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Lesen mit Schreibaufgaben verbinden best practice Materialien und Arbeitsblätter Weiterbildungstage Berufsbildungsreformen BBZ / MGZ Cordula Weidling, Hainbuchenweg 10, 8400 Winterthur Saskia Sterel, St. Gallerstrasse 42b, 8400 Winterthur 7. Juli 2010

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Lesen mit Schreibaufgaben verbindenbest practice

Materialien und Arbeitsblätter

Weiterbi ldungstage Berufsbi ldungsreformen

BBZ / MGZ

Cordula Weidl ing, Hainbuchenweg 10, 8400 Winter thur

Saskia Sterel , St . Gal lers trasse 42b, 8400 Winter thur

7 . Jul i 2010

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1. Einführung für Lehrpersonen

Abstract

Irene Wagner, eine vom materiellen Wohlstand gelangweilte Ehefrau eines renommierten Anwalts

und Mutter zweier Kinder, beginnt eine Affäre mit einem Pianisten. Eines Tages trifft sie beim Verlas-

sen der Wohnung ihres Geliebten eine unbekannte Frau, die über die heimliche Affäre informiert ist

und beginnt fortan Irene zu erpressen. Aus Angst davor, dass ihr Mann von ihrem Verhältnis erfährt,

geht sie auf die Forderungen der Erpresserin ein. Das Leben erhält dadurch eine drastische Wende

für Irene: Das anfänglich aufregende Gefühl einen Geliebten zu haben, schlägt in Angst um. Sie be-

endet das Verhältnis zum Pianisten und zieht sich immer mehr aus dem öffentlichen gesellschaftli-

chen Leben zurück. Entgegen ihrer bisherigen Lebensweise hält sie sich nun hauptsächlich zu Hause

auf und ihr wird bewusst, wie wenig Umgang sie mit ihren Kindern hat und wie wenig sie ihren Mann

kennt. Auch er reagiert auf ihre Veränderung und bittet sie immer wieder sich ihm anzuvertrauen. Die

Angstzustände werden von Tag zu Tag stärker, bis sie es nicht mehr aushält und beschliesst sich

umzubringen. Als sie in die Apotheke geht, um das Gift zu besorgen, kommt ihr Mann hinzu und ge-

steht ihr, dass er die Erpresserin engagiert hat, um sie zu einem Geständnis zu bewegen, damit er ihr

verzeihen und sie zu ihm zurückkehren kann.

Histor ischer Hintergrund

Die Idee des Nationalstaates ist das Identifikationskriterium in Politik und Wirtschaft und macht selbst

vor der Wissenschaft und vielen Bereichen des Alltags nicht Halt. Die Beziehungen zwischen den eu-

ropäischen Staaten sind als Folge des überzogenen Nationalismus gespannt. Russland unterstützt

Serbien, das sich durch die Besetzung und Annexion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-

Ungarn (1908) bedroht fühlt. Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers durch serbische Nati-

onalisten ist nur noch der Funke, der den ersten Weltkrieg 1914 entzündet1.

In den Jahren vor Ausbruch des ersten Weltkrieges erlebt Zweig den Beginn einer neuen vielver-

sprechenden Zeit. Moderne Leistungen und Errungenschaften, technische Erfindungen, wie Flugzeu-

ge, Zeppeline, Automobile, Ozeandampfer, Telefon, Telegraf und Überseekabel geben Anlass zu Op-

timismus und Stolz. Der schöpferische Mensch ist Zweigs höchste Idee vom Menschen überhaupt.

Dieser legt jedoch seinen Palmenzweig aus der Hand und greift 1914 zu den Waffen. In Wien erlebt

Zweig den Jubel der Menschen über die Kriegserklärung. Stefan Zweig behält jedoch einen kühlen

Kopf und distanziert sich als einer der wenigen vernünftigen und kritischen Intellektuellen vom kollek-

tiven Siegesrausch2.

