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XXXIV. Wissenschaftliche Arbeitstagung Zur Flötenmusik in Geschichte und Aufführungspraxis von 1650 bis 1850 Michaelstein, 5. bis 7. Mai 2006 Stiftung Kloster Michaelstein – Musikinstitut für Aufführungspraxis

XXXIV. Wissenschaftliche Arbeitstagung

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XXXIV. Wissenschaftliche Arbeitstagung

Zur Flötenmusik in Geschichte undAufführungspraxis von 1650 bis 1850

Michaelstein, 5. bis 7. Mai 2006

Stiftung Kloster Michaelstein – Musikinstitut für Aufführungspraxis

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Als beliebte Holzblasinstrumente bieten Flöten auch von der Mitte des 17.Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert hinein Reflexionen der Kulturgeschichte.In der Kunstmusik treten in dieser Zeit Blockflöten als längsgeblaseneKernspaltflöten und Querflöten als kernspaltlose Flöten mit ihrer jeweils eigenenSpezifik in ein im 18. Jahrhundert kulminierendes, nachwirkendes Spannungsfeld:Mildere oder brillant-kräftigere Klangfarben, einfachere oder anspruchsvollereLehrinhalte, ästhetische Ambitionen und Gelehrsamkeit in Instrumentenbau,Komposition und Interpretation, sozial determinierter Gebrauch oder symbolischerGehalt charakterisieren flötengeblasene Musik und deren Instrumente in ihrendynamischen Entwicklungen und zeitgleich unterschiedlichen Gewichtungen.Wandel in Klangidealen und Rezeptionsverhalten, in Besetzungen und Gat-tungen, in Funktionen und Repertoirebefunden lassen ebenso nach eigen-ständigen Flötenmusikentwicklungen wie nach Leistungen von Flötisten undFlötenmusik als europäische und interkontinentale kulturelle Botschafter fragen.Quellenermittlungen dazu werden Aspekte aus dem zeitgenössischen Kontextauch für die Situation der gegenwärtigen historischen Aufführungspraxis er-schließen.

Traversflöte in einer Scagliola-Tischplatte,Rudolstadt 1744

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Stiftung Kloster MichaelsteinMusikinstitut für Aufführungspraxis

XXXIV. Wissenschaftliche Arbeitstagung

Zur Flötenmusik in Geschichte undAufführungspraxis von 1650 bis 1850

Michaelstein, 5. bis 7. Mai 2006

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Tagungsablauf

Donnerstag, 4. Mai 2006

16.00-21.00 Uhr Öffnung des Tagungsbüros in der Rezeption20.00 Uhr Klosterführung

Freitag, 5. Mai 2006

8.00-22.00 Uhr Öffnung des Tagungsbüros in der Rezeption

Barocksaal11.00 Uhr BEGRÜSSUNG

Boje Schmuhl,Vorstand der Stiftung Kloster Michaelstein

TAGUNGSLEITUNG

Joachim Kremer, StuttgartHartmut Krones, WienUte Omonsky, MichaelsteinManfredo Zimmermann, Wuppertal

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MUSIKALISCHE ERÖFFNUNGFlötenmusik zwischen Schule und Salon

Musikalische Eröffnung Freitag, 5. Mai 2006

Georg Philipp Telemann (1681 – 1767)Trio F-Dur für Flute à bec, Viola da gamba und B. c. (TWV 42:F3)Vivace – Mesto – Allegro

Johann Christian Credius (1681 – ca. 1741)Sonata E-Dur für Flauto, Viola da gamba und Continuo*Andante – Largo – Alla breve – Grave – [ohne Bezeichnung] –Duetto – Menuet

Georg Philipp Telemann (1681 – 1767)Sonata G-Dur für zwei Traversflöten (TWV 40:148)*Vivace/Grave/Vivace – Allegro – Adagio – Presto

Rudolph Erzherzog von Österreich (1788 – 1831)Variations per Pianoforte avec accompagnato d’un czakan (1810)Thema Allegro moderato – 1. Variation – 2. Variation – 3. Variation –4. Variation Poco più lento – 5. Variation Tempo di Polacca –6. Variation – 7. Variation Adagio. Tempo di Marcia –8. Variation Allegro moderato – Coda. Cadenza. Tempo primo. Presto

Contredanses & Valses sur des motifs de Anna Bolena, de la Fille deRégiment et de Torquato Tasso (Donizetti), de Lestocq et du Domino Noir(Aubert), pour le pianoforte avec accompagnement de flageolet, arrangéespar Musard, Tolbecque et Bosisio:*

Jean-Baptiste-Joseph Tolbecque aîné (1797 – 1869)Pantalon & L'Été de la Quadrille sur des motifs de Anna Bolena (Donizetti)

Philippe Musar (1792 – 1859)Pantalon de la Quadrille sur des motifs de Lestocq (Auber)Valse de La Fille de Régiment (Donizetti)

Jean-Baptiste-Joseph Tolbecque aîné (1797 – 1869)Valses du Domino Noir (Auber)

Bosisio (gestorben 1858)Poule de la Quadrille sur des motifs de Torquato Tasso (Donizetti)

* neuzeitliche Erstaufführungen

PROGRAMM

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Das Trio F-Dur für Flute à bec, Viola dagamba und B. c. aus den Essercizii musici1739/40 von Georg Philipp Telemann bestichtdurch sprühende und lebendige Dialoge der beidenSoloinstrumente in den beiden raschen Sätzen, diethematisch fallweise auch in typisch TelemannischerManier vom Bass aufgegriffen werden. Dabei werdenViola da gamba und Blockflöte aus technischemBlickwinkel völlig gleichwertig behandelt. Daslangsame Mesto (traurig, wehmütig) kontrastiert durcheinen sehnsüchtigen, trauernden Affekt. Wie immerzeigt Telemann auch hier seine profunde Kenntnisdarüber, was auf einem Instrument „gut liegt“. Manfredo Zimmermann

Manfredo Zimmermann spielt eine Blockflöte vonStanesby junior in Buchsbaum im Nachbau vonAdrian Brown.

Credius wurde am 8. August 1681 in Dardesheimbei Halberstadt geboren. Die Schuljahre verbrachteer in Burg, Braunschweig und Halberstadt. Überseine Blankenburger Zeit berichtet Johann GottfriedWalther im Musicalischen Lexicon: „1709 im De-cember nach Blanckenburg als Subconrector undOrganist vocirt worden, worauf Ihro HochfürstlicheDurchl. Hr. Ludewig Rudolph, Hertzog zu Braun-schweig und Lüneburg = Blanckenburg ihn an. 1710von der Schule befreyet, und erstlich zum Concert=endlich aber an. 1722 zum Capellmeister gnädigstangenommen haben.“ Offenbar im Zuge derRegierungsübernahme Ludwig Rudolfs in Wolfenbüttelim Jahr 1731 war Credius nunmehr ausweislich derKammerrechnungen dort tätig, und zwar ebenfallsals „Capellmeister“. Bereits die Kammerrechnungenvon 1735 verzeichnen ihn allerdings nicht mehr,und sein weiterer Lebensweg ist ebenso unklar wiesein Todesjahr. Jeweils ohne Angaben zur Quelleführt ihn W. Sievers im Blankenburger Kreisblatt vom8. Dezember 1932 unter den Organisten derBartholomäuskirche Blankenburg auf: „Credius starb1741, ‚stille beygesetzt’“, bzw. schreiben KlausBeckmann und Hans-Joachim Schulze in ihrer Ausgabeder Briefe Johann Gottfried Walthers: „Gest. nachdem 28. 8. 1756“. Nur wenige Werke Credius’sind überliefert. Es handelt sich ausnahmslos umInstrumentalwerke unter Beteiligung einer Flöte; allebefinden sich heute in der UB Rostock. Von derSonata E-Dur für Flöte, Viola da gambaund B. c. liegen sowohl eine autographe Kompo-

Musikalische Eröffnung Freitag, 5. Mai 2006

Manfredo Zimmermann,Wuppertal – Blockflöte, Traversflöte

Monika Scholand,Vaihingen – Traversflöte

Nikolaj Tarasov,Stuttgart /Reinach – Csakan, Flageolet

Irene Klein,Berlin – Viola da gamba

Mechthild Winter,Leipzig – Cembalo, Hammerflügel

Johann Christian Credius

Georg Philipp Telemann

Flageolet-Spieler im Salon

Auch Blankenburg am Harz kann für sich in Anspruchnehmen, Sitz eines Fürstentums gewesen zu sein.1690 wurde die Grafschaft Blankenburg LudwigRudolf, dem zweitgeborenen Sohn des Welfen-herzogs Anton Ulrich, zugesprochen und 1705 zumReichsfürstentum erhoben. Von 1707 bis 1731 warBlankenburg Regierungssitz, und noch heute kündetu. a. das Große Schloss von dieser zentralen Epochehöfischer Prachtentfaltung. In Blankenburg gab esauch eine kleine Hofkapelle; ihr Kapellmeister warJohann Christian Credius.

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sitionspartitur (Musica Saec. XVIII.-45.8) als auch einautographer Stimmensatz in Reinschrift (Musica Saec.XVIII.-45.6) vor. Eventuell wurde der Flötenpart dessiebensätzigen Stückes von Herzog Ludwig Rudolfselbst übernommen.Der Eröffnungssatz wird von seinem federndschreitenden Thema beherrscht, dessen Kopfmotivin verschiedenen Ausprägungen – konsequent inimitierenden Stimmeneinsätzen und unterbrochenvon verschiedenen Spielfiguren – den Satz struk-turiert. Der ruhig-fließenden Bewegung des Largofolgt ein zügiges, kontrapunktisch gehaltenes Allabreve, in dem sich auch der Basso am thematischenGeschehen beteiligt und damit den Eindruck einerdreistimmigen Fuge erweckt. Ein zehntaktiges Gravein cis-Moll leitet zu einem hurtigen, zweiteiligen, aneine Allemande erinnernden Tanzsatz über, bevornach einem kurzen, ebenfalls zweiteiligen Duettoein Menuet die in ihrer formalen Struktur und stilistischenVielfalt bemerkenswerte Sonate beschließt.

Bert Siegmund

Von Georg Philipp Telemann waren bisher vierZyklen von Querflötenduetten bekannt, die im Zeitraumvon 1726 bis 1752 entstanden. Dass Telemannnoch weitere Flötenduette geschrieben haben muss,wurde schon lange vermutet (verschiedene Zitate inden Solfeggi von J. J. Quantz gaben Hinweisedarauf). Diese galten aber bis zum Auffinden derArchivbestände der Singakademie zu Berlin im Jahr1999 als verloren, in denen eine Sammlung vonneun Flötenduetten in einer Abschrift entdeckt wurde.Diese neun Sonaten sind durchaus als pädagogischeMusik zu betrachten. In einfachen Tonarten gehalten,sind sie auch dem unerfahreneren Spieler zugänglich.Relativ häufig benutzt Telemann das Mittel der Imitationoder der Kontrapunktik, so dass der Schüler auf demWeg der Nachahmung vom Lehrer lernen kann. Alshervorragender Komponist und stilistischer Weg-bereiter bietet Telemann hier auch dem Lernendengeschmacksbildende Wegweisung.Die Sonata G-Dur für zwei Traversflöten(TWV 40:148) ist ein Paradebeispiel für Telemanns

pädagogisches Komponieren. Der erste Satz bietetRaum für Interaktion und Experimente, die Sätzezwei und vier regen als Kanons zur Imitation – oderauch zur bewusst kontrastierenden Interpretation –an, und der dritte Satz fordert mit seiner gesanglichenMelodik ganz besonders die Ausdruckskraft derSpieler.

Monika Scholand

Musikalische Eröffnung Freitag, 5. Mai 2006

Johann Christian Credius,Sonata E-Dur, Beginn der Flötenstimme

Georg Philipp Telemann

Dank gilt dem Bärenreiter-Verlag, der die Ausgabeeines der bislang unbekannten Duette für zweiTraversflöten von Georg Philipp Telemann aus demBestand des Notenarchivs der Sing-Akademie zuBerlin vorab zur Verfügung stellte. Die Duette wer-den demnächst unter dem folgendem Titel erscheinen:Georg Philipp Telemann, Neun Sonaten für zweiTraversflöten ohne Generalbaß (TWV 40:141-149),hrsg. von Ralph-Jürgen Reipsch, Kassel usw.:Bärenreiter 2006 (BA 5888).

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Manfredo Zimmermann spielt eine Kopie einer Tra-versflöte nach Carlo Palanca von Martin Wenner inEbenholz.Monika Scholand spielt eine Traversflöte nachJ. J. Quantz aus Grenadillholz. Gebaut wurde sie2003 von Martin Wenner, Singen, nach einem his-torischem Vorbild von ca. 1750 aus dem BesitzKönig Friedrichs II. (heute Privatbesitz).

