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18. Wahlperiode Plenar- und Ausschussdienst Redaktion: Dr. Charlotte Weigel, Tel. 2325-1456 bzw. quer 99407-1456 Wortprotokoll Öffentliche Sitzung Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Daten- schutz, Informationsfreiheit und zur Um- setzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG 2. Sitzung 23. Januar 2017 Beginn: 11.04 Uhr Schluss: 13.44 Uhr Vorsitz: vor Eintritt in die Tagesordnung und ab TOP 1 b: Peter Trapp (CDU) zu TOP 1 a: Dr. Wolfgang Albers (LINKE) Vor Eintritt in die Tagesordnung Siehe Beschlussprotokoll. Punkt 1 der Tagesordnung Wahl a) der/des Vorsitzenden b) der/des stellvertretenden Vorsitzenden c) der Schriftführerin/des Schriftführers d) der stellvertretenden Schriftführerin/ des stellvertretenden Schriftführers Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 2 der Tagesordnung Einsetzung des Unterausschusses für Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG nach § 26 Abs. 2 GO Abghs Siehe Inhaltsprotokoll.

Wortprotokoll Öffentliche Sitzung - parlament-berlin.de · paket beschlossen hat, das schon öffentlich diskutiert worden ist. erade vor dem HiAber g n- tergrund dieser Tat ich noch

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18. Wahlperiode Plenar- und Ausschussdienst

Redaktion: Dr. Charlotte Weigel, Tel. 2325-1456 bzw. quer 99407-1456

Wortprotokoll

Öffentliche Sitzung

Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Daten-schutz, Informationsfreiheit und zur Um-setzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie

§ 25 Abs. 10 ASOG

2. Sitzung 23. Januar 2017

Beginn: 11.04 Uhr Schluss: 13.44 Uhr Vorsitz: vor Eintritt in die Tagesordnung und ab TOP 1 b: Peter Trapp (CDU)

zu TOP 1 a: Dr. Wolfgang Albers (LINKE) Vor Eintritt in die Tagesordnung Siehe Beschlussprotokoll. Punkt 1 der Tagesordnung

Wahl a) der/des Vorsitzenden b) der/des stellvertretenden Vorsitzenden c) der Schriftführerin/des Schriftführers d) der stellvertretenden Schriftführerin/ des stellvertretenden Schriftführers

Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 2 der Tagesordnung

Einsetzung des Unterausschusses für Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG nach § 26 Abs. 2 GO Abghs

Siehe Inhaltsprotokoll.

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Punkt 3 der Tagesordnung

Verfahrensregeln des Ausschusses

Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 4 der Tagesordnung

Sitzungstermine 2017 des Ausschusses

Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 5 der Tagesordnung

Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs Bericht über die aktuelle Sicherheitslage in Berlin (auf Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der AfD und der FDP)

0001 InnSichO

Vorsitzender Peter Trapp: Wir hatten diesen Besprechungspunkt am 23. Dezember 2016 vertagt. Es gab noch mal eine Information durch den Innensenator. Da es aber seitdem noch keine Ausschusssitzung gegeben hat, sollten wir diesen Punkt, den Sie uns am Mittwoch in der Innenverwaltung mitgeteilt haben, auch der breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis geben. Ich glaube, wir brauchen keine Begründung für diesen Tagesordnungspunkt, sodass ich gleich Herrn Senator Geisel das Wort gebe, damit die Öffentlichkeit und jeder und nicht nur die Sprecher der einzelnen Fraktionen umfassend informiert werden. – Bitte, Herr Senator, Sie haben das Wort! Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank! Bevor wir zu den Einzelheiten der Aufklärung des Anschlags vom 19. Dezember vergangenen Jahres kommen, möchte ich zunächst etwas zu dem feigen Anschlag auf die Polizisten an diesem Wochenende sagen. In der Köpenicker Straße sind Steine auf Polizeiautos geworfen worden. Dabei wurde ein Objektschützer verletzt, zum Glück nur leicht. Er konnte heute seinen Dienst wieder aufnehmen, was uns sehr freut. Ich verurteile an dieser Stelle ausdrücklich diesen feigen Angriff auf die Polizeibeamten und sage, dass keine politische Zielstellung, keine vermeintliche Weltrettungsaktion oder Sonstiges rechtfertigen kann, Gewalt gegen Menschen auszuüben und deren Leib und Leben zu gefährden. Mich freut die Solidarität, die der Facebook-Post der Berliner Polizei ausgelöst hat. Ich weiß nicht, ob Sie es schon gesehen haben: Er wird unzählige Male geteilt und unterstützt. Es gibt da eine wirkliche Welle der Solidarität für die Polizistinnen und Polizisten durch die Berliner. Ich finde das ausdrücklich gut. Das zeigt auch, dass die feigen Täter ihre Ziele damit eben nicht erreichen, sondern das ganze Gegenteil, nämlich eine deutliche Solidarisierung der Ber-linerinnen und Berliner mit ihrer Polizei. – [Beifall] –

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Aber dass wir uns als Politik vor die Kolleginnen und Kollegen stellen, das ist das eine. Das sind zunächst nur Worte, aber wenn die Polizistinnen und Polizisten für unsere Sicherheit eintreten und ihren Kopf dafür hinhalten, dann haben sie auch zu Recht zu erwarten, dass wir unseren Teil dazu beitragen, sie im Dienst vor solchen Angriffen zu schützen. Deshalb bin ich froh, dass der Senat auf seiner Klausurtagung am 9. Januar ein Präventions- und Sicherheits-paket beschlossen hat, das schon öffentlich diskutiert worden ist. Aber gerade vor dem Hin-tergrund dieser Tat weise ich noch einmal darauf hin, wie wichtig die schnelle Umsetzung dieses Sicherheitspakets ist und wie wichtig es ist, dort die Ausstattung der Einsatzkräfte deutlich zu verbessern. Das Gesamtvolumen beträgt 45 Millionen Euro. Ich habe auch die Kritiken wahrgenommen, die vereinzelt zu hören war: Jetzt hat der Senat 2016 1,2 Milliarden Euro Überschuss gemacht und setzt nur 45 Millionen Euro für die Si-cherheit ein. – Da muss ich sagen: Weit gefehlt! Selbstverständlich werden jedes Jahr stattli-che Beträge eingesetzt, um die Ausstattung der Polizistinnen und Polizisten zu verbessern. Wir haben uns vorgenommen, innerhalb dieser Legislaturperiode die Besoldungsangleichung auf den Durchschnitt der Bundesländer zu realisieren, um dadurch die Wertschätzung der Po-lizisten auszudrücken. Auf die 45 Millionen Euro sind wir vor dem Hintergrund der Frage gekommen: Was können wir 2017 schnell realisieren? Was können wir, was bisher bis 2022 in der Finanzierung vorgesehen war, vorziehen und noch 2017 und im Frühjahr 2018 erledi-gen? Die Ausschreibung dafür bereiten wir gerade vor. Voraussetzung für dieses Sicherheitspaket ist ein entsprechender Beschluss des Nachtragshaushalts voraussichtlich im April dieses Jah-res. Dabei geht es um 40,4 Millionen Euro für Polizei und Feuerwehr. Die restliche Summe in Höhe von 4,6 Millionen Euro sind Maßnahmen für die Justiz, zwei Hochsicherheitsgerichts-säle in Moabit. – Ich möchte mich jetzt nur auf einige Beispiele für die Maßnahmen bei Poli-zei und Feuerwehr beschränken. – In dieser Summe ist die Anschaffung von 12 000 neuen Dienstpistolen für 9,3 Millionen Euro enthalten, geschätzt. Die Ausschreibung wird dann die korrekte Zahl ergeben. Es sind über 6 Millionen Euro für ballistische Schutzwesten enthalten. Das sind 6 300 ballistische Schutzwesten, die neu angeschafft werden, und weitere 6 000 bal-listische Schutzwesten, die schon vorhanden sind, werden dadurch aufgerüstet. Es gibt zusätz-liche Fahrzeuge, und über 50 RTW der Feuerwehr werden technisch aufgerüstet. All das sind Beispiele für Dinge, die dringend erforderlich sind. Und vor dem Hintergrund der Tat am ver-gangenen Wochenende zeigt sich auch, wie richtig es war zu entscheiden, dass die Folien zum Schutz der Scheiben der Polizeidienstwagen angeschafft werden. Auch das muss konsequent umgesetzt werden. Und da gibt es noch weitere Punkte: Beispielsweise hatten wir zu Silvester einen Ausfall des Digitalfunks, der sich aber nicht auf die eigentliche Digitalfunkanlage in der Stadt bezog, sondern das war ein Serverausfall in der Leitstelle. Die Mittel, die wir jetzt zur Verfügung stellen, werden zur sogenannten Netzhärtung benötigt, damit wir auch bei dem Server ent-sprechend nachsteuern können. Trotzdem ist die Einführung des Digitalfunks auch für die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen der Polizei und der Feuerwehr von ausschlaggeben-der Bedeutung. Das ist ein Thema, mit dem wir uns während der ganzen Legislaturperiode beschäftigen müssen. Deshalb will ich zusammenfassen: Dieses Sicherheitspaket ist ein wich-tiger Schritt für die Verbesserung der Sicherheit in Berlin, ein wichtiger Schritt, um bei der

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Ausrüstung von Polizei und Feuerwehr voranzukommen, aber es ist völlig unstrittig, dass noch eine Menge zu tun bleibt. Wir haben uns in einem 100-Tage-Programm vorgenommen, Dinge, die akut anstehen, auch unmittelbar anzugehen. Ich will zwei Beispiele nennen: Das ist einmal die Kombiwache am Alexanderplatz. Dort haben die Gespräche mit der Bundespolizei und dem Bezirksamt Mitte zur Einrichtung einer gemeinsamen Wache von Berliner Polizei, Bundespolizei und Ord-nungsamt des Bezirksamts Mitte begonnen. Im Moment sind wir dabei zu klären, an welchem Standort eine solche Kombiwache errichtet werden könnte, die Aufgabenschreibung zu klä-ren, den Personalbedarf noch mal aufzuarbeiten, Betriebszeiten festzulegen und bei der Ein-richtung dieser Kombiwache möglichst Verbindlichkeit zu erreichen. Es ist mir aber wichtig zu sagen, dass Sicherheit auf dem Alexanderplatz nicht nur durch mehr Polizistinnen und Polizisten vor Ort erreichbar ist. Das ist wichtig, aber vor allen Din-gen brauchen wir den Schulterschluss mit den anderen Anrainern des Alexanderplatzes, um bei städtebaulicher Prävention voranzukommen; auch die Gestaltung des Alexanderplatzes muss so verändert werden, dass Angsträume reduziert werden und neue Angsträume nicht entstehen können. Deshalb initiieren wir eine Gesprächsrunde mit den Gewerbetreibenden am Alexanderplatz und den Vermietern, wie beispielsweise der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die am Alexanderplatz über entsprechende Immobilien verfügt. Ich hatte in der vergangenen Woche bereits ein Gespräch mit der Berliner Sparkasse, die am Alexanderplatz ihren Sitz hat. Und ich freue mich über die Signale der Anrainer, dass sie selbst etwas bewegen wollen und bereit sind, dafür auch Geld zur Verfügung zu stellen und sich an einer verbesserten Sicher-heitslage am Alexanderplatz zu beteiligen. Der andere Punkt, der mir wichtig ist, ist die Verbesserung der Sicherheit im Öffentlichen Personennahverkehr. Wir hatten spektakuläre Gewalttaten im Öffentlichen Personennahver-kehr, die in den vergangenen Wochen eine Rolle gespielt haben. Das sind herausragende Ge-walttaten gewesen, die öffentlich widergespiegelt worden sind. Wenn Sie sich die realen Zah-len anschauen, stellen Sie fest, dass der Öffentliche Personennahverkehr in Berlin sehr sicher ist und dass die Anzahl der Straftaten in den vergangenen Jahren nicht angestiegen ist. Trotz-dem haben wir an verschiedenen Stellen schwierige Situationen, haben wir vor allen Dingen darauf zu achten, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Berlinerinnen und Berliner, die auf den Öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind, verbessert wird. Deshalb nehmen wir die Gespräche mit der BVG zur Einrichtung gemeinsamer Streifen auf, um auch dort zu einer vertraglichen Vereinbarung zu kommen. Mir ist wichtig, an dieser Stelle zu sagen, dass die Berliner Polizei bereits heute intensiv mit der BVG zusammenarbeitet. Laut einer Statistik von 2016 haben die Kolleginnen und Kolle-gen der Polizei innerhalb des vergangenen Jahres 171 000 Einsatzstunden in der BVG geleis-tet. Wenn Sie das auf Polizeikräfte umrechnen würden, dann wären das in etwa 120, 130 Be-amte. An dieser Stelle noch eine weitere personelle Verstärkung vorzunehmen und das ver-traglich zu vereinbaren, ist uns wichtig. Auch an diesem Thema sind wir unmittelbar dran. Die Anschaffung von 12 000 neuen Dienstpistolen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage: An welchen Stellen kann denn trainiert werden, auch entsprechend zu schießen? Wir haben eine sehr schwierige Situation bei den Schießständen der Berliner Polizei. Gegen-wärtig ist es so, dass, ich glaube, 11 von 73 vorhandenen Schießbahnen überhaupt nutzbar

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sind. Daraus folgt, dass die Polizistinnen und Polizisten nach Brandenburg fahren müssen, um dort zu üben, bzw. ihre Trainingszeiten reduziert werden. Dort muss unmittelbar gehandelt werden. Deshalb haben wir uns als Sofortmaßnahme vorgenommen, das Trainingszentrum am Wannsee zu sanieren, sobald die Witterungsverhältnisse es zulassen, um dann Mitte des Jah-res diese Schießbahn am Wannsee wieder zur Verfügung zu haben. Mit der BIM und der Se-natsverwaltung für Finanzen haben wir über die Einrichtung der Einsatztrainingszentren – fünf Stück brauchen wir für Berlin – gesprochen. Der Mittelbedarf dafür beträgt insgesamt 116 Millionen Euro. Die bisherige Zeitplanung sah vor, diese Einsatztrainingszentren bis 2022 fertigzustellen. An diesem Vorhaben halten wir selbstverständlich fest. Die Schießstän-de sind Bestandteile dieser Einsatztrainingszentren, wir können aber mit den Schießständen nicht bis 2022 warten. Deswegen haben wir jetzt festgelegt, die Problematik der Schießstände vorzuziehen, das heißt, bei der Einrichtung der Schießstände deutlich schneller zu sein und diese Vorhaben praktisch voneinander zu trennen, sodass wir schon 2018 – so ist die Zielstel-lung in der Verhandlung mit der BIM – weitere Schießstände zur Verfügung haben und die Einsatztrainingszentren dann um die vorhandenen Schießstände herum weiterentwickelt wer-den. All diese Maßnahmen sind extrem wichtig. Dafür wird Planungssicherheit benötigt. Dazu laufen gerade die Gespräche mit der BIM, die verantwortlich für die Anschaffung dieser Schießstände bzw. die Einrichtung der Einsatztrainingszentren ist. Ich bin optimistisch, dass wir an dieser Stelle deutlich vorankommen werden. Dann hat es eine aufgeregte Diskussion zur Videoüberwachung in der Stadt gegeben. Ich sage deshalb „aufgeregte Diskussion“, weil alle Beteiligten wissen, dass solche Videoaufnahmen den Anschlag vom 19. Dezember 2016 aller Voraussicht nach nicht verhindert hätten. Trotz-dem ist es an dieser Stelle wichtig, sich mit dieser Thematik zu befassen, eben weil wir durch Öffentlichkeitsfahndung doch deutliche Fahndungserfolge bei der Polizei hatten. Gerade in den letzten Wochen war das an mehreren Stellen deutlich der Fall. Wir haben darüber im Se-nat ausführlich diskutiert und uns entschieden, die §§ 24 und 24a des Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in der jetzigen Fassung zur Grundlage zu nehmen und so breit auszu-legen, wie das in der eigentlichen Textfassung des Gesetzes auch vorgesehen ist. Mir ist klar, dass das in den vergangenen Jahren deutlich enger und sehr klar auf konkrete Fälle ausgelegt worden ist. Wenn Sie sich die Formulierungen der Paragrafen im ASOG anschauen, dann ist dort aber ursprünglich eine deutlich breitere Fassung angelegt worden. Auf dieser Basis werden wir jetzt arbeiten, werden das aber unaufgeregt tun, weil uns wichtig ist, dass wir zunächst die Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum verbessern. In dem Si-cherheitspaket und in der Koalitionsvereinbarung ist auch die Anschaffung der fünf mobilen Wachen vorgesehen, damit wir vor Ort präsent sind. Wir werden beispielsweise am Kottbus-ser Tor, wenn wir dort eine mobile Wache einrichten, zunächst einmal Polizeipräsenz vor Ort zeigen. Und wenn es zur Verhinderung von besonderen Straf- und Gewalttaten dann sinnvoll ist, auch Videokameras einzusetzen, dann werden wir das temporär und anlassbezogen auch tun. Es geht auch um den Schutz von Großveranstaltungen. Es ist aber nicht so, wie man durch die öffentliche Diskussion hätte wahrnehmen können, dass Videoüberwachung in Ber-lin nicht der Fall ist. Es gibt bereits jetzt 15 000 Videokameras in der Stadt im öffentlichen Eigentum.

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Insofern werden wir an dieser Stelle etwas tun, aber es ist nicht der Schlüssel für die Herstel-lung von mehr Sicherheit. Der Schlüssel für die Herstellung von mehr Sicherheit in der Stadt ist die Polizeipräsenz und die Ausstattung der Polizei und vor allem die Unterstützung der Berlinerinnen und Berliner für ihre Polizei. Zur allgemeinen Kriminalitätslage will ich nur so viel sagen, dass die ausführlichen Darstel-lungen zur Kriminalitätsstatistik in wenigen Wochen in der Veröffentlichung zur Kriminali-tätsstatistik 2016 vorgestellt werden. Deswegen will ich das an dieser Stelle nicht tun. Und nachher haben wir noch den Tagesordnungspunkt „Besondere Vorkommnisse“, da würde ich noch zu einzelnen ausgewählten Punkten kommen. Jetzt aber zur Thematik: Wie der Vorsitzende schon sagte, hatten wir am 11. Januar 2017 die innenpolitischen Sprecher der Fraktionen eingeladen, um sie auf den neuesten Stand der Er-mittlungsergebnisse zu bringen. Lassen Sie mich vorwegschicken: Wir hatten am 23. Dezem-ber die Abgeordneten in der Sonderausschusssitzung auf der Grundlage unseres Wissens-stands vom 23. Dezember 2016 informiert. Seitdem ist weiter nach Spuren gesucht worden. Seitdem wurde weiter ermittelt, und es sind Unmengen von Daten bearbeitet worden. Wir haben dann auf dem Stand des Wissens vom 11. Januar berichtet und berichten jetzt auf dem Stand unseres Wissens vom 23. Januar. Ich sage aber ausdrücklich, dass die Untersuchungen, die Ermittlungen noch weitergehen und dass es nicht ausgeschlossen ist, dass in den nächsten Tagen und Wochen weitere Untersuchungsergebnisse zutage kommen, über die wir dann ebenfalls berichten werden.

