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Funktionalanalysis mit Anwendungen Wolf Hofmann WS 2005/06

Wolf Hofmann WS 2005/06 - Universität Hamburg · Einleitung 1 Einleitung Der Frage ” Was ist Funktionalanalysis?“ kann man sich auf 2 M¨oglichkeiten (” andeu-tungsweise“)

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Funktionalanalysis mit Anwendungen

Wolf Hofmann

WS 2005/06

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Inhaltsverzeichnis

Literaturhinweise v

Vorbemerkung vi

Einleitung 1

Raume: Struktureller Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

§ 1 Topologische und metrische Raume 8

Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Beispiele metrischer Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Beispiele metrischer Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Ein Mehrfachbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

§ 2 Eigenschaften metrischer Raume 19

§ 3 Lin. Raume, lin. top. Raume, lin. halbgeordn. Raume,lok. konv.Raume 29

Der Raum DK(Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Der Raum D(Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

§ 4 Normierte Raume 49

Eigenschaften normierter Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Folgen und Reihen in normierten Raumen . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Endlichdimensionale normierte Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Normierte Produktraume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Normierte Quotientenraume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Die Lp -Raume 1 ≤ p <∞ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

ii

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INHALTSVERZEICHNIS iii

Die Ungleichungen von Holder und Minkowski . . . . . . . . . . . . . . . 64

Fortsetzung: Lp -Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Die Raume ℓp, 1 ≤ p ≤ ∞ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Sobolev-Raume und schwache Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

§ 5 Unitare Raume, Hilbertraume 80

Orthonormalsysteme in Pra-Hilbertraumen . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

§ 6 Kompaktheit 94

Kompaktheitskriterien fur die Raume C(K) und Lp(Rd) . . . . . . . . 98

§ 7 Lineare Operatoren 101

Beispiele linearer Operatoren und Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . 105

Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Distributionsableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Identifikation von Funktion f und Distribution F . . . . . . . . . . . . 112

Distributionelle Losungen partieller Differentialgleichungen . . . . . . . . 113

§ 8 Fortsetzung linearer Abbildungen und Funktionale 116

Anwendungen des Satzes von Hahn-Banach . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Dualraume unitarer Raume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Anwendung des Riesz’schen Darstellungssatzes auf Differentialgleichungen 125

Transformation auf homogene Randwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Einbettung in einen geeigneten Raum, schwache Losung . . . . . . . . . . 126

Anmerkungen zum Dualraum von C[a, b] . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

§ 9 Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit 134

Anwendung auf die Konvergenz von Quadraturformeln . . . . . . . . . . 136

§ 10 Der Satz von der offenen Abbildung 138

Homomorphiesatz von Banach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Satz vom abgeschlossenen Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

§ 11 Ein”schwacher“ Paragraph 144

Schwache Topologie, schwache Konvergenz, schwache Kompaktheit, Re-flexivitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

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iv INHALTSVERZEICHNIS

Charakterisierung schwach konvergenter Folgen . . . . . . . . . . . . . . 149

Beispiele zur und Eigenschaften der Reflexivitat . . . . . . . . . . . . . . 150

Schwach kompakte Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

§ 12 Duale und Adjungierte Abbildungen 157

Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Variationsprinzip fur selbstadjungierte Operatoren . . . . . . . . . . . . . 162

§ 13 Kompakte und vollstetige Operatoren 168

Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Eigenschaften kompakter Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

§ 14 Spektraltheorie kompakter Operatoren 178

Die Fredholm’sche Alternative fur Integralgleichungen . . . . . . . . . . . 195

Selbstadjungierte kompakte Operatoren in Hilbertraumen . . . . . . . . . 197

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Literaturhinweise v

Literatur

ALT, H.W.: Lineare Funktionalanalysis, Springer 1985

AUBIN J.P.: Applied Functional Analysis, Wiley, 1970

BALAKRISHNAN A.V.: Applied Functional Analysis, Springer 1976

BREZIS H.: Analyse Fonctionel et Applications, Masson 1983

CONVEY J.B.: A course in Functional Analysis, Springer 1985

COLLATZ L.: Funktionalanalysis und Numerische Mathematik, Springer 1964

CYREF C.W.: Numerical Functional Analysis, Clarendon Press 1982

DUNFORD N.-SCHWARZ J.T.: Linear Operators I,II Interscience Publishers 1958

HEUSER H.: Funktionalanalysis, Teubner 1975

HIRZEBRUCH F.-SCHARLAU W.: Einfuhrung in die Funktionalanalysis, BI 1971

LJUSTERNIK L.A.-Sobolev W.I.: Elemente der Funktionalanalysis, Akad.-Verl. 1968

PFLAUMANN E.-UNGER U.: Funktionalanalysis I, BI 1974

REED M-SIMON S.:Meth. of Mod. Math. Phys., Academic Press 1962

RUDIN W.: Functional Analysis, Mc-Graw-Hill, 1973

RUDIN W.: Real and Complex Analysis, Mc-Graw-Hill,1974

SCHECHTER M.: Principles of Functional Analysis, Academic Press 1971

TAYLOR A.E.-LAY D.C.: Introduction to Funtional Analysis, Wiley 1980

WERNER D.: Funktionalanalysis, Springer1997

WLOKA J.: Funktionalanalysis und ihre Anwendungen, De Gruyter 1971

YOSIDA J.: Functional Analysis, Springer 1980

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vi Vorbemerkung

Vorbemerkung

Dieses Skript will und soll kein Lehrbuch ersetzen. Es soll die Studenten/innen vomZwang des Mitschreibens befreien um ihnen die Moglichkeit zu geben, dem Gang derHandlung besser folgen zu konnen und um die (notige!) Nacharbeit und die (wunschens-werte!) Vorbereitung zu erleichtern. Eine Motivierung vieler Fragen, ihre Einordnungin großere Zusammenhange, Erganzung durch Beispiele erfolgt in der Vorlesung, denUbungen und (hoffentlich) einem eigenstandigen Literaturstudium. Schon ein fluchti-ges Studium der Literatur (bzw. der Inhaltsverzeichnisse einzelner Bucher) zeigt, daßman Dutzende verschiedener Vorlesungen uber Funktionalanalysis halten kann. DieseVorlesung muß sich also auf eine Auswahl beschranken. Sie wird versuchen moglichstviele Grundlagen (Einstiegsmoglichkeiten in einzelnen Theorien) zu vermitteln, kanndeshalb jedoch bei den einzelnen Abschnitten nicht in die Tiefe gehen.

Zur kurzeren Darstellung benutzen wir folgende Abkurzungen

∀ fur alle ∧ unddef

<========> wird definiert durch

∃ es gibt ∨ oder

∃ ! es gibt genau ein . . .: sodaß ⇒ Implikation

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Einleitung 1

Einleitung

Der Frage”Was ist Funktionalanalysis?“ kann man sich auf 2 Moglichkeiten (

”andeu-

tungsweise“) nahern.1. Struktur-theoretisch: Man abstrahiert von Bekanntem und entwickelt weiter. Diesist der Weg, den die meisten Lehrbucher verfolgen. Er ist elegant, zeitsparend und un-einsichtig.2. Auf dem Hintergrund der klassischen Rn -Analysis kann man Verallgemeinerungenklassischer Begriffe diskutieren, wenn diese Begriffe zur Losung eines Problems nichtausreichen (solche Begriffe sind z.B. Konvergenz, Stetigkeit, Differenzierbarkeit, In-tegration usw.). Sie alle bedurfen neuerer Klarung, wenn man, ausgehend von Rn ,n → ∞ gehen laßt. Welche Probleme auftreten, wollen wir an einigen Beispielenerlautern, bevor wir in die Theorie einsteigen.

1. Der Rn ist mit der Norm ‖x‖∞ = maxi=1,...,n

|xi|, x = (x1, . . . , xn)T ∈ Rn ein

vollstandiger, normierter Raum. Eine abgeschlossene, beschrankte Menge ist hierkompakt (folgenkompakt).Betrachte auf einer beschrankten, abgeschlossenen Menge S ⊂ Rn die MengeC0(S) der stetigen Funktionen mit der analogen Norm (Normaxiome nachrech-nen)

‖f‖∞ := supx∈S|f(x)|

C0(S) ist ∞ dimensional. (Was heißt das?) Abgeschlossene und beschrankteMengen sind in diesem Raum nicht kompakt (Satz von Arzela u. Ascoli).

Im Rn wird durch (x, y) =n∑

i=1

xi yi ein Skalarprodukt definiert, das die Norm

‖x‖2 =√

(x, x) (Euklidische Norm) erzeugt. Die Euklidische Norm ist zur Max-Norm aquivalent. Es gilt (Ubung)

1√n≤ ‖x‖∞‖x‖2

≤ 1 .

In C(S) lautet das Analogon zum Skalarprodukt

(f, g) =

S

f(x) g(x) dx (Axiome nachrechnen) .

Es erzeugt die Norm

‖f‖2 =

√√√√∫

S

|f(x)|2 dx (Normbeweise spater) .

Diese Norm ist zur Supremumsnorm nicht mehr aquivalent. Es gilt zwar

‖f‖2 ≤√√√√max

x∈S|f(x)|2

S

dx ≤√√√√∫

S

dx · ‖f‖∞ ,

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2 Einleitung

d.h. Konvergenz bzgl. ‖ ‖∞ impliziert Konvergenz bzgl. ‖ ‖2 . Das umgekehrteist nicht richtig, wie folgendes Beispiel zeigt:

S = [−1, 1] ⊂ R, 0 < ε < 1, fε(x) =

max

(0,

1

ε

(1− |x|

ε

))

Es ist

‖fε‖∞ =√

(beliebig groß fur ε→ 0)

‖fε‖2 = 1 .

Aus der Analysis ist bekannt, daß C(S) mit ‖‖∞ vollstandig ist. Fur C(S) mit‖ ‖2 gilt das nicht, denn fur S = [0, 1] ist die Folge

xn(t) =

1 fur 0 ≤ t ≤ 12,

1− 2n(t− 1

2

)fur 1

2≤ t ≤ 1

2+ 2−n,

0 fur 12

+ 2−n ≤ t ≤ 1,

eine Cauchy–Folge, die keinen stetigen Grenzwert hat.

Frage:Kann man diesen Raum vervollstandigen? (Und bzgl. welchen Konvergenzbe-griffs?)

2. N Teilchen im R3 stehen gemaß den Gesetzen von Newton und Hook in Wech-

selwirkung −mxi =3N∑k=1

wik xk mit xk, i, k = 1, . . . , 3N (3 Raumkoordinaten

fur jedes Teilchen).

Der Losungsansatz fur kleine Schwingungen

xi = ai sin ω t, ai ∈ R

liefert

ai m ω2 sin ω t =3N∑k=1

wik ak sin ω t

ai ω2 =

∑k

wik

mak

bzw. ω2 a = W a mit a = (a1, . . . , a3N)T , W =(

wik

m

)

Behandlung fur

N <∞Matrizen WEigenwerte λ = ω2

Eigenvektoren aallg. Bewegung (Superposition, Summie-rung)

? N →∞ (Ubergang zu Materie)

? Operatoren? EW? EV? Integration

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Einleitung 3

3. Eine zylindrische Dose mit vorgegebenem Volumen V = r2π h hat die Oberflache

O = 2r2π + 2π rhbzw. O(r) = 2π r2 + 2V

r

Die Dose mit minimaler Oberflache findet man durch Differenzieren O′(r) = 0 .

Die Lage einer Kettenlinie u(x) wird dadurch bestimmt, daß die potentielle Ener-gie der Kette minimal ist.

a b

u(a)

u(b)

Die potentielle Energie der Kette wird, in Abhangigkeit von ihrer Lage, beschrie-ben durch einen Ausdruck der Form

φ(u(x)) =

b∫

a

F (t, u(t), u′(t)) dt , φ : C1[a, b]→ R.

Wie wird so was minimiert? Was ist das Analogen der Ableitung (das Argumentvon φ ist eine Funktion)? Wann existiert uberhaupt ein Minimum?Vgl. Ubungen. Dort zeigen wir als Beispiel:

Das Funktional

φ(u) = ‖u′‖∞ +

1∫

0

u′(x)2 dx

ist auf der im C1[0, 1] abgeschlossenen Menge

M1 = u ∈ C1[0, 1]; u(0) = 0, u′(1) = 1

zwar nach unten beschrankt, besitzt jedoch kein Minimum (→ Variationsrech-nung)

4. Jedes x ∈ Rn besitzt eine Basisdarstellung x =n∑

i=1

ai ei mit Elementen ei ,

i = 1, . . . , n , die zueinander orthogonal sind.

Bei der Losung der Differentialgleichung fur eine schwingende Saite der Langeℓ = 2π stellen sich die Fragen (vgl. Ubungen):Bilden die Funktionen φi∞i=1 = 1, cos t, sin t, cos 2t, sin 2t, . . . eine Basis des

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4 Einleitung

Raumes C[0, 2π] und ist es moglich, eine beliebige Funktion f ∈ C[0, 2π] bzgl.dieser Basis darzustellen ?

f(t) =∞∑

i=1

αi φi(t) , (Fourier-Reihe)

und wenn ja, in welcher Norm konvergiert diese Darstellung?

Immerhin sind die Elemente dieser Basis bzgl. des inneren Produkts aus 1. zu-einander orthogonal: (φi, φj) = 0 fur i 6= j . (→ Fourier–Reihen)

5. Eine Ladungsverteilung, die auf den Bereich ‖x‖2 ≤ k konzentriert ist und dieGesamtladung 1 hat, kann dargestellt werden durch eine reellwertige Funktionφ mit den Eigenschaften

φ(x) = 0 fur ‖x‖2 > k,

‖x‖2≤k

φ(x) dx = 1. (φ(x) = Ladungsdichte)

Konsequenterweise mußte eine Punktladung an der Stelle x = 0 durch eine“Funktion δ ” mit den Eigenschaften

δ(x) = 0 fur x 6= 0,

∫δ(x) dx = 1

beschrieben werden konnen. Eine reellwertige, integrierbare Funktion mit diesenEigenschaften existiert jedoch nicht. (→ Theorie der Distributionen)

Fur weitere einfuhrende Beispiele vgl. z.B. die Lehrbucher von Heuser und Alt.

Will man diese (und viele andere) Beispiele in Analogie zu klassischen Methoden be-handeln, so liegen anstelle des Rn (oder Cn ) allgemeinere Raume zugrunde, die einelineare Struktur besitzen, jedoch nicht notwendig von endlicher Dimension sind. Haufighandelt es sich dabei um Raume, deren Elemente Funktionen sind. In diesen Raum-en wird ein Konvergenzbegriff haufig durch eine Metrik, eine Norm, oder ein inneresProdukt induziert. Bzgl. dieser Metrik mussen dann Abbildungen (z.B. stetige, diffe-renzierbare) studiert werden. Diese Abbildungen konnen ihrerseits wieder als Elementevon Raumen aufgefaßt werden. Raume mit solchen Strukturen sind

topologische lineare Raume,metrische Raume,normierte Raume,unitare Raume,normierte Algebren,halbgeordnete, lineare, normierte Raume, usw.

Das heutige Bild der Funktionalanalysis ist das einer weitentwickelten mathematischenTheorie solcher Raume und der Beziehungen zwischen ihnen, die neben ihrem “Wertan sich” (als schone Theorie) auch in der Lage ist “harte” Probleme der Analysis zulosen, ja, die sogar fur viele Anwendungen heute unentbehrlich ist.

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Einleitung 5

Stichworte

Numerische Behandlung gewohnlicher und partieller Differentialgleichungen,Integralgleichungen,Variationsprobleme,Steuerungsprobleme (friedliche Rakete).

Im Folgenden befassen wir uns zunachst mit den Raumen, die in der Funktionalanalysisstudiert werden und dann mit den Abbildungen zwischen ihnen.

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6 Einleitung

Raume: Struktureller Aufbau

Wichtige Eigenschaften des Rn

1. topologischer Raum (offene Mengen, Grenzwertprozesse, Differenzierbarkeit, . . . )

2. lineare Struktur ( α x + β y ∈ Rn ∀α, β ∈ R, x, y ∈ Rn )

3. Metrik (Abstandmessung, Iterationsverfahren)

4. Skalarprodukt (Winkelmessen, Orthogonalitat)

5. Vollstandigkeit (jede Cauchy–Folge konvergiert, Existenzbeweise fur Losungen)

6. Kompaktheit (Bolzano–Weierstraß) (Hilfsmittel zur Rettung vieler Eigenschaf-ten des Rn beim Ubergang zu ∞ dim. Raumen)

Struktureller Aufbau (Pfeile bedeuten Implikationen)

unitarer Raum

6

unitarer Raum+ Vollst. =Hilbert–Raum

metr. lin. Raum+ Vertragl.Beding.= normierter Raum

6

normierter Raum+ Vollst. =Banach–Raum

XXXXXXXXXXXXy

metrischer Raum lokal konvexerlinearer Raum

6

lin. top. Raum= top. Vektorraum(+ Vertragl.Beding.)

6

topologischer Raum(offene Mengen)

linearer Raum= Vektorraum

PPPPPPPPPi

1

6

Wesentlich fur das Verstandnis der Strukturen sind Beispiele

1. an und fur sich (Existenznachweis)

2. solche, die einen Begriff vom anderen abgrenzen

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Einleitung 7

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8 § 1 TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME

§ 1 Topologische und metrische Raume

Grundbegriffe

Topologie Metrik

Sei X eine Menge

Topologie auf Xdef

<=======> Menge T von Teil-

mengen von X (T ⊂ P(X) Potenzmenge)mit

d : X × X → [0,∞) heißt Metrik (Abstand)falls

(T1) ∅ ∈ T , X ∈ T (M1) d(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y (Definitheit)(T2) Oi ∈ T =⇒ ⋃

i Oi ∈ T (beliebigeVereinigung) (M2) d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie)

(T3) Oi ∈ T =⇒ ⋂Ni=1 Oi ∈ T (endliche

Durchschn.) (M3) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z)(Dreiecksungl.)

Das Paar (X, T ) heißt topologischer Raum. Das Paar (X, d) heißt metrischer Raum.Die Elemente von T heißen offene Mengen. d heißt Quasimetrik , falls (M1) ersetzt wird

durch(M1’) d(x, x) = 0

Definition:K(x0, ε) := x ∈ X; d(x0, x) <

(=)ε heißt

offene (abgeschlossene) Kugel

M ⊂ X heißt offendef

<=======>∀x ∈M ∃ ε > 0 :

K(x, ε) ⊂M . ∅, X sind offen.

abgeschlossene Mengedef

<=======> Komplement

einer off. Menge bzgl. X.

M heißt abgeschlossendef

<=======> ∁ M ist offen.

Satzchen: In einem (quasi)metrischenRaum wird durch

T = ∅, X, M ⊂ X mit M offeneine Topologie (die durch die Metrik indu-zierte) definiert. (Bew. als Ubung)

Ein System O von offenen Mengen aus(X, T ) heißt Basis der Topologie von X,wenn jede nicht leere offene Menge von XVereinigung von Mengen aus O ist.

Bsp. In (X, d) bilden die offenen Kugeln eineBasis der Topologie.

Erste Beispiele:

1) T = P(X) (Menge aller Teilmengenvon X, Potenzmenge)=⇒ diskrete Topologie

2) T = ∅, X =⇒ grobste (indiskrete)Topologie

1) X = Rn, d(x, y) =

√n∑

i=1

(xi − yi)2 eu-

klidische Metrik

2) X = R2, d(x, y) = |x1−y1|Quasimetrik

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9

Bemerkung: Daß ∅ als offene Menge definiert ist, wird verstandlich, wenn man sichklar macht, daß die Verneinung von “M ist offen” laut Definition bedeutet:∃x ∈M : ∄ offene Menge U mit U ⊂ M.Da ∅ diese Eigenschaft nicht erfullt ( ∄ x ∈ ∅ ), macht es Sinn, ∅ als offen zu definieren.

Definitionen

top. Raum (X, T ) metr. Raum (X, d)

U heißt Umgebung vonx0 (U ∈ U(x0))

def⇐⇒ def⇐⇒∃ V ∈ T : x0 ∈ V ⊂ U ∃ ε > 0 : K(x0, ε) ⊂ U

V ⊂ U(x0) heißt Um-gebungsbasis von x0

def⇐⇒ def⇐⇒∀U ∈ U(x0) ∃V ∈ V :V ⊂ U

∀U ∈ U(x0) ∃V ∈ V :V ⊂ U

x0 heißt innerer Punktvon M ⊂ X

def⇐⇒ def⇐⇒M ∈ U(x0) M ∈ U(x0)

x0 ∈ X heißtHaufungspunkt von M

(HP)

def⇐⇒ def⇐⇒∀U ∈ U(x0)∃ y ∈ U∩M ,

y 6= x0

∀ε > 0∃y ∈ K(x0, ε)∩M ,y 6= x0

Existenz von HPn?

N ⊂ R hat keine HPe, Q ⊂ R hat welche.

Interessant ist folgende Aquivalenz im metrischen Raum (X, d) (vgl. Analysis):

x0 ∈ X ist HP von M ⇐⇒ ∃ Folge xn ⊂M, xn 6= x0 ∀n : limn→∞

xn = x0

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10 § 1 TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME

Es gilt dazu kein Aquivalent im topologischen Raum (vgl. spateres Gegenbeispiel).

Bemerkung: Hier, wie im Folgenden, gelten samtliche Definitionen, die in topologi-schen Raumen getroffen werden, wortlich auch im metrischen Fall, wenn man die dortgetroffenen Definitionen fur Umgebung, offene Menge usw. zu Grunde legt.

Offene Mengen konnen auch durch Umgebungen charakterisiert werden. Im topologi-schen wie im metrischen Fall gilt:

M ⊂ X offen ⇐⇒ M ∈ U(x) ∀x ∈M

”=⇒“ folgt direkt aus der Definition von Umgebung.

”⇐=“ ∀x ∈M ∃Vx ∈ T mit x ∈ Vx ⊂M =⇒M =

⋃x∈M

x =⋃

Vx⊂M

Vx

(T2)∈ T .

Bezeichnungen:

M = Menge der inneren Pkte. von M = offener Kern von M = Inneres von M .M := M ∪ Menge aller HPe von M = Abschluß von M = abgeschlossene Hullevon M

Mit diesem Vokabular definiert man in beiden Fallen

M dicht in Xdef

<=======> M = X

M nirgends dicht in Xdef

<=======> (M)0 = ∅in top. Raumen

<======================>in metr. Raumen

<========================>

∀K1 ∈ T , K1 6= ∅, ∃K2 ∈ T , ∀ Kugel K1 ⊂ X ∃∅ 6= K2 ⊂ K1 : K2∩M = ∅ Kugel K2 ⊂ K1 : K2∩M = ∅

Beweis:Vor.: (M)0 = ∅ : Sei K1 6= ∅, K1 ∈ T beliebig.

Ann.: ∀K2 ⊂ K1, K2 ∈ T ist K2 ∩M 6= ∅ . Also gilt auch:Fur bel. x ∈ K1 gilt ∀K2 ∈ U(x) ∩ T , K2 ⊂ K1 ist K2 ∩M 6= ∅ ,d.h. x ∈M , also, da x ∈ K1 beliebig, ist K1 ⊂ M. W! zu (M)0 = ∅ ,also ∃K2 ⊂ K1 : K2 ∩M = ∅.

Vor.: (M)0 6= ∅ : =⇒ ∃K1 ∈ T , namlich K1 = (M)0, mit K1 ∩ (M)0 = K1 6= ∅=⇒ ∀K2 ∈ T , K2 6= ∅, K2 ⊂ K1 ist K2 ∩ (M)0 = K2 6= ∅=⇒ K2 ∩ (M) = K2 =⇒ K2 ∩M 6= ∅ , dennx ∈ K2 ∈ T =⇒ ∃U ∈ U(x), U ⊂ K2 undx ∈M =⇒ ∃ y ∈ U ∩M, y 6= x =⇒ K2 ∩M 6= ∅.Das ist die Verneinung der Eigenschaft.

Der Beweis fur den metrischen Fall verlauft analog.

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11

Beispiele: M = Gerade in R2 =⇒ (M)0 = ∅.M = N = N =⇒ (N)0 = ∅.M = Q =⇒ Q = R = (Q)0.

Es gelten (fur (X, T ) und (X, d) ) folgende Aquivalenzen (als Ubung):

M abgeschlossen ⇐⇒ M = M ⇐⇒ ∁ M offen

M offen ⇐⇒ M =

M ⇐⇒ ∁ M abgeschlossen

Man kann dabei einen beliebigen Doppelpfeil als Definition betrachten, dann stellendie anderen Doppelpfeile Aussagen dar.

Fur beliebige Indexmengen Λ und Teilmengen Ai ⊂ X gelten die Gleichungen

∁(⋃

i∈Λ

Ai

)=(⋂

i∈Λ

∁Ai

)und ∁

(⋂

i∈Λ

Ai

)=⋃

i∈Λ

∁Ai.

Mit Hilfe dieser Gleichungen zeigt man sofort, daß (T1)− (T3) aquivalent sind zu denfolgenden Eigenschaften fur abgeschlossene Mengen Ai :

(A1) ∅, X abgeschlossen

(A2) Ai ⊂ X abgeschlossen =⇒n⋃

i=1

Ai abgeschlossen (endliche Vereinigungen).

(A3) Ai ⊂ X abgeschlossen =⇒ ⋂i

Ai abgeschlossen (beliebige Durchschnitte).

Mittels dieser 3 Eigenschaften kann man also auch eine Topologie mittels abgeschlos-sener Mengen definieren.

Weiter zeigt man leicht:

M =⋂

Ai⊃MAi abg.

Ai und

M =⋃

Oi⊂MOi offen

Oi

Wir erklaren weiter

top. Raum metr. Raum

Eine Folge xn ⊂ Xkonvergiert gegen einx0 ∈ X (x0 =lim

n→∞xn)

def⇐⇒ def⇐⇒∀U ∈ U(x0)∃n0 ∈ N :xn ∈ U ∀ n ≥ n0

∀ ε > 0 ∃ n0 ∈ N :d(x0, xn) < ε ∀n ≥ n0

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12 § 1 TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME

Satzchen:

1. In (X, d) ist der Grenzwert eindeutig,

2. in (X, T ) nicht notwendig.

Beweis:

1. indirekt: Annahme: x = limn→∞

xn, y = limn→∞

xn und x 6= y, dann gilt ∀n :

d(x, y) ≤ d(x, xn) + d(xn, y)n→∞−−−→ 0 =⇒ x = y W!

2. X = R2, d(x, y) = |x1 − y1| ist eine Quasimetrik, die eine Topologie erzeugt, inder der Grenzwert nicht eindeutig ist.

Fazit:

1. Eine Metrik ist eine starkere Struktur als eine Topologie,

2. im allgemeinen Fall muß man die Eindeutigkeit des Grenzwertes durch ein Axiomerzwingen.

Definition:Ein toplologischer Raum (X, T ) erfullt das Hausdorff’sche Trennungsaxiom, wenn gilt

(H) ∀ x, y ∈ X, x 6= y ∃ U ∈ U(x) ∧ V ∈ U(y) : U ∩ V = ∅.

Man erkennt sofort

a) (X, T ) genugt (H) =⇒ Grenzwert eindeutig.

b) (X, d) erfullt (H).

Aus den im Folgenden aufgefuhrten Definitionen und Aquivalenzen fur Stetigkeit imtopologischen Raum gelten naturlich wortlich auch im metrischen Raum. Sie werdendeshalb nicht gesondert aufgefuhrt.Man beachte jedoch im metrischen Fall die Bemerkung zur Aquivalenz von

”f stetig in x0“

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13

Stetigkeit

(X,T1), (Y,T2)top. Raume

(X, d1), (Y, d2)

metr. Raume

f : X → Y heißtstetig in x0 ∈ X

def<=======>

def<=======>

∀ V ∈ U(f(x0))∃U ∈ U(x0) : f(U) ⊂ V

∀ ε > 0 ∃ δ > 0 :d1(x0, x) < δ =⇒d2(f(x0), f(x)) < ε

~w~w

V ∈ U(f(x0)) =⇒f−1(V ) ∈ U(x0)

∀ xn ⊂ X :lim xn = x0 =⇒lim

n→∞f(xn) = f(x0)

(hierzu gibt es kein Aquiva-lent in top. Raumen. Die Ei-genschaft

”folgenstetig“, die

im top. Raum definiert wer-den kann, ist schwacher alsdie Stetigkeit)

f stetig in X

def<=======>

def<=======>

f stetig in allen x ∈ X~wV ∈ T2 =⇒ f−1(V ) ∈ T1~wV abg. =⇒ f−1(V ) abg.

f stetig in allen x ∈ X

Beweis der Aquivalenz fur “f stetig in x0 ”:

”⇓“: Aus f(U) ⊂ V =⇒ U ⊂ f−1(V ) =⇒ f−1(V ) ∈ U(x0).

”⇑“: Zu V wahle U = f−1(V ) =⇒ f(U) = f(f−1(V )) ⊂ V.

Beweise der Aquivalenzen fur “f stetig in X ”:

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14 § 1 TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME

2. Aquivalenz: V durchlaufe alle offenen Mengen von Y . Dann durchlauft ∁V alleabgeschlossenen Mengen von Y . f−1(V ) und f−1(∁V ) sind Komplementarmengen inX , d.h. f−1(V ) ∩ f−1(∁V ) = ∅ ∧ f−1(V ) ∪ f−1(∁V ) = X =⇒f−1(V ) ist offen genau dann, wenn f−1(∁V ) abgeschlossen.Dies bedeutet die Aquivalenz.

Beachte: Das Bild einer offenen Menge unter einer stetigen Funktion muß nicht offensein. Beispiel: O = (0, π) ⊂ R, f(x) = sin x, f(O) = [−1, 1].

Wir erklaren weiter:

Homoomorphismus: f : X → Y, f bijektiv, f, f−1 stetig.

Isometrie: f : Xbijektiv−−−−→ Y : d1(x, y) = d2(f(x), f(y)) ∀x, y.

Jede Isometrie ist auch ein Homoomorphismus.

Relativtopologie auf einer Teilmenge (Spurtopologie)

(X, T ) top. Raum, M ⊂ X =⇒ (M, T ′) ist top. Raum

mit T ′ = M ∩ U ; U ∈ T

Vergleich von Topologien:

T1, T2 Topologien auf X,”T1 feiner als T2“

def<=======> T1 ⊃ T2

(d.h. T1 enthalt mehroffene Mengen als T2)

Topologien mussen nicht vergleichbar sein.Beispiel: X = x, y, T1 = ∅, X, x, T2 = ∅, X, y

Anwendungshinweise:Die Stetigkeit einer Funktion ist nicht (nur) eine Eigenschaft der Funktion, sondernauch eine Eigenschaft der Struktur von Bild- und Urbildraum.

∃ Beispiele (spater), wo dasselbe f bzgl. einer Topologie stetig ist, und unstetig bzgl.einer anderen.

Erzeugte Topologie

Sei S ⊂ P(X) (Potenzmenge). Die von S erzeugte Topologie ist die grobste TopologieT = T (S) mit S ⊂ T (vgl. Ubungen).

Produkttopologie: Seien (X, T1), (Y, T2) top. Raume.Auf dem Produktraum X × Y = (x, y); x ∈ X, y ∈ Y wird eine Topologie erzeugtdurch

S = M := M1 ×M2 ; Mi ∈ Ti, i = 1, 2

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15

Beachte: S enthalt noch nicht alle offenen Mengen.

Beispiel: X = R2, Mi = offene Intervalle, =⇒ S = Menge der offenen Quader, dieoffenen Kugeln sind nicht in S enthalten.

Ubung: Sind (Xi, di), i = 1, 2 metr. Raume =⇒ (X1 ×X2, max(d1, d2)) ist einmetr. Raum, dessen Topologie mit der Produkttopologie ubereinstimmt.

Beispiele metrischer Raume

Metriken im Rn : Sei x ∈ Rn, x = (x1, . . . , xn)T

(1.1) d1(x, y) =n∑

i=1

|xi − yi|

(1.2) d2(x, y) =

√n∑

i=1

|xi − yi|2

(1.3) d∞(x, y) = supi=1,...,n

|xi − yi|

Sei Ω ⊂ Rn offen, B(Ω) = f : Ω→ R, beschrankt, f, g ∈ B(Ω)

(1.4) dC(f, g) = supt∈Ω|f(t)− g(t)|

ist eine Metrik. Konvergenz bzgl. dC bedeutet gleichmaßige Konvergenz.

C(Ω) := f ∈ B(Ω); f stetig,Cℓ(Ω) := f ∈ B(Ω); Ds f ∈ C(Ω) ∀ Multiindizes s : |s| ≤ ℓ

sind metrische Unterraume. Dabei heißt

s := (s1, . . . , sn), si ∈ N ∪ 0 Multiindex ,

|s| =∑

si seine Ordnung.

∂s f(x) =∂s1+s2+...sn

∂ xs1

1 . . . ∂ xsnn

f(x) Ableitung n-ter Ordnung .

Hinweis: Die Bezeichnung in der Literatur ist nicht immer einheitlich. Wird von C(Ω)bzw. Cℓ(Ω) als metrischen (oder normierten) Raumen gesprochen, beschrankt man sichimmer auf beschrankte Funktionen. Andernfalls gabe es, im Widerspruch zur Definiti-on, Elementepaare, fur die kein Abstand erklart ware.

Fur den Raum Cℓ(Ω) wird auch durch

(1.5) dCℓ(f, g) = sup|s|≤ℓt∈Ω

|∂s f(t)− ∂s g(t)|

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16 § 1 TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME

eine Metrik erklart (Ubung).

Durch (1.4) und (1.5) werden verschiedene Topologien auf Cℓ(Ω) definiert.

Aufgabe

(C1[a, b], dC) −→ (C[a, b], dC) ist unstetig.

f −→ f ′

(C1[a, b], dC1) −→ (C[a, b], dC) ist stetig.

f −→ f ′

Bemerkung: Wird vom Cℓ(Ω), ℓ ∈ N ∪ 0 , als metrischem Raum gesprochen, someint man im allgemeinen die Metrik dCℓ .

Ein Satz, der fur die Struktur von C[a, b] wichtig ist, ist der

Approximationssatz von Weierstraß:Die Menge aller Polynome ist dicht in C[a, b] , d.h. ∀ ε > 0 ∧ ∀ f ∈ C[a, b] ∃ Polynompn , sodaß

dC(f, pn) < ε .

(Beweis in jedem Lehrbuch uber Approximationstheorie)

Definition:Zwei Metriken auf demselben Raum heißen aquivalent, wenn sie dieselbe Topologieerzeugen.

Ubung:

Man zeige, daß die Metriken (1.1) bis (1.3) paarweise aquivalent sind.

(Das ist der Fall, wenn die offenen Mengen jeweils die gleichen sind.)

Der Raum S := f : [a, b] → R, f meßbar und endlich (Gemeint sind hier Aquivalenzklassen von Funktionen: Funktionen, die sich nur auf

einer Menge vom Maß Null unterscheiden, werden nicht unterschieden). S wird me-trisiert durch

dS(x, y) :=

b∫

a

|x(t)− y(t)|1 + |x(t)− y(t)| dt.

dS ist eine Metrik (Ubung: Beachteλ

1 + λist fur λ ≥ 0 monoton wachsend).

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17

Definition:

xn ⊂ S konvergiert stochastisch gegen x0 ∈ Sdef

<=====> limn→∞

µ(En(ε)) = 0 ∀ ε > 0 ;

dabei ist µ das Lebesgue-Maß der Menge En(ε) = t; |xn(t)− x0(t)| ≥ ε.

Satzchen:In S sind aquivalent:

xnstoch−−−→ x0 ⇐⇒ lim

n→∞dS(xn, x0) = 0

Beweis:

”⇐=“

dS(xn, x0) =b∫

a

|xn(t)− x0(t)|1 + |xn(t)− x0(t)|

dt ≥∫

En(δ)

|xn(t)− x0(t)|1 + |xn(t)− x0(t)|

dt

≥ δ

1 + δ

∫En(δ)

dt =δ

1 + δµ(En(δ)) (

x

1 + xր fur x > 0).

”=⇒“

dS(xn, x0) =b∫

a

|xn(t)− x0(t)|1 + |xn(t)− x0(t)|

dt

=∫

(a,b)\En(δ)

|xn(t)− x0(t)|1 + |xn(t)− x0(t)|

dt +∫

En(δ)

|xn(t)− x0(t)|1 + |xn(t)− x0(t)|

dt

≤∫

(a,b)\En(δ)

|xn(t)− x0(t)| dt +∫

En(δ)

1 dt (durch Abschatzen des Integranten)

≤ (b− a) · δ + µ(En(δ)) .

Beachte:

Als Voraussetzungen braucht man

(i) En(δ) meßbar und (ii) ∃ limn→∞

b∫a

xn(t)− x0(t)

1 + |xn(t)− x0(t)|dx.

Letzteres gilt nach dem Satz von Lebesgue (majorisierte Konvergenz).

Satz von Lebesgue:Seien fn, g integrierbar, lim

n→∞fn = f f.u. und |fn| ≤ g f.u., so ist f integrierbar und

es gilt

limn→∞

∫fn(x) dx =

∫f(x) dx.

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18 § 1 TOPOLOGISCHE UND METRISCHE RAUME

S ist ein Beispiel fur einen metrischen, nicht normierbaren Raum (vgl. § 4).

Ein Mehrfachbeispiel

1. Es zeigt Zusammenhange zwischen punktweiser und gleichmaßiger Konvergenzvon stetigen Funktionen,

2. es definiert und vergleicht verschiedene Topologien auf derselben Menge,

3. es zeigt, daß man den Konvergenzbegriff der punktweisen Konvergenz einer Folgestetiger Funktionen nicht durch eine Metrik erzeugen kann, d.h. es gibt topolo-gische Raume, die nicht metrisierbar sind. Dazu zeigen wir, daß die in jedemmetrischen Raum gultige Aquivalenz

”x ∈ X ist HP von M ⊂ X ⇐⇒ ∃xn ⊂M, xn 6= x ∀n mit lim

n→∞xn = x “

in einem topologischen Raum i. allg. falsch ist.

Sei X = C[0, 1] . Dann wird durch die Metrik d∞ die Topologie T∞ erklart.

d∞(x, y) = maxt∈[0,1]

|x(t)− y(t)|.

Konvergenz bzgl. dieser Metrik bedeutet gleichmaßige Konvergenz von Funktionenfol-gen.

Wir erklaren eine weitere Topologie T wie folgt:

∀ z ∈ X ∧ ∀ ε > 0 ∧ ∀ endlichen Teilmengen D ⊂ [0, 1] sei

V (z, D, ε) := x ∈ X : |x(t)− z(t)| < ε ∀ t ∈ D .

Sei S die Gesamtheit dieser Mengen und T die von S erzeugte Topologie (man nehme∅, X , beliebige Vereinigungen von Elementen aus S und endliche Durchschnitte dazu).Dann gilt (Beweis als Ubung):

1. T ist echt grober als T∞ (Hinweis: Zeige V ∈ S=⇒6⇐= V ∈ T∞)

2. In (X, T ) konvergiert eine Folge xn genau dann gegen ein x0 , wenn fur jedest ∈ [0, 1] die Folge xn(t) gegen x0(t) konvergiert (punktweise Konvergenz).

3. Die Menge

M := x ∈ C[0, 1]; 0 ≤ x(t) ≤ 1 ∀ t ∈ [0, 1], ∧∃ endlich viele, disjunkte Intervalle

I1, . . . , Ik ⊂ [0, 1] mit x(t) = 1 ∀ t ∈ ⋃ Ij und∑ |Ij| ≥ 1/2

besitzt die Funktion f ≡ 0 als Haufungspunkt, aber ∄ Folge xn ⊂M , die in(X, T ) gegen f konvergiert (vgl. 1)).

Hinweis zu 3): Fur eine punktweise konvergente Nullfolge xn ⊂ M wurde (Satzvon Lebesgue) folgen

limn→∞

1∫

0

xn(t) dt = 0.

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19

§ 2 Eigenschaften metrischer Raume

Vorbemerkung: Metrische Raume mussen keine lineare Struktur (Addition, Subtrak-tion, Multiplikation mit Skalaren) besitzen. Ist eine lineare Struktur in einem metri-schen Raum erklart, so spricht man von einem linearen metrischen Raum.

Definition 2.1Ein metrischer Raum (X, d) heißt vollstandig , wenn jede Cauchy-Folge (CF) einen

Grenzwert in X besitzt:

xn ⊂ X ist CFdef⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃n ∈ N : d(xn, xm) ≤ ε ∀n, m ≥ n

Beispiele vollstandiger Raume: (Rn, d∞) und (Rn, d2) sind vollstandig. (Analysis)

Ubung: (R, d), d(x, y) = | arctan x− arctan y| , ist nicht vollstandig.

Beachte: Vollstandigkeit ist nicht nur eine Eigenschaft des Raumes (der Menge derElemente), sondern auch der Struktur (der Metrik).

Satz 2.2

1. Ω ⊂ Rn eine Menge =⇒ B(Ω) := f : Ω→ R, f beschrankt ist vollstandig

bzgl. d∞(f, g) := supt∈Ω|f(t)− g(t)|.

2. Ω ⊂ Rn kompakt =⇒ Cℓ(Ω) := f : Ω→ R; ∂s f stetig ∀ |s| ≤ ℓ ist

vollstandig bzgl.dCℓ(f, g) := sup

|s|≤ℓ

|∂s f(t)− ∂s g(t)|.

Beweis:1) xn CF in B(Ω)

def.⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃n0 = n0(ε) ∈ N : d∞(xn, xm) < ε ∀n, m ≥ n0

=⇒ |xn(t)− xm(t)| ≤ ε ∀n, m ≥ n0 ∀ t ∈ Ω

=⇒ xn(t)ist CF ∀ t ∈ Ω

R vollst.=⇒ ∃x(t) := lim

n→∞xn(t) ∀ t

und |x(t)− xn(t)| ≤ ε ∀n ≥ n0 ∀ t ∈ Ω

=⇒ |x(t)| ≤ |x(t)− xn(t)|+ |xn(t)|≤ ε + sup

Ω|xn(t)| =⇒ x beschr., also x ∈ B(Ω) .

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20 § 2 EIGENSCHAFTEN METRISCHER RAUME

2) ℓ = 0 : C(Ω) ⊂ B(Ω)a)

=⇒ Eine CF hat einen Grenzwert in B(Ω) . Der Grenzwerteiner auf einem Kompaktum gleichmaßig konvergenten stetigen Funktionenfolge iststetig, also ∈ C(Ω) .Entsprechend schließt man fur ℓ > 0 unter Benutzung des Satzes uber die gliedweiseDifferenzierbarkeit von Funktionenfolgen.

Ohne Beweis: (vgl. Wloka)

Der Raum (S, dS) (vgl. S. 16) ist vollstandig.

Nicht vollstandig sind z.B.

a) (Q, d∞) ( z.Bsp. π /∈ Q. )

b) C[a, b] mit d1(f, g) =b∫

a

|f(t)− g(t)| dt .

Beweis b)Die Folge

xn(t) =

1 fur 0 ≤ t ≤ 12

1− 2n(t− 1

2

)fur 1

2≤ t ≤ 1

2+ 2−n

0 fur 12

+ 2−n ≤ t ≤ 1-

6

h

LLLLLLLL

12 1︸ ︷︷ ︸

2−n

ist eine CF, denn fur alle p ∈ N gilt

d1(xn+p, xn) =

1

2+2−n∫

1

2

|xn+p(t)− xn(t)| dt < 2−n.

Angenommen: xn konvergiert in (C[0, 1], d1) gegen ein x0 ∈ C[0, 1] , dann gilt mitder (unstetigen) Hilfsfunktion

x(t) =

1, 0 ≤ t ≤ 1

2

0, 12

< t ≤ 11∫0

|x0(t)− x(t)| dt ≤1∫0

|x0(t)− xn(t)| dt +1∫0

|xn(t)− x(t)| dt

≤ d1(x0, xn) + 2−n−1 n→∞−−−→ 0

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21

also1∫

0

|x0(t)− x(t)| dt =

1

2∫

0

|x0(t)− 1| dt +

1∫

1

2

|x0(t)| dt = 0

Ist aber x0 stetig, so konnen nicht beide Integrale verschwinden.

Was tut man mit unvollstandigen Raumen? Man denke etwa an Iterationsverfahren,die Cauchy-Folgen liefern!

Vervollstandigen!

Satz 2.3 VervollstandigungSei (X, d) ein (nicht notwendig vollstandiger) metrischer Raum.

1. Auf der Menge aller Cauchyfolgen von X wird durch

”xj ∼= yj def⇐⇒ d(xj , yj) ist eine Nullfolge “

eine Aquivalenzrelation definiert.

2. Der Raum X aller Aquivalenzklassen von Cauchyfolgen ist metrisch bzgl.

d(x, y) = d(xj, yj) := limj→∞

d(xj, yj).

3. Durch J : X → X, x → x := xj∈N wird X dicht und isometrisch in Xeingebettet.

4. X ist vollstandig.

Beweis:

1. Zeige Reflexivitat, Symmetrie, Transitivitat von”∼=“(Ubung).

2. Zeige: Sind x = xj, y = yj CFn, so existiert limj→∞

d(xj, yj) immer.

d(x, y) ist unabhangig von der Wahl der Reprasentanten von x, y .

d ist eine Metrik auf X (Ubung).

3. Sei x ∈ X , zeige: ∀ ε > 0 ∃ a ∈ X : d(a, x) < ε (dh. X dicht in X , Ubung).Die Isometrie der Einbettung, d(J(x), J(y)) = d(x, y), ist offensichtlich.

4. Sei xkk∈N eine CF aus X , d.h. jedes xk = xkjj∈N entspricht einer CF in X .

Wir konstruieren einen Grenzwert fur xk .

Wahle zu jedem k ∈ N ein jk : d(xki , x

kj ) ≤ 1

kfur i, j ≥ jk (geht, da CF).

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22 § 2 EIGENSCHAFTEN METRISCHER RAUME

Wir zeigen: x∞ := xℓjℓℓ∈N ist CF, also ∈ X .

d(xk

jk, xℓ

jℓ

)≤ d

(xk

jk, xk

j

)+ d

(xk

j , xℓj

)+ d

(xℓ

j , xℓjℓ

)fur j ≥ jk, jℓ

≤ 1k

+ d(xk

j , xℓj

)+ 1

j→∞−−−→ ≤ 1k

+ d(xk, xℓ

)+ 1

k,ℓ→∞−−−−→ 0, also CF.

Zeige: x∞ ist der Grenzwert von xkk∈N .

d(xℓ, x∞) = lim

k→∞d(xℓ

k, xkjk

)

≤ limk→∞

[d(xℓ

k, xℓjℓ

)+ d

(xℓ

jℓ, xk

jk

)]

≤ 1ℓ

+ limk→∞

d(xℓ

jℓ, xk

jk

) ℓ,k→∞−−−−→ 0.

vgl. oben

Bemerkungen:

1. Daß X dicht in X liegt, besagt, daß X der kleinste vollstandige Raum ist, derX enthalt. Er heißt

Vervollstandigung oder vollstandige Hulle von X .

Man kann zeigen, daß die Vervollstandigung bis auf Isometrie eindeutig ist (vgl.Wloka oder Heuser).

2. Der Satz garantiert zwar die Existenz von Grenzelementen, sagt aber nicht auswie sie dargestellt werden konnen (vgl. hierzu etwa Beispiel b) auf S. 20). Diesmuß in jedem Fall extra geklart werden. Unser Beispiel b) fuhrt auf Lebesgue-integrierbare Funktion (vgl. den Abschnitt uber Banachraume).

Das wichtigste numerische Handwerkszeug in vollstandigen, metrischen Raumenist der

Satz 2.4 Kontraktionssatz, Fixpunktsatz von BanachSei (X, d) ein vollstandiger, metrischer Raum

f : X → X eine kontrahierende Abbildung, d.h.

∃L < 1 : d(f(x), f(y)) ≤ L d(x, y) ∀x, y ∈ X.

=⇒1. ∃ ! Fixpunkt x∗ ∈ X : x∗ = f(x∗)

2. x∗ = lim xn , wo xn+1 = f(xn), n = 0, 1, . . . ; x0 ∈ X beliebig

3. Fehlerabschatzung d(xn, x∗) ≤ Ln

1−Ld(x0, x1)

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23

Bemerkungen:

1. Beachte, daß X keine lineare Struktur besitzen muß,

2. daß der Grenzwert im metrischen Raum eindeutig ist,

3. daß jeder Teilraum eines metrischen Raumes wieder ein metrischer Raum ist. DieVollstandigkeit ubertragt sich nicht notwendigerweise auf den Teilraum.

Beweis:

d(xn, xn+1) = d(f(xn−1), f(xn)) ≤ L d(xn−1, xn)

=⇒ d(xn, xn+1) ≤ Ln d(x1, x0)

=⇒ d(xn, xn+p) ≤ d(xn, xn+1) + . . . + d(xn+p−1, xn+p)

≤ (Ln + . . . + Ln+p−1) d(x0, x1)

(∗) ≤ Ln 1−Lp

1−Ld(x0, x1)

L < 1=⇒ xn ist CF

vollst.=⇒ ∃x∗ = lim

n→∞xn

und

d(x∗, f(x∗)) ≤ d(x∗, xn) + d(f(xn−1), f(x∗))

≤ d(x∗, xn) + L d(xn−1, x∗)

n→∞−−−→ 0 =⇒ x∗ = f(x∗).

Die Fehlerabschatzung folgt aus (∗) fur p→∞ und die Eindeutigkeit aus

d(x∗, y∗) = d(f(x∗), f(y∗)) ≤ L d(x∗, y∗)

wo L < 1 . (Gemaß S. 12 erfullt (X, d) das Trennungsaxiom, was den Eindeutigkeits-beweis uberflussig macht.)

Bemerkungen:

1. Die Vollstandigkeit des metrischen Raumes ist unentbehrlich. Das CauchyscheKonvergenz-Kriterium ist, abgesehen von Sonderfallen in halbgeordneten Raum-en, das einzige, daß nicht auf den Grenzwert, der ja nicht bekannt ist, Bezugnimmt. Der Grenzwert muß durch die Struktur des Raumes gesichert werden.

2. Zum Nachweis der Kontraktionseigenschaft muß man oft eine abgeschlossene Teil-menge M ⊂ X statt des ganzen Raumes wahlen. Beachte, daß (M, d) ebenfallsein metrischer Raum ist.Abgeschlossene Teilmengen eines vollstandigen metrischen Raums sindwieder vollstandig.

3. Aufgaben:

(a) Ist fn stetig auf X und kontrahierend fur ein n , so existiert ebenfallsgenau ein Fixpunkt.

(b) Man formuliere den Fixpunktsatz fur normierte Raume.

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24 § 2 EIGENSCHAFTEN METRISCHER RAUME

Anwendungsbeispiele: (in linearen metrischen Raumen)

1. Sei X = R, f ∈ C1[a, b], |f ′(x)| ≤ L < 1 auf R=⇒ ∃ ! Losung von x = f(x) . Sie ist approximativ berechenbar.

2. Iterative Losung linearer Gleichungssysteme (vgl. Numerik I)

3. AWAn bei gewohnlichen Differentialgleichungen: Picard’sches Iterationsverfah-ren.Man schreibt die AWA y′ = f(x, y), y(a) = y0 um in eine aquivalente Integral-gleichung (Ubung).

y(x) = y(a) +

x∫

a

f(s, y(s)) ds (Volterra-Integralgleichung)

Ein Fixpunkt dieser Integralgleichung ist eine Losung der AWA (Aufgabe).

4. Nichtlineare Integralgleichungen

Fur ein u ∈ C[a, b]

und K : [a, b]× [a, b]× [−H, +H ]stetig−−−−→ R

(t, s, x) −−−→ K(t, s, x)

bestimme man eine Losung x ∈ C[a, b] von

(∗) x(t) = λ

b∫

a

K(t, s, x(s)) ds + u(t) (Fredholm-Integralgleichung).

Bemerkung: RWAn fur gewohnliche Differentialgleichungen konnen in solcheIntegralgleichungen umgeschrieben werden.

Wir zeigen: Im vollstandigen metrischen Raum

(M, dC) = (g ∈ C[a, b]; dC(g, o) ≤ H, dC),

dC(f, g) = maxt∈[a,b]

|f(x)− g(x)|, o = Nullfunktion, H > 0.

Ist

|K(t, s, x)−K(t, s, y)| ≤ L|x− y| ∀x, y mit |x|, |y| ≤ H,

m := maxt,s,x|K(t, s, x)|, |u(t)| ≤ H

2∀ t ∈ [a, b], und |λ| < min

( H

2m(b− a),

1

L(b− a)

),

so hat (∗) eine Losung in X .

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25

(a) Selbstabbildung:

Mit [F (x)](t) := λ

b∫

a

K(t, s, x(s)) ds + u(t)

gilt

dC(F (x), o) ≤ |λ|maxt

b∫

a

|K(s, t, x(s))| ds + maxt|u(t)|

≤ |λ| m (b− a) +H

2≤ H.

Die Stetigkeit von F (x)(t) folgt direkt aus den Voraussetzungen.

(b) F ist kontrahierend auf M :

dC(F (x), F (y)) = maxt

∣∣∣∣λb∫

a

[K(t, s, x(s))−K(t, s, y(s))] ds

∣∣∣∣

≤ |λ|(b− a) · L︸ ︷︷ ︸ ·maxs|x(s)− y(s)|

= α · d(x, y) und α < 1.

Damit liefert der Banach’sche Fixpunktsatz die Existenz einer Losung der Inte-gralgleichung.

Bemerkungen:

1. Inwieweit das Iterationsverfahren hier praktikabel ist, hangt davon ab, ob mandie Integrale geschlossen auswerten kann.

2. Betrachte die Integralgleichung als Eigenwertaufgabe. Was besagt dann unserErgebnis uber die Existenz von Eigenwerten und Eigenfunktionen? Vergleich mitMatrixeigenwertaufgaben?

3. Weitere Beispiele findet man z.B im Buch von Ljusternik/Sobolev.

Wir haben einen metrischen Raum in einen vollstandigen metrischen Raum dicht ein-gebettet. Die meisten Raume, die fur die Numerik wichtig sind, sind separabel.

Definition 2.5Ein metrischer Raum (X, d) heißt separabel , wenn er eine abzahlbare Teilmenge

S ⊂ X besitzt mit S = X .

Beispiele:

(R, d∞) , denn Q ist dicht in R und die rationalen Zahlen sind abzahlbar. Entspre-chend: (Rn, d∞) ist separabel, da Qn abzahlbar.

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26 § 2 EIGENSCHAFTEN METRISCHER RAUME

(C[a, b], dC) ist separabel, denn die Menge der Polynome mit rationalen Koeffizientenist abzahlbar und die ist dicht in C[a, b] (vgl. den Approximationssatz von Weierstraß).

(Cℓ[a, b], dCℓ) ist separabel (ohne Beweis).

Bemerkung:Die Separabilitat macht in vielen Fallen die Verwendung des Auswahlaxioms (Zorn’schesLemma) uberflussig (vgl. § 8 Existenz linearer Funktionale, Satze von Hahn, Banach).Die Abzahlbarkeit ermoglicht die Anwendung von Induktionsbeweisen zum Beweis vonEigenschaften, die dann leicht auf den ganzen Raum ubertragen werden konnen.

”Dicht“ ist eine Eigenschaft uber die

”Fulle“ einer Menge. Gewissermaßen das Gegenteil

(das andere Extrem) wird beschrieben durch

Definition 2.6Sei (X, d) metrischer Raum und M ⊂ X

M heißt nirgendwo dichtdef⇐⇒ (M)0 = ∅ (∄ inneren Punkte)

M ⊂ X heißt magerdef⇐⇒ M ist abzahlbare Vereinigung von

(von 1. Kategorie) nirgendwo dichten Mengen

M heißt von 2. Kategoriedef⇐⇒ M ist nicht mager.

Von fundamentaler Bedeutung (vgl. Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit, Satzvon Banach-Steinhaus usw.) ist der

Baire’sche Kategoriensatz(X, d) vollstandig =⇒ (X, d) von 2. Kategorie.

Zu seiner Vorbereitung zeigen wir (als Verallgemeinerung des Dedekindschen Schnitts)den

Satz 2.7 Cantor’scher Durchschnittssatz, SchachtelsatzSei (X, d) vollstandiger metrischer Raum und K[xn, rn], rn > 0, eine abfallende

Folge abgeschlossener Kugeln d.h. K[xn+1, rn+1] ⊂ K[xn, rn] ∀n, rn → 0.

=⇒ ∃ ! x0 ∈ K[xn, rn] ∀n = 1, 2, . . .

