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Zur Leistung von d- und w-Elementen am Beispiel von Relativsätzen
nach ausgewählten abstrakten Pronomina1 und nominalen Adjektiven
Zakariás Emese
0. Einleitung
Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, anhand von einer korpusbasierten Untersuchung einige
Bemerkungen zur Leistung der d- und w-Relativpronomina hinzuzufügen. Dabei wird in erster
Linie eine Bestandsaufnahme der Situation im Gegenwartsdeutschen – unter Berücksichtigung
bestimmter Aspekte der Systemveränderungen im Bereich der relativsatzeinleitenden Elemente –
beabsichtigt.
Wie es den Grammatiken der deutschen Gegenwartssprache zu entnehmen ist, werden
relativsatzeinleitende Elemente zwar als eine heterogene Gruppe beschrieben, jedoch besteht
Konsens darüber, wie der prototypische Relativsatz2 in der Standardvarietät der deutschen
Gegenwartssprache konstruiert wird (Engel 1991, Zifonun 1997, Eisenberg 2004, Duden 2009).
Im Gegensatz dazu scheint die Beschreibung bestimmter weniger prototypischer Fälle erheblich
komplizierter zu sein (vgl. u.a. Eisenberg 1995 und 2004: 320ff). Auf der einen Seite wird auf
die Probleme der Nebensatzklassifizierung und auf die daraus resultierenden Schwierigkeiten bei
der Abgrenzung von Relativsätzen und Konjunktionalsätzen hingewiesen (vgl. Helbig 1982 und
1984):
(1) Der Abend, an dem ich ihn kennengelernt habe, war kalt.
(2) Der Abend, als ich ihn kennengelernt habe, war kalt.
1 Ein Blick in gängige Grammatiken des Deutschen reicht um feststellen zu können, dass die Einteilung der Wortarten immer noch von Uneinheitlichkeit geprägt ist. Die Kategorie Pronomen ist in größerem Maße „mit Unklarheiten belastet“ als die sog. Hauptwortarten (Graefen 2009: 657). Nach langer Überlegung und in Anlehnung an Engel fiel die Wahl in dieser Arbeit auf den zusammenfassenden Terminus „abstrakte Pronomina“, worunter bei Engel Indefinitpronomina, negative Pronomina und Interrogativpronomina verstanden werden (Engel 1991: 649). In dieser Untersuchung werden von diesen nur einige neutrale abstrakte Pronomina berücksichtigt. Zum Begriff Indefinitpronomen vgl. noch Eisenberg (2004: 184): „Mit diesem Terminus ist traditionell eine semantische Kennzeichnung der nicht definiten Pronomina gemeint. Er ist unzutreffend insofern Indefinita hinsichtlich Definitheit semantisch unmarkiert und nicht etwa indefinit sind. Ihre semantische Funktion ist nicht die Signalisierung von Indefinitheit, sondern die Ausgrenzung von Quantitäten. Die Indefinita machen relative Mengenangaben.“2 Darunter wird hier in Anlehnung an die Duden-Grammatik (2009: 1029) ein Relativnebensatz verstanden, der etwas über ein Element im übergeordneten Satz aussagt und durch ein Relativpronomen, ein relatives Artikelwort, ein einfaches Pro-Adverb, ein relatives Präpositionaladverb oder eine Relativpartikel eingeleitet wird.
1
Auf der anderen Seite wird die Problematik der Beschreibung bestimmter Fälle wie z.B. die der
Relativsätze ohne Bezugswort (sog. „freier Relativsätze“) sowie die der Zuordnung von
Relativsätzen und Interrogativnebensätzen erwähnt. Dabei wird – auch wenn seltener – die
periphere und doch unleugbare Erscheinung der Ambiguität vieler wer- bzw. was-Nebensätze
ebenfalls angesprochen (vgl. u.a. Blatz 1900, Helbig 1974, Zaefferer 1982, Eisenberg 2004):
(3) Er gibt zu Protokoll, was geschehen ist.
(4) Wer lügt, ist unsicher. (Internetbeleg)
Die Tatsache, dass Beleg (3) von Helbig (1974: 196) – trotz einer existenten zweiten Lesart als
Relativsatz – eindeutig als Interrogativnebensatz einstuft wird, weist auch auf die Unsicherheit in
der Klassifizierung dieser Nebensätze hin.
Ein weiteres, ebenfalls lange erkanntes Phänomen, das nicht nur in den Grammatiken des
Gegenwartsdeutschen, sondern auch in Grammatiken der früheren Sprachstufen bzw. in
historisch orientierten Arbeiten erwähnt wird, sind Sätze, in denen als Bezugswort im Hauptsatz
entweder ein abstraktes Pronomen oder ein nominales Adjektiv dient. Über diese Sätze findet
man ein breites Spektrum an Informationen: die Darstellung der historischen Veränderungen im
Gebrauch der Relativpronomina im besprochenen Bereich; die synchrone Beschreibung des
Pronomengebrauchs; Ansätze, die die Schwankungen zu erklären versuchen – um nur einige zu
nennen. Genauere Erläuterungen bzw. eine Einbettung ins System folgen nur in vereinzelten
Fällen.
Zu diesen gehören die Ansätze, die im Hintergrund der Schwankungen im Gebrauch von das
bzw. was nach den behandelten Relativsätzen einen Bedeutungsunterschied annehmen (u.a.
