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Protokoll-Nr. 18/116 18. Wahlperiode Ausschuss für Gesundheit 18. Wahlperiode Seite 1 von 18 Wortprotokoll der 116. Sitzung Ausschuss für Gesundheit Berlin, den 17. Mai 2017, 14.00 Uhr bis 15.15 Uhr Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1, 10557 Berlin Marie-Elisabeth-Lüders-Haus Anhörungssaal 3 101 Vorsitz: Dr. Edgar Franke, MdB Tagesordnung - Öffentliche Anhörung a) Einziger Tagesordnungspunkt Seite 5 Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung BT-Drucksache 18/10561 Federführend: Ausschuss für Gesundheit Mitberatend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie b) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE. Patientinnen und Patienten entlasten - Zuzahlun- gen bei Arzneimitteln abschaffen BT-Drucksache 18/12090 Federführend: Ausschuss für Gesundheit

Wortprotokoll der 116. Sitzung - bundestag.de · mit der Arzneimittelversorgung zu tun haben, helle Aufregung verursacht hat. Nach diesem Urteil müssten sich EU-ausländische Versandapotheken

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Protokoll-Nr. 18/116

18. Wahlperiode

Ausschuss für Gesundheit

18. Wahlperiode Seite 1 von 18

Wortprotokollder 116. Sitzung

Ausschuss für GesundheitBerlin, den 17. Mai 2017,14.00 Uhr bis 15.15 UhrAdele-Schreiber-Krieger-Straße 1, 10557 BerlinMarie-Elisabeth-Lüders-HausAnhörungssaal 3 101

Vorsitz: Dr. Edgar Franke, MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

a)

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 5

Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, SabineZimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.

Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung

BT-Drucksache 18/10561

Federführend:Ausschuss für Gesundheit

Mitberatend:Ausschuss für Wirtschaft und Energie

b) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, SabineZimmermann (Zwickau), Pia Zimmermann und derFraktion DIE LINKE.

Patientinnen und Patienten entlasten - Zuzahlun-gen bei Arzneimitteln abschaffen

BT-Drucksache 18/12090

Federführend:Ausschuss für Gesundheit

Ausschuss für Gesundheit

18. Wahlperiode Protokoll der 116. Sitzungvom 17. Mai 2017

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c) Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche,Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

Arzneimittelversorgung an Bedürfnissen der Pati-entinnen und Patienten orientieren – Heute und inZukunft

BT-Drucksache 18/11607

Federführend:Ausschuss für Gesundheit

Mitberatend:Ausschuss für Wirtschaft und Energie

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18. Wahlperiode Protokoll der 116. Sitzungvom 17. Mai 2017

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Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder

CDU/CSU Bertram, UteHajek, RainerHenke, RudolfHennrich, MichaelHüppe, HubertIrlstorfer, ErichKippels, Dr. GeorgKühne, Dr. RoyLeikert, Dr. KatjaMaag, KarinMeier, ReinerMichalk, MariaMonstadt, DietrichRiebsamen, LotharRüddel, ErwinSorge, TinoStritzl, ThomasZeulner, Emmi

Albani, StephanBrehmer, HeikeDinges-Dierig, AlexandraEckenbach, JuttaLorenz, WilfriedManderla, GiselaNüßlein, Dr. GeorgPantel, SylviaRupprecht, AlbertSchmidt (Ühlingen), GabrieleSchwarzer, ChristinaSteineke, SebastianSteiniger, JohannesStockhofe, RitaStracke, StephanTimmermann-Fechter, AstridWiese (Ehingen), HeinzZimmer, Dr. Matthias

SPD Baehrens, HeikeBas, BärbelDittmar, SabineFranke, Dr. EdgarHeidenblut, DirkKermer, MarinaKühn-Mengel, HelgaMattheis, HildeMüller, BettinaRawert, MechthildStamm-Fibich, Martina

Bahr, UlrikeBlienert, BurkhardFreese, UlrichHenn, HeidtrudKatzmarek, GabrieleLauterbach, Dr. KarlTack, KerstinThissen, Dr. KarinWestphal, BerndZiegler, Dagmar

DIE LINKE. Vogler, KathrinWeinberg, HaraldWöllert, BirgitZimmermann, Pia

Höger, IngeLutze, ThomasTempel, FrankZimmermann (Zwickau), Sabine

BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

Klein-Schmeink, MariaScharfenberg, ElisabethSchulz-Asche, KordulaTerpe, Dr. Harald

Kurth, MarkusPothmer, BrigitteRüffer, CorinnaStrengmann-Kuhn, Dr. Wolfgang

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Beginn der Sitzung: 14.01 Uhr

Der Vorsitzende, Abg. Dr. Edgar Franke (SPD):Guten Tag meine sehr verehrten Damen und Her-ren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, nichtzuletzt meine sehr verehrten Sachverständigen. Ichbegrüße Sie herzlich zur öffentlichen Anhörung desAusschusses für Gesundheit. In dieser öffentlichenAnhörung beschäftigen wir uns mit drei Anträgen,die alle die Arzneimittelversorgung thematisieren.Das sind zwei Anträge der Fraktion DIE LINKE.,„Gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung“auf Drucksache 18/10561 und „Patientinnen undPatienten entlasten – Zuzahlungen bei Arzneimit-teln abschaffen“ auf Drucksache 18/12090. Hinzukommt ein Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, „Arzneimittelversorgung an Bedürfnis-sen der Patientinnen und Patienten orientieren,heute und in Zukunft“ auf Drucksache 18/11607.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie allekennen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs(EuGH) vom 19. Oktober 2016, was bei vielen, diemit der Arzneimittelversorgung zu tun haben, helleAufregung verursacht hat. Nach diesem Urteilmüssten sich EU-ausländische Versandapothekenbei der Lieferung von rezeptpflichtigen Arzneimit-teln nach Deutschland nicht mehr an die Arznei-mittelpreisverordnung (AMPreisV) halten, d. h. esgelten keine einheitlichen Apothekenabgabepreisemehr. Dies sei, so der EuGH, eine Einschränkungder unionsrechtlichen Warenverkehrsfreiheit. Da-mit hat das Gericht auf höchster europäischerEbene geurteilt, dass ausländische Versandapothe-ken auf verschreibungspflichtige Medikamentezum Beispiel Rabatte gewähren können, was deut-schen Apotheken, auch deutsche Versandapothe-ken, nach geltender Rechtslage nicht gestattet ist.Aus Sicht der deutschen Apotheken, vor allem derinhabergeführten Apotheken vor Ort, ist das einklarer Wettbewerbsnachteil gegenüber den auslän-dischen Versandapotheken. Das ist so in der öffent-lichen Diskussion vorgetragen worden. Die Bundes-regierung prüft in verschiedenen Ministerien inten-siv, welche europarechtlich und verfassungsrecht-lich sauberen Möglichkeiten es gibt, Apotheken imHinblick auf das EuGH-Urteil zu stärken bzw. wasfür Möglichkeiten es gibt, einen fairen Wettbewerbzwischen Versandapotheken aus dem EU-Auslandauf der einen Seite und deutschen Apotheken aufder anderen Seite herzustellen. Heute liegen unsdazu mehrere Anträge der Opposition vor.

Die Fraktion DIE LINKE. will den Versandhandelmit verschreibungspflichtigen Medikamenten gene-rell verbieten und im Zuge dieser Maßnahme dieZuzahlung abschaffen. Eine gänzlich andere Lö-sung schlägt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN vor. Sie will den Versandhandel mit ver-schreibungspflichtigen Arzneien weiterhin erlau-ben. Damit die deutschen Apotheken gegenüber ih-ren europäischen Mitbewerbern konkurrenzfähigbleiben, sollen auch sie diese Medikamente günsti-ger anbieten können. Hierzu soll nicht wie bisherder Festpreis eines Medikaments definiert werden,sondern ein Höchstpreis. In diesem Spannungsfeld,meine sehr verehrten Damen und Herren, wird sichdie heutige Anhörung bewegen. Bevor wir begin-nen, möchte ich kurz einige Erläuterungen zumAnhörungsverfahren geben. Uns stehen insgesamt75 Minuten zur Verfügung und die Fraktionen wer-den ihre Fragen abwechselnd in einer festen Rei-henfolge stellen. Es beginnt in der ersten Frage-runde die CDU/CSU, dann folgt die SPD, dannnochmals die CDU/CSU, anschließend fragen DIELINKE. und dann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Inder zweiten Runde ist die Reihenfolge CDU/CSU,SPD, CDU/CSU, SPD, dann folgen wiederum DIELINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Rundeeins und zwei erfolgen im Wechsel. Noch zur Erin-nerung: Jede fragestellende Fraktion stellt nur eineFrage an einen Sachverständigen. Ich darf alle bit-ten, Fragen und Antworten möglichst kurz zu hal-ten, damit viele Fragen beantwortet werden könnenund viele Sachverständige zu Wort kommen. Ichbitte die aufgerufenen Sachverständigen, bei derBeantwortung der Fragen das Mikrofon zu benut-zen, weil alles aufgezeichnet wird, und sich immerkurz mit Namen und Verband vorzustellen. Ichbitte Sie auch, die Mobiltelefone auszuschalten.Die Anhörung wird digital aufgezeichnet und kannin der Mediathek des Deutschen Bundestages imInternet angeschaut werden. Weiter gibt es einWortprotokoll der Anhörung auf der Internetseitedes Ausschusses. Genug der Formalien, wir begin-nen jetzt mit der Anhörung, meine sehr verehrtenDamen und Herren.

