten Disziplinen wiez.B. Stadtklimatologie, Energieplanungund Mobilität. Ein Beispiel hierfür istdie derzeit laufende Planung für einModellquartier in Tübingen durchunser Büro Joachim Eble Architekturim Rahmen des ForschungsprojektesECOCITY (www.ecocityprojects.org) im5. EU-Forschungsprogramm „Cities ofTomorrow“. In einem interdisziplinärenPlanungsprozess werden Konzepte füreine nachhaltige Stadtentwicklung mitdem Schwerpunkt Siedlungsflächen-entwicklung und Verkehrskonzepteerarbeitet. Dabei wird auch der Einsatzvon Inhalten und Strategie des Netz-WerkZeugs, die auch in die Projektleit-linien für alle 6 europäischen Modell-stadtteile eingegangen sind, an demrealen Tübinger Planungsprojektuntersucht.

Partizipation

Durch eine fortlaufende offene Publi-kation des Planungsprozesses im Inter-net mit einer Feedbackmöglichkeit undeiner Diskussionsplattform lässt sichdie Partizipation von Bürgern, Initiati-

ven, oder auch von Investoren verbes-sern. Durch die vernetzte Darstellungder Planungsvorgänge, Inhalte undEntscheidungsgrundlagen, wozu auchdie differenzierten Anforderungen ver-schiedener Nutzergruppen gehören,wird Stadtplanung transparenter undEntscheidungen werden nachvollzieh-

barer. Visualisierungen können insbe-sondere Nicht-Fachleuten helfen, dieKonsequenzen von Entscheidungenbewusst zu machen.

Planungsplattform

Ein anderer Anwendungsbereich istdie Nutzung eines nach Struktur desNetzWerkZeuges installierten gemein-samen internen Wissensmanagementsz.B. räumlich verteilter KMUs (kleine-rer und mittlerer Unternehmen), wieSie u.a. auch kooperierende Planungs-büros und Universitätseinrichtungendarstellen. Damit verbindet sich die

Hoffnung einer Bündelung der Poten-ziale mit Qualitäts- und Effizienzsteige-rung bei Stadtplanungsprozessen.

Der Kompetenzverbund econnis(www.econnis.de) mit Partnern ausden Bereichen Stadtplanung, Mobilität,Energieplanung, Wassermanagement,etc. bietet Planungen und Studien zunachhaltiger Stadtentwicklung an undwird derzeit von Joachim Eble Archi-tektur zusammen mit Michael Kunertvom Stuttgarter Büro blauwert zueinem leistungsfähigen Planerverbundweiterentwickelt. Neben einer Pla-nungsplattform im Internet für dieinterne und externe Kommunikation(CAD-Anbindung, Projektsteuerung,Konferenzmöglichkeiten, Internetpor-tal) soll auch eine gemeinsame Wis-sensdatenbank entwickelt werden.

Resümee

In der entwurfsbegleitenden und -verifizierenden Anwendung der Platt-form NetzWerkZeug stecken enormePotenziale: Durch die Unterstützungvon Planungswerkzeugen kann dieQualität der bearbeiteten Inhalteerhöht, deren Integration erleichtertund der Prozess transparenter gemachtwerden. Das NetzWerkZeug wird imPlanungsalltag unseres Büros JoachimEble Architektur, im Rahmen von For-schungsvorhaben und Lehrveranstal-tungen eingesetzt und steht über dasInternet unter www.netzwerkzeug.dezur Verfügung.

Kontakt: Rolf MesserschmidtTel.: 07071-96 94-0E-Mail: [email protected]

Der Autor

Rolf Messerschmidt, Dipl.-Ing. (Arch. u. Stadt-planung), entwickelte NetzWerkZeug im Rah-men seiner Diplomarbeit 1999 bei Dr.-Ing.Thomas Hafner am Städtebau-Institut der Uni-versität Stuttgart unter medientechnischerBeratung von Dipl.-Ing. Michael Kunert. DieArbeit wurde 2000 mit dem 1. Preis der Profes-sor-Albert-Speer-Stiftung ausgezeichnet. Eineenglische Version entstand u.a. aufgrund derEinladung zum Vortrag beim German Ameri-can Frontiers of Engineering Meeting 2002 inWashington. Er ist bei Joachim Eble Architekturin Tübingen als Teamleiter Stadtplanung tätig.