Über den Autor

Stefan Zweig wird am 28. November 1881 in Wien geboren. Er ist der zweite Sohn des jüdischen

Textilfabrikantenpaares Ida und Moritz Zweig. Als Schüler des Maximilian-Gymnasiums beginnt er

Gedichte zu schreiben. Einige werden sogar in Zeitschriften veröffentlicht. Er nimmt das Studium der

Philosophie und Literaturgeschichte an der Wiener Universität auf. Zweig promoviert 1904 mit einer

Arbeit über Hippolyte Taine. Bevor er 1907 in seine erste Wohnung in Wien zieht, verbringt er vier

Monate in England. 1912 lernt er Friderike von Winternitz kennen.

Am 1. Dezember 1914 wird Stefan Zweig in das Kriegsarchiv einberufen. 1916 zieht Zweig mit Fri-

derike von Winternitz und ihren beiden Töchtern aus erster Ehe in ein Haus am Kapuzinerberg in

Salzburg. Seit 1917 pflegt Zweig einen engen Kontakt zu pazifistischen Intellektuellen und Künstlern.

1 Senn M., Rechtsgeschichte – ein kulturhistorischer Grundriss, S. 366f.2 Müller H., Stefan Zweig, Bildmonografie, S. 49ff.

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Als Korrespondent der Wiener „Neuen Freien Presse“, für die er seit 1902 arbeitet, zieht Zweig mit

Friderike im März 1918 nach Rüschlikon bei Zürich. Sie heiraten 1920 in Wien, nachdem beide wie-

der in ihr Haus in Salzburg zurückgekehrt sind.

Von den Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten sind auch die Werke Stefan Zweigs be-

troffen. Nachdem sich Zweig für längere Zeit in London aufgehalten hat, siedelt er im Februar 1934

nach einer polizeilichen Durchsuchung seines Hauses dauerhaft nach London über. Seine Frau bleibt

in Österreich.

1938 reist Stefan Zweig mit Lotte Altmann, die seit 1934 seine Sekretärin ist, nach Portugal. Im

gleichen Jahr lässt er sich von Friderike scheiden. Nachdem sich Österreich an das Deutsche Reich

“anschliesst“, beantragt Zweig die britische Staatsbürgerschaft. Lotte Altmann und Stefan Zweig hei-

raten am 6. September 1939. Ein Jahr darauf wird Stefan Zweig britischer Staatsbürger. Der Kriegs-

verlauf ist wichtiger Grund für Zweigs erneute Depression. Am 23. Februar 1942 nehmen sich Stefan

Zweig und seine Frau Lotte in Brasilien das Leben3.

Zur Textsor te: Novel le

Der Begriff Novelle stammt aus dem Italienischen und ist erst seit dem 18. Jahrhundert im deutsch-

sprachigen Raum gebräuchlich. Die Gesellschaft stellt sich in der Novelle selbst dar und ist eng mit

der emanzipierenden Bürgerwelt verbunden. Ein typisch beschriebenes Merkmal der Novelle des

19. Jahrhunderts ist, dass sie die bürgerliche Lebenswelt und deren Probleme darstellt.4

Parallelen

finden sich in der Novelle von Stefan Zweig, deren Protagonistin der Bourgeoisie aus Überdruss und

Langeweile ein Verhältnis zu einem Künstler unterhält, welcher zum Dreh- und Angelpunkt ihrer be-

schriebenen Ängste wird.

Weitere Merkmale der Novelle, die sich auch in "Angst" finden, sind: kontinuierliche Zeitabfolge,

einsträngige Handlung, kürzer als ein Roman, plötzliches krisenhaftes Ereignis, durch welches der

Lebensweg des Protagonisten eine schicksalhafte Wendung erfährt.

Einige Literaturwissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass es bisher keine allgemeingültigen

Kriterien für die eindeutige Begriffsbestimmung der Novelle existieren und sie somit auch über keine

Instrumente verfügen, die einen Zugang zur Novelle selbst vermitteln würden und auch keine klaren

Kriterien für eine Abgrenzung zur Erzählung existieren.5

3Müller H., Stefan Zweig, Bildmonografie, S. 140ff.

4http://www.uni-essen.de/einladung/Vorlesungen/epik/novelle.htm

5Lange, G, Marquardt, D, Petzold, Leander, Ziesenis, W. Textarten, didaktisch. Eine Hilfe für den Li-

teraturunterricht, S. 110f.

