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Yoga senkt den Blutdruck - byz.de · PDF file1 VIVEKA Hefte für Yoga NUMMER 45 Yoga senkt den Blutdruck – eine Studie, viele Anregungen Anhand einer aktuellen Studie aus Deutschland

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Page 1: Yoga senkt den Blutdruck - byz.de · PDF file1 VIVEKA Hefte für Yoga NUMMER 45 Yoga senkt den Blutdruck – eine Studie, viele Anregungen Anhand einer aktuellen Studie aus Deutschland

1 VIVEKA Hefte für Yoga NUMMER 45 www.viveka.de

Yoga senkt denBlutdruck

– eine Studie,viele Anregungen

Anhand einer aktuellen Studie aus Deutschland möchten wir ver-

deutlichen, wie man die Wirkungen von Yoga (in diesem Fall auf

den Blutdruck) wissenschaftlich seriös und im Ergebnis nachhaltig

untersuchen kann. Sie wurde geplant und durchgeführt als gemein-

sames Projekt der Klinik Roderbirken, der Universität Essen und

der „Yoga-Schule“, Düsseldorf. Die Kurzdarstellung der Studie mit

ihren Fragestellungen haben wir gesondert abgedruckt (s.Kasten).

Die LeiterInnen der Untersuchung haben sie zusammengefasst.

Die Durchführung des Yogaunterrichts lag in den Händen von Yas-

mine Schlösser, Brigitte Berger, Birgit Pfau und Gaby Grund, die

alle vier ihre Ausbildung bei Uwe Bräutigam und Michaela Kehrle,

Die Yoga-Schule, Düsseldorf absolviert haben. Brigitte Berger hat

ihre eigenen Erfahrungen zur Studie in einem Artikel für Viveka zu-

sammengefasst.

Abschließend versuchen wir, die Frage nach dem Nutzen wissen-

schaftlicher Studien aus Yogasicht weiter zu diskutieren.

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2VIVEKA 45

1. Kurze Beschreibung der Studieund ihre Rahmenbedingungen (Zu-sammenstellung aus dem Studienproto-koll zur Veröffentlichung genehmigtdurch die Klinik.)

1.1 Die AusgangssituationSowohl für Yoga als auch für pro-

gressive Muskelrelaxation (PMR) ist eineBlutdruck senkende Wirkung nachge-wiesen. Bislang wird als Standardthera-pieverfahren in der stationären Rehabili-tation von Patienten mit arteriellerHypertonie progressive Muskelrelaxation(PMR) eingesetzt. Eine Studie in derNachsorge bei Patienten der unteren so-zialen Schicht mit koronarer Herzkrank-heit zeigte, dass nur 20% der PatientenPMR über ein halbes Jahr regelmäßiganwenden. Die These der vorliegendenStudie lautet nun, dass Yoga auf länge-re Sicht größere Chance hat angenom-men zu werden. Dagegen steht die weitverbreitete Ansicht, dass Yoga nur beigebildeten Schichten Akzeptanz findet.

Yoga wird als dringend zu befor-schende Methode eingestuft. Die meis-ten kardiovakulär-physiologischen Stu-dien (solche also, die normale Herzkreis-lauf-zusammenhänge untersuchen) inIndien wurden an jungen Probandendurchgeführt. In dieser Studie beiHypertonikern in kardiologischer Reha-bilitation wurden bewusst ausschließlichYogübungen verwendet, der Schwer-punkt lag auf der Atmung.

1.2. Fragestellungen undZiele

Die primäre Frage der Studie lautete: Wird Viniyoga von Patienten mit ar-

terieller Hypertonie ein halbes Jahr nachEnde der Rehabilitation zu einem höhe-ren Prozentsatz weiter durchgeführt alsdie PMR?