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19wohnbund-informationen 1/2003

■ Im hannoverschen Stadtteil Krons-berg wurden zwischen 1997 und 2000ca. 3000 Wohnungen errichtet. Inzwi-schen leben dort über 6000 Men-schen. Der Kronsberg gilt durch dieflächendeckende Anwendung hoherStandards und durch die Verwirkli-chung von innovativen ökologischenund sozialen Einzelprojekten alsgelungenes Beispiel einer nachhalti-gen Stadtteilentwicklung (Siehewohnbund informationen 1/2001).Ergänzend zu den planerischen undtechnischen Konzepten wurde mit derKronsberg-Umwelt-Kommunikations-Agentur (KUKA) eine Einrichtunggegründet, deren Aufgabe bis Ende2001 darin bestand, bei den Akteurendes Bauprozesses und bei den Bewoh-nerInnen Akzeptanz für die ökologi-schen Innovationen zu schaffen. Durchden Einsatz verschiedener Instrumenteder Umweltkommunikation sollten dieAkteure vor Ort informiert, sensibili-siert und qualifiziert werden.

Das Institut für Umweltkommunika-tion der Universität Lüneburg evaluier-te die Aktivitäten der KUKA. ImVordergrund des Interesses standderen Rolle als eine intermediäreOrganisation in der ökologischenStadtteilentwicklung. Leitfrage war,inwieweit sie als Instanz der Beratung,Qualifizierung und Vermittlung ihreZielgruppen ansprechen und derenumweltverantwortliche Einstellungenund Verhaltensweisen fördern kann.Die wissenschaftliche Begleitung bein-haltete verschiedene Methoden derempirischen Sozialforschung. In denJahren 1999, 2000 und 2001 wurdenz.B. umfangreiche quantitative Bewoh-nerbefragungen durchgeführt. Diesewurden ergänzt durch qualitativeInterviews mit Akteuren und Bewoh-nerInnen.

Die Ergebnisse lassen den Schlusszu, dass die Aktivitäten der KUKAeinen sehr wichtigen Beitrag zur Ver-wirklichung des ökologischen Stadt-teils geleistet haben. Bei den Akteurendes Bauprozesses – Architekten wieHandwerker – herrschte angesichts

des flächendeckenden umzusetzendenNiedrig-Energie-Standards eine hoheUnsicherheit. Dieser Situation begeg-nete die KUKA mit praxisnahen undbedarfsorientierten Qualifizierungs-maßnahmen, die dankbar angenom-men und sehr positiv bewertet wur-den.

Die Aktivitäten für die BewohnerIn-nen begannen bereits mit dem Einzugder ersten Familie. Die große Mehrheitder Bewohnerschaft kennt die KUKAund nutzte ihre Angebote. Besonderserfolgreich war der Kronsberg-Ordner,ein mit sämtlichen relevanten Informa-tionen bestückter Ordner, der an alleHaushalte verteilt und regelmäßigergänzt wurde. Investoren und Ver-mieter, die anfangs eher mißtrauischgegenüber der KUKA waren, erkann-ten im Laufe der Zeit deren Bedeutungfür die Wohnzufriedenheit ihrer Mieter.So schätzten sie die KUKA als infor-mierende aber auch als vermittelndeInstanz.

Folgende Faktoren charakterisieren dieArbeit der KUKA:

● Vor-Ort-Präsenz

Die KUKA-Mitarbeiter kannten dielokale Situation und nahmen dadurchBedürfnisse und Probleme frühzeitigwahr. Die ständige Ansprechbarkeiterleichterte die Kontaktaufnahme undführte zu einer hohen Frequentierungder KUKA.

● Flexibilität

Die KUKA konnte kurzfristig und ohneBeachtung formeller Entscheidungs-wege auf Informations- oder Beratungs-bedarf reagieren.

● Zentraler Ansprechpartner fürumweltrelevante Belange

Im Gegensatz zu kommunalen Verwal-tungen, wo Zuständigkeiten häufigzersplittert sind, waren die umweltre-levanten Inhalte bei der KUKA gebün-delt.