(d.h. x0 ∈

n∈N

K[xn, rn]

)

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27

Beweis: (Idee: Die Kugelmittelpunkte bilden eine CF mit eindeutigem Grenzwert x0 )

K[xn+p, rn+p] ⊂ K[xn, rn] ∀ p =⇒ d(xn+p, xn) ≤ rnn→∞−−−→ 0,

=⇒ xn ist CF,

vollst.=⇒ ∃x0 = lim

n→∞xn .

Aus d(x0, xn) ≤ d(x0, xn+p) + d(xn+p, xn)︸ ︷︷ ︸≤ rn

und d(x0, xn+p)p→∞−→ 0, folgt

d(x0, xn) ≤ rn, also x0 ∈ K[xn, rn] ∀n.

Annahme:∃ y ∈ K[xn, rn] ∀n, x0 6= y , dann folgt

d(x0, y) ≤ d(x0, xn) + d(xn, y) ≤ 2rnn→∞−−−→ 0 W!

Wir beweisen den Kategoriensatz von Baire in der folgenden Form

Satz 2.8 Kategoriensatz von BaireSeien (X, d) ein vollstandiger metrischer Raum und Mi ⊂ X, i ∈ N abgeschlosseneTeilmengen, so gilt:

X =∞⋃i=1

Mi, =⇒ mindestens ein Mk enthalt eine abgeschlossene Kugel (also auch

eine offene Kugel) =⇒ ∃Mk mit (Mk)0 6= ∅.

Der Satz besagt insbesondere

Ein vollstandiger metrischer Raum ist von 2. Kategorie (nicht mager).

Denn sind Ai, i ∈ X nirgendwo dicht, so gilt X =∞⋃i=1

Ai =∞⋃i=1

Ai =⇒ ∃Ak mit

(Ak)0 6= ∅, also X nicht mager.

Beweis: (indirekt) Annahme: Kein Mi enthalte eine abgeschlossene Kugel.Wir zeigen zuerst zwei Hilfsaussagen:

1. (X, d) vollstandig, x0 ∈ X und 0 < r1 < r0 =⇒ K[x0, r1] ⊂ K(x0, r0),

denn jedes x ∈ K[x0, r1] ist HP von X , also Grenzwert einer CF, gehort also zuX . Da d(x, x0) ≤ r1 < r0 =⇒ x ∈ K(x0, r0) = x ∈ X; d(x, x0) < r0.Beachte: Die Vollstandigkeit ist notwendig. Gegenbeispiel: (Q, d∞) .

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28 § 2 EIGENSCHAFTEN METRISCHER RAUME

2. M ⊂ X enthalte keine abgeschlossene Kugel 6= ∅ =⇒zu K[x0, r0] 6= ∅ ∃K[x1, r1] 6= ∅, r1 < r0

2, K[x1, r1] ⊂ K(x0, r0) und

K[x1, r1] ⊂ ∁M,

denn K[x0,r0

2] 6⊂ M =⇒ ∃x1 ∈ K[x0,

r0

2] ∩ ∁M, ∁M ist offen =⇒

∃K[x1, r1] 6= ∅, r1 < r0

2, K[x1, r1] ⊂ ∁M (vgl. 1.) und K[x1, r1] ⊂ K[x0, r0] ,

denn aus x ∈ K[x1, r1] =⇒ d(x, x0) ≤ d(x, x1) + d(x1, x0) < r0.

Die letzte Aussage wenden wir fur jedes Mi an =⇒zu K[x0, r0] 6= ∅ ∃K[x1, r1] 6= ∅, r1 < r0

2, K[x1, r1] ⊂ K(x0, r0) ∧K[x1, r1] ⊂ ∁M1,

zu K[x1, r1] 6= ∅ ∃K[x2, r2] 6= ∅, r2 < r1

2, K[x2, r2] ⊂ K(x1, r1) ∧K[x2, r2] ⊂ ∁M2,

...

=⇒ xn, rn,(rn ≤ r0

2n

)erfullen die Voraussetzungen von Satz 2.7.

=⇒ ∃ x ∈ K[xn, rn] ∀n und x 6∈Mn ∀n =⇒ x 6∈∞⋃

n=1

Mn = X. W!

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29

§ 3 Lineare Raume, lineare topologische Raume, li-

neare halbgeordnete Raume, lokalkonvexe Raume

Lineare Raume und ihre Eigenschaften sind (sollten) aus den Grundvorlesungen be-kannt (sein).

Definition 3.1

1. Eine Menge M mit einer Relation “≤ ” heißt halbgeordnet falls gilt:

a ≤ a ∀ a ∈M (Reflexivitat),

a ≤ b, b ≤ c ⇒ a ≤ c (Transitivitat),

a ≤ b, b ≤ a ⇒ a = b (Antisymmetrie).

2. Eine Menge M heißt bzgl. obiger Relation total geordnet oder linear geordnetfalls gilt:∀ a, b ∈M ist a ≤ b oder b ≤ a (alle Elemente sind vergleichbar).

Beispiele:

1. Rn ist halbgeordnet durch: a ≤ bdef⇐⇒ ai ≤ bi, (i = 1, . . . , n) (komponenten-

weise Halbordnung).

2. C[a, b] wird halbgeordnet durch: f ≤ gdef⇐⇒ f(x) ≤ g(x) ∀x ∈ [a, b] .

Offensichtlich gibt es in beiden Beispielen “nicht vergleichbare” Elemente.

3. R ist total geordnet.

Definition 3.2Sei M eine halbgeordnete Menge und ∅ 6= N ⊂M .

k ∈M heißt obere Schranke von Ndef⇐⇒ a ≤ k ∀ a ∈ N

m ∈ N heißt maximales Elementdef⇐⇒ ∄ a ∈ N : a > m

(dabei a > mdef⇐⇒ a ≥ m ∧ a 6= m )

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30§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Beispiele im R2 mit komponentenweiser Halbordnung

-

6

d

t1

1

N @@I

maximalesElement

obereSchranken

obere Schranken sind nicht eindeutig,

-

6

dN

1

1

lautermaximaleElemente

maximale Elemente auch nicht.

Satz 3.3 a) IndexZorn’sches LemmaIst M halbgeordnet derart, daß jede totalgeordnete Teilmenge eine obere Schranke

besitzt, so besitzt M ein maximales Element.

Aquivalente Aussagen sind (vgl. Natanson, I.P.; Theorie der Funktionen einer Verander-lichen, Akademie-Verlag, Berlin)

Satz 3.3 b) AuswahlaxiomFur jede Familie nichtleerer Mengen gibt es eine Auswahlfunktion, die jeder dieser

Mengen eines ihrer Elemente zuordnet.

Satz 3.3 c) WohlordnungssatzJede Menge kann wohlgeordnet werden.

Eine geordnete Mengeheißt wohlgeordnet

def⇐⇒

jede nichtleere Teilmenge, also insbesonderedie Menge selbst, hat ein erstes Element

Bemerkung: Fur (0, 1) ist “≤ ” wohl nicht die richtige Wohlordnung.

Definition 3.4Ein linearer Raum heißt halbgeordnet , wenn er

1. eine lineare Struktur besitzt,

2. halbgeordnet ist,

3. beide Strukturen, wie folgt, vertraglich sind:

xi ≤ yi, i = 1, 2 =⇒ x1 + x2 ≤ y1 + y2

0 ≤ x, α > 0 =⇒ 0 ≤ α x .

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31

Beispiel:C[a, b] mit (x + y) (t) = x(t) + y(t)

(α x) = α · x(t)

x ≤ y ⇐⇒ x(t) ≤ y(t) ∀ t ∈ [a, b]

Bemerkung: In halbgeordneten linearen Raumen kann man Einschließungsaussagenfur Losungen von Operatorgleichungen beweisen (Fehlerabschatzungen).

Vgl. etwa: Collatz, Funktionalanalysis und Numerische Mathematik, Springer–Verlag.

Definition 3.5Ein linearer Raum uber einem Zahlkorper IK (bei uns C oder R ) mit einer To-

pologie, in der die linearen Strukturen stetig sind, heißt linearer topologischer Raum,bzw. topologischer Vektorraum (Abk. top. VR).

dabei heißt (vgl. § 1)

X ×X → X

(x, y) → x + y stetig in (x0, y0)def⇐⇒ ∀V ∈ U(x0 + y0) ∃U ∈ U(x0) ∧ U ′ ∈ U(y0) :

U + U ′ := x + y; x ∈ U, y ∈ U ′ ⊂ V

IK×X → X

(x, y) → α · x stetig in (α0, x0)def⇐⇒ ∀V ∈ U(α0x0) ∃Ω ∈ U(α0) ∧ U ∈ U(x0) :

Ω · U = α x; α ∈ Ω, x ∈ U ⊂ V .

AnwendungenIn einem top. VR gelten die Aquivalenzen

(3.1) α U ∈ U(0) ∀α ∈ IK, α 6= 0 ⇐⇒ U ∈ U(0),

(3.2) x0 + U ∈ U(x0) ∀x0 ∈ X ⇐⇒ U ∈ U(0),

Seien X, Y topologische Vektorraume, f : Xlin−−→ Y , dann gilt:

(3.3) f stetig in x0 ∀x0 ∈ X ⇐⇒ f stetig in 0.

Beweis: Ubungsaufgabe

Bemerkung: Wegen (3.2) folgt aus der Existenz einer Umgebungsbasis fur 0 dieExistenz einer Umgebungsbasis ∀x0 ∈ X und umgekehrt. Deshalb versteht man unterder Umgebungsbasis eines top.VR ublicherweise eine Nullumgebungsbasis.

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32§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Definition 3.6Sei (X, T ) ein top. VR und M ⊂ X .

1. M heißt konvexdef⇐⇒ ∀x, y ∈M, α ∈ [0, 1] gilt α x + (1− α) y ∈M .

2. M heißt kreisformig (balanced , equilibriert)def⇐⇒ x ∈M, |α| ≤ 1 ⇒ α x ∈M .

3. M heißt absorbierenddef⇐⇒ ∀x ∈ X ∃α > 0 : α x ∈M .

Beispiele kreisformiger und absorbierender Mengen in R2 :

-

6

d -

6

d -

6

d

Eine erste Bedeutung dieser Begriffe liefert

Satz 3.7Sei X ein top. VR, dann gilt:

1. jede Nullumgebung ist absorbierend,

2. jede Nullumgebung enthalt eine kreisformige, offene Nullumgebung.

Beweis: Ubungsaufgabe

Bedeutung des Satzes:

Ist V eine Umgebungsbasis (der Null) eines topologischen VR, so existiert auch eineUmgebungsbasis V∗ aus kreisformigen absorbierenden Mengen.

Definition 3.8Ein top.VR heißt lokalkonvex , wenn es zu jeder offenen Nullumgebung U eine offene,konvexe Nullumgebung N gibt mit N ⊂ U .

Bemerkungen:

1. Die Topologien bzgl. der die Distributionen (vgl. spater) stetig sind, sind lokal-konvexe Topologien.

2. Der Konvergenzbegriff der punktweisen Konvergenz von Funktionen (vgl. Mehr-fachbeispiel aus § 2) stammt aus einer lokalkonvexen (nicht metrisierbaren) To-pologie.

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33

3. Lokalkonvexe Topologien konnen durch Familien von Halbnormen erzeugt (sogarcharakterisiert) werden (vgl. dazu die Satze 3.11 und 3.13).

Definition 3.9Sei X ein linearer Raum. Eine Abbildung

p : X → [0,∞)

heißt Halbnorm, falls gilt: ∀α ∈ IK, x, y ∈ X :

p(α x) = |α| p(x),(N2)

p(x + y) ≤ p(x) + p(y).(N3)

p heißt Norm, falls zusatzlich gilt:

p(x) = 0 ⇐⇒ x = 0.(N1)

Beachte: p(0) = 0 gilt nach (N2) und

0 = p(x− x) ≤ p(x) + p(−x)(N2)= 2p(x) =⇒ p(x) ≥ 0 ∀x .

Beispiele fur Halbnormen:

X = C1[a, b], p(x) = supt∈[a,b]

|x′(t)|,

X = C[a, b], p(x) = |x(t)| fur ein festes t ∈ [a, b],

X = R2, x = (x1, x2)T , p(x) = |x1|,

oder X = C[a, b], p(x) = supa<α≤t≤β<b

|x(t)|.

Durch Halbnormen kann man mittels Quasimetriken (d(x, y) = p(x − y)) Topologienerklaren bzgl. derer der Grenzwert nicht eindeutig sein muß.

Diese Eindeutigkeit muß durch zusatzlich Forderungen gewahrleistet werden (vgl. dazuden Satz 3.11).

Beachte: Aus Definition 3.9 (N2), (N3) folgt sofort (kleine Ubung):

(3.4)

Seien pi Halbnormen und εi > 0, so gilt:Die Mengen x ∈ X; pi(x) < εi und endliche Durchschnitte solcherMengen (verschiedene pi und verschiedene εi) sind absorbierend,kreisformig und konvex.

Diese Eigenschaften sind fur die Halbnorm charakterisierend, wie folgender Satz zeigt.(Beweis als Ubung)

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34§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Satz 3.10Sei X ein linearer Raum und M ⊂ X kreisformig, absorbierend und konvex. Dannwird durch

(3.5) pM(x) := inf ρ ∈ R; ρ > 0, x ∈ ρ M Minkowski Funktional

eine Halbnorm auf X definiert, und es gilt

(3.6) κM ⊂ x ∈ X; pM(x) < 1 ⊂M ∀ 0 < κ < 1 und M ⊂ x ∈ X; pM(x) ≤ 1

Das Minkowski Funktional pMαvon Mα := α M, α > 0 erfullt

(3.7) pMα(x) =

1

αpM(x).

Bemerkungen:

1. Dieser Satz und (3.4) besagen, daß eine Halbnorm einerseits und eine kreisformi-ge, absorbierende, konvexe Menge andererseits zwei Seiten derselben Medaillesind.

2. Gelegentlich wird das Minkowski-Funktional auch ohne die Voraussetzung kreis-formig definiert. Dann gilt jedoch (N2) aus Definition 3.9 nicht.

Satz 3.11 Konstruktion einer lokalkonvexen TopologieSei X ein linearer Raum, I eine beliebige Indexmenge und P = pi; i ∈ I eine

Familie von Halbnormen.

(3.8)

∀x0 ∧ ∀ endliche Teilmenge pi1, . . . , pin ⊂ P und fur jedes

n-tupel positiver Zahlen (ε1, . . . , εn) definiere

Ux0:= U(pi1 , . . . , pin, ε1, . . . , εn, x0)

= x ∈ X; pik(x− x0) < εk, k = 1, . . . , n.

Dann gilt:

1. T = ∅ ∪ M ⊂ X; ∀x0 ∈ M ∃Ux0⊂ M ist eine lokal konvexe Topologie,

die Menge aller Ux0bilden eine Umgebungsbasis fur U(x0) und die Ux0

sindoffen.

2. Genugt P der Trennungseigenschaft

∀x0 ∈ X, x0 6= 0 ∃ pi0 ∈ P : pi0(x0) 6= 0,

so ist T Hausdorff’sch (separiert).

3. (X, T ) ist ein linearer topologischer Raum und jede Halbnorm aus P ist stetig.

4. xnn→∞−−−→

Tx0 ⇐⇒ ∀ p ∈ P gilt lim

n→∞p(xn − x0) = 0.

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35

Beweis:

1. T ist eine Topologie, denn

(T1) ∅ ∈ T laut Definition, X ∈ T trivial.

(T2) Sei x0 ∈ V :=⋃

i∈I,Mi∈TMi

=⇒ ∃ i0 ∈ I : x0 ∈Mi0 =⇒ ∃Ux0⊂Mi0 ⊂ V =⇒ V ∈ T .

(T3) Mi ∈ T , i = 1, . . . , m, x0 ∈m⋂

i=1

Mi

=⇒ ∃U ix0⊂ Mi, i = 1, . . . , m

=⇒ x0 ∈m⋂

i=1

U ix0

=: Ux0⊂

m⋂i=1

Mi ∈ T ,

denn Ux0ist von der Gestalt (3.8).

T ist lokalkonvex.

(3.9) U(p, ε, x0) ist offen (d.h. ∈ T ) und konvex;

a) Ux0ist offen, denn x ∈ U(p, ε, x0) =⇒ p(x0− x) =:

β < ε,

fur 0 < γ < ε− β =⇒ U(p, γ, x) ⊂ U(p, ε, x0) , da

x ∈ U(p, γ, x) ⇒ p(x−x0) ≤ p(x− x)︸ ︷︷ ︸< ε−β

+ p(x− x0)︸ ︷︷ ︸= β

< ε .

rx

x0

β

ε

Dann folgt auch

(3.10) U(pi1 , . . . , pin, ε1, . . . , εn, x0) =

n⋂

k=1

U(pik , εk, x0) ∈ T nach (T3).

b) Ux0ist konvex: Jedes U(pin , εk, x0) ist konvex, denn sei

x1, x2 ∈ Ux0=

n⋂k=1

U(pik , εk, x0) und x = α x1 + (1− α) x2,

so gilt fur jedes U(pik , εk, x0)

pik(x− x0) ≤ pik(α x1 + (1− α)x2 − (α x0 + (1− α) x0)

≤ |α| pik(x1 − x0) + |1− α| pik(x2 − x0)

≤ εk ,

also x ∈ U(pik , εk, x0) ∀ k = 1, ..., n , also x ∈ Ux0.

Aus (3.10) folgt die Aussage uber die Umgebungsbasis.

2. T genugt der Bedingung

∀x, y ∈ X, x 6= y ∃U ∈ U(x), V ∈ U(y) : U ∩ V = ∅,(H)

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36§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

denn x− y 6= 0 =⇒ ∃ p ∈ P : p(x− y) =: α > 0

=⇒ U =x ∈ X; p(x− x) < α

2

, V =

x ∈ X; p(y − x) < α

2

erfullen die Bedingung, denn

x ∈ U ∩ V =⇒ 0 < α = p(x− y) ≤ p(x− x) + p(x− y) < α. W!

3. (X, T ) ist top.VR, d.h. Addition und Skalarmultiplikation sind stetig.

Beispiel Addition: x0, y0 ∈ X, z0 = x0 + y0

Zeige:∀V ∈ U(z0) ∃U ∈ U(x0) ∧ U ′ ∈ U(y0) : U + U ′ ⊂ V.

Zu

V ∈ U(z0) ∃Uz0= z ∈ X; pik(z − z0) < εk, k = 1, . . . , n ⊂ V.

Konstruiere:

U = Ux0=

x ∈ X; pik(x− x0) <εk

2, k = 1, . . . , n

U ′ = Uy0=x ∈ X; pik(x− y0) <

εk

2, k = 1, . . . , n

Hieraus folgt mit der Dreiecksungleichung U + U ′ ⊂ V.

MultiplikationSei z0 = λ0x0 und V ∈ U(λ0x0) =⇒ ∃Vx0

= V (pi1 , . . . , pin, ε1, . . . , εn, z0) ⊂ V.

Zeige: Zu Vx0∃α > 0 sodaß fur

Ω = λ; |λ − λ0| < α und U = x ∈ X; pik(x − x0) < εk

2(|λx0|+α)

, k = 1, ..., ngilt:Ω U ⊂ V , d.h. pik(λ x− λ0 x0) < εk, k = 1, ...n, fur λ ∈ Ω, x ∈ U.

Beweis: Sei U ′ = u′ ∈ X; pik(u′) < ε

2. U ′ ist absorbierend =⇒

∃α > 0 : α x0 ∈ U ′ , d.h. pik(α x0) = αpik(x0) < ε2.

Mit diesem α definiere U und beachte|λ| − |λ0| ≤ |λ− λ0| < α =⇒ |λ| < −|λ0|+ α.

Dann gilt

pik(λ x− λ0 x0) = pik(λ(x− x0) + λx0 − λ0x0)

= pik((λ− λ0)x0 + λ(x− x0))

≤ |λ− λ0|pik(x0) + |λ|pik(x− x0)

≤ αpik(x0) + (|λ|+ α)pik(x− x0) < ε

Die Stetigkeit der Halbnormen folgt aus |p(x)− p(x0)| ≤ p(x− x0) (Dreiecksun-gleichung ruckwarts).

4. Ubung.

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37

Satz 3.12 Charakterisierung lokalkonvexer TopologienIst (X, T ) lokal konvex ⇐⇒ T ist die Topologie, welche durch die Minkowski-

Funktionale der kreisformigen, absorbierenden, konvexen, offenen Mengen erzeugtwird.

Beweis:

”⇐=“ wurde gerade gezeigt.

”=⇒“: Beweisidee:

Man zeigt: Die konvexen, absorbierenden, kreisformigen, offenen Umgebungen der Nullliefern sowohl eine Basis von T (vgl. dazu Satz 3.7 und Definition 3.8), als auch eineBasis der Topologie die durch die zugehorigen Minkowski-Funktionale erzeugt wird.Wesentlich hierfur ist Satz 3.10, sowie die anschließende Bemerkung. Dazu zeigt maninsbesondere:Ist A eine offene, konvexe, kreisformige, absorbierende Nullumgebung in T , so gilt

A = x ∈ A; pA(x) ≤ 1 bzw. falls A offen ist A = x ∈ A; pA(x) < 1

(vgl. z. B. Heuser Satz 42.2). Dies bedeutet insbesondere, daß die offenen, konvexen,kreisformigen, absorbierenden Nullumgebungen durch ihre Minkowskifunktionale re-produziert werden.

Bemerkung: Satz 3.12 zeigt, daß lokalkonvexe Topologien durch Halbnormen charak-terisiert werden konnen.

Beispiele fur lokalkonvexe Raume:

1. Jeder normierte Raum ist lokalkonvex.

2. Sei Ω ⊂ Rn, X = C(Ω), P := pt : pt(x) = |x(t)|, t ∈ Ω

=⇒ (X, T ) ist separiert, lokalkonvex und der zugehorige Konvergenzbegriff istdie punktweise Konvergenz (vgl. das Mehrfachbeispiel).

Beachte: Das Beispiel zeigt auch: Es gibt nicht metrisierbare, lokalkonvexe to-pologische Raume.

3. X = C(R), P := pj; pj(x) = max|t|≤j

|x(t)|, j ∈ N

=⇒ (X, T ) hat als Konvergenzbegriff die gleichmaßige Konvergenz von Funk-tionenfolgen auf jeder kompakten Teilmenge von R .

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38§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Satz 3.13Sei X ein linearer Raum. Dann definiert eine abzahlbare Folge von Halbnormen

P = pi; i ∈ N mit der Trennungseigenschaft aus Satz 3.11b) eine Metrik

d(x, y) =∞∑

ν=1

1

pν(x− y)

1 + pν(x− y).

Die von dieser Metrik erzeugte Topologie Td stimmt mit der lokalkonvexen TopologieTp , die von der Familie P erzeugt wird, uberein.

Beweis: Ubung.

Folgerungen:

1. Die punktweise Konvergenz (vgl. Beispiel 2) kann nicht durch eine Metrik er-zeugt werden (vgl. das Mehrfachbeispiel). Die Menge P der Halbnormen istnicht abzahlbar.

2. Der Konvergenzbegriff aus Beispiel 3 kann durch eine Metrik erzeugt werden.

Beispiel 4:

Der Raum DK(Ω)

Definition 3.14Sei Ω ⊂ Rn eine offene Menge. Ω habe die Spurtopologie von Rn .

Ist f eine reell- oder komplexwertige Funktion auf Ω , so heißt

supp f = Tr f := x ∈ Ω; f(x) 6= 0Ω

Trager (support, carrier) von f,

d.h. Tr f ist die kleinste, abgeschlossene Menge des topologischen Raumes Ω ,welche die Punkte enthalt, auf denen f nicht verschwindet.Weiter sei K ⊂ Ω kompakt und k ∈ N0 := N ∪ 0 , dann definieren wir

Ck0 (Ω) := f ∈ Ck(Ω); Tr f ⊂ Ω, Tr f kompakt,

Ck0,K(Ω) := f ∈ Ck(Ω); Tr f ⊆ K, Tr f kompakt,DK(Ω) :=

(C∞

0,K(Ω), T)

,

wobei T erzeugt wird durch die abzahlbare Familie pK,m von Halbnormen auf Ω

(3.11) pK,m(f) = sup|s|≤mt∈K

|∂s f(t)|, m ∈ N0, s Multiindex.

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39

Beachte: Jede Menge der Art f ∈ DK(Ω); pK,m(f) < ε fur m ∈ N ist offen (vgl.(3.9)).

Beispiele

1. Ω = (−1, 1), f(x) = −x2 fur x < 0 und = 0 sonst =⇒supp f = (−1, 0], f /∈ Ck

0 (Ω) ∀ k ∈ N0.

2. Ω = (−3, 3),

f(x) =

(x + 2)2, −2 < x ≤ −1,−x2 + 2, −1 ≤ x ≤ 1,(x− 2)2, 1 ≤ x < 2,0, sonst.

=⇒ f ∈ C1

0 (−3, 3), supp f = [−2, 2].

3. Klassisches Beispiel fur ein f ∈ C∞0 (Rn) (Beweis als Ubung)

f(x) =

exp ( −11−|x|2 ) fur |x| = |(x1, . . . , xn)T | =

√n∑

i=1

x2i < 1,

0 fur |x| ≥ 1.

Aus den vorigen Satzen erhalt man

Satz 3.15 Eigenschaften von DK(Ω)

1. DK(Ω) ist ein lokalkonvexer, separierter, metrischer, topologischer Vektorraum.

2. Fur eine positive Nullfolge εi und fur m ∈ N0 sei

U(pK,m, εi, 0) =: V (pK,m, εi) := ϕ ∈ C∞0,K(Ω); pK,m(ϕ) < εi, .

Dann istV := V (pK,m, εi); m ∈ N0, i ∈ N

eine abzahlbare (Null-) Umgebungsbasis.

3. ϕnn→∞−−−−→DK(Ω)

ϕ0 ⇐⇒ limn→∞

∂νϕn = ∂νϕ0 gleichmaßig auf K ∀ Multiindizes ν .

4. Sind K1, K2 ⊂ Ω zwei Kompakta mit K1 ⊂ K2 , so ist

TDK1(Ω) = Spurtopologie von TDK2

(Ω) auf C∞0,K(Ω).

5. DK(Ω) ist vollstandig.

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40§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Beweis:

1. folgt aus den Satzen 3.11 und 3.13,

2. liegt an der Eigenschaft: Fur m1, m2 ∈ N, m1 ≥ m2 gilt:

V (pK,m1, εi) ∩ V (pK,m2

, εj) ⊃ V (pK,m1, min(ε1, ε2)),

3. aus Satz 3.11, 4),

4. folgt wegen V (pK2,m, ε) ∩ DK1(Ω) = V (pK1,m, ε) .

5. Ubungsaufgabe.

Als letztes Beispiel konstruieren wir auf C∞0 (Ω) die lokalkonvexe Topologie T , bzgl.

der die Distributionen (vgl. § 7) stetig sind.

Beispiel 5:

Der Raum D(Ω)

Die Topologie fur C∞

0(Ω)

Wir bezeichnen im Folgenden immer mit Ω eine nichtleere, offene Menge des Rn undmit K eine kompakte Mengen des Rn.Offensichtlich ist

(3.12) C∞0 (Ω) =

K⊂ Ω

C∞0, K(Ω)

ein linearer Vektorraum bezuglich der ublichen Addition und der Multiplikation mitSkalaren. Auf diesem Raum soll eine T so konstruiert werden, daß folgende Ver-traglichkeitseigenschaft gilt:

Wenn eine Folge ϕν ⊂ DK(Ω) bzgl. TDK(Ω) konvergiert, so soll sie auch bzgl. derTopologie in C∞

0 (Ω) konvergieren.

Dies gilt, wenn TDK(Ω) die Spurtopologie von T wird und ist erreichbar, wenn manfur eine Umgebungsbasis V der Null (fur die zu konstruierende Topologie) folgende,leicht einsehbare Bedingungen verlangt (vgl. Satze 3.10, 3.11, 3.12):

Zu V gehoren alle V ⊂ C∞0 (Ω) mit folgenden Eigenschaften:

jedes V ∈ V ist absorbierend, kreisformig und konvex.(α)

∀K ⊂ Ω kompakt ∧ ∀V ∈ V ist V ∩ DK(Ω) eine Nullumgebung in DK(Ω).(β)

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41

Zur Vorbereitung benotigen wir einige Hilfsmittel.

Definition 3.16Sei Ω ⊂ Rn offen. Eine Folge von kompakten Mengen Ki ⊂ Ω heißt kompakte

Ausschopfung von Ω falls

1. Ω =∞⋃i=1

Ki,

2. ∀K ⊂ Ω kompakt ∃n ∈ N : K ⊂ Kn.

Lemma 3.17Sei Ω ⊂ Rn offen. Dann gibt es eine kompakte Ausschopfung Ki mit

(3.13) Ki ⊂ Ki+1 ∀ i ∈ N.

Beweis: Fur Ω = Rn wahle Ki = K(0, i), i ∈ N.Sei also Ω 6= Rn. Dann folgt

1. Qn abzahlbar =⇒ Ω ∩Qn abzahlbar =⇒ Ω ∩Qn = qjj∈N, qj ∈ Qn .

Ω offen==============> ∀ qj ∃ εj = d(qj, δ Ω) > 0 : K(qj , εj) ⊂ Ω =⇒ K

(qj ,

2εj

3

)=: Cj,

Cj ⊂ Ω, und Cj ist kompakt.

Dabei sei d die Euklidische Metrik und d(qj, δ Ω) bezeichne den Abstand desPunktes qj vom Rand δ Ω von Ω. δ Ω ist abgeschlossen.

Zu qj ∃ r > 0 : A := K(qj , r)∩δ Ω 6= ∅. A ist beschrankt und abgeschlossen, alsokompakt. Der Abstand d(qj , δ Ω) = d(qj, A) existiert, da d als stetige Funktionauf dem Kompaktum qj × A ihr Minimum annimmt.)

Es ist C :=∞⋃

j=1

Cj = Ω. C ⊂ Ω ist trivial.

Sei x ∈ Ω =⇒ ∃ ε > 0 : K(x, ε) ⊂ Ω

Qn dicht in Rn =⇒ ∃ qj ∈ Qn : d(x, qj) <ε

3,

bekannt ist d(qj , δ Ω) = εj ≥ 2ε3

=⇒ d(x, qj) ≤ εj

2<

2εj

3,

also x ∈ K(qj ,

2ε3

)⊂ Cj.

Wir haben also Ω ⊆ ⋃j

K(qj ,

2εj

3

)=⋃j

Cj ⊂ Ω .

Setze K1 := C1 und Ki := Ki−1 ∪ Ci, i ≥ 2 .

2. nach 1) ist K ⊂ ⋃j

K(qj,

2εj

3

), K ist kompakt =⇒ ∃ endliche Uberdeckung

K ⊂n⋃

i=1

K

(qji

,2εji

3

)⊂

n⋃

i=1

K

(qji

,2εji

3

)⊂

n⋃

i=1

Kji= Kmax ji

.

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42§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Definition 3.18Eine Menge E eines topologischen Vektorraumes X heißt beschrankt, wenn zu jederNullumgebung U ein k > 0 existiert mit E ⊂ kU.

Weiter benotigen wir den Begriff der Cauchy-Folge.

Definition 3.19Eine Folge xn in einem topologischen Vektorraum heißt Cauchy-Folge, wenn zu

jeder Nullumgebung U ein N ∈ N existiert, sodaß xn − xm ∈ U ∀ n, m ≥ N.

und zeigen

Satz 3.20Jede Cauchy-Folge xn in einem topologischen Vektorraum ist beschrankt.

Beweis

Zu jeder kreisformigen, absorbierenden Nullumgebung W existiert eine kreisformige,absorbierende Nullumgebung V mit V + V ⊂ W . Solche Umgebungen existieren,da die Addition im Nullpunkt (0 + 0 = 0) stetig ist und da jede Nullumgebung einekreisformige absorbierende Nullumgebung enthalt.Laut Definition der Cauchy-Folge ∃ N ∈ N : xn ∈ xN + V ∀ n ≥ N.V und W sind absorbierend

V abs.=⇒ ∃ s > 0 : xN ∈ sV, Œ s > 1.

=⇒ xn ∈ sV + V ⊂ sV + sV ⊂ sW ∀ n ≥ N.

=⇒ xn ∈ sW ∀ n ≥ N.

W abs.=⇒ ∃ t > 0 : xn ∈ tW fur n = 1, . . . , N, Œ t ≥ s.

=⇒ xn ∈ tW ∀ n ∈ N.

Also ist xn beschrankt.

Im folgenden Satz definieren wir die Topologie und beweisen einige ihrer Eigenschaften.Dazu beachten wir, daß auf C∞

0 (Ω) durch

(3.14) ‖f‖m = supt∈Ω, |ν|≤m

|∂νf(t)|, m ∈ N, ν ein Multiindex

Normen erklart werden, und

f ∈ Dk(Ω) =⇒ ‖f‖m = pK,m(f.)

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43

Satz 3.21 Topologie von D(Ω)Sei Ω ⊂ Rn offen und V die Familie aller Teilmengen V ⊂ C∞

0 (Ω) mit

jedes V ist absorbierend, kreisformig, konvex,(α)

fur jedes kompakte K ⊂ Ω ∧ ∀V gilt: V ∩ C∞0, K(Ω) ∈ UDK(Ω)(0).(β)

=⇒1. Dann wird C∞

0 (Ω) mittels der von V erzeugten Topologie T gemaß Satz 3.11zu einem lokalkonvexen, topologischen Vektorraum mit Nullumgebungsbasis V .

Bezeichnung: D(Ω) = (C∞0 (Ω), T ) .

2. Fur alle Kompakta K ⊂ Ω gilt

TDK(Ω) = Spurtopologie von D(Ω) auf C∞0,K(Ω) (=: TSpD(Ω))

3. E ⊂ D(Ω) ist beschrankt ⇐⇒ Es gibt ein kompaktes K ⊂ Ω sodaßE ⊂ DK(Ω) beschrankt ist,

4. ϕn ist Cauchy-Folge in D(Ω) ⇐⇒ ϕn ist Cauchy-Folge in DK(Ω)fur ein kompaktes K ⊂ Ω undϕn konvergiert in DK(Ω).

5. D(Ω) ist vollstandig.

6. fnD(Ω)−−−→n→∞

0 ⇐⇒ (i) ∃K ⊂ Ω, K kompakt: Tr fn ⊂ K ∀n ∈ N ,

(ii) limn→∞

∂ν fn = 0 gleichmaßig auf K ∀ Multiindizes ν

d.h. fnDK(Ω)−−−−→n→∞

0.

Eine Nullfolge aus D(Ω) heißt Schwarz’sche Nullfolge.

Bemerkung:

Die Bezeichnungen C∞0 (Ω) und D(Ω) (bzw. nur D , falls Ω = Rn, ) werden oft syn-

onym benutzt. Eigentlich bezeichnet C∞0 (Ω) die Menge der Elemente, bzw. den linea-

ren Raum, und D(Ω) den topologischen Raum. Das gleiche gilt fur C∞0, K(Ω) bzw.

DK(Ω) .

Beweis 1):

Wir zeigen zunachst

(a1) V 6= ∅ und(a2) γV ∈ V ∀V ∈ V, γ > 0.

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44§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Beweis (a1) : ∀ ε > 0 ist Vε := ϕ ∈ C∞0 (Ω); ‖ϕ‖n < ε, n ∈ N, absorbierend,

kreisformig, konvex und 6= ∅ , vgl. (3.4), erfullt also (α).

Fur ϕ ∈ Vε ∩ DK(Ω) ist ‖ϕ‖m = pK, m(ϕ), woraus folgt

Vǫ ∩ DK(Ω) = ϕ ∈ C∞0, K(Ω); pK, m(ϕ) < ε ∈ UDK

(0), =⇒ (β).

Also ist V 6= ∅.Beweis (a2) : Offensichtlich ist γV absorbierend, kreisformig und konvex =⇒ (α). Da

V ∩ C∞0, K(Ω) ∈ UDK(Ω)(0) und γC∞

0, K(Ω) = C∞0, K(Ω),

folgt

γV ∩ C∞0, K(Ω) = γ(V ∩ C∞

0, K(Ω)) ∈ UDK(0), nach (3.1), also (β).

Bemerkung: Die offenen Mengen, die durch die Normen ‖.‖m erzeugt werden, sindalso alle in V enthalten. (vgl. dazu Bemerkung 2) am Schluß des Paragraphen.)

Konstruktion der Topologie:Nun definiert jedes V ∈ V eine Halbnorm pV (Minkowski Funktional). Die FamilieP = pV ; V ∈ V dieser Halbnormen erzeugt gemaß Satz 3.11 einen lokalkonvexen,topologischen Vektorraum und die Mengen

Ux0: = U(pj1 , . . . , pjn

, ε1, . . . , εn, x0)

= x ∈ X; pj k(x− x0) < εk, k = 1, . . . , n =

n⋂

k=1

U(pjk, εk, x0), pjk

∈ P,

sind absorbierend, kreisformig und konvex und bilden fur x0 = 0 eine Nullumgebungs-basis.

V ist Umgebungsbasis, wenn zu jedem U0 =n⋂

k=1

U(pjk, εk, 0), pjk

∈ P, ein V ∈ Vexisitiert mit V ⊂ U0 .Nun gilt fur das Minkowski Funktional pV zu V ∈ V (vgl. (3.6))

κV ⊂ x ∈ X; pV (x) < 1 ⊂ V ∀ 0 < κ < 1,

bzw.

(∗) εκV ⊂ x ∈ X; pV (x) < ε ⊂ εV ∀ 0 < κ < 1, ε > 0,

d.h. in jedem x ∈ X; pV (x) < ε ist gemaß (a1) ein Element aus V enthalten. Zeigtman das auch fur endliche Durchschnitte solcher Mengen, so hat man die Basiseigen-schaft von V gezeigt. Aus (∗) folgt

ε1κ1V1 ∩ ε2κ2V2 ⊂ x ∈ X; pV1(x) < ε1, pV2

(x) < ε2 ⊂ ε1V1 ∩ ε2V2.

Zeigt man nun noch

(a3) V1 ∩ V2 ∈ V ∀ V1, V2 ∈ V, (allgemeiner: endliche Durchschnitte)

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so folgt hieraus laut der Definition der Umgebung U0 mit (a2) : U0 ∈ V.

Beweis (a3) : Es gilt fur V1, V2 ∈ V gemaß (β)

V1 ∩ V2 ∩ C∞0, K = (V1 ∩ C∞

0, K)︸ ︷︷ ︸

∈UDK(0)

∩ (V2 ∩ C∞0, K)

︸ ︷︷ ︸∈UDK

(0)

∈ UDK(0), also

V1 ∩ V2 ∈ UDK(0).

Beweis 2:)

Sei U eine offene Menge ∈ DK(Ω).TDK(Ω)) wird erzeugt durch die offenen Mengen ϕ ∈ DK(Ω); ‖ϕ− x0‖m < ε,∀x0 ∈ DK(Ω), m = 0, 1, . . . und ‖ϕ− x0‖m = pK,m(ϕ− x0) in DK(Ω).Nun sind die ϕ ∈ D(Ω); ‖ϕ − x0‖m < ε offene Mengen in T . (vgl. (a1) ausBeweisteil 1)).Weiter ist

ϕ ∈ DK(Ω); ‖ϕ− x0‖m < ε = ϕ ∈ D(Ω); ‖ϕ− x0‖m < ε ∩ C∞0, K(Ω),

entsteht also durch Schnittbildung. Deshalb erhalt man auch jedes U ∈ TDK(Ω) durchSchnittbildung.

Sei andererseits V ∈ T eine offene Menge und ϕ ∈ DK(Ω) ∩ V beliebig.Dann zeigen wir:∀ϕ ∈ DK(Ω)∩V ist die Menge DK(Ω)∩V eine Umgebung von ϕ in DK(Ω), ist alsoUmgebung aller ihrer Elemente, also offen in DK(Ω).

Laut Definition von T : ∃ W ∈ V : ϕ + W ⊂ V,

( denn aus ϕ ∈ V ∈ T =⇒ V − ϕ ∈ T ∩ UD(0), (nach (3.2) offene Umgebung allerihrer Punkte) =⇒ ∃W ∈ V mit W ⊂ V (Erzeugendensystem)).

(β)=⇒ W ∩ DK(Ω) ∈ UDK(Ω)(0)

(3.2)=⇒ ϕ + W ∩ DK(Ω) ∈ UDK(Ω)(ϕ)

=⇒ (ϕ + W ) ∩ DK(Ω) ⊂ V ∩ DK(Ω) ∈ UDK(Ω)(ϕ),

was zu zeigen war.

Beweis 3):

”⇐=“ folgt aus der Spurtopologie, denn ∀V ∈ V ist V ∩ DK(Ω) ∈ UDK

(0).

E beschrankt in DK(Ω) d.h. ∀V ∈ DK(Ω) ∃m > 0 : E ⊂ m(V ∩DK(Ω)) ⊂ mV=⇒ E beschrankt in D(Ω).

”=⇒“ beweisen wir indirekt.

Es genugt, folgende Behauptung nachzuweisen

(∗∗) E beschrankt in D(Ω) =⇒ ∃ kompaktes K ⊂ Ω : TrE ⊂ K,

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46§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

daß dann E beschrankt ist in DK(Ω) , folgt aus der Spurtopologie.

Zum Beweis benotigen wir folgende Hilfsaussage

Lemma 3.22

1. F sei ein lokalkonvexer Raum mit einer Nullumgebungsbasis VF von offenen,konvexen Mengen,

2. G ⊂ F sei ein abgeschlossener Unterraum mit der Spurtopologie.( =⇒ VG = VF ∩G)

3. VG ⊂ G sei eine kreisformige, konvexe Nullumgebung.

4. x ∈ F \G.

=⇒∃ eine kreisformige, konvexe Nullumgebung W in F : W ∩G = VG und x /∈W.

Beweis:

G abgeschlossen in F =⇒ ∃ V 1F ∈ VF : (x+; V 1

F ) ∩G = ∅Spurtopologie =⇒ ∃ V 2

F ∈ VF : V 2F ∩G ⊂ VG.

=⇒ VF =: V 1F ∩ V 2

F ist kreisformig, konvex und erfullt

(i) VF : (x + V 1F ) ∩G = ∅, (V 1

F ⊂ VF )

(ii) VF ∩G ⊂ VG. (V 2F ⊂ VF )

Die kreisformige, konvexe Hulle (absolut konvexe Hulle)

W := Γ(VG ∪ VF ) = αvG + βvF ; vG ∈ VG, vF ∈ VF , |α|+ |β| ≤ 1

erfullt VG ∈W, VF ∈W und

(iii) VG = W ∩G und x /∈W,

denn VG ⊂W ∩G, laut Definition von W.

Sei w ∈W ∩G.w = αvG + βvF ; w ∈ G, αvG ∈ VG ⊂ G (da VG kreisformig) =⇒ βvF ∈ G .

Da βvF ∈ VF (VF kreisformig), folgt βvF ∈ VF ∩G(ii)⊂ VG , also w ∈ VG.

Annahme: x ∈W =⇒ x = y + z, y = x− z ∈ x + VF da VF kreisformig=⇒ y ∈ G ∩ (x + VF ) W! wegen (i).

Wir zeigen nun (∗∗) indirekt. Annahme: 6 ∃K ⊂ Ω : E ⊂ DK(Ω).

Sei Ω =∞⋃i=1

Ki eine kompakte Uberdeckung. OE E ∩ DKi(Ω) 6= ∅, Ki ⊂ Ki+1,

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sonst wahlt man eine unendliche Teilfolge DKin(Ω) ⊂ DKi

(Ω) mit dieser

Eigenschaft. Dann ist∞⋃i=1

Kin auch eine kompakte Uberdeckung.

Sei DK0(Ω) := ∅. Dann folgt

E 6⊂ DK0(Ω) =⇒ ∃f1 ∈ E \ DK1

(Ω) mit f1 /∈ DK0(Ω),

E 6⊂ DK1(Ω) =⇒ ∃f2 ∈ E \ DK2

(Ω) mit f2 /∈ DK1(Ω),

E 6⊂ DK2(Ω) =⇒ ∃f3 ∈ E \ DK3

(Ω) mit f3 /∈ DK2(Ω), also auch x3 /∈ DK1

(Ω) ∪ DK0(Ω).

usw. =⇒

∃ eine Folge fn, fn ∈ E ∩ DKn(Ω), fn /∈

n−1⋃j=1

DKj(Ω).

Ausgehend von einer kreiformigen, konvexen Nullumgebung V1 ∈ DK1(Ω) liefert die

Anwendung von Lemma 3.22 ( ∀n > 1 ) auf

F = DKn(Ω), G = DKn−1

(Ω), x = 1nfn ∈ DKn

(Ω), W = Vn,

eine Folge von kreisformigen, konvexen Nullumgebungen Vn ⊂ DKn(Ω) mit

(∗) Vn−1 = Vn ∩ DKn−1(Ω),

(∗∗) 1

nfn /∈ Vn.

Nun ist fur ein beliebiges n : fn /∈ DKi(Ω) ∀ i < n also

1

nfn /∈ Vi ∀ i ≤ n.

Aus (∗) folgt ∀ j ≥ n : Vj ∩ DKn−1(Ω) = Vn−1.

Ware1

nfn ∈ Vj fur ein j > n , so folgte wegen fn ∈ DKn

(Ω)

1

nfn ∈ Vj ∩ DKn

(Ω) = Vn, ein W zu (∗∗) , also1

nfn /∈ Vj ∀ j > n.

Insgesamt also fn /∈ nVi ∀ i.

Nun ist V :=∞⋃

j=1

Vj eine kreisformige, konvexe Nullumgebung in D(Ω) mit

V ∩ DKi(Ω) = Vi und fur beliebige n : fn /∈ nVj ∀ j, also fn /∈ nV,

d.h. fn und damit E sind nicht beschrankt in D(Ω) . W!.

Beweis 4):

”⇐=“ folgt aus 2) (Spurtopologie),

denn ϕn ist CF in DK(Ω), dieser Raum ist vollstandig (Satz 3.15), also konvergiertϕn in DK(Ω) gegen einen Grenzwert ϕ∗ , der auch in D(Ω) liegt, also konvergiertdie Folge auch in D(Ω) und ist dort naturlich auch CF.

”=⇒“

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48§ 3 LIN. RAUME, LIN. TOP. RAUME, LIN. HALBGEORDN. RAUME,LOK. KONV. RAUME

Jede Cauchy-Folge ist beschrankt, liegt also in einem DK(Ω). Dieser Raum ist vollstandig(vgl. vorhergehender Satz). Die Folge konvergiert also.

Beweis 5): folgt aus Beweis 4), da DK(Ω) vollstandig ist.

Beweis 6): folgt ebenfalls aus 4), da jede konvergente Folge Cauchy-Folge ist, also ineinem DK(Ω) und dort wird die Konvergenz durch Satz 3.15 beschrieben.

Bemerkungen:

1. Die Distributionen uber Ω sind stetige, lineare Funktionale auf D(Ω) (vgl. § 7).

2. Wird C∞0, K(Ω) normiert durch die abzahlbare Menge der Normen (3.14), der so

entstehende topologische Raum wird ublicherweise mit E(Ω) bezeichnet, so istin diesem Raum die Folge ϕn(x) = 1

nϕ( x

n), ϕ gemaß Beispiel 3 vor Satz 3.15,

konvergent.Im Raum D(Ω) ist sie divergent. Die Trager fließen auseinander.

Dieses Beispiel zeigt, daß zwei verschiedene Topologien auf einem Oberraum die-selbe Spurtopologie auf einem Unterraum induzieren konnen (vgl. Beweis 1) desobigen Satzes).

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49

§ 4 Normierte Raume

Ein linearer Raum, der eine Metrik besitzt, wird zu einem normierten Raum, wenn dielineare und die metrische Struktur vertraglich sind, d.h. wenn die Metrik zusatzlicherfullt die

Translationsinvarianz d(x + z, y + z) = d(x, y), ∀x, y, z ∈ X ,

Homogenitat d(α x, α y) = |α|d(x, y), ∀α ∈ IK, x, y ∈ X .

Dann wird durch

(4.1) ‖x‖ := d(x, 0), x ∈ X eine Norm definiert .

Wir erinnern an die Definitionen von Normen und Halbnormen.

Definition 4.1Sei X ein linearer Raum. Eine Abbildung ‖ ‖ : X → R heißt Norm, falls

‖x‖ ≥ 0, ‖x‖ = 0 ⇐⇒ x = 0.(N1)

‖α x‖ = |α| ‖x‖.(N2)

‖x + y‖ ≤ ‖x‖+ ‖y‖.(N3)

Eine Halbnorm liegt vor, wenn statt (N1) nur gilt

‖x‖ ≥ 0, ∀x ∈ X.(N1’)

(N2), (N3) unverandert (vgl. Definition 3.9).

Ein normierter Raum ist ein linearer Raum mit einer Norm.

Ein vollstandiger, normierter Raum heißt Banachraum.

Man sieht sofort, daß (4.1) die Eigenschaften (N1)–(N3) erfullt.

Beachte: Eine Metrik verlangt keine lineare Struktur.Jeder normierte Raum (X, ‖ ‖) ist auch ein metrischer Raum mittels

d(x, y) = ‖x− y‖ ,

und da jede Norm auch eine Halbnorm ist, ist (X, ‖ ‖) auch lokal konvex.

Damit ubertragen sich alle Aussagen fur metrische Raume auch auf normierte Raume,insbesondere z.B. die Vervollstandigung.

Aber: Nicht jeder metrische Raum laßt sich normieren.

Beispiel: Die Metrik von S : dS(x, y) =

b∫

a

|x(t)− y(t)|1 + |x(t)− y(t)| dt verletzt (N2).

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50 § 4 NORMIERTE RAUME

Beispiele fur Banachraume (vgl. (1.1)–(1.4)):

Cn mit ‖x‖∞ = maxi=1,...,m

|xi| ,

‖x‖2 =

√n∑

i=1

|xi|2 ,

‖x‖1 =n∑

i=1

|xi| ,

Cn(K), K ⊂ Rn, kompakt, mit ‖x‖ = supx∈K|s|≤n

|∂sf(x)| .

Definition 4.2Sei K ⊂ Rn kompakt und f ∈ C(K) . Fur 0 < α ≤ 1 heißt

holα(f, K) := supx,y∈Kx 6=y

|f(x)− f(y)||x− y|α Holder-Konstante von f,

(|x| =

√∑x2

i

),

hol1(f, K) Lipschitzkonstante von f .

Ist holα(f, K) <∞ , so heißt f Holderstetig (Lipschitzstetig falls α = 1 ).

Satzchen 4.3Ist K ⊂ Rn kompakt, so ist der Holder-Raum

Cm,α(K) :=

f ∈ Cm(K); holα(∂sf, K) <∞ ∀ |s| = m

mit der Norm

‖x‖K,α := max|s|≤m

supt∈K|∂sx(t)|+ max

|s|=msup

t,τ∈Kt6=τ

:|∂sx(t)− ∂sx(τ)|

|t− τ |α

ein Banachraum.

(Beachte: Nur die hochsten Ableitungen sollen holderstetig sein.)

Beweis (als Ubung): Hinweise: Zeigea) ‖x‖K,α ist eine Norm,b) verwende: Cm(K) ist vollstandig.

Bemerkung: Es genugt holα(∂sf, K) < ∞ fur |t − τ | ≤ ε < 1 zu fordern, fur|t− τ | ≥ ε ist der Ausdruck beschrankt, da |∂sf | beschrankt ist.

Beispiel f(x) =√

x ist holderstetig auf [0, b] , mit α = 12.

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51

6

c︸ ︷︷ ︸x2−x1

x1 x2︸ ︷︷ ︸x2−x1

√x

x2 − x1

√x2 − √x1

x1, x2 > 0 Πx2 > x1 dann gilt

√x2 −

√x1 ≤

√x2 − x1 (quadrieren),

speziell x1 = 0 =⇒ √x2 −

√x1 =

√x2 − x1 .

Holderstetige Funktionen spielen eine große Rolle in der Theorie der gewohnlichen undpartiellen Differentialgleichungen!

Bevor wir weitere Beispiele normierter Raume untersuchen, betrachten wir einige

Eigenschaften normierter Raume

Satz 4.4(X, ‖ ‖) normierter Raum,

=⇒ (x, y)→ x + y und (α, x)→ α · x und x→ ‖x‖ sind stetige Abbildungen.

Beweis: (eigentlich uberflussig nach Satz 3.11,3)

Man benutze die Stetigkeitsdefinition in metrischen Raumen und beachte die Unglei-chungen

‖(x1 + y1)− (x0 + y0)‖ ≤ ‖x1 − x0‖+ ‖y1 − y0‖ =⇒ Addition stetig,

‖α1x1 − α0x0‖ ≤ ‖(α1x1 − α1x0) + (α1x0 − α0x0)‖

≤ |α1| ‖(x1 − x0)‖+ ‖x0‖ |α1 − α0| =⇒ Skalarmultiplikationist stetig,

∣∣‖x1‖ − ‖x0‖∣∣ ≤ ‖x1 − x0‖ =⇒ Norm ist stetig.

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52 § 4 NORMIERTE RAUME

Definition 4.5Seien (Xi, ‖ ‖i), i = 1, 2 normierte Raume.

1. A : X1 → X2 heißt Isomorphismusdef⇐⇒

A ist linear : A(αx1 + βx2) = αAx1 + βAx2 ,bijektiv (1− 1, auf)

bzw. isometrischer Isomorphismus falls zusatzlich ‖Ax‖2 = ‖x‖1 .

2. (Xi, ‖ ‖i) heißen normisomorphdef⇐⇒

∃ isometrischen Isomorphismus A : X1 → X2 .

3. (Xi, ‖ ‖i) heißen toplinear isomorph (topologisch isomorph)def⇐⇒

∃ stetigen Isomorphismus A : X1 → X2 und A−1 stetig.

Bemerkungen zu 1) und 3): In der englischsprachigen Literatur bedeutet”A linear“

ublicherweise”A ist homogen: A(αx) = αAx und linear: A(x+y) = Ax+Ay“ (nicht

stetig). In der ostlichen Literatur ist oft ein linearer Operator per Definition auch stetig.Dies ruhrt wohl daher, daß diese Aussage in endlich dimensionalen Raumen richtig ist(vgl. Folgerung 1 d) von Satz 4.13).Manche Autoren (z.B. Alt, Werner) schließen in den Begriff Isomorphie die Stetigkeitder Inversen mit ein.Man vergewissere sich also in jedem Buch, was gemeint ist.

Satz 4.6(Xi, ‖ ‖i), i = 1, 2 toplinear isomorph ⇐⇒

∃A : X1lin−−→ X2, 1− 1 auf (Isomorphismus),

∃m, M > 0 : m ≤ ‖x‖1‖Ax‖2

≤ M ∀x ∈ X1, x 6= 0 .

Beweis:

”⇐=“ A, A−1 sind stetig wegen ‖Ax‖2 ≤ 1

m‖x‖1 ∀x ∈ X1

und mit Ax = y : ‖A−1y‖1 ≤M‖y‖2(z.B. Folgendefinition der Stetigkeit oder ε, δ Definitionen).

”=⇒“ A stetig in x = 0 =⇒ zu ε = 1 ∃ δ > 0 : ‖x‖1 = δ =⇒ ‖Ax‖2 ≤ 1 ,

=⇒ ‖Ax‖2‖x‖1

≤ 1

δTrick: Setze fur beliebige x 6= 0, x =

x

‖x‖1· δ

=⇒ ‖Ax‖2‖x‖1

=‖Ax‖2‖x‖1

≤ 1

δ(setze m := δ);

fur die andere Ungleichung benutze man, daß A−1 stetig ist.

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53

Beachte: Satz 4.6 besagt auch, daß ein toplinearer Isomorphismus A die Grenzwert-begriffe invariant laßt, d.h.

xn −→‖ ‖1

x0 ⇐⇒ Axn −→‖ ‖2

Ax0.

Folgerung 1Ist (X, ‖ ‖1) ein Banachraum (BR)(X, ‖ ‖1) toplinear isomorph zu (Y, ‖ ‖2)

=⇒ (Y, ‖ ‖2) ist auch BR.

Ist speziell X = Y , so erhalt man:

Folgerung 2Sind ‖ ‖i, i = 1, 2, Normen auf X , so sind aquivalent

1. ∃m, M > 0 : ∀x ∈ X, x 6= 0 m ≤ ‖x‖1‖x‖2≤ M ,

2. Xid−→ X ist toplinearer Isomorphismus zwischen (X, ‖ ‖1) und (X, ‖ ‖2) ,

3. (X, ‖ ‖1) und (X, ‖ ‖2) haben dieselbe Topologie.

Beweis:

1. ⇐⇒ 2. Nach Satz 4.6 mit A = id .