Daneben wurden weitere Fragen alsrelevant erachtet:

A. Ist im Zusammenhang mit einernachzuweisenden größeren Nachhaltig-keit von Viniyoga auch die Lebensqua-

lität der Patienten dieser Gruppe nacheinem halben Jahr besser als die derPMR-Gruppe?

B. Sind im Verlauf der dreiwöchigenRehabilitation Unterschiede zwischenViniyoga und PMR in Bezug auf physio-logische Parameter feststellbar (Herzfre-quenzvariabilität (Fähigkeit, die Fre-quenz des Herzrhythmus zu verändern),Langzeitblutdruck, Laborparameter)?

C. Gibt es einen Unterschied im Ver-brauch antihypertensiver (blutdrucksen-kender) Medikamente zwischen der Vi-niyoga- und der PMR-Gruppe?

D. Falls Unterschiede zwischen bei-den Entspannungsverfahren erkennbarsind: Wie unterscheiden sich die Patien-tencharakteristika von Respondern (den-jenigen, die Viniyoga nachhaltig anwen-den) und Non-Respondern (denjenigen,die Viniyoga nicht weiter nach stationä-rem Aufenthalt anwenden)?

1.3 Zeit und OrtDer Beginn der Datenerhebung war

im Mai 2007. Die letzten Patienten wur-den im Mai 2008 rekrutiert. In diesemZeitraum wurden insgesamt 340 Patien-

ten an der Reha-Klinik Roderbirken inLeichlingen untersucht. Ein halbes Jahrnach dem stationären Aufenthalt wurdeüber Telefonkontakt und Fragebogendie beibehaltene Übungshäufigkeit er-mittelt. Ende 2008 war der Rücklauf derletzten Fragebögen beendet.

1.4 Forschungsdesign undMethode

In der Studie wurden in zwei Stu-dienarmen insgesamt 167 Patienten inder Kontrollgruppe, genannt „Entspan-nung 1“ (PMR) und 173 Patienten inder Interventionsgruppe, „Entspannung2“ (Viniyoga) randomisiert, also nachdem Zufallsprinzip ausgewählt. Die Al-tersspanne der Patienten lag zwischen19 und 65 Jahren. Sowohl für die Kon-troll- als auch die Interventionsgruppegab es über drei Wochen täglich sowietageszeitlich zeitgleich die Möglichkeitfür 45 Minuten an dem jeweiligen Ent-spannungsverfahren teilzunehmen.

1.5 Studienleitung/Kooperationen

Die Studie wurde konzeptioniertund durchgeführt in Zusammenarbeitder Klinik Roderbirken der DeutschenRentenversicherung Rheinland, des Insti-tuts für Medizinische Informatik, Biome-trie und Epidemiologie Universitätsklini-kum Essen und Die Yoga-Schule, Düs-seldorf.

Studie Bluthochdruck

Erfahrungsbericht zur Studie über die Nachhal-tigkeit von Viniyoga in der stationären Rehabili-tation von Patienten mit arterieller Hypertonie (Bluthochdruck).

Eine derYogalehrerinnen mit

Patienten inder Klinik

Roderbirken

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Yoga

3 VIVEKA Hefte für Yoga NUMMER 45 www.viveka.de

Bewege Dich ruhig und gleichmäßig.Bewege Dich ohne Verspannung aufzu-bauen.Lass den Atem ruhig und gleichmäßigfließen.�Verbinde deine Bewegung mit demAtem.

Der Raum wurde ausschließlich fürdie Studie genutzt, darüber hinaus wa-ren wir, was das Getriebe auf den Flu-ren betrifft, dem Geräuschpegel desnormalen Klinikalltags ausgesetzt.