● Einsatz verschiedener Kommuni-kationsinstrumente

Die Kombination aus Printmaterialien,Pressearbeit, Veranstaltungen und Ein-

zelberatung wurde den Informations-bedürfnissen aller Bewohner gerecht.

● Zielgruppenorientierung

Bestimmte Gruppen der Bewohner-schaft wurden mit spezifischen Aktio-nen angesprochen. Die KUKA initiierteund koordinierte diese Tätigkeiten undförderte die Kooperation der vor Ortagierenden Organisationen.

● ZielgruppenübergreifendeAktivitäten

Die KUKA war Ansprechpartner allerAkteure. Dadurch ergaben sich Syner-gieeffekte für die bedarfs- und praxis-gerechte Umweltkommunikation.

● Unabhängigkeit und Neutralität

Die KUKA war weisungsunabhängig.Diese Rolle erlaubte es ihr, in Konflikt-situationen als neutrale Moderatorin zufungieren und die für die Akzeptanzihrer Arbeit wichtige Glaubwürdigkeitzu erlangen.

● Netzwerk an Partnern

Der KUKA standen eine Vielzahl vonAkteuren aus Praxis und Wissenschaftzur Verfügung. Dies erleichterte dieAnsprache bestimmter Zielgruppenund ermöglichte den schnellen Zugriffauf externe Fachkompetenz.

Schlußfolgerungen

Umweltkommunikation durch eineintermediäre Organisation wie derKUKA ist eine notwendige Ergänzungzur Umsetzung planerischer und tech-nischer Innovationen in der Stadtent-wicklung. In Zukunft wird die Moder-nisierung von Stadtteilen im Gegensatzzur Ausweisung von Neubaugebieteneine stärkere Rolle einnehmen. Die amKronsberg gemachten Erfahrungensind daher verstärkt auf ihre Übertrag-barkeit im Wohnbestand, also in„gewachsenen“ Quartieren, zu über-prüfen. Dies gilt insbesondere fürWohngebiete, die nicht von über-durchschnittlich sensibilisierten Öko-hausbesitzern bewohnt werden.

Michael Danner, Lüneburg

Umweltkommunikation in der Stadtteilentwicklung am BeispielHannover-Kronsberg

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wohnbund-informationen 1/200320

Umweltkommunikation muss jedochin ein stimmiges Gesamtkonzept ein-gebettet sein. Sie läuft ins Leere undwird unglaubwürdig, wenn die Hand-lungsmöglichkeiten fehlen oder ver-schlechtert werden. So haben auch dieöffentlichen und privaten Akteure ihreVerantwortung wahrzunehmen undz.B. für eine geeignete Infrastruktur zusorgen. Missstände können durch dieintermediäre Einrichtung zwar frühzei-tig wahrgenommen und den zuständi-

gen Stellen mitgeteilt werden. Ändertsich jedoch mittelfristig nichts, so sinktauch die Glaubwürdigkeit der inter-mediären Organisation. Ihre Arbeit istdaher ständig eine Gratwanderungzwischen den Ansprüchen der Bewoh-nerschaft, den Akteuren vor Ort, denöffentlichen Stellen und den begren-zenden Rahmenbedingungen.

Da der Umweltaspekt nicht immeralltagsrelevant und handlungsleitendist, gilt es, sämtliche Aspekte desWohnens zu beachten und insgesamtdie Wohnqualität und damit auch die Identifikation mit dem Wohngebietzu erhöhen. Eine Verknüpfung derökologischen mit den sozialen (Nach-barschaften, soziales Umfeld) und öko-nomischen (Miete, Nebenkosten)Belangen im Sinne einer Nachhaltig-keitskommunikation kommt den All-tagsbedürfnissen der Bewohner näher.