2. ⇐⇒ 3. Benutze fur id die Stetigkeitsdefinition: Urbilder offener Mengen sindoffen.

Definition 4.7Auf einem linearen Raum sind 2 Normen aquivalent

def⇐⇒Es gilt 1. oder 2. oder 3. in Folgerung 2.

Beispiele:

1. (a) X = C[a, b], pi ∈ C[a, b], pi(x) > 0 ∀x ∈ [a, b], i = 1, 2. .

Dann sind aquivalent ‖x‖i = maxt∈[a,b]

pi(t) · |x(t)|, i = 1, 2 (Ubung: Benutze

Folgerung 2,2. )

Anwendung: Beim Beweis des Satzes von Picard-Lindelof mit Hilfe desKontraktionssatzes zur Erreichung eines großeren Existenzintervalls fur dieLosung einer AWA gewohnlicher Differentialgleichungen.

(b) Auf C[a, b] sind nicht aquivalent

‖f‖∞ = max[a,b]|f(t)| und ‖f‖L2

=b∫

a

f(t) dt (vgl. Einleitung) oder

‖ ‖∞ und ‖x‖L1=

b∫a

|x(t)| dt (Gegenbeispiel: S 20).

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54 § 4 NORMIERTE RAUME

2. Sind (X, ‖ ‖x), (Y, ‖ ‖y) normiert, so sind auf X × Y aquivalent:

sup (‖x‖x, ‖y‖y),‖x‖x + ‖y‖y,

fur p ∈ N : p√‖x‖px + ‖x‖py (zum Normnachweis, vgl. spater), (Ubung).

Analog zu Satz 2.3 (Vervollstandigung) gilt

Satz 4.8Jeder normierte Raum (X, ‖ ‖) laßt sich in einen bis auf Normisomorphie eindeutig

bestimmten Banachraum (X, ‖ ‖) – die vollstandige Hulle von (X, ‖ ‖) – einbetten.

Der Beweis von Satz 2.3 kann abgeschrieben werden.

Definition 4.9Ein linearer Teilraum eines normierten Raumes (X, ‖‖) ist ein linearer Teilraum deslinearen Raumes X , versehen mit der durch ‖ ‖ induzierten Norm.

Unmittelbar einsichtig ist:

Satzchen 4.10

1. Ist (X, ‖ ‖) ein BR =⇒ jeder abgeschlossene Teilraum von (X, ‖ ‖) ist BR.

2. Ein vollstandiger Teilraum eines normierten Raumes ist (in diesem) abgeschlos-sen.

Folgen und Reihen in normierten Raumen

Definition 4.11

In (X, ‖ ‖) sei S :=∞∑

n=1

xn, xn ∈ X, eine unendliche Reihe.

S heißt konvergentdef⇐⇒ Die Folge der Teilsummen Sn =

n∑k=1

xk ist konvergent.

S heißt absolut konvergentdef⇐⇒

∞∑k=1

‖xk‖ konvergent.

Satz 4.12Sei (X, ‖ ‖) ein BR =⇒

Jede absolut konvergente Reihe ist konvergent und jede Umordnung konvergiert eben-falls zur selben Summe.

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55

Beweis: Konvergente Folgen im Banachraum sind Cauchyfolgen und

‖Sn+p − Sn‖ = ‖n+p∑

k=n+1

xk‖ ≤n+p∑

k=n+1

‖xk‖.

Die Umordnungseigenschaft folgt aus dem entsprechenden Satz uber reelle Zahlenfol-gen.

Endlichdimensionale normierte Raume

Zentral ist

Satz 4.13Sei (En, ‖ ‖) ein normierter Raum mit dim En = n <∞

=⇒ (En, ‖ ‖) ist toplinear isomorph zum Rn (oder Cn ) mit ‖x‖2 = (∑ |xi|2)1/2

.

Beweis Idee: Benutze Satz 4.6 und zeige (Πfur Rn als Bildraum)

∃A : Enlin−−→ Rn, 1− 1, auf, ∧∃m, M > 0 : m ≤ ‖x‖

‖Ax‖2≤M .

Es ist

dim En = n =⇒ ∃Basis bi, i = 1, . . . , n, bi ∈ En

=⇒ ∀x ∈ En ∃αi ∈ R, i = 1, . . . , n : x =n∑

i=1

αi bi .

Nun istA : En −→ Rn linear, 1− 1, auf

x =n∑

i=1

αi bi −→ (α1, . . . , αn)T .

Zeige ∃m, M > 0 :

m ≤

∥∥∥∥∑i

αi bi

∥∥∥∥

(∑ |αi|2)1/2

≤ M

⇐⇒ m ≤

∥∥∥∥∥∥∥

∑i

αi

(∑j

|αj|2)1/2· bi

∥∥∥∥∥∥∥≤ M

⇐⇒ m ≤∥∥∥∥∑i

βi bi

∥∥∥∥ ≤ M undn∑

i=1

β2i = 1 .

Nun ist ϕ(β1, . . . , βn) = ‖∑i

βi bi‖ eine reellwertige, stetige Funktion (Satz 4.4) auf

der kompakten Einheitsphare des Rn , nimmt also dort ihr Maximum M und ihrMinimum m an.

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56 § 4 NORMIERTE RAUME

Es ist m > 0 , denn∑

βi bi = 0 =⇒ βi = 0 ∀ i (lineare Unabhangigkeit)

=⇒ W zu∑

β2i = 1 .

Folgerungen

1. fur endlich dimensionale Raume:

a) (X, ‖ ‖x), (Y, ‖ ‖y), dim X = dim Y <∞ =⇒ X toplinear isomorphzu Y .

b) (X, ‖ ‖), dim X = n =⇒α) In X (speziell auch in Rn, Cn ) sind alle Normen aquivalent.

β) (X, ‖ ‖) ist ein Banachraum.

γ) In (X, ‖ ‖) ist die Einheitsphare kompakt.

c) (Y, ‖ ‖), X ⊂ Y Teilraum, dim X <∞ =⇒ X ist BR und daher auchabgeschlossen.

d) (X, ‖ ‖x) A lin−−→ (Y, ‖ ‖y), dim X <∞ =⇒ A stetig.

2. fur unendlich dimensionale Raume:

Ist in Y die Einheitsphare nicht kompakt =⇒ dim Y =∞ .

Beweis:

1. a) topologisch lineare Isomorphismen sind transitiv.

b) α) ∀ beliebigen Normen ‖ ‖b ist (Rn, ‖ ‖b) topologisch linear isomorphzu (Rn, ‖ ‖2).

β, γ) denn in Rn (bzw. Cn ) gilt dies. Kompaktheit (Uberdeckungseigen-schaft) ist eine topologische Eigenschaft.

c) klar

d) A ist folgenstetig, denn in X gilt mit einer Basis b1, ..., bn ⊂ X :

x :=

n∑

i=1

xi bi −→ y :=

n∑

i=1

yi bi

b, α)========> xi −→ yi i = 1, . . . , n .

Stetigkeit der Rechenoperationen”+“ und

”·“ liefern

Ax =n∑

i=1

xi A bi −→n∑

i=1

yi A bi = A

(n∑

i=1

yi bi

)= A y .

2. Umkehrung von b), γ) .

Diese Aussagen geben schon einen Hinweis auf die Bedeutung der Kompaktheit.

Ohne Beweis erwahnen wir eine Verscharfung von Folgerung 1. c) :

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57

Satz 4.14Sei (X, ‖ ‖) ein normierter RaumG ⊂ X ein abgeschlossener UnterraumE ⊂ X ein endlich dimensionaler Teilraum

=⇒ G⊕E abgeschlossen in X .

Dabei heißt Z = G⊕E direkte Summe von G und E , wenn jedes Element z ∈ Z eineeindeutige Darstellung z = p1(z) + p2(z) besitzt wobei die Projektionen p1 : G −→ Zund p2 : E −→ Z lineare Abbildungen sind. (vgl. z.B. Wloka §8.4)

Wir beweisen nun eine Anwendung von Satz 4.13 auf Approximationsprobleme

Satz 4.15 Existenz der besten Approximation, MinimallosungIn (X, ‖ ‖) sei E ein endlich dimensionaler Teilraum (dim E = l) .

=⇒ ∀x ∈ X ∃ y∗ ∈ E : ‖x− y∗‖ = infy∈E‖x− y‖

Anwendungsbeispiel: Approximation von f ∈ C[a, b] durch Polynome vom Grad

l − 1(beachte: dim

n∑

i=0

ai xi; ai ∈ IK

= n + 1

).

Beweis: Sei x ∈ X \ E.

∃ xn ⊂ E : ‖x− xn‖ n→∞−−−→ δ := infy∈E‖x− y‖,

=⇒ Zu K > 0 ∃n ∈ N : ‖x− xn‖ ≤ δ + K ∀n ≥ n,

=⇒ (∆−Ungleichung) ‖xn‖ ≤ ‖x‖+ δ + K ∀n ≥ n.

Nach Satz 4.13 ∃ toplinearer Isomorphismus

A : E → Rℓ : m‖y‖ ≤ ‖A y‖ ≤M‖y‖ ∀ y ∈ E, (∗)

=⇒ ‖Axn‖ ≤ M‖xn‖ ≤M(‖x‖ + δ + K) =⇒ Axn ⊂ Rn ist beschrankt.

Bolzano-Weierstraß==========================> ∃ konvergente Teilfolge A xnk

k→∞−−−→ y0, x0 := A−1 y0,

(∗)=⇒ ‖xnk

− x0‖ ≤ 1m‖A xnk

− y0‖ k→∞−−−→ 0,

=⇒ ‖x− x0‖ ≤ ‖x− xnk‖︸ ︷︷ ︸

k→∞−−−→ δ

+ ‖xnk− x0‖︸ ︷︷ ︸

k→∞−−−→ 0

k→∞−−−→ δ,

also ‖x− x0‖ = δ, setze y∗ = x0.

Bemerkung: Die beste Approximation braucht nicht eindeutig bestimmt zu sein!

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58 § 4 NORMIERTE RAUME

Aufgabe

1. Ist der normierte Raum (X, ‖ ‖) strikt konvex, d.h. in der Dreiecksungleichung‖x + y‖ ≤ ‖x‖ + ‖y‖ gilt das

”=“ genau dann, wenn x = py mit einem p > 0

oder wenn x = 0 oder y = 0 ), so besitzt die Approximationsaufgabe genau eineLosung.

2. Im Fall X = R2, ‖x‖ = max (|x1|, |x2|), E = R1 zeige man an einem Beispiel,daß die Minimallosung nicht eindeutig ist.

3. Im Fall X = R2, ‖x‖ =√

x21 + x2

2, E = R1 zeige man, daß die Minimallosungeindeutig ist.

Fazit: Auch topologisch aquivalente Normen haben unterschiedlichen praktischenNutzen.

Bemerkung: Im besonders wichtigen Fall X = C[a, b], ‖x‖ = maxt∈[a,b]

|x(t)| ist der

Raum (X, ‖ ‖) nicht strikt konvex.

Normierte Produktraume

Als offensichtliche Anwendung der vorigen Satze erhalten wir

Satz 4.16 (normierte Produktraume)Seien (Xi, ‖ ‖i), i = 1, . . . , n endlich viele, normierte Raume undX = X1 × . . .×Xn := x = (x1, . . . , xn); xi ∈ Xi das kartesische Produkt.

=⇒1. Durch

(x + y)i := xi + yi

(α x)i := α xi

i = 1, . . . , n

wird X zu einem linearen Raum.

2. Durch jede der untereinander aquivalenten Normen

‖x‖∞ := max ‖xi‖i, ‖x‖p :=

(n∑

i=1

‖xi‖pi

)1/p

(1 ≤ p <∞)

wird X zu einem normierten Raum.

3. (X, ‖ ‖p) ist BR ⇐⇒ alle (Xi, ‖ ‖i) sind BRe.

Der Normbeweis fur ‖ ‖p wird in (4.7) nachgetragen.

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59

Normierte Quotientenraume

Ist (X, ‖ ‖) ein normierter (oder halbnormierter) Raum, Y ⊂ X ein Teilraum.

=⇒ x1 ∼ x2def⇐⇒ x1 − x2 ∈ Y ist eine Aquivalenzrelation (reflexiv, transitiv,

symmetrisch).

X kann in Aquivalenzklassen eingeteilt werden

x := y ∈ X; y ∼ x = y ∈ X; y − x ∈ Y = y ∈ X, y ∈ x + Y

= x + Y, x heißt Vertreter der Aquivalenzklasse x .

Dann wird der Quotientenraum X/Y definiert durch

X/Y := x; x ∈ X. (Raum der Aquivalenzklassen)

Er hat folgende, naturliche, lineare Struktur:

x1 + x2 := x1 + Y + x2 + Y = x1 + x2 + Y = x1 + x2

α x := α x + Y = α xund das Nullelement

0 := 0 + Y = Y

=⇒ X/Y ist linearer Raum.

Satz 4.17Sei (X, p) ein halbnormierter Raum und Y ein abgeschlossener, halbnormierter

Teilraum von (X, p) , so gilt

1. X/Y wird normiert durch

‖x‖Q := infy∈Y

p(x + y) = infz∈x

p(z).

2. Ist X vollstandig, so ist X/Y ein Banachraum,

d.h. die Vollstandigkeit ist erblich bei Quotientenbildung.

Bemerkung: In X muß der Grenzwert nicht eindeutig sein, wohl aber in X \N.

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60 § 4 NORMIERTE RAUME

Beweis 1:

‖x‖Q = 0 =⇒ infy∈Y

p(x + y) = 0 =⇒ ∃ Folge yn ⊂ Y : −yn → +x(N1)

=⇒ x ist HP von YY abgeschlossen

======================> x ∈ Y =⇒ x = 0 (Rest klar).

Beachte :Nur die Halbnormeigenschaft wurde benutzt.

Die Homogenitat folgt aus (N2) fur X weil α Y = Y .(N2)

‖x1 + x2‖Q = ‖x1 + x2‖Q (laut Definition der Addition)(N3)

= infyi∈Y

p(x1 + y1 + x2 + y2)

≤ infyi∈Y

(p(x1 + y1) + p(x2 + y2)

)

= infy1∈Y

p(x1 + y1) + infy2∈Y

p(x2 + y2)

= ‖x1‖Q + ‖x2‖Q .

Beweis 2:Beweisidee:

1. Sei xn CF in X/Y .

Konstruiere CF xn ⊂ X, xn ∈ xn ,

X vollstandig =⇒ xn → x0 ,

zeige x0 = lim xn .

2. technische Schwierigkeit: Die ‖ ‖Q -Definition impliziert nicht, daß ‖x‖Q furein x ∈ x angenommen wird, daraus folgt die Schwierigkeit:

‖xi+p − xi‖Q < ε 6i.allg.

==========> ∃xi+p ∈ xi+p, xi ∈ xi mit p(xi+p − xi) < ε ,

d.h. durch Auswahl von Vertretern konnen die Konvergenzeigenschaften der CFverloren gehen, da die Vertreter ja in einem Raum variieren konnen. Frage: Wiekonnen bei gegebenem ‖x− y‖Q Vertreter x, y so gewahlt werden, daß p(x− y)nicht zu groß wird?

Idee: Arbeite mit hinreichend stark ”konvergenten” Teilfolgentk = xnk

⊂ xn z.B. ‖tk+1 − tk‖Q < 2−k .Zu ihnen kann man Vertreterfolgen wahlen, die immer noch Cauchy-Folgen sind.

Beweis: Konstruktion der Unterfolge tk ⊂ X :

Sei t1 ∈ t1 gegeben. Dann gilt fur ein t2 ∈ t2

‖t2 − t1‖Q = infy∈Y

p(t2 − t1 + y),

und laut Definition des Infimums existiert ein y ∈ Y , sodaß mit t2 := t2 + y gilt

infy∈Y

p(t2 − t1 + y) < p(t2 − t1) < 2 ‖t2 − t1‖Q.

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61

Allgemein: Sei tk ∈ tk festgelegt. Dann existiert ein y ∈ Y , sodaß mit tk+1 := tk+1+ygilt

‖tk+1−tk‖Q = infy∈Y

p(tk+1−tk+y) < p(tk+1−tk+y) = p(tk+1−tk) < 2 ‖tk+1−tk‖Q < 2·2−k.

Mit der so bestimmten Folge tk gilt

p(tk+p − tk) = p( p−1∑

i=0

(tk+p−i − tk+p−1−i))≤

p−1∑i=0

p(tk+p−i − tk+p−i−1)

≤p−1∑i=0

2 · 2−(k+p−i−1) = 2 · 2−k

p−1∑

i=0

21−p+i

︸ ︷︷ ︸≤ 2

≤ 4 · 2−k, also CF .

=⇒ ∃ t0 = limk→∞

tk da X vollstandig, und wegen

‖tk − t0‖Q = infy∈Y

p(tk − t0 + y) ≤ p(tk − t0) ist t0 = limk→∞

tk .

=⇒ limn→∞

xn = t0 , denn mit tk = xnkgilt:

limn→∞

‖xn − t0‖Q ≤ limn→∞

(‖xn − xnk

‖Q + ‖xnk− t0‖Q

)= 0,

↓ ↓0 0

da CF da tk → t0

also konvergiert auch die Gesamtfolge gegen t0 .

Anwendung:

Ist (X, p) halbnormiert, so gilt:

N = p−1(0) := y ∈ X; p(y) = 0ist ein abgeschlossener, linearer Teilraum (Beweis als leichte Ubung).

X/N :=

x ⊂ X; x =

y ∈ X; y = x + z, p(z) = 0

ist ein normierter Raum mit ‖x‖Q := p(x) ,denn

1. x1, x2 ∈ x =⇒ x1 = x2 + y =⇒ p(x1) = p(x2 + y) ≤ p(x2) + p(y)p(y)=0

= p(x2),

x2 = x1 + (−y) −→ p(x2) = p(x1 + (−y)) ≤ p(x1) + p(y) = p(x1),

also p(x1) = p(x2) .

2. mit 1. gilt:

‖x‖Q = 0 ⇒ p(x) = 0 ∀x ∈ x =⇒ x = N =⇒ x = Θ ,

also gilt (N1) und (N2), (N3) sowieso.

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62 § 4 NORMIERTE RAUME

Aus 1. folgt auch, daß diese Norm mit der in Satz 4.17 definierten ubereinstimmt, denndie Halbnorm hat fur alle Vertreter den gleichen Wert.

Idee: Bei der Quotientenbildung”verschwindet“ ein

”unbequemer“ Teilraum.

Ist nun (X, p) vollstandigSatz 4.17

============> (X/p−1(0), ) )Q) ist BR. Dies findet Anwen-

dung bei der Definition der Lp -Raume.

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63

Die Lp -Raume 1 ≤ p <∞

Satz 4.18Fur eine Lebesgue-meßbare Menge B ⊂ Rd und fur 1 ≤ p < ∞ ist (Lp(B), ‖ ‖Lp)

ein normierter Raum.

Lp(B) :=f : B → R;

B

|f(t)|p dt <∞

‖x‖Lp :=

B

|x(t)|p dt

1/p

Bemerkung zur Schreibweise: Schlamperei in der Literatur:

In der Schreibweise werden in der Literatur die Raume

Lp(B) und Lp(B)/N, N = ‖0‖−1Lp

nicht unterschieden, ebensowenig wie die

Halbnorm ‖ ‖Lp und die zugehorige Norm ‖ ‖Q .

Wird von Lp -Raumen und den”Normen“ ‖‖Lp gesprochen, so meint man (eigentlich)

immer den Quotientenraum und die zugehorige Norm.Zudem wird, aus Bequemlichkeitsgrunden, auch oft ‖ ‖p statt ‖ ‖Lp geschrieben.Daruberhinaus unterdruckt man in der Literatur oft die Indizes an Normen und unter-scheidet damit in der Schreibweise z.B. auch nicht zwischen der Norm mit Urbildraumund im Bildraum einer Abbildung.

Argument: Die Bedeutung ist aus dem Zusammenhang ersichtlich!

Beweis: Lp(B) ist ein linearer Raum, denn

f ∈ Lp(B) =⇒∫

B

|α f |p dx = |α|p∫

B

|f(x)|p dx < ∞ also α f ∈ Lp(B) .

f, g ∈ Lp(B) : dann gilt fur alle endlichen Funktionswerte (das sind”fast alle“)

|f(t) + g(t)|p ≤(|f(t)|+ |g(t)|

)p ≤(

2 sup(|f(t)|, |g(t)|

))p

≤ 2p sup(|f(t)|p, |g(t)|p

)

≤ 2p(|f(t)|p + |g(t)|p

)

=⇒ (durch Integration) f + g ∈ Lp.

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64 § 4 NORMIERTE RAUME

Durch

‖x‖p :=

B

|x(t)|p dt

1/p

wird auf Lp(B) eine Halbnorm erklart.

‖x‖p ≥ 0 ist klar, ‖Θ‖p = 0 ebenfalls , Θ = Nullfunktion(N1’)

Homogenitat trivial(N2)

B

|f(t) + g(t)|p dt

1/p

B

|f(t)|p dt

1/p

+

B

|g(t)|p dt

1/p

(N3)

ist die Minkowski’sche Ungleichung (Beweis folgt) .

N = ‖Θ‖−1p = y ∈ Lp(B); y(t) = 0 f.u. in B ist ein abgeschlossener Teilraum.

=⇒ Lp(B)/N ist ein normierter Raum.

Die Ungleichungen von Holder und Minkowski

Lemma:Ist 0 < λ < 1, a ≥ 0, b ≥ 0 , so gilt

(4.2) aλ b1−λ ≤ λ a + (1− λ) b ,

dabei steht”=“ genau dann, wenn a = b .

Beweis:

Πsei 0 < a < b . Nach dem Mittelwertsatz der Differential-Rechnung

∃ ξ : a < ξ < b und b1−λ − a1−λ = (1− λ) ξ−λ(b− a)

=⇒ b1−λ − a1−λ < (1− λ) a−λ(b− a) .

Multiplikation mit aλ liefert (4.2).

Folgerung:

Sei p > 0, q > 0 und1

p+

1

q= 1 =⇒

(4.3) ∀u, v ∈ C gilt |uv| ≤ |u|pp

+|v|qq

.

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65

Beweis:

Benutze (4.2) mit λ =1

p, 1− λ =

1

q, a = |u|p, b = |v|q .

Satz 4.19 Die Holder’sche Ungleichung fur Reihen

Seien ξn, ηn Zahlenfolgen mit∞∑

ν=1

|ξν |p <∞,∞∑

ν=1

|ην|q <∞

und1

p+

1

q= 1, p, q > 0

=⇒

(4.4)∞∑

ν=1

|ξν ην | ≤( ∞∑

ν=1

|ξν |p)1

p( ∞∑

ν=1

|ην |q)1

q

(Fur p = q = 2 heißt dies Schwarz’sche oder Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung(CSU) oder Cauchy-Bunjakowski’sche Ungleichung .

Beweis:

Setze Ap :=

(n∑

ν=1

|ξν|p)1/p

, Aq :=

(n∑

ν=1

|ην |q)1/q

wobei ΠAp > 0, Aq > 0 .

Setze ξν :=ξν

Ap, ην :=

ην

Aq

(4.3)=======> |ξν ην | ≤

|ξν|pp

+|ην |q

q

=⇒n∑

ν=1

|ξν ην | ≤1

p

n∑ν=1

|ξν |p +1

q

n∑ν=1

|ην |q =1

p+

1

q= 1

=⇒n∑

ν=1

|ξν ην | ≤ Ap · Aq

n→∞==========> (4.4) .

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66 § 4 NORMIERTE RAUME

Satz 4.20 Die Holder’sche Ungleichung fur IntegraleSei B ⊂ Rd Lebesgue-meßbar und

x ∈ Lp(B), y ∈ Lq(B), p > 0, q > 0,1

p+

1

q= 1

=⇒

(4.5)

B

|x(t)y(t)| dt ≤

B

|x(t)|p dt

1/p

B

|y(t)|q dt

1/q

,

fur p = q = 2 heißt dies Schwarz’sche Ungleichung.

Beweis:

Analog zum Vorgehen bei Reihen setzen wir

Ap :=

B

|x(t)|p dt

1/p

, Aq :=

B

|y(t)|q dt

1/q

, x(t) =x(t)

Ap, y(t) =

y(t)

Aq,

und erhalten aus (4.3)

|x(t)y(t)| ≤ |x(t)|pp

+|y(t)|q

q.

Hieraus folgt die Integrierbarkeit der linken Seite und Integration liefert analog zuvorhin ∫

B

|x(t)y(t)| dt ≤ Ap · Aq .

Satz 4.21 Die Minkowski’sche Ungleichung fur Reihen

Seien ξn, ηn Zahlenfolgen mit∞∑

ν=1

|ξν|p <∞,∞∑

ν=1

|ην |p <∞ fur p ≥ 1

=⇒

(4.6)

( ∞∑

ν=1

|ξν + ην |p)1/p

≤( ∞∑

ν=1

|ξν |p)1/p

+

( ∞∑

ν=1

|ην |p)1/p

.

Beweis:

Trivial fur p = 1 , sei also p > 1 . Dann gilt (zunachst fur endliche Summen, da dieKonvergenz noch nicht gesichert ist)

n∑

ν=1

|ξν + ην |p ≤n∑

ν=1

|ξν| |ξν + ην |p−1 +n∑

ν=1

|ην | |ξν + ην |p−1 .

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67

Anwendung von (4.4) auf beide Summen der rechten Seite und (p− 1) q = p liefert

n∑ν=1

|ξν + ην |p ≤(

n∑ν=1

|ξν |p)1/p ( n∑

ν=1

|ξν + ην |p)1/q

+

(n∑

ν=1

|ην |p)1/p ( n∑

ν=1

|ξν + ην |p)1/q

=

[(n∑

ν=1

|ξν|p)1/p

+

(n∑

ν=1

|ην |p)1/p

] (n∑

ν=1

|ξν + ην |p)1/q

.

Dividiere durch den letzten Faktor der rechten Seite, dann folgt wegen 1− 1

q=

1

plinks

(n∑

ν=1

|ξν + ην |p)1/p

und damit (4.6) mit n statt ∞ . Der Grenzubergang n → ∞sichert die Konvergenz und liefert (4.6).

Satz 4.22 Die Minkowski’sche Ungleichung fur IntegraleSeien B ⊂ Rd Lebesgue-meßbar und x, y ∈ Lp(B) mit p ≥ 1

=⇒

(4.7)

B

|x(t) + y(t)|p dt

1/p

B

|x(t)|p dt

1/p

+

B

|y(t)|p dt

1/p

Beweis:

Das Integral auf der linken Seite existiert, denn fur t ∈ B gilt

|x(t) + y(t)|p ≤[

2 sup

(|x(t)|, |y(t)|

)]p

≤ 2p

(|x(t)|p + |y(t)|p

).

Da p = 1 trivial ist, sei p > 1 . Wir zerlegen wieder

|x + y|p = |x + y|p−1|x + y| ≤ |x + y|p−1|x|+ |x + y|p−1|y|).

Mit q =p

p− 1liefert (4.5)

∫|x| |x + y|p−1 dt ≤

(∫|x|p dt

)1/p

·(∫

|x + y|p dt

)1/q

,

∫|y| |x + y|p−1 dt ≤

(∫|y|p dt

)1/p

·(∫

|x + y|p dt

)1/q

,

=⇒∫|x + y|p dt ≤

[(∫|x|p dt

)1/p

+

(∫|y|p dt

)1/p]·(∫

|x + y|p dt

)1/q

,

woraus wegen 1− 1

q=

1

pdie Behauptung (4.7) folgt.

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68 § 4 NORMIERTE RAUME

Fortsetzung: Lp -Raume

Satz 4.23Fur p =∞ ist

L∞(B) := f : B ⊂ Rd → R; B meßbar, ∃Mf : |f(x)| < Mf f.u. in B

ein normierter Raum mit

‖x‖∞ := supt∈B

ess|x(t)| := infA⊂B

µ(A)=0

supt∈B\A

|x(t)| , µ = Lebesgue-Maß.

Beweis: Der Raum ist linear, denn

1.) Die Homogenitat ist klar.

2.) Addition: f, g ∈ L∞(B) =⇒ |f + g| ≤ |f |+ |g| < Mf + Mg =: Mf+g f.u. in B .

‖x‖∞ ist eine Halbnorm! (Ubung, problemlos.)

N = ‖0‖−1∞ := x ∈ L∞(B); ∃A ⊂ B : µ(A) = 0, ‖x‖∞ = 0 aufB \A ist ein linearer,

abgeschlossener Teilraum.

=⇒ (L∞(B)/N, ‖ ‖Q) ist ein normierter Raum.

Ubliche Schlamperei: (L∞(B)/N, ‖ ‖Q)Bezeichnung

= (L∞(B), ‖ ‖∞) .

Wir erwahnen als leichte Ubungsaufgabe:

B ⊂ Rd beschrankt, meßbar =⇒ L∞(B) ⊂ Lp(B) ⊂ L1(B), 1 < p <∞ .

Satz 4.24Die Raume Lp(B), B ⊂ Rn Lebesgue-meßbar, 1 ≤ p ≤ ∞ , sind Banachraume.

Bemerkung: Fur 1 ≤ p <∞ ist dies der Satz von Fischer-Riesz.

Beweis : p = ∞ :

Sei fn ⊂ L∞(B) eine CF.

1. ∀n ∈ N ∃An ⊂ B : µ(An) = 0 (Nullmenge) und |fn(t)| <∞ auf B \ An .

2. Abzahlbare Vereinigungen von Nullmengen sind Nullmengen, also ist S =∞⋃

n=1

An

eine Nullmenge.

Auf B \ S kann der Beweis von Satz 2.2, 1.) wiederholt werden.

1 ≤ p < ∞ :; Satz von Fischer-Riesz.

Sei fk ⊂ Lp(B) eine CF. Da jede CF in einem normierten Raum hochstens einen

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69

HP besitzt, brauchen wir nur zu zeigen, daß eine Teilfolge konvergiert. Wahle fki

sodaß ∑

i∈N

∥∥∥∥fki+1− fki

∥∥∥∥p

< ∞ .

Wahle etwa ki ∈ N so, daß

‖fk − fℓ‖p ≤ 2−i fur k, ℓ ≥ ki, ki = max (i, ki) (=⇒ kii→∞−−−→∞).

Πbezeichnen wir im folgenden die Teilfolge wieder mit fk , denn wenn die Teilfolgegegen einen Grenzwert konvergiert, dann auch die Gesamtfolge.

Definiere

gℓ(x) :=

ℓ∑

k=1

|fk+1(x)− fk(x)| (=⇒ gℓ monoton wachsend bzgl. ℓ),

und wende an das

Lemma 4.25 Lemma von FatouIst xn eine Folge reellwertiger, auf B integrierbarer Funktionen und existiert einereellwertige, integrierbare Funktion x(t) mit x(t) ≤ xn(t) f.u. in B, ∀n=⇒ ∫

B

limn→∞

xn(t) dt ≤ limn→∞

B

xn(t) dt .

Bemerkung: Fur eine Folge reeller Zahlen, an wird mit limn→∞

an = limℓ→∞

infn≥ℓ

an der

kleinste Haufungspunkt der Folge bezeichnet.

(zum Beweis vgl. Wloka)

Es ist gℓ ∈ Lp(B) (linearer Raum). Da gℓ ≥ 0 monoton wachsend bzgl. ℓ , folgtlimℓ→∞

gℓ := limℓ→∞

infn≥ℓ

gn = limℓ→∞

gℓ , also kann man Fatou auf gpℓ anwenden und erhalt mit

der Dreiecksungleichung

B

(limℓ→∞

gℓ(t)p)

dt ≤ limℓ→∞

B

gℓ(t)p dt = lim

ℓ→∞

(‖gℓ‖p

)p

≤(∑

k∈N

‖fk+1 − fk‖p)p

< ∞

=⇒ ∃ limℓ→∞

gℓ(x) =

∞∑

k=1

|fk+1(x)− fk(x)| f.u. auf B.

Wegen

|fl+1(x)| = |f1(x) +ℓ∑

k=1

(fk+1(x)− fk(x))| ≤ |f1(x)|+ℓ∑

k=1

|fk+1(x)− fk(x)|

folgt∃ f(x) = lim

k→∞fk(x) f.u. auf B (d.h. punktweise).

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70 § 4 NORMIERTE RAUME

Bei Konvergenz gilt limℓ→∞

|fℓ(x)− fk(x)| = limℓ→∞

|fℓ(x)− fk(x)| = |f(x)− fk(x)| , also

∫B

|f(x)− fk(x)|p dx =∫B

limℓ→∞

|fℓ(x)− fk(x)|p dxFatou≤ lim

ℓ→∞

∫B

|fℓ(x)− fk(x)|p dx

= limℓ→∞

‖fℓ − fk‖pp

≤(∑i≥k

‖fi+1 − fi‖p)p

k→∞−−−→ 0 ,

also limk→∞

‖f − fk‖p = 0 .

Als nachstes wollen wir Dichtheits- und damit Separabilitatsaussagen beweisen.

Hinweis:

1. Dichtheitsaussagen betreffen immer die Norm des Raumes, in dem die Menge alsdicht nachgewiesen wird.

2. Dichtheitsaussagen sind transitiv, wenn sie bzgl. derselben Norm gezeigt werden.Bsp.: Ist A = B bzgl. der Norm in B und B = C bzgl. der Norm in C , so mußnicht A = C gelten, wenn die Normen in B und C verschieden sind.

Satz 4.26Sei Ω ⊆ Rn offen und 1 ≤ p <∞ . Dann ist C∞

0 (Ω) dicht in Lp(Ω) , d.h.

∀u ∈ Lp(Ω) ∃ uk ⊂ C∞0 (Ω) mit ‖uk − u‖Lp

k→∞−−−→ 0 .

Diese Aussage ist falsch fur p =∞ .

Beweis:Wir fuhren zunachst einige Hilfsmittel auf. Aus den Ubungen ist bekannt

ϕ(x) =

exp ( −1

1−|x|2 ) fur |x| = |(x1, . . . , xn)T | =

√n∑

i=1

x2i < 1,

0 fur |x| ≥ 1.

bekannt ist

ρ(x) = k ϕ(x), k > 0 so, daß

∫ρ(x) dx = 1, ρε(x) = ε−nρ(

x

ε),

∫ρε(x) dx = 1, mit Tr und ρε = |x| ≤ ρε.

Fur f ∈ Lp(Rn) existiert nach der Holderschen Ungleichung die Faltung

Tεf(x) := (ρε ∗ f)(x)) =

ε

(x− y)f(y) dx, Tε ∈ C∞(Rn).

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71

In den Ubungen zeigen wir

(∗) ‖Tεf‖p ≤ ‖f‖p und

∫|Tεf(x)− f(x)|p dx ≤ sup

s∈Tr ρε

∫|f(y)− f(s + y)|p dx

also ‖Tεf ∈ f ∈ Lp(Rn).

Aus der Theorie des L-Integrals zitieren wir (zum Beweis vgl. Alt, Lemma 1.16)

LemmaFur f ∈ Lp(Rn), 1 ≤ p <∞ gilt

‖f(. + h)− f‖f∈Lp(Rn)|h|→0−→ 0,

dabei bezeichnet f(. + h) die Funktion x→ f(x + h) .

Aus (∗) folgt mit dem Lemmma

‖Tεf − f‖Lp(Rn)ε→0−−→ 0,

d.h. wegen Tεf ∈ C∞(Rn) : C∞(Rn) ∩ Lp(Rn) ist dicht in Lp(Rn) bzgl. ‖ ‖Lp(Rn) .

Aufgabe (Ubung): Man zeige: C∞0 (Rn) ist dicht in C∞(Rn)∩Lp(Rn) bzgl. ‖ ‖Lp(Rn).

Damit ist der Satz fur Ω = Rn bewiesen.

Sei nun Ω 6= Rn.Wir setzen f auf Rn fort durch f = 0 auf Rn \ Ω und definieren

Ωδ = x ∈ Ω; dist(x, ∂Ω) > δ, Dδ = Ωδ ∩K 1

δ(0)

mit K 1

δ(0) = x ∈ Rn; |x| ≤ 1

δ und dist(x, ∂Ω) := inf

y∈∂Ω‖x− y‖.

Fur ε ≤ δ setzen wir

Tεδf(x) =

;Dδ

ρε(x− y)f(y) dy = (ρε ∗ (χDδf))(x)

mit der charakteristischen Funktion χK(x) =

1, x ∈ K,0, sonst.

Offensichtlich ist Tr Tεδf ⊂ Ω, und Tεδf ∈ C∞0 (Ω) folgt aus der Definition von Tεδf .

Nun ist

(Tεδf − f)(x) =

Rn

ρε(x− y)(f(y)− f(x) dy)−∫

Rn

ρε(x− y)χΩ\δ(y)f(y) dy.

Anwendung von (∗) auf das 1. Integral und der Holderschen Ungleichung auf das 2.Integral (beachte

∫ρε(x) dx = 1 ) liefert

‖Tεδf − f‖Lp(Ω) ≤ sup|h|≤ε

‖f( . + h)− f‖Lp(Ω) + ‖f‖Lp(Ω)\Dδ).

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72 § 4 NORMIERTE RAUME

Der 1. Ausdruck auf der rechten Seite strebt ∀ δ gegen Null fur ε → 0 nach obigemLemma, der 2. Ausdruck strebt gegen Null fur δ → 0 (Ubung).

Sei p =∞.Dann ist (C(Ω), ‖ ‖∞) ein vollstandiger, also abgeschlossener Raum.Beachte: (C(Ω), ‖ ‖∞) enthalt nur Funktionen, die bzgl. der Norm beschrankt sind.Die Norm liefert gleichmaßige Konvergenz, eine CF bzgl. dieser Norm hat einen Grenz-wert in B(Ω) (vgl. Satz 2.2), eine gleichmaßig konvergente Folge stetiger Funktionenhat einen stetigen Grenzwert.Deshalb kann kein f ∈ L∞(Ω) \ C(Ω) durch eine Folge fk ⊂ C(Ω) bzgl. ‖ ‖∞approximiert werden.

Bemerkung: Fur 1 ≤ p <∞ kann man (C(Ω), ‖ ‖Lp) als Teilraum von (Lp(Ω), ‖ ‖Lp)auffassen (Schlamperei). Nach dem obigen Satz ist C∞

0 (Ω) dicht in Lp(Ω), weiter istC∞

0 (Ω) ⊂ C(Ω) , also (C(Ω), ‖ ‖Lp) dicht in Lp(Ω). Lp(Ω) ist vollstandig. Darausfolgt

(4.8)(Lp(Ω), ‖ ‖Lp) ist bis auf Normisomorphiedie vollstandige Hulle von (C(Ω), ‖ ‖Lp).

Aus dem vorigen Satz erhalt man den wichtigen

Satz 4.27Die Raume Lp(Ω), Ω ⊂ Rn offen, sind separabel fur 1 ≤ p <∞ .

Die Aussage ist falsch fur p =∞ .

Beweis Idee:

1. Die Menge PQ der Polynome mit rationalen Koeffizienten ist abzahlbar.

2. Abgeschlossene Kugeln Kr ⊂ Rn mit Radius r ∈ Q sind abzahlbar.

3. Die Menge der Funktionen f ; f ∈ PQ fur x ∈ Kr, f ≡ 0 sonst ist abzahlbar.

Beweis: 1 ≤ p < ∞ . Sei f ∈ Lp(Ω) und ε > 0 gegeben .

1. Der vorige Satz liefert:

∀ ε > 0 ∃ g1 ∈ C∞0 (Ω) : ‖f − g1‖Lp(Ω) <

ε

3.

2. ∃ Kr ⊂ Rn, r ∈ Q mit Tr g1 ⊂ Kr. Sei m := (∫

Kr

1 dx)1/p.

Der Satz von Weierstraß gilt auch fur Kugeln im Rn (vgl. Alt 7.17, sehr hubscherBeweis), d.h.

zu g1 ∧ε

3∃ Polynom g2 : m‖g1 − g2‖∞,Kr

3.

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73

3. zu g2 ∃ Polynom g3 mit rationalen Koeffizienten: m‖g2 − g3‖∞,Kr< ε

3.

Seien fur i = 2, 3 : gi :=

gi, in Kr,0, sonst,

dann folgt

(∫

Kr

|g1 − g3|p dx)1/p

=(∫

Rn

|g1 − g3|p dx)1/p

= ‖g1 − g3‖Lp(Rn)

≤ ‖g1 − g2‖Lp(Rn) + ‖g2 − g3‖Lp(Rn)

≤ m‖g1 − g2‖∞,Kr+ ‖g2 − g3‖∞,Kr

≤ 2

3ε.

Den Rest liefert die Dreiecksungleichung.

Beachte: Im Beweis wurde benutzt, daß ‖ ‖∞,Krstarker ist als ‖ ‖Lp(Kr) .

p = ∞. Gegenbeispiel:

Fur B = (0, 1) betrachte

xs; xs(t) =

1, 0 < t ≤ s0, s < t < 1

wo s ∈ (0, 1)

⊂ L∞ .

(0,1) ist uberabzahlbar und ‖xs − xs′‖∞ = 1 fur s 6= s′ !Eine uberabzahlbare Teilmenge von Elementen mit endlichem Abstand kann nichtdurch eine abzahlbare Menge beliebig genau approximiert werden. Ein Raum kannnicht separabel sein, wenn eine Teilmenge des Raumes nicht separabel ist, d.h.

(4.9) L∞ ist nicht separabel!

Beachte: Dies liegt an der Norm ‖ ‖∞ , die keine Integralnorm mehr ist.

Die Raume ℓp, 1 ≤ p ≤ ∞

1. 1 ≤ p <∞ , dann ist

ℓp =

ξnn∈N;

∞∑

n=1

|ξn|p < ∞

ein linearer Raum gemaß

ξn+ ηn = ξn + ηn ∈ ℓp, (Minkowski)

|α| ξn = α ξn .

Durch

‖x‖p :=

( ∞∑

ν=1

|ξν |p)1/p

, wo x = ξν ,

wird eine Norm definiert. (N3) ist die Minkowski’sche Ungleichung.

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74 § 4 NORMIERTE RAUME

2. p =∞ : ℓ∞ =

ξn; sup

ν|ξν| <∞

ist ein linearer Raum (wie bei 1.) und wird normiert durch

‖x‖∞ := supν|ξν |, wo x = ξν .

Nachprufung von (N1)–(N3) uber Dreiecksungleichung fur Betrage.

Satz 4.28a) (ℓp, ‖ ‖p) sind BRe fur 1 ≤ p ≤ ∞.

b) Der Raum aller konvergenten Zahlenfolgen (c, ‖ ‖∞) ist ein BR.

Beweis: Ubungsaufgabe.

Idee fur a), 1 ≤ p <∞ :

Sei xmm∈N, xm = (ξmν )ν∈N ∈ ℓp eine CF.

Zeige: ∃ limm→∞

ξmν = ξ0

ν und x0 = ξ0ν ∈ ℓp ist der gesuchte Grenzwert.

Satzchen 4.291. Der Raum (ℓp, ‖ ‖p) ist separabel fur 1 ≤ p <∞ .

2. Er ist nicht separabel fur p =∞ .

Beweis:

1. Benutze rationale Linearkombinationender

”Einheitsvektoren“ ℓk = (0, . . . , 0, 1︸︷︷︸

↑k

, 0, . . .).

2. Gegenbeispiel: Annahme xnn∈N = ξnν ν∈Nn∈N

sei dicht in ℓ∞ .

Konstruiere x = ξj mit ξj =

ξjj + 1, falls |ξj

j | ≤ 1

0, falls |ξjj | > 1 .

=⇒ 1 ≤ |ξj−ξjj | ≤ ‖x−xn‖∞ ∀n =⇒ 6 ∃ Folge, die gegen x konvergiert.

Anders als bei den Lp -Raumen gilt

Satzchen 4.30Fur 1 ≤ p < q <∞ gilt ℓ1 ⊆ ℓp ⊂ ℓq ⊂ ℓ∞ .

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75

Beweis:

Fur 1 ≤ p < q, x ∈ Lp schatzen wir ab:

1 = ‖ x

‖x‖p‖pp =

i

( |ξi|‖x‖p︸ ︷︷ ︸≤1

)p p<q

≥∑

i

( |ξi|q‖x‖p

)q

=‖x‖qq‖x‖pq

,

also ‖x‖p ≥ ‖x‖q.Offensichtlich ist

‖x‖qq =∑

i

|ξi|q ≥ (supj|ξj|)q = ‖x‖q∞.

Sobolev-Raume und schwache Ableitungen

Als Hilfsmittel benotigen wir

Lemma 4.31Sei Ω ⊂ Rn offen, f ∈ Cm(Ω) , so gilt ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω)

Ω

f ∂s ϕ dx = (−1)|s|∫

Ω

ϕ ∂s f dx fur |s| ≤ m

Beweis:

Beachte Tr(f · ϕ) ⊂ Trϕ , deshalb kann man, statt uber Ω , auch uber einen QuaderQ mit Tr ϕ ⊂ Q integrieren. Dann folgt der Beweis aus der wiederholten Anwendungder partiellen Integration. Wem dies zu elementar ist, kann den Integralsatz von Gaußanwenden

Wir betrachten nun fur

Ω ⊆ Rn offen, m ≥ 0, 1 ≤ p ≤:∞

X =

f ∈ Cm(Ω); ‖f‖X <∞

mit ‖f‖X :=

∑|s|≤m

‖∂s f‖Lp(Ω)

Bemerkungen:

1. Man konnte auch die aquivalente Norm ‖f‖ = max|s|≤m

‖∂s f‖Lp(Ω) nehmen. (vgl.

Beispiel 2 nach Definition 4.7)

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76 § 4 NORMIERTE RAUME

2. Grundsatzlich versteht man unter Cm(Ω) die Menge aller Funktionen mit denentsprechenden Stetigkeits- und Differenzierbarkeitseigenschaften. Wird die Men-ge aber in Zusammenhang mit einer Struktur (z. B. Metrik oder Norm) als Raumbetrachtet, so versteht man darunter nur die Funktionen, fur die die Struktur er-klart ist. So sind etwa im metrischen Raum (C(Ω), ‖ ‖∞) nur die beschrankten,stetigen Funktionen gemeint, wogegen in (C(Ω), ‖ ‖Lp) auch unbeschrankte ste-tige Funktionen mit endlicher Lp -Norm zugelassen sind.

Wir wollen die Sobolev-Raume einfuhren als Vervollstandigung der Raume stetig diffe-renzierbarer Funktionen unter Lp−Normen und untersuchen nun X, die Vervollstandi-gung von X (bzgl. ‖ ‖X ), (vgl. Satz 2.3). Dies macht nur Sinn fur p < ∞ , denn furp =∞ ist X = (Cm(Ω), ‖ ‖L∞) mit ‖f‖L∞ =

∑|s|≤m

supt∈Ω|∂sf(|t) ja bereits vollstandig.

Sei also fjj∈N ⊂ X eine CF =⇒ ∂s fjj∈N ist CF in Lp(Ω) ∀ s : |s| ≤ m ,

Lp(Ω) vollstandig==========================> ∀ s, |s| ≤ m ∃ ! f (s) ∈ Lp(Ω) : ∂s fj → f (s) in Lp(Ω) .

Nun gilt ∀ fj (vgl. Lemma 4.31)

Ω

fj ∂s ϕ dx = (−1)|s|∫

Ω

ϕ ∂s fj dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω), |s| ≤ m ,

Grenzubergang ↓ j→∞ ↓ j→∞∫

Ω

f (0) ∂s ϕ dx = (−1)|s|∫

Ω

ϕ f (s) dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω), |s| ≤ m .(4.10)

Dieser Grenzubergang darf ausgefuhrt werden, denn die Holder’sche Ungleichung (vgl.(4.5)) besagt, daß das Integral eine stetige Abbildung von Lp(Ω)→ R ist:

∣∣∣∣∣∣

Ω

(fj − f (0)) ∂s ϕ dx

∣∣∣∣∣∣≤∫

Ω

|fj − f (0)| |∂s ϕ| dx ≤ ‖fj − f (0)‖Lp(Ω) ‖∂s ϕ‖Lq(Ω)︸ ︷︷ ︸< ∞

,

entsprechend fur das 2. Integral.

Die Gleichung (4.10) gibt Anlaß zu folgender

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77

Definition 4.32 Sobolev RaumeFur Ω ⊆ Rn, 1 ≤ p ≤ ∞ definieren wir den Sobolev-Raum

Hm,p(Ω) :=

f ∈ Lp(Ω) ∩L1

loc(Ω); fur |s| ≤ m gibt es f (s) ∈ Lp(Ω) ∩ L1loc(Ω)

mit∫Ω

f ∂s ϕ dx = (−1)|s|∫Ω

ϕ f (s) dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω)

.

In Hm,p(Ω) erklaren wird die Sobolev-Norm

‖f‖Hm,p(Ω) =

(∑|s|≤m ‖f (s)‖Lp(Ω)

)1/p1 ≤ p <∞∑

|s|≤m ess sup ‖Dm(Ω), p =∞

Andere Bezeichnungen: Hm,p(Ω) = W mp (Ω), Hm(Ω) := Hm,2(Ω) = W m(Ω) .

Beachte:

1. Die Integrale in obiger Definition existieren auf Grund der Holderschen Unglei-chung fur jede Funktion ∈ Lp(Ω) , aber auch fur jede Funktion ∈ L1

loc(Ω) , (d.h.lokal integrierbar in Ω = integrierbar uber jedes Kompaktum in Ω) , denn eswird ja nur uber Tr ϕ integriert.

2. Die obige Herleitung gilt nur fur p < ∞ , die Definition erstreckt sich auch aufp =∞ .

3. Zu gegebenem f ist f (s) durch die Definition eindeutig bestimmt, denn ange-nommen ∃ f (s) und f (s) mit

Ω

f ∂s ϕ dx = (−1)|s|∫

Ω

f (s) ϕ dx = (−1)|s|∫

Ω

f (s) ϕ dx,

so liefert die Theorie des Lebesgue-Integrals, daß∫

Ω

(f (s) − f (s)

)ζ dx = 0 ∀ ζ ∈ C∞

0 (Ω) =⇒ f (s) = f (s) f.u. in Ω .

Ubungsaufgabe: Man beweise diese Implikationen fur f (s), f (s) ∈ C(Ω) .

Wir erklaren deshalb (vgl. (4.10))

Definition 4.33 schwache AbleitungSei Ω ⊂ Rn offen, und f, f (s) ∈ L1

loc(Ω) .Dann heißt f (s) schwache Ableitung von f , falls

Ω

f ∂s ϕ dx = (−1)|s|∫

Ω

ϕ f (s) dx ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω).

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78 § 4 NORMIERTE RAUME

Im Unterschied dazu bezeichnet man die”altgewohnten“ Ableitungen auch als starke

Ableitungen. Daß jede starke Ableitung auch schwach ist, besagt Lemma 4.31

Satz 4.34Die Raume Hm,p(Ω) sind Banachraume (1 ≤ p ≤ ∞) .

Beweis:

Sei fkk∈N ⊂ Hm,p(Ω) eine CF =⇒ f (s)k k∈N ist CF in Lp(Ω).

Lp(Ω) vollstandig==========================> ∃ f (s) ∈ Lp(Ω) mit ∂s fk → f (s) in Lp(Ω),

und die Regel der partiellen Integration ubertragt sich (vgl. (4.10)) von ∂s fk auf f (s)

=⇒ f := f (0) ∈ Hm,p(Ω) mit ∂s f := f (s) .

Die Uberlegungen vor Definition 4.32, die zu (4.10) fuhren, zeigen, daß fur p < ∞gilt: (Cm(Ω), ‖ ‖X)

‖ ‖X ⊂ Hm,p(Ω) . Fur p =∞ ist dies offensichtlich, da (Cm(Ω), ‖ ‖X)vollstandig ist. Wir wollen zeigen:

Fur 1 ≤ p <∞ sind X = (Cm(Ω), ‖ ‖X)‖ ‖X

und Hm,p(Ω) bis auf Normisomorphieidentisch.

Fur die Cauchyfolgen fkk∈N ∈ X (vgl. Satz 2.3) definieren wir die lineare Abbildung

J : X −→ Hm,p(Ω)

fkk∈N −→ J (fkk∈N) = limk∈N

fk (lim in Hm,p(Ω)) .

Die Abbildung ist injektiv auf Grund der Aquivalenzrelation in X :

fk ∼ gk ⇐⇒ limk→∞

‖fk − gk‖X = 0 .

Die Abbildung ist normerhaltend laut Definition der Hm,p -Norm, denn

‖fkk‖X = limk→∞

‖fk‖X = limk→∞

|s|≤m

‖∂sfk‖Lp(Ω) = ‖f‖Hm,p(Ω)

(vgl. Satz 2.3 b) und ‖x‖ = d(x, 0) gemaß (4.1)).

Wenn nun noch gezeigt werden kann, daß J surjektiv ist, dann sind X und Hm,p(Ω)normisomorph. Dies liefert (zum Beweis siehe Alt 1.16, Satz S. 33 (neue Ausgabe)).

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79

Satz 4.35Ist f ∈ Hm,p(Ω), 1 ≤ p <∞ , so gibt es fj ⊂ Hm,p(Ω) ∩ C∞(Ω) mit

‖f − fj‖Hm,p(Ω)j→∞−−−→ 0 ,

d.h.

C∞(Ω), und damit auch Cm(Ω) sind dicht in Hm,p(Ω),

Hm,p(Ω) ist die Vervollstandigung von Cm(Ω) bzgl.∑

|s|≤m

‖∂s f‖Lp(Ω).

Bemerkung: Fur p =∞ ist Satz 4.35 falsch. In der Ubung zeigen wir:

Ist Ω := (−1, 1) , so gehort x(t) = |t| zu H1,∞(Ω) aber x 6∈ X. Dabei ist

X = f ∈ C1(Ω); ‖f‖C1 < ∞ . Dann ist J nicht surjektiv, d.h. dann ist J(X) einTeilraum von H1,∞(Ω) ∩ C1(Ω) .

Allgemein gilt, daß J(X) = Hm,∞(Ω)∩Cm(Ω) ist. Dies ist nicht verwunderlich, da ja(Cm(Ω), ‖ ‖X) abgeschlossen ist.

Zur spateren Verwendung definieren wir noch Teilraume von Hm,p(Ω) deren Elemente

”in einem schwachen Sinn“ auf dem Rand von Ω verschwinden.

Definition 4.36Sei Ω ⊂ Rn offen, m ≥ 0, 1 ≤ p <∞ . Dann ist

Hm,p(Ω) :=

f ∈ Hm,p(Ω); es gibt fk ⊂ C∞

0 (Ω) mit ‖f − fk‖Hm,p(Ω)k→∞−−−→ 0

.

Andere Bezeichnungen:

Hm,p = Hm,p0 = Hm

p,0 =

W m,p

Man kann zeigen, daß

Hm,p(Ω) ein abgeschlossener Unterraum von Hm,p(Ω) ist (Ubung).

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80 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

§ 5 Unitare Raume, Hilbertraume

Definition 5.1X sei ein IK -Vektorraum. Eine Abbildung

(·, ·) : X ×X → IK heißt Skalarprodukt (positiv definite Linearform), falls

(x, x) ≥ 0 und = 0 ⇐⇒ x = Θ (positiv definit)(S1)

(x, y) = (y, x) (Symmetrie, konjugiert symmetrisch)(S2)

(α x, y) = α(x, y) (Homogenitat)(S3)

(x + z, y) = (x, y) + (z, y) (Additivitat)(S4)

Sind nur (S2)-(S4) erfullt, heißt (·, ·) Sesquilinearform.

Eine Sesquilinearform heißt positiv semidefinit , falls (S1′) (x, x) ≥ 0 gilt ∀x,

Eine Sesquilinearform heißt positiv definit , falls (x, x) > 0 ∀x 6= 0,ist also ein Skalarprodukt.

Ist (·, ·) Skalarprodukt, so heißt (X, (·, ·)) unitarer Raum (Pra-Hilbertraum).

Satz 5.2Ist (·, ·) eine positiv semidefinite Sesquilinearform, so gilt mit ‖x‖ :=

√(x, x) :

1. |(x, y)| ≤ ‖x‖ · ‖y‖ , Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung (CSU).Ist (·, ·) positiv definit (Skalarprodukt), so gilt das Gleichheitszeichen genaudann, wenn x, y voneinander linear abhangig sind oder x = Θ oder y = Θ .

2. ‖x + y‖ ≤ ‖x‖+ ‖y‖ , Dreiecksungleichungd.h. ‖ · ‖ ist eine Halbnorm, und eine Norm genau dann, wenn (·, ·) positivdefinit (also Skalarprodukt) ist.