Mit enormem pianistischen Talent begabt, widmeteRudolph Erzherzog von Österreich alle Zeit,die ihm neben seinen offiziellen Verpflichtungenverblieb, der Musik: dem Üben, seinen Kompo-sitionen und der riesigen Musikaliensammlung. Ab1803 entwickelte er ein besonderes Verhältnis zuLudwig van Beethoven, dessen langjähriger Schüler,Vertrauter und Gönner er wurde. Um den Meister inWien zu halten, unterzeichnete er 1809 zusammenmit den Fürsten Lobkowitz und Kinsky einenPensionsvertrag, der dem Komponisten einelebenslange Rente zusicherte. Beethoven hatErzherzog Rudolf weitaus mehr Kompositionen alsirgendjemand anderem gewidmet, etwa das 4. und5. Klavierkonzert, die Klaviersonate „Les Adieux“,die Missa solemnis und die Große Fuge op. 133.Da Rudolph als Sechsundzwanzigjähriger seinepianistischen Tätigkeiten wegen Gichtanfällen undschmerzhafter Arthritis abbrechen musste, konzentrierteer sich mehr und mehr aufs Komponieren: Das kleine,von instrumentaler Kammermusik geprägte Werk istweitgehend ein Produkt seiner Studien bei Beethoven.Dieser erkannte „das wirklich große Talent“ desSchülers und verwendete viel Zeit für den Unterricht.Nur zwei Stücke Rudolphs wurden zu seinen Lebzeitengedruckt und seine Autorschaft durch ein Kürzelverschleiert.Die Csakan-Variationen – mit ihrem Walzer-thema und den nach Beethovens gestalterischemVorbild geschriebenen Veränderungen – wurden imJahre 1810 in Wien begonnen, nach Rückkehr desHofstaates aus dem ungarischen Exil, wo derErzherzog den Csakan kennen gelernt haben dürfte.Die Variationsfolge war wohl für den eigenen Privat-gebrauch gedacht und übersteigt den hausmusi-kalischen Charakter vergleichbarer Druckwerkedeutlich. Anzunehmen ist, dass Erzherzog Rudolphselbst Klavier gespielt hat und der Csakanpart von

seinem Kammerherrn, dem Grafen Ferdinand deTroyer übernommen wurde, welcher als Widmungs-träger zahlreicher Klarinettenwerke auftaucht. Sowohldas Klavier als auch das eben „neu erfundene“ Blas-instrument gestalten das musikalische Geschehen inüberraschend gleichwertiger Partnerschaft und aufhöchstem spieltechnischen und kompositorischenNiveau.Das Stück wurde 2003 von Nikolaj Tarasov beiFriedrich Hofmeister FH 2842 für Sopranblockflöte& Klavier im Erstdruck herausgegeben und 2005bei AURA auf CD eingespielt.

Nikolaj Tarasov

Verwendetes Melodieinstrument: ComplicierterCsakan in as’ von Franz Schöllnast, Pressburg (1775– 1844) aus dunkelbraun gebeiztem Buchsbaumund Palisander, mit Stimmzug, 5 Messingklappenmit Ventil-Bleipolstern. Sammlung Aeon WorkshopCollection.

Musikalische Eröffnung Freitag, 5. Mai 2006

Rudolph Erherzog von Österreich

Philippe MusardSeit den 1830er Jahren fanden in den Pariser Som-mer- und Herbstmonaten viele Freiluftkonzerte statt.Außer Massenveranstaltungen mit großen Orchesternwurden auch viele kleinere Konzerte abgehalten,meist in Verbindung mit Tanz und Erfrischungen. Da-bei wurden vor allem Arrangements bekannter Opern-melodien als Populartänze dargeboten sowie Militär-musik und virtuose Soli, Fantasien und Variationsstücke.Die Leiter dieser Ensembles waren auch gleichzeitigdie Arrangeure der Musik. Einer der ersten Chefsdieser Konzerte war Philippe Musard (1792 –1859), Geiger und Komponist leichter Musik, welcherals „Paganini des Tanzes“ und „König der Quadrille“auch ein gefeierter Orchesterleiter der Pariser Bällewar. Musards Orchester von etwa 40 Musikern warbekannt für seine Präzision, seine nuancierte Ge-staltung und beschäftigte einige der besten PariserMusiker. Gespielt wurden Ouvertüren von Mozart,Weber und Rossini, seltener sinfonische Sätze und,immer häufiger, Quadrillen, Walzer und Galoppsvon Musard.

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Manfredo Zimmermann, 1952 in BuenosAires geboren, legte sein Konzertdiplom mit Auszeich-nung an der Hochschule in Graz ab. Anschließendstudierte er an der Schola Cantorum Basiliensis undbelegte Kurse bei Nikolaus Harnoncourt und BartholdKuijken. Nach Lehrtätigkeiten in der Schweiz, u. a.an der Berufsschule des Konservatoriums in Bern,wurde er 1987 Professor an der MusikhochschuleKöln/Wuppertal. Er ist Dozent bei zahlreichen Kursenim In- und Ausland und seit 2002 Leiter einerAusbildungsklasse an der BundesakademieTrossingen. Er konzertiert als Block- und Traversflötistmit namhaften Ensembles und Dirigenten wie ConcertoKöln, Akademie für Alte Musik Berlin, Les amis dePhilippe, Musica Antiqua Köln, dem StuttgarterBarockorchester, René Jacobs und Ludger Rémy.Zimmermann ist Autor mehrerer Unterrichtswerke fürdie Blockflöte sowie Herausgeber zahlreicherKompositionen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Jean-Baptiste-Joseph Tolbecque aîné (1797– 1869) leitete in einem der großen Cafés und imJardin du Tivoli ebenfalls erfolgreich eine Kapellevon 40 Mann.

Bosisio (gestorben 1858) war „Chef d’Orchestredes Concerts et Bals Montesquieu“.

In den meisten Tanzorchestern spielte das fran-zösische Flageolet die Hauptmelodie. In ver-schiedenen Kompilationen wurden die populärenStücke gedruckt, meist für Klavier mit Begleitungeiniger Melodieinstrumente, deren Besetzung variierenkonnte.Die Contredanses & Valses für den Salon-gebrauch wurden als Folge aus zeitgenössischenPariser Drucken neu zusammengestellt und erklingenin diesem Konzert erstmals wieder.

Nikolaj Tarasov

Verwendetes Melodieinstrument: FranzösischesBoehm-Flageolet in a’’ von Buffet & Crampon, Parismit der Seriennummer 194U (gebaut um 1894) ausGrenadill mit Ringklappen und aus Maillechort undPerlmuttpipette. Sammlung Aeon Workshop Collec-tion.

Musikalische Eröffnung Freitag, 5. Mai 2006

Jean-Baptiste-Joseph Tolbecque aîné

Bosisio

Manfredo Zimmermann

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Die „Moderne Altblockflöte“ und die „ModerneSopranblockflöte“, entwickelt für die Conrad Mollen-hauer GmbH in Fulda, werden heute von führendenBlockflötensolisten verwendet. Tarasov ist in weiterenEntwicklungen und Beratungen für die Firma Mollen-hauer sowie als Beiratsmitglied der StiftungMollenhauer tätig.Er konzertiert als Instrumentalsolist im In- und Ausland,u. a. mit Michala Petri und Claudio Abbado.Aufnahmen auf CD, für Funk und Fernsehen liegenvon ihm vor, auch mit eigenen Arrangements undKompositionen. Tarasov wirkt als Kurs- und Seminar-leiter sowie als Dozent der Blockflöten Online-Akademie.Als Herausgeber seltener Blockflötenmusik und musik-wissenschaftlicher Publikationen mit dem Schwerpunkt„Blockflöte im 19. Jahrhundert“ hat er sich beiverschiedenen Verlagen und Fachzeitschriften einenNamen gemacht. Er ist Redakteur bei der Block-flötenzeitschrift „Windkanal“ und Co-Autor bei derfür Yale University Press erscheinenden Blockflöten-Enzyklopädie.

Nikolaj Tarasov wurde 1967 in Kranj/Sloweniengeboren und studierte in europäischen KulturzentrenKunst und Musik. Er diplomierte im KonzertfachBlockflöte sowie in Komposition. Studien imBlockflötenbau bei Joachim Paetzold in Tübingen.Aufbau und Restauration der Aeon WorkshopCollection, einer Sammlung einzigartiger historischerOriginalblockflöten.In Zusammenarbeit mit namhaften Herstellern gilt erheute als Initiator des modernen Blockflötenbaus.

Musikalische Eröffnung Freitag, 5. Mai 2006

Nikolaj Tarasov

Monika Scholand erhielt ihren ersten Quer-flötenunterricht mit 14 Jahren. Sie studierte Flöte beiProf. Paul Dahme an der Musikhochschule Frankfurtam Main und Traversflöte bei Prof. Karl Kaiser,ebenfalls in Frankfurt. Beide Studienfächer schlosssie „mit Auszeichnung“ ab. Zusätzlich studierte sieBlockflöte bei Prof. Michael Schneider. Bereits nachwenigen Monaten Unterricht wurde sie 2002 mitder Traversflöte Preisträgerin beim InternationalenTelemann-Wettbewerb in Magdeburg. 2005 gewannsie den Internationalen Händel-Wettbewerb in Halle.Sie wirkte bei mehreren CD-Produktionen mit und istkonzertierend und pädagogisch tätig.

Monika Scholand

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Barocksaal11.45 Uhr REFERATE

Ralph-Jürgen Reipsch,Magdeburg (Deutschland)Zur Rezeption von Telemanns Kompositionen für Traversflöte im Umfeld von Quantz – Neues aus dem Notenarchiv der Sing-Akademie zu Berlin

Manfredo Zimmermann,Wuppertal (Deutschland)Flötensprache und Klangästhetik im mitteldeutschen Raum. Besonderheiten der Artikulation und französischer Einfluss in der Phrasierung

13.00 Uhr Mittagspause

Barocksaal15.00 Uhr REFERATE

David Lasocki, Bloomington (USA)Lessons from inventories and purchases of flutes and recorders,1650 to 1800

Monika Lustig, Michaelstein (Deutschland)Block- und Querflöten in der Musikinstrumentensammlung Michaelstein

Stallgebäude/Haus VI16.15 Uhr Kaffeepause

Öffnung der Verkaufsausstellung

Freskosaal16.45 Uhr REFERAT MIT MUSIKALISCHEN

DEMONSTRATIONENNikolaj Tarasov,Stuttgart/Reinach (Deutschland/Schweiz)„... vor einem sehr zahlreichen Publicum gegeben.“ –Blockflötenkultur zwischen 1750 und 1850 wider die Vergessenheit

Tagungsablauf Freitag, 5. Mai 2006

J. M. Hotteterre, Exemple Flattement

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18.00 Uhr Abendpause

Freskosaal19.30 Uhr REFERAT MIT MUSIKALISCHEN

DEMONSTRATIONENDorothee Oberlinger,Salzburg/Köln (Österreich/Deutschland)Karsten Erik Ose,Köln (Deutschland)Versuch einer Analyse – Blockflöteninterpretationen von den Anfängen der historischen Aufführungspraxis bis heute

Anschließend Treffen der Tagungsteilnehmer im Klosterrestaurant „Cellarius“

Tagungsablauf Freitag, 5. Mai 2006

Blockflötist10

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Sonnabend, 6. Mai 2006

8.00 – 22.00 Uhr Öffnung des Tagungsbüros in der Rezeption

11.00 Uhr KaffeepauseÖffnung der Verkaufsausstellung

11.30 Uhr REFERATEHermann Jung,Mannheim/Neckargemünd (Deutschland)Die Flöte und die Tradition der Pastorale zwischen 1650und 1850

Dieter Gutknecht, Köln (Deutschland)Die Rolle der Flöte im Orchester bis um 1800

13.00 Uhr Mittagspause

Tagungsablauf Sonnabend, 6. Mai 2006

Freskosaal9.30 Uhr REFERATE

Rachel Brown, London (Großbritannien)To breathe, or not to breathe in Cadenzas for Mozart –that is the question

Wilhelm Seidel,Neckargemünd/Leipzig (Deutschland)„Silberglöckchen und Zauberflöte“ – Über die Macht der Instrumente in Mozarts Oper

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Aufstellung von Orchester und Chor zuHändels „Messias“, Berlin 1786

Tagungsablauf Sonnabend, 6. Mai 2006

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Johann Georg Ziesenis,Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz (1757)

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Freskosaal15.00 Uhr REFERATE

Peter Reidemeister, Basel (Schweiz)The Song Tunes for the Flute – Unterhaltung oder Etüde?