Abg. Maria Michalk (CDU/CSU): Meine erste Fragerichte ich an Herrn Prof. Dr. May. Im Antrag derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird gefor-dert, die Preisbindung für verschreibungspflichti-gen Arzneimitteln insgesamt aufzuheben. WelcheKonsequenzen hätte das für die flächendeckendeund wohnortnahe Versorgung in unserem Land?

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ESV Prof. Dr. Uwe May: Die Preisbindung hat einesteuernde Funktion, sowohl nach oben als auchnach unten. Nach oben natürlich, um Patienten vorder Situation zu schützen, dass Sie in einer Krank-heitssituation mit zu hohen Arzneimittelpreisenkonfrontiert werden. Dem trägt der Antrag mit ei-nem Höchstpreis Rechnung. Die Funktion der Arz-neimittelpreisbindung nach unten wird aber ver-nachlässigt. Sie soll einen wirtschaftlich ruinösenWettbewerb verhindern, die dazu führen soll, dassdie Apotheken unter einem wettbewerblich mög-licherweise sich einstellendes Niveau, das mit derLeistung, die sie wirtschaftlich zu erbringen haben,nicht mehr vereinbar ist. Auf Grund unserer Analy-sen und Beobachtungen haben wir die Sorge, dassein Aufheben der Preisbindung dazu führt, dass be-stimmte Anbieter – und es ist naheliegend, dassdas eher Versandhandelsanbieter sind – diese Arz-neimittel auf ihren reinen Warencharakter reduzie-ren. Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, dass Arznei-mittel nicht nur einen Warencharakter haben, son-dern mit einer Dienstleistung zusammenhängen.Erst das macht die Arzneimittelversorgung aus.Wenn ich das Arzneimittel auf seinen Warencha-rakter reduziere und mir die teure Dienstleistungerspare, kann ich es sehr viel kostengünstiger an-bieten. Das heißt, die Reduzierung des Arzneimit-tels auf diesen Warencharakter kann zu einemPreisniveau im Wettbewerb führen, das für eineApotheke nicht mehr rentabel ist. Jetzt könnte manals Ökonom sagen: Okay, der Verbraucher kannwählen. Er ist souverän und kann entscheiden, wieer seine Arzneimittel kauft, d. h. ob mit oder ohneDienstleistung. Das ist normales ökonomischesDenken. Das greift hier aus meiner Sicht nicht, weilwir nicht den souveränen Konsumenten, sonderneinen Patienten haben, der in vielen Fällen seinenBeratungsbedarf gar nicht kennt. Dieser Bedarf ent-steht häufig erst im Dialog in der Apotheke. Dasheißt, er kann in vielen Fällen weder den Nutzennoch den Bedarf, den er hat, erkennen. Ich denkean das Beispiel der Rabattverträge, bei denen essehr viele Diskussionen und Überlegungen gibt undich nenne das Stichwort „Compliance“, das einegroße Rolle spielt. Wie gesagt, diesen souveränenKonsument gibt es hier nicht. Aus diesem Grundkönnen wir es uns nicht wünschen, dass wir denPatienten vor die Wahl stellen, denn er kann indiesem Fall keine vernünftige Wahl treffen.Er würde sich in vielen Fällen für das billigere

Angebot entscheiden und auf die aus gesellschaftli-cher Sicht wünschenswerte Beratung verzichten.Wir möchten aber als Gesellschaft, dass er dieseBeratung in Anspruch nimmt. An dieser Stellemüssen wir ihm keine Hürden in den Weg legen.

Abg. Hilde Mattheis (SPD): Meine Frage richte ichan den Einzelsachverständigen Herrn Prof. Dr.Hauck. Ich bitte Sie um eine europa- und verfas-sungsrechtliche Bewertung des Antrags der Frak-tion DIE LINKE. in dem ein Rx-Versandhandelsver-bot gefordert wird.

ESV Prof. Dr. Ernst Hauck: Dem Antrag stehe ichaus europarechtlicher und verfassungsrechtlicherSicht skeptisch gegenüber. Europarechtlich liegt esfern, nach der im Frühjahr 2003 ausgesprochenenBilligung des EuGH, sich nunmehr für ein totalesVersandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arznei-mittel stark zu machen bzw. auszusprechen. Die ineinem totalen Versandhandelsverbot liegende Maß-nahme gleicht der Wirkung einer mengenmäßigenEinfuhrbeschränkung. Sie kann nach dem Rechtder EU nur unter Einbeziehung der Erfahrungenbeurteilt werden, die seit Einführung der Versand-handelserlaubnis in Deutschland gesammeltwurden. Diese Erfahrungen sprechen eher gegendie zunächst befürchtete Gesundheitsgefährdungund für eine Verbesserung der Versorgungsstruktu-ren, wenn es den Versandhandel mit Arzneimittelnweiterhin gibt. Verfassungsrechtlich erschließt sichnicht, wieso der Eingriff in die Berufsfreiheit vonApothekern durch eine totales Versandhandelsver-bot für Arzneimittel oder rezeptpflichte Arzneimit-tel verhältnismäßig sein sollte. Das Bundesverfas-sungsgericht (BVerfG) fordert gerade für die Ände-rung von Vorschriften zur Beschränkung derBerufsausübungsfreiheit, die die Arzneimittelsi-cherheit nur mittelbar über die Gestaltung vonRahmenbedingungen verbessern sollen, die Erfah-rungen mit anderen Regelungen zu berücksichti-gen. Das BVerfG sagt ausdrücklich, dass Erfahrun-gen mit älteren, die Berufsangehörigen weniger be-lastenden Gesetzeslagen bei einer Novellierungnicht unbeachtet bleiben dürfen. Zudem muss zwi-schen dem Nutzen für das Gemeinwohl und dendie Berufstätigen belastenden Vorkehrungen sinn-voll abgewogen werden können. Diese Abwägungsetzt voraus, dass der Bezug gesetzlich angeordne-ter Maßnahmen zum Gemeinschaftsgut

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hinreichend spezifisch ist. Bei einem nur entfern-ten Zusammenhang ist dies problematisch.Genauso ist es beim Versandhandelsverbot.

Abg. Michael Hennrich (CDU/CSU): Die Frage vonFrau Kollegin Mattheis möchte ich auch HerrnProf. Dr. Sodan stellen. Wie beurteilen Sie das Ver-sandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimit-tel verfassungsrechtlich?

ESV Prof. Dr. Helge Sodan: In verfassungsrechtli-cher Hinsicht, hier weiche ich etwas von meinemVorredner ab, ist zu berücksichtigen, dass Ver-sandapotheken durch ein Versandhandelsverbotfür verschreibungspflichtige Arzneimittel unmittel-bar betroffen sein würden. Der gewerbliche Betriebeiner Versandapotheke genießt den Schutz desGrundrechts der Berufsfreiheit. Für im Auslandansässige Apotheken kann auf das sogenannte Auf-fanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheitzurückgegriffen werden. Ein Versandhandelsverbotwäre als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren.Deren verfassungsrechtliche Rechtfertigung setztinsbesondere die Vereinbarkeit mit dem Grundsatzder Verhältnismäßigkeit voraus. Der vom Bundes-ministerium für Gesundheit vorgelegte Referenten-entwurf mit Stand vom Februar 2017 bezweckt vorallem, ich zitiere: „… durch ein Verbot des Ver-sandhandels mit verschreibungspflichtigen Arznei-mitteln die bestehende flächendeckende, wohnort-nahe und gleichmäßige Versorgung der Bevölke-rung mit Arzneimitteln, insbesondere auch imakuten Krankheitsfall, weiterhin zu gewährleisten“.Dieser Zweck ist zweifellos ein hinreichenderGrund des Gemeinwohls. Der gewünschte Erfolgließe sich mit einem Versandhandelsverbot für ver-schreibungspflichtige Arzneimittel fördern, sodassdieses Mittel im Sinne des Grundsatzes der Ver-hältnismäßigkeit geeignet wäre. Darüber hinausmüsste das Versandhandelsverbot erforderlich sein.Als gleich geeignetes, aber milderes Mittel wird derVerzicht auf die Preisbindung für Arzneimittel vor-geschlagen. Stattdessen soll es eine Deckelung desAbgabepreises geben, von dem die Apotheken nachunten abweichen können. Dieser Vorschlag vermagnicht zu überzeugen. Die Preisbindung von ver-schreibungspflichtigen Arzneimitteln dient zumeinen dazu, einen Preiswettbewerb zu vermeiden.Zum anderen sichert die Regelung die Existenzeiner flächendeckenden Arzneimittelversorgung