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Dann muss noch gesagt werden, dass die Ermittlungen von der Generalbundesanwaltschaft geleitet werden, wir also immer nur unseren Teil des Wissens darstellen können. Das heißt, die Gesamtbearbeitung liegt an dieser Stelle beim Generalbundesanwalt. Wann diese Ermitt-lungen abgeschlossen sind, können wir Ihnen gegenwärtig noch nicht sagen. – Das vielleicht einführend. Zum neuesten Stand bitte ich Staatssekretär Akmann, Stellung zu nehmen. – Danke! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Senator! – Bevor ich Herrn Akmann das Wort erteile, möchte ich noch darauf hinweisen: Wir hatten letztes Mal ein Wortprotokoll zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich würde vorschlagen, dass wir auch heute ein Wortprotokoll fertigen lassen, sodass jeder all das, was der Senat hier vorträgt, nachlesen und in Arbeitskrei-sen weitergeben kann. – In diesem Sinne haben Sie jetzt das Wort. Ich begrüße Sie ganz herz-lich im ersten Innenausschuss in diesem Jahr. Staatssekretär Torsten Akmann (SenInnDS): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Herr Senator hat es eben gesagt: Ich hatte zuletzt am 23. Dezember 2016 zu dem Thema vorgetragen, und danach folgte am 11. Januar 2017 ein Informationsgespräch mit den innenpolitischen Sprechern der Fraktionen in der Se-natsinnenverwaltung. Heute möchte ich Ihnen über den Fortgang der wesentlichen weiteren Erkenntnisse berichten. Sie wissen, es läuft in der Sache nach wie vor ein Ermittlungsverfahren. Seit dem Anschlag wird dieses Ermittlungsverfahren beim GBA und beim BKA mit 300 Mitarbeitern geführt. Wichtig für uns ist auch, dass wir wissen, dass das Landeskriminalamt hier mit weiteren 50 Mitarbeitern unterstützt. – Es ist mir ein wichtiges Anliegen – weil ich seit gut einem Mo-nat das Landeskriminalamt und die Polizei Berlin in dieser Sache begleite –, bei dieser Gele-genheit hier auch einmal öffentlich hervorzuheben, dass die Polizei Berlin und insbesondere auch das Landeskriminalamt Berlin hier aus meiner Sicht einen ganz hervorragenden und vor allem professionellen Job leisten. Abseits dieses laufenden Ermittlungsverfahrens unterstützen wir auch andere Aufklärungsar-beiten, wie Sie sich denken können. Wir waren etwa beteiligt – ich denke, das kennen Sie – an dieser Chronologie, die gemeinsam vom Bundeministerium des Innern und dem Bundes-justizministerium erstellt worden ist. Natürlich sind wir auch dabei, die fachliche Aufarbei-tung in den IMK-Gremien tatkräftig zu unterstützen. Darüber hinaus beabsichtigen wir, die vom parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestags eingesetzte sogenannte Taskforce – das sind wohl vier Abgeordnete dort – tatkräftig zu unterstützen, um auch dem Anliegen des Innensenators gerecht zu werden, dass wir hier all das, was möglich ist, aufklä-ren wollen. Von mir folgende zentrale Punkte: Erstens – aktuelle Gefährdungssituation in Berlin: Unsere Sicherheitsbehörden setzen sich selbstverständlich sehr intensiv und kontinuierlich mit der Bewertung der Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus auch in Berlin auseinander. Insgesamt ist es so, dass für Deutschland eine abstrakt hohe Gefährdung durch den islamisti-schen Terrorismus besteht, und das gilt natürlich gleichermaßen für die Hauptstadt. Im Um-kehrschluss oder im Ergebnis bedeutet dies aber auch, dass wir derzeit keine konkreten Hin-weise auf Anschläge hier in Berlin haben. Diese abstrakt hohe Gefährdungslage gilt für alle Veranstaltungen, für alle Großveranstaltungen, vor allem für solche mit hohem Publikums-

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verkehr. Seien Sie sicher: Sobald die Polizei Berlin Kenntnisse von konkreten Gefährdungs-hinweisen erhält oder erlangt, werden diese bewertet und dann anlassbezogen die erforderli-chen polizeilichen Schutzmaßnahmen hier in Berlin hochgefahren. Zweitens – Gefährder: In Berlin gibt es Gefährder im oberen zweistelligen Bereich; das ist hier bekannt. Diese Zahl unterliegt ständigen Schwankungen, da die Ein- und Ausstufung von Gefährdern eigentlich ein dynamischer Prozess ist. Dazu könnte Herr Steiof vielleicht später noch etwas sagen. Es gibt ein bundesweit abgestimmtes Gefährderkonzept. Es gibt dort einen entsprechenden Maßnahmenkatalog, und der wird regelmäßig evaluiert und auch angepasst. Das ist auch jetzt im Nachgang zum Breitscheidplatz ebenfalls angedacht. Hier ist Ziel, eine genauere Bewertung des Gewaltpotenzials dieser Gefährder und damit eine noch wirksamere Kontrolle letztendlich hinzubekommen. Gesagt sei aber auch – ich denke, das wissen Sie –: Eine lückenlose Komplettüberwachung aller Gefährder durch die Sicherheitsbehörden war bislang nicht möglich. Aber dennoch wird momentan über eine Maximierung der Überwachung in den entsprechenden IMK-Gremien beraten. Drittens – Amri: Wir haben alle bekannten Alias-Personalien des Amri geprüft, und danach wurde Amri weder von der Polizei Berlin noch vom Berliner Verfassungsschutz als Vertrau-ensperson geführt. In der letzten Innenausschusssitzung wurde Ihnen ja mitgeteilt, dass Amri nach dem Ende der Telekommunikationsüberwachung – die lief seinerzeit bis zum 21. September 2016 – in Berlin nicht mehr festgestellt werden konnte. Das war – der Senator hat es eingangs gesagt – der damalige Stand, der hier nach bestem Wissen und Gewissen auch von mir vorgetragen wurde. Im Rahmen der Ermittlungen nach der Tat sind jetzt aber retrograd auch Bild- und Videoauf-nahmen gesichtet worden, die aus Maßnahmen des LKA Berlin bezüglich anderer Zielperso-nen und Zielobjekte heraus entstanden sind. Auf weiteren Aufnahmen konnte jetzt Amri ein-deutig identifiziert werden – oder es besteht zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der dort abgebildeten Person um Amri handelt. Es gibt folgende neue Erkenntnislage, was diese Bild- und Videoaufnahmen angeht, auch eine neue Erkenntnislage im Vergleich zum 11. Januar: Am 28.11.2016 ist er – das ist auch auf dem Videobild jetzt im Nachgang festgestellt worden – im Bereich der Fussilet-Moschee. Das Gleiche gilt für den 10. Dezember 2016. Das Gleiche gilt für den 13.12.2016. Und dann ist er am 19.12.2016, das war von 18.38 Uhr bis 19.07 Uhr, kurz vor der Tat, auch im Bereich der Fussilet-Moschee festgestellt worden. Am 19.12., das war dann nach der Tat, ist er in die Videoaufnahmen beim Bahnhof Zoo gelaufen. Ich glaube, das war schon bekannt. Zudem wurde dem Landeskriminalamt Berlin dann privates Videomaterial eines Zeugen zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Amri am 18. Dezember 2016 mit einem gesondert Verfolg-ten in einem Imbissrestaurant. Auch dazu kann, denke ich, Herr Steiof gleich noch ergänzend ausführen, wenn das gewünscht ist. Daneben wurde der Amri ebenfalls, auch retrograd jetzt festgestellt, auf Überwachungsmaterial des Verfassungsschutzes vom 2./3. Oktober 2016 festgestellt, das aus einem anderen Anlass gefertigt worden ist. Damals sollte ein Islamsemi-nar in der Fussilet-Moschee stattfinden, und im Zuge dessen ist er dort auch offenbar gewe-sen.

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Damit bin ich beim vierten Punkt – Verfahrensstand des Fussilet-Vereinsverbotsverfahrens. Ich hatte ja in der Ausschusssitzung am 23. Dezember schon erwähnt, dass dieses Vereins-verbotsverfahren in einem engen Zusammenhang mit fünf Strafverfahren gesehen wird, und ich hatte damals, meine ich, schon vorgetragen, dass wir hier zwei abgeschlossene Verfahren haben. Allerdings ist nach dem gegenwärtigen Stand nur eines von diesen beiden Verfahren bislang rechtskräftig. Gegen das andere wurde Revision vor dem BGH eingelegt. Die übrigen drei Verfahren sind nach dem gegenwärtigen Stand noch nicht beendet. Von diesen dreien werden zwei Verfahren bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und ein Verfahren durch den Generalbundesanwalt geführt. Wie ich Ihnen aber bereits in der letzten Sitzung angekündigt hatte, hat sich die Innensenats-verwaltung des Voranbringens des Verbotsverfahrens angenommen, ich konkret, und ich habe noch im letzten Jahr Personal dem entsprechenden Referat zugewiesen, das mehr oder weni-ger verwaist war. Ich habe dem Referat jetzt drei Mitarbeiter zugewiesen, die dort unter Hochdruck an der Verbotsverfügung arbeiten, und ich bin guter Hoffnung, dass die Verbots-verfügung evtl. Ende dieses Monats – mir jedenfalls – in einem ersten Entwurf vorliegt. Das Verbotsverfahren wird aber, wie ich sagte, nicht allein auf diese Strafverfahren, die hier in Rede stehen, abstellen, sondern maßgeblich darauf, dass der Amri in dieser Fussilet-Moschee ein- und ausging. Sie haben ja am Wochenende, denke ich, gehört, dass in der Fussi-let-Moschee auch ein 24-jähriger deutscher Staatsangehöriger verhaftet worden ist, der auch dem islamistischen Personenspektrum zuzuordnen ist. Da müssen wir schauen, ob dieses evtl. auch in dem Verbotsverfahren Berücksichtigung finden kann. – So viel erst mal von mir. Vie-len Dank! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Staatssekretär! – Weitere Ergänzungen durch Herrn Steiof? – Bitte, Herr Steiof! Christian Steiof (LKA): Vielleicht die Ergänzung noch: Sie haben ja von den Daten gehört, wo wir Amri gesichtet haben, bis zum 28.11. zurück auf polizeilichem Videomaterial. Bei dem Treffen mit den innenpolitischen Sprechern hatte ich gesagt, dass wir nur bis zum 12. Dezember Videomaterial von der Polizei aus der Überwachungsmaßnahme haben. Das war ein Versehen. Da ist ein Auswertezeitraum quasi in die falsche Spalte gerutscht in der Aus-wertetabelle und stand bei „Aufnahmezeitraum“. Tatsächlich sind die Aufnahmen auf dieser Festplatte bis zum 2. November rückwirkend drauf. Das ist also der neue Zeitraum. Deswegen ist die Aussage, bis zum 28.11. haben wir bisher Sichtungen, eine vorläufige. Es kann also sein, dass wir retrograd noch weitere Sichtungen haben. Der zweite Punkt zu diesem Thema: Ich habe bei mir im Landeskriminalamt auch eine Ar-beitsgruppe eingesetzt, denn – Sie können sich das möglicherweise vorstellen – neben der Unterstützung des Bundeskriminalamtes in den Ermittlungen kommt natürlich eine Vielzahl von Informationen, und die Frage ist: Wie gehen wir künftig damit um? Gibt es schon jetzt Dinge, die wir anpassen müssen? Und wenn, das ist meine Überzeugung, hat es nur Sinn, die Sachen im Bund-Länder-Verbund anzupacken. Das ist also einfach eine kleine Arbeitsgruppe zur Kanalisierung dieser ganzen Informationen, zur Entwicklung eigener Ideen, die diese gan-zen Sachen etwas fokussiert, damit das nicht alles durcheinanderläuft. Das ist die eine Sache.

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Die anderen Dinge, auf die wir jetzt unsere Priorität legen, hat Herr Akmann schon dargelegt. Das sogenannte Amri-Papier, die Amri-Chronologie, wird sicherlich – so ist das Vorhaben des Bundeskriminalamtes – auch weiterhin aktualisiert, sollten noch weitere Informationen dazukommen. Wir haben die jetzt noch mal gegengelesen, und uns sind inhaltlich keine Er-gänzungen mehr aufgefallen, die wir dazu bieten können. Aber das wird auch ein weiterer Prozess sein, wo wir uns beteiligen. Die Frage, wie lange wir noch das Bundeskriminalamt unterstützen werden, kann ich nicht beantworten. Das wird sich sicherlich noch eine Weile hinziehen, möglicherweise in einer veränderten Form. Wir haben derzeit schon die örtlichen Direktionen, die Referate Kriminali-tätsbekämpfung, mit in die Maßnahmen insbesondere der Videoauswertung einbeziehen müs-sen. Das konnten wir bisher aus dem LKA leisten, aber das wird auf die Dauer nicht mehr möglich sein. – Also diese Unterstützung der GBA-Ermittlungen wird uns noch eine Weile begleiten. – So weit erst mal! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Eine Zeitschiene insgesamt ist nicht zu erken-nen, es kann also auch Mitte des Jahres werden. – [Christian Steiof (LKA): Ja!] – Okay! Dann habe ich Sie richtig verstanden. – Dann kommen wir jetzt zur Aussprache. Es gibt erst eine Wortmeldung von Herrn Dregger. Burkard Dregger (CDU): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Vielen Dank, Herr Senator, für Ihre Ausführungen, auch für die Ausführungen am 11.1. und Ihre Initiative, die innenpoliti-schen Sprecher zu informieren. Das muss man lobend erwähnen. Ich möchte einige Anmer-kungen machen und einige konkrete Fragen stellen, möglichst kurz und präzise, und bitte auch, möglichst kurz und präzise darauf zu antworten. Erstens: Sie haben die schlimmen Vorkommnisse des vergangenen Wochenendes, den An-griff auf die fünf Fahrzeuge der Polizei in der Nähe der „Köpi“ erwähnt. Meine Frage lautet: Unterstützen Sie unseren Antrag, sich der Bundesratsinitiative Hessens anzuschließen, einen neuen eigenständigen § 112 StGB zu schaffen, der tätliche Angriffe auf Polizeibeamte unter besondere Strafe stellt, das heißt Angriffe, die nicht im Zusammenhang mit einer Einsatz-maßnahme stehen, sondern im Grunde anlasslos erfolgen. Wir müssen ja leider konzedieren, dass in diesem geografischen Bereich regelmäßig Angriffe auf Polizeibeamte ohne erkennba-ren Anlass stattfinden. Zweitens: Sie haben das Präventions- und Sicherheitspaket angesprochen. Ich habe den Medi-en entnommen, dass Sie am Wochenende erklärt haben, dass es im Wesentlichen keine unbe-setzten Stellen beim Polizeivollzug in Berlin gibt. Ich bitte Sie, das noch einmal hier im Aus-schuss zu bestätigen vor dem Hintergrund der Diskussion in den vergangenen Wochen, insbe-sondere vonseiten Ihrer Koalitionspartner, die immer davon geredet haben, es gebe 1 000 un-besetzte Stellen. Drittens: Sie kündigen mobile Wachen und BVG-Streifen der Polizei an. Das setzt Personal voraus, erhöhten Personalbedarf. Wo soll dieses Personal herkommen, wenn Sie nicht weiter-hin einen stillen Aufwuchs bei der Polizei verfolgen? Ich entnehme weder Ihrer Koalitions-vereinbarung noch Ihrem Sicherheits- und Präventionspaket noch Ihren Verlautbarungen im Zusammenhang mit der Klausurtagung der SPD-Fraktion am Wochenende, dass neue Stellen

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geschaffen werden. Und da Sie weitere Aufgaben vorsehen, ist meine Frage: Wie wollen Sie das personell bewältigen? Nächste Frage – Videoaufklärung: Sie kündigen an, anlassbezogen und temporär Videomaß-nahmen einführen zu wollen, und berufen sich auf die Ermächtigungsgrundlage in den §§ 24 und 24a ASOG. § 24a betrifft gefährdete Objekte, beispielsweise eine Synagoge, eine Bot-schaft oder ähnliche gefährdete Objekte. § 24 betrifft öffentliche Veranstaltungen und An-sammlungen. Ich verstehe, dass auch Sie genauso wie ich die Neigung haben, Videoaufklä-rung einzusetzen, um Straftaten nicht nur aufzuklären, sondern sie auch zu unterbinden. Des-wegen frage ich Sie, warum Sie nicht willens und in der Lage sind, eine rechtssichere Er-mächtigungsgrundlage zu schaffen. Eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus würde Ihnen zur Verfügung stehen. – [Canan Bayram (GRÜNE): Das ist ja neu!] – Nächster Punkt: In Ihrem Präventions- und Sicherheitspaket sprechen Sie nicht von all diesen sehr irritierenden Passus aus dem Koalitionsvertrag, deren Umsetzung uns droht, wenn Sie ihn ernst nehmen. Da steht u. a., dass Abschiebungen von vollziehbar Ausreisepflichtigen in der Regel nicht mehr stattfinden sollen. Da steht drin, dass Abschiebegewahrsam und Ab-schiebehaft nicht mehr als opportunes Mittel einzusetzen sind. Da steht drin, dass Unterbin-dungsgewahrsam auf 48 Stunden zu reduzieren ist. Ich bitte um Mitteilung, ob uns das jetzt droht im Angesicht eines Terroranschlages eines Asylbetrügers, der genau hier auf diesen Fall passt, der nicht abgeschoben worden ist, der nicht in Unterbindungsgewahrsam genommen worden ist. Oder haben Sie vor, diese Regelungen aus dem Koalitionsvertrag nicht weiterzu-verfolgen? Dann hätten Sie meine volle Unterstützung. Die nächsten Fragen zum Fall Amri. Erste Frage: Ist das Videomaterial, das von Bürgern, Geschäftsleuten, aber auch der Fussilet 33 angesammelt worden ist, inzwischen vollständig ausgewertet? Bei der letzten Unterredung am 11.1. hatten Sie verständlicherweise gesagt, dass diese Menge des Materials noch nicht vollständig ausgewertet ist. Deswegen würde ich das gerne wissen. Die nächste Frage betrifft Ihre generelle Einschätzung, Herr Innensenator, zunächst einmal zu den Aktivitäten der Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Terroranschlages. Sehen Sie Fehlein-schätzungen der Sicherheitsbehörden, und wenn ja, welche? Welche Konsequenzen ziehen Sie in Betracht, sollte es zu Fehleinschätzungen der Sicherheitsbehörden gekommen sein? Nächste Frage: Am 14.10.2016 – das entnehme ich jetzt der Zusammenstellung des Bundes-innenministeriums des chronologischen Ablaufs – gab es wohl eine Sitzung des Gemeinsa-men Terrorabwehrzentrums. Dort wurden Informationen Marokkos thematisiert, die den Amri betrafen, und es war wohl so, dass durch das BKA an das LKA Nordrhein-Westfalen zunächst einmal die Information gegeben worden ist, Amri sei Anhänger des sogenannten Islamischen Staates und hoffe, sich dem sogenannten Islamischen Staat in Syrien, im Irak und in Libyen anschließen zu können. Des Weiteren: Er führe ein Projekt aus, wolle über die Details aber nicht sprechen. Er bezeichnete sein Gastland als Land des Unglaubens, das Erpressungen ge-gen die Brüder führe. – Dann geht es weiter in dem Vermerk: Prüfung des LKA Berlin mit dem Ergebnis, Mitteilung enthält keine über den bisherigen Erkenntnisstand hinausgehenden Informationen. – Ich frage das vor dem Hintergrund, dass die TKÜ ja am 21. September ein-gestellt worden ist, weil die Einschätzung sich geändert hat. Meine Frage ist deswegen, ob vor dem Hintergrund dieser Information vom 14.10.2016, insbesondere mit dem Hinweis auf ein