Carsten Hustedt, Karlsruhe (Deutschland)Die Flötenkonzerte von Georg Metzger und ihre Einordnung in die Entwicklung der Mannheimer Schule

16.30 Uhr KaffeepauseÖffnung der Verkaufsausstellung

17.00 Uhr

REFERAT

18.00 Uhr Abendpause

Refektorium19.30 Uhr KONZERT

Flöten-HarmonienKonzerte für Flöte und Orchestervon Georg Philipp Telemann, Antonio Vivaldi, Johann MelchiorMolter, Wolfgang Amadeus Mozart, Theobald Boehm

Cappella ColoniensisDorothee Oberlinger – BlockflötenKonrad Hünteler – Historische Querflöten Rachel Brown – Historische Querflöten

Anschließend Treffen der Tagungsteilnehmer im Klosterrestaurant „Cellarius“

Ute Omonsky, Michaelstein (Deutschland)Die Flöte als Adelsinstrument in der ResidenzSchwarzburg-Rudolstadt

Joachim Kremer, Stuttgart (Deutschland)Flötenmusik und Freundschaftskult im 18. undfrühen 19. Jahrhundert

Tagungsablauf Sonnabend, 6. Mai 2006

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KONZERTFlöten-HarmonienKonzerte für Flöte und Orchester

Georg Philipp Telemann (1681 – 1767)Konzert e-Moll für Blockflöte, Traversflöte, Streicher und B. c. (TWV 52:e1)Largo – Allegro – Largo – PrestoSolisten: Dorothee Oberlinger, Konrad Hünteler

Antonio Vivaldi (1678 – 1741)Concerto G-Dur für Flautino, Streicher und B. c. (RV 312R)Allegro molto – Larghetto – AllegroSolistin: Dorothee Oberlinger

Johann Melchior Molter (1696 – 1765)Concerto B-Dur für Flauto traverso d’amore, Streicher und B. c.Allegro – Adagio – AllegroSolist: Konrad Hünteler

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)Konzert D-Dur für Flöte und Orchester (KV 314)Allegro apero – Andante ma non troppo – AllegroSolistin: Rachel Brown

* * * * *Theobald Boehm (1794 – 1881)Polonaise de Carafa op. 8Adagio – PolonaiseSolistin: Rachel Brown

Theobald Boehm (1794 – 1881)Variations brillantes sur l’air allemand „Du, du liegst mir am Herzen“ op. 22Larghetto – Thema. Andantino – Variazione I – Variazione II – Variazione III –Variazione IV – Andante – AllegrettoSolist: Konrad Hünteler

Cappella ColoniensisKonzertmeister und Einstudierung: Gerhard Peters, Köln – Violine

Solisten: Dorothee Oberlinger, Köln/Salzburg – BlockflötenKonrad Hünteler, Münster – Historische QuerflötenRachel Brown, London – Historische Querflöten

PROGRAMM

Konzert Sonnabend, 6. Mai 2006

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Im Doppelkonzert von Telemann wird als Traversflöteeine Rottenburgh-Kopie von Rudolf Tutz (nach einemOriginal bei Barthold Kuijken) verwendet.

Das Konzert von Vivaldi erklingt in den Ecksätzenmit einem neuen Instrument, einer Sopranino-Blockflötein f´´, Buchsbaum, 415 Hz, nach historischen Vor-bildern, Nachbau von Ralf Ehlert.Der Mittelsatz wird mit einer Sopranino-Blockflöte inf´´, Elfenbein, ca. 415 Hz, Signatur: Perosa (imWimpel), Wien? Venedig?, ca. 1740 gespielt.(Eventuell stammt das Instrument aus dem Umfelddes um 1760 in Venedig lebenden Oboisten MarcoPerosa.) Freundliche Leihgabe von Guido Klemisch.

Der Flauto d’amore B, 415 Hz wurde von FlötenbauThomas Fehr, Stäfa (Schweiz) nach Stanesby gebautund für das Konzert von Molter zur Verfügung gestellt.

Für Werke Mozarts fertige Rudolf Tutz, Innsbruck,1992 eine Kopie einer Flöte von Grenser mit 4Klappen in Ebenholz, welche im Konzert erklingt.

Die Polonaise de Carafa wird auf einer originalenFlöte von August T. A. Knochenhauer aus Buchs-baum mit 8 Klappen, ca. 1830, interpretiert.

Für die Variationen über das Lied „Du, du liegst miram Herzen“ von Theobald Boehm verwendet KonradHünteler eine konische Ringklappenflöte von Bürger,Straßburg 1860.

Das Aufführungsmaterial der beiden Werke vonTheobald Boehm wurde freundlicherweise von LudwigBöhm aus seinem Theobald-Böhm-Archiv in Gräfelfingfür dieses Konzert zur Verfügung gestellt.

Die Cappella Coloniensis musiziert entsprechendder speziellen Konzertdramaturgie zu diesem Ta-gungskonzert ausnahmsweise in einer Veranstaltungin zwei unterschiedlichen Stimmtonhöhen, im erstenKonzertteil in 415 Hz und im zweiten Konzertteil in440 Hz.

Innerhalb der Entwicklung der Flöteninstrumentebegann am Ende des 17. Jahrhunderts die Traversflötemit ihrem breiteren Klangspektrum die Blockflöte ausder Kunstmusik zu verdrängen. Bis gegen Mitte des18. Jahrhunderts gehörte noch die Alterna-tivinstrumentation zur weit verbreiteten Praxis, undvereinzelt wurden Querflöte und Blockflöte von GeorgPhilipp Telemann, Johann Joachim Quantz oderJacques Loeillet gleichzeitig eingesetzt. Hubert LeBlanc schildert das Klangempfinden für beideInstrumente um 1740: „Die Querflöte hat männlicheHarmonie, weil sie in der Nähe hart klingt. Es istniemals angenehm, ganz nahe am Mundstück zusein. Ist man aber entfernt, so scheint ihr Ton rundund markig. Im Gegensatz dazu ist die Blockflötevon weiblicher Harmonie, zart und wohltönend inder Nähe, scheint sie Resonanz zu haben.“ DasKonzert zur Tagung möchte „Harmonien“ vonInstrumenten beider Flötenfamilien vereinen. Redaktion

Georg Philipp Telemann kombiniert in seinemDoppelkonzert e-Moll für Blockflöte, Tra-versflöte, Streicher und B. c. (TWV 52:e1)verschiedenartige Flöten als vollkommen gleich-berechtigte Soloinstrumente, denen der begleitendeStreicherapparat als weiterer konzertierender Partgegenübertritt.Der erste, dreiteilige Satz Largo lebt von seinenimprovisatorischen Episoden in den Rahmenteilen.Der Mittelteil verzichtet auf den Generalbass, nurdie hohen Streicher begleiten das Figurenspiel derFlöten. Der zweite Satz Allegro wird zunächst vongroßen, aufwärtsgerichteten Intervallsprüngen undanschließenden Achtelbewegungen bestimmt. DiesesThema birgt viele Möglichkeiten für die Ausarbeitung– zuerst wird es imitiert, dann werden einzelneMotive abgesplittert, kontrapunktisch miteinandergekoppelt oder ausgesponnen. Streicherakkordeleiten den dritten Satz Largo ein, worauf die Blockflöteeine liedhafte Melodie vorträgt, die von der Querflöteaufgenommen wird. Von den Streichern zart begleitet,entwickelt sich zwischen den Soloinstrumenten einharmonischer Dialog.

Konzert Sonnabend, 6. Mai 2006

Georg Philipp Telemann

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Telemann ließ in einigen Werken rhythmische undharmonische Elemente einfließen, die er polnischenVolksmusikanten abgelauscht hatte. Auch im Prestodieses Doppelkonzertes verwendet er „volkstümliche“Intonationen als Bordunbass und kräftige, einfacherhythmische Motive, die ständig wiederholt werden.

Ute Poetzsch

In Antonio Vivaldis Flötenwerken nehmen diedrei Concerti per flautino RV 443, RV 444 und RV445 einen besonderen Platz ein. Ihre hohe Virtuosität,ihre gebrochenen Arpeggien, auf- und absteigendenvirtuosen Läufe und idiomatischen Figuren erinnerneher an Vivaldis Violinkompositionen als an seineWerke für flauto, sei damit Querflöte oder Blockflötegemeint. Diese Concerti befinden sich heute als nieveröffentlichte Handschriften in der BibliotecaNazionale Universitaria von Turin.Die Bezeichnung flautino (kleines flauto) ist von denMusikologen heute ziemlich klar abgegrenzt worden.Die kleine Traversflöte war zu Vivaldis Zeiten in Italienkaum mehr benutzt, in anderen europäischen Ländernwie Frankreich und England jedoch besser vertreten.Auch das in Italien unter verschiedenen Namenverbreitete Flageolet (flautino, flautino alla francese,flasoletto) kann ausgeschieden werden, da Vivaldium 1720 in der Arie Di due rai languire costantezwei flasolet (Plural im venezianischen Dialekt) benutztund auch so bezeichnet hat: Warum hätte er diegleiche Bezeichnung sechs oder sieben Jahre späterfür eine kleine Sopranino-Blockflöte in f anwendensollen?Zudem unterscheidet sich die Sopranino-Blockflöte,wie sie in diesem Konzert gespielt wird, erheblichvon dem Flageolet (sechs Grifflöcher für das Flageo-let gegen acht für die Blockflöte, zwei Daumen-löcher für das Flageolet gegen eines für die Block-flöte). Wollte man heute das Gegenteil beweisen,so müsste man es fertig bringen, das eine oderandere dieser Concerti auf einem dessus de flûtetraversière, oder auf einem flagelet zu spielen, undauf diesen Gedanken wäre höchstens etwa einfranzösischer oder englischer Reisender in VivaldisVenedig gekommen.Schlägt man im Vivaldi-Katalog des MusikologenPeter Ryom (Ryom-Verzeichnis) nach, so findet mantatsächlich zuerst die für Querflöte gesetzten Konzerte

RV 426-440, dann die RV 441/442 für Altblockflöte,und schließlich die drei der Sopranino-Blockflötezugedachten Konzerte RV 443-445, davon zwei inC-Dur, das dritte in a-moll.Handelt es sich nun bei dem offensichtlich im Kata-log nicht aufgeführten Concerto in G-Dur für FlautinoRV 312R um eine „Entdeckung“, um ein „neues“und daher viertes Concerto P[er] Flautino del Vivaldi?In seinem Verzeichnis der Werke Antonio Vivaldis(1986) erwähnt Peter Ryom die Existenz einesConcerto in G-Dur für Violine RV 312, dessenOriginalmanuskript ebenfalls in Turin aufbewahrt ist.Er berichtet dabei von merkwürdigen, von Vivaldiam Werktitel angebrachten „Korrekturen“: ursprünglichliest man „Concerto P[er] Flautino“. Dann streichtVivaldi das Wort „Flautino“, ersetzt es durch ein(später wiederum gestrichenes) „2 violini“ (er dachtewohl an ein einziges Instrument für jede Begleitstimme),und schreibt endlich doch wieder „Flautino". DiesesWort wird in der Folge jedoch endgültig gestrichen!Ryom erwähnt auch „den [von Vivaldi] im erstenSatz beigefügten Hinweis Violino Principale in einerKorrektur an der Solostimme“, und bemerkt ferner,dass „die Handschrift im ersten Satz zweiKompositionskorrekturen enthält“.Die Einsicht der Autographs stellt klar: Vivaldi hattedieses Violinkonzert RV 312 ursprünglich als Concertoper flautino gesetzt, wobei sich die Solostimmetechnisch so schwierig erwies, dass der Komponistgegen Ende des ersten Satzes sein Vorhabenaufgeben musste. Die gestrichenen Stellen sindeindeutig von höherer musikalischer Qualität als dievon Vivaldi beigefügten Violin-Varianten: u. a. findetsich eine um einen Ton höher gesetzte Passage desKonzertes RV 445, was im verlangten Tempo höchsteAnforderungen an die Fertigkeit des Spielers stellt.Den Anfang einer „stratosphärischen“ Flöten-Kadenzhatte der Komponist gestrichen und durch eine fürdie Geige leichter spielbare, vollständigausgeschriebene ersetzt. Solche Kompositions-korrekturen können also keinesfalls errori dicomposizione (Kompositionsfehler) sein. Daraus lässtsich schließen, dass der gesamte erste Satz desConcerto per flautino RV 312R, abgesehen voneiner Kadenz, authentischer Vivaldi ist.In der neuen Ausgabe des Concerto G-Dur fürFlautino, Streicher und B. c. RV 312 wurden

Antonio Vivaldi

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Concerto B-Dur für Flauto traverso d’amor,Streicher und B. c. folgt deutlich italienischenVorbildern. Der Solopart enthält in den schnellenEcksätzen virtuose Spielfiguren und im langsamenSatz klangvolle und expressive Passagen. Die rechtseltene Flûte d’amour steht – ähnlich wie die häufigeranzutreffende Oboe d’amore – eine Terz tiefer alsdas Standardinstrument. Ihr Klang ist weicher, sanfterund leiser als der ihrer „normalen“ Schwester, waszu der Charakterisierung als „Liebesflöte“ führte.