2.2 Individualisierung ist auchunter zeitlich eingeschränk-ten Bedingungen möglich.

Das Verfahren fand täglich zwischen10.00 – und 11.30 Uhr statt. 10.00 Uhr– 10.45 Uhr Gruppe 1, gleich im An-schluss Gruppe 2, 10.45 – 11.30 Uhr.Die Patienten kamen von einer Anwen-dung und gingen von der Entspannungzur nächsten, bzw. mussten den Raumfür die zweite Gruppe freimachen. Dasbedeutete, dass keine Zeit blieb, um impersönlichen Gespräch - wie wir dasvom Unterricht in den Yogagruppenund im Einzelunterricht gewohnt sind -auf die individuellen Voraussetzungender Teilnehmer einzugehen und sichdarauf einzustellen. Allein, wir wussten,

Studienabbrecher zu ver-zeichnen. Während es 27Patienten im Viniyogawaren, brachen bei derPMR nur neun Teilneh-mer mit unterschied-lichen Begründungen dieTeilnahme an der Studieab. Die Akzeptanz bzw.Ablehnung von Viniyogawar eindeutig. Entwederdie Teilnehmer waren be-geistert von der Methodeoder sie mochten sieüberhaupt nicht. In PMRgab es weniger Begeister-te, aber auch wenigerAbbrecher. Wir erklärenuns das mit dem unter-schiedlichen Grad an ein-geforderter Aktivität derMethode. Yoga fordertim Vergleich zur PMR einwesentlich höheres Maßan bewusster Bewegung.In der PMR wird eher et-was „mit einem ge-macht“.

Die Studie war alsBlindstudie konzipiert, d.

h. die Teilnehmer wussten nicht, dasssie Yoga praktizierten. Den Patientenwurde gesagt, dass ein erprobtes Ent-spannungsverfahren gegen ein andersin Bezug auf die Nachhaltigkeit unter-sucht werde. Selbstverständlich wurdekein Asana als solches bezeichnet undauf alle Hinweise (Symbole u.ä.) ausdem Bereich des Yoga verzichtet. Einweißer rechteckiger Kellerraum mit Ne-ondeckenlampen beleuchtet, durch La-mellenvorhänge nach außen sichtge-schützt, blaue Kunststoffmatten, Ho-cker, Nackenkissen. An der Längsseitedes Raumes 9 Poster, welche die vergrö-ßerten Piktogramme der Praxis abbilde-ten, welche die Patienten mit nach Hau-se bekamen. An der Stirnseite des Rau-mes vier Tafeln mit den sogenannten„Basics“ der Methode:

Das Forschungsprojekt wurde geför-dert durch die Deutsche Rentenversiche-rung Rheinland.

2. Erste Ergebnisse und Erfahrungen aus der Inter-ventionsgruppe, Viniyoga

2.1 Yoga wirkt für sich allein, ohneeine spezielle Einstellung des Übenden,dessen Bewusstseinshintergrund, ohnephilosophische Einführung und oder be-sonderes Setting. Schlicht die klare An-weisung der Übungen bewirkt Verände-rung am Ende jeder Stunde. Nach dreiWochen täglichen Übens für 45 Min (8-15x während des drei wöchigen statio-nären Aufenthalts) ist eine deutlicheVeränderung in Bezug auf einen ruhi-gen, gleichmäßigen Atem, einen be-wusst geführten Bewegungsablauf undeine entspannte Ausrichtung feststell-bar. Es ist keine besondere intellektuelleVoraussetzung und kein spezielles Set-ting nötig, um diese Wirkung zu erzie-len.

Im Vergleich zur PMR hatte die Vi-niyoga-Gruppe eine höhere Zahl der

Die »Basics« der Methode werden vorgestellt:� Bewege Dich ruhig und gleichmäßig.

� Bewege Dich ohne Verspannung aufzubauen.� Lass den Atem ruhig und gleichmäßig fließen.

� Verbinde deine Bewegung mit dem Atem.

Der Basiskurs.Er bildete die Grundlage für den indivi-duell angepassten Kurs, den jeder Teil-

nehmer mit nach Hause bekam.