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Projekt, das ja ein Terroranschlag sein könnte, möglicherweise weitere Ermittlungsmaßnah-men oder auch wieder Überwachungsmaßnahmen geboten gewesen wären. Liegen in Berlin offene Haftbefehle gegen Personen mit islamistischem Personenpotenzial vor? Was halten Sie von dem Vorschlag, Gefährder sofort in Abschiebehaft zu nehmen, wenn sie vollziehbar ausreisepflichtig sind? Und wenn Sie das grundsätzlich befürworten – wie ist der Stand der Umsetzung in Berlin? Wie viele Gefährder sind also in Abschiebehaft in Ber-lin? Oder gehen Sie es jetzt an, falls sie noch nicht in Abschiebehaft sind? Eine weitere Frage zum Amri: Welche Erkenntnisse bestehen darüber, welche Verkehrsmittel er unmittelbar vor und unmittelbar nach der Tat benutzt hat, und wie hat er sie finanziert, be-zahlt? Bestehen also Erkenntnisse darüber, wie er diese Aktivitäten bezahlt hat, wie seine Fi-nanzbewegungen gewesen sind? Zum Schluss noch die Frage: Welche Erkenntnisse bestehen darüber, wie er sich innerhalb Berlins fortbewegt hat? – So weit meine Fragen erst mal. Herzlichen Dank! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Dregger! – Es gibt bis jetzt noch drei Wortmeldungen, aber ich glaube die Anzahl der Fragen macht erst die Beantwortung erfor-derlich, bevor wir die nächste Fragestellung in Angriff nehmen. – Bitte, Herr Senator! Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Dann will ich es versuchen. – Der Antrag, Polizeibe-amte besonders zu schützen und Gewalt gegen Polizeibeamte in besonderer Weise noch mal rechtlich zu ächten, wird im Moment im Bundesrat diskutiert. Ich wusste gar nicht, dass das Ihr Antrag war. Es wird auch innerhalb der Koalition im Moment darüber diskutiert. Wir überlegen in Berlin noch, ob wir ggf. Lehrerinnen und Lehrer hinzufügen, weil es auch Ge-walt gegen Lehrerinnen und Lehrer gibt – um das noch mal deutlich zu machen. Grundsätz-lich halte ich viel davon. Wir haben gegenwärtig 79 unbesetzte Stellen. Das variiert aber sehr stark. Zu dem Zeitpunkt, als von 1 000 unbesetzten Stellen die Rede war, war in der Tat ein großer Anteil von Stellen unbesetzt. Die Variationen kommen daher, dass immer freie Stellen vorgehalten werden müs-sen, damit die Absolventen der Polizeischule entsprechende Stellen finden. Wie gesagt, ge-genwärtig sind 79 Stellen unbesetzt. Wir fahren gerade die Polizeischule auf der höchsten Kapazitätsauslastung. Es sind 1 230 – über den Daumen gepeilt; ich glaube, es sind 1 228, aber so in dieser Größenordnung – Absolventen, die dort pro Jahr ausgebildet werden. Inso-fern bin ich guter Hoffnung, dass wir den notwendigen Stellenaufwuchs hinbekommen, da gleichzeitig etwa 550 Kolleginnen und Kollegen pro Jahr aus Altersgründen ausscheiden. Aufgrund der demografischen Entwicklung haben wir also, wenn wir in hohen Kapazitäten fahren, deutlich mehr Absolventen, die wir übernehmen können. Der Koalitionsvertrag hat mit 177 Seiten natürlich einen Nachteil: Er ist so ausführlich, dass er vielleicht nicht in jedem Detail verstanden oder gelesen werden kann. Aber selbstverständ-lich ist da an ganz vielen Stellen die Rede davon, dass wir die Anzahl der Polizistinnen und Polizisten wie auch der Feuerwehrleute aufstocken. Allein die mobilen Wachen und die Kombiwache am Alexanderplatz werden voraussichtlich mit 80 neuen Stellen verbunden sein. – Beim Alexanderplatz will ich Ihnen das so schildern: Bei meinem Gespräch mit dem Leiter des Polizeiabschnitts 32, der für den Alexanderplatz zuständig ist, sagte er, eine Kombiwache

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ist sehr sinnvoll, es macht aber keinen Sinn, Kolleginnen und Kollegen von der Straße herun-terzunehmen, damit sie dann in einer Wache sitzen, sondern Polizeipräsenz bedeutet ja, dass wir Kollegen auf der Straße haben, dass wir sichtbar Polizeipräsenz verstärken. Deshalb spricht der Koalitionsvertrag an dieser Stelle explizit von einer personellen Verstärkung auch für die mobilen Wachen. – Das Ziel ist, pro Jahr etwa 200 Stellen aufzustocken, um an dieser Stelle sichtbar etwas zu verändern. Es ist auch eine Schlussfolgerung aus der wachsenden Stadt Berlin, dass wir, wenn Berlin jedes Jahr um 40 000 Einwohnerinnen und Einwohner wächst, auf der einen Seite mehr Schulen, Kindertagesstätten und Grünflächen, aber auf der anderen Seite selbstverständlich auch mehr Kolleginnen und Kollegen der Polizei auf der Straße brauchen. Sie haben die §§ 24 und 24a ASOG nicht als rechtssichere Grundlage bezeichnet. Also, ich halte das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz für eine rechtssichere Grundlage. In § 24 ist nicht nur von Objekten die Rede, sondern die Auslegung ist so, dass auch die Vor-plätze von solchen Objekten mit einbezogen werden. Sie haben schon richtig gesagt: § 24a spricht auch von Ansammlungen. Es ist dann die Frage, wie man den Begriff „Ansammlun-gen“ auslegt. Also wir halten die Rechtsgrundlage für rechtssicher. Der Zusammenhang zwischen Gefährdern und Abschiebung von Gefährdern trifft in einigen Fällen zu. Ich will nur noch einmal sagen – ich habe das schon mehrfach getan, aber ich wie-derhole es –: Dieser einfache Schluss: Wir schieben alle Gefährder ab, und alles ist gut – ist ein Kurzschluss. 80 Prozent der Berliner Gefährder sind Deutsche, zum Teil hier geboren. Da ist Abschiebung keine Antwort. Das Problem ist komplexer. Es wird gegenwärtig bundesweit diskutiert. Die verschiedenen Gremien der Innenministerkonferenz führen gerade die Debatte darüber, welche Schlussfolgerungen gezogen werden können und wie die Zusammenarbeit zwischen Landes- und Bundesbehörden verbessert werden kann. Herr de Maizière hat einige Vorschläge unter anderem dazu gebracht. Einige finde ich ganz sinnvoll, nämlich das BKA zu verstärken, auch personell zu verstärken und darauf auszurichten, auch islamistische Gefähr-der intensiver zu bearbeiten. Andere Vorschläge in dem Paket wie die Zusammenfassung des Verfassungsschutzes und Ähnliches, also Grundgesetzänderungen, halte ich für untauglich, weil sie nicht schnell handlungsfähig sind. Aber die verschiedenen Debatten finden dazu statt. Klar ist aber, dass es deutlich komplexer ist, als einfach nur mit Abschiebung reagieren zu wollen. Trotzdem ist es so, dass selbstverständlich auch vollziehbar ausreisepflichtige Personen aus Berlin ausreisepflichtig sind. Wir betonen immer wieder, dass wir die Priorität auf die freiwil-lige Rückkehr dieser Menschen legen und die freiwillige Rückkehr fördern, was übrigens we-sentlich preiswerter ist als Abschiebung. Wenn Sie sich die Verteilung der Rückkehrer im Jahr 2016 anschauen, sind etwa 80 000 Menschen zurückkehrt und zurückgeführt worden. Von diesen 80 000 waren 50 000 Menschen, die freiwillig zurückgekehrt sind, und 30 000 wurden zurückgeführt, abgeschoben. Das ist also das Verhältnis. Auch Berlin legt großen Wert darauf, dass vollziehbar ausreisepflichtige Menschen freiwillig zurückkehren, und wir fördern das. Wenn sie nicht freiwillig zurückkehren, ist das Instrument der Abschiebung aber auch für Berlin gegeben. Bundesrecht gilt auch in Berlin und wird selbstverständlich auch von dieser Koalition umgesetzt. Wir machen das sehr sorgfältig und schauen uns die Einzelfälle an. Wir werden nicht Familien trennen, wir werden nicht aus Schulen abschieben, wir werden nicht aus Krankenhäusern abschieben. Wir machen das sehr differenziert und mit Augenmaß, aber trotzdem finden selbstverständlich auch weiterhin in Berlin Abschiebungen statt. Das ist

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meines Erachtens auch notwendig, damit freiwillige Rückkehr überhaupt stattfindet. Wenn diese Option der Abschiebung nicht mehr besteht, dann werden wir auch bei der freiwilligen Rückkehr weniger Erfolge haben. Aber dass wir sorgsam damit umgehen, haben wir in der Koalitionsvereinbarung festgelegt. Daran halten wir uns, und das setze ich in meiner Praxis als Innensenator auch so um. – Aber ich kann Ihnen sagen, dass auch in meiner Amtszeit be-reits Menschen zurückgeführt worden sind. Insbesondere lege ich großen Wert darauf, dass Gewalttäter zurückgeführt werden. Ich habe zwar einen einwöchigen Weihnachtsfrieden aus-gerufen, der galt aber nicht für einen Gewalttäter. Der ist auch in dieser Zeit zurückgeführt worden. Ich bitte einfach, nicht den Eindruck zu erwecken, dass bundesdeutsches Recht hier in Berlin nicht angewandt werden würde. Es wird angewandt, und zwar sehr sorgfältig und mit Augenmaß.

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Ob das Videomaterial vollständig ausgewertet worden ist, kann Herr Steiof nachher sagen. Ich befürchte, dass es noch nicht vollständig ausgewertet worden ist, weil die Masse im Mo-ment so groß ist, dass seit einigen Wochen 28 Kolleginnen und Kollegen an der Auswertung der vorliegenden Videoaufnahmen arbeiten und noch mehrere Wochen damit beschäftigt sein werden. Wie der aktuelle Stand ist, kann ich Ihnen gegenwärtig nicht sagen. Zur Frage, ob es Fehleinschätzungen der Sicherheitsbehörden gegeben habe: Zu diesem The-ma gibt es eine Debatte in Nordrhein-Westfalen und auch auf Bundesebene. Das Kernprob-lem ist, dass die Diskussion mit heutigem Wissensstand geführt wird. Die Befassung mit dem Fall Amri im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum hat unter Beteiligung der Bundes- und der verschiedenen Landesbehörden jeweils dazu geführt, sich anzuschauen, wie die jeweilige Si-tuation ist. Die über sechsmonatige TKÜ in Berlin hatte in Sachen islamistischer Terrorismus nichts, aber auch gar nichts ergeben. Die einzigen Punkte, die dort verifiziert werden konnten, gingen eher in Richtung normaler Kriminalität. Die Ergebnisse zu Amri, die uns heute vorliegen, sagen: Er war ein Drogendealer, er hat selbst Drogen genommen, er hat Alkohol getrunken, er hat den Ramadan nicht eingehalten. – Also, all diese Punkte, die man in einer Checkliste zu-sammenführen würde, wenn man islamistische Terroristen beschreiben wollte, treffen auf Amri offenbar nicht zu. Die Schlussfolgerung, die man daraus gezogen hat, war nach bisheri-gem Stand – ich betone: nach bisherigem Stand; denn das wird noch weiter auszuwerten sein –, dass es sich zwar um einen Kriminellen handelt und dass er ausreisepflichtig ist, aber aller Voraussicht nach die Gefahr eines islamistischen Terroranschlags bei Amri geringer ein-geschätzt wurde. Mit heutigem Wissen war das eine Fehleinschätzung, die aber gemeinsam von allen Beteilig-ten getroffen worden ist. Wie weit das in den weiteren Untersuchungen noch verifiziert wer-den kann, welche Schlussfolgerungen man daraus ziehen kann, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Mir scheint aber, dass vieles, was heute öffentlich als angebliches Versa-gen des Staates diskutiert wird, in anderen, weniger aufgeregten Zeiten Rechtsstaatlichkeit genannt werden würde. Dass wir das Augenmaß nicht verlieren dürfen, ist mir an dieser Stelle wichtig. Wenn wir uns die Situation in anderen Ländern dieser Welt anschauen, die noch früher als wir mit solchen schrecklichen Anschlägen konfrontiert waren und daraus dann Schlussfolgerungen gezogen haben, zeigt das immer, dass die Bewegung in die Richtung geht, Bürgerrechte einzuschrän-ken, Überwachungsmaßnahmen hochzufahren, dass damit jeweils aber nicht mehr Sicherheit verbunden ist. Deshalb plädiere ich dafür, mit Augenmaß vorzugehen. Und ich finde es gut, dass Bund und Länder gemeinsam beraten und nicht Schlussfolgerungen einfach so ad hoc treffen und Gesetze ad hoc verändern, sondern dass wir es uns leisten, sorgsam zu diskutieren, weil unsere offene Gesellschaft gerade dadurch ausgezeichnet ist, dass wir ein Rechtsstaat sind. Wir müssen darauf achten, dass wir eine offene Gesellschaft, eine rechtsstaatliche Ge-sellschaft bleiben, damit wir weiter so leben können, wie es bisher der Fall war. – Also, wenn wir etwas verändern, muss es auch tatsächlich objektiv zu mehr Sicherheit führen und nicht nur das subjektive Sicherheitsgefühl scheinbar verbessern. Ich wollte jetzt nicht zu der Diskussion mit der Fußfessel ausführen. Da wird es sich zeigen, ob auf Bundesebene eine rechtssichere Formulierung gefunden wird, sogenannte Gefährder

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mit Fußfesseln auszustatten. Nur: Wenn Sie sich die bisherigen Erfahrungen mit Fußfesseln anschauen, dann stellen Sie fest: Eine Fußfessel hat einen Anschlag in Frankreich nicht ver-hindert. Wir bemerken immer wieder, dass Fußfesseln sehr leicht auszuschalten sind, indem man einfach die Batterie entnimmt. Zu glauben, die Einführung von Fußfesseln würde zu ob-jektiver und mehr Sicherheit führen – das schätze ich nicht so ein. Deswegen würde ich da gern eine sorgfältige Diskussion führen. Worte reichen nicht aus; Taten sind sinnvoll, die tat-sächlich zu mehr Sicherheit führen. – Herr Dregger! Dass Worte nicht ausreichen – wer wüss-te das besser als die CDU? Auf die Frage offener Haftbefehle kann ich im Moment nicht antworten. Ich würde Herrn Steiof bitten, etwas dazu zu sagen. Was halte ich von dem Vorschlag, Gefährder in Abschiebehaft zu nehmen? – Einer meiner Vorschläge war, den § 62 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz zu verändern, um Abschiebungen möglich zu machen. Das ist die Passage, die sagt, Ausreisepflichtige, die unverschuldet nicht innerhalb von drei Monaten ausgewiesen werden können, dürfen nicht in Haft genommen werden. Das ist die Passage, die bei Amri dazu geführt hat, dass er in Ravensburg nach zwei Tagen wieder entlassen wurde. Ich schlage vor, dass das verändert wird. Die Diskussion gibt es auf Bundes-ebene auch, und ich hoffe, dass die Bundesregierung und der Bundestag schnell zu einer ent-sprechenden Rechtsänderung kommen. Ohne diese Rechtsänderung hilft es nichts, dass wir hier darüber reden, denn anwenden kann ich es nicht, solange das Bundesrecht so gilt, wie es ist. Zu der Frage, wie Amri sich in Berlin bewegt hat und wie er das finanziert hat, würde ich auch Herrn Steiof bitten, etwas zu sagen. Und Herr Akmann sagt noch etwas zur Fußfessel. Vorsitzender Peter Trapp: Zur Fußfessel – bitte Herr Akmann! Staatssekretär Torsten Akmann (SenInnDS): Schönen Dank, Herr Vorsitzender! – Zur Fußfessel darf ich noch ergänzen, Herr Dregger, dass das auch ein Thema auf Landesebene ist und vor allem das Gefahrenabwehrrecht der Länder betrifft. Hier wird momentan in den IMK-Gremien darüber beraten, was man da auf Ebene der Polizeigesetze tun kann, und man denkt momentan über – das gab es, ich glaube, in den Siebzigerjahren schon mal – einen Muster-entwurf für Polizeigesetze nach, der dann bundesweit gilt. So was will man momentan hier in diesem Bereich anstrengen und prüft in dem Zusammenhang auch eine gefahrenabwehrrecht-liche Fußfessel. – Das nur kurz von mir noch dazu. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Staatssekretär! – Zur Ergänzung – Herr Steiof! Christian Steiof (LKA): Vielleicht erst noch mal zu dem Hinweis, den Sie nannten: 14. Oktober Eintrag Mitteilung Marokkos, die in drei verschiedenen Häppchen kam. Dass Amri Anhänger des IS war oder zu sein meinte, ist eine Erkenntnis, die zu diesem Zeitpunkt schon seit Ende 2015 vorlag, weil er da schon im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des BKA und des LKA Berlin als Kontaktperson aufgefallen ist. Zur Frage, was er für ein Projekt ausführte – dazu gab es in keinem der drei Hinweise nähere Angaben –, ist der BND gebeten worden, sowohl zu dieser Tatsache als auch zu Hinweisen