Konrad Hünteler

in der Solopartie des zweiten (Larghetto) und dritten(Allegro) Satzes kleine Änderungen angebracht, dieOrchesterbegleitung aber vollständig beibehalten.Die vivaldischen Harmonien sind einfach zuanalysieren, aber die daraus hervorgehendeSchönheit und dramatische Spannung lässt sich nichtin Formeln einzwängen. Um sie bestmöglich zuerhalten, wurde die melodische Stimmführung desMittelsatzes Larghetto praktisch unverändert belassen.Paradoxerweise erzielt der dritte Satz Allegro, obwohlfür die Violine bestimmt, bei den Flötisten und ihremPublikum am meisten Erfolg! Hier sind vor allem inden arpeggierten Passagen die besten Lösungenversucht worden. Somit kann dieses Solo als dasvirtuoseste der authentischen oder wiedergewonnenenBarockliteratur für Blockflöte oder Querflöte gelten!Das „wiedergewonnene“ Concerto per flautino RV312R ist gegen 1727 entstanden. Es zeigt uns einenvorklassischen Vivaldi in seinen Reifejahren (1728– 1735). Der Eingangssatz Allegro molto bringt imVergleich zur Thematik der Tutti eine große Vielfaltin den Solopassagen zum Ausdruck. Im MittelsatzLarghetto wird der cantabile-Charakter der Flöte übereiner stark kontrastierten und originellen Orchester-begleitung hervorgehoben. Der Schlusssatz Allegrodes Concerto beruht auf einer einfachen, repetitivenFigur, die von der Sopranino-Blockflöte und ihrenunglaublichen Möglichkeiten kühn ausgenutzt wird.

Jean Cassignol (gekürzt)

Johann Melchior Molter (1696 – 1765)stammte aus der Gegend von Eisenach und trat imAlter von 21 Jahren in den Dienst des Markgrafenvon Baden-Durlach in Karlsruhe. Zwei Jahre späterwurde er mit vollem Gehalt auf eine Bildungsreisenach Italien geschickt. Später beauftragte ihn derMarkgraf mit der Gründung und Leitung einer„wohleingerichteten Capelle“. Bis zu seinem Todekurz vor Vollendung seines 69. Lebensjahres versaher, unterbrochen von einer Tätigkeit als Kapellmeisterdes Herzogs von Sachsen-Eisenach, sein mark-gräfliches Amt.Unter seinen Kompositionen fallen Werke für eherungewöhnliche Instrumente auf, neben Solokonzertenfür die „Flûte d’amour“ auch solche für Chalumeau,Harfe oder die ganz neue Klarinette. Das dreisätzige

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Johann Melchior Molter

Johann Melchior Molter,Federzeichnung von Pier Leone Ghezzi, Rom 1738

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Unter Wolfgang Amadeus Mozarts Bläser-musik, welche er ihm freundschaftlich verbundenenSolisten zu eigen komponierte, offenbaren seinewenigen Flötenwerke sein differenziertes Verhältniszur Flöte als Soloinstrument. Seine Entschuldigungfür einen langsamer als erhofft erfüllten Kompo-sitionsauftrag prägte seine Widerwilligkeit derNachwelt ein: „dann bin ich auch, wie sie wissen,gleich stuff wenn ich immer für ein instrument,das ich nicht leiden kan, schreiben soll“, bekannteer am 14. Februar 1778 aus Mannheim gegenüberseinem Vater. In dieser Zeit, während einer Reisenach Mannheim und Paris, sollte er seit Ende 1777für Ferdinand Dejean „3 kleine, leichte, und kurzeConcertln und ein Paar quattro auf die flöttemachen“. Im Hause des Flötisten Johann BaptistWendling hatte Mozart in Mannheim den reichenHolländer, weltgereisten Arzt und FlötenliebhaberDejean (1731 – 1797) kennen gelernt. Gemessenan der Erfüllung des Auftrages scheint schließlichdie Zahlung Dejeans von weniger als der Hälftedes vereinbarten Honorars nur verständlich: Mozarthatte sich vermutlich intensiver seiner erwachtenHingabe zur Sängerin Aloysia Weber als dieserunliebsamen Kompositionsarbeit gewidmet undwar seinerseits seinem Auftraggeber einigesschuldig geblieben. So vollbrachte der 22-jährigeKomponist lediglich eines der Quartette (KV 285),das Konzert für Flöte und Orchester in G (KV 313)und das Andante für Flöte und Orchester in C(KV 315).Entstandener Zeitmangel ließ ihn gar das drittebeauftragte „Concertl“ aus einem Oboenkonzertumarbeiten – aus dem Salzburger Oboenkonzertin C (KV 314) gewann er das Konzert für Flöteund Orchester in D (KV 314). Möglicherweiseübergab er das Material dafür sogar einem Kopistenzur Abschrift und notierte selbst allenfalls nurwenige Korrekturen zur Flötenstimme oder demOrchesterpart, ohne mögliche hohe Lagen der Flötegänzlich auszunutzen. Das von Mozart zu Grundegelegte Oboenkonzert hatte er wahrscheinlich imSommer, jedenfalls vor seiner Abreise aus Salzburgam 22. September 1777, für den aus Bergamostammenden Oboisten Giuseppe Ferlendis ge-schrieben, welcher im Frühjahr gleichen Jahres in

die Salzburger Fürsterzbischöfliche Hofkapelleeingetreten war. Auch in Mannheim wurde es dannwiederholt und gern aufgeführt.So präsentiert sich auch das in die Flötenfassungtransponierte Konzert D-Dur für Flöte und Orchesterals unterhaltsames Werk, kantabel und spielfreudig.Im Allegro aperto fließt eine „offenherzige“Leichtigkeit in fortgesponnenen, variierten oderkombinierten poetischen Ideen, auch die Flöteentfaltet ihren Part mit dem synkopischen Haupt-thema aus dem thematischen Kontext mit demOrchester. Das Soloinstrument scheint im zweitenSatz Adagio ma non troppo, ebenfalls mit impro-visierter Kadenz, aus einer ernsteren Orchester-einleitung in lieblich-verhaltene Träumerei zu führen.Mit einem Rondo Allegro, dessen Hauptthema Mo-zart später für die Arie der Blonden Welche Wonne,welche Lust in sein Singspiel Die Entführung ausdem Serail übernahm, klingt das Konzert aus.Ob das Flötenkonzert zu seiner Zeit überhaupt ge-spielt wurde, ist fraglich – der Auftraggeber Ferdi-nand Dejean hatte es bei seiner Abreise nach ParisMitte Februar 1778 in Mannheim liegen gelassen.

Ute Omonsky

Der Flötenbau war in den 1820er Jahren durchständige Weiterentwicklung eines bewährtenSystems in einem Stadium angelangt, in dem mandas Instrument in allen Tonarten mit relativausgewogenem Klang und gleichmäßiger Laut-stärke spielen konnte, allerdings für den Preis einerrecht unhandlich und kompliziert gewordenenGrifftechnik. Ein sinnvolles neues System verlangtenach einer kompletten Neukonstruktion. Dazu aberbedurfte es eines genialen Kopfes mit universalerBildung, der unbelastet war von den hand-werklichen Prägungen und den überlieferten Denk-modellen des Flötenbauerhandwerks.Nur ein Mann, der gleichzeitig über eine Reihehöchst unterschiedlicher Begabungen verfügte,konnte der Entwicklung des Flötenbaus im 19.Jahrhundert den erstaunlichen Verlauf geben, derzu dem Instrument führte, das wir heute als diemoderne Flöte oder Boehmflöte kennen. Zunächsteinmal konnte natürlich nur ein Flötist, der seinInstrument bis in dessen letzte Geheimnisse hinein

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Wolfgang Amadeus Mozart

Theobald Boehm

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op. 18, entstand bis 1831, also bevor er begann,mit dem Griffsystem und der Weiterentwicklungdes Flötenbaus zu experimentieren. Interessan-terweise hat er solche Flöten auch noch lange nachder Entwicklung der konischen Ringklappenflötevon 1832 gebaut.Die Polonaise de Carafa op. 8 entstand füreine solche Flöte alter Konstruktion 1825; als Vor-lage diente die Cavatina alla Polacca De sdegnituoi mi rido aus der Oper Adele di Lusignano vonMichele Carafa de Colobrano (1817). Eine LondonerKritik über ein Konzert Boehms im Jahre 1831bezeichnet die Polonaise als „brilliant and popular“.Nach längeren Versuchen, die Konstruktion desInstrumentes zu verbessern, gelangte Boehm 1831zu der „Ueberzeugung ..., dass ohne totaleAbänderung des Griffsystems keine wesentlicheVerbesserung meines Instrumentes erzielt werdenkönne“. Hierbei wirkte sich besonders glücklichder Umstand aus, dass Boehm eben nicht gelernterInstrumentenbauer war und deshalb unbelastetvon bewährten Traditionen an die Lösung offen-sichtlicher Probleme heran gehen konnte. SeineSicht war unbefangen und damit offen für neueAnsätze. So entschloss er sich, „Zeit und Mühe aufdie Construction und Einübung einer ganz neuenFlöte zu verwenden, auf welcher, bei möglichstreiner Intonation, Gleichheit und Fülle des Tones,zugleich durch einen zweckmässigen Mechanismusdie reine Ausführung jeder musikalischen Figurmöglich wird. Nachdem ich verschiedene Bohrungs-Verhältnisse genau untersucht, mehrere Griff-systeme entworfen und ausgeführt - ja sogar schoneingeübt hatte(!), wählte ich zur Constructionmeiner neuen Flöte das von mir noch vor Ende desJahres 1831 entworfene und gegenwärtig sehrbekannte Griffsystem mit Ringklappen als das, allenAnforderungen am meisten Entsprechende.“Über das so entstandene Instrument schrieb dieAllgemeine Musikalische Zeitung 1834: „Th. Boehmhat endlich der Flöte in ihrem mechanischen Baueeine Vollendung gegeben, die lange ersehnt warund die diesem immer kränkelnden Instrumenteeinen Platz neben den vollkommensten Blasinstru-menten jeder Art verschafft hat.“ Anton BernhardFürstenau dagegen, der große Flötenvirtuose deralten Schule, war anderer Meinung; er fand, „daß

beherrschte, überhaupt erst das Bedürfnis ver-spüren, dieses Instrument zu verändern. Anderer-seits war nur ein Naturwissenschaftler, der dieAkustik der Blasinstrumente genauestens verstand,in der Lage, die theoretische Grundlage für dieKonstruktion einer neuen Flöte zu entwickeln. Undnur ein geschickter und erfahrener Flötenbauerkonnte das in der Theorie konzipierte Instrumentin der Praxis erschaffen. Darüber hinaus konntenur ein tüchtiger Goldschmied, der mit denGeheimnissen der Metallverarbeitung und denTechniken der Feinmechanik bestens vertraut war,auf die Idee kommen, Flöten aus Silber mit Mund-lochplatten aus Gold und einem hochempfindlichenund komplizierten Klappenmechanismus zu fer-tigen. Und schließlich war nur wieder der erfahreneFlötist – um den Kreis zu schließen – imstande, dieerstaunlichen Möglichkeiten des neuen Instru-mentes in der Praxis zu erproben, sie überzeugendvorzuführen und einem größeren Publikum bekanntzu machen. Dass Theobald Boehm (1794 –1881) alle diese Fähigkeiten in sich vereinte, istwohl der einmalige Glücksfall, dem die Flötistendie rasante Entwicklung des Flötenspiels und derFlötenmusik verdanken. Und dass Boehm überdiese ungewöhnliche Kombination verschie-denartigster Talente hinaus auch noch ein talen-tierter Komponist war, macht ihn zu einem musika-lischen Allroundgenie von absolutem Aus-nahmerang.Es ist zwar weitgehend bekannt, dass die Ent-wicklung der modernen Boehmflöte in mehrerenSchritten mit teilweise erheblichen zeitlichenAbständen erfolgte; dass die verschiedenen Formender Flöte, zu denen Boehm dabei gelangte, jedochin sich durchaus „fertige“ Instrumente mit sehrcharakteristischen Qualitäten waren, wird ausheutiger, stark vereinfachender Sicht im allgemeinenviel zu wenig zur Kenntnis genommen.Boehm machte auf mehrklappigen Instrumentenalter Konstruktion als Flötist Karriere und gelangtezu europäischer Berühmtheit – nachdem er quasials 'Seiteneinsteiger' zum Flötenspiel und zumFlötenbau gekommen war: Zunächst hatte er eineLehre als Goldschmied absolviert und erfolgreichden väterlichen Betrieb weitergeführt. Die Hälftevon Boehms Kompositionen, bis einschließlich des

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man ein anderes Instrument als Flötezu hören glaubt.“ Damit nahm erbereits den Kern jener Kritik vorweg,die sich 15 Jahre später gegen dierevolutionäre Umgestaltung der ko-nischen Flöte zur zylindrischenSilberflöte richten sollte.Auf einer solchen konischen Ring-klappenflöte werden die Variationsbrillantes sur l’air allemand„Du, du liegst mir am Herzen“op. 22 aus dem Jahre 1838 gespielt.Über ein Konzert Boehms mit diesemStück schrieb ein Kritiker 1843: „Einenwahren Jubel rief Boehm’s Zauber-flöte hervor. Wie sich das liebe, ge-mühtliche ‚du, du liegst mir imHerzen’ in solcher sinnigen und dochwieder Bravourkühnen Behandlungin jede lauschende Menschenseelehineinschmiegte! Könnte man sichnur solch eine zarte musikalische Dichtung gleichim Anhören in ein Album hineinschreiben, daswäre eine immergrüne duftige Erinnerung für dasganze Leben!“Später, 1847, gelingt Boehm der entscheidendeSchritt zur Konstruktion der zylindrischen Flöte,die seitdem seinen Namen trägt und die wir nochheute die „moderne“ Flöte nennen.Die geniale Leistung Theobald Boehms wird alsVoraussetzung und Basis der faszinierendenEntwicklung anerkannt, die Flötenmusik und Flöten-spiel im 20. Jahrhundert genommen haben. Undseine Musik ist zu jeder Zeit und in jedem Stadiumvon enormem Klangsinn, tiefem musikalischemAusdruck, unbändiger Spielfreude und zirzensischerLust an der Virtuosität geprägt.