auch in strukturschwachen Regionen. Die Aufhe-bung der Preisbindung würde allerdings den Kon-kurrenzkampf sowohl der Präsenzapotheken unter-einander als auch mit den Versandapotheken ver-stärken. Dies kann nicht im Sinne einer stabilensowie flächendeckenden Versorgung der Versicher-ten sein und ist daher abzulehnen. Ein gegenüberdem Versandhandelsverbot gleich effektives Mittelist hier nicht zu erkennen. Ein Versandhandelsver-bot für verschreibungspflichtige Arzneimittel wäreim Ergebnis eine angemessene und damit für dieVersandapotheken zumutbare Maßnahme. AufSeiten der Präsenzapotheken ist zunächst zuberücksichtigen, dass das Grundrecht der Berufs-freiheit die Wettbewerbsfreiheit der Marktteilneh-mer schützt. Konkurrenzschutz darf also keinSelbstzweck sein. Vielmehr müssten im Falle desVersandhandels mit verschreibungspflichtigenArzneimitteln Gefahren für die flächendeckendeVersorgung durch die Präsenzapotheken und damitfür die Gesundheit der Bevölkerung hinreichendwahrscheinlich sein, um eine Rechtfertigung vonGrundrechtseingriffen bejahen zu können. DieGesundheit der Bevölkerung stellt nach der Recht-sprechung des BVerfG ein Gemeinschaftsgut vonhohem Rang dar, das selbst empfindliche Eingriffein die Berufsfreiheit rechtfertigen kann. Die beson-dere Stellung für das Gesundheitswesen nehmendie Apotheken vor allem im Bereich der verschrei-bungspflichtigen Arzneimittel ein. Gerade hierdrohen dem Patienten erhebliche Gefahren durchfalsche Anwendung oder Dosierung der Präparate.Die Präsenzapotheken übernehmen daher nicht nurdie Funktion einer Einkaufsstätte für Arzneimittel,sondern gewährleisten auch die Beratung der Kun-den. Diese Kundenberatung vor Ort wird qualitativauf einem deutlich höheren Niveau gewährleistetals über die Kommunikation via Telefon oder Inter-net. Ferner stellen die Präsenzapotheken den Not-dienst in der Nacht sicher. Insoweit besteht zurGewährleistung eines effektiven Gesundheitsschut-zes der Bevölkerung ein Interesse an einem dichtenNetz von Präsenzapotheken. Hinzu kommt die oft-mals sofortige Verfügbarkeit der Arzneimittel. Nachallem wäre der mit einem Versandhandelsverbotfür verschreibungspflichtige Arzneimittel verbun-dene Eingriff in die Berufsfreiheit von Versandapo-theken verhältnismäßig. Bedenken gegen die ver-fassungsrechtliche Zulässigkeit der Maßnahmebestehen nicht.

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Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE.): Meine nächsteFrage richtet sich wieder an Herrn Prof. Dr. May.Viele Befürworter des Versandhandels argumentie-ren mit einer fehlenden Versorgungsgefährdung.Herr Prof. Dr. Sodan hat darauf hingewiesen, dasseine mögliche Versorgungsgefährdung entstehenkönnte. Ich frage Sie als Ökonom: Welche Markt-entwicklung erwarten Sie, wenn die derzeitigeRechtslage unverändert bleibt und welches Szena-rio ergibt sich, wenn zwischen den deutschenPräsenz- und Versandapotheken ein Preiskampf,wie im Antrag der Grünen vorgeschlagen, ausgelöstwird?

ESV Prof. Dr. Uwe May: Ihre Frage betont den As-pekt der Preisbindung. Das Problem, was wir hierauf uns zukommen sehen, ist nicht primär an denVersand, sondern vielmehr an den Verzicht aufPreisbildung gekoppelt. Wenn wir die derzeitigeRechtslage beibehalten, haben wir einen Wettbe-werb zwischen Apotheken und Versandapotheken,ohne dass sie auf diesen Preiskampf eingehen kön-nen. Da ist absehbar und unvermeidlich, dass sieauf dieses Weise Marktanteile verlieren. Insbeson-dere, wenn wir eine völlig neue Situation bekom-men, indem diese Mechanismen des Versandhan-dels institutionalisiert werden. Wir haben durchdie Preisfreiheit des EuGH-Urteils völlig neue wett-bewerbliche Rahmenbedingungen bekommen. Wirwerden auf jeden Fall Abwanderungen haben, diesehr schnell wegen der Marktanteilsverluste dazuführen können, dass Apotheken in der Fläche mög-licherweise in beträchtlichem Umfang verschwin-den. Wenn wir die Situation ändern, wenn wir denApotheken die Möglichkeit geben, auf diesen Preis-wettbewerb einzugehen, tritt die Situation ein, dieHerr Prof. Dr. Sodan gerade geschildert hat. Danntreten Apotheken auch untereinander in den Wett-bewerb. Sie werden dem Dilemma nicht entkom-men, obwohl sie sich damit im Endeffekt alleschaden, sich auf diesen Wettbewerb einzulassen.Im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Situa-tion der Apotheken, nämlich dass kleine Preissen-kungen bereits sehr starke Effekte auf die Rentabili-tät haben, ist absehbar, dass es möglicherweise zuEinschränkungen der Versorgung, gerade in derFläche, kommen wird.

Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich möchte meine Frage an HerrnProf. Dr. Busse stellen.

Sie sind ausgewiesener Experte der Gesundheits-systeme in Europa. Können Sie uns berichten, obderzeit nur in Deutschland diskutiert wird, denApothekenmarkt neu zu ordnen, verschiedeneRegulierungsansätze anzugehen und welche Rolledabei der Versandhandel spielt? Ich würde michbesonders freuen, wenn Sie darauf eingehen könn-ten, wie die Versorgung der ländlichen Räumebetrachtet wird und wie weit die Honorierung vonpharmazeutischer Beratung, die gerade in Präsen-zapotheken stattfindet, in der aktuellen Diskussionin verschiedenen Ländern Beachtung findet undwelche Diskussionen international in Europa zurZulassung des Versandhandels geführt werden.

ESV Prof. Dr. Reinhard Busse: Wenn wir uns denApothekenmarkt und den Arzneimittelmarkt inDeutschland im europäischen Vergleichanschauen, sehen wir, dass wir EU-weit die höchs-ten pro-Kopf-Ausgaben haben. Es geht um mehrGeld als in anderen Ländern. Die Apothekendichtehängt davon ab, mit welchen Ländern man sichvergleicht. Im EU-Vergleich liegen wir etwas nied-riger und im OECD-Vergleich liegen wir im mittle-ren Bereich. Das heißt, dass in Deutschland proApotheke deutlich mehr Geld im Spiel ist, als inanderen Ländern. Eine durchschnittliche Apothekein Deutschland hat einen deutlich höheren Umsatzals etwa in Spanien oder Belgien, während es inLändern wie Norwegen oder in den Niederlanden,auf die ich gleich zu sprechen komme, sowohl we-niger Ausgaben für Arzneimittel als auch wenigerApotheken gibt. Wenn man sich diese Länder an-sieht, stellt man große Unterschiede fest. Wir habendoppelt so viele Apotheken wie etwa Norwegenoder Finnland mit extrem ländlichen Räumen. Manfragt sich, wie diese Länder das machen. Großbri-tannien hat auch pro Kopf der Bevölkerung weni-ger Apotheken als in Deutschland. Aber dort ist eserklärte Politik, die Anzahl der Apotheken zu redu-zieren, weil man davon ausgeht, dass es zu vieleApotheken gibt. In Großbritannien wird nicht nurdie Abgabe von Arzneimitteln bezahlt, sondern alleApotheken erhalten auch eine Grundgebühr dafür,dass sie existieren. Es war zu lukrativ, neue Apo-theken zu gründen, weil jeder die Grundpauschalemitnehmen wollte. Das ändert man jetzt undbeschränkt die Grundgebühr, die unabhängig vonder Abgabe von Arzneimitteln bezahlt wird, aufApotheken mit besonders geringem Umsatz und inGebieten, die mindestens eine Meile, also 1,6 km,

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von der nächsten Apotheke entfernt sind. Diesewerden gezielt mit ungefähr 20 000 Euro im Jahrunterstützt. Das ist in Norwegen ähnlich. Dort wirdein Teil der Mehrwertsteuer genutzt, um Apothe-ken im ländlichen Raum, wo einfach nicht genü-gend Patienten vorhanden sind, zu unterstützen.Trotzdem betrifft das in ganz Norwegen von denetwas über 800 Apotheken nur etwa ein Prozent.Man diskutiert dort, die großen Entfernungenzwischen Apotheken und Patienten mit der Post,oder man kann auch Versandhandel dazu sagen, zuüberbrücken, weil nicht jeder die Apotheke errei-chen kann. Wir erwarten von der Apotheke, sowohlvon der Präsenzapotheke als auch von der Ver-sandapotheke, eine Beratung, die gleichmäßigschlecht oder gut erfolgen kann. In den Niederlan-den wurde die Vergütung für Apotheker komplettumgestellt. Es gibt keine Vergütung für das Rüber-reichen eines Medikamentes, sondern es gibt einekleine Gebührenordnung, ähnlich wie wir sie fürÄrzte kennen, die danach unterscheidet, was derApotheker macht. Es gibt eine Gebühr für die erst-malige Abgabe eines Medikamentes. Dazu zählt,dass die Angemessenheit der Verschreibung unddie Interaktionen mit allen anderen verschriebenenArzneimitteln überprüft werden. Es gibt eine ge-trennte Gebühr für die Abgabe eines Wiederho-lungsmedikamentes. Dabei muss explizit die Ver-träglichkeit nachgefragt werden. Es gibt getrennteGebühren für eine Arzneimittelberatung vor undnach einem stationären Aufenthalt. Es wird diekonkrete Dienstleistung der Apothekerinnen undApotheker bezahlt, während wir einen pauschalenAufschlag von ca. acht Euro für das Rüberreichenentrichten, ohne dass damit spezifische Erwartun-gen der Gesellschaft verbunden sind.