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aus Tunesien zu Kommunikationsmitteln nähere Informationen zu holen. Dazu gab es keine Konkretisierung. Von daher ist auch der Schluss möglich und damals wahrscheinlich gewe-sen, dass die Ausreise, die er tituliert hat, nach Syrien, Irak, ins Kriegsgebiet, möglicherweise sein Projekt war. Also, es gab keine belastbaren Konkretisierungen dieses Begriffes „Projekt“. Zur Frage nach Gefährdern in Abschiebehaft ist mein Stand: keiner. Aber wir haben im zwei-stelligen Bereich Strafhaft für Gefährder, und wir haben seit den Erkenntnissen aus dem NSU auch regelmäßig bundesweit für alle Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität zweimal im Jahr Erhebungen zu offenen Haftbefehlen. Danach hatten wir in Berlin, Stand Oktober – im März und Oktober sind die jeweiligen Stichtage –, 18 offene Haftbefehle zu Islamisten, die nach unserer Erkenntnis allesamt im Kampfgebiet waren. Deswegen konnten sie nicht vollstreckt werden. Zur Frage, ob das Videomaterial komplett ausgewertet wurde: Nein! Es gibt eine ganz klare Vorgabe des Bundeskriminalamtes – Priorität 1, 2 und 3 – bei der Sichtung. Und die ret-rograde Auswertung der Fussilet-Moschee über den 12. Dezember 2016 rückwärts hinaus ist keine Priorität, sondern da wird immer punktuell, wenn Erkenntnisse des BKA darauf hindeu-ten, dass er sich dort aufgehalten hat, gebeten, sequenziell für einen bestimmten Zeitraum auszuwerten. Es gibt also keine Komplettauswertung. Mir ist nicht mal bekannt, in welcher Größenordnung das gesamte Videomaterial beim BKA vorliegt. Es soll aber im dreistelligen Terabyte-Bereich sein. Zur Frage der Fortbewegung in Berlin: Das bitte ich mir nachzusehen. Ich weiß, dass Amri den ÖPNV benutzt hat, Fahrzeuge, Mitfahrgelegenheiten, aber wann, wo und in welchem Umfang, ob er dabei Beförderungsentgelt bezahlt hat oder es aufgrund eines wie auch immer gearteten Status unter Abzug vom Taschengeld bezahlt bekommen hat, kann ich Ihnen leider nicht in dieser Detailtiefe beantworten. Vorsitzender Peter Trapp: Jetzt hat Herr Woldeit das Wort. Karsten Woldeit (AfD): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Senator! Herr Staatssekretär! Ich bin froh, dass ich aufgrund des sehr umfangreichen Fragen-katalogs des Kollegen Dregger überhaupt noch die Möglichkeit habe, ein weiteres Erkenntnis-interesse zu erfahren. Ich beginne auch mit den Vorgängen am vergangenen Wochenende, bei dem Anschlag auf fünf Polizeifahrzeuge. Ich bin übrigens sehr froh, dass wir hier fast einhellig diesen Anschlag als linksextremistischen Anschlag verurteilen und uns auch sicher sind, dass wir der Polizei den Rücken stärken müssen. Das ist, glaube ich, nicht immer alltäglich. Ich musste leider der Presse entnehmen, dass ein Polizeibeamter mit den Worten zitiert wur-de, Maßnahmen, welche zur Ergreifung der Täter geführt hätten, seien seitens der Polizeifüh-rung untersagt worden. Dazu hätte ich gerne gewusst, ob das wirklich so war. Das hielte ich für unverantwortlich. Ich kann es mir auch nicht vorstellen. Dementsprechend hätte ich gern seitens der Ermittlungsbehörden des Senats eine Einschätzung dazu. Zu den Sicherheitspaketen, die der Senator angesprochen hat: Auch hier ganz deutlich meine Freude darüber, dass verschiedene Maßnahmen, die wir übrigens auch seit Langem fordern,

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mittlerweile Einzug gehalten haben, unter anderem die Anpassung des Landesbesoldungsge-setzes an das Bundesbesoldungsgesetz. Sie war mehr als überfällig – eine Maßnahme in die richtige Richtung. Die Anschaffung von 12 000 Pistolen ist auch hochinteressant, aber ich erinnere mich, dass im vergangenen Jahr, glaube ich, ausgemusterte Pistolen aus dem Land Hamburg beschafft wurden. Dazu habe ich die Frage, was denn eigentlich mit diesen ist. Sie hatten es schon angesprochen, Herr Senator: Wenn wir 12 000 Pistolen haben, ist das gut und richtig. Die Pistolen zum Einsatz zu bringen, wäre die letzte Eskalationsstufe im Rahmen des unmittelbaren Zwanges, und das alles bringt nichts, wenn wir 11 von 73 nutzbaren Schießständen haben, um diese Fertigkeit seitens der Beamten auch trainieren zu können. Sie sprachen die Sicherheit im ÖPNV an und sagten trotz der diversen schlimmen Straftaten, die öffentlich wurden, grundsätzlich sei die Nutzung des ÖPNV sicherer geworden oder si-cher. Ich stelle mir allerdings die Frage, inwieweit wirklich alle Straftaten im ÖPNV zur An-zeige gebracht werden, und deswegen auch die Bitte, ob Sie die Einführung einer Dunkelfeld-studie, wie wir sie gefordert haben und wie sie bereits in Niedersachsen erfolgreich ist, als Grundlage grundsätzlich mit unterstützen würden. Zu dem Stand der Ermittlungen aktuelle Gefährdungslage: Herr Staatssekretär Akmann sagte, wir hätten Gefährder im oberen zweistelligen Bereich. Es ist letzte Woche bekannt geworden, dass drei Gefährder untergetaucht sind. Gibt es eventuelle Erkenntnisse, dass das in Berlin geschehen sein könnte, oder gibt es da einen allgemeinen Erkenntnisstand? Zu Amri: Man sagte, dass er definitiv nicht als V-Person geführt wurde. Uns interessiert, so-fern man darüber Angaben machen kann: War es denn seitens der Ermittlungsbehörden oder seitens der Dienste angedacht, ihn zukünftig als V-Person zu führen? Dann hätten wir gerne gewusst, ob es erweiterte Ermittlungsergebnisse im Rahmen von even-tuellen Mittäterschaften im Fall Amri gibt. Schlussendlich wurde gesagt, dass das Abschiebeprozedere im Bereich der Gefährder sehr schwierig ist, wenn 80 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Wenn 20 Prozent das nicht sind, wäre das aus unserer Sicht zumindest ein Schritt in die richtige Richtung im Rah-men der Sicherheit. Zu Ihrer Ausführung im Rahmen von Abschiebungen und Zurückführungen: Mit Stand 30. November 2016 waren 1 748 zurückgeführt worden. Zum selben Stichtag waren 15 000 rückführungspflichtig. Vielleicht ist es möglich – ich weiß, dass Sie das genaue Zahlenmate-rial nicht ad hoc bereitstellen können –, in der nächsten Innenausschusssitzung zumindest einen Ausblick zu geben, wie sich das in der Summe verhält. – Danke schön! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Auch darauf sollte man gleich antworten, wenn es möglich ist. – Herr Senator!

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Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Wir können in der nächsten Ausschusssitzung selbst-verständlich zur Verfügung stellen, wie sich die Zahl der Ausreisepflichtigen zur Zahl der tatsächlichen Rückführungen verhält. Zu allen anderen hier angesprochenen Punkten – Maßnahmen zur Ergreifung der Täter, Pisto-len etc. würde ich Herrn Akmann oder Herrn Kandt bitten, Stellung zu nehmen. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Senator! Wenn Sie die Unterlage unserem Ausschussbüro zukommen lassen würden, könnten wir sie gleich an alle Mitglieder verteilen. – Herr Akmann, bitte! Staatssekretär Torsten Akmann (SenInnDS): Ich möchte noch zwei Fragen beantworten, zum einen die nach den Gefährdern im zweistelligen Bereich. Letzte Woche hat, meine ich, BKA-Präsident Münch im Innenausschuss des Deutschen Bundestages gesagt, dass von drei Gefährdern bundesweit der Aufenthaltsort nicht bekannt sei. Ich habe mich daraufhin auch gleich gefragt, wie es denn in diesem Kontext mit Berlin aussieht, ob es auch Berlin betrifft. Ich habe daraufhin mit Herrn Steiof gesprochen, und ich denke, er kann das auch jetzt noch mal bestätigen: Berliner waren nicht dabei. Richtig? – [Christian Steiof (LKA): Korrekt!] – Dann zu der Frage, ob Amri V-Person war: Ich hatte vorhin ausgeschlossen, dass das so war. Sie hatten jetzt danach gefragt, ob es angedacht gewesen sei. Für das LKA Berlin kann ich das ausschließen. Für den Verfassungsschutz würde ich es gern jetzt ausschließen, kann es aber nicht, das wäre unseriös, weil ich nicht danach gefragt habe, aber ich gehe auch hier da-von aus, dass es nicht angedacht war. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Herr Polizeipräsident! Sie haben das Wort. Polizeipräsident Klaus Kandt: Sie haben den Angriff auf die Kollegen am Wochenende angesprochen, wobei fünf Polizeifahrzeuge beschädigt wurden. Es ist so, dass wohl eine Per-sonengruppe aus dem Grundstück der Köpenicker Straße heraus die Tat vollbracht hat, dann auch wieder dort hingegangen ist. Dort hat nach meinem Kenntnisstand von heute Morgen wohl eine Veranstaltung stattgefunden, bei der etwa 200 Personen anwesend waren. Mir ist nicht bekannt, dass Einfluss auf die operativen Maßnahmen genommen worden wäre. Bekannt ist, dass es einen Tweet gibt, der scheinbar über die „Bild“-Zeitung verbreitet wor-den ist, dass ein Kollege spekuliert habe, dass hier Maßnahmen durch die Polizeiführung un-tersagt worden seien. Das halte ich für abwegig, aber wir überprüfen das. Das wäre mir aber völlig neu. Es gibt keine Behördenlinie dazu, irgendwo nicht reinzugehen oder etwas zu un-terlassen. Das Zweite – zu den Pistolen: Ich muss ausdrücklich sagen, dass ich mich über die Beschaf-fung von den 12 000 Pistolen ausgesprochen freue. Das ist eine erste Charge, die natürlich nicht unseren Komplettbestand abdeckt; wir brauchen etwa das Doppelte, das ist klar. Aber das ist der Einstieg, der schon lange überfällig war, der nicht finanziert werden konnte. Des-wegen hatten wir ausgemusterte bzw. noch vorhandene Pistolen aus Schleswig-Holstein zu einem symbolischen Preis von 1 Euro pro Pistole gekauft, weil die P6, die wir jetzt verwen-den, nicht mehr hergestellt wird und weil es auch ein Problem mit den Ersatzteilen gab. Als wir die Pistolen gekauft haben, mussten wir noch davon ausgehen, dass wir nicht zeitgerecht

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in eine Neubeschaffung kommen. Das Thema ist jetzt geklärt. Wir werden noch dieses Jahr modernste Pistolen beschaffen, sodass die Kollegen ausgestattet sind. Das ist schon lange ein Thema der Handhabung, der Sicherheit und auch der Wehrfähigkeit, gerade bei einer größe-ren Lage. Das ist ein Sprung nach vorn, den die Kollegen auf der Straße und im Funkwagen merken werden. Zum Thema Schießstände, das hiermit korreliert: Wir bauen sukzessive die Kapazitäten aus, der Senator hat es schon angedeutet. Im Moment sieht es sehr gut aus, dass im Früh-jahr/Sommer der Schießstand Wannsee wieder nutzbar ist. Es dürften etwa 23 Bahnen sein, die dann wieder vollumfänglich genutzt werden können. Das bringt eine enorme Entlastung, und wir sind dabei, die Beschaffung auszulösen. Die BIM hat schon die entsprechenden Un-terlagen für die Beschaffung von vier modularen Raumschießanlagen mit jeweils sechs Bah-nen. Möglicherweise sind die ersten schon Ende des Jahres einsetzbar. Wenn nicht, dann aber 2018, sodass spätestens im Laufe des nächsten Jahres eine deutliche Normalisierung eintreten dürfte und wir die sonst vorgesehenen Schießtrainings wieder in vollem Umfang aufnehmen könnten. Das ist voll in der Bearbeitung, sodass sich die Pistolen sehr gut in die Zeitpläne einfügen. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Polizeipräsident! – Jetzt hat Herr Zimmer-mann das Wort. Frank Zimmermann (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Ich möchte nur zu einigen wenigen Aspekten aus unserer Sicht Stellung nehmen, weil der Senator und der Staatssekretär und auch Herr Steiof schon sehr viel zu der gesamten Thematik gesagt haben, was wir aus-drücklich unterstützen. Ich will einen Punkt aufgreifen, der das Thema Fehleinschätzung – in Anführungszeichen – betrifft. Ich weiß nicht, von wem das Stichwort in Frageform gekommen ist, ob etwa eine Fehleinschätzung der Behörden über die Gefährlichkeit des Amri vorlag. Wenn – auch vom Senator – gesagt wurde, dass man im Nachhinein betrachtet natürlich von einer Fehleinschät-zung sprechen kann, weil er viel gefährlicher war, als vorher von allen Beobachtern und allen Behörden erkannt, ist die Frage, ob die damals nicht getroffene Einschätzung vorwerfbar ist oder nicht – das ist der entscheidende Punkt – und ob es Anhaltspunkte gegeben hat, die die Behörden dazu hätten veranlassen müssen, zu einer anderen Einschätzung zu kommen, ja oder nein? Da wir jetzt von allen immer gehört haben, dass es solche Anhaltspunkte nicht gegeben habe, kann man nach jetzigem Stand eben nicht von einer vorwerfbaren Fehlein-schätzung sprechen. Das ist die entscheidende Differenzierung. – Natürlich sind alle im Nachhinein immer schlauer, wenn man die Tat selbst mit in Augenschein nimmt, aber vorher war das nicht erkennbar. Die zweite Feststellung ist, dass wir noch wenigstens drei Ermittlungsverfahren in diesem ganzen Zusammenhang haben – wie wir gehört haben, eine beim Generalbundesanwalt, zwei bei der Berliner Staatsanwaltschaft – und dass wir natürlich auch den Ausgang dieser Ermitt-lungsverfahren abwarten müssen, um ein gesamtes, vollständiges Bild aller Sachverhalte zu haben. Das werden wir bekommen, wenn es so weit ist, und dann auch weiter auswerten. Bis dahin ist jedenfalls in diesen Gegenständen, die dort noch behandelt werden, von Vorläufig-keit auszugehen.

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Dritte Bemerkung: Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, was Herr Steiof mit einem einzi-gen Stichwort angesprochen hat, nämlich den Bund-Länder-Verbund. Wir müssen sehr darauf achten, dass wir im Konzert mit den anderen Ländern und dem Bund in dieser ganzen Frage vorgehen. Das ist eine entscheidende Voraussetzung auch für das Verständnis der Leute, wie die staatlichen Behörden insgesamt reagieren, dass man nicht hier so und da anders agiert, sondern dass man möglichst abgestimmt auf beiden Ebenen und auch zwischen allen Ländern vorgeht. Deswegen ist auch die Abstimmung in der Innenministerkonferenz von zentraler Bedeutung, was die entscheidenden Fragen angeht. Nächste Bemerkung: All die Veränderungen, die im Bund diskutiert werden, sind auch dort noch nicht abschließend. Darauf hat der Senator auch hingewiesen. Es gibt einige Gesetzes- und Verfahrensänderungen, die beraten werden. Auch da sollten wir, natürlich in der Rolle, die Berlin in den Bundesorgangen hat, die Bundesdiskussion so weit abwarten, bis wir hier zu abschließenden Entscheidungen kommen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht aktiv an der Debatte teilnehmen, was wir an einzelnen Punkten auch tun. Schließlich kurz zu den Punkten von Herrn Dregger. Weil Sie neben den vielen berechtigten Fragen der Erkenntnisgewinnung auch ein paar politische Statements in die Fragen eingebaut haben, will ich – nur kurz – ergänzen: Dass wir hier keinen Stellenaufwuchs vorsähen und zu wenig täten, ist nicht der Fall, sondern ausgehend von dem, was der Senator erläutert hat, dass es darum geht, die Stellen, die vorhanden sind, erst mal durch die fertig ausgebildeten Polizis-tinnen und Polizisten zu besetzen und dadurch über die Jahre zu einem positiven Saldo zu kommen, sind wir uns, glaube ich, einig, dass das geschehen muss. – [Burkard Dregger (CDU): Sind ja besetzt! Hat er ja gerade gesagt!] – Er hat gesagt, dass Stellen frei sind, um für die fertig Ausgebildeten Stellen zur Verfügung zu haben. Die müssen ja auf Stellen kommen. Die Kernaussage ist: Wir wollen die hohe Auslastung der Ausbildungskapazitäten über die Jahre halten. Das bedeutet, dass wir zwingend zusätzliche Stellen brauchen. Wir werden bei der Polizei zusätzliche Stellen einrichten, damit wir ungefähr in einer Größenordnung wie jetzt auch weiter Polizistinnen und Polizisten ausbilden und einstellen können. – Also, ich bitte zu berücksichtigen, dass wir den Stellenaufwuchs mitdenken und auch umsetzen werden. Zur Grundlage für die Videoüberwachung hat der Senator alles gesagt. Unsere Auffassung ist, dass wir mit einer weiten Auslegung des § 24 eine vernünftige Rechtsgrundlage für eine er-weiterte Anwendung von Videoüberwachung auf bestimmten Plätzen haben. Letztes Stichwort: Abschiebung. Dazu wurde auch alles gesagt, aber noch mal aus unserer Sicht: Wegen der Komplexität ist diese Aussage, es müssten jetzt alle Gefährder mal gegrif-fen und abgeschoben werden, so nicht machbar. Dass aber vollziehbar Ausreisepflichtige, wenn die Maßnahmen zur unterstützten Rückkehr nicht greifen, am Ende abgeschoben wer-den, ist vollkommen klar. Das ist im Aufenthaltsrecht des Bundes so angelegt. Wir wenden das an, was der Bund in seinem Recht angelegt hat, dass man erst guckt, ob die Pflicht zur Ausreise durch Maßnahmen erfüllt werden kann, und wenn das nicht gelingt, wird abgescho-ben. Das nur zur Klarstellung. – Insofern ist hoffentlich alles gesagt, und wir werden es nicht weiter mit Nebelkerzen zu tun haben. – Danke! Vorsitzender Peter Trapp: Neuerdings sagt man doch „Fake“. – Bitte, jetzt hat Herr Luthe das Wort.