Kontakt: Michael Danner, Wissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Umweltkommunikation derUniversität Lüneburg, Tel.: 04131-78-29 42, E-Mail: [email protected] Web: www.uni-lueneburg.de/infu/

■ Vielleicht liegt es am Klima: Es boo-men derzeit die Passivhaus-Projekte inHamburg. Nachdem sich die Niedrig-energiebauweise im gefördertenGeschosswohnungsbau allgemeindurchgesetzt hat sind die ersten bei-den Passivhäuser im Mehrfamilien-hausbau bezogen und viele weitere imBau oder in der Planung. Vorreiterwaren auch hier die Wohngruppenpro-jekte mit ihren hohen ökologischenStandards. Im Brachvogelweg bauteeine Kleingenossenschaft 11 Reihen-häuser (im Ramen der Kostenansätzeder Wohnungsbauförderung!), in demHagenbeck-Villen-Resort entstand voneinem privaten Investor ein Haus mit12 Eigentumswohnungen.

Das „Wohnprojekt 13“ bezieht dem-nächst 18 Wohnungen in der Tele-

mannstraße, am Pinnasberg baut dieSt. Pauli Hafenstraßengenossenschaftdas „Parkhaus“ mit 19 Wohnungen in8 Obergeschossen – das bisher höch-ste Passivhaus. An der Kieler Straßeplant die Langenfelder Wohngenos-senschaft 45 Passivhauswohnungenfür eine Stiftung und das Hausgemein-schaftsprojekt „Feldhaus“.

Befördert wurde die Entwicklungauch durch die „Initiative Arbeit undKlimaschutz“, in der Behörden, Woh-nungsunternehmen und ökologischorientierte Träger und Gruppenzusammenarbeiten. Ein konkretesErgebnis war der Passivhaus-Wettbe-werb der Umweltbehörde in 2002, fürden 12 Projekte eingereicht wurdenund den ein Passivhaus in der Paul-Roosenstraße mit 10 Wohnungengewann: Ein gelungenes Beispiel vonguter Architektur und hohen ökologi-schen Standards.

Kein Wunder, dass Hamburg EndeFebruar Gastgeber war für die 7. Inter-nationale Passivhaustagung des Darm-städter Passivhaus-Instituts.

Kontakt: Architekten und nähere Informationen zu denProjekten:Web: www.arbeitundklimaschutz.de/

06_initiative/sitemap.htmhome.t-online.de/home/

brachvogel_eg/lurup.htm www.passivhaustagung.de

Klaus Joachim Reinig, Architekt

Hamburg in der Sonne Passivhäuser im Geschosswohnungsbau in Hamburg

Angaben zur Studie: Danner M., Michelsen G.(2003): Umweltkommunikation in der nach-haltigen Stadtteilentwicklung. INFU-Diskussionsbeiträge 17/03 . Lüneburg.DenText gibt es als kostenloses Download unter:www.uni-lueneburg.de/infu/infu_17.htmlKurzfassung: Umweltkommunikation in derStadtteilentwicklung am Beispiel der Kronsberg-Umweltkommunikations-Agentur. 2003 (im Druck)

Projekt Passivhaus Pinnasberg 27

Projekt Passivhaus Telemannstraße (www.PassivhausTelemannstrasse.de)

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21wohnbund-informationen 1/2003

Rezensionen – Ankündigungen

E.R. Greulich (Hrsg. Genossenschaftsforume.V.);

Des Kaisers Waisenknabe edition arkadien, Berlin 2002; 304 Seiten(Taschenbuch), mit einem Nachwort vonRenate Amann und Barbara von Neumann-Cosel; 9,50 �; ISBN 3-930075-24-5

REZENSION DR. JOACHIM BRECH:In dem autobiografischen Roman „DesKaisers Waisenknabe“ beschreibt derheute 93-jährige E. R. Greulich seine

Kindheits- und Jugendjahre in der1902 gegründeten Arbeiter-Baugenos-senschaft „Paradies“. Er führt denLeser einerseits in den Alltag des kai-serlichen Berlin sowie in die entbeh-rungsreiche Zeit des Ersten Weltkriegs,die der früh verwaiste Autor trotz allerBitterkeit mit unerschütterlichemHumor wiedergibt.

Andererseits liegt hier ein einzig-artiges Dokument über die Wohn- undLebensweisen in einer der frühen, von Selbsthilfe geprägten Wohnungs-genossenschaften vor. Dies war Anlass,die Wiederauflage von großen Teilendes seit Jahren vergriffenen Romansdurch das Genossenschaftsforum zubetreiben. Hiermit sollte, neben derfachwissenschaftlichen Orientierung,auch den großen und kleinen Protago-nisten der Genossenschaftsbewegungein Forum geschaffen werden.