Abg. Karin Maag (CDU/CSU): Meine Frage geht anHerrn Prof. Dr. May. Im Antrag von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN finden sich auch Überlegungenhinsichtlich eines sanften Preiswettbewerbs mitbeschränkten Boni. Wie bewerten Sie diesen Vor-schlag?

ESV Prof. Dr. Uwe May: Ich glaube, dass der Be-griff „sanfter Preiswettbewerb” in diesem Zusam-menhang völlig unangebracht ist, wenn man aufdie Effekte dieses Wettbewerbs schaut. Auch diesersogenannte „sanfte Preiswettbewerb“ hat nachhal-tige Veränderungen für die Situation der Apothe-ken und für die flächendeckende Versorgung zurFolge. Das kommt insbesondere daher, dass schon

eine kleine Preissenkung eine sehr große Hebelwir-kung für die Gewinnsituation der Apotheken hat.Kleine Preissenkungen sind aber auch schon dervon mir bereits angesprochene Anreiz, den wir ausgesundheitsökonomischer Sicht an keiner Stelleunseres Systems geben, obwohl wir möchten, dassPatienten sich in einer bestimmten Weise gesund-heitsbezogen richtig verhalten. Wir bieten einenAnreiz, und da reicht schon ein Euro, um bei vie-len Menschen ein Verhalten auszulösen, dass wiruns eigentlich nicht wünschen können. Ein Euroist jetzt erstmal wenig. Acht Euro bekommt dieApotheke für eine Abgabe, sechs Euro davon ver-wendet sie auf ihre Gemeinkosten, die sie finanzie-ren muss. Wenn sie dann einen Euro Rabatt haben,reduziert sich der Gewinn um 50 Prozent. Das istkein exaktes Beispiel, zeigt aber die Relation, wasein Euro Rabatt bedeuten kann. Man erkennt, dassdas nicht sanft ist. Das können einige Apothekenverkraften, andere nicht. Die, die es nicht verkraf-ten können, liegen typischerweise nicht in Innen-stadtlage, sondern das sind die Apotheken, die wirin unserer Analyse als sogenannte „Solitärapothe-ken“ bezeichnen. Sie stehen in einem Umkreis vonfünf Kilometern alleine da. Wenn eine dieser Apo-theken unter das in unserer Analyse zugrundeliegende Jahreseinkommen von 50 000 Eurorutscht, stehen Schließungen an, denn dann gibt esfür den Inhaber bessere Einkunftsalternativen.Unter diesen Prämissen kann ein solcher sanfterBonus dazu führen, dass 1 000 Ortschaften inDeutschland, restriktiv gerechnet 1 000 Ortschaftenmit unter 5 000 Einwohnern, ihre einzige Apothekeim Umkreis von fünf Kilometern Entfernung verlie-ren. Das ist der Grund, warum ich das nicht alssanften Wettbewerb sehe.

Abg. Sabine Dittmar (SPD): Meine Frage geht anden Bundesverband Deutscher Versandapotheken.Im Jahr 2004 wurde der Rx-Versandhandel inDeutschland zugelassen, rund 3 500 Apotheken ha-ben eine Versandhandelsgenehmigung. Im Gutach-ten von Herrn Prof. Dr. König, das mit Ihrer Stel-lungnahme vorgelegt wurde, wurde das Thema der„Staatshaftung“ aufgegriffen. Auch das Bundesfi-nanzministerium hat den Referentenentwurf desGesundheitsministeriums für ein Rx-Versandhan-delsverbot mit Verweis auf die ungeklärte Staats-haftung und die sich daraus ergebenen fiskalischenRisiken abgelehnt. Bitte erläutern Sie die Problema-tik der Staatshaftung aus Sicht der Deutschen Ver-sandapotheken.

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SV Christian Buse (Bundesverband Deutscher Ver-sandapotheken (BVDVA)): Die juristische Exper-tise, die wir eingeholt haben, kommt zu dem glei-chen Ergebnis wie das Bundesfinanzministerium,dass durchaus das Risiko einer Staatshaftungbesteht, wobei es hier explizit um die europarecht-liche Komponente geht, die eher die Vertreter dereuropäischen Versandapotheken betreffen würde.Unser Thema ist das verfassungsrechtliche unddazu gibt es zwei Meinungen. Ich kann gerne nocheine dritte hinzufügen. In der aktuellen PharmaRecht gibt es einen Aufsatz von Frau Dr. KatharinaWodarz und die kommt zu einem ganz anderenSchluss. Ich zitiere: „Der Versandhandel mit ver-schreibungspflichtigen Arzneimitteln ist inDeutschland seit 2004 zugelassen und gefährdet alssolcher nicht die Arzneimittelversorgung und denGesundheitsschutz.“ Das ist die Prämisse und esgibt keinerlei Expertise, die diesen Zusammenhangwiderlegt. Die Erfahrungen mit dem Versandhandelzeigen, dass es nicht zu einem Apothekensterbenkommt, sondern das Gegenteil eintritt. Wir habeneine konstante Zahl an Apotheken und wir habenerfreulicherweise viel mehr Mitarbeiter in denApotheken. Das heißt, die Leistungen der Apothe-ken nehmen zu, der Umsatz ist in den letzten Jah-ren um 50 Prozent gestiegen und es gab in den ver-gangenen zehn Jahren Umsatzzuwächse von50 Prozent. Es ist auch nicht angezeigt, Apothekenschwächer darzustellen als sie sind. In dem Zusam-menhang möchte ich konkret auf das Thema Haf-tung bzw. den berufsrechtlichen Schutz der Apo-theker, die Versandhandel betreiben, eingehen. Wirhaben in den Bereich der verschreibungspflichtigenArzneimittel investiert. Es handelt sich um vollhaftende Einzelkaufleute. Sie haben langfristigeMietverträge und teilweise Millioneninvestitionengetätigt und mir ist schleierhaft, wie man das weg-wischen kann. Es wäre berufsrechtlich durchausmöglich, diesen Bereich auf den kleinen Bereichder verschreibungsfreien Arzneimittel zu beschrän-ken. Ich weise darauf hin, dass es in DeutschlandVersandapotheken mit einem Anteil von nahezu100 Prozent verschreibungspflichtiger Arzneimittelgibt. Für diese Anbieter bedeutet das letztlichEnteignung und dem können wir in keinem Fallfolgen.

Abg. Rainer Hajek (CDU/CSU): Meine Frage richtetsich an Herrn Friedemann Schmidt von der Bun-desvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

Hätte das Verbot des Versandhandels mit verschrei-bungspflichtigen Arzneimitteln negative Konse-quenzen für die flächendeckende Versorgung derPatienten?

SV Friedemann Schmidt (ABDA – Bundesvereini-gung Deutscher Apothekerverbände e. V.): Ausunserer Sicht hätte das Verbot des Versandhandelsmit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln keinenegativen Auswirkungen auf die flächendeckendeVersorgung der Patienten. Die Präsenzapothekensind überall in Deutschland in der Lage, diese Ver-sorgung über die Instrumente, die insbesondere fürdie Versorgung von abgelegenen Regionen in derApothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vorgesehensind, sicherzustellen. Ich nenne hier nur das Instru-ment der Rezeptsammelstelle oder das Instrumentder Zweig- oder Notapotheke, welches Gott seiDank im Moment kaum oder gar nicht genutztwird. Wir haben ein dichtes, flächendeckendesNetz an Apotheken. Nach unserer Ansicht gibt eskeine Patienten, die auf Grund ihrer regionalenoder ihrer Mobilitätssituation auf den Versandhan-del angewiesen wären. Sämtliche Apotheken,insbesondere im ländlichen Raum, bieten Boten-dienste und die mobile Versorgung von Patienten,die zum Beispiel mobilitätseingeschränkt sind, an.Die zweite Frage, die in diesem Zusammenhang zubeantworten wäre, ist die, ob der Versandhandel imBereich besonderer Indikationen oder Produktgrup-pen spezielle Leistungen anbietet, die von derPräsenzapotheke nicht oder nicht in angemessenemUmfang angeboten werden können. Auch dieseFrage kann ich verneinen. Die gibt es nicht. Es gibtim Moment eine Situation, dass einige wenige hochspezialisierte Versandapotheken im Bereich vonSpezialversorgungen einzelner seltener Indikatio-nen ein überregionales Versorgungsangebot anbie-ten. Dies besteht aus der Lieferung von Arzneimit-teln im Zusammenhang mit der Einweisung in dierichtige Anwendung dieser Arzneimittel durchexaminierte, qualifizierte Pflegekräfte. Das ist einSystem, das auch im Rahmen der Präsenzversor-gung immer darstellbar wäre, denn für diesen Teilder Versorgung mit Arzneimitteln sind die Präsen-zapotheken zuständig und können diese Rolle auchwahrnehmen. Für den Teil der Anwendungsunter-stützung gibt es hinreichend spezialisierte Ange-bote im Pflegebereich, die diese Leistung erbringenkönnen. Mein Fazit: Es gäbe keine Einschränkun-gen in der flächendeckenden Versorgung.