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Marcel Luthe (FDP): Herr Vorsitzender! Herr Senator! Meine Damen und Herren! Vielen Dank! Auch ich möchte versuchen, mich kurz zu fassen und das dann tatsächlich auch so zu halten. – Zunächst die erste Frage, bezogen auf den Komplex Amri. Sie hatten gesagt, dass er, zumindest bei den Berliner Landesbehörden, nicht als V-Mann geführt worden ist. Haben wir Erkenntnisse darüber, ob das auch für andere Landes- oder Bundesbehörden zutrifft? Der zweite Aspekt, direkt zu dem Komplex: Wir haben jetzt verstanden, dass er mehrmals, also öfter als angenommen, im Umfeld der Fussilet-Moschee gesehen wurde. Sind da konkre-tere Maßnahmen angedacht? Das dritte Thema, zur Frage der Fehleinschätzungen, retrospektiv, zu der Tatsache, dass Herr Amri Tarnidentitäten verwendet hat und dass er sich nicht wie ein typischer Muslim verhalten hat – so fasse ich das mal im Wesentlichen zusammen –, was zu der Einschätzung geführt hat, er sei möglicherweise kein islamischer Terrorist: Entspricht es nicht dem Wesen eines Terro-risten, dass er möglichst verdeckt vorgeht, sich tarnt? Und hätte nicht bereits die Verwendung dieser 14 Identitäten dazu führen müssen, dass man genauer hinschaut? Dann haben wir das Thema der von Senator Geisel angesprochenen wichtigen schnellen Um-setzung des Sicherheitspakets. Da sind wir völlig bei Ihnen. Beispielsweise bezogen auf die Schutzwesten hatte ich in den Medien davon gelesen, dass in etwa in einer Frist von bis zu 18 Monaten mit einer Anschaffung zu rechnen sei. Das Land Nordrhein-Westfalen beispiels-weise hat gerade fünf Monate nach Ausschreibung die Schutzwesten von einem Anbieter ge-liefert bekommen. Insofern wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie intensiver dahinter wä-ren, um das zeitnah umzusetzen. – [Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)] – Ich hoffe nicht. Der zweite Komplex in dem Zusammenhang ist genau die Sicherheit unserer Polizeibeamten, und die Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass es in Berlin länger dauert. – [Canan Bay-ram (GRÜNE): Jetzt nicht mehr!] – Im Moment hat sich leider noch nicht alles geändert, denn wie wir im Bericht der „Berliner Zeitung“ gelesen haben, werden Schutzwesten, jedenfalls der Klasse 2, im Notfall irgendwo zentral, ich glaube, in der Kruppstraße, ausgegeben, gegen Quittung und nach freundlichem Fragen mit dem Hinweis, sie seien – sinngemäß – schön sauber und gereinigt zurückzugeben. Das erscheint mir in Anbetracht der notwendigen schnellen Umsetzung und insgesamt der gebotenen Schnelligkeit bei solchen Maßnahmen wenig geeignet. Insofern wäre ich Ihnen für eine Stellungnahme dankbar, wie Sie zukünftig damit umgehen wollen. Dann komme ich zu dem vom Kollegen Dregger angesprochenen Fragenkomplex. Zu der Idee, Gefährder in Abschiebehaft zu nehmen, wäre ich Ihnen für eine kurze Erläuterung dankbar, ob Berlin noch über eine Abschiebehaftanstalt verfügt, und, wenn Berlin über keine Abschiebehaftanstalt mehr verfügt, unter welchem Senat sie eigentlich geschlossen wurde. Das Thema der Videoüberwachung: Ich war schon am 11. Januar überrascht, dass es hieß, dass das vorhandene Material noch immer nicht ausgewertet sei. Es ist also trotz des hohen Personaleinsatzes nach wie vor nicht ausgewertet. Insofern wäre ich Ihnen auch da für eine Bewertung dankbar, ob Sie grundsätzlich für alle Formen von Straftaten der Auffassung sind, dass Videoüberwachung zur Aufklärung geboten erscheint, denn offensichtlich ist unser Per-sonal auch bei so einer gravierenden Tat nicht ausreichend, um das Material auszuwerten.

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Und der letzte Aspekt, bezogen auf den gerade diskutierten, noch imaginären § 112 StGB: Sie haben sinngemäß gesagt, wir brauchen– was auch unser Diktum ist – keine neuen Gesetze, sondern müssen zuerst einmal die vorhandenen umsetzen. Insofern hat mich Ihre Einschät-zung zum § 112 StGB etwas überrascht. Vor diesem Hintergrund ist mir unklar – aber viel-leicht können Sie Ihre Position dazu erläutern –, was das geschützte Rechtsgut eines § 112 StGB sein soll, denn wir haben § 113 StGB, der die Vollstreckung an sich schützt, wir haben § 223 StGB, der die Gesundheit eines jeden Menschen schützt, und wir haben den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz. Insofern ist mir nicht klar, warum bestimmte Berufs-gruppen in ihrer Gesundheit besonders geschützt werden sollen bzw. wer die Gefährdung die-ser Gesundheit besonders sanktionieren soll. – Vielen Dank! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Herr Senator! Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Ich beginne mal, und wir werden das dann Stück für Stück zusammenführen. – Zunächst zu der Frage, ob wir ausschließen können, dass Amri V-Mann anderer Bundes- und Landesbehörden war. Wir können nicht für andere Bundes- und Landesbehörden sprechen. Insofern kann ich so was als Berliner Innensenator nicht aus-schließen. Ich habe aber keinerlei Anhaltspunkte, dass das so war. Zu der Frage der Schutzwesten: Ich hatte vorhin erläutert, dass wir zu den 45 Millionen Euro aus der Einschätzung gekommen sind, welche Anschaffungen noch 2017 realisiert werden können. Das war der Maßstab. Das Sicherheitspaket ist in wenigen Tagen zusammengestellt worden, aber schon unter der Frage: Was passiert eigentlich, wenn wir im April den Nach-tragshaushalt im Abgeordnetenhaus beschließen sollten und dann die Ausschreibungen ausge-löst werden? Mit welchen Lieferfristen können wir das noch realisieren? Diese 18 Monate habe ich auch mit Interesse in der Zeitung gelesen, aber man soll nicht immer alles glauben, was in der Zeitung steht. Von uns kommt diese Zeitannahme nicht. Wir gehen davon aus, dass wir 2017 realisieren können. Es kommt auf die Lieferzeiten der Industrie an, was sie dann tatsächlich gewährleisten können, aber unser Ziel ist: So schnell wie möglich. Ich kann jetzt nicht sagen, ob das Frühjahr 2018 erreicht wird, aber wir gehen in unserer Planung eher von den fünf Monaten aus, die Sie erwähnt haben, als von den anderen Zahlen, können das aber – da wir nicht die Lieferanten sind – im Einzelfall nicht immer selber bestimmen. Aber das war mit Sicherheit nicht unsere Absicht. Zu der Abschiebehaftanstalt: Sie ist in Berlin, ich glaube, im Jahr 2015 wegen Nichtauslas-tung der Kapazitäten abgeschafft worden. Es besteht gegenwärtig ein Vertrag mit dem Land Brandenburg zu einer Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt. Da sind zehn Plätze für Berliner Fälle reserviert. Das ist die gegenwärtige Situation. Zur Videoüberwachung ganz ausdrücklich: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass Videoüber-wachung ein Allheilmittel ist. Videoüberwachung kann vor allem bei Großveranstaltungen durch direkte Videoüberwachung unterstützen. Das heißt, dass die Kamera unmittelbar mit einem Bildschirm verbunden ist, hinter dem ein Kollege oder eine Kollegin der Polizei sitzt, um unmittelbar Sicherheitskräfte dirigieren zu können. Das ist sinnvoll. Im Nachgang ist sie hilfreich, um Straftaten aufzuklären und Täter festzunehmen. Dafür gibt es Beispiele. Dass wir mit unglaublichen Datenmengen umgehen müssen, ist allerdings auch wahr. Gerade deshalb sind der Schwerpunkt, um mehr Sicherheit im öffentlichen Raum herzustellen, die

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herkömmlichen Polizeimethoden, die herkömmlichen Methoden der Fahndung und entspre-chende Polizeipräsenz im öffentlichen Raum. Videoüberwachung kann höchstens unterstüt-zend wirken. – Das sind die Punkte, die ich beantworten kann. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Senator! – Dann hat der Herr Staatssekretär das Wort. Staatssekretär Torsten Akmann (SenInnDS): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Vielleicht darf ich zunächst noch mal den Herrn Senator bei dem Thema „Abschiebehaft geschlossen“ ergänzen. Letztendlich wurde das Abschiebungsgewahrsam Berlin geschlossen, weil wir dort immer höhere Betriebskosten hatten und eine geringere Belegung, sodass es dann zu dieser Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Brandenburg kam. Die zehn Haftplätze hat der Herr Senator schon erwähnt. Sie hatten nach dem Zeitpunkt gefragt. Seit dem 17. Oktober 2016 stehen dem Land Berlin diese zehn Haftplätze zur Verfügung. Dann hatten Sie gefragt: Vertrauensperson Amri bei anderen Bundes- oder Landesbehörden? – Ehrlich gesagt, ist das ein ganz sensibles Thema, wer welche Quellen führt. Eigentlich möchte ich mich, auch mit Blick auf meine früheren Kollegen, davor hüten, hierzu etwas zu sagen. Da müssten Sie sich gegebenenfalls an die anderen Bundes- und Landesbehörden wenden. Dann hatten Sie nach dem Videomaterial gefragt und danach, welche Maßnahmen sich daran anschließen, infolgedessen, dass dieses Videomaterial jetzt gesichtet worden ist. – Letztend-lich können wir damit – Herr Steiof kann das vielleicht noch ergänzen – ein Bewegungsprofil des Amri feststellen, und, das war auch unser Ansatzpunkt, aufzuklären, wie er sich eventuell in Berlin bewegt hat. Dazu haben wir vorhin einige Daten genannt. Ob sich daraus eventuell andere Ermittlungsansätze ergeben, das müsste Herr Steiof vielleicht noch sagen können. – Danke! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Staatssekretär! – Herr Steiof, bitte! Christian Steiof (LKA): Dann fange mit dem Punkt an. Ganz klar: Der Schwerpunkt und die Auftragslage des Bundeskriminalamtes ist nicht, sämtliches Videomaterial der Fussilet-Moschee auszuwerten. Es liegt also nicht an der Kapazität, sondern an der Prioritätensetzung der verfahrensführenden Generalbundesanwaltschaft und des BKA, welche Videodaten aus-gewertet werden sollen, und zwar mit welcher Zielrichtung. Unabhängig davon ist es natürlich so, dass solche Riesenvideodatenmengen durch viel Perso-nal gesichtet werden müssen, mit der Frage: Wie sicher ist es, wenn jemand sagt: „Habe ich nicht gesehen“, „Habe ich gesehen“? Das ist völlig klar. – Die banale Frage: Gibt es techni-sche Unterstützung? – ist letztendlich nicht ganz so banal, wenn man einmal in die Details geht. Es gibt bundesweit eine Menge Versuche, biometrische Verfahren zur Unterstützung von Videoauswertungen auszutesten. Das ist bisher noch nicht so richtig von Erfolg gekrönt. Das Bundeskriminalamt macht es derzeit sehr intensiv, weil überall, in allen Verfahren des Bundes und der Länder, egal, welches Kriminalitätsphänomen sie bearbeiten, das Thema Vi-deoüberwachung, -auswertung, Datenauswertung ein eminent wichtiges ist. – Also, unabhän-gig von der konkreten Videoüberwachung unterliegt es nicht unserer Hoheit zu sagen: Guckt euch das oder das oder dieses zuerst an. Es ist grundsätzlich so, dass man immer ganz viel

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Personal braucht, das man nicht immer hat. In diesem Fall wenden wir so viel Personal auf, sowohl das Bundes- als auch das Landeskriminalamt, wie in keinem mir bekannten Fall vor-her. Die Frage der Tarnidentitäten und des Drogenkonsums als Tarnung für Terroristen: Banal wie richtig könnte man sagen: Die bisherigen Kriterienkataloge aller Sicherheitsbehörden in Deutschland und des benachbarten Auslandes gehen davon aus, dass das beim islamistischen Terrorismuspotenzial eben gerade nicht der Fall ist, sondern die stehen zu dieser Einstellung, und die Einhaltung der Gebote des Islams in seiner radikalen Auslegung sind für die absolut wichtig. Insofern ist das natürlich auch eine der Folgen, die diskutiert werden muss. Bundes-, aber auch europaweit brechen bestimmte Kriterien, die wir bisher angelegt haben, möglicher-weise weg. Oder ist das hier ein Einzelfall? Oder ist das eine Tendenz? Das sind Dinge, die in der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen werden. Darüber hinaus ist nicht nur die Frage: Ist jemand rauschgiftabhängig und geht dann nicht in die Moschee? – eine entscheidende für die Bewertung, sondern die Fragen: Wird überhaupt über solche Dinge gesprochen? Sind anhand seines Verhaltens bei Observationen Dinge fest-zustellen, die extrem konspirativ sind, die mit irgendwelchen fiktiven Namen oder Daten ar-beiten, woraus man erkennen kann, dass da jemand sein eigentliches Tun tarnt? All diese An-haltspunkte lagen eben auch nicht vor. – Das muss man von zwei Seiten betrachten. Die dritte Sache, die Sie gefragt haben: Ermittlungsverfahren führt die Berliner Polizei nicht gegen Objekte, also auch nicht gegen die Fussilet-Moschee. Aber natürlich ist sie als Kulmi-nationspunkt für bestimmte radikal-islamistische Personen für uns interessant und wird wei-terhin interessant bleiben bis zu dem Punkt, an dem man sie möglicherweise verbieten kann. Insofern sind solche Einsätze wie am letzten Freitag natürlich nicht gegen die Moschee ge-richtet, sondern gegen Personen, die sich dort aufhalten. Vorsitzender Peter Trapp: Vielen Dank, Herr Steiof! – Dann hat jetzt Herr Lux das Wort. Benedikt Lux (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Zunächst einmal finde ich es gut, Herr Innensenator, dass Sie hier zu Beginn Ihres Vor-trages einen Arbeitsplan geschildert haben, aus dem deutlich wurde, dass diese Koalition sich zum Ziel gesetzt hat, erst mal die Hausarbeiten für die innere Sicherheit im Land Berlin zu erledigen. Da ist der Digitalfunk ganz weit vorne. Da sind die funktionstüchtigen Schießstän-de ganz weit vorne. All das ist liegengeblieben. Bezüglich der Schießstände – das ist vielleicht eine Detailfrage, aber sie interessiert mich seit Jahren – wollte ich fragen: Gibt es Gesprächskontakte zu den damaligen Schießtrainern, die auf diese desolate und gesundheitsgefährdende Situation an den Schießständen aufmerksam gemacht haben und die seitens der Behörde, so mein Fazit, nicht gleich als besonders gute Leute, die auf Probleme aufmerksam machen, behandelt worden sind, sondern eher als Que-rulanten und mit: „Habt euch mal nicht so!“? Dann hat sich die Situation an den Schießstän-den verschlimmert. Es ist einfach noch ein Anliegen meiner Fraktion offen, dass man mit den Personen, die damals auf die Probleme aufmerksam gemacht haben, noch einmal gut ins Ge-spräch kommt.

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Ich möchte den Rahmen noch erweitern. Alle Fraktionen hier im Haus fordern, die Besoldung anzupassen. Hier haben Sie auch unsere Unterstützung, das schnell zu machen, aber wir ha-ben noch einen Riesenabstand, der uns hinterlassen worden ist. Hier muss man gucken, dass das schrittweise, verantwortungsbewusst und mit Blick auf den Gesamthaushalt stattfindet. Das betrifft leider auch die innere Sicherheit, und da kann man nicht auf einmal so viele Mil-liarden ausstreichen, wie es in manchen Konzeptpapieren vorliegt. Genauso die Frage nach einem Sanierungsplan für die Wachen: Auch das ist ein Punkt, der uns die nächsten Jahre begleiten wird. Aber man hat schon an vielen Punkten gemerkt, Herr Senator, dass Ihre Kompetenz im Bereich Bau und Stadtplanung hier weiterhilft. Deswegen darf ich den Punkt Sanierung der Abschnitte und Wachen hier noch kursorisch nennen. Bezüglich der Schutzwesten würde mich auch interessieren, was Herr Kollege Luthe gefragt hat. Mich würde auch interessieren, ob die Anschaffung der MP7 geplant ist oder ob man bei Maschinenpistolen nicht vielleicht doch aus den Erkenntnissen anderer Bundesländer lernt und hier noch einmal offener prüft. Dann ein Punkt, auch am Rande, weil es nicht immer nur Kritik geben soll: Mir liegen Be-richte vor, dass die neu beschafften Holster – Frank Zimmermann erinnert sich an die Koaliti-onsverhandlungen –, aber auch die neu beschafften Regenhosen für die Bereitschaftspolizei-einheiten auf Gefallen stoßen und wir es hier vielleicht schaffen, den einen oder anderen Punkt in Zukunft auch noch mehr auszuwetzen. Aber man ist in Berlin nicht davor gewapp-net, was einem hier noch begegnen kann. Frank Zimmermann hat zu Recht gesagt, dass wir beim Personal den hohen Anschlag fahren, auch weil wir nicht solche falschen Versprechen wie Sie von der CDU-Fraktion machen woll-ten, die Sie für die letzten fünf Jahre verantwortlich waren. Ich bitte einfach noch einmal um Redlichkeit. Wenn Sie den Koalitionsvertrag zitieren, dann zitieren Sie ihn vollständig. Auf Seite 195 steht explizit die Zahl, dass wir 600 zusätzliche Stellen für möglich halten. Das ist ein realistisches Versprechen, ohne die Ausbildung erst massiv hochfahren zu müssen. Lesen Sie doch bitte einmal nach, weil auch Herr Kollege Lenz, der heute nicht da ist – schönen Gruß! –, das das letzte Mal so exzessiv betrieben hat. Ich fände es toll, Herr Dregger, wenn Sie ansonsten bei Ihrer Linie blieben und seriös aus der Opposition heraus Ihre Vorstellungen darlegten. Zu dem Fall Amri und islamistischen Gefährdern: Herr Steiof! Könnten Sie sagen, ohne in Ermittlungsgeheimnisse einzugreifen, was denn ungefähr die Prioritäten des BKA in der Be-handlung des offenen Verfahrens sind, damit wir einen Eindruck bekommen, was uns in den nächsten Wochen und Monaten noch erwarten könnte. Das war heute nur ein Zwischenfazit – das wir natürlich nach heutigem Wissensstand machen müssen. Das ist leidlich. Es hat immer den Anschein der Besserwisserei, aber trotzdem muss man rückwirkend gucken, was möglich gewesen wäre, wenn man alle vorliegenden Tatsachen korrekt ausgewertet, mutigere Ent-scheidungen getroffen hätte und vielleicht früher achtsam gewesen wäre. Da teile ich aus-drücklich die Einschätzung der FDP-Fraktion. Ich habe Sie teils anders verstanden, Herr Se-nator, aber auch da: Streit beiseite. Amri hatte sich laut Erkenntnissen der Sicherheitsbehör-den nach Waffen und noch mehr umgeschaut: Er verhielt sich – rückwirkend betrachtet – durchaus konspirativ. Er hatte zig Handynummern, mehrere Identitäten usw., und die Beispie-le des „Homegrown Terrorism“ aus anderen Ländern, auch international, zeigen doch, dass