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4VIVEKA 45 4 VIVEKA Hefte für Yoga NUMMER 45 www.viveka.de

dass aus ärztlicher Sicht keine Einwen-dung gegen die Teilnahme bestanden.Grob konnten wir rasch körperliche Ein-schränkungen des Bewegungsvermö-gens abfragen.

Ich bin geneigt zu sagen, dass gera-de diese sehr eingeschränkten Bedin-gungen der Individualisierung sich aufletztere sogar eher positiv auswirkten.Denn unser Blick war dadurch sehr ge-schärft, unsere Aufmerksamkeit kom-plett unvoreingenommen waren beidedoch der einzige Zugang zur Individuali-sierung. Wir wussten nicht, wen wir voruns hatten, aus welcher Berufsgruppedie Patienten kamen, Selbstständigeroder Angestellter, Gabelstablerfahreroder Chefetage, Schichtarbeiter oderJurist. Wir wussten nur, hier ist einMensch, der ein lebensbedrohliches Er-eignis durchschritten hatte und dem wirin drei Wochen ein Übungsprogrammso vermitteln wollten, dass er es mühe-los mit dem nötigen Engagement zuHause möglichst täglich fortsetzt.

2.3 Individualisierung und einstandardisiertes Programm,verträgt sich das?

Auf den ersten Blick scheint einstandardisiertes Programm und das Prin-zip der Individualisierung aus der Sichtdes Viniyoga ein Widerspruch zu sein.Die Studie hat uns die Erfahrung ver-mittelt, dass unter zeitlich eingeschränk-ten Bedingungen, wie das bei einem Kli-nikaufenthalt der Fall ist, mit klaren Ziel-vorgaben, die sich aus dem Krankheits-bild (arterielle Hypertonie) ableiten, einstandardisiertes Programm den Raumfür Individualisierung erst sichert. Dassetzt voraus, dass das Programm vonvorne herein Risiken für die Zielgruppeausschließt und dass der Unterrichtendefür die gewählten Asanas mit den mög-lichen Varianten bestens vertraut ist, umunmittelbar anpassen zu können. Fürunser Programm hieß dies alle Asanasauszuschließen, die den Atem unterDruck bringen könnten (z.B. Bhugan-gasana), sowie Statik und zu tiefe Vor-beugen zu vermeiden.

2.4 Häufige körperliche Be-sonderheiten

Im untersuchten Patientenklienteltrafen wir besonders häufig auf folgen-

Studie Bluthochdruck

Hier die Ergebnisse der Studie, so wie sie üblicherweise für die Veröffentlichung inwissenschaftlichen Publikationen zusammenfasst werden:

Randomisierte kontrollierte Untersuchung des Langzeit-Anwendung vonYoga und Progressiver Muskelrelaxation in der Herzkreislaufrehabilitation