Ist (·, ·) positiv definit (Skalarprodukt), so gilt

‖x + y‖ = ‖x‖+ ‖y‖ ⇐⇒ x = py mit p > 0 oder x = Θ oder y = Θ .

3. ‖x + y‖2 + ‖x− y‖2 = 2(‖x‖2 + ‖y‖2) Parallelogrammgleichung .

Definition 5.3Das Paar (X, (·, ·)) heißt Hilbertraum (HR), falls (·, ·) ein Skalarprodukt ist und Xbzgl. ‖x‖ =

√(x, x) ein Banachraum ist.

D.h. alle Eigenschaften metrischer und normierter Raume gelten auch fur unitare- bzw.Hilbertraume.

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81

Beweis von Satz 5.2:

Beweis 1) x oder y = 0 sind trivial. Setze also in

0 ≤ (x + α y, x + α y) = (x, x) + α(x, y) + α(x, y) + |α|2(y, y)

α =−1

‖y‖2 + ε(x, y), ε > 0, so folgt

0 ≤ ‖x‖2 − 2|(x, y)|2‖y‖2 + ε

+|(x, y)|2 ‖y‖2(‖y‖2 + ε)2

Falls ‖y‖ 6= 0 , setze ε = 0 , und nach Multiplikation mit ‖y‖2 folgt

(5.1) |(x, y)| ≤ ‖x‖ ‖y‖ .

Falls ‖y‖ = 0 , ist 2|(x, y)|2 ≤ ‖x‖2ε und fur ε→ 0 erhalt man

|(x, y)| = 0 = ‖x‖ ‖y‖ .

Ist (·, ·) ein Skalarprodukt, so gilt die erste Ungleichung genau dann mit “=”, wennx + αy = 0, d.h. wenn x, y linear abhangig sind. Dann werden auch die anderenUngleichungen zu Gleichungen.

Beweis 2) Fur x + y = Θ ist der Beweis trivial. Fur x + y 6== Θ gilt

(5.2)‖x + y‖2 = (x + y, x + y) = (x + y, x) + (x + y, y)

(5.1)

≤ ‖x + y‖ ‖x‖ + ‖x + y‖ ‖y‖,

woraus die Dreiecksungleichung folgt.Wann kann in dieser Ungleichung das Gleichheitszeichen stehen? Die Falle x = Θ odery = Θ sind trivial. Im Falle x + y = Θ kann in der Dreiecksungleichung das Gleichnur fur x = y = Θ gelten. Seien also x, y, x + y 6= Θ . Dann kann obige Ungleichungnur dann mit

”=“ gelten (nach 1.), wenn x + y = αx = βy gilt. α = 1 scheidet aus,

weil dann y = Θ ware. Also ist x = py. Einsetzen in die Dreiecksungleichung ergibt:|1+p| ≤ 1+ |p|. Hier steht das Gleichheitszeichen genau dann, wenn p reell und positivist.

Beweis 3) Gemaß (5.2) gilt

‖x + y‖2 = ‖x‖2 + ‖y‖2 + 2ℜ(x, y), und mit”−y“ statt

”y“(5.3)

‖x− y‖2 = ‖x‖2 + ‖y‖2 − 2ℜ(x, y) .(5.4)

Addition von (5.3) und (5.4) liefert die Parallelogrammgleichung.

Satz 5.2, 3) hat folgende Umkehrung:

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82 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

Satz 5.4Ist (X, ‖ ‖) ein normierter Raum und erfullt ‖ ‖ die Parallelogrammgleichung, so

wird durch

(x, y) := 14

(‖x + y‖2 − ‖x− y‖2

)falls IK = R ,

(x, y) := 14

(‖x + y‖2 − ‖x− y‖2 + i‖x + iy‖2 − i‖x− iy‖2

), falls IK = C ,

ein Skalarprodukt erklart und damit (X, ‖ ‖) zu einem unitaren Raum.

Beachte: 1) Mit diesem Skalarprodukt gilt (x, x) = ‖x‖2 .2) Satz 5.4 zeigt, daß das Skalarprodukt stetig ist. (Normen sind stetig.)

Beweis: Hinweis fur IK = R :

Die Definition des Skalarproduktes folgt aus der Subtraktion von (5.3) und (5.4), imFall IK = C muß man etwas mehr denken. Daß in beiden Fallen Skalarprodukte erklartwerden, muß naturlich nachgerechnet werden. (vgl. Wloka).

Beispiele und Gegenbeispiele:

ℓ2 mit (x, y) =∞∑

ν=1

ξν ην wo x = ξν, y = ην

L2(Ω) mit (x, y) =∫Ω

x(t) y(t) dt ,

sind HRe (vgl. die Satze 4.24 und 4.28).

Finde ein Beispiel dafur, daß fur (C(B), ‖‖∞), B ⊂ Rn kompakt, die Parallelogramm-gleichung verletzt ist. Dies bedeutet nach Definition 5.3 und den Satzen 5.4 und 5.4,daß kein Skalarprodukt existiert, das die ‖ ‖∞ induziert.

Bemerkungen:

Ist X ein reeller Pra-Hilbertraum, so gilt nach der CSU fur x, y 6= 0 :(

x

‖x‖ ,y

‖y‖

)∈ [−1, 1] =⇒ ∃ !α ∈ [0, π] :

(x

‖x‖ ,y

‖y‖

)= cos α .

Nach Satz 5.2, 1) gilt:

x, y linear abhangig ⇐⇒∣∣∣∣(

x

‖x‖ ,y

‖y‖

)∣∣∣∣ =

∥∥∥∥x

‖x‖‖

∥∥∥∥∥∥∥∥

y

‖y‖

∥∥∥∥ = 1 = | cos α|

⇐⇒ α = 0 ∨ α = π

Man kennt dies naturlich aus dem Paradebeispiel eines Hilbertraumes, dem Rn :

Rn, (x, y) =∑n

i=1 xi yi .

Dort gilt auch:

∣∣∣∣(

x

‖x‖ ,y

‖y‖

)∣∣∣∣ = | cos α| = 0 ⇐⇒ α =π

2⇐⇒ x ⊥ y , α ∈ [0, π] .

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83

Analog dazu definieren wir:

Definition 5.5 OrthogonalitatSei X ein Pra-Hilbertraum (unitarer Raum).

x, y ∈ X heißen orthogonal (x ⊥ y)def⇐⇒ (x, y) = 0 .

Zwei Unterraume Y, Z ⊂ X heißen orthogonal (Z ⊥ Y )

def⇐⇒ (y, z) = 0 ∀ y ∈ Y, z ∈ Z .

Offensichtlich gilt fur orthogonale Unterraume Y, Z ⊂ X : Y ∩ Z = 0, ((z, z) = 0).

Ist M ⊂ X , so ist M⊥ = x ∈ X; x ⊥ M ein abgeschlossener linearer Teilraum vonX (Orthogonalraum von M ). Das folgt aus der Stetigkeit von (·, ·) :

xii→∞−−−→ x, (xi, m) = 0

(·,·) stetig=============> lim

i→∞(xi, m) = 0.

Ist x ⊥ y , so gilt: ‖x + y‖2 = ‖x‖2 + ‖y‖2 Pythagoras (vgl. (5.3)).

Fur unitare Raume kann man nun eine Verscharfung von Satz 4.15 beweisen.

Satz 5.6 ProjektionssatzSei X ein unitarer Raum und A ⊂ X, A 6= ∅ , eine vollstandige und konvexe

Teilmenge. Dann folgt

1. ∀x ∈ X ∃ !y∗ ∈ A : ‖x− y∗‖ = infy∈A‖x− y‖ =: dist(x, A) .

y∗ heißt (orthogonale) Projektion von x auf A .

2. ‖x− y∗‖ = dist(x, A) ⇐⇒ ℜ(x− y∗, y − y∗) ≤ 0 ∀ y ∈ A .

3. Ist A ein vollstandiger Teilraum von X , so gilt:

‖x− y∗‖ = dist(x, A) ⇐⇒ (x− y∗, y) = 0 ∀ y ∈ A (d.h. x− y∗ ⊥ A).

Bedeutung: Es gibt genau eine Abbildung P : X → A mit ‖x−P (x)‖ = dist(x, A).P heißt orthogonale Projektion von X auf A.

Bemerkungen:

1) Ist X ein Hilbertraum, so ist jede abgeschlossene Teilmenge auch vollstandig. ImHilbertraum existiert eine eindeutige, beste Approximation also in jeder abge-schlossenen und konvexen Teilmenge.

2) Satz ist eine Approximationsaussage. Insbesondere Teil c) ermoglicht eine beque-me Behandlung von Approximationsaufgaben.(vgl. Bestimmung der Fourier-Koeffizienten, Numerik I oder allgemeiner 1. Verall-gemeinerung auf S 86).

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84 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

Beweis 1):

Fur x ∈ X ∃ yk ⊂ A : ‖x− yk‖ ց dist(x, A) =: d (Minimalfolge).Zeige: xk ist CF.

Die Parallelogrammgleichung liefert:

‖(x− yk)− (x− yℓ)‖2 + ‖(x− yk) + (x− yℓ)‖2 = 2(‖x− yk‖2 + ‖x− yℓ‖2)

Mit ‖(x− yk) + (x− yℓ)‖2 = ‖2x− (yk + yl)‖2 = 4∥∥∥x− yk + yℓ

2︸ ︷︷ ︸yk+yℓ

2∈A, (A konvex)

∥∥∥2

≥ 4d2,

folgt

‖yℓ − yk‖2 ≤2

(‖x− yk‖2 + ‖x− yℓ‖2

)− 4d2 k,ℓ→∞−−−−→ 0 also CF .

A vollstandig =⇒ ∃ y∗ = limn→∞

yk ∈ A , und wegen limn→∞

‖x − yn‖ = d und der

Stetigkeit der Norm folgt ‖x− y∗‖ = d .

Eindeutigkeit: Sei ‖x− x1‖ = ‖x− x2‖ = dParallelogrammgl.

=======================>

‖(x− x1)− (x− x2)‖2︸ ︷︷ ︸‖x1−x2‖2

= −‖(x− x1) + (x− x2)‖2︸ ︷︷ ︸

22

∥∥∥∥x−x1 + x2

2

∥∥∥∥2

︸ ︷︷ ︸≥ 4d2

+ 2

(‖(x− x1)‖2 + ‖x− x2‖2

)

︸ ︷︷ ︸4d2

≤ 0

=⇒ 0 ≤ ‖x1 − x2‖2 ≤ 0

(Wegen Satz 5.2, 2) kann man die Eindeutigkeit auch wie in Aufgabe 1. S. 58 zeigen.

Beweis 2): Charakterisierung

rry

@@

@@

@@

@@

@@

@

rx

y∗α ≥ π

2

q

A

Im reellen Fall ist das anschaulich nichts anderes als der cos -Satz:

‖x− y‖2 = ‖x− y∗‖2 + ‖y − y∗‖2 − 2‖x− y∗‖ ‖y − y∗‖ cos(x− y∗, y − y∗).

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85

”=⇒“ Fur y ∈ A und 0 ≤ ε ≤ 1 gilt wegen (1− ε)y∗ + ε y ∈ A ( A konvex)

‖x− y∗‖2 = d2 ≤ ‖x− ((1− ε)y∗ + ε y)‖2 = ‖x− y∗ + ε(y∗ − y)‖2

= (x− y∗ + ε(y∗ − y), x− y∗ + ε(y∗ − y))

= ‖x− y∗‖2 + ε2‖y∗ − y‖2 + 2εℜ(x− y∗, y∗ − y)

bzw. 0 ≤ ε‖y∗ − y‖2 + 2ℜ(x− y∗, y∗ − y).

=⇒

ℜ(x− y∗, y − y∗) ≤ 1

2ε‖y∗ − y‖2 , also fur ε→ 0

ℜ(x− y∗, y − y∗) ≤ 0 ∀ y ∈ A .

”⇐=“ Fur alle y ∈ A gilt

‖x− y‖2 = ‖x− y∗ + y∗ − y‖2 = (x− y∗ + y∗ − y, x− y∗ + y∗ − y)

= ‖x− y∗‖2 + ‖y∗ − y‖2︸ ︷︷ ︸≥ 0

+ 2ℜ(x− y∗, y∗ − y)︸ ︷︷ ︸≥ 0

≥ ‖x− y∗‖2 = dist A .

Beweis 3):

Aufgabe: Ausgehend von den Beweisideen fur X = R2, A = R formuliere man denBeweis im allgemeinen Hilbertraum.

”⇐=“ Ist x− y∗ ⊥ Y so muß gelten

‖x− y‖ > ‖x− y∗‖ ∀ y 6= y∗

QQ

QQQ

y∗

x Phytagoras

yY = A

q

”=⇒“ indirekt.

Sei ‖x− y∗‖ = dist(x, A) .

Wenn es ein y ∈ A gibt mit (x−y∗, y) 6= 0(d.h. γ 6= π

2, 3π

2), dann gibt es eine besse-

re Approximation fur x als y∗ , namlichy , die senkrechte Projektion von x aufspany∗ ⊂ A = Y . Zeige mit Pythago-ras: ‖x− y‖ < ‖x− y∗‖ → W .

- - - A = Rfy∗ y

q

x#

##

###

x − y∗

kWγ

Satz 5.7Ist Y ein abgeschlossener Teilraum eines Hilbertraumes X , so wird durch die

orthogonale Projektion P :

X → Y

x → y∗ (x, y∗ gemaß Satz 5.6)

eine surjektive Abbildung erklart, welche linear ist und P 2 = P erfullt, und es gilt

X = Y ⊕ Y ⊥ , d.h. ∀x ∈ X ∃! y1 ∈ Y ∧ ∃! y2 ∈ Y ⊥ : x = y1 + y2 .

Beweis: Ubung.

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86 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

Orthonormalsysteme in Pra-Hilbertraumen

Ziel: Verallgemeinerung des Begriffs”orthogonale Basis von Vektorraumen“.

Definition 5.8

Sei (X, (·, ·)) unitar.

S ⊂ X heißt Orthonormalsystem (ONS)def⇐⇒

(s, s′) = 0 ∀ s, s′ ∈ S, s 6= s′,

‖s‖ = 1 ∀ s ∈ S.

S ⊂ X heißt vollstandiges ONS (VONS)

def⇐⇒ ∀x ∈ X gilt: (x, s) = 0 ∀ s ∈ S =⇒ x = Θ.

Offensichtlich gilt:

S ist ein VONS ⇐⇒ 6 ∃ ONS, in welchem S echt enthalten ist.

Darstellungsproblem (Approximationsproblem) von Elementen aus X durch S .

Motivation im Rn :

Sei S = s1, . . . , sn eine Orthonormalbasis =⇒

∀ x ∈ Rn ∃ ! Darstellung: x =n∑

ν=1

aν sν

Anschaulich:

(x, s1)

‖x‖2 ‖s1‖2= cos α =

a1

‖x‖2=⇒ a1 = (x, s1).

-c

x

-s1︸ ︷︷ ︸

a1

i

α

Allgemein: x =n∑

ν=1

aν sν

ONS: (x,sν)= aν

======================> x =n∑

ν=1

(x, sν)sν .

1. Verallgemeinerung:

Ist (X, (·, ·)) unitar und S = s1, . . . , sn ⊂ X ein ONS.Dann ist [S] = span s1, . . . , sn ein endlich dimensionaler Unterraum und als solchervollstandig und Satz 5.6, 3. liefert wegen

y∗ =∑i

y∗i si, (y∗, sj) = y∗

j , (x− y∗, sj) = 0 j = 1, ..., n

Zu gegebenen x ∈ X ist y∗ =n∑

ν=1

(x, sν) · sν die beste Approximation aus S an X .

Allgemeiner gilt (Fehlerabschatzung):

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87

Satz 5.9 Bessel’sche Ungleichung

Ist (X, (·, ·)) unitar, S ⊂ X, S = ekk∈I ein ONS und I hochstens abzahlbarunendlich, so gilt fur jedes x ∈ X und alle αk ∈ IK :

0 ≤ ‖x‖2 −∑

k∈I

|(x, ek)|2 =∥∥∥x−

k∈I

(x, ek) ek

∥∥∥2

=(dist(x, span ekk∈I)

)2

≤∥∥∥x−

k∈I

αk ek

∥∥∥2

.

Die Koeffizienten (x, ek) heißen verallgemeinerte Fourier-Koeffizienten.

Beweis:

Fur α1, . . . , αn ∈ IK ist (als Skalarprodukt schreiben und ausmultiplizieren)

∥∥∥∥∥x−n∑

k=1

αk ek

∥∥∥∥∥

2

= ‖x‖2 −n∑

k=1

(x, ek) αk −n∑

k=1

αk(x, ek) +n∑

k=1

|αk|2

= ‖x‖2 −n∑

k=1

|(x, ek)|2 +n∑

k=1

|(x, ek)− αk|2 ,

(beachte z · z = |z|2 fur z ∈ C)

d.h. der Ausdruck wird minimal fur αk = (x, ek), k = 1, . . . , n.(Eindeutigkeit der αk !).Damit ist fur endliche Indexmengen der Beweis gefuhrt. Beachte insbesondere, daß dieerste Ungleichung auch besagt, daß

∑k∈I

|(x, ek)|2 durch ‖x‖ beschrankt ist.

Durch Grenzubergang n → ∞ gilt die Besselungleichung auch fur ein abzahlbar un-endliches I , da Skalarprodukt und Norm stetig sind.

Bemerkung 1: Fur X = Rn wird die Bessel’sche Ungleichung zur Gleichung und ist derverallgemeinerte Pythagoras. Im Rn ist das ONS vollstandig.

Vermutung: Die Bessel’sche Ungleichung wird zur Gleichung fur VONSe.

Probleme: Wieviele Elemente hat ein VONS hochstens bzw. wieviele Elemente sindan einer Darstellung x =

∑sν∈S

(x, sν)sν beteiligt? Ist das uberhaupt eine

abzahlbare Summe?

Bemerkung 2: Ist S uberabzahlbar, so ist die Besselungleichung richtig, falls gilt:∀x ∈ X ∧ ∀n ∈ N existieren in jedem ONS maximal n Elemente sν ∈ Smit |(x, sν)| ≥ ‖x‖√

n, ν = 1, . . . , n (sonst ist die Besselungleichung verletzt).

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88 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

In Werner wird fur den Fall uberabzahlbarer ONSe der Begriff bedingt konvergent ein-gefuhrt.

Definition:Sei (X, ‖ ‖) normiert, I eine uberabzahlbare Indexmenge, xi ∈ X ∀ i ∈ I , so heißtdie Summe

∑i∈I

xi bedingt konvergent gegen x ∈ X , falls

a) I0 := i ∈ I; xi 6= 0 hochstens abzahlbar ist undb)∑i∈I0

xi = x unabhangig von der Summationsreihenfolge.

Wir werden also im Folgenden voraussetzen: (bzw. nur solche ONSe betrachten)

∀x ∈ X sind die s ∈ S mit (x, s) 6= 0 abzahlbar. =⇒∀x ∈ X ist

∑(x, sν)sν eine ∞ Reihe

und∑ |(x, sν)|2 konvergiert in jeder Anordnung.

Den Zusammenhang und die Antwort auf obige Vermutung und Probleme liefert dernachste Satz.

Satz 5.10Sei S ein ONS in einem unitaren Raum X .

Dann sind die folgenden Aussagen 1) - 4) aquivalent:

1. Die Menge [S] der endlichen Linearkombinationen von Elementen aus S istdicht in X .

2. Jedes x ∈ X besitzt die (in jeder Anordnung) konvergente Entwicklung

x =∑

s∈S

(x, s)s .

3. Es gilt die Parseval’sche Identitat

(x, y) =∑

s∈S

(x, s) (y, s) ∀x, y ∈ X .

4. Es gilt die Parseval’sche Gleichung

‖x‖2 =∑

s∈S

|(x, s)|2 .

5. Aus jeder der Aussagen 1) - 4) folgt: S ist ein VONS.

6. Ist S ein VONS und X ein Hilbertraum, so gelten 1) - 4).

Beachte: 1. Wegen Bemerkung 1 zu 5.9 wird in jeder Summe nur uber die s mit(x, s) 6= 0 summiert, d.h. alle Summen sind unendliche Reihen.

2. Ein Existenzbeweis fur ein VONS steht noch aus.

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89

Beweis:

1) =⇒ 2) Sei x ∈ X und xn :=mn∑k=1

αk skn→∞−→ x ( laut Voraussetzung )

Satz 5.9===========>

‖x−xn‖ ≥∥∥∥∥x−

∑mn

k=1 (xn, sk)sk

∥∥∥∥ , fur n→∞ folgt 2), da [S] dicht in X .

2) =⇒ 3) Im Folgenden wird nur uber die abzahlbar vielen Elemente s ∈ S summiert,fur die (x, s) 6= 0 oder (y, s) 6= 0 , die wir durchnummerieren konnen.

Wegen der Stetigkeit des Skalarproduktes gilt

(x, y) = limn→∞

(n∑

k=1

(x, sk)sk,

n∑

ℓ=1

(y, sℓ)sℓ

)

= limn→∞

n∑

k,ℓ=1

(x, sk) · (y, sℓ) · (sk, sℓ) (und da S=ONS)

= limn→∞

n∑

k=1

(x, sk) (y, sk) =∑

s∈S

(x, s) (y, s)

3) =⇒ 4) Setze in 3) y = x .

4) =⇒ 1) Nach der Bessel’schen Ungleichung ist

0 ≤∥∥∥∥x−

n∑

ν=1

(x, sν)sν

∥∥∥∥2

= ‖x‖2−n∑

ν=1

|(x, sν)|24)−→ 0 fur n→∞

fur die abzahlbar vielen sν ∈ S mit (x, sν) 6= 0 .

4) =⇒ 5) Ist (x, s) = 0 ∀ s ∈ S4)

====> x = 0 also S ein VONS (Definition 5.8).

6) =⇒ 1) (Indirekt) Annahme: Y := [S] 6= X . Y ist abgeschlossen, alsovollstandig, da X vollstandig. Nach Satz 5.7 folgt, wegen X = Y ⊕Y ⊥ ,daß Y ⊥ 6= 0 . Fur x ∈ Y ⊥, x 6= Θ , gilt jedoch insbesondere wegenS ⊂ Y, Y ⊥ Y ⊥ : (x, s) = 0 ∀ s ∈ S . Da x 6= Θ , kann S kein VONSsein.

Der vorige Satz hangt noch in der Luft, da ein Existenzbeweis fur VONSe noch aussteht.

Satz 5.11In jedem unitaren Raum gibt es mindestens ein VONS. Genauer zeigen wir:

Ist S0 ein ONS, so gibt es ein VONS S : S0 ⊂ S (Beweis mit Lemma von Zorn).

Beweis:

Fur ein beliebiges x0 ∈ X, x0 6= 0 ist

x0

‖x0‖

=: S0 ein ONS. Die Menge

S = S; S = ONS, S0 ⊂ S ist halbgeordnet bzgl.”⊆“. Sei T ⊂ S eine totalgeordnete

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90 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

Teilmenge =⇒ ⋃S∈T

S ist obere Schranke von T .

Zorn=======> ∃ maximales Element S ∈ S .

S ist VONS, denn gabe es x ∈ X, x 6= 0, (x, s) = 0 ∀ s ∈ S , so ware S ∪

x‖x‖

ein

ONS. W zur Maximalitat von S .

Frage: Wieviele Elemente hat ein VONS?Bisher wurde nur gezeigt, daß an jeder Darstellung x =

∑s∈S

(x, s)s nur abzahlbar viele

Elemente beteiligt sind.

Idee: Wie weit sind 2 Elemente eines ONSvoneinander entfernt, und wieviele haben Platzin einem Raum?

s1, s2 ∈ S =⇒ ‖s1 − s2‖ =√

(s1 − s2, s1 − s2)

=√

(s1, s1) + (s2, s2) =√

2.

-

6

c@

@@

s2

s1

√2

R2

Eindruck: Ganz hubsche Entfernung und

K

(s1,

√2

3

)∩ K

(s2,

√2

3

)= ∅

Wieviele solche Kugeln gehen in einen Raum X ?

Wenn X separabel ist ( ∃ eine abzahlbar dichte Teilmenge M ⊂ X ), dann existierennur abzahlbar viele solche Kugeln, denn in jeder Kugel liegt mindestens ein Elementvon M .

Damit haben wir folgenden Satz bewiesen:

Satz 5.12(X(·, ·)) unitar, separabel =⇒ jedes VONS ist abzahlbar.

Dieser Satz drangt die Frage auf: Braucht man Zorn in einem separablen Raum? Ant-wort: Nein. Man kann aus einer abzahlbar dichten Teilmenge von linear unabhangigenFunktionen ein VONS bauen.

Satz 5.13(X, (·, ·)) unitar, separabel =⇒ ∃ VONS (Beweis konstruktiv, ohne Zorn).

Beweis:

Orthogonalisierungsverfahren von Erhard-Schmidt auf die abzahlbare, dichte Teilmen-ge anwenden. Vollstandigkeitsbeweis mit Satz 5.10, 1).

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91

Beispiele:

1. S =

1√2π

, 1√π

cos ν t, 1√π

sin ν t; ν ∈ N

ist ein ONS im L2[0, 2π] (direkt

nachrechnen). Entwicklungen nach diesem ONS sind die klassischen Fourierent-wicklungen. S ist sogar ein VONS, denn < S > ist dicht in der Menge C2π der2π -periodischen, stetigen Funktionen bzgl. ‖ ‖∞ , und C2π ist dicht in L2[0, 2π]bzgl. ‖ ‖L2[0,2π] .

2. Die Legendre’schen Polynome sind definiert durch

pn(t) =1

2n n!

dn

dtn(t2 − 1)n, n = 0, 1, . . .

Die Funktionen√

n + 12

pn(t), n = 0, 1, . . . bilden ein VONS in L2[−1, 1] .

3. Weitere orthogonale Polynomsysteme erhalt man durch Orthogonalisieren derFunktionen 1, t, t2, . . . bzgl. eines Skalarproduktes

(x, y) =

b∫

a

g(t) x(t) y(t) dt, mit geeignetem g(t) > 0 in (a, b)

(z.B. Jacobi-, Hermite-, Laguerre-Polynome).

Es bleiben noch 2 Fragen offen:

1. Wir wissen: Ist S ein VONS in X =⇒ ∀x ∈ X ∃ ! Darstellung: x =∑

(x, sν)sν

mit ‖x‖ =√∑ |(x, sν)|2 . Ist das umkehrbar? D.h. falls

∑ν∈N

|αν |2 <∞ , existiert

dann auch ein x mit x =∑

αν sν ?

2. Wir kennen schon einen unendlich dimensionalen separablen Hilbertraum: ℓ2

(vgl. Satz 4.27 und Beispiel nach Satz 5.4). Gibt es noch andere?

Die Antwort liefert

Satz 5.14 Riesz-FischerSei (X, (·, ·)) ein nicht endlich-dimensionaler, separabler Hilbertraum und S ein

VONS.

1. Sei αν eine Zahlenfolge mit∑ |αν |2 <∞ (d.h. αν ∈ ℓ2) .

=⇒ ∃ ! x ∈ X : x =∑ν

ανsν , αν = (x, sν), sν ∈ S .

2. X ist normisomorph zu ℓ2 .Insbesondere ist L2(Ω) normisomorph zu ℓ2 .

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92 § 5 UNITARE RAUME, HILBERTRAUME

Beweis: Da X separabel, ist S abzahlbar.

1. Es ist

∥∥∥∥n+p∑ν=n

αν sν

∥∥∥∥2

=n+p∑ν=n

|αν |2 , d.h. Sp =p∑

ν=1

αν sν ist CF.

X Hilbertraum=====================>

∞∑ν=1

αν sν =: x konvergiert.

Fur jedes µ gilt

(x, sµ) =

∞∑

ν=1

αν(sν , sµ) = αµ =⇒ Existenz gesichert .

Eindeutigkeit: Sei (y, sν) = αν = (x, sν) ∀ν

=⇒ (y − x, sν) = 0 ∀ νS=VONS

=============> y − x = 0 .

2. Jedes x ∈ X hat eine Darstellung x =∞∑

ν=1

(x, sν)sν (Satz 5.10, 2) und Satz 5.12).

Sie ist eindeutig, da aus x =∑

(x, sν)sν =∑

αν sν folgt (x, sµ) = αµ ∀µ .

=⇒ Die AbbildungA : X =⇒ ℓ2

x =⇒ (x, sν)ist definiert (Satz 5.10, 4)), d.h. die Folge konvergiert,

ist bijektiv (nach Satz 5.14, 1)),

ist linear und wegen

‖x‖X =↑

ParsevalSatz 5.10, 4)

(∑

sν∈S

|(x, sν)|2)1/2

= ‖Ax‖ℓ2

auch stetig und isometrisch.

Folgerung: Es gibt eigentlich nur einen separablen Hilbertraum!

Beachte: Nicht jedes ONS ist abzahlbar:

Beispiel:

Grundraum:

M :=

f : [0, 1]→ R; f(x) 6= 0 nur in abzahlbar vielen Punkten,

x∈[0,1]

f(x)2 <∞

Inneres Produkt: f, g ∈M : (f, g) =∑

xi∈[0,1]f(xi)6=0 ∧ g(xi)6=0

f(xi)g(xi) .

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93

Angabe eines uberabzahlbaren ONS:

fx ∈ M ; f(x) = 1 fur ein x ∈ [0, 1], f(x) = 0 ∀x 6= x

.

Beachte: Die Voraussetzung der bedingten Konvergenz bei der Darstellung von Ele-menten ist fur dieses ONS gemaß der Definition des Grundraums gesichert.

Die abzahlbaren VONSe haben alle Eigenschaften, die einer Basis in einem Vektorraumzukommen. Deshalb nennt man ein abzahlbares VONS auch Orthonormalbasis.

Allgemeiner erklart man in einem ∞ -dimensionalen normierten Raum (vgl. dazu Satz5.10, 1)):

Definition 5.15Sei (X, ‖‖) normiert. Dann heißt eine Folge ek ⊂ X Schauder-Basis von X , fallsgilt:

∀x ∈ X gibt es eindeutig bestimmte αk ∈ IK sodaß

limn→∞

n∑

k=1

αk ek = x .

Folgerung: (aus Satz 5.10)

Jedes abzahlbare ONS, das eine der Eigenschaften 1) - 4) aus Satz 5.10 erfullt, isteine Schauderbasis.

Beweis:

Wir brauchen in Satz 5.10, 2) nur die Eindeutigkeit der Koeffizienten zu zeigen.

Sei x =∞∑

ν=1

αν sν =∞∑

ν=1

(x, sν)sν

=⇒ (x, sµ) =

∞∑

ν=1

αν(sν , sµ) = αµ .

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94 § 6 KOMPAKTHEIT

§ 6 Kompaktheit

Satz und Definition 6.1Sei (X, d) ein metrischer Raum und A ⊂ X . Dann sind aquivalent:

1) A ist uberdeckungskompakt , d.h. jede Uberdeckung von A durch offene Teil-mengen enthalt eine endliche Uberdeckung von A.

2) A ist folgenkompakt , d.h. jede Folge in A besitzt eine konvergenteTeilfolge mit Grenzwert in A.

3) (A, d) ist vollstandig undA ist prakompakt , d.h. ∀ ε > 0 besitzt A eine endliche

Uberdeckung mit offenen ε-Kugeln.

Eine Menge A heißt kompaktdef⇐⇒ Es gilt 1) ∨ 2) ∨ 3),

relativ kompaktdef⇐⇒ A kompakt.

Bemerkung zu Bezeichnungen:

1. prakompakt = totalbeschrankt = ε -kompakt

2. Gelegentlich werden (z.B. Collatz) kompakte Mengen als”kompakt in sich“ (vgl.

6.1 2)) und relativ kompakte Mengen als kompakt bezeichnet.

Beweis:

1) =⇒ 2) indirekt: Annahme: xn ⊂ A hat keinen HP in A(Œ xn hat ∞ viele Elemente).

=⇒ ∀x ∈ A ∃ rx > 0 : Knε∩ A enthalt nur endlich viele Elemente von xn,

denn x ist kein HP.

A ⊂⋃

x∈A

Krx(x) ist eine Uberdeckung von A durch offene Kugeln um x

mit Radius rx.

1)=⇒ ∃ y1, . . . , yn ∈ A : A ⊂

n⋃

i=1

Kryi(yi). (endliche Uberdeckung)

=⇒n⋃

i=1

Kryi(yi) enthalt nur endlich viele Elemente von xn, W!,

denn xn soll in A liegen und hat nach Voraussetzung ∞ viele Elemente.

2) =⇒ 3) Sei xn ⊂ A eine CF2)

====> xn hat einen HP in A , der eindeutig ist,

=⇒ xn konvergiert in A =⇒ A vollstandig .

Nachweis prakompakt indirekt:

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Annahme: ∃ ε > 0 : 6 ∃ endliche ε -Uberdeckung von A , dann konstruieren wir eineFolge ohne HP.

Sei x1 ∈ Kε(x1), dann folgt mittels vollstandiger Induktion

∃ xk ⊂ A : Zu xk ∃xk+1 ∈ A\k⋃

i=1

Kε(xi), k ∈ N also d(xi, xj) ≥ ε ∀ i 6= j. =⇒xk hat keinen HP, denn ware x HP von xk , so gabe es eine konvergente Teilfolge

tn ⊂ xn, sodaß zu ε > 0 ∃m0 ∈ N : ∀m ≥ m0, d(tm, x) <ε

2und d(tm, tm0

) <ε

2,

also W zu d(tm, tm0) ≥ ε ∀m 6= m0.

3) =⇒ 1) Sei A ⊂ ⋃i∈J

Ui , offene Uberdeckung.

Wir zeigen indirekt: A 6∈ B :=

B ⊆ A; B ⊂ ⋃

i∈I

Ui =⇒ I unendlich

.

B enthalt die Teilmengen von A , die nur in einer unendlichen Uberdeckung liegen.

Es gilt nach 3):

∀B ∈ B ∧ ∀ ε > 0 ∃xi = xi(ε) : A ⊂nε⋃i=1

Kε(xi) und B =nε⋃i=1

Kε(xi)⋂

B ∈ B(xi sind die Mittelpunkte der endlich vielen Kugeln).

=⇒ Zu B ∈ B ∃ i = i(ε) ∈ 1, ..., nε ∧ xi : Kε(xi)⋂

B ∈ B,andernfalls ließe sich B mit endlich vielen Ui uberdecken.

Diesen Schluß benutzen wir wiederholt um aus der Annahme:”A ∈ B“ einen Wider-

spruch zu folgern.

A ∈ B =⇒ zu ε = 1 ∃ i1 = i(1) ∧ x1 : K1(x1) ∩A ∈ B.K1(x1) ∩ A ∈ B =⇒ zu ε = 1

2∃ i2 = i

(12

)∧ x2 : K 1

2

(x2) ∩K1(x1) ∩ A ∈ Busw.

Durch Induktion folgt: ∃ Folge von Mengen

Km :=m⋂

k=1

K 1

k(xk) ∩ A ∈ B ∀m ∈ N , =⇒ Km ⊃ Kl fur l ≥ m.

Die Kugelmittelpunkte xi mussen nicht in Km liegen, aber Km 6= ∅ ∀ m.

=⇒ ∃ eine Folge ym mit ym ∈ Km fur die gilt:

m ≤ ℓ =⇒ ym, yℓ ∈ K 1

m(xm) =⇒ d(ym, yℓ) ≤ 2

m=⇒ ym CF in A.

A vollstandig=================> ∃Grenzwert y ∈ A : εm := d(ym, y)

m→∞−−−→ 0 ∧ ∃ i0 ∈ J : y ∈ Ui0 .

fur große m================> Ui0 ⊃ K 2

m+εm

(y) ⊃ K 2

m(ym) ⊃ K 1

m(xm) ⊃ Km . W! zu Km ∈ B .

↑ ↑ ↑Ui0 offen d(y, ym) = εm d(xm, ym) < 1

m

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96 § 6 KOMPAKTHEIT

Folgerung aus Satz 6.1, 2):

Jeder kompakte metrische Raum ist vollstandig.

Die Umkehrung (jeder metrische, vollstandige Raum ist kompakt) gilt nicht, denn zumBeispiel hat die Folge xn(t) = tn in (C[0, 1], d∞) keine konvergente Teilfolge.

Folgerung aus Satz 6.1, 2-3):

Ist (X, d) vollstandig, so gilt fur A ⊂ X :

A kompakt ⇐⇒ A prakompakt =⇒ A beschrankt.

Man beweist leicht (analog zur Analysis):

Satz 6.2Ist (X, d1) ein kompakter, metrischer Raum, (Y, d2) ein metrischer Raum undf : X → Y stetig. Dann gilt:

1. f ist gleichmaßig stetig auf X .

2. f(X) ist kompakt.Ist f injektiv, so ist f Homoomorphismus von X auf f(X) .

3. Ist Y = R =⇒ a) ∃K > 0 : |f(x)| ≤ K ∀x ∈ X .

b) f nimmt auf X Maximum und Minimum an.

Satz 6.3Sei (X, d) ein metrischer Raum und M ⊂ X . Dann gilt:

1. M relativ kompakt ⇐⇒ jede Folge aus M besitzt eine in X konvergenteTeilfolge.

2. M relativ kompakt =⇒ M prakompakt =⇒ M beschrankt.

3. M kompakt =⇒ M abgeschlossen.

Beachte zu 2): M beschrankt 6=⇒ M prakompakt (total beschrankt, ε -kompakt)

Gegenbeispiel:

Betrachte die abgeschlossene Einheitskugel K1(0) ⊂ ℓ2 . Die Folge der Einheitsvekto-ren en = (0, . . . , 0, 1

↑n

, 0, . . .) liegt in K1(0) . Wegen ‖en − em‖ =√

2, n 6= m , kann

man keine endliche Uberdeckung von K1(0) mit z.B. 14

√2 -Kugeln finden, denn ∃ ∞

viele disjunkte Kugeln x ∈ ℓ2; ‖x− en‖ < 14

√2 .

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97

Beachte: Die klassischen Satze von Heine-Borel und Weierstraß sagen aus, (im Rn ,und damit in jedem endlich dimensionalen normierter Raum, vgl. Satz 4.13) daß eineMenge genau dann relativkompakt ist, wenn sie beschrankt ist. Obiges Gegenbeispielzeigt, daß das in ∞ -dimensionalen Raumen nicht gilt.

Man kann sogar zeigen:

Satz 6.4Ist (X, ‖ ‖) ein normierter Raum, so gilt

K1(0) kompakt ⇐⇒ dim X < ∞ .

Beweis:

”⇐=“ bekannt aus Folgerung 1 b) γ aus Satz 4.13

”=⇒“

K1(0) kompakt =⇒ prakompakt =⇒ ∃ a1, . . . , an : K1(0) ⊂n⋃

i=1

K 1

2

(ai) .

Sei V = span[a1, . . . , an] =⇒ dim V ≤ n <∞ =⇒ V ist vollstandig und abgeschlos-sen.

Annahme: V⊂6= X, dann ist ∁ V offen und ∃ x ∈ X \ V :

α := infy∈V‖x− y‖ > 0 .

∀ y ∈ V ∃ i0 ∈ 1, . . . , n : z =x− y

‖x− y‖ ∈ K 1

2

(ai0) (da z ∈ K1(0) und Uber-

deckungseigenschaft), und es gilt

α ≤∥∥∥∥x− (y + ‖x− y‖ ai0)︸ ︷︷ ︸

∈ V

∥∥∥∥ =∥∥x− y − ‖x− y‖ ai0

∥∥ = ‖x− y‖∥∥∥∥

x− y

‖x− y‖ − ai0

∥∥∥∥

= ‖x− y‖ ‖z − ai0‖ <1

2‖x− y‖ ,

also 2α ≤ ‖x− y‖, W zur Definition von α , denn y war beliebig ∈ V .

Folgerung: Die Aquivalenz

”kompakt ⇐⇒ abgeschlossen und beschrankt“

kann nur in endlich dimensionalen Raumen gelten.

In Funktionenraumen muß man also andere Charakterisierungen fur”kompakt“ finden.

Wir betrachten das fur Funktionenmengen, die auf kompakten, metrischen Raumendefiniert sind (also insbesondere C0(K), K ⊂ Rd kompakt) und Lp -Raume.

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98 § 6 KOMPAKTHEIT

Kompaktheitskriterien fur die Raume C(K)und Lp(Rd)

Sei (K, d) ein kompakter metrischer Raum,

C(K) = Menge der stetigen, reell- bzw. komplexwertigen Funktionen auf K und

‖x‖∞ = maxt∈K|x(t)| fur x ∈ C(K) (beachte Satz 6.2, 3b)) .

(C(K), ‖ ‖∞) ist ein BR (Beweis analog zu Satz 2.2).

Wir erklaren die zusatzliche Eigenschaft, die uber die Beschranktheit hinaus notig ist,um in Funktionenraumen Kompaktheit zu garantieren.

Definition 6.5Eine Funktionenmenge M ⊂ C(K) (vgl. oben) heißt gleichgradig stetig (gleichstetig)in t0 ∈ K , wenn gilt:

∀ ε > 0 ∃ δ = δ(ε, t0) > 0 : d(t, t0) < δ =⇒ |x(t)− x(t0)| ≤ ε ∀x ∈M ,

und gleichgradig stetigdef⇐⇒ gleichgradig stetig in allen t ∈ K.

Satz 6.6 Arzela und Ascoli:Sei (K, d) ein kompakter, metrischer Raum und (C(K), ‖ ‖∞) ein Banachraum.

Dann gilt

M ⊂ C(K) relativ kompakt ⇐⇒

1) M ist punktweise beschrankt

(d.h. x(t); x ∈M ist beschrankt fur

jedes t ∈ K),

2) M ist gleichgradig stetig.

Bemerkung:

1) kann ersetzt werden durch

1’) ∀ t ∈ K ist x(t); x ∈M relativ kompakt in R bzw. C,

Insbesondere ist 1) erfullt, wenn M beschrankt ist in C(K) .

Beweis 6.6”=⇒“

Zu 1): M relativ kompaktSatz 6.3

===========> M beschrankt =⇒ M punktweise beschrankt

=⇒ 1).

Zu 2): Sei t0 ∈ K beliebig und ε > 0 vorgegeben.

M relativ kompakt =⇒ M prakompakt =⇒ ∃x1, . . . , xn ∈M : M ⊂n⋃

i=1

K ε3(xi) .

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99

xi stetig in t0, d.h.

Zu ε > 0 ∃ δ = δ(ε, t0) > 0 : d(t, t0) < δ =⇒ |xi(t)− xi(t0)| <ε

3, i = 1, 2, . . . , n

(da nur endlich viele i existieren, gibt es ein gemeinsames δ ∀ i = 1, . . . , n ).

Laut Definition von M gilt

∀x ∈M ∃ i ∈ 1, . . . , n, ‖x− xi‖∞ <ε

3.

Damit folgt aus d(t, t0) < δ :

|x(t)− x(t0)| ≤ |x(t)− xi(t)|︸ ︷︷ ︸< ε/3

+ |xi(t)− xi(t0)|︸ ︷︷ ︸< ε/3

+ |xi(t0)− x(t0)|︸ ︷︷ ︸< ε/3

< ε =⇒ 2) .

Beweis”

⇐=“ (hierin steckt die eigentliche Arbeit)

Sei xn ⊂M gegeben,gesucht: eine in C(K) konvergente Teilfolge (vgl. Satz und Definition 6.1, 2)).

Nun gilt: K kompakt =⇒ K prakompakt =⇒ K separabel,

d.h. ∃ tii∈N =: D dicht in K .

(Uberdeckung von K mit endlich vielen Kugeln, uberdecke jede Kugel wie-der mit endlich vielen Kugeln, usw. =⇒ Die Kugelmittelpunkte ergebendie Menge D = t1, t2, ... .)

Beweisidee: Zeige a) ∃ Teilfolge yn ⊂ xn , die auf D konvergiert,b) yn ist CF in (C(K), ‖ · ‖∞) .

zu a): Beachte: ti ∈ D.

Mt1 := x(t1); x ∈M beschrankt (nach 1)) =⇒ ∃Teilfolge x(1)n (t) ⊂ xn(t) , die

in t = t1 konvergiert ;

x(1)n (t2) ⊂Mt2 = x(t2); x ∈ M beschrankt =⇒

∃ eine Teilfolge x(2)n (t) ⊂ x(1)

n (t) , die in t = t2 konvergiert;

usw.

Setze yn := x(n)n ∈M , yn ist konvergent in D (Diagonalfolge aller Teilfolgen).

Bemerkung: Diese Uberlegungen gelten in jedem Bildraum Y (statt R oder C ) indem eine beschrankte Folge eine konvergente Teilfolge besitzt, z.B. in jedem endlichdimensionalen Raum stetiger Funktionen. Dies liefert Erweiterungsmoglichkeiten desSatzes von Arzela-Ascoli. (Beachte dazu die Anwendung nach Definition 7.3.).

zu b): Die gleichgradige Stetigkeit wird die gleichmaßige Konvergenz von yn sichern.

Sei ε > 0 vorgegeben.

M gleichgradig stetig, d.h.

∀ s ∈ K ∃ δ(s) > 0 : d(s, t) < δ(s) =⇒ |x(t)− x(s)| < ε

5, ∀x ∈M .

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100 § 6 KOMPAKTHEIT

=⇒ K ⊂ ⋃s∈K

Kδ(s)(s).

K kompakt =⇒ ∃ s1, . . . , sr ∈ K und δi = δ(si) : K ⊂r⋃

i=1

Kδi(si) .

Also gilt: ∀ t ∈ K ∃ si : d(t, si) < δi

gl.gr.Stet. in si

=====================> |x(t)− x(si)| <ε

5∀x ∈M .

D = K liefert: ∀ i ∈ 1, . . . , r ∃ ti ∈ Kδi(si) ∩D (geht, da D dicht in K ). Dann

folgt fur hinreichend große n, m ∧ ∀ t ∈ K

|yn(t)− ym(t)| ≤ |yn(t)− yn(si)|︸ ︷︷ ︸< ε/5

gleichgradigstetig

+ |yn(si)− yn(ti)|︸ ︷︷ ︸< ε/5

gleichgradigstetig

+ |yn(ti)− ym(ti)|︸ ︷︷ ︸< ε/5

yn konvergiert auf D

+ |ym(ti)− ym(si)|︸ ︷︷ ︸< ε/5

gleichgradigstetig

+ |ym(si)− ym(t)|︸ ︷︷ ︸< ε/5

gleichgradigstetig

Diese Abschatzung ist gleichmaßig zunachst fur alle t ∈ Kδi(si). Da nur endlich vie-

le dieser Kugeln zur Uberdeckung von K notig sind, erhalt man diese Abschatzunggleichmaßig ∀ t ∈ K, also die Normkonvergenz.

Ohne Beweis zitieren wir (vgl. Wloka S. 201 ff., Kantorovich Akilov S. 236 ff., AltS. 70 f)

Satz 6.7 (Kolmogorov)Fur 1 ≤ p <∞ ist M ⊂ Lp(Rd) relativ kompakt genau dann wenn

1. M beschrankt in Lp(Rd) ,

2. es gilt limt→0

Rd

|x(t + τ)− x(τ)|p dτ = 0 gleichmaßig fur x ∈M ,

3. es gilt limαր∞

∫|τ |>α

|x(τ)|p dτ = 0 gleichmaßig fur x ∈M .

Bemerkung: Dieses Kriterium gilt mit offensichtlichen Modifikationen auch fur Lp(B) ,wo B eine Lebesgue-meßbare Menge des Rd ist. Ist B zusatzlich beschrankt, kann 3)entfallen.

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101

§ 7 Lineare Operatoren

Bezeichnung: L(X, Y ) := Menge aller linearen und stetigen Abbildungen einestopologischen Raumes X in einen topologischen Raum Y .(Vorsicht: Manche Autoren verstehen unter L(X, Y ) nur lineare Operatoren.)

Satz 7.1Sind (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) normiert und T : X → Y linear, so sind 1)–4) aquivalent:

1. T ist stetig (d.h. T ∈ L(X, Y ) ).

2. T ist stetig in x0 fur ein x0 ∈ X .

3. supx 6=0

‖Tx‖‖x‖ = sup

‖x‖=1

‖Tx‖ < ∞ .

4. ∃C > 0 : ‖Tx‖ ≤ C‖x‖ ∀x ∈ X . ( T beschrankt)

Beachte:1. Der Satz besagt nicht, daß ein linearer Operator stetig ist (vgl. Folgerung 1 d) aus

Satz 4.13). Lineare Operatoren sind nur in endlich dimensionalen Raumen automa-tisch stetig.

2. Die Aquivalenz von 1) und 2) ist schon aus § 3, (3.3) S 31 bekannt.3. Die Normen in X und Y werden nicht durch Indizes unterschieden. Welche Norm

wo gemeint ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang.4. Fur lineare Operatoren sind Stetigkeit und Lipschitzstetigkeit aquivalent.

Beweis:

1) ⇐⇒ 2) bekannt.

2) =⇒ 3) Zu ε = 1 ∃ δ > 0 : ‖x‖ = δ =⇒ ‖Tx‖ ≤ 1 =⇒ ‖Tx‖‖x‖ ≤

1δ. (Stetigkeit

in x = 0)

∀ y ∈ X, y 6= 0 folgt daraus fur x =y

‖y‖ δ :‖Tx‖‖x‖ =

‖Ty‖‖y‖ ≤

1

δ< ∞ .

3) =⇒ 4) Wahle C = supx 6=0

‖Tx‖‖x‖ .

4) =⇒ 1) T ist Lipschitzstetig mit Lipschitzkonstante C , da T linear.

Wir wiederholen nochmals die Folgerung 1 d) aus Satz 4.13:

Sind (X, ‖‖), (Y, ‖‖) normierte Raume und ist X endlich dimensional, so ist jedelineare Abbildung T : X → Y stetig.

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102 § 7 LINEARE OPERATOREN

Satz und Definition 7.2Seien (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) normierte Raume.

Fur T ∈ L(X, Y ) heißt

‖T‖L(X,Y ) = ‖T‖ := sup‖x‖=1

‖Tx‖ Norm des linearen Operators T , .

1. Dies ist eine Norm auf L(X, Y ) , d.h. L(X, Y ) ist ein normierter Raum.

2. L(X, Y ) ist Banachraum, falls Y Banachraum ist.

3. T ∈ L(X, Y ), S ∈ L(Y, Z)=⇒ ST ∈ L(X, Z) ∧ ‖ST‖L(X,Z) ≤ ‖S‖L(Y,Z) ‖T‖L(X,Y ) .

4. L(X, X) ist eine (normierte) Algebra bzw., falls X BR, eine Banachalgebra.

5. Aquivalent sind

T ⊂ L(X, Y ) ist gleichgradig stetig ,

und

T ist gleichmaßig beschrankt (d.h. ∃M > 0 : ‖T‖ ≤M ∀T ∈ T )

Definition 7.3 (zur Erinnerung)Ein linearer Raum X heißt Algebra, falls eine Multiplikation x · y ∈ X fur x, y ∈ Xerklart ist, welche das Assoziativgesetz, das Distributivgesetz undα(xy) = (α x)y = x(α y) fur α ∈ IK erfullt.

Ist X nomiert und gilt zusatzlich

‖xy‖ ≤ ‖x‖ ‖y‖ ,

so heißt X normierte Algebra.

Beweis 7.2:

1. Aus Satz 7.1, 3) folgt: ‖T‖L(X,Y ) = inf C; ‖Tx‖ ≤ C‖x‖ ∀x ∈ X ,also ‖Tx‖ ≤ ‖T‖ ‖x‖ .Fur T1, T2 ∈ L(X, Y ) folgt daraus

‖(T1 + T2) (x)‖ ≤ ‖T1x‖+ ‖T2x‖ ≤ (‖T1‖+ ‖T2‖) ‖x‖=⇒ ‖T1 + T2‖ ≤ ‖T1‖+ ‖T2‖ .

Die restlichen Normaxiome sind trivial, ebenso, daß L(X, Y ) ein linearer Raumist.

2. Sei An CF in L(X, Y ) , d.h. ∀ε > 0 ∃N ∈ N : ‖An − Am‖ ≤ ε ∀n, m ≥ N .

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103

=⇒ ∀x ∈ X gilt ‖Anx− Amx‖ ≤ ‖An − Am‖ ‖x‖,

=⇒ ∀x ∈ X ist Anx CF in YY vollst.

=============> ∀x ∈ X ∃ limn→∞

Anx =: Ax.

(∗)

Offensichtlich ist A : X → Y linear.

(∗) m→∞==============> ‖Ax−Anx‖ ≤ ‖A−Am‖ ‖x‖ ≤ ε‖x‖ ∀n ≥ N ∧ ∀x ∈ X. (∗∗)

=⇒ ‖Ax‖ ≤ ‖Anx‖+ ε‖x‖ = (‖An‖+ ε)‖x‖ =⇒ A stetig (vgl. Satz 7.1).

(∗∗)======> ‖A−An‖ ≤ ε ∀n ≥ N, also die Konvergenz.

3. ST linear rechnet man sofort nach, und aus

‖STx‖Z ≤ ‖S‖L(Y,Z) ‖Tx‖Y ≤ ‖S‖L(Y,Z) ‖T‖L(X,Y ) ‖x‖X

folgt

‖ST‖L(X,Z) ≤ ‖S‖L(Y,Z) ‖T‖L(X,Y ) .

4. Folgt aus 3. fur X = Y = Z .

5. Wird bewiesen analog zum Beweis von Satz 7.1. (Ersetze dort in 1. und 2. stetigdurch gleichgradig stetig und erstrecke in 3. und 4. die Gleichung bzw. Unglei-chung zusatzlich uber sup

T∈T)

Beachte: Sind X, Y normierte Raume, so ist

A =

T∣∣K1(0)

; T ∈ L(X, Y ), ‖T‖L(X,Y ) ≤ 1

eine beschrankte, gleichgradig stetige Teilmenge von C0(K1(0) , Y ) .Sie ist aber nur dann relativ kompakt (vgl. Arzela Ascoli Satz 6.6), wenn

1. K1(0) kompakt ist, (genau dann wenn dimX <∞ (Satz 6.4),

2. wenn der Raum L(X, Y ) vollstandig ist (erfullt, falls Y ein Banachraum ist(Satz 7.2, 2)), und

3. wenn Y die Eigenschaft hat, daß jede beschrankte Folge eine konvergente Teilfol-ge besitzt, (klar, wenn dim Y <∞ , was keine große Einschrankung ist, weil dasBild eines endlichdimensionalen Raumes unter einer linearen Abbildung wiederendlichdimensional ist).

Der Beweis von Satz 6.6 (Arzela Ascoli) kann dann abgeschrieben werden.

Alle Voraussetzungen sind also erfullt, wenn X, Y endlichdimensional sind.

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104 § 7 LINEARE OPERATOREN

Definition 7.4Sei X ein topologischer Vektorraum.

1. X∗ := L(X, IK), IK = R oder C , heißt (topologischer) Dualraum von X .Seine Elemente heißen (stetige) lineare Funktionale, (d.h. Abbildungen in denSkalarkorper).

2. I ∈ L(X) := L(X, X) : Ix = x heißt Identitat. Fur T ∈ L(X, Y ) heißt

N(T ) := x ∈ X; Tx = 0 Nullraum von T ,

R(T ) := y ∈ Y ; ∃x ∈ X : y = Tx Bildraum von T (range).

Die gelegentlich benutzte Bezeichnung X∗ = X ′ kann irrefuhrend sein, da mit X ′ oftnur die linearen (nicht notwendig stetigen) Funktionale gemeint sind.

Beachte: 1. Ist X normiert, so ist X∗ bzgl. der Norm ‖T‖ := sup‖x‖=1

‖Tx‖ immer

ein BR, da der Skalarkorper vollstandig ist (Satz 7.2, 2.).

2. N(T ) ist abgeschlossen, da T stetig ist.

3. R(T ) ist i.allg. nicht abgeschlossen, vgl. Beispiel 1 nach Satz 7.6.

Uber die Existenz von Inversen beweisen wir

Satz 7.5 Neumann’sche ReiheSei (X, ‖ ‖) ein Banachraum und T ∈ L(X) mit

limn→∞

sup ‖T n‖ 1

n < 1 (z.B. erfullt, wenn ‖T‖ < 1 ) .

Dann ist (I − T )−1 ∈ L(X) und es gilt:

(I − T )−1 =

∞∑

n=0

T n in L(X) (mit der Norm aus Satz 7.2), T 0 = I .

Bemerkungen:

1. Der Satz ist eine Verallgemeinerung der geometrischen Reihe.

2. Die Voraussetzung ist naturlich erfullt, wenn ‖T‖ < 1 .

3. Die Voraussetzung fur n > 1 kann z.B. erfullt werden fur den Volterra-Integraloperator

Tx(t) =t∫

a

k(t, s)x(s) ds, t ∈ [a, b], x ∈ C[a, b], k ∈ C([a, b]× [a, b]).