Konrad Hünteler (gekürzt)

Theobald Boehm um 1829

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Konrad Hünteler erhielt seine Ausbildung beiHans-Jürgen Möhring, Günther Höller, Aurèle Nico-let und Hans-Martin Linde. Als Soloflötist konzer-tierte er im Collegium aureum, in der CappellaColoniensis, bei den London Classical Players undim Orchester des 18. Jahrhunderts.Seit 1991 ist er künstlerischer Leiter der Cameratades 18. Jahrhunderts. Seine kammermusikalischenAktivitäten führten ihn u. a. mit Anner Bylsmaund Bob van Asperen zusammen. Seit 1979 nimmtKonrad Hünteler eine Professur für Flöten-instrumente an der Musikhochschule Detmold,Abt. Münster wahr.

Dorothee Oberlinger wurde 1969 in Aachengeboren, studierte zunächst Schulmusik undGermanistik in Köln, dann Blockflöte in Amsterdamund Mailand. 1997 war sie Siegerin des inter-nationalen Wettbewerbs „Moeck“ UK/SRP inLondon und gab dort ihr Solodebut in der renom-mierten Wigmore Hall. Es folgten weitere Stipen-dien, Preise und Auszeichnungen. Neben ihrerArbeit mit dem 2002 gegründeten Ensemble 1700arbeitet sie als Solistin regelmäßig mit führendeninternationalen Ensembles wie London Baroque,Musica Antiqua Köln und den Sonatori de la GioiosaMarca und konzertiert in Europa, Amerika undAsien. Für das deutsche Label marc aurel editionhat Dorothee Oberlinger bisher 7 CDs, die von derinternationalen Presse mit Höchstnoten ausge-zeichnet wurden, eingespielt.Dorothee Oberlinger ist Dozentin zahlreicherinternationaler Meisterkurse (Aspecte, Sommer-akademie Neuburg a. d. Donau, JAL Institute Tokyo,Royal Academy London u. a.) und seit 2004Professorin am Mozarteum Salzburg.

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Dorothee OberlingerKonrad Hünteler

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Seit sie den ersten Preis bei dem American NationalFlute Competition gewonnen hatte, wurde RachelBrown für ihre Vielseitigkeit auf modernen undhistorischen Querflöten und Blockflöten bekannt.

Sie spielte Soloflöten mit der Academyof Ancient Music, The Hanover Band,The King’s Consort und vielen vonLondon ausgehenden Ensembles mithistorischen Instrumenten.Sie hat viele Konzerte in Europa,Amerika, Kanada und Japan gegeben,zuletzt an London’s Wigmore HallTelemanns Konzerte sowohl fürQuerflöte als auch für Blockflöte mitder Academy of Ancient Music undMozarts Flötenkonzert in D mit demOrchestra of the Age of Enlightenmentin Lettland und Estland aufgeführt. Sieerscheint auch als Solistin mit derAcademy of Ancient Music amConcertgebouw in Amsterdam undbei den 2006 BBC Proms.Browns Soloaufnahmen umfassen dreiRecitals mit französischer Barockmusik,Sonaten von Quantz und Werke vonSchubert und Boehm für ChandosRecords sowie Aufnahmen mit Flö-tenkonzertenvon C. P. E. Bach undQuantz für Hyperion. Mit den LondonHandel Players veröffentlichte sie einehoch anerkannte Schallplatte vonHändels Triosonaten op. 5; eine zweitePlatte „Handel at Home“ mit Arrange-ments von Händel-Arien aus dem 18.Jahrhundert erscheint im Frühjahr 2006.Rachel Brown ist Professorin für barockeFlöten am Royal College of Music in

London und gibt Meisterkurse in den USA, Kanada,Neuseeland und Europa. Sie ist Autorin desCambridge Handbuchs The Early Flute und ver-öffentlichte Kadenzen von Mozarts Flötenkonzertenfür die neue Bärenreiter-Edition.

Rachel Brown

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ordentlich harmoni-sche Zusammenarbeitin die Wahl BrunoWeils zum Künstle-rischen Leiter durchdie Musikerinnen undMusiker der Cap-pella. Jüngstes Ergeb-nis der gemein-samenArbeit ist die CD-Veröf-fentlichung einer kon-zertanten Aufführungin der Essener Phil-

harmonie vom Juni 2004, der Erstfassung desFliegenden Holländers von Richard Wagner, dievon den Medien als sensationelle Einspielung gefeiertwird.Nach 50 Jahren unter der Schirmherrschaft des West-deutschen Rundfunks präsentiert sich die CappellaColoniensis beim Aufbruch in die neue Ära derSelbständigkeit als junges und innovatives Orchester,dessen Ziel es ist, die Kompositionen der Barockzeit,vor allem aber auch die Meisterwerke der Zeit derKlassik und Romantik musikinteressierten Menschenin aller Welt auf höchstem Niveau nahe zu bringen.

Die Cappella Coloniensis ist ein Orchester derhistorischen Aufführungspraxis; es ist ihr Ziel, dieKompositionen so zu Gehör zu bringen, wie sienach dem Willen und den Vorstellungen desKomponisten zur Zeitihrer Entstehung ge-klungen haben. Siewar mit ihrem Debutim Jahre 1954 daserste Orchester welt-weit, das im Sinnedieser historischenAufführungspraxis mu-sizierte.Die Anfangsjahre wa-ren bestimmt von derSuche nach Musiker-innen und Musikern,die bereit waren, sich mit der neuen Spielweise aus-einanderzusetzen. Ein entsprechendes Instrumentariummusste angeschafft werden und es galt, das Publikuman neue Klänge alter Musik zu gewöhnen.In den 60er und 70er Jahren folgten Konzerttourneenin alle Welt. In der UdSSR, im Nahen und FernenOsten, in Japan wie in Europa und Nord- undSüdamerika wurde die Cappella als BotschafterinDeutschlands und ihrer Heimatstadt Köln begeistertaufgenommen und gefeiert.Mit Opernaufnahmen von Rossini Anfang der 80erJahre, bei denen so bedeutende Sänger wie FiorenzaCossotto und Franzisco Araisa mitwirkten, wurdeunter der Leitung von Gabriele Ferro ein erster Ausflugin die Romantik gewagt.Von den bedeutenden Dirigenten, die im Laufe der50 Jahre ihres Bestehens am Pult der CappellaColoniensis standen, seien u. a. Ferdinand Leitner,William Christie, John Elliot Gardiner, John Rifkin,René Jacobs und Hans Martin Linde genannt. Seit1997 dirigiert immer häufiger Bruno Weil. Mit ihmwurde die Cappella zweimal mit dem Echo-Klassik-Preis der Deutschen Schallplattenindustrie aus-gezeichnet. Es entstanden mit Bruno Weil weithinbeachtete CD-Aufnahmen der Weber-Opern DerFreischütz und Abu Hassan sowie der Oper Endimionevon Johann Christian Bach. Schließlich mündete diekünstlerisch so erfolgreiche und menschlich außer-

Cappella Coloniensis

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Sonntag, 7. Mai 2006

8.00 – 16.00 Uhr Öffnung des Tagungsbüros in der Rezeption

Freskosaal9.00 Uhr REFERATE

Gisa Jähnichen,Frankfurt am Main / Berlin (Deutschland)Flötenmusik im interkontinentalen Kulturtransferzwischen 1650 und 1850

Klaus-Peter Koch,Bergisch Gladbach (Deutschland)"... der feinere Geschmack am Clavier, auf der Violin, Travers-Flöte und Waldhornen": Deutsche Flötisten und Flötenmusikim Russland des 18. Jahrhunderts

10.30 Uhr KaffeepauseÖffnung der Verkaufsausstellung

11.00 Uhr REFERATEHartmut Krones, Wien (Österreich)Zu den Wiener Flötenkompositionen desfrühen 19. Jahrhunderts

Konrad Hünteler, Münster (Deutschland)Die Folgen von Theobald Boehms Flötenbau fürRepertoire und Spielpraxis

12.30 Uhr Schlusswort

– Änderungen vorbehalten –

Konische Boehmflöte (1832er Modell)

Tagungsablauf Sonntag, 7. Mai 2006

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Ralph-Jürgen ReipschZur Rezeption von Telemanns Kompo-sitionen für Traversflöte im Umfeld vonQuantz – Neues aus dem Notenarchivder Sing-Akademie zu Berlin

Telemanns vielfältige Beziehungen zu den musi-kalischen und literarischen Kreisen Berlins sindbereits Gegenstand von Einzeluntersuchungengewesen. Neufunde im Notenarchiv der Sing-Akademie bringen weitere Aspekte zutage, die aufein enges Beziehungsgeflecht zwischen Telemannund Quantz hinweisen sowie die rege Rezeptionder Telemannischen Musik für Traversflöte in BerlinerMusikerkreisen dokumentieren.

Ralph-Jürgen Reipsch:Studium der Musikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 1984 bis 1986Mitarbeiter der Kultur- und ForschungsstätteMichaelstein, ab 1986 WissenschaftlicherMitarbeiter am Zentrum für Telemann-Pflege und-Forschung Magdeburg. Veröffentlichungen zuGeorg Philipp Telemann und Johann Heinrich Rolle,diverse Editionen von Werken Telemanns und Rolles,Bandbearbeiter der Telemann-Ausgabe (derzeit inVorbereitung: Trauermusik auf August den StarkenTVWV 4:7); Konzipierung und Leitung derAusstellung Telemann und Frankreich – Frankreichund Telemann 1998 in Magdeburg; Vorwort zurMikrofiche-Ausgabe der Telemann-Bestände desNotenarchivs der Sing-Akademie zu Berlin (2003);Herausgeber der bisher unbekannten FlötenduetteTelemanns aus dem Bestand der Sing-Akademiezu Berlin.

Manfredo ZimmermannFlötensprache und Klangästhetik im mittel-deutschen Raum. Besonderheiten derArtikulation und französischer Einfluss inder Phrasierung

Unzweifelhaft war der Einfluss der französischenFlötenbauer und -spieler zu Beginn des 18. Jahr-hunderts auch im mitteldeutschen Raum sehrverbreitet. Nicht zuletzt durch J. M. Hotteterres

Lehrwerk Principes de la flute und virtuose Spielerwie Pierre Gabriel Buffardin, der in Dresden dasFlötenspiel maßgeblich prägte (Quantz!) war eslange Zeit eine grundsätzlich französische Idiomatik,die das Spiel auf der Traversflöte charakterisierte.Wesentliche, gestaltende Spieltechniken wiebeispielsweise das Flattement oder das „jeu inégal“waren auch in Deutschland ausdrücklich verlangt.Leider werden diese zeitgenössischen Forderun-gen heutzutage von vielen Spielern nicht ernsthaftwahrgenommen.In diesem Vortrag sollen sowohl in theoretischerals auch praktischer Ausführung einige dieserAspekte anhand konkreter Beispiele erörtert unddemonstriert werden.

David LasockiLessons from inventories and purchasesof flutes and recorders, 1650 to 1800

To write the histories of the flute and the recorder,researchers have drawn on a number of types ofevidence: surviving instruments, music, treatises,biographical sources, iconography and belles lettres.A further type of evidence – listings of instrumentsmade by people of earlier time – has been usedmore selectively, although in recent years researcherssuch as Jan Bouterse and William Waterhouse haveused it to good effect. The author has been compi-ling a comprehensive listing of entries relating tothe members of the flute family in inventories,purchases, and advertisements from the period1630 – 1800 (to complement an already publishedlisting for 1380 – 1630). In looking at all survivingevidence of this type together in chronologicalorder, we can gain unique insight into a numberof aspects of flute and recorder history: Terminology– the variety of names for the instruments andtheir various sizes. Groupings of instruments (con-sorts and sets) as well as containers. The deve-lopment of instrumental design, from early Baroquetypes through late Baroque and Classical, includingmaterials. And finally, the existence and relativeimportance of instrument makers.