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Abg. Heike Baehrens (SPD): Meine Frage richtetsich an den Sozialverband Deutschland. Bittebewerten Sie den Stellenwert des Versandhandelsfür die Versorgung der Patienten aus Patienten-sicht.

SV Florian Schönberg (Sozialverband Deutschlande. V. (SoVD)): Patientensicherheit bedeutet für denSozialverband Deutschland, und nicht nur für ihn,Versorgungssicherheit. Dafür ist nach unserer Auf-fassung eine flächendeckende, bedarfsgerechte,wohnortnahe und vor allem auch barrierefreieGesundheitsversorgung sicherzustellen. Die aktu-elle Debatte sollte aus Sicht des SoVD dazu genutztwerden, die Gesundheitsversorgung insgesamt aufden Prüfstand zu stellen und sie gemeinsam weiter-zuentwickeln und zukunftsorientiert zu stärken.

Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Ich habeebenfalls eine Frage an den Sozialverband Deutsch-land. Zuzahlungen sollen nach Auffassung derBundesregierung das Bewusstsein für die Kostenmedizinischer Leistungen und die Eigenverantwor-tung der Versicherten stärken. Inwiefern erfüllenZuzahlungen diese Ziele und welche Folgen habensie in diesem Bereich?

SV Florian Schönberg (Sozialverband Deutschlande. V. (SoVD)): Der SoVD ist der Auffassung, dassZuzahlungen kaum eine positive Wirkung bei denVersicherten erzielen. Finanzielle Zusatzbelastun-gen führen tendenziell dazu, dass gerade sozialbenachteiligte Personengruppen Leistungen nichtin Anspruch nehmen. Etwaige Sonderregelungengreifen nur rückwirkend und helfen denjenigen,die minimal über der Belastungsgrenze liegen,nicht weiter. Doch gerade diese Personengruppeweist im Vergleich zu den anderen Versichertenüberproportional mehr Belastungen auf. Aus Sichtdes SoVD verschärfen Zuzahlungen die sozialeSpaltung und haben in einer solidarischen Kran-kenversicherung keinen Platz. Vor diesem Hinter-grund unterstützen wir die Forderung, Zuzahlun-gen bei Arzneimitteln abzuschaffen.

Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich frage Herrn Vogel vom Verbraucher-zentrale Bundesverband: Welche Bedeutungmessen Sie dem Versandhandel insbesondere imPatienteninteresse zu und welche Herausforderun-gen sehen Sie für die zukünftige Apotheken-

versorgung in Deutschland? Was sind Ansätze,über die nachgedacht werden müsste, um auch inZukunft eine gute Arzneimittelversorgung zu ha-ben?

SV Kai Helge Vogel (Verbraucherzentrale Bundes-verband e. V. (vzbv)): Das ist eine sehr komplexeFrage, die ich kurz beantworten will. Grundsätzlichist eine flächendeckende, qualitativ hochwertige,sichere Versorgung grundlegend und der Versand-handel kann hierbei sicherlich nur eine Ergänzungdarstellen. Die aktuelle Situation ist, dass esmomentan Patienten gibt, die mobil eingeschränktoder chronisch krank sind, die diesen Kanal schonbedarfsgerecht nutzen. Der Anteil ist klein, aber esist bei Spezialversendern, wie von Herrn Schmidtangesprochen, durchaus so, dass es hier Problemegeben kann, die auch nicht ad hoc mit Botendiens-ten der Apotheke aufgegriffen werden können. DerZukunft zugewandt muss man sehen, dass die Digi-talisierung im Gesundheitswesen voranschreitet.Bei den Ärzten hat es eine Weile gedauert, bis wirüber eine Videosprechstunde sprechen konnten. Esist schwierig, die Apotheken bei der Digitalisierungkomplett auszunehmen. Deshalb sehen wir hierPotenzial. Zukünftig ist es wichtig, weniger überden Preis zu diskutieren, sondern die eigentlichenApothekerleistungen bei der Honorierung mit inden Blick zu nehmen. Das ist ein Punkt, der zurückbleibt. Die Apotheker haben eine wichtige Positionim Gesundheitswesen und sollten aus unsererSicht in das Medikationsmanagement und in denMedikationsplan viel stärker eingebunden undnicht so sehr für die Abgabe reiner Packungenbelohnt werden.

Abg. Reiner Meier (CDU/CSU): Ich habe eine Fragean Herrn Prof. Dr. Sodan. Gibt es europarechtlicheBedenken gegen ein Verbot des Versandhandelsmit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, auchim Hinblick darauf, dass es Länder gibt, die dasVerbot bereits eingeführt haben?

ESV Prof. Dr. Helge Sodan: Ich darf die Frage wiefolgt beantworten: Ein Versandhandelsverbot fürverschreibungspflichte Arzneimittel könnte eineunzulässige Einfuhrbeschränkung im Sinne desArtikels 34 des Vertrages über die Arbeitsweise derEU (AEUV), darstellen und auf diese Weise dieWarenverkehrsfreiheit berühren. Nach der Recht-sprechung des EuGH liegt eine Diskriminierung

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vor, wenn ein Versandhandelsverbot Versandapo-theken aus dem EU-Ausland stärker beeinträchtigtals inländische Versandapotheken. Mit relativknappen Ausführungen bejahte der EuGH dieseVoraussetzung in einem die niederländische Ver-sandapotheke DocMorris betreffenden Urteil ausdem Jahr 2003. Zur Begründung führte das Gerichtaus, im Internet und damit über den Versand alsVertriebsweg liege für ausländische Apotheken einMittel, ich zitiere – „das für den unmittelbarenZugang zum Markt eher geeignet ist.“ EtwaigeDiskriminierungen können allerdings nach Arti-kel 36 AEUV gerechtfertigt werden. In Betrachtkommen Gründe zum Schutz der Gesundheit unddes Lebens von Menschen. Die Bestimmung desSchutzniveaus dieser Rechtsgüter bleibt den Mit-gliedstaaten vorbehalten. Gleichwohl bedarf zurRechtfertigung von Diskriminierungen die Geltend-machung tatsächlicher Gefahren für die genanntenRechtsgüter. Der EuGH lies in dem DocMorrisbetreffenden Urteil eine Rechtfertigung nachArtikel 36 AEUV für ein Versandhandelsverbot imHinblick auf verschreibungspflichtige Arzneimittelausdrücklich zu. Vergleichend kann zudem festge-stellt werden, dass die weit überwiegende Mehrheitder EU-Mitgliedstaaten den Versandhandel vonverschreibungspflichtigen Medikamenten ebenfallsuntersagt. Ein solches Verbot ist derzeit in insge-samt 21 Mitgliedstaaten, also bei insgesamt dreiVierteln aller Mitgliedstaaten verankert. DieserHinweis führt nicht zu einem rechtsdogmatischenArgument, aber er liefert zumindest ein Indiz dafür,dass hier schwerlich von einer Europarechtswidrig-keit ausgegangen werden kann. Sonst wäre in dreiViertel aller Mitgliedstaaten ein solcher Verstoßfeststellbar. Der EuGH erkannte in dem vom HerrnVorsitzenden bereits genannten Urteil vom 19. Ok-tober 2016 keine Rechtfertigung im Sinne des Arti-kels 36 AEUV für die deutsche Arzneimittelpreis-bindung. Allerdings beruht diese Entscheidung aufder Annahme, dass es nicht gelungen sei, denEintritt der wohl wahrscheinlichsten Gefahr,nämlich den Ansporn zu einem Preiswettbewerbum sogenannte Rx-Arzneimittel glaubhaft zu ma-chen. Genau dieser Preiswettbewerb würde sichaber bei Freigabe des Marktes für den Versandhan-del zum Nachteil der Präsenzapotheken ergeben.Das Urteil des EuGH in dieser Sache kann dahernicht als Argument gegen ein Versandhandelsver-bot vorgebracht werden. Im Ergebnis bleibt festzu-halten, dass eine Rechtfertigung der

Diskriminierung gemäß Artikel 36 AEUV möglichwäre. Ein Versandhandelsverbot für verschrei-bungspflichtige Arzneimittel wäre also union-rechtskonform.

Abg. Bettina Müller (SPD): Ich habe eine Frage anden Bundesverband Deutscher Versandapotheken.In der Diskussion über ein Rx-Versandhandelsver-bot wird auch die Problematik der Spezialversen-der thematisiert. Stellen Sie bitte mit Beispielendar, welche Probleme bei einem Rx-Versandhan-delsverbot konkret für die flächendeckende Versor-gung von Patientengruppen mit speziellen Bedar-fen entstehen würden.