Das Beispiel zeigt, daß ‖T n‖ 1

n < 1 schwacher ist, als ‖T‖ < 1. (Ubung)

Aufgabe: Fur g ∈ C[a, b] hat die Gleichung x(t) = Tx(t) + g(t) eine Losung.

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105

Beweis: Mit Sk :=k∑

n=0

T n zeigen wir die Konvergenz der Reihe.

Laut Voraussetzung ∃m ∈ N : n ≥ m =⇒ ‖T n‖ 1

n ≤ K < 1 , bzw. ‖T n‖ ≤ Kn < 1 .

ℓ>k≥m===========> ‖Sℓ − Sk‖ =

∥∥∥∥∑

k<n≤ℓ

T n

∥∥∥∥ ≤∑

k<n≤ℓ

‖T n‖ ≤ ∑k<n≤∞

Kn k→∞−−−→ 0.

L(X) vollstandig=====================>(vgl. Satz 7.2, 2)

∃S := limk→∞

Sk in L(X).

=⇒ (I − T )Sxk→∞←−−− (I − T )Skx =

k∑n=0

(T n − T n+1)x = x− T k+1xk→∞−−−→ x

Laßt man k →∞ gehen, so erhalt man (I − T )S = I.Beachte dazu: T k+1x ist Summand einer konvergenten unendlichen Reihe, deren Glie-der mit wachsendem k gegen Null gehen.Ebenso zeigt man, daß S(I − T ) = I =⇒ (I − T )−1 = S . (Links- =Rechtsinverse)

Als Folgerung erhalt man sofort

Satz 7.6 Existenz der Inversen benachbarter OperatorenDie Menge der invertierbaren Operatoren T in L(X, Y ) mit T (X) = Y ist offen,

d.h. fur T, S ∈ L(X, Y ) ∧ T−1 ∈ L(Y, X) , gilt:

‖S‖ < ‖T−1‖−1 =⇒ ∃ (T − S)−1.

,

Beweis: Zur Zuruckfuhrung auf den vorigen Satz zerlegen wir

(T − S) = T (I − T−1S) = (I − ST−1)T.

Das Produkt invertierbarer Operatoren ist invertierbar ( (AB)−1 = B−1A−1 ).Nach Satz 7.5 ist (T − S) also invertierbar, wenn ‖T−1S‖, ‖ST−1‖ < 1 , was aus‖S‖ ‖T−1‖ < 1 folgt.

Beachte zur Begriffsbildung: Gemaß (3.2), S 31 beschreibt T − S eine Umgebung vonT , da durch ‖S‖ < ‖T−1‖−1 eine Nullumgebung definiert wird.

Beispiele linearer Operatoren und Funktionale

1.(C[0, 1], ‖ ‖∞

) T−−→(C[0, 1], ‖ ‖∞

)

f −→t∫

0

f(x) dx

ist eine lineare und stetige Abbildung. Man berechne ihre Norm und zeige, daßR(T ) nicht abgeschlossen ist (Ubung).

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106 § 7 LINEARE OPERATOREN

2.(CR[a, b], ‖ ‖∞

) T−−→(R, | |

)

x −−→ Tx =m∑

k=1

ckx(tk),(ck ∈ R, tk ∈ [a, b]

)

ist ein lineares Funktional. (Das ist eine Abbildung in den Skalarkorper.) Qua-draturformeln haben die Gestalt des Beispiels. Die Linearitat ist klar.

Beschranktheit (vgl. Satz 7.1): |T (x)| ≤( m∑

k=1

|ck|)‖x‖∞ =⇒ ‖T‖ ≤

m∑k=1

|ck| .

Fur ein stuckweise lineares x mit x(tk) = sgn ck und ‖x‖∞ = 1 gilt

|T (x)| =

m∑

k=1

|ck| · 1, also ‖T‖ =

m∑

k=1

|ck| .

3.(CR[a, b], ‖ ‖∞

) T−−→(R, | |

)

x −−→ Tx =

b∫

a

x(t)ϕ(t) dt fur ϕ auf [a, b] integrierbar .

Wie in 2) sieht man T ∈ C[a, b]∗ und ‖T‖ ≤b∫

a

|ϕ(t)| dt .

Wir zeigen spater sogar

‖T‖ =

b∫

a

|ϕ(t)| dt .(∗)

Bemerkung: Falls ϕ(t) > 0 in (a, b) oder < 0 in (a, b) , wahle x(t) = sgn ϕ(t) .Dann ist (∗) offensichtlich (Vorgehen wie unter 2)).

4. Sei k ∈ CR

([a, b]× [a, b]

)und

K : C[a, b] → C[a, b] : (Kx) (s) :=b∫

a

k(s, t) x(t) dt

( k heißt Kern des Integraloperators). K ist linear, die Stetigkeit (bzgl. ‖ ‖∞ )folgt aus

‖Kx‖ = maxs∈[a,b]

∣∣∣∣b∫

a

k(s, t) x(t) dt

∣∣∣∣ ≤(

maxs∈[a,b]

b∫a

|k(s, t)| dt

)‖x‖∞ ,

also ‖K‖ ≤ maxs∈[a,b]

b∫a

|k(s, t)| dt .

Beachte: Satz 7.5 (Neumann’sche Reihe) liefert ein hinreichendes Kriteriumfur die Existenz der Losung einer Fredholm-Integralgleichung

x(t) =

b∫

a

k(s, t) x(s) ds + g(t) .

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107

Randwertaufgaben fur gewohnliche Differentialgleichungen konnen in solche In-tegralgleichungen (mittels der Green’schen Funktion) umgeschrieben werden.

5. Lineare Abbildungen in endlich dimensionalen Raumen (Matrizen) (vgl. Ubun-gen).

6. Sei 1 ≤ p <∞ und1

p+

1

q= 1 . Dann ist fur g ∈ Lq(B), B ⊆ Rn meßbar, durch

Tgf =

B

f(t) g(t) dt

ein Elemente Tg ∈ Lp(B)∗ (Funktional) definiert. (Beweis mittels der Holder’schenUngleichung.) Man kann sogar zeigen, daß alle Elemente ∈ Lp(B)⋆ so darstellbarsind (vgl. Satz 8.11)

7. Sind p, q wie in 6) und gα ∈ Lq(B) fur |α| ≤ m ∈ N (Multiindizes), so wirddurch

Tf :=∑

|α|≤m

B

∂αf · gα dt fur f ∈ Hm,p(B)

ein Element T ∈ Hm,p(B)∗ definiert (Beweis mit Holder).

8. Seien αs ∈ IK fur |s| ≤ m . Dann heißt

Lf :=∑

|s|≤m

αs ∂sf

linearer Differentialoperator der Ordnung m mit konstanten Koeffizienten. Furoffene, beschrankte Mengen Ω ⊆ Rn ist

L ∈ L

(Cm(Ω), C0(Ω)

)sowie L ∈ L

(Hm,p(Ω), Lp(Ω)

),

jeweils bzgl. der zugehorigen Normen.

Distributionen

Definition 7.7Sei Ω ⊆ Rn offen. Ein stetiges, lineares Funktional auf D(Ω)

F : D(Ω) −→ C

ϕ −→ Fϕ = 〈F, ϕ〉 = F (ϕ) heißt Distribution .

Die Stetigkeit bezieht sich auf die Topologie gemaß Satz 3.21.

Bezeichnung: F ∈ D∗(Ω) (topologischer Dualraum von D(Ω) ).

Gelegentlich findet man auch die Bezeichnung D∗(Ω) = D′(Ω) , was insofern verwirrendsein kann, als manche Autoren unter D′(Ω) nur die linearen Funktionale verstehen(algebraischer Dualraum) ohne Stetigkeit.

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108 § 7 LINEARE OPERATOREN

Wir beschreiben die Stetigkeitseigenschaften der Distributionen in

Satz 7.8Fur F : D(Ω)

linear−−−→ C sind aquivalent:

1. F ∈ D∗(Ω) .

2. F ist folgenstetig, d.h. ϕm ⊂ D(Ω), ϕmm→∞−−−→D(Ω)

0 =⇒ 〈F, ϕm〉 m→∞−−−→ 0 .

3. FK := Restr F∣∣DK(Ω)

ist folgenstetig ∀K ⊂ Ω kompakt.

4. FK ist stetig ∀K ⊂ Ω kompakt.

Beweis: Beachte, daß man sich wegen (3.3) S 31 auf die Stetigkeit im Nullpunktbeschranken kann.

1) =⇒ 2) gilt in jedem topologischen Raum (kleine Ubung). Nur die Aquivalenz giltnicht in jedem topologischen Raum.

2) =⇒ 3) folgt aus dem Konvergenzbegriff und der Spurtopologie (Satz 3.21).

3) =⇒ 4) Da die DK(Ω) metrische Raume sind (Satz 3.15), sind Stetigkeit undFolgenstetigkeit aquivalent.

4) =⇒ 1) Sei V ∈ UC(0) (Œ V konvex, kreisformig und absorbierend).

Wir zeigen: F−1(V ) ∈ V , d.h. wir zeigen die Eigenschaften (α), (β) ausSatz 3.21. Die Elemente ∈ V erzeugen die Topologie, sind also offen=⇒ F ist stetig.

Aus der Linearitat von F−1(V ) folgt sofort: F−1(V ) ist konvex, kreisformigund absorbierend. =⇒ (α) aus Satz 3.21.

Nun ist F−1K (V ) ∈ DK(Ω) ∩ UDK(Ω)(0) ∀K ⊂ Ω kompakt, da FK stetig .

Also ist F−1K (V ) = F−1(V ) ∩ DK(Ω) ∈ UDK(Ω)(0) =⇒ (β).

Bemerkung: In metrischen Raumen sind Folgenstetigkeit und Stetigkeit aquivalent.Dies ist auch in D(Ω) richtig.

Man konnte vermuten, daß D(Ω) metrisierbar ist, denn

1. Ω =∞⋃i=1

Ki hat eine abzahlbare Uberdeckung durch kompakte Mengen Ki und

2. C∞0 (Ω) =

∞⋃i=1

C∞0,Ki

(Ω), also abzahlbar,

3. die Topologie von DKi(Ω) wird erzeugt, durch eine abzahlbare Familie PKi

vonHalbnormen, die den kreisformigen, absorbierenden, konvexen Mengen V (pKi

, εij)entsprechen ( pKi

∈ PKi, εijj∈N eine positive Nullfolge (vgl. Satz 3.10)).

Das legt die Vermutung nahe, daß die Topologie von D(Ω) durch eine abzahlbare Folgevon Halbnormen erzeugt werden kann und damit metrisierbar ist.

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109

Der Trugschluß besteht darin, daß man in obiger Aufzahlung nicht alle die Topologieerzeugenden Halbnormen (vgl. Satz 3.21) erfaßt hat, wie folgendes Beispiel zeigt:

pm(f) = sup|ν|≤m

|∂ν f | ist eine Norm auf C∞0 (Ω) ,

also V (pm, ε) = ϕ ∈ C∞0 (Ω); pm(ϕ) < ε absorbierend, kreisformig, konvex

(vgl.(3.4), S 33)

und V (pm, ε) ∩ DKi(Ω) = V (pKi,m, ε) = ϕ ∈ C∞

0,Ki(Ω); pKi,m(ϕ) < ε ∈ UDKi

(Ω)(0) ,(vgl. Satz 3.15)

also V (pm, ε) ∈ V (vgl. Satz 3.21, insbesondere (α) , (β) und Beweis 1.).

Es gibt jedoch kein V (pKj ,mj, ε) ⊂ V (pm, ε) , da ein ϕ ∈ V (pKj ,mj

, ε) außerhalb Kj

beliebig große Funktions- und Ableitungswerte annehmen kann.

Als Folgerung aus dem vorigen Satz erhalten wir die Charakterisierung

Satz 7.9Sei Ω ⊆ Rn offen und F : D(Ω)

linear−−−→ C , dann gilt

F ∈ D∗(Ω) ⇐⇒ ∀ kompakte K ⊂ Ω gibt es von K abhangige KonstantenC > 0, k ∈ N, sodaß | 〈F, ϕ〉 | ≤ C‖ϕ‖Ck

K(Ω) ∀ϕ ∈ C∞

0,K(Ω) .

Beweis:

Wir erinnern uns an folgende Aquivalenzen:

F ∈ D∗(Ω)⇐⇒ FK = Restr F∣∣DK(Ω)

stetig ∀ kompakten K ⊂ Ω .

⇐⇒ FK stetig in 0 ∀ kompakten K ⊂ Ω .

⇐⇒ ∀ V ∈ UC(0) ∃U ∈ UDK(Ω)(0) : FK(U) ⊂ V .

⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃ ‖ ‖Ck(K) ∧ δ > 0 : ∀ζ ∈ C∞0,K : ‖ζ‖Ck(K) ≤ δ =⇒ |〈FK , ζ〉| ≤ ε.(∗)

(Alle Halbnormen sind stetig, Satz 3.11, 3.)

Beweis”

⇐=“ (∗) folgt direkt aus der Bedingung aus Satz 7.9, die ja (sogar) dieLipschitzstetigkeit besagt.

Beweis”=⇒“ aus (∗) folgt insbesondere

(∗∗) Zu ε = 1 ∃ ‖ ‖Ck(K) ∧ δ1 > 0 : |〈FK , ζ〉| ≤ 1 ∀ ζ : ‖ζ‖Ck(K) = δ1 .

Setze fur beliebiges ϕ ∈ C∞0,K(Ω), ϕ 6= 0 : ζ =

ϕ

‖ϕ‖Ck(K)

δ1 , so folgt aus (∗∗)∣∣∣∣⟨

FK ,ϕ

‖ϕ‖Ck(K)

δ1

⟩∣∣∣∣ ≤ 1 bzw. |〈FK , ϕ〉| ≤ 1

δ1‖ϕ‖Ck(K) =

1

δ1‖ϕ‖Ck(Ω) .

Setze C =1

δ1.

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110 § 7 LINEARE OPERATOREN

Definition 7.10Kann in Satz 7.9 dieselbe Zahl k ∈ N fur alle Kompakta K ⊂ Ω ⊂ Rn benutzt

werden, so heißt F ∈ D∗(Ω) von der Ordnung ≤ k .

Bezeichnung: F ∈ D∗k(Ω) .

(Manche Autoren – z.B. Walter – verlangen auch die Unabhangigkeit der KonstantenC von K .Dies fuhrt (gelegentlich) zu einem anderen Ordnungsbegriff, (vgl. dazu die Beispiele.)

Satz 7.11Fur Ω ⊂ Rn offen gilt

1. D∗(Ω) wird durch

〈α F + β G, ϕ〉 := α 〈F, ϕ〉 + β 〈G, ϕ〉 , F, G ∈ D∗(Ω), α, β ∈ C ,

zu einem linearen Raum.

2. Fur jedes f ∈ Lloc(Ω) = f ∈ L(Ω∩B) fur alle Kompakta B ⊂ Ω wird durch

Tf(ϕ) =

Ω

ϕ(x) f(x) dx =: 〈f, ϕ〉 ; ϕ ∈ C∞0 (Ω) ,

eine Distribution definiert.

Sie heißt regulare Distribution (d.h. erzeugt von einem f ∈ Lloc(Ω) ).

3. Sei x0 ∈ Ω . Durch

Tδx0(ϕ) = ϕ(x0) =: 〈δx0

, ϕ〉 ; ϕ ∈ C∞0 (Ω) (δx0

= δ fur x0 = 0) ,

wird eine nicht regulare Distribution (singulare Distribution) erklart (d.h. nichtdurch ein f ∈ Lloc(Ω) erzeugbar). Sie heißt Dirac-Distribution.

4. Die Distributionen aus 2) und 3) sind von nullter Ordnung.

Bemerkung: δx0ist die mathematische Beschreibung einer im Punkt x0 konzentrier-

ten Einheitsladung.

Beweis:

1) trivial.

2)-4) Die Linearitat in 2), 3) ist offensichtlich. Der Nachweis, daß Distributionen vor-liegen, wird durch den Nachweis der Ordnung erbracht (vgl. Satz 7.9).

3) Annahme: ∃ δ ∈ L1loc(Ω) : 〈δx0

, ϕ〉 =∫

ϕ(x) δ(x) dx = ϕ(x0), ϕ ∈ D(Ω) .

=⇒ ∃ a > 0 :∫

|x−x0|≤a

|δ(x)| dx < 12.

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111

Sei ϕα(x) =

exp

(−1/(

1−∣∣∣x

α

∣∣∣2))

, |x| < α ,

0, |x| ≥ α .

Mit ϕ(x) := ϕα(x− x0) folgt aus der Annahme:

ϕ(x0) = max |ϕ(x)| = |〈δx0, ϕα(x− x0)〉| =

∣∣∣∣∣∫

|x−x0|≤a

δ(x) ϕα(x− x0) dx

∣∣∣∣∣

≤ ϕ(x0)∫

|x−x0|≤a

|δ(x)| dx <1

2ϕ(x0) W!

4) Es ist fur ein kompaktes K ⊂ Ω, ϕ ∈ C∞0,K

|Tf(ϕ)| ≤∫

K

|ϕ(x)| |f(x)| dx ≤ ‖ϕ‖C0(Ω)

K

|f(x)| dx ∀ϕ ∈ C∞0,K(Ω) .

Dies zeigt, daß Tf von nullter Ordnung ist gemaß Definition 7.10. (Eine Ordnunggemaß der Definition von Walter kann man ihr nur zuschreiben, falls f ∈ L(Ω) ist,denn die Konstante, das Integral auf der rechten Seite, ist von K abhangig.Beachte dazu, daß Lloc(Ω) 6⊂ L(Ω) . Beispiel: f(t) = tn, f ∈ Lloc(R

n) \ L(Rn) .)

Fur Tδx0gilt offensichtlich

∣∣Tδx0(ϕ)∣∣ ≤ ‖ϕ‖C0(Ω) ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω) .

In den Ubungen werden wir folgende, weitere Distributionen kennenlernen:

Beispiele fur Distributionen

1. 〈T, ϕ〉 =k∑

i=0

ϕ(i)(x0), k ∈ N0, x0 ∈ R fest, α < x0 < β , ist eine singulare

Distribution der Ordnung k uber (α, β) .

2. 〈T, ϕ〉 =∞∑i=0

ϕ(i)(i), ϕ ∈ D(R) , ist eine singulare Distribution, die keine endliche

Ordnung hat. Die Reihe konvergiert, da Tr ϕ kompakt ist.

3. f(t) = tn, n ∈ N , erzeugt eine Distribution

(i) der Ordnung 0 ,

(ii) ohne endliche Ordnung, wenn man die Definition aus Walter zugrunde legt.

4. Fur Multiindizes |s| ≤ m seien gs ∈ L∞loc(R

k) . Mit dem linearen Differentialope-rator

L ϕ =∑

|s|≤m

gs ∂s ϕ

wird durch 〈u, Lϕ〉 fur u ∈ Lloc(Ω) eine Distribution m -ter Ordnung erzeugt.

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112 § 7 LINEARE OPERATOREN

Distributionsableitungen

Motivation:

Fur f ∈ Lp(Ω), 1 ≤ p ≤ ∞, Ω ⊂ Rn offen, betrachte

Tf(ϕ) =

Ω

ϕ f dx = 〈f, ϕ〉 ; ϕ ∈ D(Ω) (vgl. Satz 7.11).

Ist f ∈ Hm,p(Ω) , so sind die entsprechenden Abbildungen

T∂sf (ϕ) =

Ω

ϕ ∂s f dx, ϕ ∈ D(Ω)

ebenfalls Distributionen und es gilt

T∂sf(ϕ) =

Ω

ϕ ∂s f dx = (−1)|s|∫

Ω

∂s ϕ · f dx = (−1)|s| Tf(∂sϕ).

Diese Darstellung (man streiche das erste Integral) nehmen wir als Grundlage zur Defi-nition der Distributionsableitung. (Permanenzprinzip: Definitionen fur Distributionenwerden so gefaßt, daß kein Widerspruch zu bekannten Definitionen (,z.B. bei Anwen-dung auf f ∈ Hm,p(Ω), ) entsteht.)

Definition 7.12Ist T ∈ D∗(Ω) , so werden die Distributionsableitungen erklart durch

(∂sT ) (ϕ) = (−1)|s| T (∂s ϕ), ϕ ∈ D(Ω).

Folge: Jede Distribution hat Ableitungen beliebig hoher Ordnung.

Bemerkung: f ∈ Lp(Ω) ist in Hm,p(Ω) , falls sich die Distributionsableitungen vonf (genauer Tf , vgl. dazu nachsten Abschnitt) bis zur Ordnung m durch Lp(Ω) -Funktionen beschreiben lassen.

Identifikation von Funktion f und Distribution F

Zur Bezeichnung regularer Distributionen (d.h. man braucht f ∈ Lloc(Ω) ) haben sichfolgende Schreibweisen eingeburgert:

F (ϕ) = (f, ϕ) =

Ω

ϕ(x) f(x) dx = f(ϕ) = 〈f, ϕ〉 fur ϕ ∈ D(Ω) .

Einerseits wird durch ein f ∈ Lloc(Ω) eindeutig die zugehorige Distribution bestimmt,gemaß obiger Gleichung, andererseits wird durch die Distribution

F (ϕ) =

Ω

ϕ(x) f(x) dx

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113

die erzeugende Funktion f.u. festgelegt, denn

wir haben in den Ubungen gezeigt: Ist Ω ⊂ Rn offen, f ∈ C(Ω) , so gilt

limαց0

fα(x) = limαց0

Ω

f(ξ) ϕα(ξ − x) dξ = f(x)

Eine entsprechende Aussage gilt fur f ∈ Lloc(Ω) f.u.

Deshalb werden Distributionen auch als verallgemeinerte Funktionen bezeichnet. Oftunterscheidet man in der Sprechweise nicht zwischen einer Distribution und der sie er-zeugenden Funktion. Daß Distributionen echte Verallgemeinerungen sind, zeigten Satz7.11, 2), sowie die Beispiele 1) und 2) auf S 111.

Distributionelle Losungen partieller Differentialgleichungen

Sei L ein linearer Differentialoperator

(7.1) L u =∑

|α|≤r

aα ∂α u, r ∈ N, aα ∈ C∞(Ω) reellwertig, Ω ⊆ Rn ein Gebiet .

Definition 7.13Ist u ∈ Cr(Ω) und f ∈ C(Ω) und gilt

(7.2) L u(x) = f(x) in Ω ,

so heißt u starke Losung von (7.2) (hierzu ist aα ∈ C∞ nicht notig).

Ist f eine Distribution (z.B. f ∈ Lloc(Ω) ), so kann man (7.1) als Differentialgleichungfur Distributionen auffassen, gemaß

〈L u, ϕ〉 = 〈f, ϕ〉 ∀ϕ ∈ D(Ω) .

Gemaß der Distributionsableitungsdefinition gilt

〈L u, ϕ〉 =

Ω

(∑

|α|≤r

aα ∂α u

)ϕ dx =

Ω

|α|≤r

(aα ϕ) ∂α u dx

=

Ω

|α|≤r

u(−1)|α| ∂α (aα ϕ)dx =

Ω

u∑

|α|≤r

(−1)|α| ∂α(aα ϕ) dx

︸ ︷︷ ︸L∗(ϕ)

= 〈u, L∗ ϕ〉

L∗(ϕ) heißt der zu L (formal) adjungierte Differentialoperator .

Beachte: Weil aα ∈ C∞ vorausgesetzt wurde, ist L∗(ϕ) ∈ D(Ω) .

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114 § 7 LINEARE OPERATOREN

Definition 7.14Eine Distribution u heißt Distributionslosung von

L u = f, L u gemaß (7.1), f ∈ D∗(Ω), falls

〈u, L∗ ϕ〉 = 〈f, ϕ〉 ∀ϕ ∈ D(Ω) .(7.3)

Ist speziell Ω = Rn und 〈f, ϕ〉 = ϕ(0) = 〈δ, ϕ〉 , so heißt u Grundlosung .

Man beweist sehr schnell (Ubung) den folgenden

Satz 7.15Ist u ∈ Cr(Ω), Ω ⊂ Rn , eine Distributionslosung von L u = 0 , L gemaß (7.1), so

ist u auch starke Losung von L u = 0 .

Jede starke Losung von L u = 0 ist auch Distributionslosung.

Beispiel fur Distributionslosungen:

L u =∂2 u

∂ t2− ∂2 u

∂ x2= 0 in R2 Wellengleichung

Starke Losungen sind u(x, t) = w1(x + t) + w2(x− t) fur beliebige wi ∈ C2 .

Wir zeigen: Fur

w(z) =

1, z ≥ 00, z < 0

Heaviside-Funktion ,

ist

u(x, t) = w(x− t) =

1, x ≥ t0, x < t

Distributionslosung von L u = 0 .

Beweis:

Es muß gezeigt werden

〈u, L∗ ϕ〉 = 0 ∀ϕ ∈ D(R2).

Man rechnet sofort nach, daß L = L∗ ist (selbstadjungiert). Zeige also

〈u, L∗ ϕ〉 =

∫∫

x≥t

(∂2 ϕ

∂ t2− ∂2 ϕ

∂ x2

)dx dt = 0 ∀ϕ ∈ D(R2).

(Beachte: Fur x < t ist u = 0 !)

Dies muß besonders gezeigt werden fur alle ϕ mit Tr ϕ ∩ x = t 6= ∅ .Fur ϕ ∈ D(Ω) mit Tr ϕ ∩ x = t = ∅ ist die Behauptung richtig wegen Satz 7.15.

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115

Sei also Tr ϕ ⊂ Kr = offene Kugel mit Radiusr und Tr ϕ ∩ x = t 6= ∅ . n ist die außereNormale des Gebiets Ω = Kr ∩ x > t aufdem Randteil, der durch x = t bestimmt wird.

L wird beschrieben durch die Matrix

A =

(1 00 −1

)=(aik

)

L u =2∑

i,k=1

aik uxixk, x1 = t, x2 = x .

-

6

b

t

x

x = t

rA

rB

@@In−σ

Tr ϕ

Kr

Der Vektor σ = An heißt Konormale von L auf ∂ Ω .

Mit diesen Bezeichnungen gilt die Green’sche Formel fur reellwertige Funktionen (vgl.Collatz: Funktionalanalysis und Numerische Mathematik)

Ω

(v L u− u L∗ v

)dx dt =

∂Ω

(v∂ u

∂σ− u

∂ v

∂ σ

)ds.

Wir wenden nun die Green’sche Formel an auf L = L∗ und das Gebiet Kr ∩ x > tmit v ≡ 1, u = ϕ und beachten ϕ = 0 auf ∂Kr.

∫∫

x>t

L ϕ dx dt =

∫∫

x>t

(∂2 ϕ

∂ t2− ∂2 ϕ

∂ x2

)dx dt =

C

∂ ϕ

∂ σds = ϕ(A)− ϕ(B) = 0

↑C = Kr ∩ x = t

Dabei sind n =

(−1√2,

1√2

), σ =

(−1√2,−1√

2

)und t = −σ der Tangentenvektor von C.

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116 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

§ 8 Fortsetzung linearer Abbildungen und Funktio-

nale

Definition 8.1Ist

A0 : M0 −→ Y

∩ |∩A : M −→ Y

und A∣∣M0

= A0 ,

dann heißt A Erweiterung (Fortsetzung) von A0 .

Der einfachste Fall: M 0 = M wird beschrieben durch

Satz 8.2Seien (X0, ‖ ‖), (X, ‖ ‖) normierte Raume, X0 ein in X dichter Teilraum.

(Y, ‖ ‖Y ) sei ein BR und A0 : X0stetig, linear−−−−−−−→ Y .

=⇒ ∃ ! A : Xlinear, stetig−−−−−−−→ Y und A

∣∣X0

= A0, ‖A‖ = ‖A0‖ .

Hinweis zu Bezeichnungen: Gelegentlich wird die Eigenschaft X0 dicht in X ab-

gekurzt durch X0 = X. Gemeint ist genauer XTX

0 = X, also dicht bzgl. der TopologieTX des Oberraums, was nicht notwendig bedeutet dicht bzgl. der Norm des Oberraums.Man nimmt durch den Abschluß X0 nur die Haufungspunkte von X0 dazu, die imOberraum liegen. Wir verdeutlichen das durch ein Beispiel:X0 = Qn uber dem Zahlkorper Q mit der Euklidischen Norm, X = (Q ⊕ [

√2])n,

(wobei [√

2] den linearer Aufspann bezeichnet) ebenfalls uber Q mit der EuklidischenNorm. Offensichtlich liegen nicht alle Haufungspunkte von X0 in X. Der Abschlußvon X0 bzgl. der Euklidischen Norm ware Rn.

Beweis des Satzes:

Sei x ∈ X \X0 =⇒ ∃xn ⊂ X0 : xn −→ x, A0xn −→ ?

Nun ist

‖A0xn−A0xm‖ ≤ ‖A0‖ ‖xn−xm‖ =⇒ Axn CFY vollstandig

=================> ∃Ax := limn→∞

Axn .

Ax ist unabhangig von xn , denn

xn −→ xx′

n −→ x

=⇒ ‖A0(xn−x′

n)‖ ≤ ‖A0‖ ‖xn − x′n‖︸ ︷︷ ︸

n→∞−−−→ 0

=⇒ limn→∞

A0xn = limn→∞

A0x′n = Ax .

Zeige A ∈ L(X, Y ). A linear ist klar.

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117

A stetig? Es ist ‖A0xn‖ ≤ ‖A0‖ ‖xn‖y n→∞

y n→∞

‖ ‖ stetig =⇒ ‖Ax‖ ≤ ‖A0‖ ‖x‖ =⇒ ‖A‖ ≤ ‖A0‖ =⇒ A stetig .(‖A‖ = inf C > 0; ‖Ax‖ ≤ C‖x‖

)

Andererseits: ‖A‖ = sup‖x‖=1x∈X

‖Ax‖ ≥ sup‖x‖=1x∈X0

‖Ax‖ = ‖A0‖,

also ‖A‖ ≥ ‖A0‖ , und damit ‖A‖ = ‖A0‖ .

Folgerung:Seien X, Y normierte Raume, Y ein Banachraum, M ⊂ X und M dicht in X ,so gilt

A ∈ L(X, Y ),AM = 0

=⇒ AX = 0 .

Bemerkung: Diese Aussage hat”eine Art Umkehrung“ im Dichtekriterium von Ba-

nach (vgl. Satz 8.6).

Naturliche Verallgemeinerung: Betrachte statt X0 = X einen echten Teilraum.

Satz 8.3 Hahn-Banach: Fortsetzung linearer Funktionale(X, ‖ ‖), X ⊃ X0 ein linearer Teilraum und f0 : X0 −→ R, f0 ∈ X∗

0 beschrankt.

=⇒ ∃ (mindestens) ein f ∈ X∗ : f∣∣X0

= f0, ‖f‖X∗ = ‖f0‖X∗0.

(ohne Zorn, falls X separabel)

Wir beweisen den Satza) fur den Fall separabler Raume undb) falls nicht separable Raume vorliegen.

Beweis a) Idee: Langsam hocharbeiten, d.h.

X1 = X0 ⊕ [x1], x1 6∈ X0 ([x1]=linearer Aufspann),

f0 zu f1 : X1 −→ R fortsetzen, usw.: X2 = X1 ⊕ [x2] . . .

Sei also z ∈ X1 ⇐⇒ z = x + α x1, x ∈ X0, α ∈ R .

Wir wollen |f1(z)| ≤ ‖f0‖ ‖z‖ ∀ z erreichen, denn dann folgt

‖f1‖ ≤ ‖f0‖‖f1‖ = ‖f0‖ auf X0

=⇒ ‖f1‖ = ‖f0‖ .

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118 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Wir wollen also

(∗) |f1(x + α x1)| = |f1(x) + α f1(x1)| ≤ ‖f0‖ ‖x + α x1‖ oder∣∣∣∣f1

(x

α

)+ f1(x1)︸ ︷︷ ︸

=: γ

∣∣∣∣ ≤ ‖f0‖∥∥∥

x

α+ x1

∥∥∥

bzw.~

f1

(x

α

)+ γ ≤ ‖f0‖

∥∥∥x

α+ x1

∥∥∥

−f1

(x

α

)− γ ≤ ‖f0‖

∥∥∥x

α+ x1

∥∥∥~ wegen f1

∣∣X0

= f0

(∗∗) − f0

(x

α

)− ‖f0‖

∥∥∥x

α+ x1

∥∥∥ ≤ γ ≤ −f0

(x

α

)+ ‖f0‖

∥∥∥x

α+ x1

∥∥∥ ∀x ∈ X0 .

Frage: Existiert so ein γ ? Ruckwartsrechnen!

~w supx∈X0

−f0(x)− ‖f0‖ ‖x + x1‖

≤ inf

x∈X0

−f0(x) + ‖f0‖ ‖x + x1‖

~ −f0(x)− ‖f0‖ ‖x + x1‖ ≤ −f0(x) + ‖f0‖ ‖x + x1‖ fur beliebige x, x ∈ X0

~ f0(x)− f0(x) ≤ ‖f0‖(‖x + x1‖+ ‖x + x1‖

)

und wegen ‖x + x1‖ = ‖ − x− x1‖ und der Dreiecksungleichung

~w f0(x)− f0(x) ≤ ‖f0‖(‖x + x1 − x− x1‖

)

~ f0(x)− f0(x) ≤ ‖f0‖ ‖x− x‖.

Die letzte Beziehung ist aber richtig fur beliebige x, x ∈ X0 .

Man kann also ein γ dazwischen schieben (insbesondere in (∗∗) ), und damit in (∗)f1(x1) = γ so erklaren, daß

f1(x1) = γ und ‖f1(z)‖ ≤ ‖f0‖ ‖z‖ ∀ z ∈ X1 .

Dieser Vorgang laßt sich wiederholen und, falls X separabel, durch vollstandige In-duktion auf die dichte Teilmenge erweitern. Dann kann man Satz 8.2 anwenden.

Beweis b) Sei X nicht separabel.

Dann wird die Menge

M =

(Y, fY ); X0 ⊂ Y linearer Teilraum : fY

∣∣X0

= f0 fur fY ∈ Y ∗, ‖fY ‖ = ‖f0‖

halbgeordnet durch

(Y1, fY1) ≤ (Y2, fY2

)def⇐⇒ Y1 ⊂ Y2, fY2

∣∣Y1

= fY1.

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119

Sei N ⊂M eine totalgeordnete Teilmenge =⇒

YN :=⋃

(Y,fY )∈N

Y ist ein linearer Raum

fN (z) := fY (z) (∃Y : z ∈ Y, (Y, fY ) ∈ N) ein lineares, stetiges Funktional

=⇒ (YN , fN) ∈M ist eine obere Schranke von N.Zorn

=======> M besitzt ein maximales Element (Y , fY ) .

Behauptung: Y = X .

Annahme: ∃ y1 ∈ X\Y , y1 6= 0Teil a) des Beweises

=========================> fY kann auf Y⊕[y1] fortgesetzt

werden zu f unter Beibehaltung der Norm =⇒ (Y , fY ) nicht maximal W .

Bemerkung: Ist ‖ ‖ = p nur eine Halbnorm auf X und f0 ∈ X∗0 mit |f0(x)| ≤

p(x) ∀x ∈ X0 , so kann f0 unter Erhalt der Ungleichung fortgesetzt werden. (Setzeim vorigen Beweis |f1(z)| ≤ p(x + α x1) (statt ‖f0‖ ‖x + α x1‖) usw.). Da in einemhalbnormierten Raum keine Separabilitat zur Verfugung steht, braucht man dann al-lerdings das Zorn’sch Lemma um das usw. fortzusetzen.(Zum ausfuhrlichen Beweis (auch fur IK = C ) vgl. Werner, Alt, Kantorowitch/Akilov,Riesz-Nagy usw.) Man erhalt dann

Satz 8.4 Hahn-BanachSei X ein topologischer, linearer, reeller Raum, X0 ⊂ X ein Unterraum, p eine

Halbnorm auf X , und f0 : X0linear−−−→ R mit |f0(x)| ≤ p(x) ∀x ∈ X0 .

=⇒ ∃ f : Xlinear−−−→ R : f

∣∣X0

= f0, |f(x)| ≤ p(x) ∀x ∈ X .

Anwendungen des Satzes von Hahn-Banach

Der Banachsatz existiert in vielen Varianten. Werner greift dazu folgendes Zitat auf:“it can be used every day, and twice on Sundays.” Wir belegen dies durch eine Reihevon Anwendungen. (Zu einem weiteren Ausblick siehe Werner: III.6)

In Teil 1) des folgenden Satz werden durch lineare Funktionale Punkte von linearenTeilraumen getrennt. Dieser Trennungssatz, bzw. seine Verallgemeinerungen, findet An-wendung in der Optimierung. Wir benutzen ihn zum Nachweis, wann Teilraume dichtim ganzen Raum liegen (Dichtekriterium von Banach). Außerdem ermoglicht er eineVerallgemeinerung des Projektionssatzes in Hilbertraumen (vgl. die Bemerkung nachdem Beweis). Der 2. Teil des Satzes liefert eine untere Schranke fur den Minimalab-stand bei der besten Approximation in unitaren Raumen.

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120 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Satz 8.5Sei (X, ‖ ‖) normiert, Y ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum und x0 ∈ X \ Y =⇒

1. ∃ f ∈ X∗ : f∣∣Y

= 0, f(x0) = dist(x0, Y ) := infy∈Y‖x0 − y‖, ‖f‖ = 1 .

2. Fur beliebige f ∈ X∗ mit f∣∣Y

= 0, ‖f‖ ≤ 1 gilt |f(x0)| ≤ dist(x0, Y ) .

Beweis 1. Idee:

Konstruiere ein Funktional f0 mit den gewunschten Eigenschaften auf dem TeilraumX0 = Y ⊕ [x0] und setze es dann zu f gemaß Satz 8.3 auf den ganzen Raum fort.

Fur z ∈ X0 ist z = y + α x0, y ∈ Y, α ∈ R , eine eindeutige Darstellung.

Definiere f0(z) := α dist(x0, Y ) und beachte dist(x0, Y ) > 0 , da Y abgeschlossen.

=⇒ f0 linear in X0, f0(y) = 0 fur y ∈ Y, f(x0) = dist(x0, Y ) und ‖f0‖ ≤ 1,denn

|f0(z)| = |α| infy∈Y‖x0 − y‖

︸ ︷︷ ︸dist(x0,Y )

≤ |α|∥∥∥x0 +

y

α

∥∥∥ = ‖y + α x0‖ = ‖z‖ =⇒ ‖f0‖ ≤ 1 .

Zu gegebenem ε > 0 ∃ y ∈ Y : ‖x0 − y‖ < dist(x0, Y ) + ε

=⇒ dist(x0, Y ) = f0(x0) = f0(x0)− f0(y)︸ ︷︷ ︸= 0

= f0(x0 − y)

≤ ‖f0‖ ‖x0 − y‖ < ‖f0‖ (dist(x0, Y ) + ε)

=⇒ ∀ ε > 0 gilt ‖f0‖ >dist(x0, Y )

dist(x0, Y ) + ε

dist(x0,Y )>0==================>

ε→0‖f0‖ ≥ 1.

Die Fortsetzung von f0 zu f gemaß Hahn-Banach liefert die Behauptung.

2) Fur beliebiges y ∈ Y gilt

|f(x0)| = |f(x0)− f(y)| = |f(x0 − y)| ≤ ‖x0 − y‖, da ‖f‖ ≤ 1 ,

also auch |f(x0)| ≤ infy∈Y‖x0 − y‖ .

Bemerkung:

Teil 1) des Satzes kann als eine Verallgemeinerung des Projektionssatzes 5.6 in Hilber-traumen aufgefaßt werden durch Angabe eines linearen Funktionals, das den Abstandeines Punktes zum approximierenden Teilraum (Minimalabstand) angibt. Ist namlichX ein Hilbertraum, so definiere man

(∗) f(x) :=

(x,

x0 − Px0

‖x0 − Px0‖

), P : X → Y orthogonale Projektion.

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121

Nach Satz 5.6 (Projektionssatz) ist f(y) = 0 auf Y , da Y⊥x0 − P (x0) . WegenPx0 ∈ Y folgt

(∗∗) f(x0) = f(x0 − Px0)(∗)= ‖x0 − Px0‖.

Aus (∗) folgt mit der CSU

|f(x)| ≤ ‖x‖, also ‖f‖ ≤ 1,

zusammen mit (∗∗) also ‖f‖ = 1. Also erfullt f alle Eigenschaften des f aus Be-hauptung 1 des Satzes . Im Hilbertraum braucht man fur diese Aussage keinen Hahn-Banach.

Aus Teil 2) des Satzes folgern wir

Satz 8.6 Dichtekriterium von BanachSei (X, ‖ ‖) normiert und M ⊂ X eine Teilmenge. Dann gilt

[M ] dicht in X ⇐⇒(

f ∈ X∗, f∣∣M

= 0 =⇒ f ≡ 0

)

( [M ] = Menge der endlichen Linearkombinationen der Elemente von M .)

Beweis”=⇒“

Sei x ∈ X \ [M ] =⇒ ∃xn ⊂ [M ] : xn −→ x, f(xn) = 0 , f gemaß Satz 8.5, 1).

f stetig liefert limn→∞

f(xn) = 0 = f(x) .

Beweis”

⇐=“ Bezeichne [M ] den Abschluß von [M ] bzgl. der Topologie von X.

Ann.: [M ]⊂6= X =⇒ ∃x ∈ X \ [M ] und dist(x, [M ]) > 0 , da [M ] abgeschlossen

Satz 8.5===========> ∃ f ∈ X∗ : ‖f‖ = 1, f(x) = dist(x, [M ]), f

∣∣[M ]

= 0 W! .

Eine weitere Folgerung ist

Satz 8.7 Existenz linearer Funktionale mit vorgegebener NormSei (X, ‖ ‖) normiert =⇒ ∀x ∈ X, x 6= 0 ∃ f ∈ X∗ : ‖f‖ = 1, f(x) = ‖x‖ .

Beweis: Satz 8.5 mit Y = 0 .

Hinweis: Dieser Satz hat erstmals die Existenz linearer Funktionale in allgemeinennormierten Raumen gesichert. Spezialfalle waren naturlich schon immer bekannt.

Aus vorigem Satz erhalt man die

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122 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Folgerung 8.8Sei (X, ‖ ‖) normiert =⇒

1. ‖x‖ = supf∈X∗

‖f‖=1

|f(x)| ,

2. f(x) = 0 ∀ f ∈ X∗ =⇒ x = 0 ,

3. f(x1) = f(x2) ∀ f ∈ X∗ =⇒ x1 = x2 ,

4. |f(x0)| ≤ C ∀ f ∈ X∗ mit ‖f‖ = 1 =⇒ ‖x0‖ ≤ C .

Beweis:

1) ‖x‖ ≤ supf∈X∗

‖f‖=1

|f(x)| , klar wegen Satz 8.7.

Andererseits:Ist f ∈ X∗, ‖f‖ = 1 =⇒ |f(x)| ≤ ‖f‖ ‖x‖ = ‖x‖ =⇒ sup

f∈X∗

‖f‖=1

|f(x)| ≤ ‖x‖, also 1).

Weiter: Die Folgerungen 1) =⇒ 2), 2) =⇒ 3), 1) =⇒ 4) sind offensichtlich.

Bemerkung: Man kann also die Elemente eines Raumes mit Hilfe der stetigen linearenFunktionale auf diesem Raum charakterisieren.

Fazit: Lineare Funktionale sind ein machtvolles Werkzeug. In normierten Raumenubernehmen sie die Rolle der Skalarprodukte. Sie werden verwendet z.B.

1. zur Charakterisierung der Norm von Elementen (Folgerung 8.8),

2. zum Beweis von Trennungseigenschaften, zur Verallgemeinerung von Approxima-tionsaussagen undzur Herleitung von Schranken fur die Minimalabweichung (Satz 8.5),

3. zur Herleitung von Dichtekriterien Satz 8.6

4. zum Beweis von Existenzsatzen fur die Losung partieller Differentialgleichungen(vgl. S 125 ff),

5. bei der Untersuchung von”schwacher Konvergenz“ und Reflexivitat (vgl. § 11).

Deshalb erscheint es wunschenswert zu wissen: Wieviele Funktionale hat ein Raum undwie sehen die aus? Wir untersuchen zunachst die

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123

Dualraume unitarer Raume

Gesucht: Alle Funktionale eines unitaren Raumes (X, (·, ·)) . Wir wissen: ∀u ∈ X istfu(x) := (x, u) ein lineares Funktional. Es ist

|fu(x)| = |(x, u)|CSU

≤ ‖x‖ ‖u‖ =⇒ ‖fu‖ ≤ ‖u‖|fu(u)| = |(u, u)| = ‖u‖ ‖u‖ =⇒ ‖fu‖ = ‖u‖

=⇒H : X −→ X∗

u −→ fu = (·, u) ist eine Isometrie .

H(αu + β v) = α H(u) + β H(v) (H antilinear, konjugiert linear)

=⇒ falls IK = R ist H linear.

H ist injektiv, denn

H u1 = H u2 ⇐⇒ fu1= fu2

⇐⇒ (x, u1) = (x, u2) ∀x ∈ X =⇒ u1 = u2 .

Konnte man nun noch zeigen, daß H surjektiv ist, dann hatte man alle Funktionale.

Problem: Finde zu gegebenem f ∈ X∗, f 6= 0 , ein u ∈ X : f = fu .

f 6= 0 bedeutet N(f) = x ∈ X, f(x) = 0 6= X .

N(f) ist abgeschlossen und damit vollstandig, falls X vollstandig.

Also setzen wir voraus: Sei X ein HR.

Dann ist X = N(f)⊕N(f)⊥ (vgl. Satz 5.7)

und ∃ z ∈ N(f)⊥ mit f(z) 6= 0 . Œ f(z) = 1 .

Idee:Charakterisiere f mit Hilfe dieses z .

Sei x ∈ X beliebig, dann ∃ γ ∈ K :x− γ z ∈ N(f) .

(Wahle dazu γ = f(x) =⇒f(x− γ z) = f(x)− γ f(z)︸︷︷︸

= 1

= 0 )

Dann ist aber(x− f(x)z, z) = 0, (z ∈ N(f)⊥)

d.h. 0 = (x, z)− f(x) (z, z) ,

oder f(x) =

(x,

z

(z, z)

).

@@@R

@@

@@@R

0

x− f(x)z

N(f)

f(x)=1(Hyperebene)

x

z

R2 :

rr

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124 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Damit ist H eine injektive und surjektive Abbildung und wir haben den folgendenSatz bewiesen.

Satz 8.9 Darstellungssatz von RieszSei (X, (·, ·)) ein Hilbertraum.

=⇒ ∀ f ∈ X∗ ∃ ! u ∈ X : f(x) = (x, u) ∀x ∈ X .

Insbesondere giltH : X −→ X∗

u −→ (·, u)

ist eine (antilineare) Isometrie.

Fazit: Jeder reelle oder komplexe Hilbertraum laßt sich mit seinem Dualraum”iden-

tifizieren“.

Folgerung 8.10 Lineare Funktionale auf L2(B)Sei B ⊂ Rn. Dann gilt

∀ f ∈ (L2(B))∗ ∃u ∈ L2(B) : f(x) =∫B

x(t) u(t) dt

‖f‖ =

(∫B

|u|2 dt

)1/2

Aussagen fur normierte Raume sind komplizierter. Wir zitieren ein Beispiel ohne Be-weis:

Satz 8.11

∀ f ∈ (Lp(B))∗ mit 1 < p <∞ ∃ ! u ∈ (Lq(B), ‖ ‖q) ,1

p+

1

q= 1 :

f(x) =

B

u(t) x(t) dt und ‖f‖ = ‖u‖Lq(B)

Insbesondere: (Lp(B))∗ ist normisomorph zu Lq(B) .

Daß f ein lineares Funktional ist, ist offensichtlich. Der Nachweis, daß alle linearenFunktionale auf Lp(B) so darstellbar sind, ist aufwendiger.

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125

Anwendung des Riesz’schen Darstellungssatzes aufDifferentialgleichungen

Hilbertraum-Methoden zur Losung partieller DifferentialgleichungenLax-Milgram Theorie

Die klassische Formulierung des Dirichlet-Problems fur elliptische Differentialgleichun-gen lautet:

Klassisches Dirichletproblem

Sei Ω ⊂ Rn offen und beschrankt, f ∈ C(Ω), aij ∈ C1(Ω), g ∈ C(∂ Ω),aij = aji, seien gegebene, reellwertige Funktionen und es gebe ein C0 > 0 , sodaß

n∑

i,j=1

aij(x) ξi ξj ≥ C0|ξ|2 ∀x ∈ Ω, ξ ∈ Rn (Elliptizitat) .

Gesucht: u ∈ C2(Ω) ∩ C0(Ω) , welches die elliptische RWA lost

n∑i,j=1

∂i(aij ∂j u) = f in Ω

(∂i =

∂ xi

),

u = g auf ∂ Ω ,

Transformation auf homogene Randwerte

Dies wird erlauben, die Differentialgleichung in einem Raum einzubetten, dessen Ele-mente automatisch die (Null-) Randwerte erfullen. Man braucht sich dann bei derLosung der Differentialgleichung nicht mehr um die Annahme der Randbedingungenzu kummern.

Wir nehmen an, daß die Randwertfunktion eine Fortsetzung g ∈ C2(Ω)∩C0(Ω) besitzt(das kann man beweisen) und erhalten fur u := u− g

n∑

i,j=1

∂i(aij ∂j u) = −n∑

i,j=1

∂i(aij ∂j g) + f in Ω .

Zur Abkurzung setzen wir

ei =n∑

j=1

aij ∂j g ,

multiplizieren die Differentialgleichung mit ϕ ∈ C∞0 (Ω) und erhalten nach partieller

Integration, indem wir wieder u statt u schreiben,

Ω

n∑

i,j=1

∂i ϕ aij ∂j u dx = −∫

Ω

(n∑

i=1

∂i ϕ ei + ϕ f

)dx ∀ϕ ∈ C∞

0 (Ω) .

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126 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Ist umgekehrt diese Gleichung erfullt ∀ϕ ∈ C∞0 (Ω) , so erhalt man nach Ruckgangig-

machen der partiellen Integration die ursprungliche Differentialgleichung wieder zuruck(vgl. die Ubungen zu den Mittelfunktionen).

Einbettung in einen geeigneten Raum, schwache Losung

Die Testfunktionen treten mit ϕ bzw. ∂i ϕ auf, die gesuchte Losung mit ∂i u . Als

geeigneter Abschluß bietet sich also der Raum H1,2(Ω) , bzw.H1,2(Ω) , an, denn die

Elemente dieses Raumes besitzen alle Nullrandwerte (in einem schwachen Sinne), sodaßder Raum als Losungsraum geeignet ist.

u heißt schwache Losung des Dirichletproblems wenn u ∈H1,2(Ω) und

Ω

n∑

i,j=1

∂i ϕ aij ∂j u dx = −∫ (

n∑

i=1

∂i ϕ ei + ϕ f

)dx ∀ϕ ∈

H1,2(Ω) .

Die folgenden Uberlegungen gelten fur aij ∈ L∞(Ω), ei, f ∈ L2(Ω) .Dies sind Abschwachungen der bisherigen Differenzierbarkeits- und Stetigkeitseigen-schaften, jedoch, soweit es die ei betrifft, zusatzliche Integrierbarkeitseigenschaften.

Grundidee der Vorgehensweise:

1. Wir zeigen, daß die linke Seite der Differentialgleichung ein Skalarprodukt a(u, ϕ)

inH1,2(Ω) definiert, und

2. daß die dadurch induzierte Norm√

a(u, u) aquivalent ist mit ‖ ‖H1,2(Ω) .

Dann istH1,2(Ω) ein Hilbertraum mit dem Skalarprodukt a( , ) .

3. Wir zeigen, daß die rechte Seite der Differentialgleichung eine stetige Linearform

F (ϕ) im Hilbertraum

( H1,2(Ω), a( , )

)ist. Dann gibt es nach dem Darstel-

lungssatz von Riesz genau ein u ∈H1,2(Ω) , sodaß a(u, ϕ) = F (ϕ) . Dieses u ist

dann schwache Losung des Dirichletproblems.

zu 1) a(v, w) :=∫Ω

∑i,j

∂i v aij ∂j w dx ist ein Skalarprodukt inH1,2(Ω) .

Die Linearitat ist offensichtlich. Mit Holder fur 12

+ 12

= 1 gilt mit einem K > 0

|a(v, w)| ≤∫

Ω

i,j

‖aij‖L∞(Ω)|∂i v| |∂j w| dx ≤ K ‖v‖H1,2(Ω)‖w‖H1,2(Ω),

also die Existenz (und Stetigkeit) von a(v, w) .

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127

Die Definitheit folgt aus dem Beweis des nachsten Lemmas.

zu 2) zeigen wir das

Lemma

( H1,2(Ω), a( , )

)ist ein Hilbertraum.

Beweis:

H1,2(Ω) ist ein Hilbertraum,H1,2(Ω) ein abgeschlossener Teilraum, also auch ein Hil-

bertraum. Wir zeigen, daß die indudzierte Norm√

a(u, v) aquivalent ist zu ‖‖H1,2(Ω) .

Dann ist auch

( H1,2(Ω), a( , )

)ein Hilbertraum.

Zu zeigen ist: es gibt Konstanten 0 < c < C <∞ , sodaß

c‖u‖2H1,2 ≤ a(u, u) ≤ C‖u‖2H1,2 ∀u ∈H1,2(Ω) .

Beachte: Diese Ungleichungen besagen auch die Definitheit von a(u, v) .

Die rechte Abschatzung folgt mit der CSU aus der Definition von a .

a(u, u) ≤∑

i,j

‖aij‖L∞ ‖∂i u‖L2 ‖∂i u‖L2 ≤ C‖u‖2H1,2 fur ein C > 0.

Zum Beweis der linken Ungleichung beachten wir im 1. Schritt, daß die Elliptizitat eine

Abschatzung von a(u, u) nach unten ermoglicht. Mit | grad u|2 =n∑

i=0

|∂i u|2 folgt

(i) a(u, u) ≥ C0

∫Ω

| grad u|2 dx (”grad“ im schwachen Sinn, vgl. Definition 4.33) .

In einem 2. Schritt schatzen wir ‖u‖2H1,2 nach oben ab durch∫Ω

| grad u|2 dx .

Mit ∂0 u := u gilt

‖u‖2H1,2 =

(n∑

i=0

√∫|∂i u|2 dx

)2

=

∫|u|2 dx +

n∑

i=1

∫|∂i u|2 dx +

n∑

i,j=0i6=j

√∫|∂i u|2 dx

∫|∂j u|2 dx

≤∫|u|2 dx +

n∑

i=1

∫|∂i u|2 dx +

n∑

i,j=0i6=j

max

(∫|∂i u|2 dx,

∫|∂j u|2 dx

)

≤∫|u|2 dx +

n∑

i=1

∫|∂i u|2 dx +

n∑

i,j=0i6=j

(∫|∂i u|2 dx +

∫|∂j u|2 dx

).

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128 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Deshalb gibt es naturliche Zahlen ki, i = 0, 1, . . . , n :

‖u‖2H1,2 ≤ k0

∫|u|2 dx+

n∑

i=1

ki

∫|∂i u|2 dx ≤ max ki︸ ︷︷ ︸

k

(∫|u|2 dx +

∫| grad u|2 dx

).

Kann man nun noch eine Abschatzung der Art

(ii)∫Ω

|u|2 dx ≤ c∫Ω

| grad u|2 dx (Poincaresche Ungleichung)

zeigen, dann folgt mit der Konstanten k

1

k‖u‖2H1,2 ≤

Ω

|u|2 dx +

Ω

| grad u|2 dx(ii)

≤ (c + 1)

Ω

| grad u|2(i)

≤ c + 1

C0a(u, u) ,

also die gewunschte Abschatzung mit c =C0

k(c + 1).

(ii) wird bewiesen in

Satz 8.12 Poincare UngleichungIst Ω ⊂ Rn offen und beschrankt, so gibt es ein c > 0 (abhangig von Ω ) mit

Ω

|u|2 dx ≤ c

Ω

| grad u|2 dx ∀u ∈H1,2(Ω) .

Beweis:

Die Ungleichung muß nur fur ϕ ∈ C∞0 (Ω) gezeigt werden. Wegen der Holderschen

Ungleichung und da C∞0 (Ω) dicht in

H1,2(Ω) ist (vgl. Definition 4.36), gilt sie dann

auch inH1,2(Ω) .