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2. Das Werk kann im Unterricht gut einge-setzt werden, weil…

es gut zum im SLP vorgesehenen Thema "Familie" passt. Innerhalb des Themas machen sich die

Lernenden mit den verschiedenen Formen des Zusammenlebens vertraut. Dabei befassen sie sich

mit den Vor- und Nachteilen des Konkubinats und der Ehe und setzen sich mit der Rollenverteilung

auseinander. Sie erfahren hierbei, dass das Zusammenleben nicht frei von Konflikten ist. Die Konflik-

te sind rechtlich, gesellschaftlich und zwischenmenschlich geprägt. Mit dieser Lektüre erfahren sie,

dass Themen auch nach fast 100 Jahren noch aktuell sind. Die Lernenden können sich mit der Pro-

tagonistin identifizieren und in eine andere Welt eintauchen. Die Lernenden werden mit einem aktuel-

len Thema in einer für sie ungewöhnlichen Sprache konfrontiert. In dem sie sich intensiv mit ver-

schiedenen Textpassagen auseinandersetzen, dabei ihren Sprachspeicher füllen und mit diesem die

Rolle der Protagonistin übernehmen, sollen sie möglichst mit ihrer Sprache einen persönlichen Brief

an eine fiktive Freundin schreiben können. Durch das Verhalten des Mannes der Protagonistin wer-

den die Lernenden mit einer Konfliktlösung konfrontiert, die für sie unter Umständen überraschend

ist. Dies gibt ihnen die Gelegenheit ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und ihr Verhaltensrepertoire

zu erweitern.

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3. Didaktisierung

Programm für die Lernenden

1. Sie erfahren in einem Lehrvortrag wichtige Eckdaten zur Novelle „Angst“.

2. Arbeit mit der Novelle „Angst“ von Stefan Zweig

- Situationen, in denen Sie Angst hatten.

- verschiedene Textpassagen überfliegen, detailliert lesen und hören.

- Wörterliste zu den Textpassagen erstellen, zum Teil nach Nomen, Adjektiven und Verben ordnen.

- Familienportraits aus der Zeit der Novelle betrachten und beschreiben.

3. Brief auf dem Laptop verfassen und abgeben, wird bewertet. Bewertungskriterien beachten.

4. Hinweise für Lehrpersonen

Hörbuch

Angst, Novelle, gelesen von Martina Gedeck, 2 CD, 2006, Der Hörverlag GmbH/Schweizer Radio

DRS. Die 2. CD enthält weitere Aufnahmen (Hymnus an die Reise, Der Bildhauer) aus dem Jahr

1933, gelesen von Stefan Zweig.

Fi lm

Angst, Melodram, Deutschland/Italien 1954, Regie: Roberto Rossellini, mit: Ingrid Bergman, Mathias

Wieman, Renate Mannhardt, Kurt Kreuger, Elise Aulinger, Klaus Kinski.

Links

www.sbg.ac.at/ger/zweig/

Webseite der Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft

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5. Quellen

Verwendete Lektüre

Frey Pascal (Hrsg.), Was lesen? Ein Lexikon zur deutschen Literatur. 1. Auflage, Bern 2003.

Müller Hartmut, Stefan Zweig. Bildmonografie. 11. Auflage, Hamburg 2005.

Senn Marcel. Rechtsgeschichte – ein kulturhistorischer Grundriss. 4. Auflage, Zürich 2007.

Schweikle Günther (Hrsg.). Metzler Literatur Lexikon. 3. Auflage, Stuttgart 2007.

Zweig Stefan. Angst. 14. Auflage, Frankfurt am Main 2007.

Lange, G., Marquardt, D., Petzold, Leander, Ziesenis, W. Textarten, didaktisch. Eine Hilfe für den Li-

teraturunterricht. Baltmannsweiler, 2004.