Zweck der Studie:Für Yoga wie für Progressive Muskelrelaxation ist eine Blutdruck senkende Wir-kung bekannt. Entspannungstechniken haben ihren festen Platz in der Rehabilita-tion. Gleichwohl ist über Übungsmuster und Wirkungen von Yoga weniger be-kannt. Zweck der Studie war (1) zu untersuchen, ob männliche Patienten mit nie-drigem sozioökonomischen Status in der Herzrehabilitation motiviert sind, Viniyo-ga-Übungen nach dem Klinikaufenthalt weiter zu praktizieren und (2) die Wir-kung von Yoga auf den Blutdruck zu bestimmen.Methoden:Männliche Patienten (Alter zwischen 27 und 63 Jahren) mit der Diagnose Blut-hochdruck wurden randomisiert (Auswahl nach dem Zufallsprinzip) für ein stan-dardisiertes Herzrehabilitationsprogramm ausgewählt, in dem zum einen PMR (alsKontrollgruppe, 167 Patienten) zum anderen mit Viniyoga (das zu untersuchen-den Verfahren, 173 Patienten) gearbeitet wurde. Das hochstrukturierte Trainings-programm für stationären Patienten mit PMR und Viniyoga setzte sich zusammenaus angeleiteteten Sitzungen, die, fünf mal wöchentlich über drei Wochen hin-weg stattfanden. Blutdruck, Herzfrequenz und Medikamentengebrauch wurdezum Anfang (t1) und am Ende der stationären Rehabilitation (t2) gemessen. Alsspäte Datenerfassung wurde den Studienteilnehmern sechs Monate nach demstationären Aufenthalt ein eigenständig auszufüllender Fragebogen zugeschickt.Dessen Rücklauf betrug 85%.Ergebnisse:Während des stationären Trainingsprogramms stellten wir mehr Studienaussteigerin der Yogagruppe fest (16% gegen 5% in der PMR). Darüber hinaus praktiziertennur noch 14% nach sechs Monaten zu Hause Viniyoga (gegenüber 28% in derPMR-Gruppe).Ein etwas höherer Abfall der Blutdruckwerte konnte zum Zeitpunkt der zweitenMessung in der Viniyogagruppe beobachtet werden (- 8 mmHg ); in der PMR-Gruppe betrug er –6mmHg. Beachtliche Blutdruck senkende Wirkungen konntenjedoch in der Viniyogagruppe bei Patienten mit hohen Blutdruckwerten festge-stellt werden. Bei den Patienten mit einem systolischen Druck über 140 mmHg beider Erstmessung war die mittlere Differenz der Blutdrucksenkung deutlich ausge-prägter (im Durchschnitt bei 21mmHG) als in der PMR-Gruppe (-12,6 mmHg).Schlussfolgerungen:Unseres Wissens ist dies der erste randomisierte Versuch, Langzeitbehandlung wieBlutdruck senkende Langzeitwirkung von Viniyoga in der Herzrehabilitation zuuntersuchen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Viniyoga weniger gut akzeptiert wirdvon männlichen Herzrehabiltitationspatienten mit niedrigen sozioökonomischenStatus. Da Yoga jedoch im Vergleich mit PMR eine positivere Wirkung auf denBlutdruck zu haben scheint, sollten spezielle Programme entwickelt werden, dieden Bedürfnissen der Herzpatienten mehr entgegen kommen und das Üben vonYoga im Alltag fördern mit dem Ziel, Viniyoga regelmäßig und langfristig zu üben.

W. Mayer-Berger1, C. Kettner1, C. Pieper2, A. Marr2, U. Bräutigam3, A. Mi-chalsen4, S. Moebus2

1Klinik Roderbirken, Kardiovaskuläres Rehabilitationszentrum, Leichlingen,Deutschland, 2Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie,Universitätskrankenhaus Essen, Deutschland, 3Die Yogaschule, Düsseldorf,Deutschland, 4Klinik für Naturheilkunde, Immanuel Diakonie Gruppe, Berlin,Deutschland

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Yoga

5 VIVEKA Hefte für Yoga NUMMER 45 www.viveka.de

SOWEIT DIE BESCHREIBUNG der Stu-die als Erfahrungsbericht derer, die dar-in mitgearbeitet haben. Was könnenwir als Yogaunterrichtende nun mit ei-ner solchen Studie anfangen?

Zuerst ist natürlich der Bericht überdie konkreten Unterrichtserfahrungschon deshalb sehr interessant, weil ge-rade im Feld der Rehabilitation Yoga zu-nehmend zum Einsatz kommt. Deshalbist das Teilen und die Diskussion von da-bei gewonnenen Erfahrungen enormnützlich.

Der große wissenschaftliche Auf-wand, mit dem diese Studie angelegtwurde, gibt ihr in vielerlei Hinsichtaußerdem eine besondere Bedeutung.