Da Ω beschrankt ist, existiert ein k > 0 , sodaß fur x = (x1, . . . , xn)T ∈ Ω gilt:|xi| ≤ k ∀ i .

Nun erhalt man durch partielle Integration fur ϕ ∈ C∞0 (Ω) bzgl. xi :

‖ϕ‖2L2 =

Rn

|ϕ|2 · 1 dx =

∣∣∣∣∣∣

Rn

xi∂

∂ xi|ϕ|2 dx

∣∣∣∣∣∣≤∫

Rn

|xi| 2|ϕ · ϕxi| dx

≤ 2k

Rn

|ϕ| |ϕxi| dx

CSU≤ 2k ‖ϕ‖L2 ‖ϕxi

‖L2

=⇒ ‖ϕ‖L2 ≤ 2k‖ϕxi‖L2 =⇒ ‖ϕ‖2L2 ≤ (2k)2 ‖ϕxi

‖2L2

=⇒ ∃ c : ‖ϕ‖2L2 ≤ c∑i

‖ϕxi‖2L2 = c

∫Ω

| grad ϕ|2 dx .

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129

zu 3) Existenz einer schwachen Losung des Dirichletproblems

Es wird ein u ∈H1,2(Ω) gesucht mit

a(u, v) = F v := −∫

Ω

(∑

i

∂i v ei + v f

)dx ∀ v ∈

H1,2(Ω) .

Nach dem Riesz’schen Darstellungssatz gibt es genau so ein u , falls F ein Element

∈H1,2(Ω)∗ ist. Dies trifft zu, da

|F v|Holder≤

i

‖∂i v‖L2 ‖ei‖L2 + ‖v‖L2 ‖f‖L2 ≤(∑

i

‖ei‖L2 + ‖f‖L2

)‖v‖H1,2

≤ 1√c

(∑

i

‖ei‖L2 + ‖f‖L2

)‖v‖X

x

vgl. Beweis zu 2) wo ‖v‖X =√

a(v, v)

Mit Hilfe von Regularitatssatzen kann man unter geeigneten Voraussetzungen zeigen,daß u sogar starke Losung ist.

Anmerkungen zum Dualraum von C[a, b]

Definition 8.13Seien a = t0 < t1 < . . . < tn = b, n ∈ N, beliebige Zerlegungungen des Intervalls

[a, b] .Eine Funktion v : [a, b] −→ R heißt von beschrankter Schwankung (v.b.S) wenn gilt

Varba v := sup

a=t0<t1<...<tn=bn∈N

n∑

ν=1

|v(tν)− v(tν−1)| < ∞.

Varba v heißt totale Variation von v in [a, b] .

Bekanntlich gilt (z.B. Riesz-Nagy): Jede Funktion v.b.S. laßt sich als Differenz zweierbeschrankter, monoton nicht fallender Funktionen darstellen.

Daraus folgt (Aufgabe):

Eine Funktion f v.b.S. hat nur abzahlbar viele Unstetigkeitsstellen.

Nun zeigt man analog zum Existenzbeweis des Riemann’schen Integrals:

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130 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Definition und Satz 8.14Ist x ∈ C[a, b] und v : [a, b] −→ R v.b.S., so existiert das Riemann-Stieltjes-Integral

b∫

a

x(t) dv(t) := limn→∞

n∑

ν=1

x(τ (n)ν

)(v(t(n)ν

)− v(t(n)ν−1

)).

(Grenzubergang fur beliebige Intervallzerlegungen a ≤ t(n)0 < . . . < t

(n)n ≤ b

mit maxν

∣∣t(n)ν −t

(n)ν−1

∣∣ n→∞−−−→ 0 , fur jede Wahl von Zwischenpunkten τ(n)ν ∈

[t(n)ν−1, t

(n)ν

].)

Die linearen Funktionale auf (C[a, b], ‖ ‖∞) werden beschrieben durch

Satz 8.15In (C[a, b], ‖ ‖∞) gilt:

1. ∀ f ∈ C[a, b]∗ ∃ v[a, b] −→ R v.b.S. sodaß

f(x) =

b∫

a

x(t) dv(t) ∀x ∈ C[a, b] und ‖f‖ = Varba v .(∗)

2. C[a, b]∗ ist vermoge (∗) normisomorph zum Raum NBV [a, b] (d.h. normali-sierte Funktionen v.b.S. auf [a, b] fur die gilt v(a) = 0 und lim

h→0+v(t+h) = v(t)

(rechtsseitig stetig)).

NBV [a, b] ist normiert durch ‖v‖ = Varba v .

Wir beweisen nur a). Fur b) verweisen wir z.B. auf Bachmann-Narici p. 226 f. oder AltS. 121, U 4.11.

Beweis a)

Beweisidee zur Konstruktion des Funktionals (mit Hilfe des Fortsetzungssatzesvon Hahn-Banach).Sei f ∈ C[a, b]∗ =⇒ ∃ Fortsetzung f auf B[a, b] (beschrankte Funktionen) unterErhaltung der Norm. f soll auf x ∈ C[a, b] angewandt werden. Dazu wird x ∈ C[a, b]geschickt durch Treppenfunktionen approximiert. Auf diese Darstellung wird f ange-wendet. Danach wird der Grenzubergang von den Treppenfunktionen zur Funktion xvollzogen. Man erhalt so eine Riemann-Stieltjes-Summe und damit auch die gesuchteFunktion v von beschrankter Schwankung.

Jedes x ∈ C[a, b] (Œ [a, b] = [0, 1] ) ist gleichmaßig stetig, kann also wie folgtgleichmaßig durch Treppenfunktionen (die sind ∈ B[a, b] ) approximiert werden:Fur

zt(τ) =

1, a ≤ τ ≤ t0, t < τ ≤ b

, t ∈ [a, b] ist zt ∈ B[a, b]

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131

und es gilt

x(t) = limn→∞

n∑

ν=1

x(ν

n

) (z ν

n(t)− z ν−1

n(t)

).

Wegen der Stetigkeit von f gilt

f(x) = f(x) = limn→∞

n∑

ν=1

x(ν

n

) (f(z ν

n

)− f

(z ν−1

n

)).

Mit v(t) := f(zt) erhalt man hieraus

f(x) = f(x) = limn→∞

n∑

ν=1

x(ν

n

) (v(ν

n

)− v

(ν − 1

n

))=

n∫

a

x(t) dv(t).

Dies ist die Darstellung eines Stieltjen Integrals, falls v(t) v.b.S.

Wir zeigen: v(t) := f(zt) ist v.b.S. und Varba v = ‖f‖ .

Fur a0 = t0 < t1 < . . . < tn = b gilt mit εν =|v(tν)− v(tν−1)|v(tν)− v(tν−1)

(bzw. = 1, falls

0

0

)

n∑

ν=1

|v(tν)− v(tν−1)| =

n∑

ν=1

εν

(v(tν)− v(tν−1)

)=

n∑

ν=1

εν

(f(ztν )− f(ztν−1

))

= f

(n∑

ν=1

εν(ztν − ztν−1)

)≤ ‖f‖

∥∥∥∥∥

n∑

ν=1

εν(ztν − ztν−1)

∥∥∥∥∥≤ ‖f‖ · 1

wegen ‖f‖ = ‖f‖, |εν| = 1,n∑

ν=1

(ztν − ztν−1) = 1 auf [a, b]. =⇒

(∗) f ist v.b.S. und Varba v ≤ ‖f‖ .

Schließlich gilt fur Stieltjes Integrale, falls x ∈ C[a, b] :

|f(x)| =

∣∣∣∣b∫

a

x(t) dv(t)

∣∣∣∣ ≤ maxt∈[a,b]

|x(t)| Varba v =⇒ ‖f‖ ≤ Varb

a v

↑ vgl. Definition 8.14

Zusammen mit (∗) also ‖f‖ ≤ Varba v ≤ ‖f‖, d.h. ‖f‖ = Varb

a v.

Aus diesem Satz ergibt sich sofort die

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132 § 8 FORTSETZUNG LINEARER ABBILDUNGEN UND FUNKTIONALE

Folgerung 8.16Das lineare Funktional auf (C[a, b], ‖ ‖∞)

f(x) =

b∫

a

x(t) ϕ(t) dt, ϕ (absolut) integrierbar

hat die Norm ‖f‖ =b∫

a

|ϕ(t)| dt .

Beweis:

Schreibe f als Stieltjes Integral

b∫

a

x(t) ϕ(t) dt =

b∫

a

x(t) dm(t) mit m′(t) = ϕ(t) (f.u.) ,

und der Mittelwertsatz der Differentialrechnung und der vorige Satz liefern:

‖f‖ = Varba m = sup

n∑

ν=1

|m(tν)−m(tν−1)| MWS= sup

ν

|ϕ(tν)| |tν−tν−1| =b∫

a

|ϕ(t)| dt.

Zur Konstruktion der Funktionale auf Quotientenraumen verweisen wir auf die Litera-tur (z.B. Wloka S. 99 f.). Wir geben, ohne Beweis, an wie man die linearen Funktionaleauf Produktraumen erhalt.

Satz 8.17Seien (Xi, ‖ ‖i) normierte Raume, X = X1 × . . .×Xn der Produktraum mit einer

der Normen

‖x‖ =

(n∑

i=1

‖xi‖pi

) 1

p

, 1 ≤ p <∞, x = (x1, . . . , xn)T

bzw. ‖x‖ = maxi‖xi‖i im Fall p =∞ .

Dann sind die Elemente von X∗ gerade die Funktionale f mit

f(x) =∑n

i=1 fi(xi) , fi ∈ X∗i , x ∈ X, xi ∈ Xi

und es gilt

‖f‖ =

(n∑

i=1

‖fi‖qi

) 1

q

, wobei1

p+

1

q= 1, 1 < p <∞,

bzw. ‖f‖ = maxi=1,··· ,n

‖fi‖i fur p = 1 und ‖f‖ =∑n

i=1 ‖fi‖i fur p =∞.

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133

Beweis: Z.B. Wloka S. 101 f.

Bemerkung:

1. Als Spezialfall erhalt man die Darstellung der linearen Funktionale auf Rn unddie jeweils zugehorigen Normen.

2. Vgl. das Ergebnis mit Satz 8.10.

3. Man kann naturlich fur die Raume auch andere Normen als die angegebenenzugrunde legen (z.B. gewichtete Normen) und erhalt dann naturlich auch ent-sprechend abgewandelte lineare Funktionale.

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134 § 9 PRINZIP DER GLEICHMAßIGEN BESCHRANKTHEIT

§ 9 Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit

Die folgenden Uberlegungen wurden u.a. motiviert durch die Frage:

Unter welchen Voraussetzungen konvergieren Quadraturformeln (lineare Funktionale)?(vgl. dazu die Anwendung am Ende des Paragraphen)

Satz 9.1 Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit fur stetige Funktionen

Sei (X, d) ein vollstandiger, metrischer Raum, (Y, ‖‖) normiert und F ⊂ C0(X, Y )mit

supf∈F‖f(x)‖ < ∞ fur jedes x ∈ X (punktweise beschrankt) .

Dann gibt es eine Kugel Kε(x0) ⊂ X sodaß supd(x,x0)≤ε

supf∈F‖f(x)‖ < ∞ ,

d.h. aus der punktweisen Beschrankung folgt die gleichmaßige Beschrankung auf einerKugel.

Beweis:Wir benutzen den Baire’schen Kategoriensatz (Satz 2.8) in der folgenden Formulierung:

Sei (X, d) vollstandig und X =⋃

k∈N

Ak, Ak abgeschlossen =⇒ ∃ k0 mitAk06= ∅ .

(Dies ist klar, andernfalls ware X mager.)

Setze Ak :=⋂

f∈Fx ∈ X; ‖f(x)‖ ≤ k (der beliebige Durchschnitt abgeschlossener

Mengen ist abgeschlossen).

Nach Voraussetzung bilden die Ak eine Uberdeckung von X (punktweise Beschrankt-heit).

Baire========> ∃ k0 :

Ak06= ∅ und sup

x∈Ak0

supf∈F‖f(x)‖ ≤ k0 ,

und man kann eine Kugel Kε(x0) ⊂ Ak0wahlen.

Fur lineare, stetige Abbildungen folgern wir daraus

Satz 9.2 Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit fur lin. AbbildungenSei X ein Banachraum (normiert, vollstandig) und (Y, ‖ ‖) normiert, sowie

(∗) T ⊂ L(X, Y ) mit supT∈T‖Tx‖ < ∞ fur jedes x ∈ X

(d.h. punktweise beschrankt)

Dann folgt supT∈T‖T‖ < ∞ (d.h. T in L(X, Y ) beschrankt).

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135

Bemerkung: T in L(X, Y ) beschrankt, bedeutet T ist gleichgradig stetig.(vgl. Definition 6.5)

Beweis:Durch fT (x) := ‖Tx‖ fur T ∈ T , x ∈ X , sind Funktionen fT ∈ C0(X, R) definiert,

und F := fT ; T ∈ T ist punktweise beschrankt (vgl. Satz 9.1).

Also gibt es eine Kugel Kε(x0) und ein C < ∞ mit ‖Tx‖ ≤ C fur T ∈ T und‖x− x0‖ ≤ ε (d.h. x ∈ Kε(x0) ).

Dann folgt fur alle T ∈ T und alle x 6= 0

‖Tx‖ =‖x‖ε

∥∥∥∥T(

x0 + εx

‖x‖

)

︸ ︷︷ ︸≤ C

−T (x0)︸ ︷︷ ︸≤ C

∥∥∥∥ ≤‖x‖ε· 2C , d.h. ‖T‖ ≤ 2C

ε∀T ∈ T .

Folgerung:Sei (X, ‖ ‖) ein Banachraum und (Y, ‖ ‖) normiert, An ⊂ L(X, Y ) eine Folge, dieauf X punktweise gegen eine Abbildung A konvergiert, d.h.∀x ∈ X ∃Ax = lim

n→∞Anx .

=⇒ A ∈ L(X, Y ) und ‖A‖ ≤ lim inf ‖An‖ <∞ .

Beweis: Ubungsaufgabe.

Satz 9.3 Banach-SteinhausSeien (X, ‖ ‖) und (Y, ‖ ‖) Banachraume und Ann∈N ⊂ L(X, Y ) , dann gilt:

∀x ∈ X∃Ax = limn→∞

Anx∧A ∈ L(X, Y ) ⇐⇒

1) ∃M > 0 : ‖An‖ ≤ M ∀n ∈ N

2) Anx ist CF ∀x ∈ D, D = X

Bemerkungen

1. Auch Satz 9.2 wird als Satz von Banach-Steinhaus zitiert. Er liefert die Beweis-richtung

”=⇒“ von Satz 9.3. Fur diese Richtung ist die Vollstandigkeit von Y

nicht notig.

2. Zum Beweis von Satz 9.3 muß also nur noch die Richtung”⇐=“ gezeigt werden.

Der Beweis wird zeigen, daß hierfur die Vollstandigkeit von X nicht notig ist.

3. Die Voraussetzung A ∈ L(X, Y ) in Satz 9.3 ist schon durch die obige Folgerungals erfullt nachgewiesen.

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136 § 9 PRINZIP DER GLEICHMAßIGEN BESCHRANKTHEIT

Beweis”

⇐=“:

∀x ∈ X ∧ ∀ ε > 0 ∃x′ ∈ D : ‖x− x′‖ < ε ∧ ‖Anx′ − Amx′‖ < ε ∀n, m > N .

Da Y vollstandig ist, genugt es zu zeigen: ∀x ∈ X ist Anx CF.

‖Anx− Amx‖ ≤ ‖Anx− Anx′‖ + ‖Anx′ −Amx′‖ + ‖Amx′ −Amx‖≤ ‖An‖ε + ε + ‖Am‖ε≤ (‖An‖+ ‖Am‖)ε + ε≤ (2M + 1)ε .

Bemerkung: Neben der Anwendung auf Quadraturformeln, die gleich beschriebenwird, spielt der Satz auch eine wichtige Rolle bei der Untersuchung vonEigenschaften der schwachen Topologie (vgl. § 11).

Anwendung auf die Konvergenz von Quadraturformeln

Sei X = CR[a, b], Y = R , dann hat eine Quadraturformel zur Berechnung von

f(x) =b∫

a

x(t) dt die Gestalt

(∗) fn(x) :=n∑

k=1

a(n)k x(t

(n)k ) wobei a ≤ t

(n)1 < t

(n)2 < . . . < t

(n)n ≤ b .

Dann liefern der Satz von Weierstraß (Polynome dicht in C[a, b] ) und der Satz vonBanach-Steinhaus:

Satz 9.4Die Quadraturformeln fn (gemaß (∗) ) konvergieren genau dann fur jede stetige

Funktion x , wenn gilt:

1.n∑

k=1

|a(n)k | ≤M <∞, n = 1, 2, . . . (vgl. § 7, Beispiel 2)).

2. Die fn konvergieren fur jedes Polynom.

Gilt a(n)k ≥ 0 fur alle k, n , so ist wegen

b− a =

b∫

a

1 dt2)= lim

n→∞

n∑

k=1

a(n)k = lim

n→∞

n∑

k=1

|a(n)k |

die Bedingung 1. uberflussig.

Beachte: Betrachtet man die reine Interpolationsquadratur, so ist

a(n)k ≥ 0 ∀ k, n nicht erfullt (vgl. Wloka) .

Fur die Gauß’schen Formeln ist diese Bedingung erfullt (vgl. Wloka, S. 133 ff.). Es giltsogar fn(p) = f(p) fur alle Polynome vom Grad ≤ 2n− 1 .

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137

Der Satz von Banach-Steinhaus gehort zu den zentralen Satzen der Funktionalanalysis.Er findet Anwendungen u.a. bei

• Summationsverfahren bei Reihen (Kantorowitsch/Akilow, S. 216),

• Fourier-Reihen (Kant. Akilow, S. 209, Werner Kap IV),

• Differenzenverfahren fur AWAn (z.B. Ansorge-Hass: Konvergenz von Differenzen-verfahren fur lineare und nichtlineare AWAn, Springer 1970; Aquivalenzsatz vonLax),

• Beschreibung der schwachen Topologie (vgl. § 11).

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138 § 10 DER SATZ VON DER OFFENEN ABBILDUNG

§ 10 Der Satz von der offenen Abbildung

Homomorphiesatz von Banach

Der folgende Satz wird motiviert durch die Frage nach der stetigen Abhangigkeit einerLosung x∗ der Gleichung Ax = y von der rechten Seite y . Existiert ein Losungsope-rator A−1 , der auf dem ganzen Bildraum von A definiert ist, so hangt die Losungstetig von der rechten Seite ab, wenn A−1 stetig ist, d.h. wenn A offen ist.

Definition 10.1 Offene AbbildungSind X, Y metrische Raume, so heißt f : X → Y offen, falls:

U offen in X =⇒ f(U) offen in Y .

In normierten Raumen gilt folgende Charakterisierung:

Lemma 10.2 Charakterisierung offener linearer Abbildungen

(X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖), A : Xlin−→ Y , dann gilt

A offen ⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃ δ > 0 : K ′δ(0) ⊂ A(Kε(0))

( K bzw. K ′ bezeichnen offene Kugeln in X bzw. Y .)

Beachte: Falls A−1 existiert, ist dies genau die Stetigkeitsdefinition fur A−1 .

Beweis

”=⇒“:

Erinnerung: In linearen Raumen kann man sich auf Nullumgebungen beschranken.

Kε(0) offen =⇒ A(Kε(0)) offen ∧ 0 ∈ A(Kε(0)) =⇒ ∃K ′δ(0) ⊂ A(Kε(0)).

”⇐=“ U ⊂ X offen ⇐⇒ ∀x ∈ U ∃Kε(x) ⊂ U

=⇒ A(U) ⊃ A(Kε(x)) = A(x + Kε(0)) = Ax + A(Kε(0)) und nach Vor.

↑ ⊃ Ax + K ′δ(0)

lin.top.Raum = K ′

δ(Ax).

Wir haben damit∀Ax ∈ A(U) ∃K ′

δ(Ax) ⊂ A(U),

d.h. A(U) ist offen.

Durch eine Skizze verdeutlichen wir die

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139

geometrische Anschauung

rx

ryKε

U

K ′δ

AUA(Kε(x))

j

A

x→ y = Ax

X Y

Da X, Y lineare topologische Raume, wahle Πx = y = 0 .

Satz 10.3 Homomorphiesatz von Banach, Satz von der offenen Abbildung

Seien (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) Banachraume und A ∈ L(X, Y ) , dann gilt

A surjektiv ⇐⇒ A offen

Bemerkung:

”A offen“ bedeutet: Wenn die Umkehrabbildung existiert, ist sie stetig.

Wir betrachten in diesem Beweis nur offene Kugeln K ′s ⊂ Y, Kδ ⊂ X um den Null-

punkt, den wir in der Bezeichnung unterdrucken.

Beweis”=⇒“: Ziel: Nachweis der Eigenschaft aus Lemma 10.2.

1) Wir zeigen zunachst ∀ δ > 0 ∃ s > 0 : K ′s ⊂ A(Kδ).

Beachte hierzu:Ohne den Querstrich waren wir nach Lemma 10.2 schon fertig.

Da Kugeln absorbierend sind ( ∀x ∈; ∃n ∈ N : x ∈ nKr ), gilt X =∞⋃

n=1

n Kr ∀ r > 0 .

Daraus folgt, da A surjektiv ist und Y abgeschlossen (als Banachraum)

Y = A(X) = A

( ∞⋃

n=1

n Kr

)=

∞⋃

n=1

n A(Kr) =

∞⋃

n=1

n A(Kr) .

Nach dem Satz von Baire (er benotigt, daß Y vollstandig und A(Kr) abgeschlossenist) folgt

∃n0 ∈ N mit

n0 A(Kr) 6= ∅, also auch

A(Kr) 6= ∅ . =⇒∃ y ∈ A(Kr) ∧ ∃s > 0 : y + K ′

s ⊂ A(Kr) (y + K ′s ist Umgebung von y).(10.1)

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140 § 10 DER SATZ VON DER OFFENEN ABBILDUNG

(10.2) Mit y ∈ A(Kr)ist auch − y ∈ A(Kr),

denn: ∃xi ∈ Kr : Axi → y

Kr kreisformig=====================> −xi ∈ Kr =⇒ A(−xi) = −A(xi) ∈ A(Kr)

=⇒ −Axi → −y ∈ A(Kr) .

=⇒ K ′s

(10.1)⊂ −y + A(Kr)

(10.2)⊂ A(Kr) + A(Kr) ⊂ A(K2r) , weil N + M ⊂ N + M .

Setze 2r = δ .

2) Im 2. Schritt zeigen wir:

(10.3) Zu 0 < δ < δ ∃ s1 > 0 : K ′s1⊂ A(Kδ).

Dies genugt zum Beweis der Behauptung, denn wegen Kδ ⊂ Kδ , also A(Kδ) ⊂ A(Kδ) ,ist dann nach Lemma 10.2 die Behauptung des Satzes bewiesen.

Beweis (10.3): Aus Schritt 1) folgt:

Zu rν = δ 2−ν ∃ sν > 0 : K ′sν⊂ A(Krν

).(10.4)

OE sν ≤sν−1

2, also sν ≤ s1 2−ν ,

denn durch eine etwaige Verkleinerung von sν bleibt (10.4) richtig.

Fur beliebiges y0 ∈ K ′s1

konstruieren wir eine CF xν ⊂ Kδ mit xν ∈ Krν(⊂ Kδ)

und Axν → y0.

Dies genugt zum Beweis der Behauptung, denn da X vollstandig ist, folgt hieraus

xν → x0 ∈ Kδ

A stetig===========> y0 = Ax0 ∈ A(Kδ) =⇒ K ′

s1⊂ A(Kδ)

δ<δ⊂ A(Kδ).

Konstruktion der Folge unter Beachtung von A(Krν) dicht in A(Krν

).

Zu y0 ∈ K ′s1

(10.4)⊂ A(Kr1

) ∃x1 ∈ Kr1, Ax1 ∈ A(Kr1

) : ‖y0 −Ax1‖ ≤ s2 ≤ s1/2.

Zu y0 − Ax1 ∈ K ′s2

(10.4)⊂ A(Kr2

) ∃x2 ∈ Kr2, Ax2 ∈ A(Kr2

) :‖(y0 − Ax1)− Ax2‖ ≤ s3 ≤ s2/2.

usw.

Man erhalt also eine Folge xν, xν ∈ Krνmit

‖y0 − A

(n∑

ν=1

)‖ ≤ sn+1 ≤ s1 2−n.

Hieraus folgt y0 −Axn → 0, und die Konvergenz der Teilsummenfolge xn : =n∑

ν=1

gegen ein x0 ∈ Kδ ergibt sich aus dem Majorantenkriterium

‖xn‖ ≤n∑

ν=1

‖xν‖ ≤n∑

ν=1

rν =n∑

ν=1

δ 2−ν < δ ∀n (geometrische Reihe).

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141

Beweis”

⇐=“: Zeige: A surjektiv, d.h. Y ⊂ A(X).

Nach Lemma 10.2 gilt: ∀ η > 0 ∃ δ > 0 : K ′δ(0) ⊂ A(Kη(0)).

Kugeln sind absorbierend: ∀ y ∈ Y ∃ n ∈ N : y ∈ nK ′δ(0) =⇒ Y =

⋃n∈N

nK ′δ(0).

Damit folgt die Behauptung aus nK ′δ(0) ⊂ nA(Kη(0)) = A(Knη(0)).

Anwendungsbeispiel:Stetige Abhangigkeit der Losung einer Randwertaufgabe von der rechtenSeite der Differentialgleichung

Seien

X =x ∈ C2[a, b] : x(a) = x(b) = 0, ‖x‖C2 = maxt∈[a,b]i=0,1,2

|x(i)(t)|

Y =(C[a, b], ‖ ‖∞).

X ist ein linearer Raum, da die Randwerte homogen sind.

Sei A : X → Y gegeben durch

y(t) = (Ax) (t) = a0(t) x′′(t) + a1(t) x′(t) + a2(t) x(t)(a0, a1, a2 ∈ C[a, b])

A ist linear und stetig, denn ‖Ax‖ ≤ maxt∈[a,b]i=0,1,2

|ai(t)| · ‖x‖|C2 .

Besitzt nun die RWA

(Ax) (t) = y(t), x(a) = x(b) = 0

fur jedes y ∈ C[a, b] eine eindeutig bestimmte Losung (d.h. AX = Y und ∃A−1 ),so ist A−1 stetig und eine kleine Storung der rechten Seite y(t) zieht nur eine kleineStorung der Losung und ihrer beiden Ableitungen ( C2 -Norm) nach sich. Dies ist furdie Numerik wichtig, da auf Grund von Rundungsfehlern immer Storungen auftreten.

Die Vorgabe homogener Randwerte bedeuet keine Einschrankung, denn

ist x(a) = ya, x(b) = yb , so hat mit g(t) = ya +yb − ya

b− adie Funktion

x(t) = x(t) − g(t) homogene Randwerte und man betrachtet die Differentialgleichungfur x(t), deren Koeffizienten wieder stetige Funktionen sind.

Eine Folgerung aus dem Homomorphiesatz ist der

Satz vom abgeschlossenen Graphen

Bei vielen Anwendungen erhalt man Operatoren, die nicht stetig sind, jedoch eine et-was schwachere Bedingung erfullen, namlich die Abgeschlossenheit.

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142 § 10 DER SATZ VON DER OFFENEN ABBILDUNG

Definition 10.4Seien (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) normiert und D ⊆ X ein (Unter-) Vektorraum.

1. A : D → Y heißt graphenabgeschlossen, wenn eine der beiden aquivalentenBedingungen erfullt ist:

(a) Der Graph G := (x, Ax) : x ∈ D ist abgeschlossen in X × Y(vgl.dazu Satz 4.16).

(b) AusD ∋ xn −→ x in X

Axn =: yn −→ y in Y

=⇒

x ∈ D undAx = y .

2. A : X → Y heißt abgeschlossen, falls gilt

M ⊂ X abgeschlossen =⇒ AM abgeschlossen.

BemerkungenZu 1.: Die Aquivalenz (a) ⇐⇒ (b) ist offensichtlich.Zu 2.: Ist A abgeschlossen und existiert A−1 , so ist A−1 stetig.

Die beiden Begriffe graphenabgeschlossen und abgeschlossen sind nicht aquivalent, wiefolgendes Beispiel zeigt:

D = X = Y = R, f : R→ R, f(x) =

1/x, x 6= 0

0, x = 0 .

Da (R, f(R)) abgeschlossen ist, ist f graphenabgeschlossen, aber nicht abgeschlossen,denn

f(

[1,∞))

= (0, 1] .

Vorsicht beim Literaturstudium: Die beiden Begriffe werden gelegentlich syn-onym verwendet.

Man sieht: Jede stetige Abbildung ist graphenabgeschlossen(die Voraussetzung yn → y in Y kann dann entfallen).

Die Umkehrung ist jedoch i.allg. nicht richtig.

Beispiele fur graphenabgeschlossene Abbildungen sind viele Differentialoperatoren.Wirbehandeln nur das einfachste

Beispiel:

X =

(C1[a, b], ‖ ‖∞

), Y =

(C[a, b], ‖ ‖∞

)

A : X → Y, (Ax) (t) = x′(t) ist nicht stetig (vgl. Ubungen, Aufgabe 3).

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143

A ist jedoch graphenabgeschlossen, denn nach einem bekannten Satz der Analysis giltfur Funktionen aus C1[a, b] :

Konvergiert xn → x gleichmaßig und x′n → z gleichmaßig, dann konnen

Differentiation und Grenzwertbildung vertauscht werden und es gilt x′ = z .

Die Umkehrung gilt jedoch, wenn X und Y Banachraume sind und A linear ist, wieder folgende Satz zeigt, den wir mit Hilfe des Homomorphiesatzes beweisen.

Satz 10.5 Satz vom abgeschlossenen Graphen

Sind (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) Banachraume, so gilt fur A : Xlinear−−−→ Y ,

A graphenabgeschlossen ⇐⇒ A stetig

Beweis”

⇐=“: trivial

Beweis”=⇒“: Idee: Setze A aus stetigen Abbildungen zusammen.

Xg−→ GA := (X, AX)

v−→ AX, A = v g.

1. Die Projektionen u, v sind stetig

X × Yv−→ Y

X × Yu−−→ X

denn z.B.: Ist U ⊂ X offen =⇒ u−1(U) = U ×Y und diese Menge ist offen.

2. Zeige g ist stetig.

X × Y ist BR (vgl. Satz 4.16)

X × AX ist laut Voraussetzung ein abgeschlossener Teilraum, also auch BR .

Die Abbildung

u = Restr., u∣∣GA

u : X × AX −→ X,

ist linear, stetig, surjektiv, bijektiv, also existiert u−1 und u−1 = g ist nach demHomomorphiesatz stetig.

Bemerkung: Der Satz findet Anwendung z.B. bei Summierbarkeitsmethoden ( vgl. Wer-ner: Kap. IV.4)

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144 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

§ 11 Ein”schwacher“ Paragraph

Schwache Topologie, schwache Konvergenz, schwacheKompaktheit, Reflexivitat

In vielen Anwendungen erweist sich die Normkonvergenz als zu restriktiv, deshalbwerden schwachere Konvergenzbegriffe (schwache Konvergenz) eingefuhrt. Dies schließteine Lucke, die der Satz von Bolzano-Weierstrass in unendlich dimensionalen Raumenhinterlaßt (Existenz einer (Norm-) konvergenten Teilfolge einer beschrankten Folge).Wir werden folgenden Satz beweisen. (vgl. Heuser, Satz 27.1)

SatzJede beschrankte Folge in einem Hilbertraum besitzt eine schwach konvergente Teil-folge.

Mit Hilfe der schwachen Konvergenz lassen sich z.B. Minimumprobleme unter schwache-ren Voraussetzungen losen.

Definition 11.1Sei (X, ‖ ‖) ein normierter Raum. Die Topologie Tw, die auf X die erzeugt wird

von der Menge

S = f−1(N); N offen im Zahlkorper IK, f ∈ X∗ ,

heißt schwache Topologie (weak topology).

Bezeichnung: Tw = T (X, X∗) : Die von X∗ auf X erzeugte Topologie.

Bemerkungen:

1. Alle Eigenschaften der Topologie Tw werden”schwach“ genannt (schwach offen,

schwach kompakt usw.).

2. Erinnerung: Die von S erzeugte Topologie (vgl. S. 14) enthalt neben den Mengenvon S endliche Durchschnitte und beliebige Vereinigungen dieser Mengen, sowiedie leere Menge und den ganzen Raum.

3. Offensichtlich gilt: Tw ist die grobste Topologie bzgl. der alle f ∈ X∗ stetigsind, denn sie ist die grobste Topologie, die als offene Mengen zumindest alle Ur-bilder offener Mengen unter den linearen stetigen Funktionalen f ∈ X∗ enthalt.

4. Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß in dieser Vorlesung mit L∗ die Mengeder linearen und stetigen Funktionale bezeichnet wird, (wie z.B. im Funktional-analysisbuch von Pflaumann-Unger. Im Buch von Heuser wird genau umgekehrtbezeichnet, also mit L′ die linearen und stetigen Funktionale und mit L∗ die(algebraisch) linearen Funktionale, also Vorsicht beim Literaturstudium.)

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145

Satz 11.2(X, ‖ ‖) sei normiert =⇒

1. (X, Tw) ist ein Hausdorff-Raum (d.h. erfullt das Hausdorff-Trennungsaxiom).

2. Eine Folge xn ⊂ X ist Tw -konvergent (schwach konvergent) gegen ein x ∈ X(Bezeichnung: xn x)

⇐⇒ f(xn)→ f(x) ∀ f ∈ X∗ (Konvergenz. bzgl. der Metrik in IK ).

3. Normkonvergenz ======>6⇐=

schwache Konvergenz

Beweis 1)

Seien x, y ∈ X, x 6= y =⇒ ‖x− y‖ > 0Hahn-Banach, Satz 8.7

=============================>

∃ f ∈ X∗ mit f(x− y) = ‖x− y‖ > 0 , also f(x) 6= f(y) .

Setze ε := 12|f(x)− f(y)| =⇒ f−1

(Kε(f(x))

)∩ f−1

(Kε(f(y))

)= ∅ ,

d.h. ∃ disjunkte Umgebungen von x und y (Hausdorff).

Beweis 2)”=⇒“

Erinnerung: Eine Folge xn ⊂ X konvergiert gegen ein x0 ∈ X bzgl. T genau dannwenn ∀ U ∈ U(x0) ∃ n0 ∈ N : xn ∈ U ∀ n ≥ n0.Die f−1

(Kε(f(x))

)sind laut Definition die offenen Mengen in Tw. Sie bilden eine

Basis der offenen Mengen.Damit bedeutet xn x

∀ ε > 0 ∧ ∀ f ∈ X∗ ∃n0 = n0(f) ∈ N : xn ∈ f−1(Kε(f(x))

)∀n ≥ n0~

|f(xn)− f(x)| < ε .

Beweis 2)”

⇐=“Zeige: Zu U ∈ UTw

(x) ∃n0 : xn ∈ U ∀n ≥ 0.

Sei U ∈ UTw(x) , d.h.

U ⊃m⋂

i=1

f−1i (Ni) ∋ x, fi ∈ X∗, i = 1, . . . , m , Ni ⊂ IK offene Mengen mit fi(x) ∈ Ni .

Laut Voraussetzung: gilt fi(xn)→ fi(x) fur i = 1, . . . , m ;Ni ist Umgebung von fi(x) , also folgt

Zu Ni ∃n0(i) ∈ N : fi(xn) ∈ Ni ∀n ≥ n0(i) ;

setze n0 := maxi=1,...,m

n0(i) =⇒ fi(xn) ∈ Ni ∀n ≥ n0, i = 1, . . . , m

=⇒ xn ∈m⋂

i=1

f−1i (Ni) ⊂ U ∀n ≥ n0 ,

d.h. Tw-konvergent .

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146 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

Beweis 3)”=⇒“

Aus |f(xn)− f(x)| ≤ |f(xn − x)| ≤ ‖f‖ ‖xn − x‖ n→∞−→ 0 folgt die Behauptung.

Beweis 3)”

6⇐=“

Das Skalarprodukt in ℓ2 ist fur a, b ∈ ℓ2 durch (a, b) =∞∑i=1

ai bi erklart. Die Einheits-

elemente en = (0, . . . , 0, 1, 0, . . .) ∈ ℓ2 erfullen ‖en − em‖ =√

2 ∀n 6= m.

=⇒ en ist keine CF bzgl. der Norm,

aber: ∀h∗ ∈ ℓ∗2 ∃ ! h ∈ ℓ2 : h∗(x) = (x, h) (Satz von Riesz 8.9) und(en, h) = hn

n→∞−−−→ 0 laut Definition der Elemente ∈ ℓ2 , also en 0 .

Bemerkungen:

1. In (X, ‖ ‖) ist P :=pf ; f ∈ X∗, pf(x) := |f(x)| ∀x ∈ X

eine Familie

von Halbnormen. Sie erzeugt eine lokalkonvexe Topologie (vgl. Satz 3.11). DieseTopologie ist Hausdorff’sch, denn∀x ∈ X, x 6= 0 ∃ f ∈ X∗ : |f(x)| = ‖x‖ = pf(x) 6= 0 (Satze 8.7 und 3.11, 2.).Der zugehorige Konvergenzbegriff ist der der punktweisen Konvergenz unter allenFunktionalen (vgl. S. 37, Beispiel 2 und Satz 3.12), d.h.

xn x ⇐⇒ f(xn) → f(x) (also die schwache Konvergenz) .

Diese lokalkonvexe Topologie ist gerade die schwache Topologie (Aufgabe).

2. Man kann zeigen

(X, ‖ ‖), dim X <∞ =⇒ Normtopologie = schwache Topologie (Aufgabe)

3. Es gibt auch ∞ -dimensionale Raume, in denen schwache = starke Konvergenzgilt (z.B. ℓ1 : Aufgabe).

Wir haben bereits den Begriff der Normkonvergenz auf X∗ eingefuhrt (vgl. Satz undDefinition 7.2). Danach ist X∗ = L(X, IK) ein Banachraum. Bildet man den

Bidualraum X∗∗ = (X∗)∗,

so kann man mit seiner Hilfe auf X∗ eine schwache Topologie und damit einen Kon-vergenzbegriff einfuhren. X∗∗ ist (als Dualraum von X∗ ) ebenfalls ein Banachraum.

Definition 11.3Ist (X, ‖‖) ein normierter Raum, so wird durch T (X∗, X∗∗) die schwache Topologieauf X∗ definiert.

Damit diese Definition vernunftig wird, muß man X∗∗ kennen. Dies ist in Spezialfallender Fall. Zunachst kann man leicht einige Elemente von X∗∗ angeben.

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147

Ist x ∈ X ein festes Element und

ux : X∗ −→ IK

f −→ ux(f) := f(x) ,

so ist ux ∈ X∗∗ . Die Linearitat ist klar und die Stetigkeit folgt aus

|ux(f)| = |f(x)| ≤ ‖x‖ ‖f‖, also ‖ux‖ ≤ ‖x‖ .

Offensichtlich erhalt man hier eine Beziehung zwischen X und X∗∗ . Es gilt

Satz 11.4Ist (X, ‖ ‖) ein normierter Raum, so ist die Abbildung

J : X −→ X∗∗

x −→ J(x) := ux (wo ux(f) = f(x) ∀ f ∈ X∗)

ein Normisomorphmus von X auf J(X) ⊂ X∗∗ .

J heißt kanonische Abbildung.

Beweis:

J ist injektiv, denn

J(x1) = J(x2) ⇐⇒ f(x1) = f(x2) ∀ f ∈ X∗ =⇒ x1 = x2 (Folgerung 8.8) .

J ist linear, denn

J(α x1 + β x2) (f) = uα x1+β x2(f) = f(α x1 + β x2) = α f(x1) + β f(x1)

= α J(x1) + β J(x2) .

|J(x) (f)| ≤ ‖x‖ ‖f‖ wurde schon gezeigt, also ‖ux‖ ≤ ‖x‖ .

Andererseits:

∀x ∈ X ∃ fx ∈ X∗ mit ‖fx‖ = 1, fx(x) = ‖x‖ (Satz 8.7) ,

also mit |ux(fx)| = |fx(x)| = ‖x‖ · ‖fx‖︸︷︷︸= 1

, also insgesamt ‖J(x)‖ = ‖ux‖ = ‖x‖ .

Definition und Satz 11.5Der normierte Raum (X, ‖ ‖) heißt reflexiv , wenn gilt J(X) = X∗∗ (vgl. Satz 11.4).

Reflexive Raume sind immer Banachraume (vgl. Satz und Definition 7.2, 2))

Beachte: Diese Definition besagt nicht nur, daß X und X∗∗ normisomorph sind (∃lineare stetige Isometrie), sondern zusatzlich, daß diese Isometrie durch die Abbildung

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148 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

J gegeben ist. Es gibt Raume, die zu ihrem Bidualraum linear isometrisch sind, abernicht reflexiv (vgl. Hinweis in Wloka, S. 105).

Bevor wir naher auf reflexive Raume eingehen (dazu siehe Seite 150 ff.), wollen wir unsmit der Charakterisierung schwach konvergenter und schwach- ∗ konvergenter Folgen(vgl. Definition 11.6) befassen.

Die schwache Topologie T (X∗, X∗∗) ist schwer handhabbar, wenn X∗∗ nicht ganzbekannt ist. Gemaß Satz 11.4 kennt man jedoch einen Teilraum J(X) ⊂ X∗∗ . Deshalbbetrachtet man

Definition 11.6Sei (X, ‖ ‖) ein normierter Raum.

Dann heißt die Topologie T (X∗, J(X)) die Schwach-∗ Topologie auf X∗ .

Bezeichnungen: Tw∗ = T (X∗, J(X)) = T (X∗, X) (da X und J(X) normiso-morph sind (Satz 11.4)).

Offensichtlich gilt:

1. T (X∗, X∗∗) ⊃ T (X∗, J(X)) (letzterer enthalt weniger offene Mengen)

”= “ falls X reflexiv ist .

2. Falls J(X) = X∗∗ , also X reflexiv, stimmen schwache und schwach- ∗ Topologieauf X∗ uberein.

Analog zu Satz 11.2 gilt nun

Satz 11.7Sei (X, ‖ ‖) normiert =⇒

1. (X∗, Tw∗) ist ein Hausdorff-Raum.

2. fn ⊂ X∗”schwach- ∗ konvergent“ gegen ein f ∈ X∗ (Bezeichnung: fn

∗ f)

⇐⇒ fn(x)→ f(x) ∀x ∈ X

(vgl. dazu Definition von J in Satz 11.4).

Beweis 1):

Zeige: Zu f1 6= f2, fi ∈ X∗ gibt es disjunkte Umgebungen.

Seien f1 6= f2, fi ∈ X∗ =⇒ ∃x ∈ X : f1(x) 6= f2(x) .

Wahle 0 < ε < 12|f1(x)− f2(x)| =⇒ u−1

x

(Kε (f1(x))︸ ︷︷ ︸

ux(f1)

)

︸ ︷︷ ︸Umgebung von f1

∩u−1x

(Kε(f2(x))

)= ∅ .

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149

Beweis 2):

Zeige wie in Satz 11.2:

fn∗ f (schwach-∗ konvergent) ⇐⇒ ux(fn) → ux(f) ∀ux ∈ J(X).

Laut Definition von J ist dies aquivalent zu fn(x) → f(x) ∀x ∈ X.

Charakterisierung schwach konvergenter Folgen

Fur (X, ‖ ‖), xn ⊂ X gelten folgende Aquivalenzen:

xn x, x ∈ X

Satz 11.2<===============> f(xn) → f(x), ∀ f ∈ X∗

Satz 11.4<===============> uxn

(f) → ux(f), ∀ f ∈ X∗ (Definition von J)

Satz 11.7 fur X∗

<========================> uxn

∗ ux (Konvergenz bzgl. T (X∗∗, J(X∗))

Wir wenden den Satz von Banach-Steinhaus (Satz 9.3) an auf (X∗, ‖‖) und IK (beidessind Banachraume) und erhalten

uxn(f) → ux(f) ∀ f ∈ X∗ ⇐⇒

1) ‖uxn

‖ ≤ M < ∞ ∀n ∈ N

2) uxn(f) → ux(f) ∀ f ∈ D, D = X∗

Da J ein Normisomorphismus ist, gilt ‖uxn‖X∗∗ = ‖xn‖X . Damit ist bewiesen der

Satz 11.8Sei (X, ‖ ‖) normiert, xn ⊂ X , so gilt

xn x ⇐⇒

1) ∃M > 0 : ‖xn‖ ≤ M ∀n ∈ N

2) f(xn) → f(x) ∀ f ∈ D, D = X∗

Insbesondere gilt: Schwach konvergente Folgen ⊂ X, bzw. schwach- ∗ konvergenteFolgen ⊂ X∗∗ (im reflexiven Fall) sind norm-beschrankt.

Fur die nachste Folgerung erinnern wir an

Definition 3.18Eine Menge M eines topologischen Vektorraumes X heißt beschrankt, wenn zu jederNullumgebung U ein ρ > 0 existiert mit M ⊂ ρU.

Im Rn entspricht das genau dem ublichen Beschranktheitsbegriff.Aufgabe: Zeige: M schwach beschrankt in einem normierten Raum bedeutet:

M ⊂ X, ∀ f ∈ X∗ ∃ q = q(f) > 0 sodaß |f(x)| ≤ q(f) <∞ ∀x ∈M.

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150 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

Folgerung 11.9Sei (X, ‖ ‖) normiert, so gilt

M ⊂ X ist schwach beschrankt =⇒ M beschrankt (bzgl. der Norm).

Beweis (indirekt):

Annahme: M nicht beschrankt =⇒ ∀n ∈ N ∃xn ∈M : ‖xn‖ ≥ n2 .

Laut Voraussetzung:

|f(xn)| < q(f) <∞ ∀n ∈ N, ∀ f ∈ X∗ =⇒∣∣∣f(xn

n

)∣∣∣ <q(f)

nn→∞−−−→ 0 ∀ f ∈ X∗

Satz 11.2==============> xn :=

xn

n 0

Satz 11.8==============> xn ist beschrankt .

Andererseits war ‖xn‖ ≥ n2 also∥∥∥xn

n

∥∥∥ ≥ n W!

Beispiele zur und Eigenschaften der Reflexivitat

Satz 11.101. Jeder Hilbertraum (X, ( , )) ist reflexiv.

2. Fur 1 < p <∞ sind Lp(Ω) und Hm,p(Ω) reflexiv.

Wir zeigen nur

Beweis 1:

Dazu benotigen wir den Satz von Riesz (Satz 8.9): Ist X ein Hilbertraum, so gilt:

XH−−→ X∗

u −→ (Hu), (Hu) (·) = (·, u) ist ein Isomorphismus ,

und H ist antilinear(H(α u + β f) = α H(u) + β H(f)

).

Wir haben zu zeigen, daß die Abbildung (vgl. Satz 11.4 und Definition 11.5)

J : X −→ X∗∗

x −→ J x : (Jx) (f) = f(x) ∀ f ∈ X⋆

surjektiv ist.

Sei also x∗∗ ∈ X∗∗ gegeben, gesucht wird ein Urbild x unter J , d.h.

x∗∗(f) = J(x) (f) = f(x) ∀ f ∈ X∗.

u → x∗∗(Hu) ist eine lineare stetige Abbildung von X −→ IK ( linear, da H antili-near), d.h.

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151

∃x∗ ∈ X∗ : x∗(u) := x∗∗(Hu)(11.1)

x∗ hat ein Urbild x unter H : Hx = x∗ (Riesz)(11.1)

==========>

x∗∗(Hu) = x∗(u) = (Hx) u = (u, x) = (x, u) = (Hu) (x) .(11.2)

H ist ein Normisomorphismus, d.h. durchlauft u ganz X , so durchlauft H(u) ganzX∗. Man kann (11.2) also schreiben als

x∗∗(f) = f(x) ∀ f ∈ X∗ .

Dies besagt aber gerade, daß x∗∗ ein Urbild unter J hat: (Jx) (f) = f(x) .

Wir beweisen folgende Eigenschaften

Satz 11.11Seien X, Y normierte Raume, dann gilt:

1. X reflexiv =⇒ Jeder abgeschlossene Unterraum Z ⊂ X ist reflexiv.

2. Ist T : X −→ Y ein toplinearer Isomorphismus (stetig, 1 − 1 , auf, linear,∃A−1 ), so gilt

X reflexiv ⇐⇒ Y reflexiv .

3. X∗ separabel ======>6⇐=

X separabel (separabel jeweils bzgl. der Normtopologie).

Beweis 1:Idee:Zu z∗∗ ∈ Z∗∗ konstruiere x∗∗ ∈ X∗∗ mit Urbild x = J−1(x∗∗) .

Zeige x ∈ Z und J(x) = z∗∗ , folge dabei, ausgehend von z∗∗ , den Pfeilen.

XJ−−−−→ J(X) = X∗∗

∈ ∈

xJ−1

←−−−−−−−−−−−−− x∗∗y

x

xJ−−−−−−−−−−−→ z∗∗

∈ ∈

ZJ−−−−→ J(Z) ⊂ Z∗∗

(Jx) f = f(x) ∀ f ∈ X∗ (x ∈ X)

(Jz) g = g(z) ∀ g ∈ Z∗ (z ∈ Z)

a) Zu gegebenem z∗∗ ∈ Z∗∗ definiere x∗∗ ∈ X∗∗ : x∗∗(f) := z∗∗(f |Z) ∀ f ∈ X∗ .

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152 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

b) X reflexiv =⇒ ∃x ∈ X : x∗∗ = Jx .

c) Behauptung: x ∈ Z :

Ware x 6∈ ZSatz 8.5, 1)

================> ∃ f0 ∈ X∗ : f0

∣∣Z

= 0, f0(x) 6= 0 (Z abgeschlossen)

=⇒ z∗∗(f0|Z) ≡ 0 ;

andererseits: 0 ≡ z∗∗(f0|Z) = x∗∗(f0) =↑

X reflexiv

Jx(f0) = f0(x) 6= 0 W!

d) Behauptung: Jx = z∗∗ :Jedes g ∈ Z∗ hat eine Darstellung g = f |Z , f ∈ X∗ (Hahn-Banach),

damit folgt

(Jx) (g) =↑

Def. von J

g(x) = f(x) =↑

X refl.

(Jx) (f) = x∗∗(f) = z∗∗(f |Z) .

Also ist J surjektiv.

Beweis 2:X

J−−−−→ J(X) = X∗∗

∈ ∈

x∗ ւ xJ−−−−−−−−−−−→ x∗∗

IK T

y

x

y∗ տ yJ−−−−−−−−−−−→ y∗∗

∈ ∈

YJ−−−−→ J(Y ) ⊂ Y ∗∗

Die Behauptung ist in X und Y symmetrisch, denn es gilt:

X ist Banachraum, da X reflexiv ist. Y ist ebenfalls ein Banachraum, da T topli-nearer Isomorphismus ist (vgl. Folgerung 1 zu Satz 4.6). Sei also X reflexiv.

J, J sind die kanonischen Abbildungen, und da T und T−1 toplineare Isomorphismensind, gilt

(∗)∀ y∗ ∈ Y ∗ ∃x∗ ∈ X∗ : y∗ = x∗ T−1 ,

∀x∗ ∈ X∗ ∃ y∗ ∈ Y ∗ : x∗ = y∗ T .

Zu y∗∗ ∈ Y ∗∗ wird ein Urbild y ∈ Y unter J gesucht, d.h. eine Darstellungy∗∗(y∗) = J(y) (y∗) := y∗(y) .

Zu y∗∗ definiere x∗∗ ∈ X∗∗ gemaß: y∗∗(y∗) = y∗∗(x∗ T−1) =: x∗∗(x∗) wo x∗ = y∗T .

Damit gilt

y∗∗(y∗) = x∗∗(x∗) =↑

X refl., Jx=x∗∗

x∗(x)(∗)= y∗ (Tx)︸︷︷︸

y

= y∗(y).

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153

Beweis 3”=⇒“:

X∗ separabel =⇒ ∃fnn∈N ⊂ f ∈ X∗; ‖f‖ = 1 =: X0 , und diese Folge istdicht in X0 .

Dies folgt aus:X∗ separabel =⇒ ∃fnn∈N : lim fn = f.

|‖fn‖ − ‖f‖| ≤ ‖fn − f‖ =⇒ lim ‖fn‖ = ‖f‖ ⇐⇒ lim‖f‖‖fn‖

= 1

=⇒ lim‖f‖‖fn‖

f = f =⇒ limfn

‖fn‖=

f

‖f‖ .

Wahle eine Folge xn ⊂ X : ‖xn‖ = 1 und |fn(xn)| ≥ 1

2.

Dies ist moglich auf Grund der Normdefinition: ‖fn‖ = sup‖x‖=1

|fn(x)| = 1 .

Nun ist Y = span xn ⊂ X und Y = X ,

denn ware Y 6= X =⇒ ∃ f0 ∈ X∗ : f0|Y = 0, ‖f0‖ = 1 , also ‖f0‖ ∈ X0.(vgl. Satz 8.5, 1)) und damit

12≤ |fn(xn)| = |(fn − f0) (xn)| ≤ ‖fn − f0‖, W zu fn dicht in X0 .

Beweis 3”

6⇐=“:

Der Raum L1[0, 1] ist separabel ( Satz 4.27). Jedes lineare Funktional f auf L1[0, 1]laßt sich darstellen gemaß

f(x) =

1∫

0

x(t) u(t) dt mit einem u ∈ L∞[0, 1].

(Beweis in Wloka, § 12, Satz 9). Dieser Raum ist nicht separabel (vgl. Satz 4.27)

Schwach kompakte Mengen

Bei Minimierungsproblemen (vgl. Alt S. 149 ff.) ist es wichtig, aus beschrankten Folgenkonvergente Teilfolgen auswahlen zu konnen (d.h. man braucht Kompaktheitseigen-schaften, vgl. Satz und Definition 6.1). Daß dies im allgemeinen nicht moglich ist bzgl.der Norm zeigt der Satz 6.4, der besagt, daß fur einen normierten Raum X gilt:K1(0) kompakt ⇐⇒ dim X <∞ .

Durch die Abschwachung des Konvergenzbegriffes kann man jedoch, zumindest bei re-flexiven Raumen, aus beschrankten Folgen schwach konvergente Teilfolgen aussuchen,wie die folgenden Satze zeigen.

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154 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

Definition 11.12Sei (X, ‖ ‖) normiert.

Eine Menge M ⊂ X (bzw. M ⊂ X∗)heißt schwach (bzw. schwach- ∗)folgenkompakt .

def⇐⇒

Jede Folge aus M hat eine schwach(bzw. schwach-∗) konvergente Teil-folge mit Grenzwert in M .

Wir zeigen nun

Satz 11.13Sei (X, ‖ ‖) ein Banachraum, dann gilt:

X reflexiv =⇒ K1(0) ⊂ X ist schwach folgenkompakt.

D.h. insbesondere:

Jede beschrankte Folge in einem reflexiven Banachraum (also auch in einem Hilbert-raum) hat eine schwach konvergente Teilfolge mit Grenzwert in X .

Beachte: zu insbesondere

1. Ein reflexiver normierter Raum ist notwendig ein Banachraum, denn X∗∗ ist einBanachraum (Satz 7.2 b) und J ein Normisomorphismus (Satz 11.4).

2. Jeder Hilbertraum ist reflexiv (Satz 11.10)

3. Zu jeder beschrankten Folge existiert eine abgeschlossene Kugel, in der sie ent-halten ist. der Grenzwert muß dann nicht notwendig in M liegen, wohl aber inder abgeschlossenen Kugel.

Hierdurch ist auch der zu Anfang dieses Paragraphen zitierte Satz bewiesen.

Zum Beweis von Satz 11.13 benotigen wir

Satz 11.14Sei (X, ‖‖) normiert und separabel =⇒ K1(0) ⊂ X∗ ist schwach- ∗ folgenkompakt,

d.h. insbesondere:

Jede norm-beschrankte Teilfolge fn ⊂ X∗ hat eine schwach- ∗ konvergente Teilfolge

mit Grenzwert in X∗ .

Beweis von Satz 11.14:

Sei xj dicht in X (eine abzahlbare dichte Menge kann als Folge dargestellt werden)

und fn ⊂ K1(0) ⊂ X∗ (d.h. ‖fn‖ ≤ 1 ∀n ). Deshalb folgt:

fn(x1) ⊂ IK ist beschrankt =⇒ ∃ Teilfolge f (1)n mit

f (1)n (x) konvergent in x = x1

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155

f (1)n (x2) ⊂ IK ist beschrankt =⇒ ∃ Teilfolge f (2)

n ⊂ f (1)n mit

f (2)n (x) konvergent in x = x1, x2

Fahrt man so fort, so folgt:

Die Diagonalfolge f (n)n konvergiert in Y := xj und Y = X .