Hrsg. von Romane Schneider / RudolfStegers im Auftrag der Akademie der KünsteBerlin;

Glück Stadt RaumIN EUROPA 1945 BIS 2000

128 Seiten, ca. 90 Farb- und ca. 50 s/w-Ab-bildungen; 22,00 �; Birkhäuser Verlag,Basel; ISBN 3-7643-6971-X

Das Gefühl des Glücks wäre eigentlichder beste Indikator für eine erfolgrei-che Stadtentwicklung. Aber dieseKategorie ist leider nicht mit einfachenMessgrößen zu erfassen. Das Verspre-chen auf Glück spielt dennoch bei derStadtplanung und beim Wohnungsbaueine große Rolle. So ist es ein Ver-dienst der Autoren bzw. der Akademieder Künste in Berlin, diesem Themaeine Ausstellung gewidmet zu haben,die in dem gleichlautenden Banddokumentiert ist. Er wird eingeführtvon einem Aufsatz von Györy Konrádmit dem Titel “Rückblick auf die Beglü-ckung”, der einführt in die Ausstel-lungsbeiträge. Diese zeigen die unter-schiedlichen städtebaulichen Glück-sangebote des Westens und desOstens, die sich darin glichen, dass sieweniger das individuelle als das kol-lektive Glück im Sinn hatten. Staat-liche Vorhaben wandten sich an denDurchschnittsbürger, suchten das Wohl des „Kleinen Mannes“ und gin-gen hier wie dort mit rigidem SocialEngeneering einher. Das wird an runddreißig Beispielen europäischer Städtegezeigt. Der Band blickt zurück – dochkeineswegs gehört diese Gedanken-welt des Social Engeneering der Ver-gangenheit an, wie an den unermüd-lichen Versuchen der Politik und dersie mit Konzepten beliefernden Fach-leute zu sehen ist, den Bürgern mit derRegulierung des privaten Lebens vonder Wiege bis zur Bahre Gutes tun zuwollen. Insofern ist das Buch hilfreich,um manches Heutiges als die Karikaturvon morgen vorauszusehen

Genossenschaftsforum e.V.

VIDEO-FILM:

„Anders Leben in Genossenschaften“Im Dezember 2002 hat das Genossen-schaftsforum einen 25-minütigen Filmherausgebracht. Anhand von Berliner

Beispielen werden die umfangreichenBemühungen von Wohnungsgenossen-schaften dargestellt, ihren Mitgliedernmehr als das reine „Dach über demKopf“ zu bieten. Insbesondere stehtdas ganzheitliche Unternehmenskon-zept im Vordergrund, das neben demdemokratischen Organaufbau und derhohen Mietsicherheit vor allembewohnernahe Verwaltungsstrukturen,weitreichende Beteiligungsformensowie soziale und kulturelle Aktivitä-ten umfasst.

Vielfältige Projekte, zu denen u.a. auchder Berliner „Tower Run“ in einem 30-geschossigen Wohnhochhaus, eineSchlichtungskommission, Concierge-Einrichtungen sowie Beirats- undKommissionstätigkeiten gehören, wer-den in einzelnen Interviews mitBewohnern und Vorständen vorge-stellt.

VHS-Kassetten können zum Stückpreis von5.– �(plus Versandkosten) bestellt werdenbeim: Genossenschaftsforum e.V.,Königin-Elisabeth-Straße 4114059 Berlin Tel.: 030-3 02 38 24Fax: 030-3 06 22 64E-Mail: [email protected]

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Renate Amann, Barbara von Neumann-Cosel:

Von Rixdorf nach BerlinWOHNUNGSBAU-VEREIN NEUKÖLLN 1902 BIS

2002,

edition arkadien, Berlin 2002; 112 Seiten,zahlreiche Farb- und s/w-Abbildungen ISBN 3-930075-23-9; 19,80 �Die Publikation zeichnet die 100-jäh-rige Entwicklung des wbv Wohnungs-bau-Verein Neukölln nicht nur anhandvon Unternehmensdaten und Architek-turfotos nach, sondern lässt auch dieBewohner mit ihren Erinnerungen undpersönlichen Fotos zur Sprache kom-men.