1.Bislang ist Yoga in Deutschland von

„offizieller medizinischer Seite“ als prä-ventive Maßnahme anerkannt. SobaldeinE KrankenkassenmitarbeiterIn denEindruck hat, Yoga würde in einemYogakurs therapeutisch eingesetzt, wird

de körperliche Konstitutionen und gin-gen wie folgend beschrieben darauf ein:

◆ Bewegungseinschränkung inSchultern und Nacken (Berufskraftfah-rer)

Den Armbewegungen besondereAufmerksamkeit schenken, bereits inder Einführung darauf hinweisen, dassdas Heben der Arme im Stehen im ent-spannten Bereich bleiben sollte, auchwenn das nur bis auf Höhe der Schul-tern möglich sei. Besonders gilt diesauch im Liegen. Da durch die fixierteHaltung des Rückens die Anforderungan die Schulterbeweglichkeit erhöht ist,die Arme nur so hoch wie spannungs-frei möglich bringen. Von Anfang ansanftes Heben und Senken des Kopfesmit der Ein- und Ausatmung anleiten.Das Spannungsdreieck Nacken und

Schultern damit sanft lösend anspre-chen.

◆ Bandscheibenvorfälle besondersim Lendenwirbelsäulenbereich (Berufe,die schweres Heben fordern).

In der sitzenden Vorbeuge auf demHocker, darauf achten, dass nicht zutief gebeugt wird.

◆ Probleme in Knie- und Handge-lenken

sind eher selten. Manchmal gehtdas Abstützen im Vierfüßlerstand nurauf den Fäusten.

Zusammenfassend möchte ich sa-gen, dass das Gefühl für die Entwick-lung eines eigenen Maßes insbesonderefür Herzpatienten ein wichtiges Themaist. Die eigenen Grenzen nicht wahr-nehmen, sich selbst gefährdend sie zuüberschreiten und dafür gesellschaftlich

anerkannt zu sein ist ein Grund legen-des Problem vieler Herzpatienten. YogaÜbungen sind darauf ausgelegt einenfeinfühligen Kontakt mit sich selbst auf-zunehmen und zu üben. Wir konnten inden drei Wochen täglichen Übens fol-gende Entwicklung beobachten: Zu-nächst wird der Körperkontakt bewusstaufgenommen (was tue ich gerade?).Dann wird der Atem, die Atembewe-gung wahrgenommen. Am Ende konntebeides, Bewegung und Atem, in Verbin-dung gebracht werden, was in einemruhigen, gleichmäßigen Bewegungsab-lauf sichtbar wurde. Bewegungsein-schränkungen konnten gut integriertoder gemindert werden.

Brigitte Berger ▼

Vom Nutzenwissenschaftlicher Studien

der sonst geleistete Zuschuss abgelehnt.Studien, die einen therapeutischen Wir-knachweis führen, eröffnen somit einneues Feld möglicher Anerkennung; sieerhöhen die Akzeptanz eines therapeu-tisch ausgerichteten Yoga in der Ge-samtbevölkerung wie in den medizini-schen Institutionen. Gleichzeitig darfman sich nicht der Illusion hingeben,dass alles, was im medizinischen BereichWirkung zeigt, in den therapeutischenMaßnahmenkatalog der Krankenkassenaufgenommen und somit erstattungs-pflichtig wird. Für eine ganze Reihe na-turheilkundlicher Mittel wurden in die-sem Sinne folgenlose sichere Wirknach-weise geführt. Dennoch sind Studienwie diese von Bedeutung: Sie ebnen denWeg zu einer Anerkennung.