Als Teilfolge von fn erfullt sie ‖f (n)n ‖ ≤ 1 ∀n .

Nach dem Satz von Banach-Steinhaus (Satz 9.3”⇐=“) gilt:

(Beachte: Diese Richtung benotigt nicht die Vollstandigkeit von X , vgl. Bemerkung2. zu Satz 9.3, sondern nur die des Bildraums und der ist hier der Zahlkorper IK )

Die Folge f (n)n konvergiert punktweise auf ganz X gegen ein f ∈ X∗ und aus

‖fn‖ ≤ 1 folgt ‖f (n)n ‖ ≤ 1 (Folgerung aus Satz 9.2).

Dies bedeutet nach Satz 11.7, 2): f(n)n

∗ f ∈ K1(0) ⊂ X∗.

Beweis von Satz 11.13:

Sei xn ⊂ K1(0) ⊂ X .

Y := span [xn] abgeschlossen und separabel

Satz 11.11, 1)===================>

X reflexivY ist reflexiv, d.h. J(Y ) = Y ∗∗ ,

J isometrischer=====================>

IsomorphismusY ∗∗ ist separabel ,

Satz 11.11, 3)=========================>

anwenden auf Y ∗∗Y ∗ ist separabel ,

Satz 11.14========================>

anwenden auf Y ∗K1(0) ⊂ Y ∗∗ ist schwach- ∗ folgenkompakt .

Jxn ⊂ K1(0) ⊂ Y ∗∗

==============================> ∃ Teilfolge Jxnk

∗ Jx ∈ K1(0) ⊂ Y ∗∗

Satz 11.7, 2)<===================> Jxnk

(y∗) −→ Jx(y∗) ∀ y∗ ∈ Y ∗

Definition von J<=======================> y∗(xnk

) −→ y∗(x) ∀ y∗ ∈ Y ∗

Diese Konvergenz gilt auch ∀x∗ ∈ X∗ , da sich jedes y∗ zu einem x∗ ∈ X∗ fortsetzenlaßt und da ∀x∗ ∈ X∗ gilt x∗∣∣

Y= y∗ ∈ Y ∗ .

xnk x .

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156 § 11 EIN”SCHWACHER“ PARAGRAPH

Die angegebenen Aussagen uber die Existenz schwach konvergenter Folgen sind vonpraktischer Bedeutung fur die Losung von Minimierungsproblemen (vgl. Alt § 5.13).

Beachte jedoch zu Satz 11.13:In einem beliebigen normierten Raum gilt i.allg. nicht die Aquivalenz von schwachkompakt (= uberdeckungskompakt bzgl. der schwachen Topologie) und schwach fol-genkompakt (zur Definition vgl. etwa Hirzebruch-Scharlau, S. 167 f). Man beachte, daßdiese Kompaktheitsbegriffe sich nicht auf eine metrische Topologie beziehen.

Zwar kann man zeigen (Hirzebruch-Scharlau, Nr. 14.7):

Satz 11.15Sei (X, ‖ ‖) ein Banachraum, so gilt

X reflexiv ⇐⇒ K1(0) = x ∈ X; ‖x‖ ≤ 1 schwach kompakt.

Wir haben in Satz 11.13 gezeigt, daß in einem reflexiven Banachraum K1(0) schwachfolgenkompakt ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt also: K1(0) schwach kompaktimpliziert K1(0) schwach folgenkompakt.

Hirzebruch-Scharlau (Nr. 13.9) zeigt:

Satz 11.16(X, ‖ ‖) normiert =⇒ K1(0) ⊂ X∗ ist schwach- ∗ kompakt.

Jedoch liefert Alt § 5.5 Beispiel 3 ein Beispiel fur einen normierten, aber nicht separa-blen Raum in dem K1(0) ⊂ X∗ nicht schwach- ∗ folgenkompakt ist.Dies zeigt, daß die Voraussetzung separabel in Satz 11.14 notwendig ist.

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157

§ 12 Duale und Adjungierte Abbildungen

Wir befassen uns nun mit Abbildungen zwischen den Dualraumen. Seien X und Ynormierte, bzw. Hilbertraume (man konnte sich auch auf unitare Raume beschranken,wie man leicht sieht). Sei A ein linearer (nicht notwendig stetiger) Operator, der eineTeilmenge D(A) ⊂ X nach Y abbildet. HX bzw. HY seien die Isometrien aus demRiesz’schen Darstellungssatz (Satz 8.9).

6

A∗ (∀x ∈ D(A))

||(·, f)

||(·, g)

f ∗ g∗ ∈ Y ∗

IK

f(x) := g∗(Ax)

A′

x Ax-

x(·, x)

X ⊃ D(A)X∗ HX -A linear

y - (·, y)

Y -HY Y ∗

AAAAAAAU

f ∗R

AAAAAAAAAAAAAAAU

Wir befassen uns zunachst mit dem normierten Fall und erklaren:

Definition 12.1

Seien X, Y normiert, Xdicht⊃ D(A)

A lin−−→ Y . Die Abbildung

Y ∗ ⊃ D(A′)A′−−→ X∗

∈ ∈

g∗ −−→ f ∗ := A′g∗ : (A′g∗) (x) = g∗(Ax) ∀x ∈ D(A)

heißt duale (konjugierte) Abbildung zu A .D(A′) enthalt also nur die Elemente aus Y ∗, fur welche die Zusammensetzung g∗ Astetig ist.

Bemerkungen zur Definition:Die Komposition f(x) := g∗(Ax) ist linear (nicht notwendig stetig) auf D(A) . Es istf = f ∗

R ∈ D(A)∗ , falls A stetig, oder g∗ geeignet.Wir beschranken deshalb den Definitionsbereich D(A′) auf die g∗ ∈ Y ∗ , fur die f = f ∗

R

stetig ist. Wir werden Beispiele kennen lernen (vgl. Beispiel 2, 160) dafur, daß auch beiunstetigem A geeignete g∗ ∈ Y ∗ existieren, sodaß f(x) := g∗(Ax) stetig ist

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158 § 12 DUALE UND ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN

A′g∗ = f ∗ ∈ X∗ verlangt jedoch auch, daß f ∗ eindeutig bestimmt ist durch g∗.Dies ist der Fall, wenn D(A) = X ist, denn dann ist A′g∗, das zunachst nur furx ∈ D(A) erklart ist, eindeutig auf X fortsetzbar (Satz 8.2).Ware namlich D(A) 6= X , so gabe es nach Satz 8.5, 1. ein f ∗

0 ∈ X∗, f ∗0 6= 0 mit

f ∗0 = 0 auf D(A). Dann waren das Nullfunktional aus X∗ und f ∗

0 verschiedeneFortsetzungen des Nullfunktionals auf D(A) und A′ ware nicht als Operator auf Y ∗

erklarbar. Die Dichtheitsvoraussetzung ist also notwendig fur die Definition von A′.

Die Existenz von A′ ist offensichtlich zumindest fur A ∈ L(X, Y ).

Weitere Existenzbetrachtungen folgen noch.

Sind X und Y Hilbertraume, so ist jedes lineare Funktional darstellbar durch eininneres Produkt mit Hilfe eines Elementes des Originalraumes (Satz von Riesz) undwir konnen erklaren:

Definition 12.2

1. Seien X, Y Hilbertraume, Xdicht⊃ D(A)

A lin−−→ Y . Die Abbildung

Y ⊃ D(A∗)A∗−−→ X

g −−→ A∗g : (A∗g) (x) = (x, A∗g)X := (Ax, g)Y ∀x ∈ D(A)

heißt die zu A adjungierte Abbildung.

2. Ist Y = X , so heißt die Abbildung A selbstadjungiert, wenn A = A∗,d.h. (x, Ag) = (Ax, g) ∀x, g ∈ D(A) .

Zwar taucht in dieser Definition A′ nicht auf, doch ist klar: Wenn A′ existiert, dannauch A∗ .

Man erkennt unmittelbar den Zusammenhang von A′ und A∗ .

Lemma 12.3Unter den Voraussetzungen der Definitionen 12.1 und 12.2 gilt

A∗ = H−1X A′ HY und D(A∗) = H−1

Y (D(A′)) .

Bemerkungen:

1. Diese Darstellung von A∗ konnte man auch zur Definition von A∗ benutzen.

Aufgabe: Man zeige ‖A‖ = ‖A′‖ = ‖A∗‖ , falls A ∈ L(X, Y ) .

2. Manche Autoren nennen auch die duale (konjugierte) Abbildung A′ adjungiert(z.B. Alt), und sprechen im Falle von Hilbertraumen von A∗ als der Hilbertraum-Adjungierten. Also Vorsicht beim Literaturstudium!

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159

Lemma 12.4 algebraische EigenschaftenUnter den Voraussetzungen der Definitionen 12.1 bzw. 12.2 gilt

1) (α A1 + β A2)′ = α A′

1 + β A′2, falls A1, A2 ∈ L(X, Y ), α, β ∈ IK .

1’) (α A1 + β A2)∗ = α A∗

1 + β A∗2, falls X, Y HRe, A1, A2 ∈ L(X, Y ), α, β ∈ IK .

2) I ′ = I∗ = I

3) (A2 A1)′ = A′

1 A′2, falls A1 ∈ L(X, Y ), A2 ∈ L(Y, Z) .

3’) (A2A1)∗ = A∗

1A∗2, falls, X, Y HRe, A1 ∈ L(X, Y ), A2 ∈ L(Y, Z) .

4) A′′ JX = JY A, falls A ∈ L(X, Y ), JX , JY die kanonischen Einbettungenin X∗∗, Y ∗∗ .

4’) A∗∗ = A, falls A ∈ L(X, Y ) und X, Y HRe .

Beweis1)-2) sind unmittelbar klar (beachte: HY antilinear).

3) Aus der Definition folgt unmittelbar(A2A1)

′ z∗(x) = z∗(A2A1 x) = A′2 z∗(A1 x) = A′

1 A′2 z∗(x) .

3’) direkt nachrechnen gemaß Definition 12.2 analog zu 3).

4) (A′′ JXx) (y∗)Def. A′′

= (JXx) (A′y∗)Def. JX= (A′y∗) (x)

Def. A’= y∗(Ax)

Def. JY= (JY Ax) (y∗) .

4’) Fur A ∈ L(X; Y ) ist A∗ ∈ L(Y, X) definiert durch (x, A∗y)X = (Ax, y)Y .Damit folgt fur A∗∗ = (A∗)∗ : A∗∗ ∈ L(X, Y ) , und es gilt:

(y, A∗∗x)Y = (A∗y, x)X = (x, A∗y)Def. A∗

= (Ax, y) = (y, Ax),

also A∗∗ = A.

Beispiele

Beispiel 1)

Wir konstruieren die Abbildungen A′ und A∗ fur einen Integraloperator.

Seien X = Y = L2[a, b] reelle Hilbertraume.

(Ax) (t) :=

b∫

a

k(s, t) x(s) ds , k stetig auf [a, b]× [a, b], also D(A) = X.

Das Integral existiert nach Holder oder weil k beschrankt ist.

∀ g∗ ∈ Y ∗ ∃ ! g ∈ Y : g∗(y)Riesz= (y, g) =

b∫a

y(t) g(t) dt .

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160 § 12 DUALE UND ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN

Nun ist

(A′ g∗) (x)Def. A′

= g∗(Ax) = (Ax, g)

=

b∫

a

b∫

a

k(s, t) x(s) ds

︸ ︷︷ ︸Ax

g(t) dt =

b∫

a

b∫

a

k(s, t) g(t) dt

︸ ︷︷ ︸=: f(s),

f∈L2(a,b)(nachrechnen mit Holder)

x(s) ds

= (x, f) =: f ∗(x).

Mit f(s) :=b∫

a

k(s, t) g(t) dt haben wir also die Zuordnung

(12.1) A′ g∗ = f ∗ und D(A′) = Y ∗ .

Mit den Abbildungen HX , HY aus dem Riesz’schen Darstellungssatz erhalt man

f ∗ = HX(f), g∗ = HY (g), A∗ = H−1X A′ HY , (Lemma 12.3)

A∗ g = H−1X A′ HY g = H−1

X A′g∗ = H−1X f ∗ = f,

also A∗ g = f und (A∗ g) (s) = f(s) =b∫

a

k(s, t) g(t) dt .

Vergleich mit A liefert:

A selbstadjungiert (d.h. A = A∗ ) ⇐⇒ k(s, t) symmetrisch in s und t .

Beispiel 2)

X = Y = Lp(a, b), 1 < p <∞ , Banachraum mittels ‖x‖ =

(b∫

a

|x(t)|p dt

)1/p

.

Fur A =d

dtsei

X ⊃ C1[a, b]; x(a) = x(b) = 0 =: D(A)A = d

dt−−−−→ Y , linear aber unstetig.

Nach Satz 4.26 ist D(A) = X.Man beachte, daß in Definition 12.1 nicht verlangt wurde, daß A stetig war. Damitwar nicht allgemein klar, ob es ein f ∗ ∈ X∗ gibt mit f ∗ = f .

∀ g∗ ∈ Y ∗ ∃ g ∈ Lq(a, b) :1

p+

1

q= 1, p > 1 : g∗(y) =

b∫a

y(t) g(t) dt (Satz 8.11)

=⇒

(12.2) f(x) = g∗(Ax) =

b∫

a

x′(t) g(t) dt .

Frage: Wann existiert ein f ∗ ∈ X∗ mit f ∗ = f ?

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161

Falls in (12.2) g ∈ D(A) (daraus folgt auch g ∈ Lq(a, b) ), erhalt man durch Produk-tintegration

f(x) = g∗(Ax) =

b∫

a

x′(t) g(t) dt =

b∫

a

x(t) (−g′(t))︸ ︷︷ ︸=: f∈Lq

dt = f ∗(x) = A′ g∗(x) .

=⇒ D(A′) ⊃g∗ ∈ Y ∗; g∗(y) =

b∫a

y(t) g(t) dt, g ∈ D(A)

.

Man kann also geeignete g∗ finden, die die fehlende Stetigkeit von A in der Kompo-sition g∗ A wieder gut machen.

Als Minimalinteressen drangen sich folgende Fragen auf:

Wann existiert A′ (und damit A∗) ? Wann ist A′ und damit A∗ stetig ?

Satz 12.5 Existenz und Stetigkeit von A′

Seien (X, ‖‖), (Y, ‖‖) normiert, Xdicht⊃ D(A)

A lin−−→ Y (A nicht notwendig stetig).

Existenz von A′ :

D(A′) = Y ∗ ⇐⇒xn ⊂ D(A), xn → x in X =⇒ Axn Ax in Y

Stetigkeit von A′ :

A stetig und D(A) = X =⇒ ‖A‖ = ‖A′‖ und D(A′) = Y ∗

.

Beweis Existenz:”

⇐⇒“ :

∀ g∗ ∈ Y ∗ ist f ∗ = A′g∗ ein stetiges lineares Funktional auf X (also f ∗ ∈ X∗ )

⇐⇒ xn → x stetig in X =⇒ f ∗(xn) → f ∗(x)

|| Def. von A′

⇐⇒ xn → x stetig in X =⇒ g∗(Axn) → g∗(Ax) ∀ g∗ ∈ Y ∗

⇐⇒ xn → x stetig in X =⇒ Axn Ax in Y .

Beweis Stetigkeit: Erinnerung: ‖y‖Y = supf∈Y ∗

‖f‖=1

|f(y)| (Folgerung 8.8) =⇒

‖A‖ = sup‖x‖X=1

‖Ax‖Y = sup‖x‖X=1

supy∗∈Y ∗

‖y∗‖=1

|A′y∗(x)︷ ︸︸ ︷y∗(Ax) | = sup

y∗∈Y ∗

‖y∗‖=1

sup‖x‖X=1

|A′y∗(x)|︸ ︷︷ ︸

‖A′y∗‖

= ‖A′‖ .

Da D(A) = X und A stetig =⇒ ∀g∗ ∈ Y ∗ ist g∗(A(x)) stetigDef. 12.1

============> D(A′) = Y ∗.

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162 § 12 DUALE UND ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN

Als erste Anwendung zeigen wir ein

Variationsprinzip fur selbstadjungierte Operatoren

Satz 12.6(X, (·, ·)) sei ein Hilbertraum, Y ⊂ X ein dichter, linearer Teilraum.

SeiT : Y

linear−−−→ X

(x, Ty) = (Tx, y) (T selbstadjungiert auf Y ) .

(Tx, x) ≥ 0 ∀x ∈ Y (T positiv semidefinit auf Y ) .

=⇒

Fur r ∈ X hatTy = r eine Losung w ∈ Y

⇐⇒

Das Funktional

φ(y) := (Ty, y)− (y, r)− (r, y)= (Ty, y)− 2ℜ(y, r)

nimmt sein Minimum in w ∈ Y an.

Bemerkung:Der Satz macht keine Existenzaussage fur die Losung. Existenz von Minimallosungenmußte (konnte) man als Anwendung des vorigen § 11 zeigen (vgl. Alt § 5.13). Aberwenn die Existenz gesichert ist, liefert dieser Satz einen Hinweis, wie man Losungenkonstruieren kann.

Beweis Satz 12.6:

Die Idee zu diesem Satz stammt aus der Physik. Losungen von Gleichungen, in deneneine Energie vorkommt, konnen oft dadurch charakterisiert werden, daß die Energie mi-nimal ist. Das Funktional φ kann als Energiefunktional gedeutet werden (siehe Mich-lin: Partielle Differentialgleichungen der mathematischen Physik, vgl. auch Beispiel 3(Kettenlinie) in der Einleitung).

Vorbetrachtung:

1) φ ist reellwertig, denn (Ty, y)selbstadjungiert

= (y, Ty) = (Ty, y) ∈ R .Man kann also Minima suchen.

2) Seien v, z ∈ Y und η = v − z =⇒

φ(v) = φ(z + η) = (T (z + η), (z + η))− (z + η, r)− (r, z + η), T selbstadjungiert

= φ(z) + (Tz − r, η) + (η, Tz − r) + (Tη, η),(12.3)

= φ(z) + 2ℜ(Tz − r, η) + (Tη, η).(12.4)

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163

Beweis”=⇒ :“ Sei Tw = r , setze in (12.4): z = w =⇒

φ(w + η) = φ(v) = φ(w) + (Tη, η)︸ ︷︷ ︸≥ 0

pos-sem def.

≥ φ(w) ∀ v ∈ Y (Minimalitat)

Beweis”

⇐=“: Sei φ(v) ≥ φ(w) ∀ v ∈ Y . Fur s ∈ R und ε ∈ Y beliebig ist lautVoraussetzung

(12.5) φ(w + sε) ≥ φ(w) .

Setze in (12.4): z = w und η = sε also v = w + sε =⇒

φ(w + sε) = φ(w) + 2sℜ(Tw− r, ε) + s2

≥ 0︷ ︸︸ ︷(Tε, ε)︸ ︷︷ ︸

≥ 0 wegen (12.5) ∀ s∈R

=⇒ ℜ(Tw − r, ε) = 0 .

Setzt man in (12.3) z = w, und η = isε , so folgt ebenso

Im(Tw − r, ε) = 0 .

Insgesamt also (Tw − r, ε) = 0 ∀ εε ∈ Y, Y = X

(Tw − r, x) = 0 ∀x ∈ X

=⇒ Tw − r = 0 .

Beispiel: Dirichlet-Randwertaufgabe fur die Poisson’sche Gleichung fur reelle Funk-tionen.

Gesucht sei eine reellwertige Funktion u(x1, . . . , xn) mit

Tu = −∆ u = r in B, r ∈ L2(B) reellwertig

u = 0 auf ∂ B = RandB .

Dabei sei B ⊂ Rn eine offene beschrankte Menge (und so anstandig, daß der Gauß’scheIntegralsatz angewendet werden kann, z.B. Normalbereich),X = L2(B) und D(T ) = u ∈ C2(B); u|δB = 0 (reelle Funktionenraume).Dann ist D(T ) = L2(B) (bzgl. der Norm in L2 , Satz 4.26).

1) T ist positiv semidefinit auf Y , denn nach der 1. Green’schen Formel gilt

(12.6) (Tv, v) =

B

(−∆ v)v dV =

B

(grad v)2

︸ ︷︷ ︸≥ 0

dV −∫

∂ B

v∂ v

∂ νdf

︸ ︷︷ ︸= 0 wegen v∈Y

dV bzw. df bezeichnen das Volumen- bzw. Randelement, ν die außere Normale von∂ B .

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164 § 12 DUALE UND ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN

Also gilt

(Tv, v) = 0 =⇒ grad v = 0 =⇒ v = const =⇒ v = 0 wegen v ∈ Y.

Damit folgt aus (12.6) (Tv, v) ≥ 0, = 0 nur, falls v = 0 , also T sogar positiv definitauf Y .

2) T ist selbstadjungiert auf Y , denn die 2. Green’sche Formel besagt

B

(u∆ v − v∆ u) dV =

∂ B

(u

∂ v

∂ ν− v

∂ u

∂ ν

)df = 0 fur u, v ∈ Y ,

(ν = außere Normale auf ∂ B)

also (Tu, v) = (u, Tv) ∀u, v ∈ Y .

Die Extremalaufgabe aus Satz 12.6 lautet somit

φ(v) =

B

[(grad v)2 − 2vr] dV!= Min .

Man erhalt somit aus Satz 12.6 das

Dirichlet’sche Prinzip: Die Losung der obigen RWA ist aquivalent zur Variations-aufgabe, das Funktional φ(v) zum Minimum zu machen.

Bemerkung: Wesentlich fur Existenzbeweise fur die vorgelegte Randwertaufgabe istdie Voraussetzung der positiven Semidefinitheitvon T. Sie ist uns auch schon in § 6(Lax-Milgram-Theorie) begegnet als Elliptizitat.Weitere Resultate (vgl. die Satze 13.2 und 13.2) liefern auch die Existenz starker Losun-gen fur elliptische Probleme.

Anwendung: Verfahren von Ritz: Man sucht das Minimum un von φ in endlichdimensionalen Teilraumen Yn ⊂ X (z.B. in Raumen spezieller, mehrdimensionalerPolynome) und untersucht dann: Wann konvergiert (un, y)

n→∞−−−→ (u, y) ∀ y ∈ L2(B)(schwache Konvergenz)?Wahlt man endliche Teilraume in Form von stuckweise linearen Funktionen, so erhaltman dasVerfahren der finiten Elemente.

Wichtig fur die Spektraltheorie linearer Operatoren sind Aussagen daruber, wann ihreWertebereiche abgeschlossen sind und was das fur die dualen Abbildungen bedeutet.Dies ist von Bedeutung fur die Losung von Operatorgleichungen.Wir formulieren (ohne Beweis, der findet sich z.B. in Wloka, S. 145 ff. oder YosidaVII.5) das Closed-range-Theorem.Hierzu benotigen wir einige Hilfsmittel, deren Bezeichnungen in der Literatur ziemlichvielfaltig sind.

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165

Allgemein akzeptiert ist im Hilbertraumfall die Bezeichnung

(X, ( , )) HR , U ⊂ X : U⊥ := y ∈ X; (x, y) = 0 ∀x ∈ U(12.7)

orthogonales Komplement von U .

In Anbetracht des Riesz’schen Darstellungssatzes ( yHY→ (·, y) = y∗ ) kann man diese

Menge als eine Menge linearer Funktionale deuten.Lineare Funktionale gibt es auch in normierten Raumen. In Anlehnung an obige Deu-tung definiert man deshalb (vgl. z.B. Wloka, Yosida, Werner)

(X, ‖ ‖), U ⊂ X : U⊥ := y∗ ∈ X∗; y∗(x) = 0 ∀x ∈ U(12.8)

U⊥ heißt Annihilator von U in X∗.

oder: Orthogonalraum von U in X∗

U⊥ liegt also in anderen Raumen, jenachdem ob X normiert ist oder unitar. Vermut-lich benutzt Alt statt dessen die Bezeichnung

(X, ‖ ‖), U ⊂ X : U0 := y∗ ∈ X∗; y∗(x) = 0 ∀x ∈ UAnnihilator von U in X∗

Ist X ein Hilbertraum, so kann er ohne Doppeldeutigkeit schreiben: U0 = HXU⊥ .

Im Dualraum definiert man (z.B. Wloka, Yosida)

(X, ‖ ‖), V ⊂ X∗ : V ⊥ := y ∈ X; x∗(y) = 0 ∀x∗ ∈ V (12.9)

Annihilator von V in X, (bei Werner).

Orthogonalraum von V in X, (bei Wloka).

Zur Motivation dieser Schreibweise: Eigentlich korrekt ware in einem normierten Raumgemaß (12.8): V ⊥ := y∗∗ ∈ X∗∗; y∗∗(x∗) = 0 ∀x∗ ∈ V .Ist X reflexiv, so ist vermittels der kanonischen Abbildung J : X −→ X∗∗ fur y ∈ X :Jy(x∗) = y∗∗(x∗) = x∗(y). Identifiziert man nun J(X) mit X ( J ist ein topologischerIsomorphismus), so kommt man zur obigen Definition.Werner benutzt zur besseren Unterscheidung statt dessen in (12.9) die BezeichnungV⊥.Wir folgen den Bezeichnungen von Wloka und Yosida und benutzen die Bezeichnungenin den numerierten Definitionen. (Die Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang.)

Mit den weiteren Bezeichnungen (wobei X ⊃ D(A)A lin−−→ Y )

Ker(A) := A−1(0), Kern der Abbildung A = Urbild der Null unter A,

Im A := y ∈ Y : ∃x ∈ X : y = Ax = AX, Bild von A,

gilt nun (Beweis in Wloka § 15.4)

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166 § 12 DUALE UND ADJUNGIERTE ABBILDUNGEN

Satz 12.7 Closed-range-TheoremSatz von der abgeschlossenen Abbildung (Banach)

Seien (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) Banachraume, A ∈ L(X, Y ) . Dann sind aquivalent:

1. Im A := y ∈ Y : ∃x ∈ X : y = Ax ist abgeschlossen in Y .

2. Im A′ ist abgeschlossen in X∗ .

3. Im A = [Ker(A′)]⊥(12.9):=

y ∈ Y : g∗(y) = 0 ∀ g∗ ∈ Ker(A′)

.

4. Im A′ = [Ker(A)]⊥(12.8):= y∗ ∈ X∗ : y∗(x) = 0 ∀x ∈ Ker(A). .

Man zeigt leicht: Ist (X, ‖‖) normiert und M ⊂ X , so ist M⊥ , wie im Hilbertraumfall,ein abgeschlossener linearer Teilraum von X∗ .

Aus Satz 12.7 erhalt man die

Folgerung 12.8(X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) Banachraume, A ∈ L(X, Y ) =⇒

1. Im A = Y ⇐⇒ ∃A′−1 ∈ L(Im A′, Y ∗) .

2. Im A′ = X∗ ⇐⇒ ∃A−1 ∈ L(Im A, X) .

Beweis:1)

”=⇒“

Im A = Y =⇒ A′ injektiv (und damit invertierbar auf Im A′ ), denn

A′g∗ = 0 =⇒ g∗(Ax) = 0 ∀x ∈ XAX=Y

<============> g∗(y) = 0 ∀ y ∈ Y =⇒ g∗ = 0.

Im A = YY abgeschlossen

====================>Satz 12.7

Im A′ abgeschlossen in X∗ BR=====> Im A′ ist BR .

Damit ist A′ eine surjektive Abbildung auf den BR Im A′ Satz 10.3============> A′ offen

=⇒ (A′)−1 stetig auf Im A′ .

1)”

⇐=“

Laut Voraussetzung

A′ invertierbar =⇒ Ker A′ = 0 =⇒ [Ker A′]⊥Satz 12.7,3.

= Y.

Wir zeigen nun: Im A′ ist abgeschlossen. Dann folgt aus Satz 12.7, daß Y = Im A.

A ∈ L(X, Y ) =⇒ A′ ist stetig auf Y ∗ Seite 142============> A′ ist graphenabgeschlossen.

Wir benutzen die Aquivalenz von (a) und (b) in Definition 10.4.

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167

Sei A′y∗n → x∗ =⇒ A′y∗

n ist CFA

′−1 stetig===============> y∗

n ist CF im Banachraum Y ∗

=⇒ y∗n → y∗ Def. 10.4, (b)

=================> A′y∗ = x∗ ∈ Im A′, d.h. Im A′ ist abgeschlossen.

2)

Wegen der Symmetrie von A und A′ in Satz 12.7 verlauft der Beweis von 2) analogzu dem von 1).

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168 § 13 KOMPAKTE UND VOLLSTETIGE OPERATOREN

§ 13 Kompakte und vollstetige Operatoren

Wir wissen, daß in ∞ -dimensionalen Raumen”kompakt“ nicht mehr aquivalent ist

mit”beschrankt und abgeschlossen“. Dieses Manko wird teilweise wieder gutgemacht

durch spezielle Eigenschaften gewisser Operatoren.

Definition 13.1Seien (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) normiert und A : X → Y .

A heißt kompaktdef⇐⇒

M ⊂ X beschrankt =⇒ A M ⊂ Y relativ kompakt

A heißt vollstetigdef⇐⇒ A ist kompakt und stetig .

Eigenschaften:Seien (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) normiert und A : X → Y .

1) A kompakt ⇐⇒xn ⊂ X ist beschrankte Folge =⇒ A xn ⊂ Y enthalt

eine konvergente Teilfolge.

2) A kompakt und linear =⇒ A vollstetig.

3) Fur lineares A gilt:A kompakt (und damit vollstetig) ⇐⇒ A(K1(0)) relativ kompakt

1) ist offensichtlich (vgl. Satz und Definition 6.1).

2) K1(0) ⊂ X beschranktA kompakt

===============> A(K1(0)) relativ kompakt, also beschrankt

A linear===========> . Aus der Normdefinition fur lineare Operatoren folgt A stetig.

3)”=⇒“ folgt aus 2).

3)”⇐=“ Das Bild jeder beschrankten Menge ist relativ kompakt. Fur lineare Abbil-

dungen A folgt daraus ‖A‖ <∞, also A stetig und nach Definition 13.1 A kompakt,insgesamt also A vollstetig.

Bemerkungen:

1. Viele Autoren definieren die Kompaktheit eines Operators nur fur lineare Abbil-dungen. Dann sind die Begriffe kompakt und vollstetig aquivalent.

2. Die Linearitat von A wird in Definition 13.1 nicht verlangt. Das ist wesentlichfur den Schauder’schen Fixpunktsatz. Siehe dazu Ljusternik/Sobolev: VI, § 3.)

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169

Beispiele

Beispiel 1) (X, ‖ ‖), (Y, ‖ ‖) normiert, XA linear, stetig−−−−−−−−→ Y, dim AX <∞

=⇒ A kompakt,denn: AX ist topologisch isomorph zu einem Rd und dort ist jede beschrankte Mengerelativ kompakt, also A relativ kompakt.

In folgenden Fallen sind die Voraussetzungen von Beispiel 1 erfullt.

(i) dim X < ∞, (A∈L(X,Y )

==============> dim AX <∞ )

(ii) dim Y < ∞, (da AX ⊂ Y )

(iii) Ax =m∑

i=1

fi(x) yi fur fi ∈ X∗, yi ∈ Y . (nur endlich viele yi )

Die letzte Abbildung ist wichtig fur den Beweis des Schauder’schen Fixpunktsatzes.

Beispiel 2) Sei B ⊂ Lp(a, b) beschrankt (d.h. ‖x‖p ≤ β ∀x ∈ B ), 1 < p <∞, ,

Q = [a, b]× [a, b], k ∈ Lq(Q),1

p+

1

q= 1 =⇒

K : Lp(a, b) −→ Lq(a, b), (Kx) (s) :=b∫

a

k(s, t) x(t) dt ist vollstetig.

Wir zeigen: a) Kx ∈ Lq(a, b) ∀x ∈ Lp(a, b) und K ist stetig, b) K ist kompakt.

Beweis a)

Nach Voraussetzung existiert∫Q

|k(s, t)|q ds dt.

Fubini=========> Fur fast alle s ist k(s, ·) ∈ Lq(a, b) . (iterierte Integrale)

Holder=========> Fur x ∈ Lp(a, b) existiert

b∫a

k(s, t) x(t) dt fur fast alle s und

(13.1)

∣∣∣∣∣∣

b∫

a

k(s, t) x(t) dt

∣∣∣∣∣∣

q

︸ ︷︷ ︸meßbar als Funktionvon s, da bis auf eineNullmenge beschrankt

b∫

a

|k(s, t)|q dt

︸ ︷︷ ︸als Funktion von s

integrierbar, dak∈Lq(Q)

b∫

a

|x(t)|p dt

q/p

︸ ︷︷ ︸existiert

da x ∈ Lp

fur fast alle s .

Also gilt:

∣∣∣∣b∫

a

k(s, t) x(t) dt

∣∣∣∣q

ist meßbar als Funktion von s und fur fast alle s be-

schrankt, also integrierbar, d.h. (Kx) ∈ Lq(a, b) .

Damit folgt aus (13.1) mit Holder

‖Kx‖qq =

b∫

a

∣∣∣∣∣∣

b∫

a

k(s, t) x(t) dt

∣∣∣∣∣∣

q

ds ≤b∫

a

b∫

a

|k(s, t)|q dt ds ‖x‖qp , also

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170 § 13 KOMPAKTE UND VOLLSTETIGE OPERATOREN

(13.2) ‖K‖q ≤

Q

|k(s, t)|q dt ds

1/q

,

also ist K stetig (da linear und beschrankt).

Beweis b)

Idee: 1) Approximiere K durch ein K0 , das (iii) aus Beispiel 1) erfullt.

2) Aus der Approximationseigenschaft wird unter Benutzung von Satz 6.1, 3) die

Kompaktheit fur K hergeleitet.

Wir betrachten zunachst den speziellen Kern

k0(s, t) =

n∑

ν+µ=0

aν µ sν tµ, aν µ ∈ R .

=⇒ (K0x) (s) :=

n∑

ν=0

n−ν∑

µ=0

b∫

a

aµ ν tν x(t) dt

ist ein Element des von den Funktionen sν , ν = 0, . . . , n aufgespannten linearen,endlich dimensionalen Teilraums und nach Beispiel 1 (iii) gilt: K0x ist kompakt, also

(13.3) B ⊂ Lp(a, b) beschrankt =⇒ K0(B) relativ kompakt in Lq(a, b) .

Sei nun allgemein k ∈ Lq(Q) und ε > 0 vorgegeben.

Nun gilt (Weierstraß fur mehrere Dimensionen):

α) Fur M ⊂ R2 abgeschlossen, beschrankt sinddie Polynome dicht in C(M). Aus Satz 4.26 folgt

β) M ⊂ Rn beschrankt =⇒ C(M) dicht in (Lp, ‖ ‖p) fur 1 ≤ p <∞.

Nach α), β) gibt es also ∀ ε > 0 ein Polynom k0(s, t) mit∫

Q

|k(s, t)− k0(s, t)|q ds dt

1/q

< ε ,

und wie bei der Herleitung von (13.2) folgt

(13.4)

‖Kx−K0x‖q =

(b∫

a

∣∣∣∣b∫

a

(k(s, t)− k0(s, t)) x(t) dt

∣∣∣∣q

ds

)1/q

≤(

b∫a

∣∣∣∣( b∫

a

|k(s, t)− k0(s, t)|q dt) 1

q ‖x‖p∣∣∣∣q

ds

) 1

q

=

(b∫

a

b∫a

|k(s, t)− k0(s, t)|q dt ds

) 1

q

‖x‖p

≤ ε ‖x‖p ≤ ε β.

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171

Nach (13.3): K0(B) relativ kompakt =⇒ K0(B) ε -kompakt (vgl. § 6.1), d.h.∃ endliche Menge y1, . . . , ym ⊂ Lq(a, b) , ein sog. ε -Netz, sodaß

∀x ∈ B ∃ yj : ‖K0x− yj‖q < ε .

Damit und aus (13.4) folgt

‖Kx− yj‖q ≤ (1 + β) ε ,

d.h. y1, . . . , ym ist ein (1 + β) ε -Netz fur K(B) ,

=⇒ K(B) relativ kompakt nach Satz 6.1, 3), denn K(B) ist als abgeschlosseneMenge des vollstandigen Raumes Lq(a, b) vollstandig.

Beispiel 3 ) Sei B ⊂ Lp(a, b) beschrankt, 1 < p <∞, Q = [a, b]× [a, b], k ∈ C(Q)

=⇒ (Kx) (s) =b∫

a

k(s, t) x(t) dt

ist eine vollstetige Abbildung von (Lp(a, b), ‖.‖p) −→ (C[a, b], ‖.‖∞).

Bemerkung:α) Dies ist kein Spezialfall von Beispiel 2), da die Bildraume verschieden sind.β) Da der Bildraum C[a, b] ist, muß fur den Kompaktheitsnachweis Arzela-Ascoli

verwendet werden.

Beweis 3):

Wir zeigen zunachst: K ist gleichgradig stetig ∀ x ∈ B, ( d.h. ‖x‖ ≤ β) .

Da k gleichmaßig stetig auf Q folgt∀ ε > 0 ∃ δ > 0 : |k(s1, t)− k(s2, t)| < ε falls |s1 − s2| < δ.Damit erhalt man :

|(Kx) (s1)− (Kx) (s2)| ≤b∫

a

|k(s1, t)− k(s2, t)| |x(t)| dt(13.5)

≤ (

b∫

a

|k(s1, t)− k(s2, t)|q dt)1

q ‖x‖p

≤ ε (b− a) ‖x‖p,

d.h. Kx stetig in s und sogar gleichgradig stetig fur alle ‖x‖p ≤ β. ( δ unabhangigvon x )

Behauptung: K ist vollstetig.

K ist linear in x und analog zu (13.5) gilt |(Kx) (s)| ≤ (maxQ

k) (b− a) ‖x‖p ,

was zeigt, daß K stetig in x ist und in s punktweise beschrankt ∀ ‖x‖p ≤ β.Arzela-Ascoli (Satz 6.6) liefert dann: K(B) relativ kompakt in C[a, b] .

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172 § 13 KOMPAKTE UND VOLLSTETIGE OPERATOREN

Beispiel 4) K wie in 3), aber definiert auf (C[a, b], ‖‖∞) : K : C[a, b] −→ C[a, b] ,

dann bleiben die obigen Aussagen richtig.

Beispiel 5) Ist dim X =∞ , so ist die identische Abbildung I : X → X zwar stetig,aber nicht kompakt (Satz 6.4).

Beispiel 6) Sind Originalraum und Bildraum mit unterschiedlichen Normen versehen,so kann auch die identische Abbildung kompakt sein, wie folgendes Beispiel zeigt:

SeiX = C1[a, b], ‖x‖C1 = max

(‖x‖∞, ‖x′‖∞

)

Y = C[a, b], ‖y‖Y = ‖y‖∞=⇒ Die

”Einbettung“

I : C1[a, b] −→ C[a, b]

x −→ x

ist kompakt ,

denn: B ⊂ X, ‖x‖X ≤ β =⇒ ‖Ix‖Y ≤ β fur x ∈ B , also Ix(t) gleichmaßigbeschrankt ∀ t ∈ [a, b] und |x(t)− x(t0)| = |x′(τ)| |t− t0| ≤ β |t− t0| zeigt, daß I(B)gleichgradig stetig ist, also nach Arzela-Ascoli I(B) relativ kompakt in Y ist.

Wichtig fur die Anwendung auf Differentialgleichungen sind die Einbettungssatze furSovolev-Raume, die wir hier (ohne Beweis) zitieren (vgl. Alt, Kapitel 8.8). (Erinnerung:Holder-Raume in § 4)

Mit Hilfe von Regularitatssatzen kann man aus schwachen Losungen starke Losungengewinnen. Dies geschieht in zwei Schritten:

1) Man zeigt, daß abhangig von Glattheitsvoraussetzungen an die Koeffizienten derDifferentialgleichung, die rechte Seite und den Rand des Gebiets die schwache Losungsogar in einem Hm,2, m > 1 , liegt. Als Beispiel zitieren wie folgenden Satz (vgl. Evans:Partial Differential Equations, AMS, § 6.3, Theorem 5)

Satz 13.2Sei Ω ⊂ Rn offen und beschrankt, fur ein m ∈ N gelte

ai,j, bj , c ∈ Cm+1(Ω), f ∈ Hm+2(Ω) ∂Ω ein Cm+2−Rand und u ∈H1,2(Ω) eine

schwache Losung von

Lu =n∑

i,j=1

(ai,juxi)uxj

+n∑

j=1

uxjbj + cu =f in Ω,

u =0 auf ∂Ω.

Dann ist u ∈H

m+2,2

(Ω).

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173

2) Danach kann man die schwachen Losungen kompakt in Raume stetig differenzier-barer Funktionen einbetten. Interessant ist hierbei die Abhangigkeit von der Raumdi-mension. (vgl. Alt, Kapitel 8.8). (Erinnerung: Holder-Raume in § 4)

Satz 13.3 Einbettung von Sobolev-Raumen in Holder-RaumeSei Ω ⊂ Rn offen, beschrankt, m ≥ 1, 1 ≤ p <∞, k ∈ N ∪ 0 . Dann gilt:

1. Ist m− n

p≥ k + α, 0 < α < 1 , so existiert eine stetige Einbettung

J :

Hm,p(Ω)→ Ck,α(Ω) ,

genauer: ∀u ∈

Hm,p(Ω) ∃ ! stetige Funktion, welche fast uberall mit u uber-einstimmt (sie wird wieder mit u bezeichnet), so daß gilt

‖u‖Ck,α(Ω) ≤ C(Ω, n, m, p, k, α) · ‖u‖Hm,p(Ω) .

2. Diese Einbettung ist kompakt, falls m− n

p> k + α .

3. Hat Ω einen Lipschitzrand (vgl. Alt A 5.3), so gelten die Aussagen 1. und 2.

auch fur Hm,p(Ω) statt

Hm,p(Ω) .

Damit ist auch das Existenzproblem fur partielle elliptische Randwertaufgaben (Lax-Milgram-Theorie) (vgl. § 8) weitergehend beantwortet.Wir stellen nun einige wichtige Eigenschaften kompakter Operatoren zusammen.

Eigenschaften kompakter Operatoren

Wir beweisen zunachst die – auch fur sich interessante – Hilfsaussage.

Lemma 13.4Sind X, Y normiert, A ∈ L(X, Y ) , dann gilt

xn x in X =⇒ Axn Ax in Y (folgenstetig bzgl. der schwachen Konvergenz) .

Beweis:

xn x ⇐⇒ f(xn) → f(x) ∀ f ∈ X∗ , also auch ∀ f ∈ Im (A′) ⊂ X∗

=⇒ A′g∗(xn) → A′g∗(x) ∀ g∗ ∈ D(A′) = Y ∗ nach Satz 12.5

⇐⇒ g∗(Axn) → g∗(Ax) ∀ g∗ ∈ Y ∗ (Definition von A′)

⇐⇒ Axn Ax in Y .

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174 § 13 KOMPAKTE UND VOLLSTETIGE OPERATOREN

Damit konnen wir die wichtige Aussage beweisen, daß lineare, kompakte Operatorenschwach konvergente Folgen in stark konvergente Folgen abbilden, beweisen.

Satz 13.5Sind X, Y normierte Raume, A : X

kompakt, linear−−−−−−−−→ Y , so gilt

xn x in X =⇒ Axn → Ax in Y .

Beweis:

Bekannt ist A kompakt, linear =⇒ A vollstetig =⇒ A stetigLemma 13.4

================>

(∗) Axn Ax

Annahme: Axn 6→ Ax ⇐⇒ ∃ Teilfolge xn ⊂ xn und ε > 0 , so daß

(∗∗) ‖Axn − Ax‖ > ε ∀n ∈ N .

Nun gilt: xn xSatz 11.8

============> xn beschrankt =⇒ xn beschrankt

A kompakt===============> Axn enthalt konvergente Teilfolge Axn : Axn → y0 .

Da der Grenzwert bzgl. der schwachen Konvergenz eindeutig ist,folgt aus (∗) Ax = y0 W! zu (∗∗)

Satz 13.6Seien Z, X, Y normierte Raume, dann gilt

1. ZB beschrankt−−−−−−−→ X

A kompakt−−−−−−→ Y =⇒ AB kompakt.

2. XAi kompakt−−−−−−−→ Y =⇒

n∑i=1

αi Ai, αi ∈ IK kompakt.

3. Ist Y vollstandig, Ai : X → Y eine Folge kompakter, linearer Abbildungen,die in L(X, Y ) gegen eine Abbildung A konvergieren (d.h. ‖An − A‖ → 0) ,=⇒ A ist auch kompakt.

4. Ist Y vollstandig und A : X → Y , so ist

Ax =∞∑

i=1

αi fi(x) yi mit fi ∈ X⋆, ‖fi‖X∗ ≤ 1, ‖yi‖Y ≤ 1 ,∞∑

i=1

|αi| < ∞

kompakt.

Beweis

1. H ⊂ Z beschrankt =⇒ B(H) beschrankt =⇒ AB(H) relativ kompakt.

2. Endliche Summen relativ kompakter Mengen sind relativ kompakt.

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175

3. Aufgabe. Hinweis: Man zeige: Ist M ⊂ X beschrankt, so exi-stiert ein ε-Netz fur AM (vgl. § 13, Beispiel 2,Beweis b)).

4. Die Abbildungen Am(x) =m∑

i=1

αi fi(x)yi sind nach § 13, Beispiel 1, S 169 kom-

pakt. Man kann 3. anwenden und erhalt: A kompakt.

Bemerkung:Falls Y ein Banachraum ist, bilden die kompakten, linearen Abbildungen also einenabgeschlossenen Teilraum K(X, Y ) von L(X, Y ).Fur die Aussage 3) gibt es auch eine Formulierung fur nichtlineare, vollstetige Abbil-dungen.

Satz 13.7Seien (X, ‖‖) normiert, (Y, ‖‖) Banachraum, X0 ⊂ X, Y0 ⊂ Y Teilraume, X0 = X ,

A0 : X0kompakt, linear−−−−−−−−→ Y0 .

=⇒Fur die eindeutige Erweiterung A von A0 (vgl. Satz 8.2) A : X

linear−−−→ Y giltdann

A(X) ⊂ Y0 und A : X −→ Y0 ist kompakt .

Bedeutung:

1. Bei der Erweiterung bleibt die Kompaktheit erhalten.Man beachte zum Erweite-rungssatz, daß dieser die Vollstandigkeit des Bildraums voraussetzt. Deshalb istnicht von vorneherein klar, ob die Erweiterung ihre Bilder in Y0 oder in Y hat.

2. Der Wertebereich wird nicht erweitert. Dies ist besonders interessant im FallX = Y, X0 = Y0 .

3. In der Spektraltheorie findet der Satz Anwendung beim Beweis, daß sich dieSpektra der Operatoren, die auf dichten Teilraumen definiert sind, nicht vonden Spektra der Erweiterungen unterscheiden (wird benotigt zum Beweis vonSatz 14.8).

Beweis:

Wir zeigen: Fur alle beschrankten G ⊂ X liegt A(G) in einer in Y0 kompakten MengeM .Dann ist auch A(G) relativ kompakt, dennxn beschrankt in G =⇒ ∃ Teilfolge xn : Axn konvergiert in M . DerGrenzwert muß aber in A(G) liegen, also ist A(G) kompakt.

Zunachst gilt:∀G beschrankt⊂ X ∃B beschrankt ⊂ X0 , sodaß G ⊂ B , denn

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176 § 13 KOMPAKTE UND VOLLSTETIGE OPERATOREN

∃ Ks(0) ⊂ X : G ⊂ Ks(0), B := Ks(0) ∩X0 =⇒ B = Ks(0).

Die Behauptung des Satzes ist bewiesen, wenn gezeigt wird:

A(B)(1)⊂ A(B)

Y B⊂X0= A0(B)Y (2)

= A0(B)Y0 ⊂ Y0,

denn wegen A(G) ⊂ A(B) liegt A(G) in der abgeschlossenen Menge A(B)Y ⊂ Y .

Mit 2) folgt: A(B)Y

ist gleich der in Y0 kompakten Menge A0(B)Y0

, d.h. die abge-

schlossene Menge A(B)Y

liegt in Y0 und ist dort kompakt.

Beweis (1): Sei x0 Haufungspunkt von B (x0 ∈ B)

=⇒ ∃ xn ⊂ B, xn → x0

A stetig===========> Axn → Ax0 d.h. Ax0 HP von A(B)

also Ax0 ∈ A(B)Y.

Beweis (2): A0(B) ist relativ kompakt in Y0 laut Voraussetzung, d.h. A0(B)Y0

kom-pakt.

=⇒ A(B)Y0

abgeschlossen in Y , denn

ist y ∈ Y Haufungspunkt von A0(B)Y0

=⇒

∃ yn ⊂ A0(B)Y0

: yn → y

A0(B)Y0

kompakt =⇒ ∃ Teilfolge yn ⊂ yn : yn → y ∈ A0(B)Y0

y = y ∈ Y0

=⇒ A(B)Y0

= A(B)Y

= A0(B)Y ⊂ Y0 , also A kompakt und A(X) ⊂ Y0.

Satz 13.8 SchauderSeien X, Y normiert, A : X

linear−−−→ Y . Dann gilt

A kompakt =⇒ A′ : Y ∗ kompakt−−−−−→ X∗

⇐= gilt, falls zusatzlich Y vollstandig ist .

Beweis:

Wir zeigen nur die fur die Anwendung wichtigere Richtung”=⇒“ (zum Beweis von

”⇐=“ vgl. Wloka § 24, S. 210, Alt Satz 16.6)

Zu zeigen ist: gn ⊂ Y ∗, ‖gn‖ ≤ 1 =⇒ A′ gn enthalt eine konvergente Teilfolge.

Erinnerung: Die Konvergenz muß gezeigt werden bzgl. der Norm

‖A′g‖ = sup‖x‖≤1

|(A′g) (x)| = sup‖x‖≤1

|g(Ax)| = maxy∈A(K1(0))

|g(y)| = ‖g‖C(K), woK := A(K1(0)).

Beachte: A(K1(0)) ist kompakt

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177

Der Kern des Beweises liegt im Nachweis von

(∗) gn ist relativ kompakt bzgl. der C(K)−Norm,

denn dann folgt: ∃ eine konvergente Teilfolge gn , welche auch Cauchyfolge ist, d.h.

∀ ε > 0 ∃ k0 : |gn(y)− gm(y)| < ε ∀n, m > k0 ∧ ∀ y ∈ A(K1(0))

|||A′gn(x)− A′gm(x)| ∀x ∈ K1(0) ,

d.h. A′gn ist Cauchy-Folge in X∗ X∗ BR=⇒ A′gn konvergent.

Beweis (∗) : Nachweis der Voraussetzungen von Arzela-Ascoli (Satz 6.6):

Nachweis der Vorausetzungen von Arzela-Ascoli (Satz 6.6):

A(K1(0)) =: K ist kompakt, da A kompakt, gn ∈ C(K) (genauer gn

∣∣K

)

‖gn‖C(K) = maxy∈K

|gn(y)| = sup‖x‖≤1

|gn(Ax)| ≤ ‖gn‖︸︷︷︸≤ 1

‖A‖ ‖x‖︸︷︷︸≤ 1

≤ ‖A‖ ,

gn ist also gleichmaßig beschrankt.

|gn(y)− gn(y0)| = |gn(y − y0)| ≤ ‖gn‖︸︷︷︸≤ 1

‖y − y0‖ , also gleichgradig stetig.

Arzela−Ascoli===================> gn ist relativ kompakt.

Einen wesentlichen Anwendungsbereich fur kompakte Operatoren liefert der Schau-der’sche Fixpunktsatz, dessen 2. Fassung wir (ohne Beweis) zitieren.

Satz 13.9 Fixpunktsatz von Schauder, 2. Fassung

(X, ‖ ‖) ein Banachraum , M ⊂ X abgeschlossen, konvex,

f : Mstetig−−−→ f(M) ⊂M und f(M) relativ kompakt .

=⇒ f besitzt mindestens einen Fixpunkt in M .

Bemerkung:Ist M beschrankt und f kompakt, sind die Voraussetzungen erfullt.

(Einfache Anwendung:) Beweise den Existenzsatz von Peano (Losung von AWAn furgewohnliche Differentialgleichungen) mit Satz 13.8.

Formuliere die AWA in ein aquivalentes Integralgleichungsproblem um und zeige, daßder zugehorige Integraloperator kompakt ist (Aufgabe).

Wir wenden uns im folgenden der Spektraltheorie kompakter Operatoren zu.

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178 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

§ 14 Spektraltheorie kompakter Operatoren

Vorbemerkung:

Ist A : Cn lin−→ Cn und Ax = λ x, λ ∈ C, x ∈ C , , x 6= 0 , so heißt λ Eigenwert (EW)zum Eigenvektor (EV) x .

Offensichtlich gilt:

λ EW von A ⇐⇒ (A− λ I)x = 0, x 6= 0 ⇐⇒ Aλ := (A− λ I) nicht invertierbar

⇐⇒ ∃ x ∈ KerAλ, x 6= 0.

Diese Aussage ist fur ∞ -dimensionale Raume i.a. falsch.

Beispiel:

C[a, b]A−−→ C[a, b]

u −−→ Au : Au(x) = x · u(x)

Sei Aλu = (A− λ I)u = xu− λ u = g , fur ein g ∈ C[a, b], g > 0 in [a, b] .

Man erkennt: 1) ∃λ ∈ [a, b] : Aλ nicht invertierbar2) 6 ∃u : xu = λ u fur beliebige λ ∈ [a, b], λ ist also kein EW.

Es zeigt sich jedoch, daß man zumindest fur kompakte Operatoren eine Theorie auf-bauen kann, die weitgehend zum endlich dimensionalen Fall analog ist.

Definition 14.1Sei (X, ‖ ‖) normiert und A ∈ L(X) := L(X, X) .

λ ∈ C heißt regulardef⇐⇒ ∃A−1

λ ∈ L(X) mit Aλ := (A− λ I) .

λ ∈ C heißt Spektralwertdef⇐⇒ λ ist nicht regular .

σ(A) := Spektrum von A := Menge der nicht regularen λ ∈ K = C \ ρ(A) .

λ ∈ C heißt Eigenwert von Adef⇐⇒ Ker Aλ 6= 0 .

x ∈ KerAλ\0 heißt Eigenvektor (Eigenfunktion) zum Eigenwert λ .

Ist λ EW, so heißt Ker Aλ \ 0 = x ∈ X : Ax = λ x, x 6= 0 Eigenraum von λ .

ρ(A) := Resolventenmenge = Menge der regularen λ -Werte.

R : ρ(A) −→ L(X)

λ −→ A−1λ = (A− λ I)−1

heißt Resolventenfunktion .

Bemerkung: Gelegentlich wird die Bezeichnung A−1λ (0) := Ker Aλ benutzt, obwohl

A−1λ gar nicht existiert.

Offensichtlich gilt:

λ EW =⇒ Aλ nicht invertierbar =⇒ λ Spektralwert .

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179

Die Umkehrung gilt nicht, wie das obige Beispiel zeigt.

Bemerkung:Teilweise findet man in der Literatur die Definition: (fur A ∈ L(X), X normiert)

λ regulardef⇐⇒

Im(A− λ I) dicht in X

∃A−1λ stetig auf Im Aλ , (Aλ = A− λ I)

Ist X ein BR, so kann man A−1λ stetig auf X fortsetzen. Dann stimmt diese Definition

mit der aus Definition 14.1 uberein (−→ Definitionen lesen in der Literatur).

Eine hinreichende Bedingung fur”λ regular“ liefert der Satz von der offenen Abbil-

dung (Satz 10.3).

Ist X ein Banach Raum, A ∈ L(X) und A− λ I bijektiv auf X=⇒ λ regular (d.h. ∃A−1

λ und ist stetig).

Haufig wird das Spektrum noch unterteilt:

Ist X BR und Aλ = (A− λ I) ∈ L(X), so konnen folgende Falle auftreten:

λ heißt Menge dieser λ heißt

I. Aλ ist bijektiv regular Resolventenmenge ρ(A)

II. Aλ ist nicht bijektiv, jedoch Spektralwert Spektrum σ(A)

1) injektiv ∧ Im Aλ = X kontinuierliches Spektrum

2) injektiv ∧ Im Aλ 6= X Residualspektrum

3) nicht injektiv Eigenwert Punktspektrum

Wir leiten zunachst eine Darstellung fur den Resolventenoperator her und eine Ab-schatzung fur das Spektrum.

Satz 14.2Sei (X, ‖ ‖) ein Banachraum uber C, A ∈ L(X) .