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der Zusammenhang zwischen allgemeiner Kriminalität, Drogenkriminalität, dann mal ein Sinneswandel und dann wieder ein anderer Lebenswandel etc. nicht so schematisch vorherbe-stimmbar ist, dass man sagen kann: Wenn er jetzt den Ramadan nicht mehr achtet und mehr Drogen am Görli nimmt, dann wird er schon kein Terrorist mehr. – Weit gefehlt! Bei dem Nizza-Attentäter war das so, und auch bei anderen Beispielen sieht man doch die Verwick-lung. – Früher haben die Leute gesagt: Der nimmt Drogen, der wird Terrorist. Heute sagen sie: Er nimmt Drogen, ist kein Terrorist mehr. – Das geht mir auf eine gewisse Weise zu weit. Deswegen hier die Nachfrage – Herr Steiof, Sie haben es angedeutet –: War das ein K.o.-Kriterium, dass jemand den Ramadan nicht achtet, dass jemand Drogen nimmt, sich ein hal-bes Jahr lang nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden davon fern hält, um ihn dann als Gefährder mehr oder weniger herauszunehmen? Oder ist das nur ein Anschein in der Progno-se gewesen? Das würde mich vordringlich interessieren, weil ich glaube, dass wir nicht in Verdacht geraten dürfen, wegzuschauen. In dem Zusammenhang würde mich auch interessieren, ob Sie die Gefährder, die sich in Ber-lin aufhalten bzw. für die Berlin zuständig ist, auch noch mal durchgehen und gucken: Bei wem könnte es ähnliche Verläufe geben, dass vielleicht bereits zu einem sehr frühen Zeit-punkt ein möglicher Tatentschluss gefasst wird, sei es, auszureisen oder hier einen Anschlag zu planen. Gibt es da weitere Nacharbeiten, um sich die bereits bekannten Gefährder – viel-leicht sind auch welche abgestuft worden – noch einmal im Sinne der aktuellen Erkenntnisse anzuschauen? Ich will noch einmal auf die Liste vom Bundesministerium der Justiz und auch des Innern hinweisen, die ich ganz gut finde, dass dort die Bundesbehörden schnell Aufklärung bereit-stellen. Das ist früher anders gelaufen. Da gibt es den Eintrag von Oktober in Zusammenhang mit der Einschätzung, dass Amri als Foreign Fighter ins INPOL-System aufgenommen wor-den ist. – [Christian Steiof (LKA): 13.10.!] – 13.10., genau! Hieraus hat sich für das LKA Berlin keine neue Erkenntnis ergeben. Wurde nachgefragt, wer diesen Eintrag veranlasst hat? Auf welchen Fakten beruhte er? – Ich will mal den Eintrag vom 14. Oktober zitieren: Der Amri führe ein Projekt aus. – Keine weitere Information. – Wolle über die Details aber nicht sprechen. Er bezeichne sein Gastland Deutschland als Land des Unglaubens, das Erpressung gegen die Brüder führe. – Klar, das ist jetzt sehr im Nachhinein, aber so eine Auskunft liest sich doch eher wie von jemandem, der Rachegelüste gegen das Land, in dem er sich aufhält, hegt, als von jemandem, der sagt: Deswegen muss ich in den Dschihad ausreisen, um dort meine Brüder zu verteidigen. – Hier spricht die Meldung, ich kann mich da nur auf das Mit-telbare, hier Veröffentlichte beziehen: Das Land des Unglaubens, das Erpressung gegen die Brüder führe. Das legt doch eher nahe, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Pläne des Amri viel-leicht auf Deutschland konkretisiert hätten. Das ist in meinen Augen noch weiter aufzuklären, auch teilweise über unsere Justiz, insbe-sondere, wie engmaschig die Überwachung des Amri war, als er hier war. Da hört man unter-schiedliche Aussagen. Man darf sich da auch nicht verrückt machen lassen. Ich finde, das haben Sie gut vorgetragen, Herr Innensenator, denn in NRW tobt der Wahlkampf. Da ist die CDU ganz anders als hier. Sie hat ein Oppositionsinteresse und will den NRW-Innenminister Jäger zum Gejagten machen. Hier wissen Sie selbst um Ihre Verantwortung. Wir können auch sagen, wie der Innensenator es gesagt hat: Es handelt sich hier um eine Gesamtverantwortung aller beteiligten Sicherheitsbehörden, das Bestmögliche zu tun, um solche terroristischen An-schläge in Zukunft zu vermeiden. Dazu gehört zentral, die Informationen auszutauschen und

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dann die richtigen Schlüsse zu ziehen. Das scheint mir doch an ein paar Stellen in Berlin auch nicht optimal gelaufen zu sein. Vor allen Dingen die Frage, um die wir uns häufiger drehen: Wie können wir es in Zukunft bewerkstelligen, dass bei interessanten Moscheen, die im Zusammenhang mit anderen Ver-fahren oder anderen Anlässen beobachtet werden, die Ermittler die vollständige Kenntnislage zu möglichen Gefährdern haben, die sich in Berlin aufhalten? Ich will mal in die Zukunft fra-gen: Wenn Sie noch weitere Moscheen – es soll noch weitere islamistische geben – im Blick haben – ist denn da den Auswerteeinheiten bekannt, wer, von mir aus, alle islamistischen Ge-fährder in Deutschland sind? Werden diese Bilder auch daraufhin abgeprüft? Der Zufallsfund und der Beifang ist nichts Rechtstaatswidriges. Der ist bei jeder Razzia legal. Wenn Sie bei Leuten, die Sie wegen Waffenvergehen hochnehmen, irgendwelche Drogen finden, dann wer-den diese natürlich auch wegen des Drogenfundes angeklagt, und da spielt der Erkenntnis- und Wissensstand eine Rolle. Und dazu gehört, dass Observateure, die vor islamistischen Mo-scheen liegen und sie auswerten, wissen sollten, wer islamistische Gefährder sind, und man nicht einfach nur sagen kann: Nein, auf diesem Auge wollen wir, nur weil es ein anderer An-lass ist, blind sein. Da gibt unser Rechtstaat durchaus die Möglichkeit her, sich schlau zu ma-chen, aber das scheint nicht gelaufen zu sein, auch im Zusammenhang mit dem GTAZ, das eine Sitzung in NRW im November beantragt hat und in meinen Augen ein zentrales Problem war kurze Zeit vor Verwirklichung des Anschlags. Dann nur eine Nebenbemerkung: 18 offene Haftbefehle gegen Islamisten im Oktober ist nach meinem Gefühl relativ wenig, wenn man vergleicht, wie viele offene Haftbefehle wir im Be-reich Rechtsextreme und Nazistraftäter haben. Das ist eine korrekte Zahl, aber man wünscht sich natürlich auch mehr vollstreckte Haftbefehle. Dann die Frage: Gibt es Erkenntnisse zu – hier wurde schon nach Tatbeteiligten gefragt – einer Zelle, zu einem Umfeld und insbesondere zu den Beziehungen des festgenommenen Bilal zu Amri aus dem Verfahren, das wir vor einem Jahr hatten? Sind dort weitere Erkennt-nisse aufgetaucht? Schlussendlich: Die vielen Vorschläge, die auch bundesweit im Raum stehen, kann man in Ruhe diskutieren. Ich finde es gut, dass wir in Berlin da herangehen. Ich finde aber, dass wir zwei Dinge festhalten können: Das Verbotsverfahren gegen die Moschee Fussilet 33 ist aus meiner Sicht überfällig. Das haben Sie auch angedeutet, Herr Staatssekretär, dass dort erst die Stellen nachbesetzt werden mussten, die im letzten Jahr offen geblieben sind, und dass nach der Meinung fast aller, die da näher dran waren als ich, sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Voraussetzungen übererfüllt sind. Ich finde es schwer erträglich, dass so eine Moschee noch weiter offen ist. Der nächste Punkt: die Verstärkung unserer mobilen Einsatzkräfte. – Das haben wir Grüne im letzten Wahlkampf auch schon stärker gefordert. Gibt es Möglichkeiten, dass wir dort zu ei-nem schnelleren Verfahren kommen, bzw. könnten wir – auch für die Zukunft – noch mal gemeinsam schauen, dass an dieser Stelle die mobilen Einsatzkräfte und ihre Verfügbarkeit besser aufgestellt sind, als nur ganz wenige Gefährder rund um die Uhr bewachen zu können? Das ist eine Schlussfolgerung, die zum jetzigen Zeitpunkt mehr als zulässig ist, dass wir dort so dünn aufgestellt sind, dass es bei zunehmenden Gefahren und Ereignissen eine Verstär-kung geben muss. – Vielen Dank!

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Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Lux! – Dann die Beantwortung, Herr Sena-tor! Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Zunächst zu der Frage, ob wir alle bisherigen Gefähr-der noch mal intensiv durchgehen. – Ja, selbstverständlich! Es ist unmittelbar nach dem 19. Dezember 2016 veranlasst worden zu schauen: Wo befinden sich die Gefährder, die wir in Berlin haben? Stehen sie in irgendwelchen Zusammenhängen? Gibt es da besondere Bewe-gungen? Wie sind sie überhaupt zu bewerten? – Mit dem Wissen von heute den Kolleginnen und Kollegen eine falsche Bewertung vorwerfen zu wollen, ist einfach. Ich will den Untersu-chungsergebnissen nicht vorgreifen, aber wenn Sie sich gerade den Fall Amri anschauen, dann ist er schon aus Tunesien geflüchtet, nachdem er dort eine Straftat, Gewalttat, begangen hat. Er ist nach Italien gekommen, hat in Italien weitere Straftaten begangen und dort dafür in Haft gesessen. Es kann auch sein, dass es sich um Personen handelt, die einfach kriminell sind und dann die Religion heranziehen, um ihre Gewalttaten zu veredeln. Es muss also gar nicht so sehr einen religiösen Hintergrund haben. Das in Checklisten zu erfassen und genau vorher-zusagen, ist schwierig. Weil wir uns in der Diskussion alle auf das konzentrieren, was hier schiefgelaufen ist, würde ich an der Stelle gerne noch mal sagen, dass in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Anschlägen in Deutschland und auch in anderen Ländern – wegen der sorgfältigen Arbeit der Sicherheitsbehörden und weil viele richtige Schlussfolgerungen und Vorhersagen getroffen worden sind – verhindert werden konnte. Dass erst am 19. Dezember 2016 ein Anschlag in Berlin stattgefunden hat, hat etwas damit zu tun, dass zahlreiche andere Anschlagsversuche und Pläne vorher vereitelt werden konnten. Was die Schießstände betrifft: Dort sind die Befürchtungen der Kolleginnen und Kollegen bekannt, dass es zu gesundheitlichen Gefährdungen kommt. Solche Fragen und subjektiven Befürchtungen sind natürlich immer schwierig. Damit müssen wir umgehen. Um das zu ob-jektivieren, gibt es eine Zusammenarbeit mit der Charité, um einen medizinischen Zusam-menhang herstellen und bewerten zu können, ob tatsächlich aus dem Schießtraining eine un-mittelbare gesundheitliche Gefährdung resultiert, die dann zu den Erkrankungen geführt hat. Ob diese Schlussfolgerung zu halten ist oder nicht, versuchen wir mit der Charité zu untersu-chen. Bisher haben wir dafür noch keine Anhaltspunkte. Das ist eine ganz schwierige Situati-on, weil betroffene Kollegen das natürlich unmittelbar und ganz anders empfinden und nach Erklärungen suchen. Deswegen versuchen wir, diese Debatte möglichst zu objektivieren. Was den Sanierungsplan für die Abschnitte und Wachen anbelangt, muss ich etwas Wasser in den Wein schütten. Wir haben uns dazu bekannt, dass wir die Besoldung der Polizistinnen und Polizisten innerhalb dieses Fünfjahreszeitraumes schrittweise bis zum Ende der Legisla-turperiode dem bundesdeutschen Durchschnitt anpassen. Wir bekennen uns dazu, dass wir die Ausrüstung der Polizistinnen und Polizisten und der Feuerwehr deutlich verbessern. Wir be-kennen uns zu allen materiell notwendigen Schritten. Wenn wir jetzt analysieren, wie hoch eigentlich der Sanierungsrückstau bei Polizei und Feuerwehr ist, dann kommen wir bei der Polizei auf etwa 1 Milliarde Euro Sanierungsstau und bei der Feuerwehr auf 170 Millionen Euro Rückstau. Da wir gleichzeitig einen Schwerpunkt bei der Schulsanierung angesetzt ha-ben und sagen: Innerhalb der nächsten zehn Jahre sanieren wir die Berliner Schulen für 5 Milliarden Euro, muss man realistischerweise sagen, dass wir für die bauliche Unterhaltung

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der Polizei und Feuerwehr 50 Millionen Euro angesetzt haben. Mit 50 Millionen Euro kom-men wir bei einem Sanierungsrückstau von etwas unter 1,2 Milliarden Euro nicht sehr weit. Deswegen ist es dann schon ehrlich, zu sagen: Innerhalb von fünf Jahren kann man dringend notwendige Dinge bewegen. – Das tun wir, aber es gehört auch zur Ehrlichkeit, den Kollegin-nen und Kollegen zu sagen: Zunächst kümmern wir uns um die Schulen eurer Kinder, und die Sanierung der Abschnitte und Wachen wird dann folgen. Das ist aber kein Projekt von fünf Jahren, sondern das ist ein vernachlässigter Rückstau von 30 Jahren und länger. Wir werden kontinuierlich an dem Thema dranbleiben und das abbauen müssen. Wir machen uns gegenwärtig darüber Gedanken, wie wir die 50 Millionen Euro so einsetzen, dass möglichst viele Kolleginnen und Kollegen der Polizei und der Feuerwehr etwas davon haben, also nicht viel Geld für wenige Maßnahmen, sondern viel Geld für eine mögliche Vielzahl von Maßnahmen, aber dazu haben wir noch keinen Sanierungsplan ausgearbeitet. Bloß: Man muss vorsichtig sein, dass wir an der Stelle nicht zu viel versprechen. Im Moment sind das alles nur Worte, denen Taten folgen müssen. Deswegen versuche ich nur das zu sa-gen, was wir dann tatsächlich auch untersetzen können, und das ist beim Sanierungsplan noch nicht in dem Umfang der Fall, wie wir uns das alle miteinander wünschen und wie es die Kol-legen dann auch verdienen würden. Vorsitzender Peter Trapp: Da ist man sowieso noch mit der Abstimmung mit der BIM dran. – Zu den anderen Punkten – der Herr Polizeipräsident! Bitte! Polizeipräsident Klaus Kandt: Ich will noch mal kurz zu den Schießstätten ergänzen: Ich habe erst vor ein paar Tagen mit einem Kollegen gesprochen, der damals bei mir war, als das Thema Antimon hochgekocht ist. – Zum Stand der Dinge: Wir haben den Vertrag mit der Charité. Die Ethikkommission hat erst vor Kurzem der Untersuchung zugestimmt. Meines Wissens sollte diese Untersuchung im Februar mit drei Vergleichsgruppen starten. Das Er-gebnis wird erst im Jahr 2018 erwartet. Gegenwärtig habe ich keine Erkenntnisse, wo man wirklich einen kausalen Zusammenhang zwischen einzelnen Erkrankungen und dem Schießen herstellen kann. Näheres wird vielleicht die Untersuchung bringen. Belastbares habe ich bisher nicht. Wir haben im Vorfeld Vorsor-geuntersuchungen angeboten und rund 1 500 Kolleginnen und Kollegen angeschrieben, die besonders belastet worden sind. Es gibt dazu keine Meldepflicht. Ich habe nur einen Rücklauf über die eingegangenen Rechnungen, dass Vorsorgeuntersuchungen auch durchgeführt wur-den. Da liegen wir bei einer Kopfzahl von gut 200 Kolleginnen und Kollegen, die von dem Angebot tatsächlich Gebrauch gemacht haben. Das ist mein Stand dazu.