Abstracts

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Dr. David Lasocki:Head of Reference Services in the Cook MusicLibrary at Indiana University, USA. He holds a Ph.D. in musicology from The University of Iowa(1983), and his dissertation, Professional RecorderPlayers in England, 1540 – 1740, won the Distin-guished Dissertation Award of the Council of Gra-duate Schools in the United States (1984). As aresearcher, Lasocki has specialized in woodwindinstruments, their repertoire, performance practice,and social history. He has written or edited 13books, 100 scholarly articles, and 50 bibliographiesand bibliographic essays, and has published 100editions of 18th-century woodwind music.His book A Biographical Dictionary of English CourtMusicians, 1485 – 1714 (with Andrew Ashbee, etal., 1998) won the C. B. Oldman Prize. For the lasttwenty years he has published an annual reviewof research on the recorder (American Recorder,Tibia). The second edition of a book-lengthexpansion of that series of reviews, The Recorder:A Guide to Writings about the Instrument forPlayers and Researchers (with Richard Griscom),came out in 2003. He is working on a Web-basedcatalogue of early recorder music and writing ahistory of the recorder for Yale University Press(with Robert Ehrlich, Nicholas Lander, and NikolajTarasov). A native Englishman, he has lived in theUnited States for over 30 years.

Nikolaj Tarasov"... vor einem sehr zahlreichen Publicumgege-ben." – Blockflötenkultur zwischen1750 und 1850 wider die Vergessenheit

1. EinführungBlockflöteninstrumente waren im musikalischenKulturleben nach 1750 bis zur „Wiederentdeckungder Alten Musik“ keineswegs ausgestorben undspielten auch eine gewisse gesellschaftliche Rolle.Im Referat wird ein Überblick über die Block-flötenkultur im Zeitalter der Klassik und Romantikgegeben, in Form einer multimedialen Präsentation,bei welcher auch die relevanten Original-Instru-mente kurz zum Klingen kommen.

2. InstrumentenbauDargestellt werden die neuen nationalen Instru-mententypen (Wiener Csakan, Französisches undEnglisches Flageolet, herkömmliche Blockflöten)und der Wandel im Instrumentenbau nach 1800.Dies betrifft modellspezifische Abwandlungen:Bestückung mit Klappen bis zum Boehm-System,Vorrichtungen zur Feuchtigkeitsprävention,Verbesserungen in Stimmung, Volumen und Griff-weise durch Systematisierung der Mensur, Über-blashilfen, neue Baumaterialien etc. Die Instrumentewaren keine Einzelfälle, sondern weit verbreitet.3. AusübendeDarstellung unterschiedlicher nationaler Hoch-burgen, stets mit prägenden Virtuosen im Zentrumeines Kreises aus zuarbeitenden Komponisten undVerlegern, sowie einem großen Klientel von Ama-teuren. Aufzeigen des Repertoires, der Komponistenund der musikalischen Gattungen. Kennzeichender neuen musikalischen Praxis, auch des Bear-beitungswesens und des Virtuosentums. Nennungder wichtigsten Spieler in Zusammenarbeit mitInstrumentenbau-Werkstätten. Exemplarische Pres-semitteilungen und gesellschaftlicher Stellenwert.4. Zusammenfassung und AusblickSchilderung des tatsächlichen Niedergangs derklassisch-romantischen Blockflötenkultur gegenEnde des 19. Jahrhunderts und deren Unver-einbarkeit mit der Thematik der "Wieder-entdeckung Alter Musik" zu Beginn des 20. Jahr-hunderts. Damit verbunden waren bisher derenMissachtung bzw. marginale Betrachtung in derneuen Sekundärliteratur, im zeitgenössischenInstrumentenbau, im gegenwärtigen Konzertlebenund bei den Neueditionen, sowie in der heutigenMusikausbildung von Blockflötenspielern. Vorstelleneiniger behebender Perspektiven.

Dorothee Oberlinger; Karsten Erik OseVersuch einer Analyse – Blockflöteninter-pretationen von den Anfängen der histori-schen Aufführungspraxis bis heute

Das Referat untersucht anhand ausgewählter Bei-spiele die Veränderungen in der Spielweise von

Abstracts

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Blockflötisten in den letzten vier Jahrzehnten. Inwie-fern haben sich bei der Interpretation von barockerBlockflötenmusik Klangideal, Instrumentarium unddie Inhalte aufführungspraktischer Aspekte verän-dert? Was waren die Meilensteine, welche Inter-preten und welche Instrumentenbauer haben diegrößten Einflüsse ausgeübt? Was sind die gegen-wärtigen Tendenzen? Mit Präsentation von Schall-aufnahmen, historischen Blockflöten und modernenNachschöpfungen.

Dr. Karsten Erik Ose:Geboren 1968. Blockflötist, Musikwissenschaftlerund -journalist, studierte Musikwissenschaften,Kunstgeschichte und Germanistik an den Univer-sitäten Köln und Wien. Magisterexamen undPromotion „mit Auszeichnung“. Seit Gründungdes Ensembles „ornamente 99“ intensive Zusam-menarbeit mit Dorothee Oberlinger. Konzert-aktivitäten im In- und Ausland, Rundfunk-aufnahmen und CD Produktionen. Teilnahme anzahlreichen wissenschaftlichen Konferenzen –darunter auch im Kloster Michaelstein, Gastdozentzu Fragen der Aufführungspraxis Alter Musik andiversen Hochschulen, seit 2004 Lehrbeauftragteram Studiengang Historische Interpretationspraxisan der Frankfurter Musikhochschule.

Rachel BrownTo breathe, or not to breathe in Cadenzasfor Mozart – that is the question

Contrary to the widely held eighteenth-centuryview that cadenzas for wind concertos should beperformed in one breath, Rachel Brown suggeststhat, in Mozart, at least, the taking of breath(s)was an almost obligatory part of expressivedeclamation.

Wilhelm Seidel„Silberglöckchen und Zauberflöte“ – Überdie Macht der Instrumente in Mozarts Oper

Die Macht und der Zauber der Instrumente, diedie Königin der Nacht Tamino und Papageno

übergeben läßt, ist ein wichtiges Motiv derOpernhandlung. Schikaneder und Mozart führenes früh ein und halten es bis zum Ende präsent.Noch den Sieg im letzten, schwersten Gang, denPamina und Tamino gehen müssen, stilisieren siezu einer Tat der Zauberflöte. Mit dem Motivmobilisieren sie ein Stück der Wirkungsästhetik,der ältesten und fundamentalen Musikästhetik,einer Ästhetik, die im Mythischen und Märchen-haften wurzelt. Dies ist schon an sich verwunderlich;denn sie trägt zur Erklärung von Mozarts Musiknichts Wesentliches bei. Es ist fast abstrus, wennman auf die Ideen sieht, die die Autoren in derOper zur Geltung bringen, Ideen, die wohl utopisch,nicht aber märchenhaft sind. So stellt sich die Frage:Warum kehren die Autoren dieses Motiv sounübersehbar hervor? Dieses Essay rätselt daranherum.

Prof. Dr. Wilhelm Seidel:Geboren 1935; Studium der Musik, Musik-wissenschaft und Geschichte an der StaatlichenHochschule für Musik in Freiburg i. Br. sowie anden Universitäten Freiburg i. Br. und Heidelberg.1962 Staatsexamen. 1966 Promotion in Heidelbergmit der Dissertation Über die Lieder Ludwig Senfls.1973 Habilitation in Heidelberg mit der SchriftÜber Rhythmustheorien der Neuzeit. 1965 Wissen-schaftlicher Assistent, 1975 Universitätsdozent,1980 Professor an der Universität Heidelberg, 1982Professor an der Universität Marburg. Seit 1993Professor an der Universität Leipzig. Haupt-arbeitsgebiete: Geschichte der Musiktheorie und-ästhetik, Musik des 18. und 19. Jahrhunderts.

Hermann JungDie Flöte und die Tradition der Pastoralezwischen 1650 und 1850

Die Semantik der Flöte als Einzelinstrument, imEnsemble wie durch ihren Klangcharakter ist in dereuropäischen Musik ganz überwiegend vomliterarisch-musikalischen Topos der Pastoralebestimmt. Ausgehend von antiken Text- undBildquellen wird ein Traditionszusammenhangdes ursprünglichen Hirteninstruments von der

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Renaissance-Musik bis gegen Mitte des 19. Jahr-hunderts hergestellt, der sich einmal in musik-theoretischen und -ästhetischen Aussagen, zumanderen in konkreten Kompositionen unter-schiedlicher Gattungszugehörigkeit zeigt. DieKantaten Johann Sebastian Bachs und Opern- undOratorienwerke Georg Friedrich Händels werdendabei besonders in den Blick genommen.

Prof. Dr. Hermann Jung:Geboren 1943 in München, Musikhistoriker.Studium der Schulmusik, Germanistik und Musik-wissenschaft in Heidelberg. WissenschaftlicherAssistent am musikwissenschaftlichen Seminar derUniversität, 1975 Promotion zum Dr. phil. über DiePastorale. Studien zur Geschichte eines musi-kalischen Topos (Bern und München 1980);Studienrat am Gymnasium Weinheim; seit 1983Professor für Musikwissenschaft an der Musik-hochschule Mannheim; 1989-1993 Prorektor; 1980-1999 Lehrauftrag an der Hochschule für Kir-chenmusik in Heidelberg.Forschungsschwerpunkte: Zeichen- und Symbol-forschung in Kunst, Literatur, Musik; Musik undSprache; Musik und Kultur des 18. Jahrhunderts,insbesondere der Mannheimer Hofkapelle;Rezeptionsforschung, u. a. antike Mythen in Musikund Musikästhetik.

Dieter GutknechtDie Rolle der Flöte im Orchester bis um 1800

Das Referat geht dem Einsatz der Flöte im Orchestervom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahr-hunderts nach. Die Verwendung als Orchester-instrument erstreckt sich von der Stimmungs- bzw.Situationsdarstellung (Bukolik, Naturdarstellungusw. in Opern Keisers, Händels usw.) bis hin zurKlangfarbenerweiterung im „modernen“ Satz derHarmonie des klassischen Orchesters. Dabei sollauch behandelt werden, wie die Flöte vomsporadischen Einsatz als Einzelinstrument (WienerOpernochester zu Beginn des 18. Jahrhunderts,aber auch bei Haydn und Mozart) zur gleichwer-tigen Doppelverwendung wie die anderen Holz-blasinstrumente aufsteigt (Sinfonien Beethovens).

Prof. Dr. Dieter Gutknecht:Geboren 1942; studierte Schulmusik mit denSchwerpunkten Alte Musik, Violine und Dirigierenan der Staatlichen Hochschule für Musik Köln,anschließend Studium der Musikwissenschaft,Germanistik und Philosophie in Köln und Wien(Fellerer, Schenk); Promotion 1971 mit Unter-suchungen zur Melodik des Hugenottenpsalters(eine Arbeit, die die Einsatzmöglichkeiten einesComputers in der Musikwissenschaft erkundensollte), Habilitation 1992 mit Studien zur Geschichteder Aufführungspraxis Alter Musik. Seit 1970Universitätsmusikdirektor der Universität zu Köln;zahlreiche wiss. Veröffentlichungen zu Fragen derAufführungspraxis Alter Musik, der Musikästhetikund zum Musikbegriff des 17. und 18. Jahr-hunderts, aber auch zur neueren Musik, z. B.Karlheinz Stockhausens und der sogenannten NewYork School (vor allem Morton Feldman).Internationale Tätigkeit als Dirigent (u. a. BachsJohannespassion am Teatro La Fenice in Venedig,Stockhausens Samstag und Dienstag aus Licht alsUA in Mailand, Lissabon Amsterdam, Köln,Düsseldorf).

Peter ReidemeisterThe Song Tunes for the Flute – Unter-haltung oder Etüde?

Mindestens zwei Generationen lang – von Endedes 17. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts – warin England die Tradition lebendig, in den Samm-lungen mit den „Hits“ der Song-Szene zusätzlichzu den Vokal-Fassungen transponierte Versionenfür Flöte abzudrucken – „Transposed for the Flute“,wie es dort heißt. Die Menge der so überliefertenFlöten-Stücke ist erstaunlich groß, die betreffendenSammlungen sind überaus liebevoll und publikums-wirksam gestaltet und einer genaueren Betrachtungwert. Die Transkriptionen sind unterschiedlich naham Original und haben verschiedenen „Repertoire-Wert“ – die Palette reicht von Spiel-Stückchen und„Alltagsfliegen“ bis hin zu qualitätvollen, kennens-werten Flötenstücken eigener Prägung von Kompo-nisten, von denen man gerne mehr „Flötenmusik“hätte wie z. B. Charles Dieupart.