=⇒

Fur |λ| > ‖A‖ gilt: ∃A−1λ = (A− λ I)−1 = −

∞∑

n=0

λ−n−1 An und ρ(A) ist offen .

Bemerkung:

1. Diese Aussage bedeutet σ(A) ⊂ z ∈ C : |z| ≤ ‖A‖ (wie bei Matrizen )

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180 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

2. Diese Aussage kann verscharft werden (mit Hilfsmitteln aus der Funktionentheo-rie) zu:Fur den Spektralradius rσ(A) gilt

rσ(A) := supλ∈σ(A)

|λ| = limn→∞

‖An‖1/n

(vgl. Taylor: Spectrum of a bounded linear operator, § 5.2 f.; Alt, Satz 9.4).

Beweis 14.2:

Wir wenden Satz 7.5 (Neumann’sche Reihe) an auf den Operator T :=A

λ. Wegen

|λ| > ‖A‖ folgt ‖T‖ < 1 , somit

(I − T )−1 =

∞∑

n=0

An

(1

λ

)n

.

Hieraus folgt fur Aλ = A− λ I = −λ

(I − A

λ

)

A−1λ = −

∞∑

n=0

λ−n−1 An .

ρ(A) offen folgt direkt aus Satz 7.6 (Existenz der Inversen benachbarter Operatoren).

Als technisches Hilfsmittel fur die folgenden Satze beweisen wir

Lemma 14.3Sei X normiert, A ∈ L(X), M, L seien abgeschlossene Unterraume von X

mit M ⊂6=

L ⊂ X, (inbesondere: ∃ b ∈ L\M .)

=⇒

1. ∀ b ∈ L \M ∃ y ∈ M : fur a =b− y

‖b− y‖ gilt ‖a−m‖ ≥ 1

2∀m ∈M .

2. Fur T := I − A mit TL ⊂M , folgt

‖Aa− Am‖ ≥ 1

2∀m ∈ M .

Die folgende geometrische Interpretation liefert auch die Idee fur den Kern des Bewei-ses des Lemmas.

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181

geometrische Interpretation

-

6

hx1

x2

71

a

α

a

s

y

b 6∈M

d

α

M=x1 -Achse, L = Ebene und b 6∈ M , dann∃ y ∈M mit ‖b− y‖ ≤ 2d d.h. sin α ≥ 1

2.

Wird b− y zu 1 normiert,

a =b− y

‖b− y‖ ,

so gilt

infm∈M

‖a−m‖ = a = ‖a‖︸︷︷︸= 1

sin α =d

‖b− y‖ ≥d

2d=

1

2,

und man sieht anschaulich (auch aus folgenden Be-weisen), daß a beliebig nahe bei 1 sein kann.

Diese Abschatzung ist der Kern des folgenden Beweises (vgl. ( ∗ )).

Beweis 14.3:

Wahle b ∈ L\M .

M abgeschlossen =⇒ infy∈M‖b− y‖ =: d > 0

=⇒ ∃ y ∈M : ‖b− y‖ ≤ 2d .

Fur a =b− y

‖b− y‖ und m ∈M gilt dann

‖a−m‖ = ‖ b− y

‖b− y‖ −m‖

=1

‖b− y‖︸ ︷︷ ︸≥ (2d)−1

∥∥m‖b− y‖+ y︸ ︷︷ ︸∈ M

−b

︸ ︷︷ ︸≥ d

∥∥ ≥ 1

2.

Damit gilt fur alle m ∈M wegen TL ⊂M, A = I − T, M ⊂ L, also Am ∈M

∈ M︷ ︸︸ ︷‖Am−Aa‖ = ‖m− Tm︸ ︷︷ ︸

Am

+ Ta− a︸ ︷︷ ︸−Aa

‖ ≥ 1

2.

Der folgende Satz gestattet unter anderem die Aussage, dass zu einem Eigenwert nurendlich viele linear unabhangige Eigenelemente exisieren.

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182 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

Satz 14.4Sei (X, ‖ ‖) normiert, A : X

komp−−−→lin

X, T = I −A .

=⇒

1. dim Ker T < ∞ .

2. TX = Im T ist abgeschlossen (in X ).

3. KerT = 0 =⇒ T ist topologischer Isomorphismus von X auf TX .

4. codim TX < ∞ (codim TX := dim ∁(TX)) .

Bemerkungen zum Satz:

1. Wird der Satz wird auf die Resolventenfunktion angewendet , also auf

Aλ = (A−λ I) = −λ

(I − A

λ

), wenn man A durch

A

λersetzt, dann bedeutet

1) u.a.:

Zu jedem EW λ von A gibt es nur endlich viele linearunabhangige Eigenelemente.

2. Behauptung 2 ist nicht selbstverstandlich (vgl. Beispiel 1 nach Satz 7.6).

3. Behauptung 4 besagt, daß der Bildraum von T , falls dim X =∞ , nicht wesent-lich kleiner ist als X . Im Zusatz 4.6 zeigen wir sogar TX = X.

4. Die Kompaktheit eines linearen Operators hat immer Beziehungen zu Aussagenuber endliche Dimensionen (uber den Satz von Riesz). Dies kommt in Beweisteilzu 1 zum Ausdruck.Die Kompaktheit eines Operators rettet oft das, was durch die unendliche Raum-dimension verloren geht. als X .

Beweis 1)

x ∈ KerT ⇐⇒ (I −A)x = 0 ⇐⇒ I∣∣Ker T

= A∣∣Ker T

.

Da A kompakt, ist I kompakt auf Ker T, Ker T ist abgeschlossener Teilraum, also

I(K1(0) ∩Ker) T relativ kompaktSatz 6.4

<===========>(Riesz)

dim Ker T <∞ .

Beweis 2)

Zeige (indirekt): Jeder HP y von Im T gehort zu Im T , d.h. ∃x ∈ X : Tx = y .

Annahme: y 6∈ Im T =⇒

( ∗ ) ∃ xn ⊂ X und Txn → y Œ y 6= 0, und xn 6∈ Ker T,

denn T0 = 0 liefert y ∈ Im T , sei also y 6= 0 =⇒ inf ‖y−u‖ > 0 , da Ker T abge-schlossen =⇒ Txn 6= 0 fur große n, also xn 6∈ Kern T fur große n , also Œ ∀n .

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183

Es genugt zu zeigen:

(∗∗) ∃ Teilfolge xn ⊂ xn und ein x ∈ X mit xn → x ∈ X ,

denn dann folgt T xn → T x , also T x = y .

Trick:Um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, betrachten wir statt xn eine Folge xn−unfur ein geeignetes un ∈ Ker T . Sie erfullt auch (∗) .

Angabe der un : Wahle fur jedes n ∈ N un so, daß fur tn =xn − un

‖xn − un‖gemaß

Lemma 14.3 a) gilt:

(∗ ∗ ∗) ‖tn − t‖ ≥ 1

2∀ t ∈ Ker T .

Wir zeigen zuerst: ‖xn − un‖ ist beschrankt.

Annahme: ‖xn − un‖ n→∞−−−→ ∞ , damit

Ttn =Txn −

0||︷︸︸︷

Tun

‖xn − un‖−→ y−→ ∞ , also Ttn

n→∞−−−→ 0 .

Wegen ‖tn‖ = 1 , A kompakt ∃ konvergente Teilfolge Atn : Atn → t .Wegen T = I − A bzw. I = A + T gilt

tn = T tn + Atn↓ ↓0 t =⇒ tn → t, T tn → Tt, also t ∈ KerT . W! zu (∗ ∗ ∗)

Bemerkung:Die Ersetzung der xn durch xn−un ist nur fur die Anwendung des Lemmas erforder-lich.

Wir haben also: ‖xn − un‖ beschrankt.

A kompakt =⇒ ∃ eine konvergente Teilfolge xn − un : A(xn − un) → g

I = T + A liefert (vgl. ( ∗ ))

xn − un = T (xn − un) + A(xn − un)↓ ↓y g =⇒ xn − un → y + g .

Beweis 3)

Ker T = 0 =⇒ T bijektiv auf TX =⇒ ∃T−1 auf TX und ist linear. Wie imBeweis von 2. zeigt man

”T abgeschlossen“, d.h. fur jedes abgeschlossene B ⊂ X ist

TB abgeschlossen. (Man ersetze im Beweis 2. X durch B und Ker T durch 0 .)

T abgeschlossen =⇒ T−1 stetig also T topologischer Isomorphismus von X aufTX .

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184 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

Beweis 4)

Annahme: codim TX = dim ∁(TX) =∞ .

=⇒ ∄ Teilraum S ⊂ X mit dim S <∞ und S ⊕ TX = X . (⊕= direkte Summe.)

=⇒ ∃ vn ⊂ X : vn 6∈ TX

︸ ︷︷ ︸abgeschl.nach 2.

n−1⊕

ν=1[vν ]↑

abgeschl.︸ ︷︷ ︸abgeschl. nach

Satz 4.14

=: Vn−1

︸ ︷︷ ︸abgeschl. nach Satz 4.14

=⇒ Vn−1 abgeschlossen in X .

Nun liefert Lemma 14.3

∃wn ∈ Vn, ‖wn‖ = 1 ∧ ‖Awn − Awj‖ ≥1

2∀ j ≤ n− 1 .

=⇒ Awn hat keine konvergente Teilfolge W! zu A kompakt ,

also codim TX <∞ .

Der folgende Satz ist eine technische Vorbereitung auf den Spektralsatz (Satz 14.7).Er wird dort angewandt auf den Operator A/λ statt A .

Satz 14.5Sei (wie in 14.4) X normiert, A ∈ L(X) kompakt, T = I −A .

Dann gilt fur die Raume Nk = Ker T k, Fk = T kX, k = 1, 2, . . .

1. N1 ⊂ N2 ⊂ . . . , alle Nk sind abgeschlossene und endlichdimensionaleTeilraume.F1 ⊃ F2 ⊃ . . . , alle Fk sind abgeschlossen und haben endliche Kodimensionenin X .

2. Es gibt ein minimales n ∈ N mit Nn = Nn+1 .Mit diesem n gilt Nk = Nn, Fk = Fn ∀ k ≥ n .

3. X = Nn ⊕ Fn mit dem n aus 2).

4. Die Abbildung T∣∣Fn

ist ein topologischer Isomorphismus von Fn auf sich

( n gemaß 2)).

Bemerkungen:zu 1. Ist X = Rn und A eine quadratische Matrix, so sind die Vektoren, die in

Nν , ν > 1, liegen, Hauptvektoren der Stufe ν .zu 4. In Satz 14.4,3. wurde nur gezeigt, daß T ein topologischer Isomorphismus von

X auf TX ist.

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185

Beweis 1)

Ker T ⊂ Ker T 2

bzw. Ker T n−1 ⊂ Ker T n

=⇒ N1 ⊂ N2 ⊂ . . . ⊂ Nn ⊂ . . .

TX ⊂ X also T 2X ⊂ TX

T k+1X ⊂ T kX

=⇒ F1 ⊃ F2 ⊃ F3 . . .

Es ist

T k = (I −A)k =

k∑

i=0

(−1)i

(k

i

)Ai = I −

k∑

i=1

(−1)i+1

(k

i

)Ai

︸ ︷︷ ︸=: Ak kompakt

=: I − Ak

Der Rest folgt aus der Anwendung der Teile 1)-4) des vorigen Satzes auf T k = I−Ak .

Beweis 2) (indirekt)

Annahme Nk 6= Nk+1 ∀ k .

Es ist x ∈ Nk+1 ⇐⇒ T k+1x = 0 = T k(Tx) =⇒ Tx ∈ Nk d.h. TNk+1 ⊂ Nk .

Alle Nk sind abgeschlossen. Die Voraussetzungen von Lemma 14.3 sind also fur Nk

und Nk+1 erfullt.

=⇒ ∃xk, xk ∈ Nk\Nk−1, ‖xk‖ = 1 ∧ ‖Axk −Axj‖ ≥1

2∀ j ≤ k − 1

=⇒ Axk enthalt keine konvergente Teilfolge. W! zu A kompakt .

=⇒ ∃ minimales n ∈ N : Nn+1 = Nn .

Behauptung: Nk+1 = Nk ∀ k > n , denn

x ∈ Nk+1 ⇐⇒ T k+1x = 0 = T n+1 (T k−nx) = T n (T k−nx) = T kx =⇒ x ∈ Nk

↑Nn+1 = Nn ,

also Nk+1 ⊂ Nk und wegen 1): Nk ⊂ Nk+1 folgt Nk = Nk+1 .

Ebenso zeigt man (wegen T (Fk) = Fk+1 und Lemma 14.3):

∃ minimales m : Fk = Fm ∀ k ≥ m .

Zeige: n ≥ m ( m = n wird nicht behauptet, m, n sind die Minimalwerte aus 2.).

Annahme m > n .

Sei z ∈ Fm−1 = Tm−1X =⇒ Tz ∈ TmX = Fm = Fm+1 = Tm+1X d.h.

∀ z ∈ Fm−1 ∃ t ∈ Fm : Tz = Tt =⇒ z − t ∈ N1

1)⊂ Nn

∩ 1)

Fm−1 =⇒ z − t ∈ Fm−1 ⊂nach 1)

wegen m>n

Fn

=⇒ z − t ∈ Fn ∩Nn .

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186 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

Wir zeigen im Anschluß (siehe unten): (A) Fn ∩Nn = 0 .

Damit ist z = t ∈ Fm ; insgesamt : Fm−1 ⊂ Fm

nach 1) : Fm−1 ⊃ Fm

=⇒ Fm−1 = Fm W! zur Def. von m,

also gilt m ≤ n .

(A): Zeige Fn ∩Nn = 0 .

Sei y ∈ Fn ∩Nn ⇐⇒

T ny = 0∃x ∈ X : y = T nx

=⇒ T 2nx = 0 ⇐⇒ x ∈ N2n

sieheoben= Nn =⇒ T nx = 0 = y .

Beweis 3)Behauptung: X = Fn ⊕Nn .

x ∈ X beliebig =⇒ T nx ∈ Fn

Fn2)= T nFn

=⇒ ∃ y ∈ Fn : T ny = T nx =⇒ x− y ∈ Nn =⇒ x = x− y︸ ︷︷ ︸∈ Nn

+ y∈Fn

.

Wegen Nn ∩ Fn = 0 (vgl. (A)) ist diese Darstellung eindeutig.

Beweis 4)2)

=⇒ Fn+1 = TFn = Fn , d.h. T∣∣Fn

surjektiv

=⇒ Ker T∣∣Fn⊂ N1 ∩ Fn

2)⊂ Nn ∩ Fn

(A)= 0 , d.h. T

∣∣Fn

injektiv

Satz 14.4, 3)================>

Satz 14.4, 3)=⇒ T

∣∣Fn

: Fnauf−−−−→

nach 2)Fn ist topologischer Isomorphismus.

Zusatz 14.6Unter den Voraussetzungen von Satz 14.5 gilt:

4’) N1 = Ker T = 0 =⇒ T = I−A topologischer Isomorphismus von X auf X .

Denn Ker T = 0, d.h. Tx = 0 =⇒ x = 0.

=⇒ T 2x = 0 = T (Tx) =⇒ Tx = 0 =⇒ x = 0, usw.=⇒ Nk = N1 ∀ k ≥ 1.

=⇒ n = 1 in 2)3)

=⇒ X = N1 ⊕ F1 = F14)

=⇒ Behauptung.

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187

Satz 14.7 Spektralsatz von Riesz-Schauder fur kompakte OperatorenSei (X, ‖ ‖) normiert uber C , A ∈ L(X) kompakt (d.h. die Voraussetzungen von

Satz 14.5).

=⇒

1. Das Spektrum σ(A) liegt im Kreis λ ∈ C; |λ| ≤ ‖A‖ . Es ist entwederendlich oder abzahlbar und besitzt keinen Haufungspunkt außer eventuell 0 .

Ist dim X =∞ =⇒ 0 ∈ σ(A) .

2. Jeder von Null verschiedene Spektralwert ist Eigenwert.

3. ∀λ ∈ σ(A)\0 ∃ ! Paar (N(λ), F (λ)) komplementarer, abgeschlossenerTeilraume von X , d.h. X = N(λ)⊕ F (λ) ) mit den Eigenschaften

(a) dim N(λ) < ∞ ,

(b) A(N(λ)) ⊂ N(λ) , und ∃ ein minimales n(λ) ∈ N mit(A− λ I)n(λ)

∣∣N(λ)≡ 0 ,

(c) A(F (λ)) ⊂ F (λ) , und (A−λ I)∣∣F (λ)

ist topologischer Isomorphismus von

F (λ) auf sich.

4. Ist E(λ) := Ker(A− λ I) der Eigenraum zum EW λ 6= 0

=⇒ E(λ) ⊂ N(λ) (d.h. insbesondere dim E(λ) <∞) .

5. Sind λ, µ ∈ σ(A)\0, λ 6= µ =⇒ N(λ) ⊂ F (µ) .

Bemerkungen

a) 1) bedeutet, daß ein kompakter Operator im ∞ -dimensionalen Fall kein topolo-gischer Isomorphismus sein kann (vgl. Definition 14.1), d.h. ∄A−1 = (A− 0I)−1.

b) 1) zusammen mit 4) sind fur die Anwendung wichtig: In der Losungstheorie vonOperatorgleichungen werden oft Funktionen nach den Eigenfunktionen der Ope-ratoren entwickelt. (vgl. etwa bei der Wellengleichung). Das ist aber nur moglich,wenn es nur hochstens abzahlbar viele Eigenwerte mit nur endlich vielen linearunabhangigen Eigenfunktionen gibt.

c) 5) hat in Hilbertraumen zur Folge, daß die Eigenvektorraume zu verschiedenenEigenvektoren paarweise orthogonal sind.

d) In 3) ist N(λ) = Nn(λ), F (λ) = Fn(λ) wobei n(λ) das minimale n des vorigenSatzes ist.

Wir beweisen Teil 1) erst nach den Teilen 2) und 3).

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188 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

Beweis 2) indirekt:

Sei 0 6= λ kein EW, d.h. 6 ∃ EV 6= 0. ⇐⇒ 0 = Ker(A−λ I) = N1 = Ker

(I − 1

λA

).

Da1

λA kompakt, folgt somit nach Zusatz 14.6: I − A

λtopologischer Isomorphismus

von X auf X , also λ regular.

Beweis 3)

Wir wenden Satz 14.5 an auf (A− λ I) = −λ

(I − 1

λA

)=: T .

n(λ) ist das minimale n des Satzes, N(λ) = Nn(λ), F (λ) = Fn(λ)

=⇒a) dim N(λ) < ∞ ,

b) A(N(λ)) ⊂ N(λ) , denn x ∈ Nn(λ) = Nn(λ)+1 =⇒

0 =

(I − A

λ

)n(λ)+1

x =

(I − A

λ

)n(λ)(I − A

λ

)x =

(I − A

λ

)n(λ)

x

︸ ︷︷ ︸= 0

−(

I − A

λ

)n(λ)A

λx

=⇒ Ax ∈ Nn(λ) .

c) A(F (λ)) ⊂ F (λ) , denn ∀x ∈ F (λ) = Fn(λ) ∃ y ∈ F (λ) = Fn(λ)+1 :

(A− λ I) x = y ⇐⇒ Ax = λ x + y ∈ F (λ) .

Aλ ist nach 4) des vorigen Satzes topologischer Isomorphismus von F (λ) aufsich.

Zu zeigen bleibt die Eindeutigkeit von N(λ) und F (λ) .

Seien also

(∗) N ′, F ′ : N ′ ⊕ F ′ = X = N(λ)⊕ F (λ) .

Beachte dazu: N ′ und F ′ haben ebenfalls die Eigenschaften a)-c). Diese Eigenschaftenwerden die Eindeutigkeit sichern.

Es genugt zu zeigen: N ′ ⊂ N(λ), F ′ ⊂ F (λ)(∗)

=⇒ N ′ = N(λ), F ′ = F (λ) .

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189

x ∈ N ′ =⇒ ∃ y ∈ N(λ), z ∈ F (λ) : x = y + z

b) =⇒ ∃minimalesk ∈ N : (A− λ I)k∣∣N ′ = 0.Setze m = max (k, n(λ))

=⇒

(A− λ I)m x︸ ︷︷ ︸= 0

da m≥k, x∈N ′

= (A− λ I)m y︸ ︷︷ ︸= 0

da m≥n(λ), y∈N(λ)

+ (A− λ I)m z =⇒ (A− λ I)m z = 0

=⇒ z = 0, da z ∈ F (λ) und (A− λ I) topologischer Isomorphismus von F (λ)

auf sich nach 3) des vorigen Satzes

=⇒ x = y + z = y ∈ N(λ) , also N ′ ⊂ N(λ).

y′ ∈ F ′ =⇒ ∃x ∈ N(λ), y ∈ F (λ) : y′ = x + y

=⇒ (A− λ I)n(λ)y′ = (A− λ I)n(λ) x︸ ︷︷ ︸= 0

da x∈N(λ)

+ (A− λ I)n(λ) y︸ ︷︷ ︸∈ F (λ)

,

nun ist

F ′ c)= (A− λ I) (F ′) =

↑c) n(λ) malanwenden

(A− λ I)n(λ) (F ′) ⊂ F (λ) ,

also y′ ∈ F (λ) .

Beweis 1)Konstruiere einen Abzahltbarkeitsalgorithmus fur σ(A) .

Laut Satz 14.2 gilt σ(A) ⊂ λ ∈ C; |λ| ≤ ‖A‖ .

Dieser Kreis wird aufgeteilt in abzahlbar viele Kreisringe

Kn =

λ ∈ C : 2−n‖A‖ < |λ| ≤ 2−n+1‖A‖

.

=⇒ σ(A)\0 ⊂∞⋃

n=1

Kn .

Zeige: In jedem Kn liegen nur endlich viele Spektralwerte ( = EWe nach 2)).

Annahme: ∃∞ viele EW λi ∈ Kn .

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190 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

=⇒ ∃ HP λ von λi in Kn und λ ∈ σ(A) , da σ(A) abgeschlossen (denn ρ(A)offen nach 14.2).

Dies kann aber nicht stimmen, wenn wir gezeigt haben, daß

(∗) ∀λ ∈ σ(A)\0 ∃U ∈ U(λ) : A−µ I injektiv (d.h. 6 ∃ EV) ∀µ ∈ U, µ 6= λ .

Diese Eigenschaft ist chenumerateteristisch fur Punktspektren.

Wegen X = F (λ)⊕N(λ) genugt zum Beweis von (∗)(i) (A− µ I)

∣∣F (λ)

ist injektiv ∀µ ∈ U, µ 6= λ ,

und verscharft: (das brauchen wir im Beweis von 5))(ii) (A− µ I)

∣∣N(λ)

ist injektiv ∀µ ∈ C, µ 6= λ.

(i) indirekt: Annahme:∃ µn, µn → λ ∧ ∀µn ∃xn ∈ F (λ) : (A− µnI) xn = 0, Œ ‖xn‖ = 1.

Nun ist(A− µnI) xn = (A− λ I) xn + (λ− µn) Ixn = 0

=⇒ (A− λ I) xn = (µn − λ) Ixn

limn→∞

µn = λ

‖xn‖ = 1

=⇒ lim

n→∞(µn − λ) Ixn = 0 = lim

n→∞(A− λ I) xn

nach Teil 3) giltTλ = (A− λ I) ist topologischer Isomorphismus auf F (λ)

=⇒ xn → 0

W! zu ‖xn‖ = 1 ∀n.

(ii) Sei (A− µ I) x = 0 fur x ∈ N(λ), λ 6= µ ; zeige x = 0 .

(A− µ I) x = (λ− µ) Ix + (A− λ I) x = 0

=⇒ (A− λ I) x = (µ− λ) Ix

(∗∗) =⇒ (A− λ I)kx = (µ− λ) (A− λ I)k−1x ∀ k ∈ N

k = n(λ) =⇒ (A− λ I)n(λ)x =↑

x∈N(λ)

0 = (µ− λ) (A− λ I)n(λ)−1x

(∗∗)=⇒λ6=µ

(µ− λ)n(λ)−ν (A− λ I)νx = 0, ν = n(λ)− 1, n(λ)− 2, . . . , 0

=⇒ x = 0 .

Insgesamt also: σ(A) abzahlbar und ein HP existiert hochstens in 0 .

Sei dim X = ∞. (indirekt) Annahme: 0 6∈ σ(A) =⇒ T0 := (A − 0 · I) = A ist

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191

topologischer Isomorphismus von X auf sich (nach Zusatz 14.6)

=⇒ ∃M ⊂ X beschrankt und AM = K1(0)(

Urbild abg. Mengen ist abg., da A stetigUrbild beschr. Mengen ist beschr., da A−1 stetig

)

K1(0) kompakt, da A kompaktSatz 6.4

============> dim X <∞ W!

Beweis 4)

Fur λ 6= 0 gilt wie in Teil 3) des Beweises

E(λ) = Ker (A− λ I) = Ker

(A

λ− I

)⊂ N(λ)

nach Abschnitt 1) aus Satz 14.5.

Beweis 5)Wir zeigen zunachst als Hilfsmittel

(∗ ∗ ∗) λ 6= µ, λ, µ 6= 0 =⇒ (A− µ I) (N(λ)) = N(λ) .

Im Beweisteil 1) (ii) wurde gezeigt: (A− µ I) ist injektiv auf N(λ) ∀µ 6= λ .

Nun gilt (A− µ I) (N(λ)) ⊂ N(λ) , denn (geschickt rechnen)

(A−λ I)n(λ) (A−µ I) (N(λ)) = (λ−µ) (A− λ I)n(λ) (N(λ))︸ ︷︷ ︸= 0

+ (A− λ I)n(λ)+1 (N(λ))︸ ︷︷ ︸= 0

= 0 .

=⇒ (A− µ I) (N(λ)) ⊂ N(λ) .

Nun ist dim N(λ) = d < ∞ und eine injektive Abbildung eines d -dimensionalenRaumes in einem d -dimensionalen Raum ist surjektiv, also bijektiv, also (A−µ I) N(λ) =N(λ) .

Sei nun

x ∈ N(λ) =⇒ ∃ y ∈ N(µ), z ∈ F (µ) : x = y + z (nach Beweisteil 3))

=⇒ (A− µ I)n(µ) x∈

N(λ)nach (∗ ∗ ∗)

= (A− µ I)n(µ) y= 0

da y∈N(µ)

+ (A− µ I)n(µ) z∈ F (µ),

da (A−µ I)topologischer Isomorphismus

auf F (µ)

Also folgt insgesamt

N(λ)(∗∗∗)= (A− µ I)n(µ) (N(λ)) ⊂ F (µ) .

Damit ist Satz 6.4 bewiesen.

Der folgende Satz (der relativ leicht mit Hilfe von Satz 13.6 bewiesen werden kann,vgl. Wloka) zeigt, daß fur die Spektraltheorie kompakter Operatoren die Vorausset-zung, daß X ein normierter Raum ist, nicht wesentlich allgemeiner ist, als die, daß X

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192 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

ein Banachraum ist (vgl. Satz 13.6).

Satz 14.8Sei (X, ‖ ‖) BR, X0 ⊂ X dichter Teilraum, A0 : X0

kompakt−−−−−→linear

X0 .

Dann gilt fur die eindeutige stetige und lineare Fortsetzung A : X → X

σ(A) = σ(A0) und ∀λ ∈ σ(A0) : N(λ, A0) = N(λ, A) ,

E(λ, A0) = E(λ, A) ,

n(λ, A0) = n(λ, A) .

Beweis

Aus dim X0 =∞ (also auch dim X =∞ )Satz 14.7

============> 0 ∈ σ(A), 0 ∈ σ(A0) .

Ist dim X0 < ∞ , so ist X0 als Vektorraum uber R oder C abgeschlossen, alsoX0 = X , und A0 = A .

Wir konnen uns also auf λ ∈ σ(A), λ 6= 0 beschranken.

Aus Satz 13.6 ist bekannt: A0 kompakt =⇒ A : Xkomp.−−−→lin.

X0 . Deshalb gilt:

0 6= x ∈ E(λ, A)AX⊂X0

=============> x ∈ E(λ, A0), also σ(A) ⊂ σ(A0) und E(λ, A) ⊂ E(λ, A0) .

Da A Fortsetzung von A0, ist auch σ(A) ⊃ σ(A0) und E(λ, A) ⊃ E(λ, A0) .

Ebenso folgt ∀ k ∈ N :

Nk(λ, A) := Ker(A− λ I)k = x ∈ X; (A− λ I)kx = 0AX⊂X0= x ∈ X0; (A− λ I)kx = 0

= x ∈ X0; (A0 − λ I)kx = 0 =: Nk(λ, A0),

also N(λ, A0) = N(λ, A) und somit auch n(λ, A0) = n(λ, A) .

Als Beispiele betrachten wir folgende Aufgaben:

1. Sei x = ℓ2 . Fur x = (ξν) ∈ ℓ2 sei y = Ax = (ην), ην = ξν

ν, ν = 1, 2, . . .

Zeige: A ist kompakt, 0 gehort zum kontinuierlichen Spektrum (vgl. die Auf-schlusselung nach Definition 14.1). Welches sind die EWe?

2. Aufgabe 1), jedoch mit ην = ξν−1+ξν

2, ν = 2, 3, . . . , η1 := 0 .

0 gehort zum Residualspektrum.

3. Sei x0 ∈ X0, f0 ∈ X∗, f0(x0) 6= 0 und Ax = f0(x)x0 .

Dann besteht das Spektrum aus den EWn 0 und f0(x0) und fur die Resolven-tenfunktion gilt

Rλ = −1

λI +

1

λ(f0(x0)− λ)A .

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193

Uber das Spektrum der zu einer kompakten Abbildung dualen Abbildung, kann mandie folgenden Aussagen 1), 2) beweisen. Als Anwendung des closed-range-theorem(Satz 12.6) formulieren wir die Aussagen 3), 4), die, in Analogie zu einem Satz ausder Theorie der Integralgleichungen, oft

”Fredholm’sche Alternative“ genannt werden.

Allerdings wird die”Alternative“, d.h. λ ∈ σ(A) bzw. λ 6∈ σ(A) , erst durch die fol-

gende Bemerkung deutlich.

Satz 14.9 Fredholm’sche AlternativeSei X normiert uber C, A ∈ L(X) kompakt

=⇒

1. σ(A) = σ(A′) (d.h. also auch gleiche EWe).

2. 0 6= λ ∈ σ(A) =⇒ dim E(λ, A) = dim E(λ, A′) (< ∞) .

3. Sei λ 6= 0 , dann gilt

a) zu y ∈ X ∃ Losung x ∈ X von (A− λ I)x = y(d.h. y ∈ Im(A− λ I))

⇐⇒ A′g = λ g, g ∈ X∗ =⇒ g(y) = 0(d.h. E(λ, A′) = Ker(A′ − λ I ′) ⊂ y⊥)

b) zu f ∈ X∗ ∃ Losung g ∈ X∗ von (A′ − λ I ′)g = f(d.h. f ∈ Im(A′ − λ I ′))

⇐⇒ Ax = λ x, x ∈ X =⇒ f(x) = 0

(d.h. f ∈ E(λ, A)⊥ =(Ker(A− λ I)

)⊥)

4. Sei λ 6= 0, λ ∈ σ(A) und x1, . . . , xn eine Basis von E(λ, A)

=⇒Jede Losung von (A− λ I)x = y hat die Gestaltx = x +

∑αν xν wo (A− λ I)x = y .

Eine entsprechende Aussage gilt fur die Losungen von (A′ − λ I ′)g = f .

Bemerkung:

Ist λ 6∈ σ(A)\0 → E(λ, A)1)= E(λ, A′) = 0 und 0 ⊂ y⊥ in 3a) ist trivial.

Also gelten statt 3a) und 3b) in Satz 14.9

3a’): λ 6∈ σ(A)\0 → ∀ y ∈ X ∃ ! Losung von (A − λ I)x = y (genau eine,denn die Losungen

x von (A− λ I)x = y unterscheiden sich nur um Elemente ∈ E(λ, A) = 0 ).

Entsprechend folgt

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194 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

3b’): λ 6∈ σ(A)\0 → ∀ f ∈ X∗ ∃ ! Losung g ∈ X∗ von (A′ − λ I ′)g = f .

Diese Ergebnisse waren jedoch auch schon vorher bekannt, da (A− λ I) ein topologi-scher Isomorphismus ist fur λ 6∈ σ(A)\0 .

Beweis Satz 14.9:

Zum Beweis benutzen wir die Hilfsaussage

(∗)

Ist B ∈ L(X) stetig und existiert B−1 auf X,

so existiert (B′)−1 und es gilt (B′)−1 = (B−1)′.

Beweis

Lemma 12.4, 3)) besagt: A1, A2 ∈ L(X) → (A2 A1)′ = A′

1 A′2 .

Setze A1 = B, A2 = B−1 =⇒ I ′ = (B−1B)′ = B′(B−1)′

und entsprechend unter Vertauschung von A1, A2

=⇒ (B−1)′ = (B′)−1 .

Mit A kompakt, linear gilt auch (Satz 13.7) A′ ist kompakt und linear.

Beweis 1)

λ ∈ ρ(A) , A kompaktZusatz 14.6

===============> (A− λ I) topologischer Isomorphismus auf X .

=⇒ (A− λ I)−1 stetig auf X

(∗)=⇒

((A− λ I)−1

)′= (A′ − λ I ′)−1 ,

d.h. λ regular fur A ⇐⇒ λ regular fur A′ , also ρ(A) = ρ(A′) =⇒ σ(A) = σ(A′) .

Beweis 2) Zum Beweis vgl. Wloka S. 220 ff

Beweis 3a)

Sei ΠX ein Banachraum (vgl. Satz 14.8). Dann gilt

(A− λ I)x = y ⇐⇒ y ∈ Im(A− λ I) = F1 abgeschlossen nach Satz 14.5∥∥ Satz 12.7 (closed-range-theorem)

⇐⇒[Ker(A′ − λ I ′)

]⊥ ∋ J(y) = uy (kanonische Abbildung)

⇐⇒ ∀ g ∈ X∗ mit (A′ − λ I ′)g = 0 gilt uy(g) = 0 = g(y)

Beweis 3b) Wird analog bewiesen.

Beweis 4)

Zwei Losungen von (A− λ I)x = y unterscheiden sich nur um ein Element aus N1 =

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195

E(λ, A) , also die 1. Behauptung von 4). Die Aussage uber die Form der Losungen folgtunmittelbar aus A linear und dim E(λ, A) <∞ .

Bemerkung:In Kantorowitch/Akilow S. 426 ff. wird gezeigt, daß Satz 14.9 auch fur nicht kompaktesA gilt, sofern A ∈ L(X) , X Banachraum und Am kompakt fur ein m ∈ N .

Die Fredholm’sche Alternative fur Integralgleichungen

Die Fredholm’sche Alternative beschreibt die Falle

Entweder 0 6= λ 6∈ σ(A)ww Satz 14.9, 3), bzw.

Bemerkung 3a’),3b’)

∃ ! Losung von (A− λ I)x = y ∀ y ∈ X

und

∃ ! Losung von (A′ − λ I ′)g = f ∀ f ∈ X∗

oder 0 6= λ ∈ σ(A)ww Satz 14.7, 2) und

Satz 14.9, 1)

λ ist EW von A und A′ww Satz 14.9, 2)

dim E(λ, A) = dim E(λ, A′) <∞ww

∃ Basis von E(λ, A) und E(λ, A′)ww Satz 14.9, 3)

(A− λ I)x = y hat genau dann

Losungen wenn E(λ, A′) ⊂ y⊥ .

Wir wenden diese Alternative auf Integralgleichungen der Form

x(s)− µ

b∫

a

k(s, t) x(t) dt = y(s)

an.

Bemerkung:Eigentlich lautet (gemaß Spektralsatz) die zu untersuchende Integralgleichung

b∫

a

k(s, t) x(t) dt− λ x(s) = y(s) .

Laut Konvention (Historie) werden Integralgleichungen jedoch in der vorhergehendenForm angegeben. (Man ersetze λ durch µ = 1

λund y durch − 1

λy .) Die entsprechen-

den Ersetzungen sind fur die adjungierte Gleichung vorzunehmen im Hilbertraumfall.

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196 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

Man beachte insbesondere, daß dort die konjugiert komplexen EWe auftreten, denn

(A′ − λ I ′)g = f ∀x ∈ X

⇐⇒ A′g(x)− λ g(x) = f(x) ∀x ∈ X

⇐⇒ g(Ax)− λ g(x) = f(x) ∀x ∈ X

⇐⇒ (Ax, g)− λ(x, g) = (x, f) im Hilbertraumfall ∀x ∈ X

⇐⇒ (Ax, g)− (x, λg) = (x, f) ∀x ∈ X

⇐⇒ (x, A∗ g)− (x, λg) = (x, f) ∀x ∈ X

⇐⇒ (A∗ − λ I∗)g = f ∀x ∈ X .

Jeder der Integraloperatoren der Beispiele 2)–4) nach Definition 13.1 ist kompakt

(Ax) (s) = (Kx) (s) =

b∫

a

k(s, t) x(t) dt .

Ist k ∈ C([a, b]× [a, b]) , so kann man bei Anwendung der Spektralsatze entweder denRaum (C[a, b], ‖ ‖∞) oder (L2[a, b], ‖ ‖2) zugrunde legen. In beiden Fallen sind dieEWe λ 6= 0 und die zugehorigen EEe gleich, denn jedes EE aus (L2[a, b], ‖ ‖2) iststetig, denn x(s) = 1

λAx(s) und Ax sind stetig (vgl. Beispiel 3), 4) nach Definition

13.1).

Im Hilbertraum L2[ab, ] kann man auch den adjungierten Operator zu A angeben(vgl. Beispiel 1 nach Lemma 12.4 und ubertrage dies auf den komplexen Fall).

(A∗v) (s) =

b∫

a

k(t, s) v(t) dt (Es wird uber das 1. Argument von k integriert!)

Damit kann man die Fredholm’sche Alternative wie folgt formulieren:

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197

Fredholm’sche Alternative fur IntegralgleichungenEntweder besitzt die Integralgleichung (vgl. die vorigen Voraussetzungen)

(∗) x(s)− µ

b∫

a

k(s, t) x(t) dt = y(s)

fur jede rechte Seite y ∈ L2[a, b] genau eine Losung x ∈ L2[a, b] ; dann gilt dasselbeauch fur die Gleichung (mit dem adjungierten Operator):

(∗∗) v(s)− µ

b∫

a

k(s, t) v(t) dt = u(s)

oder

die zu (∗) gehorige homogene Gleichung (d.h. y = 0 ) besitzt eine endliche Anzahlℓ (ℓ ≥ 1) linear unabhangiger Losungen. Dann besitzt auch die zu (∗∗) gehorigehomogene Gleichung genau ℓ linear unabhangige Losungen v1, . . . , vℓ und die Aus-gangsgleichung (∗) hat genau dann Losungen, wenn gilt

b∫

a

y(s) vi(s) ds = 0, i = 1, . . . , ℓ .

Hinweise zur Anwendung:

Dieses Ergebnis laßt sich mit Hilfe der Green’schen Funktion auf Randwertaufgabenmit gewohnlichen Differentialgleichungen ubertragen (vgl. z.B. Wloka S. 239 ff). An-wendungen auf die Potentialtheorie findet man z.B. in Riesz-Nagy S. 176 ff.

Wir wenden nun die Spektraltheorie an auf selbstadjungierte kompakte Operatoren inHilbertraumen. Zur Bedeutung der Selbstadjungiertheit beachte auch das Variations-prinzip Satz 12.6.

Selbstadjungierte kompakte Operatoren in Hilbertraumen

In unitaren Raumen braucht man zur Definition der Selbstadjungiertheit eines Opera-tors A weder seine Linearitat noch seine Stetigkeit.

Sei (X, (·, ·)) unitar und A : X → X .

DefinitionA heißt selbstadjungiert

def⇐⇒ (x, Ag) = (Ax, g) ∀x, g ∈ X (vgl. die Definition 12.2).

Damit kann man zeigen:

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198 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

Lemma 14.10Ist (X, (·, ·)) ein Hilbertraum und A : X

selbstadjungiert−−−−−−−−−→ X

=⇒

1. A ist linear,

2. A ist stetig.

Beweis 1)

(α x1 + β x2, Ag) = α(x1, Ag) + β(x2, Ag)A

selbstadj.= α(Ax1, g) + β(Ax2, g)

|| A selbstadj. ||(A(α x1 + β x2), g

)(α Ax1 + β Ax2, g) ∀ g ∈ X

also A linear.

Beweis 2)Wir zeigen: A linear und selbstadjungiert =⇒ A graphenabgeschlossen; denn

xn → xAxn → y

=⇒ (z, y) = lim

n→∞(z, Axn)

= limn→∞

(Az, xn) (selbstadjungiert)

= (Az, x) = (z, Ax) ∀ z ∈ X, also y = Ax .

Damit folgt nach dem Satz vom abgeschlossenen Graphen (Satz 10.5): A stetig.

Bemerkung:In der Physik sind unbeschranke Operatoren, die nur auf einem Teilraum von X dieSelbstadjungiertheitsbeziehung aus obiger Definition erfullen, von großer Bedeutung(vgl. z.B.: Großmann: Funktionalanalysis im Hinblick auf Anwendungen in der Physik I,II; Akad. Verlag Gesellsch. Frankfurt 1970, S. 276 ff). Zur Spektraltheorie selbstadjun-gierter Operatoren vgl. z.B.: Bachmann/Narici: Functionalanalyiss; Academic Press,New York, 1966).

Wir beschranken uns hier auf kompakte, selbstadjungierte Operatoren. Einige der fol-genden Aussagen gelten jedoch auch allgemeiner.

Satz 14.11Sei (X, (·, ·)) ein HR und A : X

kompakt−−−−−−−−−→selbstadjungiert

X . Dann gilt

1. Alle Spektralwerte von A sind reell (σ(A) ⊂ R)∧ 0 6= λ ∈ σ(A) =⇒ λ ist EW.

2. Jeder EW λ ∈ σ(A), λ 6= 0 ist von der Ordnung n(λ) = 1 (vgl. Satz 14.5, 2)).

3. ‖A‖ ∈ σ(A) oder −‖A‖ ∈ σ(A) .

4. Sind λ, µ ∈ σ(A)\0, λ 6= µ , so gilt E(λ) ⊥ E(µ) (die Eigenraume sindpaarweise orthogonal).

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199

Bemerkungen:

zu 1) Im Fall dim X < ∞ sind die (kompakten) selbstadjungierten Abbildungen her-mite’sche Matrizen (Aufgabe).

zu 2) n(λ) = 1 bedeutet E(λ, A) = N1(λ, A) = Nν ∀ ν ≥ 1 (vgl. Satz 14.5, 1), 2)).Bei Matrizen bedeutet dies: Der Eigenvektorraum hat

”maximale Dimension“,

d.h. algebraische Vielfachheit = geometrische Vielfachheit, d.h. ∃ vollstandigesSystem von Eigenvektoren.

zu 3) Dies ist eine Existenzaussatz fur Eigenwerte und ‖A‖ ist gleich dem Spektralra-dius von A .

Beweis 14.11: Alle Spektralwerte 6= 0 sind EWe (Satz 14.7, 2)) =⇒Beweis 1) λ 6= 0 :

(Ax, x) = (λ x, x) = λ(x, x)|| selbstadj.

(x, Ax) = (x, λ x) = λ(x, x)

=⇒ λ = λ ∈ R .

Beweis 2) Wir zeigen: X = N1 ⊕ F1 und mit Hilfe dieser Beziehung N1 = N2 .

Daraus folgt n(λ) = 1 (vgl. Satz 14.5, 2) und Satz 14.7, 3) Beweis)

Wir zeigen zunachst: Satz 14.9, 3a) (Fredholm’sche Alternative) bedeutet fur selbst-adjungierte Operatoren auf Hilbertraumen

Im(A− λ I) = E(λ, A)⊥ ,

denn:A′g∗ = λ g∗, g∗ ∈ X∗ =⇒ g∗(y) = 0

~w~ g∗ = (·, g)

g∗(Ax) = λ g∗(x) ∀x ∈ X (y, g) = 0~w g∗ = (·, g)

(Ax, g) = λ(x, g) ∀x ∈ X~w A selbstadj., λ ∈ R

(x, Ag) = (x, λ g) ∀x ∈ X~w

Ag = λ g︸ ︷︷ ︸

y ∈ E(λ, A)⊥

Damit lautet 3a) aus Satz 14.9:

F1 = Im(A− λ I) = E(λ, A)⊥ = N⊥1 ,

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200 § 14 SPEKTRALTHEORIE KOMPAKTER OPERATOREN

denn”⇐⇒“ in 3a) entspricht den beiden Enthaltenseinsbeziehungen

”⊂“ und

”⊃“.

Nun ist X vollstandig, N1 = E(λ, A) abgeschlossener Teilraum (Satz 14.5, 1)), alsovollstandig.

Satz 5.7============> X = E(λ, A)⊕E(λ, A)⊥

= N1 ⊕ Im(A− λ I) (vgl. oben) .

Wir zeigen N1 = N2 (wegen N1 ⊂ N2 (Satz 14.5) genugt es N2 ⊂ N1 zu zeigen).Mit Aλ = A− λ I sei

0 6= x 6∈ N1 =⇒ x = x1 + x2, x1 ∈ N1, 0 6= x2 ∈ F1 =⇒ Aλx = Aλx2 6= 0

(da Aλx2 = 0 ⇐⇒ x2 ∈ N1)

=⇒ A2λx = Aλ(Aλx1) 6= 0 (denn A2

λx2 = 0), d.h. x 6∈ N2

=⇒ Aλx2 ∈ N1 ∩ F1 = 0, W!

d.h. x 6∈ N2 .

Beweis 4)

λ, µ ∈ σ(A)\0, λ 6= µ14.7, 5)=⇒ E(λ, A)

2)= N(λ, A) ⊂ F (µ)

n(λ)=1 ∀λ= Im(A− µ I)

2)= E(µ, A)⊥, also E(λ) ⊥ E(µ) .

Beweis 3): Idee und Beweisgang: Wir zeigen

1. ∃ y 6= 0 mit ‖y‖ = ‖A‖ ,

2. A2y und y sind linear abhangig (⇐⇒ y ist EE zu einem EW k von A2 ⇐⇒∃ k : (A2 − k I)y = 0 ),

3. k = ‖A‖2 .

Mit c) ist der Beweis abgeschlossen wegen 0 = (A2−‖A‖2I)y = (A+‖A‖I) (A−‖A‖I)d.h. +‖A‖ oder −‖A‖ ist EW von A .

Beweis 3): Œ sei A 6= Θ , denn fur A = Θ ist λ = 0 Spektralwert.

a) ‖A‖ = sup‖x‖=1

‖Ax‖ → ∃xn ⊂ X, ‖xn‖ = 1, ‖Axn‖ → ‖A‖

A kompakt → ∃ konvergente TF Axn → y und ‖y‖ = ‖A‖ 6= 0 , da A 6= Θ .

b) Nun gilt

‖A‖2 = limn→∞

‖Axn‖2 = limn→∞

(Axn, Axn)

A selbstadj.↓= lim

n→∞(A2xn, xn)

CSU

≤ limn→∞

‖A2xn‖ ‖xn‖︸︷︷︸=1

= limn→∞

‖A(Axn)‖ = ‖Ay‖ .

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201

Damit folgt

(∗) ‖A‖4 = ‖Ay‖2 = (Ay, Ay) = (A2y, y)CSU

≤ ‖A2y‖ ‖y‖

≤ ‖A‖2‖y‖2 a)= ‖A‖4 .

Die CSU muß also mit dem”=“ Zeichen gelten

(A2y, y) = ‖A2y‖ ‖y‖ .

Also sind A2y und y linear abhangig (vgl. Satz 5.2, speziell die folgende Bemerkung).

=⇒ ∃ k : A2y = ky → k(y, y) = (A2y, y) → k =(A2y, y)

(y, y)

=⇒ A2y =(A2y, y)

(y, y)· y =

(Ay, Ay)

(y, y)· y =

‖Ay‖2‖y‖2 · y

(∗)=‖A‖2‖y‖2‖y‖2 · y = ‖A‖2y, also k = ‖A‖2 .

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Index

L∞(B) , 68W m

p (Ω) , 77E(λ) , 187F (λ) , 187Hm,p , 77Lp(B) , 63N(λ) , 187Tr f , 38dist(x, A) , 83D(Ω) , 40DK(Ω) , 38

Hm,p(Ω) , 79ρ(A) := Resolventenmenge, 178supp f , 38Im T , 182(formal) adjungierte Differentialoperator,

113Aquivalenzklassen, 59uberdeckungskompakt, 94codim TX , 1821. Kategorie, 262. Kategorie, 26

Arzela-Ascoli, 98Cauchy-Folge, 42Klassisches Dirichletproblem, 125Minimallosung, 57Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit,

134Projektionssatz, 83schwach beschrankt, 149

abgeschlossen, 142abgeschlossene Menge, 8absolut konvexe Hulle, 46absorbierend, 32adjungierte Abbildung, 158Algebra, 102

Anmerkungen zum Dualraum von C[a, b] ,129

Annihilator von U in X∗ , 165Annihilator von V in X , 165Anwendung auf die Konvergenz von Qua-

draturformeln, 136Anwendung des Riesz’schen Darstellungs-

satzes auf Differentialgleichungen,125

Anwendungen des Satzes von Hahn-Banach,119

Auswahlaxiom, 30

Baire, 26, 27balanced, 32Banach-Steinhaus, 135Banachraum, 49Basis der Topologie, 8bedingt konvergent, 88Beispiele, 159, 169Beispiele linearer Operatoren und Funktio-

nale, 105Beispiele metrischer Raume, 15Beispiele zur und Eigenschaften der Refle-

xivitat, 150beschrankte Schwankung, 129Bessel’sche Ungleichung, 87Bidualraum, 146

Cantor’scher Durchschnittssatz, 26Cauchy-Bunjakowski’sche Ungleichung, 65Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung, 65, 80Charakterisierung schwach konvergenter Fol-

gen, 149Closed-range-Theorem, 166

Definitionen, 9Der Raum DK(Ω) , 38Der Raum D(Ω) , 40dicht in X , 10

202

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INDEX 203

Dichtekriterium von Banach, 121Die Lp -Raume 1 ≤ p <∞ , 63Die Fredholm’sche Alternative fur Integral-

gleichungen, 195Die Raume ℓp, 1 ≤ p ≤ ∞ , 73Die Ungleichungen von Holder und Min-

kowski, 64Dirac-Distribution, 110direkte Summe, 57Dirichlet’sche Prinzip:, 164diskrete Topologie, 8dist, 71Distribution, 107Distributionelle Losungen partieller Diffe-

rentialgleichungen, 113Distributionen, 107Distributionsableitung, 112Distributionsableitungen, 112Distributionslosung, 114duale Abbildung, 157duale Abbildung , 157Dualraume unitarer Raume, 123Dualraum von X ., 104

Eigenfunktion, 178Eigenraum von λ , 178Eigenschaften kompakter Operatoren, 173Eigenvektor, 178Eigenwert von A , 178Ein Mehrfachbeispiel, 18Einbettung in einen geeigneten Raum, schwa-

che Losung, 126Einbettung von Sobolev-Raumen in Holder-

Raume, 173Endlichdimensionale normierte Raume, 55equilibriert, 32Erweiterung, 116Erzeugte Topologie, 14

Fischer-Riesz, 68Fixpunktsatz von Banach, 22Fixpunktsatz von Schauder, 177Folgen und Reihen in normierten Raumen,

54folgenkompakt, 94Fortsetzung, 116Fortsetzung linearer Funktionale, 117

Fortsetzung: Lp -Raume, 68Fredholm’sche Alternative, 193Fredholm’sche Alternative fur Integralglei-

chungen, 197Fredholm-Integralgleichung, 106Funktionale, 104

gleichgradig stetig, 98gleichmaßig beschrankt, 102gleichmaßigen Beschranktheit fur lineare

Abbildungen, 134gleichstetig, 98grobste (indiskrete) Topologie, 8graphenabgeschlossen, 142Grundbegriffe, 8Grundlosung, 114

Haufungspunkt, 9Holder-Konstante, 50Holderstetig, 50Hahn-Banach, 117, 119halbgeordnet, 29, 30Halbnorm, 33, 49Hausdorff’sche Trennungsaxiom, 12Heaviside-Funktion, 114Hilbertraum, 80Homoomorphismus, 14Homomorphiesatz von Banach, 138, 139

Identifikation von Funktion f und Distri-bution F , 112

innerer Punkt von M , 9Inverse benachbarter Operatoren, 105Isometrie, 14isometrischer Isomorphismus, 52Isomorphismus, 52

kanonische Abbildung., 147Kategoriensatz, 27Kern des Integraloperators, 106kompakt, 94, 168kompakte Ausschopfung von Ω , 41Kompaktheitskriterien fur die Raume C(K) und

Lp(Rd) , 98konjugierte Abbildung, 157konjugierte Abbildung , 157Kontraktionssatz, 22

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204 INDEX

konvex, 32kreisformig, 32kreisformige, konvexe Hulle, 46

L(X,Y), 101Lax-Milgram Theorie, 125Lebesgue, 17linear geordnet, 29linearer topologischer Raum, 31Lipschitzkonstante, 50Lipschitzstetig, 50lokalkonvex, 32

mager, 26majorisierte Konvergenz, 17maximales Element, 29metrischer Raum, 8Minimalfolge, 84Minkowski Funktional, 34Multiindex, 15

Neumann’sche Reihe, 104nicht regulare Distribution, 110nirgends dicht in X , 10nirgendwo dicht, 26Norm, 33, 49Norm des linearen Operators T , 102normierte Algebra, 102Normierte Produktraume, 58normierte Produktraume, 58Normierte Quotientenraume, 59normierter Raum, 49normisomorph, 52Nullraum von T , 104

obere Schranke, 29Offene Abbildung, 138offene Mengen, 8ONS, 86Operatornorm, 102Ordnung einer Distribution, 110orthogonal, 83orthogonale Projektion, 83, 85orthogonales Komplement von U ., 165Orthogonalraum von M , 83Orthogonalraum von V in X , 165Orthonormalsystem, 86

Orthonormalsysteme in Pra-Hilbertraum-en, 86

Parallelogrammgleichung, 80Parseval’sche Gleichung, 88Parseval’sche Identitat, 88Permanenzprinzip, 112Poincare Ungleichung, 128positiv definit, 80positiv semidefinit, 80Pra-Hilbertraum, 80prakompakt, 94Produkttopologie, 14Projektionen , 57Pythagoras, 83

Quasimetrik, 8Quotientenraum X/Y , 59

Raume: Struktureller Aufbau , 6range, 104reflexiv, 147regulare Distribution, 110relativ kompakt, 94Relativtopologie, 14Resolventenfunktion, 178Riemann-Stieltjes-Integral, 130Riesz, 124Riesz-Fischer, 91

Satz vom abgeschlossenen Graphen, 141,143

Satz von der offenen Abbildung, 139Schachtelsatz, 26Schauder-Basis, 93schwach beschrankt, 150schwach kompakt, 156Schwach kompakte Mengen, 153schwach konvergent, 145Schwach-∗ Topologie, 148schwache Ableitung, 77schwache Losung des Dirichletproblems, 126schwache Topologie, 144schwache Topologie auf X∗ , 146Schwache Topologie, schwache Konvergenz,

schwache Kompaktheit, Reflexivitat,144

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INDEX 205

Schwarz, 66Schwarz’sche Nullfolge, 43selbstadjungiert, 114selbstadjungierte Abbildung, 158Selbstadjungierte kompakte Operatoren in

Hilbertraumen, 197separabel, 25Sesquilinearform, 80singulare Distribution, 110Skalarprodukt, 80Sobolev-Norm, 77Sobolev-Raume und schwache Ableitungen,

75Sobolev-Raum, 77Spektralsatz von Riesz-Schauder, 187Spektralwert, 178Spektrum von A , 178Spurtopologie, 14starke Losung, 113Stetigkeit, 13stochastische Konvergenz, 17

toplinear isomorph, 52topologischer Dualraum, 107topologischer Raum, 8topologischer Vektorraum, 31total geordnet, 29totale Variation, 129Trager von f , 38Trager, 38Transformation auf homogene Randwerte,

125

Umgebung von x0 , 9Umgebungsbasis von x0 , 9unitarer Raum, 80

Variationsprinzip fur selbstadjungierte Ope-ratoren, 162

verallgemeinerte Fourier-Koeffizienten, 87verallgemeinerte Funktion, 113Vergleich von Topologien, 14Vervollstandigung, 21vollstandig, 19vollstandige Hulle, 54vollstandiges ONS, 86vollstetig, 168

VONS, 86

weak topology, 144Weierstraß, 16Wellengleichung, 114Wohlordnungssatz, 30