2.Erinnern wir uns: Die Studie verfolgt

zwei Fragestellungen: Zu Einen unter-sucht sie, »ob männliche Patienten mitniedrigem sozioökonomischen Status in

der Herzrehabilitation motiviert sind, Vi-niyoga-Übungen nach dem Klinikaufent-halt weiter zu praktizieren« . Zum ande-ren erforscht sie »die Wirkung von Yogaauf den Blutdruck.« (s. Kasten)

Im Hinblick auf die erste Fragestel-lung stellt die Studie sich ein sehr beson-deres Thema: Sie fragt nach der so ge-nannten Compliance von Yogaübungen.In der medizinwissenschaftlichen Spra-che beschreibt Compliance die Akzep-tanz und Umsetzung der Therapie durchdie Patienten. Also: werden die Tablet-ten eingenommen, befolgt der Patientdie vorgeschriebene Diät, geht er regel-mäßig zu Physiotherapie und übt dieÜbungen selbstständig...? Unter denvielen Untersuchungen im medizini-schen Bereich sind die über Akzeptanzund Anwendung wirksamer Medika-mente oder Verfahren eher die Ausnah-me. Gleichzeitig wissen vor allem dieniedergelassenen Ärztinnen und Ärzte,dass es mit dem Einhalten der Therapiendurch die Patienten bei weitem nicht im-

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mer gut bestellt ist. Tausende Tonnenvon Medikamenten lagern ungenutzt inhäuslichen Medizinschränkchen, umirgendwann ihren Weg auf Müllkippenzu nehmen. Für die konkrete Arbeit derÄrztinnen und Ärzte mit kranken Men-schen sind solche Studien im Rahmender Kontrolle von Therapiewirksamkeitjedoch von großer Wichtigkeit. Für dieFrage nach der Wirksamkeit von Yogasind sie von zentraler Bedeutung, denndas beste Yogaprogramm wirkt nicht,wenn es in der Nachttischschublade lie-gen bleibt.

Die Antwort, welche die Studie hiergibt, ist sehr eindeutig: Yoga hatte einegeringe Compliance. Ein großer Teil derMänner, die sich in der Herzkreislaufre-habilitation befanden, übte nicht zuHause weiter; nur 14% hielten das Übendurch.

Als Yogalehrerin, als Yogalehrerwürde man sich das natürlich anderswünschen. Schlussfolgerungen aus die-sem Ergebnis können wir in zwei Rich-tungen anstellen. Einmal die Frage nachdem „Warum“. Woran könnte es lie-gen, dass Yoga hier recht gering akzep-tiert wurde? Die andere Richtung stelltÜberlegungen dahin gehend an, wieman diese Situation verändern könnte.

a. Ein Blick auf die Zusammenset-zung von allgemeinen Yogakursen för-dert einige Punkte zutage, die mehrLicht auf das hier vorliegende Ergebniswerfen können:

◆ Männer sind in Deutschland inoffenen Yogagruppen extrem unterre-präsentiert (Dies gilt nicht für die indivi-duelle Begleitung durch Yoga!).

◆ Dies trifft verstärkt zu für diehier untersuchte Gruppe (Männer mitgeringem sozioökonomischen Status).

Mit anderen Worten: Der Studieliegt ein Probandenkollektiv zu Grunde,das einen sehr hochschwelligen Zugangzu Yoga zu haben scheint. (Gerade dasmacht andererseits den Nachweis dererstaunlich hohen Wirksamkeit vonYoga bei der Senkung des Blutdrucks(s.u.) umso überzeugender.).

b. Brigitte Berger spricht in ihrem Er-fahrungsbericht einen weiteren Punktan. Im Vergleich mit der Methode desPMR verlangt Yoga ein Mehr an Akti-vität. Für einige der Patienten offen-sichtlich eine Überforderung. Diese An-

nahme könnte die schon stationär auf-getretene hohe Quote von Abbrechernerklären. Was ist daraus zu schließen?Vielleicht, dass man Veränderungen aneinem zukünftigen stationär zu unter-richteten Programm in Erwägung zieht.Zum Beispiel könnten die Yogaübungenzu Beginn bewusst anspruchsloser ge-staltet werden. Erst im Verlauf der dreiWochen würde in kleinen Schrittenmehr Aktivität verlangt. Natürlich stelltsich dann die Frage, ob die Blutdruck-senkung ähnlich dramatische Werteausweisen würde wie beim bisherigenVorgehen.