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Dr. Peter Reidemeister:Geboren in Berlin und seit über 30 Jahren Wahl-Basler. Seine musikalische Ausbildung erhielt er ander Musikhochschule in Berlin mit Hauptfach Flötebei Aurèle Nicolet, er war dann Mitglied der BerlinerPhilharmoniker, später der Deutschen Bachsolisten,wirkte als Assistent Nicolets an der FreiburgerMusikhochschule und erfuhr als Flötist auf zahllosenTourneen (fast) alle Kontinente.Dann wendete er sich der Musikwissenschaft zu,studierte in München bei Georgiades und Berlinbei Carl Dahlhaus, wo er 1972 promovierte miteiner Arbeit zur „Burgundischen Chanson“ des15. Jahrhunderts.Ab 1973 war er Stellvertretender Leiter (an derSeite von Wulf Arlt) und ab 1978 Direktor derSchola Cantorum Basiliensis (eines der weltweitführenden Institute für Alte Musik) und damitDirektionsmitglied der Musik-Akademie der StadtBasel.Hier war er Herausgeber des Basler Jahrbuchs fürhistorische Musikpraxis, einer Reihe, von der er 25Bände verantwortete, er hat diverse Aufsätzepubliziert zu Fragen der Aufführungspraxis undInterpretation alter Musik, zur Rezeption alter Musikim 20. Jahrhundert und zum Problem dermusikalischen Ausbildung. Sein verbreitetes BuchEinführung in die Historische Aufführungspraxiserschien 1989 (1995 in 2. Auflage) bei derWissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt.Reidemeister ist Mitglied im Vorstand und Pro-gramm-Ausschuss der Internationalen Bach-gesellschaft Schaffhausen, im Stiftungsrat desFestivals „Les Muséiques“ (Basel), im Vorstand derSchweizerischen Musikforschenden Gesellschaft(Ortsgruppe Basel) u. a. m.

Carsten HustedtDie Flötenkonzerte von Georg Metzgerund ihre Einordnung in die Entwicklungder Mannheimer Schule

So sehr die Bedeutung der Mannheimer Sinfoniefür das 18. Jahrhundert und die Frühromantikunbestritten ist, so wenig Erkenntnisse liegen bisherüber die Solokonzerte der Mannheimer Kompo-

nisten vor, wird der Stil dieser Konzerte dochgegenüber den großbesetzten Sinfonien alsallgemein konservativ angesehen. Besonders Joh.und C. Stamitz, Fr. X. Richter, I. Holzbauer, A. Fils,C. J. Toeschi und Chr. Cannabich waren Urheberzahlreicher Flötenkonzerte, spielte doch der KurfürstCarl Theodor, unter dem sich Mannheim mit seinemSpitzenorchester zu einer der großen Musik-metropolen Europas entwickelte, selbst die Flöte.(Johann) Georg Metzger (1746 – 1794), Schülervon J. B. Wendling und neben ihm ebenfalls Flötistder Mannheimer Hofkapelle, zählte wie Wendlingzu den Mannheimer Virtuosen-Komponisten, dieausschließlich Werke für ihr Instrument schufen.Neben Kammermusik für Flöte sind achtFlötenkonzerte und drei Konzerte für zwei Flötenund Orchester von Metzger überliefert, die zwischen1779 und 1787 entstanden, bzw. verlegt wurden,also überwiegend nach dem Umzug desMannheimer Hofes 1778 nach München und derZusammenlegung der Mannheimer mit derMünchner Hofkapelle, der Metzger weiterhin alsFlötist angehörte. Sie zählen damit zu den spätestenFlötenkonzerten der Mannheimer Zeit und sindzunehmend von Offenheit für unkonventionelleWendungen, Spontaneität und klangliche Experi-mentierfreude geprägt: Bereits in den KopfsätzenModerato-, Andante- oder Minore-Einschübe,Tempowechsel und farbige Orchestertutti alsKontrast zur Soloflöte in den langsamen Sätzen,im Schluss-Rondo auch Angloise und Polonoiseneben dem Menuett. Ein Merkmal der späten,stilistisch natürlicheren und ausgereifteren Konzertesind die häufigen raumgreifenden Sequenz-bildungen, besonders in den Doppelkonzerten, dieder Sinfonia concertante nahestehen.Während die früheren Konzerte Metzgers auf demeinklappigen Traverso, das Wendling vehementgegen die zunehmend gebräuchliche mehrklappigeFlöte verteidigt, realisierbar sind, scheint sich Metz-ger später der mehrklappigen Flöte zuzuwenden,um auch Tonarten wie F-Dur im achten Konzertund chromatische Passagen zu bewältigen.Fragestellungen hinsichtlich der Standortbe-stimmung und Wirkung von Metzgers Schaffensind, inwieweit die Mannheimer Manieren derersten und zweiten Komponistengeneration und

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damit italienische Einflüsse sein Werk inspirierenund wo es bereits frühromantische Züge aufweist,ebenso die Frage nach der Bedeutung Mozarts fürMetzger (1777/78 Freundschaft zwischen Mozartund Wendling in Mannheim, 1781 Idomeneo inMünchen).Felix Joseph Lipowsky schreibt in seinem BaierischenMusik-Lexicon (1811) über Metzger: „An diesemKünstler bewunderte man vorzüglich seinenschönen, runden, gefälligen, süßen Flötenton, seineLeichtigkeit in Behandlung dieses Blasinstrumentes.“

Carsten Hustedt:Geboren 1961 in Verden/Deutschland. StudiumMusikpädagogik und Querflöte in Bremen undKarlsruhe. 1990 Künstlerische Reifeprüfung mitAuszeichnung. Mit dem Anliegen musika-lisch/kulturellen Austausches weltweite Konzert-tätigkeit, Uraufführungen, Rundfunk- und TV-Produktionen als Solist und Kammermusikpartner,dabei Grenzgänger zwischen Improvisation undInterpretation, z. B. Festival des „Centro para laDifusión de la Música Contemporánea“ Madrid,„ProBaltica“ Torun u. Warschau, New York City-Series, Thomas-Mann-Festival Nida/Litauen, Treviso-Festival/Italien, Pazaisliai-Festival Kaunas/Litauen,St. Christophorus Sommer-Festival Vilnius/Litauen,GAIDA-New Music Festival Vilnius, MusikfesttageFrankfurt/Oder, California State University LosAngeles, Hohenloher Musiksommer, Schwarzwald-musikfestival, Ludwigsburger Schloßfestspiele,Neues Opernhaus Toronto 2006. Internationalvielbeachtete CD-Veröffentlichungen bei KOCHInternational, SwissPan, Guild-Music London/Zürichund Sargasso, London. Künstlerischer Leiter derBaltikumtage des Hermann-Hesse-Jahres 2002 inCalw. Dozent an der Musikhochschule Karlsruhe.Gastdozent Fondation Hindemith Blonay (CH),Hochschule für Künste Bremen, Universität Rio deJaneiro, Nationale Musikakademien Kiew und Vilnius.

Joachim KremerFlötenmusik und Freundschaftskult im 18.und frühen 19. Jahrhundert

Musik für mehrere Flöten war im 18. und frühen19. Jahrhundert auffallend stark an das Motiv der

Freundschaft gebunden. Ausgehend vonÄußerungen über J. J. Quantz werden vor demHintergrund jener Entwicklung, die seit den 1930erJahren als „Verbürgerlichung der Kunst“ be-schrieben wurde, freundschaftliche Beziehungenund Netzwerke dargestellt, die den Rahmen fürdas Entstehen und die Verbreitung einigerEnsemblewerke (Flötenquartette) bildeten. DieBeispiele stammen u. a. von Friedrich HartmannGraf, Friedrich Klöffler und Simon Sechter undthematisieren die für das Entstehen der Quartettewichtigen Wirkungs- und Verbreitungsmög-lichkeiten nicht nur in kleinen höfischen Zentrenwie Burgsteinfurt, sondern auch in Metropolenwie Wien und London.

Prof. Dr. Joachim Kremer:Geboren 1958. Studium der Schulmusik und derMusikerziehung mit Hauptfach Flöte an derMusikhochschule Lübeck, 1. Staatsexamen für dasLehramt an Gymnasien und Musiklehrerdiplom,Tätigkeit als Musiklehrer. Studium der Musik-wissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie(1993 Promotion mit einer Arbeit zum protes-tantischen Kantorat im 18. Jahrhundert), Wissen-schaftlicher Mitarbeiter an der Christian-Albrechts-Universität Kiel an der Hochschule für Musik undTheater Hannover. Habilitation mit einer Arbeit zurfranzösischen Musikgeschichte zwischen 1870 und1920. Seit 2001 Professor für Musikwissenschaftan der Hochschule für Musik und DarstellendeKunst Stuttgart. Publikationen zur Sozial- undBerufsgeschichte, zur evangelischen Kirchenmusik,Geschichte der Musikpädagogik, Georg PhilippTelemann sowie Flötenensemble. Herausgeber vonFlötenensemblewerken und seit 2004 Mitheraus-geber der Telemann-Auswahlausgabe.

Gisa JähnichenFlötenmusik im interkontinentalen Kultur-transfer zwischen 1650 und 1850

In der Zeitspanne zwischen 1650 und 1850 habenin Europa außerordentlich wichtige Transformations-prozesse im musikalischen Instrumentariumstattgefunden, die einerseits wesentlich zu einerersten frühen Identifikation in der Akzeptanz

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europaweiter und zu jener Zeit quasi universalgedachten Möglichkeiten führten und andererseitskulturelle Abgrenzungen verstärkt herausforderten.Flötenmusik stellt da keine Ausnahme dar. Dieweite Verbreitung der Querflöte zu Beginn dieserEpoche, die bislang stets klangtechnisch begründetwurde, stand nicht im Widerspruch zur prinzipiellenAblehnung von „Mohrenmusik“. Der Vortragwidmet sich einer europäischen Außenansicht vonhistorischen Entwicklungs- und Übergangslinien,sozialen, funktionalen und spieltechnischenKontakten sowie weiterführenden Transformationenund deren musikalischen Konsequenzen fürStimmungen und Repertoire. Der interkontinentaleKulturtransfer wirkte dabei stets polarisierend, lokalunterschiedliche, imaginäre und tatsächliche Status-und Symbolcharaktere ausformend und – auchüber den Zeitrahmen hinaus – musikalisch außer-ordentlich anspornend. Der Blick von außen kanndie kreative Leistung an den kulturellen Schnitt-stellen Europas noch plastischer hervortreten lassen.

Univ. Doz. Dr. Gisa Jähnichen:Geboren in Halle (Saale), studierte Musikwissen-schaft mit Philosophie und Geschichte an der Karls-universität Prag, wurde im Fach Musikwissenschaftan der Humboldt-Universität zu Berlin promoviertund habilitierte sich im Fach VergleichendeMusikwissenschaft an der Universität Wien. ZurZeit arbeitet sie als Dozentin für Musikwissenschaftan der J. W. Goethe-Universität Frankfurt (Main)zu Ethnomusikologie, Systematik, Populärer Musikund Genderforschung.

Klaus-Peter Koch„… der feinere Geschmack am Clavier, aufder Violin, Travers-Flöte und Waldhornen“:Deutsche Flötisten und Flötenmusik imRussland des 18. Jahrhunderts

Im Zuge der Öffnung Russlands nach Westen durchZar Peter I. beginnt auch die Auseinandersetzungmit den musikkulturellen Ergebnissen Mittel-, West-und Südeuropas. Von Bedeutung dabei wird dasExil des Holstein-Gottorper Herzogs Karl Ulrich undder Aufbau seines Instrumental-Ensembles 1720/21,das schließlich die Basis für das Orchester des

Zarenhofes wird. Traversflöten paarweise gehörenvon Anfang an zum Bestand. Ihre Interpretenkommen vorzugsweise aus Deutschland, darunterChristian Friedrich Döbbert, Brabe und Koster.Während des 18. Jahrhunderts sind sowohl in St.Petersburg als auch in Moskau mehrere bedeutendedeutsche Flötisten nachzuweisen, darunter AntonDiehl, Friedrich sowie Matthias Stabinger. Siebegegnen nicht nur als Interpreten, sondern auchals Pädagogen, und sie vermitteln ihre Kenntnissean russische Schüler, was Langzeitwirkung auf dieAusbildung weiterer russischer Flötisten-Generationen hat. Auch russische Aristokratenwidmen sich der Interpretation und erreichen einhohes Niveau.

Prof. Dr. Klaus-Peter Koch:Geboren 1939 in Magdeburg, studierte an derHanns-Eisler-Musikhochschule in Berlin (Kompo-sition) und an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Musikwissenschaft), 1970 Promotion,1982 Habilitation, 1973 bis 1992 Assistent,Oberassistent und Dozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 1993 bis 1998Direktor des Instituts für deutsche Musik im Osten(IDMO) in Bergisch Gladbach, 1998 bis 2003Direktor des Instituts für deutsche Musikkultur imöstlichen Europa (IME) in Bonn, 2002 Verleihungeiner Professur durch das Land Nordrhein-Westfalen,2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungs-projekt „Deutsche Musikkultur im östlichen Europa“am Musikwissenschaftlichen Seminar derRheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn,seit 2005 im Ruhestand. Wissenschaftliche Schwer-punkte: Deutsch-osteuropäische musikalischeWechselbeziehungen, mitteldeutsche Musik des16./17. Jahrhunderts, Forschungen zu SamuelScheidt, Reinhard Keiser und Georg PhilippTelemann.