SV Christian Buse (Bundesverband DeutscherVersandapotheken (BVDVA)): Wir sind hier in ei-nem ganz wichtigen Bereich, der möglicherweisenicht so transparent ist wie DocMorris etc., aber fürdie Patienten einen ganz entscheidenden Bezugs-weg darstellt. Ich nehme als Beispiel Kinder, dieunter Spina bifida leiden. Das ist eine relativseltene Erkrankung, an der in Deutschland ca.10 000 Kindern erkrankt sind. Davon werden 25 bis30 Prozent per Versandhandel versorgt. Dieser wirdvon Kollegen betrieben, die sich auf die Herstel-lung dieser Fertigspritzen konzentriert haben. Esgibt kein adäquates Fertigarzneimittel im Vertriebund diese Spezialisten arbeiten eng mit den Arzt-praxen und den Patienten zusammen. Es istmitnichten so, da möchte ich meinem KollegenSchmidt widersprechen, dass das jede Apothekemachen kann. Was bedeutet das in der Konse-quenz? Wenn nicht jede Apotheke das herstellenkann, gibt es einmal die Möglichkeit, dass einHersteller diese Produkte produziert und an dieApotheken liefert. Das ist nicht der Fall. Ich kannmir auch nicht vorstellen, dass es ein zielführenderWeg ist, § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) hier zuumgehen, also die Herstellungserlaubnis auszuhe-beln, die für die deutschen Herstellungsbetriebeund pharmazeutischen Unternehmer entscheidendist. Es ist das Privileg der Apotheke, Arzneimitteldirekt herzustellen und an den Patienten zu liefern,ohne dass sie eine Herstellungserlaubnis habenmuss. Will man so etwas von Apotheke zuApotheke weiterreichen, würde man das AMGaushebeln. Die Tragweite dessen wäre heute nochgar nicht absehbar. Das heißt, Patientengruppensind darauf angewiesen. Ich kann Ihnen nocheinige Beispiele aus dem Bereich der Home-Care-

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Versorgung von parenteral ernährten Patientennennen. Der Home-Care-Bereich wird aktuell inDeutschland nicht separat honoriert, sondern dieAnbieter finanzieren sich aus dem Produkt. Wennich Krankenschwestern habe, die am Entlass-Management im Krankenhaus teilnehmen und dieLeute am Krankenbett übernehmen, kann dasmitnichten jede Apotheke, sondern das machen beiuns angestellte Krankenschwestern, die direkt mitdem behandelnden Arzt den Infusionsplanabstimmen und die Überleitung zum Hausarztbegleiten. Das ist politischer Wille und, mit Ver-laub, nicht durch Botendienste etc. zu ersetzen.

Abg. Ute Bertram (CDU/CSU): Ich habe eine Fragean die ABDA. Auf Grund des EuGH-Urteils findetdie AMPreisV derzeit nur auf ausländischeVersandapotheken keine Anwendung. Vor demHintergrund des Anteils des Versandhandelskönnte man der Meinung sein, dass die derzeitigeSituation nicht so bedrohlich für die Apotheken-landschaft sein kann. Teilen Sie diese Auffassung?Begründen Sie bitte Ihren Standpunkt.

SV Friedemann Schmidt (ABDA – Bundesvereini-gung Deutscher Apothekerverbände e. V.): Das vonIhnen geschilderte Bild bildet im Grunde dieIst-Situation ab, dass die europäischen Versand-apotheken einen relativ begrenzten Marktanteil imBereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittelerreicht haben. Da es im Bereich verschreibungs-pflichtiger Arzneimittel keinen Preiswettbewerbgibt, liegt der Marktanteil bei unter einem Prozent.Wir gehen davon aus, dass Patienten das Preis-signal vermehrt wahrnehmen und die Leistungender europäischen Versandapotheken nachfragenwerden, sobald der Preiswettbewerb für dieseAnbieter möglich wird. Im Zusammenhang dazuhat der CEO von DocMorris gerade das Ziel vonneun Prozent Marktanteil für sein Unternehmenfestgesetzt. Wenn allein dieser Anbieter von neunProzent Marktanteil ausgeht, stellt dies für diePräsenzapotheken in Deutschland ein relevantesProblem dar.

Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Eine Frage anden Bundesverband Deutscher Versandapotheken.Ich habe selber eine Dauermedikation und wennich mein Rezept in der Apotheke einlöse, werdeich immer wieder nach dem Einnahmeverhaltenund weiterem Informationsbedarf gefragt.

Mit wieviel Prozent der OTC-Kunden [OTC – apo-thekenpflichtige, aber rezeptfreie Medikamente]und der Rx-Kunden führen die deutschenVersandapotheken solche Gespräche?

SV Christian Buse (Bundesverband DeutscherVersandapotheken (BVDVA)): Prozentual kann ichIhnen das spontan nicht beantworten, aber derletzte öffentlich kommunizierte Test zum Thema„Beratungsqualität in Vorort-Apotheken undVersandapotheken“ hat ganz klar mit demBeratungssieger Versandapotheke abgeschlossen.Arzneimittelversand bedeutet nicht Arzneimittelohne Dienstleistung, sondern stellt mindestens einegleichwertige Dienstleistung dar. Wir haben alsVersandapotheke einen Patientenbrief eingeführt,d. h, jeder Patient bekommt für seine Medikationeinen individuellen Brief mit der Information zuEinnahmezeitpunkten, zu Wechselwirkungen undmöglichen Interaktionen. Das lässt sich in derdigitalisierten Welt aus unserer Sicht sehr gut ineiner Versandapotheke abbilden.

Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich habe eine Frage an Herrn Prof.Dr. Hauck. Wir haben die Ausführungen von HerrnProf. Dr. Sodan und Herrn Prof. Dr. May zu derFrage der europarechtlichen Situation im Hinblickauf die Rechtsprechung des EuGH, auch von 2003,und die verfassungsrechtlichen Ansätze gehört. DasEuGH-Urteil vom Oktober 2016 hat die Regulierungdes Apothekenmarkts mit sehr hohen Hürden ver-sehen. Wie werden die gedeckelten Boni und dieRegulierungen bewertet? Ist die Hürde für einengedeckelten Boni bzw. ein Versandhandelsverbotgleich hoch oder was wäre der schwerwiegendereEingriff, der vom EuGH später unter Umständennochmal zu beurteilen wäre?

ESV Prof. Dr. Ernst Hauck: Zu der Boni-Frage hatsich der EuGH in seiner Entscheidung 2016 nichtgeäußert. Die Begrenzung von Boni gehört in denGesamtkontext der Ausgestaltung des Versiche-rungsrechts, insbesondere durch das SGB V. Es giltder Grundsatz, dass die Versicherungen nicht anKrankheiten verdienen sollen. Dem trägt die Versi-cherung Rechnung, indem sie die Kosten, die ent-standen sind, maximal erstattet oder übernimmt,sodass nur ihr die Preisvorteile zu Gute kommen.Boni, die letztlich beim Versicherten verbleiben,sind als Ausnahmen oder Einschränkungen von

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Zuzahlungen in Betracht zu ziehen, die dieVersicherten zu zahlen haben. Diese Boni minderndie Funktion der Zuzahlungen oder heben sie auf.Nachdem der EuGH zu diesem Problemkreis garnicht Stellung genommen hat, obwohl derGeneralanwalt diese Problematik in seinenSchlussanträgen hat anklingen lassen, kann manSchlussfolgerungen dazu nur auf Grund allgemei-ner Überlegungen ziehen. Es gibt die europarechts-konforme Rechtfertigung einer Beibehaltung vonBoni mit einem begrenzten Umfang, wenn diesdurch statistisches Material in Kombination mit derBegründung der Stabilitätssicherung des finanziel-len Gleichgewichts eines Sozialsystems gerechtfer-tigt ist. Relativ deutlich dagegen ist die Einschrän-kung des Versandhandelsverbots. Dies wider-spricht den gemachten Erfahrungen und deshalbkann man auch nicht auf die 21 Mitgliedstaatenverweisen, die so etwas haben. Diese sind nicht inder Situation, dass sie den Versandhandel einge-führt haben und ihn dann wieder abschaffenwollen. Das ist eine fundamental andere Position.

Abg. Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Ich habe eineFrage an die ABDA. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN schlägt die Diskussion eines Sicherstel-lungszuschlags vor. Wäre dies aus Ihrer Sichtgeeignet, um bei Beibehaltung des Versandhandelsdie flächendeckende Wohnortversorgung sicherzu-stellen?

SV Friedemann Schmidt (ABDA – Bundesvereini-gung Deutscher Apothekerverbände e. V.): Ausunserer Sicht wäre dieses Instrument nichtgeeignet, die flächendeckende Versorgung sicher-zustellen. Wir haben in Deutschland seit 1958 einSystem der Niederlassungsfreiheit, d. h. über dieVerteilung von Apotheken im Land entscheidet amSchluss der freie Wille der Apothekerinnen undApotheker, die eine Apotheke betreiben. Ausunserer Sicht sind Instrumente wie Sicherstel-lungszuschläge immer an die Definition einerVersorgungsnotwendigkeit gebunden, d. h. manmüsste zunächst, ähnlich wie das im ärztlichenBereich üblich ist, eine Art Versorgungsmindest-maß definieren, danach feststellen, ob in denVersorgungsbezirken Unter- oder Überversorgungherrscht und dann diese Zuschläge, die hier offen-bar gemeint sind, gezielt an die Apotheken fließenlassen, die tatsächlich versorgungsrelevant sind. Esgibt aber keine rechtlichen Instrumentarien, die

eine Bewertung dieser Situation ermöglichen.Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass einsolches Instrument zu massiven Fehlanreizenführen würde und zur Sicherstellung nicht geeignetwäre. Das zweite ist die Höhe dieses notwendigenVersorgungszuschlags. Herr Prof. Dr. May hatvorhin auf die massiven Auswirkungen hingewie-sen, die schon ein minimaler Preiswettbewerb voneinem Euro pro Packung ausmachen würde, wenndie Apotheke im Preiswettbewerb agieren müsste.Das entspräche Verringerungen des Betriebsergeb-nisses zwischen 20 und 50 Prozent. Diese Größen-ordnung über Sicherstellungszuschläge abbilden zuwollen, würde uns in Verhältnisse wie in Großbri-tannien führen, die Herr Prof. Dr. Buse dargestellthat, wo Beträge zwischen 20 000 und 50 000 Pfundalleine für das Vorhalten der Einrichtung gezahltwerden müssen. Ich glaube, das sind eherProbleme, die neue Fehlanreize setzen. Wir gehenmit dem Antrag insoweit durchaus konform, dassüber zusätzliche Maßnahmen zur Stabilisierungvon bestimmten Apothekenstandorten nachgedachtwerden müsste, aber solche Sicherstellungszu-schläge halten wir als Lösung dieses Problems desPreiswettbewerbs durch Rx-Versandhandel fürnicht geeignet.