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Dann hatten Sie nach den Schutzwesten gefragt. Dazu gibt es zum einen den Artikel in der „BZ“. Der beruft sich auf eine interne Anweisung der Bereitschaftspolizei. Und zwar ist es so, dass die Bereitschaftspolizei als Mannausstattung Schutzwesten der Schutzklasse 1 hat, und darüber hinaus gibt es eine Poolausstattung von 20 Schutzwesten der Schutzklasse 2. Es be-steht die Regelung, weil es eben eine Poolausstattung ist, dass die Ausrüstung übergeben werden muss. Sie wird in der Lehrter Straße gelagert, und der Einsatzzug, der die Landesein-satzreserve bildet – Sie wissen vielleicht, dass wir möglichst rund um die Uhr eine Einheit haben, die für besondere Vorkommnisse einsatzbereit ist, die dann auch unmittelbar alarmiert werden kann –, hat im Grunde Zugriff auf die Westen. Und die Westen müssen dann überge-ben werden, das heißt, vor Dienstantritt müssen sie übernommen werden, und dann werden sie hinterher wieder abgegeben. – Das ist da sicherlich nicht richtig berichtet worden. Sie haben dann noch mal zu der Beschaffung der Schutzwesten nachgefragt. Bei den Schutz-westen oder überhaupt bei der Beschaffung ist eine ganz schöne Dynamik drin – auch die Betrachtung, welche Ausrüstungsgegenstände gegenwärtig beschafft werden sollten. Es gab mal eine Ursprungsvariante von der Bundeswehr, die schweren Schutzwesten der Klasse 4 anzuschaffen, aber davon sind wir schon wieder runter. Wir wollen in ein modulares System gehen, das heißt, eine Grundausstattung der Schutzklasse 1, die jeder Kollege und jede Kolle-gin haben sollte, die dann noch mal in besonderen Lagen verstärkt werden kann. Ich denke, dass das auch sinnvoller ist und auch vermeidet, dass teure Ausrüstung in der Regel im Grun-de nur irgendwo in der Ecke liegt und nicht eingesetzt wird. In dem letzten Terrorpaket, das der Senator auch vorgestellt hat, ist neben den Pistolen auch das Thema Maschinenpistole enthalten. Es ist so, dass wir für die Pistolen schon ein fertiges Konzept in der Schublade, in der Bearbeitung hatten, weil das eine der nächsten Positionen in der Beschaffung gewesen wäre. Das ist nun vorgezogen worden, und da sind wir handlungs-fähig. Und anschließend hätten wir uns dem Thema Maschinenpistole gewidmet. – Es ist so, dass hier auch Bewegung drin ist. Wir haben dazu kein fertiges Konzept, weil die Beschaf-fung eben deutlich beschleunigt worden ist. Im Vorfeld waren wir nicht darauf vorbereitet, dass es so schnell geht. Wir haben zuerst auf die MP7 reflektiert, haben aber schon wahrge-nommen, dass es da auch Fragen gibt. Also: Das Thema des Modells ist nicht zu Ende. Und das werden wir natürlich noch berücksichtigen. Die Zahl, die jetzt in der Beschaffung drin steht, ist erst mal ein Platzhalter für die Waffengattung. Was dann genau beschafft wird, das müssen meine Spezialisten noch mal erarbeiten. Dann haben Sie noch mal die Verstärkung des MEK zur Observation angesprochen. Ich will hier noch mal etwas Grundsätzliches sagen, weil doch gerne alle möglichen Anforderungen an die Polizei gestellt werden, was wir alles leisten können sollten, und manchmal sind die Vorstellungen etwas uferlos. Ich glaube, wir sind uns einig, und das wurde auch immer wie-der berichtet, dass wir in der bundesdeutschen Polizei niemals das Personal haben werden und haben können, um wirklich lückenlos alle Gefährder zu überwachen, sondern hier geht es darum, eine vertretbare oder machbare Optimierung zu erreichen. Wir haben auch schon Ei-niges in den Abläufen geändert, um die Optimierung zu verbessern, und es ist auch schon leihweise Personal quasi rübergeschoben worden, weil natürlich klar ist, wenn politisch ent-schieden wird, dass wir mehr Menschen kriegen, dass es bis zu vier Jahren dauert, bis sie tat-sächlich da sind. Also haben wir im Vorgriff auf die noch Auszubildenden da schon Einiges getan. Aber ich glaube, es ist klar, dass es eine lückenlose Sicherheit hier auch dann nicht geben wird, wenn das verstärkt wird.

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Ich will auch noch mal etwas zum Thema Staatsschutz sagen. Ich war erst letzten Freitag oben und habe mit den Kollegen gesprochen, wie es denn da aussieht. Es ist so, dass wir schon im LKA deutlich verstärkt haben, und die Kolleginnen und Kollegen laufen trotzdem am Limit. Das muss man einfach mal ganz klar sagen, was denn überhaupt machbar und leistbar ist. Wir hatten im letzten Jahr mehrere große Ermittlungskomplexe, und dann kam am 19. Dezember noch mal der Anschlag dazu, sodass wirklich das absolut Machbare gemacht wird. Ich glaube, der Anschlag hat die psychologische Drucksituation auf diejenigen, die die-se Dinge bearbeiten und letztlich auch Entscheidungen herbeiführen, noch mal deutlich er-höht. Ich habe allen Respekt vor dem, was da geleistet wird. Es ist so, dass sich im Grunde über Jahre Standards entwickelt haben, wie man Personen ein-schätzt, die auch bisher zutreffend waren. Ich muss noch mal erklären, dass wir auch einige Anschläge verhindert haben. Und von daher lagen wir da nicht so falsch. Jetzt ist eine neue Konstellation aufgetreten, die wir vorher so noch nicht wahrgenommen haben, die aus meiner Sicht so auch nicht zu erkennen war. Wir werden sicherlich jetzt neu nachdenken, aber es ist eine wirklich angespannte Situation, die aus meiner Sicht allen Respekt verdient. Und ich werde jetzt aufgrund dieser wirklich außergewöhnlichen Belastung und dessen, was da geleis-tet wird, behördenintern – nicht nur das LKA, sondern die gesamte Behörde betreffend – ge-zwungen sein, noch mal Personal zusammenzuziehen, um hier eine Entlastung herbeizufüh-ren, weil der Zustand, so wie er jetzt ist, nicht länger hinnehmbar ist. Ich glaube, das macht deutlich, wie sehr wir hier am Limit laufen. Und da gibt es nicht immer noch ein „on top“. Wir sind „on top“. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Präsident! – Dann Herr Steiof! Christian Steiof (LKA): Was soll ich dazu jetzt noch sagen? – Vielleicht ganz kurz ein, zwei Punkte noch, die ich mir notiert habe. Zu den Auswertungsprioritäten des BKA: Der letzte Kenntnisstand ist der, dass eindeutig die Priorität darauf gelegt wird, den Mittäter – den von Ihnen benannten B. – zu beobachten, durch Videoauswertung seiner Unterkunft und seines gesamten Lebensbereichs. Er sitzt wegen Sozialleistungserlangungsbetruges ein und noch nicht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Unterstützung zu einem Mehrfachmord. Die zweite Priorität ist die Zeit unmittelbar vor dem Anschlag, und zwar das gesamte Video-material, ob es noch irgendwelche Personen gibt, mit denen Amri möglicherweise an weitaus mehr möglichen Anlaufpunkten als nur der Fussilet-Moschee Kontakte hatte. Und ich möchte dazu vielleicht noch mal sagen: Nur der Besuch einer Moschee – auch einer einschlägigen – rechtfertigt nach unserer Erfahrung nicht im Ansatz als Einzelthema die Einstufung in eine salafistische oder gar gewaltgeneigte Klientel. Das muss man mal ganz klar sagen. Und die Videoaufnahme eines radikalen Islamisten an einer Moschee für sich ist auch noch kein straf-rechtlich bewehrtes Verhalten. Da muss man mal weg von der Frage: Sind solche Bilder oder Videosequenzen – jetzt mal unabhängig von der Aufarbeitung im Fall Amri – per se geeignet, uns irgendwie weiterzubringen? – Ja, sonst würden wir es nicht machen. Aber bitte schön in einem großen, bunten Blumenstrauß von verschiedenen Dingen, die nachher zu einer gefah-renabwehrrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenz führen können!

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Und da komme ich jetzt zu dem Punkt Gefährdersachbearbeitung: Bitte vergessen wir nicht, dass darum herum noch eine ganze Menge andere Leute sind, nämlich Kontaktpersonen, Be-gleitpersonen, die wir unter das Rubrum „relevante Personen“ rechnen – dazu gehören also noch weit mehr als nur die Gefährder. Diese unterliegen einer permanenten routinemäßigen Kontrolle. Das ist in Bund und Ländern so einheitlich verabredet. Dazu gehört ein gewisser Turnus, Personagramme und Erkenntnisse zusammenzutragen, dazu gehören Ausschreibungs-fragen etc., und dazu gehören ganz viele mögliche Maßnahmen, die da natürlich eine Rolle spielen und die sich immer nach den einzelnen Rechtsgrundlagen richten, denn „Gefährder“ ist keine Rechtsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen. Sie können aber davon ausgehen, dass wir natürlich immer versuchen, diese Kriterien, die es da gibt, irgendwie zu verifizieren. Sie sind in Katalogen und Merkblättern für die Bundesrepublik, für Ausländerbehörden, Justizbe-hörden, Justizvollzugsanstalten bundesweit abgestimmt. Über elf, zwölf Seiten sind da zig verschiedene Kriterien genannt. Das ist nicht nur das Eine, und deswegen gibt es auch nicht das Ausschlusskriterium: „Wer Drogen nimmt, ist kein Islamist.“ Das gibt es definitiv nicht. Und der Eintrag vom 13. Oktober, den Sie meinten: Am 14. Oktober steht drin, dass die Steu-erung von zusammengefassten Mitteilungen Marokkos erfolgte. Diese Einzeldaten aus Ma-rokko kamen vom 19. September, 11. Oktober und 13. Oktober. Das war das erste Mal, dass eine Mitteilung übersandt wurde, dass sich Amri ins Kriegsgebiet habe begeben wollen. Und diese Mitteilung „Er möchte sich ins Kriegsgebiet begeben“ rechtfertigt die Ausschreibung als Foreign Fighter. Die polizeiliche Beobachtung, die rechtlich bereits Anfang April ange-ordnet wurde, ist auch Anfang April umgesetzt worden, aber noch nicht mit dem Zusatz „For-eign Fighter“, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, dass er vorhatte, ins Kriegs-gebiet zu gehen. Ich möchte vielleicht abschließend noch sagen, dass wir uns bewusst sein müssen: Egal, was wir machen und in welcher Größenordnung – wir werden ein solches Ereignis nicht verhin-dern. Was wir machen als Polizei – umfangreichst –, ist ein Verschieben von Wahrschein-lichkeiten, nicht mehr und nicht weniger. – [Benedikt Lux (GRÜNE): Wer hat ihn denn als Foreign Fighter eingetragen, welche Behörde?] – Vorsitzender Peter Trapp: Das wollte ich auch noch fragen! Christian Steiof (LKA): Die Eintragung erfolgte auf Anregung des jeweils verfahrensführen-den Landes durch das Bundeskriminalamt für das Schengener Informationssystem und für INPOL.1 – [Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE] – Nein, wir! Das ist sozusagen im Rahmen unseres Ermittlungsverfahrens erweitert worden. Die bestehende „Polizeiliche Beobachtung 07“ ist um den Zusatz „Foreign Fighter“ erweitert worden. Benedikt Lux (GRÜNE): Ja, aber das war nach der Tabelle, die hier vorliegt, am 21. September eingestellt worden. Christian Steiof (LKA): Das Verfahren, ja, es laufen aber immer noch die Maßnahmen der TKÜ, der Observation. Die PB 07 läuft weiter, und wenn sie ausläuft, haben wir bei solchen

1 Anm. d. Red.: Herr Steiof wünscht an dieser Stelle nachträglich eine Korrektur: Die Eintragung „Foreign Figh-ter“ sei nach Polizeirecht Nordrhein-Westfalen durch das LKA Nordrhein-Westfalen veranlasst worden.

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Fällen immer auch noch die gefahrenabwehrrechtlichen Anordnungen. Also, das ist jetzt nicht so, dass einer völlig rausfällt, nur weil ein Verfahren nicht ausreicht, strafrechtlich betrieben zu werden. Davon können Sie ausgehen. Benedikt Lux (GRÜNE): Das ist interessant! Danke! Vorsitzender Peter Trapp: Dann kommen wir, damit die Runde der Fraktionen geschlossen wird, zu Herrn Taş. – Bitte schön! Hakan Taş (LINKE): Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender! – Sehr geehrte Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Senator Geisel, Herr Staatssekretär Akmann und Herr Polizeipräsident Kandt sind bereits auf unterschiedliche Fragen eingegangen. Der Herr Senator hat die Problemfelder bereits benannt: marode Schießstände in Berlin, dann haben Sie bereits die Ausrüstung sowohl bei der Berliner Polizei als auch bei der Berliner Feuerwehr genannt; Besoldungsanpassung, Digitalfunk. Aber auch, was die Koalition machen wird, was freiwillige Rückkehr angeht, haben Sie deut-lich unterstrichen. Im letzten Jahr – im Jahr 2016 – haben Deutschland 55 000 Menschen freiwillig verlassen. Insofern ist es natürlich sinnvoll, wenn Menschen in Deutschland keine Bleibeperspektive mehr haben, dass man auch in Berlin weiterhin auf freiwillige Rückkehr setzt. Nach dem Fall Amri wird weiterhin auf unterschiedlichen Ebenen – in Berlin, aber auch auf Bundesebene – über mögliche Verschärfungen der gesetzlichen Möglichkeiten diskutiert. Scheindebatten werden leider auch heute weiterhin geführt. Wir haben nicht mal die Ermitt-lungsergebnisse vorzuliegen. Wir haben uns, denke ich, noch nicht ausführlich über Behör-denpannen unterhalten, insofern ist die Frage wichtig: Wie kann ich objektiv die Sicherheit in Berlin erhöhen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken? Auf diese Frage ist der Innensenator auch eingegangen. Nach dem Anschlag vom 14. Juli in Nizza – damals hatten wir in Berlin einen anderen Innen-senator; Herr Henkel als Innensenator und Herr Heilmann als Justizsenator waren zumindest für die Bereiche in Berlin verantwortlich – hatten die beiden Herren in unterschiedlichen Runden darauf aufmerksam gemacht, dass Berlin gut auf mögliche Anschläge vorbereitet ist und dass Sicherheitsmaßnahmen nach dem Anschlag in Nizza in Berlin angepasst worden sind. Insofern: Wenn einer der beiden Herren heute im Innenausschuss wäre, hätte man zu-mindest die Fragen stellen können, welche Sicherheitsmaßnahmen tatsächlich nach dem 14. Juli im letzten Jahr in Berlin angepasst worden seien und wo es noch Probleme gegeben habe, wo es Lücken gegeben habe oder wo es noch nach wie vor Lücken gebe. Insofern gibt es einige Fragen, die nach wie vor offen sind, aber diese Fragen können nur die genannten Herren beantworten – [Zuruf von Kurt Wansner (CDU)] –. Sie, Herr Innensenator, haben ausgeschlossen, dass Herr Amri V-Mann in Berlin – zumindest ist er nicht angeworben worden – war. Was war die Aufgabe des V-Mannes des LKA Nord-rhein-Westfalen, dessen Zielperson Anis Amri war und der ihn nach Berlin gefahren hat? Hat-te dieser auch Kontakte zu V-Männern des LKA Berlin oder des Verfassungsschutzes von Berlin? Und wann bzw. wurden überhaupt alle Informationen, die durch den V-Mann gewon-

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nen wurden, an das LKA NRW weitergeleitet? Kam es jemals zu einer Übermittlung der In-formationen an die Berliner Behörden? Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Taş! – Und dann hat der Herr Senator gleich das Wort! Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Es ist schwierig, sich für Nordrhein-Westfalen zu äu-ßern. Da können wir uns auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, weil wir es einfach nicht wissen. Aber ob es einen Erkenntnisaustausch gegeben hat, das kann Herr Steiof am besten beantworten. Vorsitzender Peter Trapp: Die Kugel rollt bis zum Schluss. – Bitte schön, Herr Steiof! Christian Steiof (LKA): Ich würde mich da jetzt auch nicht so weit aus dem Fenster hängen, weil mir die Details auch nicht im Einzelnen bekannt sind. Aber klar ist, dass es VP-Informationen gab, die damals zu einem Verfahren führten gegen den jetzt Zweitbeschul-digten B. hier aus Berlin wegen möglicher Anschläge im Ruhrgebiet. Und es gab auch VP-Informationen aus NRW und vom BKA in Sachen Amri. Aber wie die im Detail lauten, wann und wer da wem etwas erzählt hat, das kann ich Ihnen hier jetzt nicht sagen. Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Dann hat jetzt die erste Wortmeldung in der zweiten Runde Herr Dregger! Burkard Dregger (CDU): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Lieber Kollege Lux, ich nehme Ihre Bitte um seriöse Zitierung des Koalitionsvertrages gerne auf. Wenn Sie Seite 195 Ihres Koalitionsvertrages lesen, werden Sie feststellen, dass es dort nicht um 600 neue Stellen, son-dern um die Nutzung der vorhandenen 600 Ausbildungsstellen geht. Bitte lesen Sie es nach! Ich bin sicher, es bedarf keiner weiteren Textexegese, um das auch Ihrerseits zu verstehen, und deswegen fasse ich einfach noch mal zusammen: Es gibt kein klares Commitment seitens der Koalition, eine bestimmte Zahl von neuen Stellen zu schaffen. Wir werden das unterstüt-zen, wenn die Koalition in dieser Richtung aktiv werden sollte. Zweiter Punkt: Herr Senator Geisel, Sie hatten kurz angemerkt, dass Sie unsere Initiative zur Unterstützung der Bundesratsinitiative von Hessen nicht kennen. – [Senator Andreas Geisel: Ich kenne die, ich wusste bloß nicht, dass es Ihr Antrag war. Ich hatte es aus Hessen gedeu-tet.] – Ja, bitte schön, Sie kennen mit Sicherheit die hessische Bundesratsinitiative. Das kon-zediere ich Ihnen gerne. Ich wollte nur kurz darauf hinweisen, dass wir bereits einen Antrag, diese zu unterstützen, in diesen Innenausschuss überwiesen haben, das heißt, das wird hier möglicherweise auch in Kürze behandelt. Und Herr Kollege Luthe hatte gefragt, was denn eigentlich die ratio legis sei, um Polizeibe-amte, wenn Körperverletzungen gegen sie verübt werden, besonders zu schützen. Sie hatten durchaus zu Recht auf § 113 StGB hingewiesen, der Vollstreckungsbeamte schützt, die bei Vornahme einer Diensthandlung angegriffen werden. Wir erleben aber, und so auch jetzt bei diesem unerträglichen Vorfall am Wochenende, dass Polizeibeamte und Vollstreckungsbeam-te angegriffen werden, ohne dass sie eine Diensthandlung vornehmen, nur, weil sie sich im öffentlichen Raum bewegen. Und deswegen sind wir der Auffassung, dass dies nicht nur mit dem Straftatbestand der Körperverletzung zu verfolgen ist, sondern verschärft zu verfolgen

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ist. Warum? – Weil ein Angriff auf einen Polizeibeamten ein Angriff auf den Staat ist, auf uns alle! Und deswegen hat das eine besondere kriminelle Energie, weil das Gewaltmonopol des Staates infrage gestellt wird, und deswegen werden wir hier aktiv, und wir sind da keineswegs die Einzigen. Wie gesagt, die Bundesratsinitiative zur Schaffung eines neuen § 112 StGB kommt aus Hessen. Dritter Punkt: Wir hatten das Thema Fehleinschätzungen erörtert, und ich stimme Ihnen voll-ständig zu. Ich wollte auch nicht wissen, ob Sie aus der Ex-post-Betrachtung eine Fehlein-schätzung sehen, sondern aus der Ex-ante-Betrachtung. Ich weiß doch auch, dass wir heute alle schlauer sind als im letzten Jahr während dieser Maßnahmen, aber was wir verstehen wollen, ist: Haben die zuständigen Ermittlungsbehörden bei ihrer damaligen Bewertung aus Ihrer Sicht etwas übersehen oder etwas falsch gemacht – nicht aus unserer heutigen Betrach-tung, das wäre sicherlich unfair; nachher ist man immer schlauer, das weiß ich auch. Und in dem Zusammenhang wollte ich noch mal kurz auf die Frage eingehen, dass bezüglich Anis Amri keine besonderen religiösen Aktivitäten mehr sichtbar waren, er also aus dem klas-sischen Muster eines islamistischen Gefährders oder auch Attentäters herausgefallen ist. Mei-nes Erachtens und nach meiner Kenntnis waren auch die Attentäter von Paris und Brüssel Kriminelle, die dadurch aufgefallen sind, dass sie Straftaten in verschiedensten Bereichen begangen haben, die gar nichts unmittelbar mit Terror zu tun hatten, möglicherweise auch, um sich die Finanzmittel zu beschaffen, dass sie im Drogenmilieu aktiv waren, die also insoweit auch gar nicht im Zusammenhang mit Terror oder Ähnlichem auffällig waren. Und da stellt sich mir nur die Frage – einfach, um zukünftig Fehler bei der Bewertung solcher Vorgänge zu vermeiden –: Ist es richtig, sich nur auf die religiöse Praxis bei einer Bewertung zu beschrän-ken, oder müssen wir nicht auch, da wir das aus Brüssel und aus Paris nun wissen, diese wei-teren Verhaltensmuster mitberücksichtigen? Es ist mir einfach wichtig, das zu erörtern. Und, wie gesagt, mir kam es nicht darauf an, jetzt hinterher den Schlaumeier zu spielen und zu sa-gen, heute sind wir schlauer als vorher, sondern zu fragen: Was war möglicherweise die Fehl-einschätzung – damals, nicht heute? – Herzlichen Dank! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Dann Herr Woldeit! Karsten Woldeit (AfD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Sehr geehrter Herr Zimmer-mann! Ich freue mich immer, wenn Sie so weitreichende und weitergehende Erläuterungen machen. Das meine ich ganz ernst. Das macht wirklich Spaß. Aber ich gehe auch nicht davon aus, dass Sie geltendes Bundesrecht – um auf Ihren Redebeitrag zurückzukommen – in ir-gendeiner Art und Weise aushöhlen oder nicht konsequent ansetzen. Aber wir merken natürlich auch in der Debatte, gerade was die §§ 24 und 24a ASOG angeht, dass es dort mitunter andere Auslegungen gibt. Und dort ist es Aufgabe der Opposition, genau darauf zu achten, wie und wo dann dementsprechend die Auslegungen auch stattfinden, oder evtl. einzuschreiten, wenn es nicht so ist, wie es sein soll. Zum Kollegen Luthe: Wir sind häufig auch einer Meinung, aber hier, was den § 112 StGB angeht, da bin ich ganz bei dem Kollegen Dregger. Die Polizisten und Sicherheitsbeamten benötigen einfach einen besonderen Schutz, weil sie einer besonderen Gefährdungslage aus-gesetzt sind.