Bi lder

http://fantes.com/images/fantes-1912-1.jpg

http://geneal.lemmel.at/BartFamilie1907.gif

http://www.payer.de/bolivien2/boliv02238.gif

http://images.google.ch/imgres?imgurl=http://www.helming-

coe.de/helm_ah.jpg&imgrefurl=http://www.helming-

coe.de/helmah.htm&h=720&w=854&sz=119&hl=de&start=9&sig2=kXRhD0WzmPFG7NJbufdCUA&tb

nid=eZxyyykunn69BM:&tbnh=122&tbnw=145&ei=RnYQSPWKJZK6-

gL84O3pCQ&prev=/images%3Fq%3Dfamilie%2B1912%26gbv%3D2%26hl%3Dde%26sa%3DG

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Arbei tsbla t t 1

Stichwörter

Autor Stefan Zweig, 1881 in Wien geboren, Studienreise nach Wien undZürich.

Titel

Ort der Handlung

Geschichtlicher Hintergrund

Inhaltsangabe

Zitat "Überall griff sie in das Weiche, überall war Vorsorglichkeit, Zärtlich-keit, laue Liebe und häusliche Achtung hingebreitet, (…) , fühlte siesich irgendwie um das wirkliche Leben durch die Behaglichkeit betro-gen." (S. 21)

Sprache

Novelle

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Fami l ienportra i t 1

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Fami l ienportra i t 2

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13

Fami l ienportra i t 3

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Fami l ienportra i t 4

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Arbei tsbla t t 2

Persönliche Situationen der AngstText 1Irenes Angst

Text 2Irenes Angst

Text 1FamilienportraitgesellschaftstypischeMerkmale

Text 3gesellschaftlicherHintergrund

notieren lesen, ordnen, notieren hören, notieren lesen, betrachten, notieren lesen, notieren

Situation 1: _______________________

Situation 2: _______________________

Adjektiv und NomenBsp. abgestorbene Dinge

AdjektiveBsp. erstarrt

AusdrückeBsp. leere Stunden

Bsp. Proletarierin, Chauf-feur

Bsp. Theater, gesellschaft-liche Vereinigungen

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Situation 3: _______________________

Verben (Infinitiv)Bsp. zittern

AusdrückeBsp. ins Herz getroffen

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6. Texte von Lernenden

Wien den 19.05.1905

Liebste Henrietta,

es ist schon viel zu lange her, dass ich dir einen Brief geschrieben habe. Doch nun habe ichdringenden Anlass, dir zu schrieben. Ich bitte dich innig, diesen Brief vertraulich zu behandeln.Vergangenen Donnerstag besuchte ich mit meiner Frauengruppe das Theater. Zurzeit wird dortdas Stück „ein Sommernachtstraum“ aufgeführt. Du weißt, ich liebe dieses Stück!

Wie immer trafen wir uns vorher in einem Kaffehaus. Wie es der ungünstige Zufall wollte, sassdort Hans. Aus meinen früheren Briefen an dich, wirst du entnommen haben, dass uns mehrals freundschaftliche Gefühle verbinden. Für einen kleinen Moment war ich ratlos. MeineBegleiterinnen sind über diese Verbindung nicht im Bilde. Da ich jedoch keine Gefahr wahr-nahm, entschied ich mich, Hans höflich zu begrüssen. Natürlich konnte ich auch von ihm obers-te Diskretion erwarten. Doch wie es das böse Schicksal wollte, stellte sich mir eine unbekannte,kleine und übel riechende Frau in den Weg. Anfänglich übersah ich sie höflich. Doch die Un-verschämte liess mich nicht weitergehen. Ihr Gesicht war rot und wutverzerrt. Mir wurde bange.Eine kalte Welle stieg in mir hoch. Nervös versuchte ich sie zu umgehen, da merkte ich, dasssie mit mir sprach. Ganz leise zischte sie mich an. Meine Freundinnen schauten schon fragendin meine Richtung, zumal ein solches Volk in diesem Kaffehaus selten gesehen wird. Mir bliebnichts anderes übrig, als hinzuhorchen. Und was ich da hören musste, hat mich bis ins Innersteerzittern lassen. Die vom bösen Schicksal gesandte Frau kannte meinen Vornamen und mei-nen Familiennamen. Sie wusste wo ich wohne und wer mein Mann ist. Das allerschlimmste je-doch ist, dass sie von der geheimen Beziehung zu Hans weiss. Sie hat mir gedroht, ihr Wissenmeinem Manne weiter zu geben, zumal ich ihr nicht die gewünschte Summe von 1000 Markausbezahlen würde. Ihre Frist sei am kommenden Sonntag abgelaufen. Sie würde am grossenPlatz vor der Oper auf mich warten, punkt 14:00 Uhr. Nach dieser Botschaft ist sie ebenso laut-los verschwunden, wie sie aufgetaucht ist. Hans hat mich fragend angeblickt, aber ich habe nurden Kopf geschüttelt. Die Freude auf den Theaterbesuch war mir gründlich vergangen.