Abg. Marina Kermer (SPD): Meine Frage richtetsich an die Bundesvereinigung Deutscher Apothe-kerverbände. Sie befürchten, dass auf Grund desEuGH-Urteils eine deutliche Erhöhung des Rx-Ver-sandhandels zu erwarten ist. In den zurückliegen-den Jahren betrug der Rx-Anteil am Gesamtumsatzlediglich ein Prozent. In diversen Veröffentlichun-gen ist nun von Prognosen mit einem Zuwachs aufbis zu 25 Prozent am Gesamtumsatz zu lesen. Aufwelche Datengrundlage bzw. Expertise stützen Siediese Annahme?

SV Friedemann Schmidt (ABDA – Bundesvereini-gung Deutscher Apothekerverbände e. V.): Wirstützen diese Prognosen zunächst auf Entwicklun-gen, die in Einzelhandelsbranchen zu beobachtensind, in denen Präsenzversorgung mit Fernabsatz-versorgung im Preiswettbewerb gestellt wird. Alsoüberall dort, wo ein Präsenzversorgungssystemunmittelbar damit konfrontiert wird, dass dieselbenProdukte oder dieselben Leistungen im Internet zugünstigeren Preisen angeboten werden und derMarktanteil des Versandhandels dramatischansteigt. Davon muss man auch ausgehen, wenn

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ein Preiswettbewerb zwischen Versandhandel undPräsenzversorgung im Arzneimittelbereich einsetzt.Der zweite Datenhintergrund sind Befragungen, dievon unseren Kollegen, den Versandapothekernselbst in Auftrag gegeben wurden. In derenStellungnahme zur heutigen Anhörung sind Ergeb-nisse zur Frage aufgeführt, wie stark das Interesseam Versandhandel ist, wie groß der Anteil an Pati-entinnen und Patienten ist, die sich grundsätzlicheine Versorgung über Versandhandel vorstellenkönnen, wie viele Patienten das schon genutzthaben, es zukünftig nutzen wollen oder esinsbesondere dann nutzen wollen, wenn dieseVersorgung mit einem signifikanten Preisvorteilverbunden ist. Diese Zahlen sind schwer belastbar,deswegen haben wir Abschläge vorgenommen. Wirgehen aber trotzdem davon aus, dass im Grundegenommen ein deutlich zweistelliger Anteil vonPatienten Interesse an einer Versandversorgunghätte und das auch nutzen würde, wenn das Preis-signal stark genug ist.

Abg. Rudolf Henke (CDU/CSU): Meine Frage gehtan den GKV-Spitzenverband. Wir haben vorhinüber das Thema „Abschaffung von Zuzahlungen“gesprochen. Es stehen Sozialwahlen bevor. Michwürde interessieren, wie der Spitzenverband dassieht.

SV Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzen-verband): Zunächst einmal müssen wir uns dieFrage stellen, über welche Summe wir bei denZuzahlungen reden. Das sind ungefähr 2,2 Milliar-den Euro. Würden Sie die Zuzahlungen abschaffen,müsste dieser Betrag nach heutiger Gesetzeslageallein über Zusatzbeiträge erwirtschaftet werden,was zu einer Steigerung der Zusatzbeiträge vonca. 0,2 Prozentpunkten führen würde. DiesenBeitrag würden die Versicherten alleine tragen,weil der Arbeitgeberanteil nach heutiger Rechtslagegedeckelt ist. Zur Frage der Befreiung von Zuzah-lungen selber gilt eine alte Regelung. Wir habenzwei Aspekte: einen Finanzierungs- und einenSteuerungsaspekt und es gilt die alte Regel: Wennsie steuern sollen, müssen sie hoch sein und wennsie hoch sind, sind sie unsozial. Die Frage ist, obdie jetzigen Regelungen unsozial sind. Das bedarfeiner genaueren Analyse. Ich bin skeptisch, dasswir erkennbar schlimme soziale Folgen vor unssehen, weil wir Befreiungstatbestände haben. Wirmüssen uns über die Befreiungshöhen unterhalten,wenn es da Friktionen gibt. Natürlich gibt es immer

knapp über der Befreiungshöhe einen Grenz-bereich. Das ist bei jeder Grenze so. Aus meinerSicht gibt es keine erkennbaren gravierendenAuswirkungen, aber man muss sehr wachsam sein.Das ist zweifellos so. Insofern würde ich in demFall den Finanzierungsaspekt und nicht denSteuerungsaspekt in den Vordergrund stellen.

Abg. Dirk Heidenblut (SPD): Meine Frage geht anden Europäischen Verband der Versandapotheken.Wir haben vorhin zu der Frage Ausführungengehört, wie sich der Rx-Versandhandel womöglichprozentual weiter entwickelt. Ich würde Sie bitten,aus Ihrer Sicht die Aussage zu bewerten, dass wirhier mit einem Wert um die 25 Prozent rechnenkönnen.

SV Max Müller (Europäischer Verband derVersandapotheken (EAMSP)): Wir haben vieleVermutungen gehört, aber es gibt Empirie undFakten. Der Versandhandel ist seit 2003 zugelassen.Wir haben einen Marktanteil von ca. einem Prozentbei Rx-Medikamenten und zwölf Prozent im OTC-Bereich. Im OTC-Bereich sind die Preise frei, d. h.man befindet sich bereits in einem Wettbewerb mitden Vorort-Apotheken. Dies hat 14 Jahre gedauert.Seit dem EuGH-Urteil und bezogen auf das ganzeJahr gehen wir vom europäischen Versandhandel,bezogen auf unsere Umsätze, von einem Wachstumvon etwa sechs bis sieben Prozent aus, was imGesamtmarktanteil in etwa einen Effekt von 0,1 bis0,2 Prozent ausmachen würde. Einen Marktanteilvon 25 Prozent zu erreichen, werde ichwahrscheinlich in meiner Arbeitszeit nicht mehrerleben. Ich möchte allerdings hinzufügen, dass dieeuropäischen Versandapotheken bereit sind unddiesen Vorschlag auch den Regierungsfraktionbereits gemacht haben, die Bücher für ein Jahrdurch einen unabhängigen Wirtschaftsprüferprüfen zu lassen, um daran das Wachstum festzu-stellen. Die Zahl von 25 Prozent ist ein reinesWunschkonzert und Utopie.

Abg. Harald Weinberg (DIE LINKE.): Ich habe eineFrage an Herrn Prof. Dr. May zum Thema „Preis-bindung“. Das EuGH-Urteil vom letzten Jahrerweitert die alte Debatte um den Versandhandelum die Dimension der Preisbindung. Können diefesten Arzneimittelpreise bei Rx-Arzneimittelnüberhaupt Bestand haben, wenn der Versandhan-del nicht verboten wird?

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ESV Prof. Dr. Uwe May: Sie könnten Bestandhaben, wenn wir es für gerechtfertigt halten, dasswir die Apotheken in Deutschland gegenüber ihrenKonkurrenten diskriminieren. Einfache Antwort:Wenn wir das nicht für gerechtfertigt halten, sinddie beiden Dinge natürlich unmittelbar verbunden.Deshalb ist im Kern diese Debatte aus meiner Sichteine Debatte über Preisbindung und nicht über Ver-sandhandel. Wir sehen uns gezwungen, in den Ver-sand zu verbieten, weil wir vor diese ökonomi-schen Alternativen gestellt werden. Die Entwick-lungen in der Vergangenheit haben überhauptkeine Bedeutung für das, was wir zu erwartenhaben. In Analogie: Es gab auch vor 2007 Rabatt-verträge im Arzneimittelbereich und sie hattenkeinerlei Bedeutung. Das „Scharfstellen“ alleinedurch bestimmte ökonomische Anreize hat ihnenin kurzer Zeit eine äußerst große Bedeutung gege-ben. Die Parallele ist an dieser Stelle erlaubt.Sobald wir die Anreize „scharfstellen“ muss esnicht unbedingt kontinuierlich, sondern kann esauch sprunghaft zu einem Anstieg der Marktbedeu-tung kommen.

Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich habe eine Frage an den GKV-Spit-zenverband. Es ist so, dass wir Konzentrationspro-zesse auf dem Apothekenmarkt haben. Wieschätzen Sie die Gründe ein und welchen Zusam-menhang sehen Sie mit der Festpreisbindung?Würden Sie es für gut halten, wenn es, wie wir esin unserem Antrag fordern, ein Monitoring derKammern, des Bundes und der Länder über dieApothekenentwicklung gäbe, um die Entwicklungder Versorgung zu sehen?

SV Johann-Magnus von Stackelberg (GKV-Spitzen-verband): Wir sehen insbesondere zwei Gründe.Einmal ist es eine Frage des hohen Anteils von Fix-kosten im Apothekenmarkt, wie Mieten und Perso-nalkosten, die sich wegen der Preisbindung nichtproportional zum Arzneimittelabsatz verhalten. Eswurden viele Gründe für den Einheitspreis vorge-tragen. Es sollen die Beratung, der Nachtnotdienstund die flächendeckende Landversorgung erhaltenbleiben. Insbesondere Notdienst und Landversor-gung kennen wir aus anderen Bereichen wie derKrankenhausversorgung und der ärztlichen Versor-gung. Hier fordern Sie uns auf, Ideen zu entwi-ckeln, was strukturerhaltende Zuschläge betrifft.Herr Schmidt von der ABDA hat das abgelehnt.

Das war für mich sehr verwunderlich. Er erzeugtdamit Windfall-Profit bei städtischen Apotheken.Man kennt das berühmte Foto aus dem Ruhrgebiet,wo es an einer Kreuzung fünf Apotheken gibt, diesich zurzeit alle betriebswirtschaftlich rechnen.Aus meiner Sicht kommen Sie als Mitglieder dieseshohen Hauses nicht daran vorbei, sich Gedankenüber die Vergütung der Apotheker zu machen undob es nicht sinnvoll ist, so wie von Herrn Buse vomBundesverband Deutscher Versandapothekenvorgeschlagen, Dienstleistungen direkt zu vergüten.Natürlich wollen wir Krankenkassen auch denNotdienst in der Nacht, eine vernünftige Beratungund die flächendeckende Landversorgung haben.Die Landversorgung ist ein zweiter Problemfall, derzur Konzentration und zur langsamen Abwande-rung in städtische Gebiete beiträgt. Ich glaubenicht, dass der Erhalt des Einheitspreises demEinhalt gebieten kann. Sie müssen das in derentsprechenden Vergütung vorsehen und wir sindalle gespannt, was die Datenerhebung des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Technologieergibt, um auf Grund dieser Datenlage vernünftigeVergütungsmodelle und vernünftige Vergütungs-vorschläge zu entwickeln, die Notdienst und Land-versorgung erhalten und trotzdem einen Versand-handel, da wo er sinnvoll ist und er ist sinnvoll, zuerhalten und nicht verbieten zu müssen. Ich sehekeine Notwendigkeit, ein Instrument, das vonVersicherten angenommen wird, zu verbieten. DerNotdienst und die Landversorgung sind keineGründe.

Abg. Thomas Stritzl (CDU/CSU): Ich stelle eineFrage an die ABDA, Herrn Schmidt. Die Versand-handelsapotheken geben über Boni Preisanreize.Könnten Sie sich das für Präsenzapotheken auchvorstellen und wenn, in welcher Höhe?

SV Friedemann Schmidt (ABDA – Bundesvereini-gung Deutscher Apothekerverbände e. V.): Ichmache es ganz plastisch. Meine eigene Apothekesetzt im Jahr etwa 36 000 GKV-Packungen ab. Dasist eine sehr stark GKV-bezogene Apotheke, wieviele in den neuen Bundesländern. Diese Apothekeerzielte im Jahr 2016 aus diesen Packungen pluseinem OTC-Anteil von etwas weniger als zehnProzent ein Betriebsergebnis von etwa 83 000 Euro.Wenn ich mich im Preiswettbewerb auf einenPreisnachlass von einen Euro pro Packung begebe,was jetzt scheinbar als das Maß für einen sanften

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Wettbewerb definiert wird, und diesen meinenPatienten anbieten würde, was ich machen müsste,um keinen Patienten zu verlieren, würde dasmeinen Betrieb im Jahr etwa 35 000 Euro kostenund mein Betriebsergebnis um ca. 30 Prozentreduzieren. Das würde dazu führen, dass ich unterdie vorhin genannte Schwelle von 50 000 Euro, dasist in etwa der Jahresverdienst eines angestelltenApothekers in der öffentlichen Apotheke, falle unddas würde den Anreiz zur Selbstständigkeit aufnull reduzieren.

Abg. Sabine Dittmar (SPD): Meine Frage geht auchan die ABDA. Gerade in ländlichen Regionenspielen schon jetzt Rezeptsammelstellen undBotendienste eine wichtige Rolle in der Versorgungdes Patienten. Diese Rolle würde bei einem Rx-Ver-sandhandelsverbot zwangsläufig noch größerwerden, insbesondere auch für Apotheken mitSterillabor, die oftmals in einem sehr großenRadius Patienten mit individuellen parenteralenInfusionslösungen versorgen. Welche Anforderun-gen müssten aus Ihrer Sicht an eine Apothekenbe-triebsordnung bezüglich Rezeptsammelstelle undBotendienst gestellt werden, damit die Versorgungunbürokratisch und flexibel gestaltet werden kann?Gehen Sie in Ihrer Antwort bitte auf die Qualifika-tion des Botendienstpersonals, die Möglichkeit dertelefonischen Beratung sowie die Definition desEinzugsgebietes und des Einzelfalls ein.

SV Friedemann Schmidt (ABDA – Bundesvereini-gung Deutscher Apothekerverbände e. V.): Das sindzwei verschiedene Tatbestände. Der Botendienst istheute in der ApBetrO so geregelt, dass dieser ange-boten werden und der Apotheker zusätzlich zurLieferung des Produktes im Botendienst sicher-stellen muss, dass die pharmazeutische Beratungdes so versorgten Patienten sichergestellt wird. Inden allermeisten Botendienstfällen ist es heute so,dass das Nachlieferungen sind. Das heißt, die Pati-enten waren in der Apotheke, es fehlt ein Produktund dieses Produkt wird nachgeliefert, nachdemdie Information des Patienten in der Apothekeerfolgt ist. Der zweite Fall ist die sogenannte Re-zeptsammelstelle. Darauf bin ich vorhin eingegan-gen. Es wird in einem geordneten Verfahren eineRezeptsammelstelle, die bestimmten Anforderun-gen entsprechen muss, in einer abgelegenen Regiongenehmigt und betrieben. Dort wird ein Boten-dienst im großen Umfang zur Belieferung dieser

Rezeptsammelstelle ausgeführt. Auch hier hat derBetriebserlaubnisinhaber die Verantwortung, diepharmazeutische Beratung zur Abgabe des Arznei-mittels in geeigneter Weise sicherzustellen. Daskann durch persönlichen Besuch, Kontakt mitpharmazeutischen Personal oder auch telefonischerfolgen. Die Verschärfung der Regeln für denBotendienst wird von uns insofern begrüßt, weilwir sehen, dass der Botendienst zukünftig einegrößere Rolle spielen wird, wir aber auch zurdeutlichen Abgrenzung vom Versandhandel daraufbestehen wollen, dass dieser Botendienst, aufdessen Weg auch die pharmazeutische Beratunggesichert wird, von pharmazeutischem Personalausgeführt wird. Das ist heute noch nicht flächen-deckend so und es wird eine Anpassungszeit benö-tigt. Wie Sie wissen, wird dieser Botendienst nichtvergütet und man muss sehen, dass das für dieApotheker in irgendeiner Weise wirtschaftlichgestaltet werden kann. Der zweite Punkt ist dasSterillabor. Grundsätzlich ist nach derApBetrO jede deutsche Apotheke in der Lage,sterile Zubereitungen im Verfahren der aseptischenHerstellung oder der Sterilisation nach Herstellunganzubieten. Es gibt den Sonderfall der Zytostatika-Herstellung, die im § 11 Absatz 3 Apothekengesetz(ApoG) geregelt ist. Diese Substanzen stellen beson-dere Anforderungen nicht an die Qualifikationsondern an den Arbeitsschutz, weil die zuverarbeitenden Substanzen hochtoxisch sind. Dieinstrumentellen Anforderungen setzen hohe Inves-titionen voraus. Deswegen gibt es die Möglichkeitder Übertragung von einer Apotheke auf einePräsenzapotheke. Wir haben vorgeschlagen, dassman diese Übertragungsmöglichkeit auf alle sterilherzustellenden Zubereitungen erweitert. Inunserer Stellungnahme haben wir eine Formulie-rung zur Erweiterung des § 11 Absatz 3 ApoGvorgeschlagen. Insofern sind mit beiden Maßnah-men, Weiterqualifizierung des Botendienstes imSinne der Formulierung im Gesetzentwurf und diemögliche Erweiterung der Übertragungsmöglichkeitnach § 11 Absatz 3 ApoG, zumindest für denÜbergangszeitraum, bis das Netz der versorgendenApotheken wieder so dicht ist, dass tatsächlichjede Präsenzapotheke vor Ort zum Beispiel die vonHerrn Buse genannten Patienten versorgen kann,Lösungen in Sicht.

Abg. Erwin Rüddel (CDU/CSU): Ich habe einekurze Frage an den Bundesverband der Arznei-