3.Was die Nachhaltigkeit des Übens

betrifft, sieht die Situation noch schlech-ter aus. Auch hier könnte die höhereund differenziertere Aktivität, die Yoga-üben erfordert, eine Rolle spielen: Manmuss sich bewegen, sich etwas anstren-gen, sich konzentrieren und konfron-tiert sich im Üben in der Regel auchmehr mit dem eigenen Körper und dereigenen inneren Gestimmtheit.

Die Hürde, sich auf eine solche Akti-vität einzulassen ist einfach größer alswenn es darum geht, sich zu einer Ent-spannungsübung an den Boden zu le-gen. Diese Vermutung wird durch unse-re langjährige Erfahrungen im BerlinerYoga Zentrum unterstützt: Viele Klien-ten, die regelmäßig selbstständig Yogaüben, berichten, dass sie, wenn sie ihrProgramm begonnen haben, es auch zuEnde führen. Tritt ein Problem mit derRegelmäßigkeit auf, so konzentriert essich bei allen auf den Einstieg in dieÜbungssequenz.

4.Ein zweiter Grund für das Nicht-

Fortführen der Übungen zu Hausekönnte daran liegen, dass die Grundla-ge, die während des stationären Auf-enthaltes gegeben werden konnte, fürein sicheres Weiterführen der Übungenallein nicht ausreichend ist. Erschwerendkäme dann paradoxer Weise hinzu, wasbezüglich ihrer Aussagekraft eine Stärkeder Studie ist: die so genannte „Verblin-dung“ der Methoden. Die Patientenwussten nicht, welche Methode sie üb-ten und hatten somit auch nicht dieMöglichkeit, nach Beendigung ihres sta-

tionären Aufenthaltes sich Unterstüt-zung bei Unsicherheiten zu holen. Diesgilt natürlich auch für die PMR- Grup-pe, deren Methodik ist allerdings vieleinfacher zu erlernen als Yoga.

Zwei Ergebnisse – eine Rich-tung

Außerordentlich spannend und fol-genreich ist für uns die Studie natürlichauch, wenn man den Blick wirft auf diefast sensationell zu nennende festge-stellte Blutdrucksenkung durch Viniyo-ga. Eine Senkung des Blutdrucks umdurchschnittlich 21mmHg durch Yoga-übungen ist eine eindrucksvolle Wir-kung. Sie kann mittelfristig zum Beispielzu einer deutlichen Medikamentenre-duzierung führen, für manche Patien-ten sogar den Verzicht auf medikamen-töse Behandlung überhaupt bedeuten.Angesichts des Potenzials, das der Vi-niyoga-Ansatz hier birgt, lohnt es also,verschiedene Modelle auszuprobieren,welche die Nachhaltigkeit im Üben ver-bessern und dabei helfen müssten, eineYogapraxis im häuslichen Umfeld fort-zuführen.

In städtischen Ballungsräumen zumBeispiel könnten nach der stationärdurchgeführten ersten Phase in der Re-habilitationsklinik an gezielte Gruppe-nangebote angedacht werden. Sie wür-den das selbstständige Üben zwar nichtersetzen können, aber einmal pro Wo-che (vielleicht genügt auch alle 14 Tageoder jede dritte Woche) den Patienteneinen Anstoß für die eigene häuslichePraxis geben. Unklarheiten im Üben lie-ßen sich hier bis zu einem gewissenMaß auflösen.

Ein anderer Ansatz könnte in eineralle drei oder vier monatlich stattfin-denden individuellen Betreuung durcheine kompetente Yogalehrerin, einengeschulten Yogalehrer bestehen. Ausunserer Erfahrung heraus würden wirdieses Vorgehen favorisieren. KonkreteProbleme, die dem regelmäßigen Übenentgegen stehen, könnten hier am ef-fektivsten, sichersten und am nachhal-tigsten gelöst werden. ▼

VIVEKA 45

Studie Bluthochdruck