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Und auch zum Kollegen Lux möchte ich kurz noch mal ergänzend sagen: Sie haben ange-sprochen, man soll nicht einfach ein Papier mit verschiedenen Maßnahmen formulieren, ohne eine Kofinanzierung oder Ähnliches im Hinterkopf zu haben. Sie wissen sicherlich, dass ich acht Jahre lang in einer Bundesbehörde Controller war, das heißt, Einzelpläne, Haushalt, Ka-pitel und Finanzen sind mir nicht fern, auch haben wir uns, glaube ich, gemeinsam in der Haushaltsklausur in der Finanzverwaltung ausgetauscht. Also dementsprechend können Sie sicher sein: Das haben wir im Hinterkopf. Sicherheit kostet ein Stück weit Geld. Und wenn wir gerade den Ausführungen des Senators gelauscht haben, dass in den letzten Jahrzehnten Investitionsstaus aufgelaufen sind, die jetzt sukzessive abgebaut werden müssen, frage ich mich natürlich schon, wer eigentlich fast unun-terbrochen dort in der Regierungsverantwortung war. Aber ich habe lediglich zwei Nachfragen und bedanke mich an dieser Stelle noch mal für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen. Zwei Dinge wurden leider nicht beantwortet, und zwar war das einmal zur Einschätzung des Senates bezüglich des Sicherheitsgefühls und der eventuellen Unterstützung einer Dunkelfeldstudie, die wir gefordert haben, und das zweite war, ob es seitens der Ermittlungsbehörden Erkenntnisse zu einer eventuellen Mittäterschaft im Rahmen eines Anis Amri gibt – sofern das den Ermittlungsstand nicht gefährdet. – Danke schön! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Herr Albers, jetzt haben Sie das Wort! Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Herr Dregger! Sie haben unseren Koalitionsvertrag offen-sichtlich besser gelesen als Ihren eigenen. Ich würde mir eigentlich wünschen, dass Sie bei Ihrer kritischen Bestandsaufnahme genauso kritisch bei der Bilanzierung Ihrer Politik in den letzten fünf Jahren gewesen wären. Wenn da nämlich die Hausaufgaben gemacht worden wä-ren, müssten wir heute möglicherweise über manche Dinge nicht diskutieren. – [Zuruf von Kurt Wansner (CDU)] – Sie haben damals in Ihrem Koalitionsvertrag einen Polizistenauf-wuchs von 1 000 Stellen, wenn ich mich richtig erinnere, versprochen. Geschafft haben Sie es, von 21 425 auf 21 693 zu kommen. Das ist ein Plus von 268 Stellen in fünf Jahren. Eine Taskforce wegen der Schießstände haben Sie Ende April 2016 eingerichtet. Da war seit vielen Jahren bekannt, dass die marode sind und dass ein Handlungsbedarf besteht. Sie haben ganze 711 000 Euro von den Geldern abgerufen, die zur Sanierung zur Verfügung standen. –Und die „BZ“ hat am 1. September 2016 gemeldet, dass 130 000 Euro für Schutz- und Dienstkleidung für die Polizei zur Verfügung gestanden haben unter der Ägide Ihres Innense-nators und dass Sie bis zu diesem Zeitpunkt davon 19 501 Euro ausgegeben haben. Und jetzt setzen Sie sich hier hin, nachdem diese neue Koalition noch nicht einmal acht Wochen im Amt ist, und unterstellen uns ein Nichthandeln, nachdem Sie fünf Jahre lang Nichthandeln in aller Extensität praktiziert haben. – [Burkard Dregger (CDU): Sie haben auch hier die Zahlen nicht – genauso wie vorhin!] – Sie hätten sich die Zahlen angucken können! Zweitens: Ich würde dafür plädieren, dass wir das Problem der Videoüberwachung endlich mal von der Diskussion über die Verhinderung von terroristischen Anschlägen trennen. Dazu hat die Bundesregierung eine klare Position abgegeben. Sie hat in ihrer Antwort auf die Klei-ne Anfrage 18/10758 deutlich gemacht, dass die bisher in der Bundesrepublik verhinderten Anschläge nicht aufgrund von Videoüberwachungssystemen vereitelt werden konnten. Es ist

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vorhin schon einmal gesagt worden, dass wir auch in Berlin Anschläge vereitelt haben, und es wäre interessant zu erfahren, welche Rolle denn dabei die Videoüberwachung gespielt hat. Selbst wenn, und das ist immer dieser Trugschluss: Wir sprechen immer von Videoüberwa-chung. Videoüberwachung bedeutet aktives Handeln, da muss dann jemand sitzen und direkt in dem Moment dann auch möglicherweise Einsatzkräfte mobilisieren. Das, was wir haben, ist eine Videodokumentation. Und was Sie ständig fordern, ist Videodokumentation. Durch diese Art von Videodokumentation wäre auch der Anschlag auf dem Breitscheidplatz nicht zu verhindern gewesen. Er wäre nicht einmal zu verhindern gewesen, wenn in dem Moment je-mand an dem Bildschirm gesessen hätte, der dann dazu hätte Position beziehen können. Inso-fern vermischen Sie einfach zwei Dinge. Lassen Sie uns ganz in Ruhe über Sinn und Unsinn von Videoüberwachung diskutieren. Das können wir. Es wird ja auch nicht so getan, als gäbe es die in Berlin nicht. Sie wissen, wie viele Videokameras hier im öffentlichen Raum sind, wie viele privat betrieben werden. Das ist eine andere Diskussion! Aber tun Sie nicht so, als könnte man terroristische Anschläge quasi mit dem Instrument Videoüberwachung in irgend-einer Form verhindern. – [Burkard Dregger (CDU): Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden!] – Das machen Sie doch die ganze Zeit, indem Sie es vermischen, – [Burkard Dregger (CDU): Sie scheinen das so wahrzunehmen!] – nicht nur ich! –, indem Sie es als Vehikel benutzen, um uns eine Diskussion aufzuzwingen, um im öffentlichen Raum Videoüberwachung in un-sinniger Weise zu erweitern. – Dabei sage ich nicht, dass Videoüberwachung unsinnig ist, aber das Erweitern in unsinniger Weise. Genau das ist das Problem! – [Zuruf von Kurt Wans-ner (CDU)] – Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! – Der letzte Redner ist Herr Zimmermann, und dann antwortet der Senator. Frank Zimmermann (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Es war jetzt nicht meine Absicht, unbedingt der letzte Redner zu sein, das ist Zufall. Ich will nur noch mal kurz auf Herrn Dregger eingehen, zu dem Thema Stellen. – [Zuruf Kurt Wansner (CDU)] – Wenn Sie jetzt vermissen, dass wir eine konkrete Vereinbarung zum Stellenzuwachs hätten, wie Sie behaupten, sage ich Ihnen jetzt hier verbindlich, dass die Formulierung dieses Koalitionsver-trages in diesem Absatz so zu lesen ist, dass wir die bisherigen hohen Ausbildungskapazitäten der Jahre 2017/2018/2019 in 2021 weiterführen wollen, und, um die dann fertig ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen einstellen zu können, die entsprechende Zahl von Stellen neu schaffen wollen. Wir wollen und sollen sie einstellen, wenn sie ausgebildet sind, das ist unser Ziel, und deswegen steckt in dieser Formulierung das Commitment, wie Sie sagen, entspre-chend auch zusätzliche Stellen zu schaffen. Capisci? – [Burkard Dregger (CDU): Wir haben ein Wortprotokoll!] – Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank! Man lernt immer noch dazu! – Und jetzt hat für die Beantwortung der Frage von Herrn Albers wegen der Videoüberwachung der Senator das Wort. Senator Andreas Geisel (SenInnDS): Ich wollte mich jetzt noch mal zu der Frage von Herrn Dregger äußern: Welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen? – Ich glaube, dafür ist es im Moment noch zu früh, das tatsächlich jetzt hier schon verbindlich benennen zu können. Ich sagte vorhin, die verschiedenen Gremien der Innenministerkonferenz treffen sich in die-sen Tagen bzw. Wochen, um genau solche Schlussfolgerungen miteinander zu besprechen. Auch wir machen dort Vorschläge. Und es scheint durchaus sinnvoll zu sein, die verschiede-

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nen Straftaten, die solche Täter begehen, noch mal übereinanderzulegen und komplex zu be-trachten und nicht voneinander getrennt. Inwieweit das tatsächlich möglich ist, ob es sinnvoll ist, eine Staatsanwaltschaft zu schaffen, die diese Täter bearbeitet und nicht nur einzelne Fäl-le, um dann praktisch das gesamte Bild zu haben, all das scheint im Moment sinnvoll oder logisch zu sein, aber es ist nicht abschließend zu bewerten, da die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Und ich finde, dass wir zunächst mal die Untersuchungsergebnisse vor-liegen haben sollten, um sie genau zu analysieren und dann sachgerecht daraus Schlussfolge-rungen zu ziehen. Dafür scheint es mir im Moment noch zu früh zu sein. Was die Sicherheit im Öffentlichen Personennahverkehr betrifft, so haben wir eine gleich-bleibende Anzahl von Straftaten dort, die liegt in einer Größenordnung von 3 700 Fällen pro Jahr. Das bewegt sich auf annähernd gleichem Niveau in den vergangenen Jahren. Ich muss gestehen, dass mir Ihr Antrag zur Dunkelfeldstudie gegenwärtig noch nicht bekannt ist. Ich kenne die Berichte zur Sicherheit im ÖPNV von der BVG. Diese sind sehr detailliert und basieren nicht nur auf einer reinen Statistik, sondern auch auf Befragungen von Kundin-nen und Kunden des Öffentlichen Personennahverkehrs, sodass wir ein nach meiner Auffas-sung sehr realistisches und sehr differenziertes Bild der Situation im Öffentlichen Personen-nahverkehr darstellen. Vielleicht müssen wir das noch mal diskutieren, wenn der nächste Be-richt zur Sicherheit im Öffentlichen Personennahverkehr vorgelegt wird. – Zu Ihrer Frage nach einer eventuellen Mittäterschaft bitte ich Herrn Steiof noch mal, etwas zu sagen.

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Vorsitzender Peter Trapp: Bitte schön, Herr Steiof! Christian Steiof (LKA): Das ist jetzt natürlich etwas schwer, weil mir logischerweise auch nicht alle Erkenntnisse vorliegen. Der am 4. Januar 2017 in Haft gegangene Bilal B. steht in jedem Fall auf dem Aktendeckel des Generalbundesanwalts als Mittatverdächtiger. Weitere meiner Erkenntnis nach nicht, aber es gibt noch eine Menge Personen, die auf eine mögliche Mittäterschaft, Mitwisserschaft beim GBA überprüft werden, die auch Gegenstand unserer Ermittlungen hier in Berlin sind. Mir ist aber eines wichtig – Herr Dregger, Sie hatten das auch noch mal angesprochen: Natür-lich gibt es gerade unter den Einheimischen, die nachher eine stark salafistische Grundhaltung ausbilden, Kleinkriminelle. Das ist ein typisches Ding einer Änderung im Lebenswandel, die spürbar ist. Und es ist allen bisher gemein gewesen, dass sie eine offene islamistische Grund-haltung zeigen. Das ist genau dieser Wesenswandel, der festgestellt wird, dass einer plötzlich eben nicht mehr nur kleinkriminell ist. Auch die von Ihnen angesprochenen Attentäter in Frankreich hatten solche Erkenntnisse, und zwar alle. Die Hälfte von denen hatte ein weiteres Kriterium, das bei uns auch wichtig ist, nämlich die Frage der Ausreise in den Dschihad, die Überzeugung, man müsse an vorderster Front für seine Einstellung und die Brüder kämpfen. Das hatte auch ungefähr die Hälfte der Frankreichattentäter, genauso wie es viele unserer Ge-fährder und relevanten Personen haben. Also, es ist nicht so, dass irgendeiner, der gestern noch Kleinkrimineller war, plötzlich einen Anschlag begeht. Das ist nicht die Erfahrung, die wir haben. Und anhand dieser Kriterien ist das gemacht worden. Das, was Sie sagen, ist ja komplett richtig: Man muss das aus dieser Perspektive vorher be-trachten. Und glauben Sie mir – der Herr Präsident hat es angedeutet –: Die, die damit befasst sind, machen sich Gedanken im Sinne von: Haben wir hier richtig entschieden? Aber das muss man natürlich auch nüchtern betrachten. Nur: Dafür brauche ich genau die Leute, die momentan ziemlich in der Arbeit stecken. Also, wir müssen noch ein bisschen Geduld haben, um genau mit denen zu besprechen: Wo, meint Ihr, aus Eurer Erfahrung heraus, muss man das jetzt möglicherweise noch ein bisschen anders sehen und noch eine andere Weiche stel-len? Das muss auch mit den Bundes- und anderen Sicherheitsbehörden der Länder abgespro-chen werden, damit wir wieder ein einheitliches Vorgehen haben. – Danke! Vorsitzender Peter Trapp: Schönen Dank, Herr Steiof! – Ich glaube, dass wir diesen Tages-ordnungspunkt wieder vertagen. – [Frank Zimmermann (SPD): Das ist die Frage, Herr Vor-sitzender!] – Vorsitzender Peter Trapp: Bitte, Herr Zimmermann! Frank Zimmermann (SPD): Wenn wir jetzt diesen Tagesordnungspunkt „Aktuelle Sicher-heitslage in Berlin“ immer wieder vertagen und neu aufrufen, dann ist das in dieser Breite ein Thema, in das alles hineingepackt werden kann. – [Canan Bayram (GRÜNE): Ja!] – Ob das hilfreich ist, das weiß ich nicht. Wir können natürlich immer in einem Monsterbesprechungs-punkt drei Stunden lang alles besprechen. Die Frage ist, was sinnvoll ist, ob wir die Erkennt-nisse mal eingrenzen und wieder aufrufen, aber jetzt nicht das gesamte Sicherheitsthema der Stadt in einem Punkt besprechen. Das halte ich für schwierig. – [Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)] –

Abgeordnetenhaus von Berlin 18. Wahlperiode

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Vorsitzender Peter Trapp: Bitte schön, Herr Dregger! Burkard Dregger (CDU): Das ist auch mein Anliegen. Ich finde, wir sollten uns zukünftig auf den Fall Amri konzentrieren und auf die weiteren Ermittlungsergebnisse, die wir zu er-warten haben. Wir brauchen nicht mehr diese generelle Sicherheitsdebatte, die werden wir in anderen Tagesordnungspunkten führen können. Wenn wir das jetzt formell durch den Abschluss dieses Tagesordnungspunktes machen, dann wäre aber mein Vorschlag, dass wir uns jetzt gleich und hier auf einen neuen gemeinsamen Besprechungspunkt aller Fraktionen verständigen, der den Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 zum Gegenstand hat. – [Frank Zimmermann (SPD): Ein Update, natürlich, das machen wir!] – Vorsitzender Peter Trapp: Okay! Dann vertagen wir nicht, sondern der Bericht über die aktuelle Sicherheitslage in Berlin gilt als abgeschlossen, und wir einigen uns darauf, dass wir auf Antrag aller Fraktionen eine neue Besprechung gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs zu dem Thema „Anschlag am Hardenbergplatz“ machen. – [Frank Zimmermann (SPD): Erkenntnis-se-Update!] – So ist es! Die Sprecher werden sich einigen, und am Donnerstag können wir das dann dem Ausschussbüro zukommen lassen. – [Burkard Dregger (CDU): Wir können das ja gleich zu Protokoll geben, dann haben wir das erledigt!] – Das muss noch von den Frakti-onsgeschäftsführern unterschrieben werden. Ich bitte darum, dass wir das so machen und dass wir uns am Donnerstag hoffentlich alle auf ein Thema einigen können, sodass dann auch alle Fraktionsgeschäftsführer das einbringen. Punkt 6 der Tagesordnung

Besondere Vorkommnisse

Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 7 der Tagesordnung

Verschiedenes

Siehe Beschlussprotokoll.