Hartmut KronesZu den Wiener Flötenkompositionen desfrühen 19. Jahrhunderts

Am 30. Juni 1814 genehmigte Kaiser Franz I. vonÖsterreich (der bis August 1806 auch Kaiser des„Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation”

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gewesen war) die Statuten der Wiener Gesellschaftder Musikfreunde, die unter anderem die Errichtungeines „Conservatoriums“ vorsahen, in dem „Zög-linge beyderley Geschlechts aus den gesamtenk. k. österreichischen Staaten im Gesang, in derDeclamation, auf Instrumenten, im praktischenGeneralbaß, im Tonsatze, in Sprachen, und andernNebengegenständen gebildet werden“ sollten. AlsInstrumente waren „alle im Orchester gewöhnlichenBlase-Instrumente” vorgesehen, und somit auchdie Flöte. Der am 4. August 1817 beginnendeUnterricht betraf dann zunächst nur die „Sing-schule“, 1818 trat das Fach „Italienische Sprache“hinzu, 1819 Violine, 1820 Violoncello sowie „Klavierund Generalbaß“ und schließlich 1821 nachKlarinette, Horn, Oboe und Fagott auch die Flöte,welches Instrument bis 1845 von dem unentgeltlichwirkenden „Honorar-Professor“ Ferdinand Bognergelehrt wurde, dem man 1831 mit Alois Khaylleinen zweiten Lehrer an die Seite stellen musste,weil sich immer mehr Schüler meldeten.Die Beliebtheit der Flöte war schon in den Jahrenzuvor durch eine Vielzahl von neuen Kompositionenfür dieses Instrument dokumentiert worden, mitder „Nobilitierung“ durch die Aufnahme in denFächerkanon des Konservatoriums stieg die Anzahlder Werke noch einmal an, und auch die Anforde-rungen an die Virtuosität der Ausführenden spiegelnden durch die akademische Ausbildung gegebenenAnstieg des allgemeinen Niveaus deutlich wider.

Prof. Dr. Hartmut Krones:Geboren 1944 in Wien, studierte an der UniversitätWien Musikwissenschaft (Dr. phil.), Germanistikund Pädagogik (Lehramt, Mag.) sowie an derAkademie (heute Universität) für Musik unddarstellende Kunst Musikerziehung, Gesangs-pädagogik (Mag. art.) sowie Lied und Oratorium.Seit 1970 Unterrichtstätigkeit an dieser Universität,seit 1987 o. Hochschul- bzw. (seit 1998) Univer-sitätsprofessor und Leiter der Lehrkanzel „Musika-lische Stilkunde und Aufführungspraxis“ sowieeiner Gesangsklasse, seit 1996 zusätzlich Leiterdes Arnold-Schönberg-Institutes. Seit März 2002Leiter des "Institutes für musikalische Stilforschung”mit den Abteilungen „Stilkunde und Aufführungs-praxis“ und „Wissenschaftszentrum Arnold Schönberg“.

Zahlreiche Publikationen zu den ForschungsgebietenAufführungspraxis Alter und Neuer Musik, Musi-kalische Symbolik und Rhetorik sowie zur Musikdes 20. Jahrhunderts. Mitarbeiter u. a. des LexikonsMusik in Geschichte und Gegenwart (Fachbeiratfür das Gebiet Österreich/20. Jahrhundert), desNew Grove Dictionary sowie des HistorischenWörterbuchs der Rhetorik. Neuere Bücher u. a.:Alte Musik und Musikpädagogik (Hrsg., 1997), DieWiener Hofmusikkapelle I. Georg von Slatkoniaund die Wiener Hofmusikkapelle (Hrsg., 1998),Ludwig van Beethoven. Werk und Leben (1999),Stimme und Wort in der Musik des 20. Jahrhunderts(Hrsg., 2001), Struktur und Freiheit in der Musikdes 20. Jahrhunderts (Hrsg., 2002), Jean Sibeliusund Wien (Hrsg., 2003), Bühne, Film, Raum undZeit in der Musik des 20. Jahrhunderts (Hrsg.,2003), Die österreichische Symphonie im 20.Jahrhundert (Hrsg., 2005) sowie Arnold Schönberg.Werk und Leben (2005).

Konrad HüntelerDie Folgen von Theobald Boehms Flöten-bau für Repertoire und Spielpraxis

Theobald Boehm hat mit seiner in zwei Stufen –1832 und 1847 – vollzogenen völligen Umkon-struktion der Flöte ein geniales Instrument ge-schaffen, das als chromatisches Instrument alleTöne seines Umfanges in gleicher Klangqualitätund perfekter Intonation hervorbringen kann unddabei gleichzeitig ein verblüffend simples Griff-system hat, durch das in fast allen Tonarten einGefühl von logischen diatonischen Griffabfolgenentsteht. Diese doppelte Revolutionierung ermög-licht dem Instrument eine nahezu grenzenloseVirtuosität und gleichzeitig einen – im wahrstenSinne des Wortes – unerhörten Reichtum an klang-lichen Differenzierungen. Diese stupenden Möglich-keiten inspirierten viele Komponisten – vor allemin Frankreich – für dieses neue Instrument einenwahren Schatz an herrlicher Solomusik, Kammer-musik und virtuosen Solokonzerten mit Orchesterzu schreiben. Und auch in der allerneuesten Musikzeigt sich, dass die Flöte ein viel reichhaltigeresRepertoire hat als alle anderen Blasinstrumente.

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Im Rahmen des 27. Michaelsteiner Musikinstru-mentenbau-Symposiums sollen die Geschichte, dieBauweise und Spieltechnik der Querflöte zur

Sprache kommen. DieBedeutung Mittel-deutschlands für dieEntwicklung der Quer-flöte und ihres Reper-toires ist dabei nochnicht umfassend he-rausgearbeitet, sodass hierauf ein be-sonderer Schwerpunktzu legen sein wird.Daneben soll das Au-genmerk aber auchauf andere für dieGeschichte der Quer-flöte wichtige Ländergerichtet werden, ins-besondere auf Frank-reich, daneben aufEngland oder Italiensowie auf bisher weni-ger untersuchte Re-gionen (wie z. B. Ost-europa oder Amerika).Darüber hinaus sinddie verschiedenenMitglieder der Quer-flötenfamilie, denenweder in der For-schung noch in der

Musikpraxis eine größere Aufmerksamkeit ent-gegen gebracht wird, in die Betrachtungen ein-zubeziehen. Ergänzungen erfolgen durch Beiträgevon Akustikern sowie Restauratoren undInstrumentenbauern.

Für die Querflöte existierten bis ins frühe 18. Jahr-hundert noch keine eindeutigen Termini. Durchdie in der Regel erst seit Mitte des 18. Jahrhundertsverwendeten Zusätze zurUnterscheidung von ande-ren Flötentypen – nebenflûte traversière oderflauto traverso begegnenebenso die Bezeichnun-gen flûte allemande, flûted’Allemagne, fleustesd’Alleman oder flutesallemands – scheintDeutschland für die früheEntwicklung der Querflö-te durchaus eine Rollegespielt zu haben. Darü-ber hinaus liegen mitM. Agricolas Musica in-strumentalis deudsch(Wittenberg 1529), mitdem Syntagma musicum(Wolfenbüttel 1614 –1619) von MichaelPraetorius oder mit demVersuch einer Anwei-sung, die Flöte traversièrezu spielen (Berlin 1752)von Johann JoachimQuantz bedeutende undteilweise sehr frühe deut-sche musiktheoretischeQuellen vor. Die Umge-staltung der ein- oder zweiteiligen Renaissance-querflöte in ein dreiteiliges Instrument ging aller-dings von Frankreich aus und für den Flötenbauerlangte auch Italien eine besondere Bedeutung.Deutschland trat dann wieder mit der Entwicklungder heute gebräuchlichen Boehm-Flöte besondershervor.

27. Musikinstrumentenbau-SymposiumMichaelstein, 06. bis 08. Oktober 2006

Bauweise, Spieltechnik und Geschichte der Querflöte

Traversflötist

Vorschau

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Referate u. a. von

Rob van Acht, Den Haag (Niederlande)Flötenbau in den Niederlanden

Philippe Allain-Dupré, Bagnolet (Frankreich)Conical bore flutes before Hotteterre – Myth orReality?

Susan M. Berdahl, USAAmerican flute manufacturing

Kurt Birsak, Salzburg (Österreich)M. Haydns Pifero und W. A. Mozarts Flauto piccolo

Boaz Berney, Jaffa (Israel)Der Verwendung der Querflöte bei Schein, Michael,Knüpfer und Schütz

Danielle Eden, Sydney (Australien)The piccolo in the late 19th century; repertoire andinstruments

David Freeman,Kamenny Privoz (Tschechische Republik)Probleme beim Nachbau historischer Querflöten

Klaus-Peter Koch,Bergisch Gladbach (Deutschland)Deutsche Holzblasinstrumentenbauer: Ihr Wirkenim östlichen Europa des 18. Jahrhunderts

Maria Jesús Navalpotro, Madrid (Spanien)Chegava quase à voz da flauta: the transverse flutein the North West of the Iberian Península

Ardal Powell, Hudson (USA)Nations and „Art Worlds“: Reframing Instrument-making Societies

Peter Thalheimer, Stuttgart (Deutschland)Von „Zwerchpfeifen ... um einen Ton niederer“über Händels „Traversa bassa“ zur „B flat Flute“.Versuch einer Geschichte der Querflöte in B

Enrico Weller, Markneukirchen (Deutschland)Flötenbau im Vogtland

Vorschau

KONZERTMusicalischer Seelen-Lust

Musik des 17. Jahrhunderts von Leipziger Thomas-kantoren, u. a. aus Musicalischer Seelen-Lust vonTobias Michael und von Johann Hermann Schein

Ausführende:Boaz Berney – RenaissanceflöteUlrike Hofbauer – SopranManuel Warwitz – Tenor

Musik für Terzflöte, u. a. von Johann Gottlieb (?)Graun, Johann André Amon, Henry Rowley Bishopund Saverio Mercadante

Ausführende:Peter Thalheimer – TerzflöteJuliane Claus – SopranAlbrecht Hartmann – Cembalo, Hammerflügel

– Änderungen vorbehalten –

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Die Traversflöte in der Scagliola-Tischplatte,Rudolstadt 1744 wurde abgebildet in: Die Musikam Rudolstädter Hof, Rudolstadt 1997, S. 42.

Die Abbildung Flageolet-Spieler im Salon, Detaildes Titelblattes der Nouvelle Méthode de flageoletvon A. Strott, Paris (Archiv N. Tarasov), wurdeveröffentlicht in: Concerto Nr. 205 (Dez./Jan.2005/2006) S. 30.

Johann Christian Credius, Sonata E-Dur, Beginnder Flötenstimme, Universitätsbibliothek Rostock,Sign. Musica Saec. XVIII.-45.6.

Das Exemple Flattement veröffentlichte JacquesMartin Hotteterre in seinem Lehrwerk Principes dela flute, Amsterdam 1728, S. 32.

Das Porträt von Johann Melchior Molter, Feder-zeichnung von Pier Leone Ghezzi, Rom 1738 findetsich in: Klaus Häfner, Der badische HofkapellmeisterJohann Melchior Molter (1696 – 1765) in seinerZeit, Karlsruhe 1996, S. 53.

Das Porträt von Theobald Boehm um 1829 wurdedem Ausstellungskatalog von Manfred HermannSchmid, Die Revolution der Flöte, Theobald Boehm1794 – 1881, Tutzing 1991, Frontispiz, entnommen.

Die Aufstellung von Orchester und Chor zu Händels„Messias“, Berlin 1786, in: Carl Dahlhaus (Hrsg.),Die Musik des 18. Jahrhunderts, Laaber 1985, S.55.

Die konische Boehmflöte (1832er Modell) ausTheobald Boehm’s neu construirte Flöte, München1834, stammt aus dem Handbuch Querflöte (Hrsg.Gabriele Busch-Salmen; Adelheid Krause-Pichler),Kassel usw. 1999, S. 38.

Blockflötist und Traversflötist aus der BildfolgeMusikalisches Theatrum von Johann ChristophWeigel (1661 – 1725), Nürnberg (Studien zurAufführungspraxis und Interpretation von Musikdes 18. Jahrhunderts, Heft 27, Michaelstein 1985,S. 15, 16).

Titelblatt von Johann Joachim Quantz Versucheiner Anweisung, die Flöte traversiére zu spielen,Reprint der Ausgabe Berlin 1752, Kassel usw. 1992.

WEITERE AUSSTELLUNGEN

Die Verkaufsausstellung von Veröffentlichungendes Musikinstituts für Aufführungspraxis befindetsich im oberen Lektionsraum im Haus VI. Sie ist zuden im Tagungsablauf angegebenen Zeitengeöffnet.

Das Museum mit Musikinstrumentenausstellungim Kloster Michaelstein ist während der Tagungtäglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Abbildungsnachweise/Weitere Ausstellungen

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IMPRESSUM

Stiftung Kloster Michaelstein – Musikinstitut für AufführungspraxisPF 24, D – 38881 BlankenburgTelefon + 49 (0) 3944 / 90 30 0Fax + 49 (0) 3944 / 90 30 30Email [email protected] www.kloster-michaelstein.de

Herausgeber:Stiftung Kloster Michaelstein – Musikinstitut für AufführungspraxisRedaktion: Ute OmonskyLayout: perner&schmidt werbung und design gmbhDruck: MDD Magdeburger Digitaldruckerei

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