Liebste Henrietta, wenn mein Mann von dieser Verbindung erfährt, schürzt meine gesamte Weltein. Die letzten Nächte habe ich schlaflos verbracht, immer die Stimme der unverschämten undübel riechenden Frau in meinem Kopf. Ich zeige mich nicht mehr in der Öffentlichkeit, was vie-len bestimmt schon aufgefallen sein muss. Wenn ich die Haustürglocke höre, drohe ich inOhnmacht zu fallen. Die Angst sitzt mir im Nacken und ich weiss keinen Rat.

Henrietta, soll ich der Frau diesen Betrag aushändigen? Oder soll ich am Ende ehrlich zu mei-nem Gatten sprechen?Bitte liebste Freundin, hilf mir und sende mir schon bald deinen Rat.

In tiefer Verbundenheit

Deine Freundin Irene

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Wien 17. Mai 1910

Meine treue Freundin Francise

Es ist schon so lange her, seit wir uns das Letztemal begegnet sind und ich komme nicht umherdich um einige Dinge in Kenntnis zu setzen. Ein wichtiges Anliegen meinerseits ist es zudem,dich um deinen Rat zu erbitten, da du meine teuerste Freundin bist.Zu allererst möchte ich dir sagen, wie Schade es ist, dass du den letzten unbedingt gesell-schaftlichen Anlass verpasst hast. Die ganze Gesellschaft der Bourgeoise war anwesend undnatürlich gab es einiges an Neuigkeiten zu berichten. Miss Camelot wurde mit dem werten HerrSchumacher vermählt und zeigte in ihrer Unverfrorenheit den Verlobungsring allen Anwesen-den. Du kannst dir sicherlich vorstellen wie daraus ein unnötig aufgebauschtes Gespräch unse-rerseits entstand. Das war dann wohl auch schon alles, da es sich im Allgemeinen wie immernur um das Thema, Sehen und Gesehen werden, drehte. Nach einigen langatmigen Stundenverliess ich den prachtvoll geschmückten Festsaal und kehrte zurück zu meinem Anwesen.Wie bereits oben erwähnt möchte ich dich über etwas in Kenntnis setzen. Das Grauen lastethoffnungslos auf meinen Schultern. Schmerzhaft kommen die folgenden Worte über meine to-benden Hände. Vor wenigen Jahren erlag ich zu meiner Schmach einem jungen Sir. Sein Na-me ist Ernst Heinrich und er war für eine längere Zeit geschäftlich in Wien. Eines sonnigenMorgens erlag ich nach einem ausgiebigen Spaziergang seinem Charme und wir hatten einekurze, wenn auch feurige Vereinigung miteinander. Zu meinem Ungemach wurden wir von ei-ner entsetzlichen Proletarierin dabei gesichtet. Nun werde ich von ihr erpresst. Ihr hämischesGesicht und ihr siegreiches Lachen verheissen mir nichts Gutes. Die leeren Stunden der Angsterfüllen meine gespannte Brust und ich bin voller Selbstzweifel was meine einst sichere Zukunftnun bringen möge.Meine teure Freundin Francise, wie komme ich nur aus dieser Misere hinaus ohne das Grauenüber meine Familie kommen zu lassen. Kannst du mir in deiner Weisheit Rat erteilen, durchden mein Leben seinen sicheren Stand zurück erhält?

In Bitte an deine Treue und im Vertrauen an deine Verschwiegenheit,deine ergebene FreundinIrene

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Lösungen

Weiterbi ldungstage Berufsbi ldungsreformen

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Cordula Weidl ing, Hainbuchenweg 10, 8400 Winter thur

Saskia Sterel , St . Gal lers trasse 42b, 8400 Winter thur

7 . Jul i 2010

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Arbei tsbla t t 1 Lösung

Stichwörter

Autor Stefan Zweig, 1881 in Wien geboren, Studienreisenach Wien und Zürich. Einige Monate Aufenthalt inNew York, 1941 Auswanderung nach Brasilien,1942 nehmen sich seine Frau und er das Leben.