Der ehemalige Beamten-Wohnungs-bau-Verein zu Rixdorf wurde 1902 imdamals schnell wachsenden Arbeiter-vorort Berlins auf Initiative des dorti-gen Lehrerverbands gegründet. Auf-grund der für diesen Genossenschafts-typus reservierten staatlichenFördermittel konnte das neu gegrün-dete Unternehmen bis zum ErstenWeltkrieg bereits 440 Wohnungenerrichten; zugleich entwickelte sichein reges Gemeinschaftsleben mitzahlreichen Wohlfahrtseinrichtungen.

22 wohnbund-informationen 1/2003

Die Zeit der Wei-marer Republikwurde zur Phase dergrößten und schnell-sten Expansion. Innur fünf Jahren, von1926 bis 1931, ent-standen über 3000weitere Wohnungen,darunter bauge-schichtlich undwohnreformerischherausragende Anla-gen. Erstmals verließdie Genossenschaftin dieser Epocheauch ihren Stamm-bezirk und erstellteim damaligenWachstumsgürtelBerlins eine Vielzahlvon Siedlungen.

In den folgendenJahrzehnten – mitnationalsozialisti-schen Eingriffen,Kriegszerstörungenund der Not derNachkriegsjahre –gingen neben den

Wohnhäusern zunächst viele Erfahrun-gen nachbarschaftlicher Gemeinschaf-ten verloren. Die Qualität und Beharr-lichkeit genossenschaftlicher Arbeitsicherte jedoch einen Neuanfang, derbis zur Wiedereingliederung seinerSiedlung in Ostberlin nach der deut-schen Wende reichte. Aktuell zählt derwbv mit rund 5800 Wohnungen und13 000 Mitgliedern zu den großen Ber-liner Unternehmen, die sich neben derBestandspflege auch weiterhin derAktivierung des genossenschaftlichenGedankens verschrieben haben.

Hrsg.: Raimund Fein, Markus Otto, Lars Scharnholz

Freie Scholle Trebbin

COTTBUS-WROCLAW; Institut für NeueIndustriekultur e.V., Cottbus, 2002; 76 S.,zahlreiche s/w-Abbildungen ISBN 3-00-010779-7; 10,– �

Am 21.11.2002 wurden unter dem Titel„Neue Chancen für Wohnungsgenos-senschaften – Modelle eigentums-orientierter Genossenschaften in Bran-denburg“ die Erfahrungen mit eigen-

tumsorientierten Genossenschaftenanhand von Beispielen vorgestellt, derumfassende Förderansatz des LandesBrandenburg im Rahmen der Woh-nungsbauförderung erläutert und Mög-lichkeiten der weiteren Entwicklungder eigentumsorientierten Wohnungs-genossenschaften diskutiert. Eine Auf-bereitung der Tagungsergebnisse istgeplant.

Aber auch bestehende, nicht eigen-tumsorientierte Wohnungsgenossen-schaften werden durch das MSWVunterstützt und gefördert. Im Juni2002 wurde daher die Fertigstellungder geförderten Modernisierungs- undlnstandsetzungsmaßnahme der Sied-

lung (Bruno Taut, entworfen 1924) derkleinen WohnungsgenossenschaftFreie Scholle Trebbin eG zum Anlassgenommen, die Unterstützungsmög-lichkeiten der Wohnungsbauförderungfür bestehende Genossenschaften, zudiskutieren, um den Genossenschafts-gedanken mit seinen Möglichkeitender Verknüpfung baulicher, sozialerund wirtschaftlicher Aspekte zu beför-dern und gleichzeitig für den Erhaltkulturellen Erbes, wie es z.B. die Sied-lungen der Klassischen Moderne sind,zu nutzen. Das ermöglicht die Schaf-fung von Qualitäten, die über die reineWohnungsversorgung deutlich hinaus-gehen, da bei der Wohnungsgenos-senschaft traditionell nicht nur Planenund Bauen im Vordergrund stehen,sondern ebenso die Nutzung unddemokratische Teilhabe der Mitgliedervon Bedeutung sind.