Titel Angst

Ort der Handlung Wien

Geschichtlicher Hintergrund Moderne Leistungen und Errungenschaften, techni-sche Erfindungen: Flugzeuge, Zeppeline, Automobi-le, Ozeandampfer, Telefon, Telegraf und Übersee-kabel. In Wien erlebt Zweig 1914 den Jubel derMenschen über die Kriegserklärung. Stefan Zweigbehält einen kühlen Kopf und distanziert sich alseiner der wenigen vernünftigen und kritischen Intel-lektuellen vom kollektiven Siegesrausch.

Inhaltsangabe Wohlhabende Ehefrau eines angesehenen Anwaltsmit zwei Kindern ist von ihrem Leben gelangweilt.Angst begleitet sie in ihrem Alltag und wird immergrösser bis sie sogar überlegt sich umzubringen.

Zitat "Überall griff sie in das Weiche, überall war Vorsorg-lichkeit, Zärtlichkeit, laue Liebe und häusliche Ach-tung hingebreitet, (…) , fühlte sie sich irgendwie umdas wirkliche Leben durch die Behaglichkeit betro-gen." (S. 21)

Sprache Literarische, metaphorische, vornehme Sprache, diezu der beschriebenen Gesellschaft passt.

Novelle Stammt aus dem Italienischen, erst seit dem 18.Jahrhundert im deutschsprachigen Raum gebräuch-lich, kontinuierliche Zeitabfolge, beschreibt das Bür-gertum und deren Probleme.

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Arbei tsbla t t 2 Lösung

Persönliche Situationen der AngstText 1Irenes Angst

Text 2Irenes Angst

Text 1FamilienportraitgesellschaftstypischeMerkmale

Text 3gesellschaftlicherHintergrund

notieren lesen, ordnen, notieren hören, notieren lesen, betrachten, notieren lesen, notieren

Situation 1: _______________________

individuelle Notizen

Situation 2: _______________________

individuelle Notizen

Adjektiv und NomenBsp. abgestorbene Dinge

sinnlose, dumpfe Wut

wüstes Gesicht

höhnisches Lachen

übermenschliche Anstren-gung

nervöse Hast

gehobene rote Faust

fremder Bezirk

gespannte Brust

AdjektiveBsp. erstarrt und kaltgetobtharthastigaufgeweichtschmerzhaft

AusdrückeBsp. leere Stunden

entsetzliche Begegnungen

das Hoffnungslose

wie ein Alp auf ihrem Le-ben lasten

verzweifelte Anstrengung

Verhängnis

häusliches Glückniederstürzen

entehrt und bemakelt

Heim und Dinge, ..., die sieverlieren sollte

fremde Vagabundin, .., dieirgendwo auf der Strasselauerte

Bsp. Proletarierin, Chauf-feur

Dienstmädchen

Eigentum und Geborgen-heit

äusserer Schein

Schleier

Speisezimmer

abendlich gedeckter Tisch

strenge Uniform

elegantes Kleid

hochgeschlossenes Kleid

düstere Gesichter

mädchenhafte Schleife

steife Körperhaltung

Bsp. Durch materielle Un-abhängigkeit von den klei-nen Sorgen der Wirtschaftenthoben

Theater

gesellschaftliche Vereini-gungen

Bourgeoisie

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Situation 3: _______________________

individuelle Notizen

Verben (Infinitiv)Bsp. zittern

schüttelnklemmenspürenherauswühlenschreientobenfreimachenspeien

AusdrückeBsp. ins Herz getroffen

physisch weh taten

dumpfe Wut

ein Krampf das Innere ihrerBrust herauswühlen

mit den Fäusten getobt

freizumachen von demGrauem

physisch weh taten

ihre Knie wie aufgeweicht

alle Energie zusammenraf-fend

Woge der Erregung

geschlossene Münder

aufwendige Frisuren

gescheitelte Frisuren

choreographierte Gruppen-aufstellung

grosse Familien

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Persönl iche Not izen