Ertrag der Tagung im Juni 2002 istdie Dokumentation ,,Die Siedlung FreieScholle in Trebbin“. ■

Rezensionen

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Stadtumbau-Forum am 4. April in Gröditz

Zu einem Stadtumbau-Forum „Umset-zung von Stadtentwicklungskonzeptenin Sachsen mit den Wohnungsgenos-senschaften“ am 3. April 2003 ladendie Stadt Gröditz (Preisträger im Wett-bewerb Stadtumbau-Ost), der Sächsi-sche Verein zur Förderung des Genos-senschaftsgedankens e.V. und derWohnbund alle Interessenten in diesächsische Kleinstadt Gröditz ein.

Das Fachforum soll verdeutlichen, inwelcher Weise und mit welchenErgebnissen sich die Kommunen und

23wohnbund-informationen 1/2003

die Wohnungsgenossenschaften bzw--unternehmen an der Umsetzung derStadtentwicklungskonzepte beteiligenund mit welchen spezifischen undinnovativen Projekten sie zur Verbes-serung lebenswerter Städte beitragenbzw. wo noch derzeit Hürden bei derUmsetzung des Stadtumbau-Ost gese-hen werden. Damit sind auch die Mög-lichkeiten und Grenzen der Finanzie-rung und Förderung der Stadtumbau-maßnahmen und des notwendigenLastenausgleichs wichtiger Diskus-sionsgegenstand.

Eine funktionierende Kommunika-tion und Kooperation aller Akteure im

Stadterneuerungsprozesse bleibt einerder wesentlichsten Erfolgsfaktoren imStadtumbauprozess. Das Forum wirdinsbesondere dazu Erfahrungen ver-mitteln, um den notwendigen interme-diären Austausch und die Moderationdes Interessenausgleichs zwischenFachleuten aus kommunalen Verwal-tungen, aus Bundes- und Landes-institutionen, aus Wohnungsgenossen-schaften sowie von Planern undFinanzinstituten zu unterstützen.

Kontakt und Infos:Dr. Sonja Menzel, Fax: (0341) 6 99 3012, E-Mail:

[email protected]

Termine

Mitgliedschaft im wohnbund● Kostenloses wohnbund-Info● Kostenloser oder preisreduzierter Zugang zu allen unseren Fachveranstaltungen● Kostenlose Vermittlung von Kontakten bei speziellen fachlichen Fragen aus dem Bereich der Wohnpolitik, Planung,

Projekt-, Stadt- und Siedlungsentwicklung (im Rahmen unserer Möglichkeiten)● Interessante Begegnungsmöglichkeiten in einem Netzwerk von Fachleuten● Internet-Service für Mitglieder: Homepage und E-Mail im wohnbund-Netzwerk: www.wohnbund.de

Jahresbeitrag● Regelbeitrag � 95,–● Studenten und Arbeitslose� 35,–● Büros und Institutionen nach Vereinbarung

Beitrittsformular im Internet abrufen oder bei der Geschäftsstelle anfordern.

Themenschwerpunkte der nächsten wohnbund-informationen in 2003:

● 2/2003 – Stadtumbau Ost/West● 3/2003 – Öffentlicher Raum● 4/2003 – Bürgerschaftliches Engagement

Veranstaltungsankündigung

1020

30Wogeno

wohnbundUrbanes Wohnen

60 Jahre Ideen für gemeinschaftliche Wohn- und Lebensformen –

Wir feiern gemeinsam drei runde Geburtstage

Einladung folgt

Eine weitere Veranstaltung siehe nächste Seite ➥

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wohnbund e.v.Aberlestraße 16/Rgb81371 MünchenTelefon 089-74 68 9611Fax 089-725 5074E-Mail: [email protected]: www.wohnbund.de

Veranstalter:Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtplanung, Prof. Klaus Selle, Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Ort:Technologiezentrum Aachen, Europaplatz

Information:Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unser Sekretariat,Tel: 0241-8 09 83 00 E-Mail: [email protected]

Eine ausführliche Presseerklärung folgt Mitte März.

Termine

Tagung: Stadtentwicklung rückwärts …Analysen, Positionen, Konzepte

22. Mai 2003 in Aachen