Cutting 1903, Pierce 1915). Cutting (1903: 115) weist in seinem Aufsatz darauf hin, dass die
folgenden Textbeispiele bereits von Sanders (1886: 295) unterschiedlich interpretiert werden:
(5) Ich verzeihe ihm das Böse, was er mir zugefügt hat und künftig noch zufügen wird in dankbarer
Erinnerung an das Gute, das (welches) er mir früher erwiesen hat.
Im ersten Fall soll das Böse allgemein eine Klasse, eine Gesamtheit bezeichnen, während sich
das Gute auf eine bestimmte Wohltat bezieht.
Im vorliegenden Aufsatz wird beabsichtigt, im ersten Schritt eine Bestandsaufnahme der
vorkommenden Konstruktionen im heutigen Deutsch zu erstellen, um dadurch einen Einblick
2
darin zu gewinnen, inwieweit bei dem behandelten Relativsatztyp von Schwankungen
gesprochen werden kann. Es wird ebenfalls überprüft, ob man bei den Textstellen, wo zwei
parallele Formen möglich bzw. belegt sind, einen Bedeutungsunterschied feststellen kann.
Überdies wird auch zum Ziel gesetzt, einige Bemerkungen zur Beschreibung von d/w-Elementen
sowie zur Veränderung des Systems im behandelten Bereich hinzuzufügen.
1. Die Veränderungen bei den untersuchten Relativsätzen
Obwohl sich die meisten Darstellungen darüber einig sind, dass sich das Relativpronomen im
Deutschen aus dem Demonstrativum herausgebildet hat, gibt es über den Entwicklungsprozess
des Relativsatzes recht unterschiedliche Hypothesen (Betten 1987: 82).
Über wer als Relativum gilt in den meisten historischen Darstellungen, dass es sich aus der ahd.
Form so (h)wer so > so wer > swer entwickelte und im 14. Jahrhundert durch den Schwund des
anlautenden s- mit dem Interrogativpronomen zusammenfiel (vgl. u.a. Dal 1966, Ebert 1978 und
1986). Die Relativa wer und was unterschieden sich ursprünglich von der anderen, aus dem
Demonstrativum entstandenen Pronomenreihe darin, dass sie keine adnominalen Glieder,
sondern selbstständige nominale Glieder im übergeordneten Satz waren (Dal 1966: 201).
Nach Erdmann (1886: 53) bezieht sich was immer nur „auf ein alleinstehendes Neutrum eines
Pronomens oder Adjectivums, nicht aber auf ein mit der verbundenes Substantiv. Der Relativsatz
kann allgemeine Geltung haben (was = alles, was) oder eine bestimmt abgegrenzte Sache
umschreiben (was = dasjenige, was).“ In den „Untersuchungen über die Syntax der Sprache
Otfrids“ erklärt Erdmann in Zusammenhang mit der Entstehung und dem Gebrauch vom
relativen was, dass sich – im Gegensatz zum Latein, wo aus dem indefiniten Pronominalstamm
die relative Verwendung entwickelte (quis, quid) – bei Otfrid noch ein anderes Bild zeigt:
Im ahd. bei Otfrid sind [...] die Bildungen und Ableitungen dieses Pronominalstammes durchaus noch auf die [...] Anfügung von Nebensätzen der indirekten Rede beschränkt, und nur innerhalb dieser und beschränkt auf das Neutrum (waz, einmal welîhaz) beginnen sich Anfänge einer relativen Verwendung zu entwickeln. Diese wurde wahrscheinlich erleichtert dadurch, dass auch vor diesen Nebensätzen ein ihren ganzen Inhalt zusammenfassendes [...] thaz, iz im Hauptsatze gesetzt wurde, welches mit einem diese Nebensätze einleitenden waz leicht in eine Beziehung gesetzt werden konnte. (ebd. 76)
Doch merkt er des Weiteren ebenfalls an, dass an einigen Stellen waz im Nebensatz nicht auf
thaz im Hauptsatz bezogen werden kann (ebd.). 3
Im Mittelhochdeutschen sind Konstruktionen mit swer bzw. swaz häufig (Ebert 1978: 24, vgl.
auch Paul 2007). Bei den behandelten Relativsätzen kommt bis ins 18. Jahrhundert hinein die
Form das häufiger vor (Dal 1966: 201), als Ausgangspunkt der Veränderung wird die
Konstruktion alles, was betrachtet (Behaghel 1928: 720 bzw. 726). Im Frühneuhochdeutschen
erscheint was als Variante neben dem relativen das nach einem Pronomen als Bezugswort (es,
das, dasjenige, alles) und seit dem 17. Jh. nach substantivischen Adjektiven (Ebert 1993: 449).
In den besprochenen Relativsätzen des Gegenwartsdeutschen überwiegt schon die Form was (s.
Punkt 2). Die Beweggründe für die Veränderung, in deren Rahmen die ältere Form das in den
besprochenen Nebensätzen des modernen Deutschen durch was ersetzt wird, scheinen nach dem
genauen Studieren der zitierten historischen Untersuchungen immer noch nicht ganz geklärt zu
sein.
2. Die fraglichen Relativsätze in ausgewählten Sprachratgebern und Grammatiken3
Andresen stellt in seinem Werk „Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen“ in
Zusammenhang mit dem Relativum u.a. Folgendes fest (Andresen 1890: 293):
Es heißt: [...] alles, was (kaum noch das, wie früher); dies Misverhältnis läßt sich nicht mehr beseitigen, gilt vielmehr als Regel. Heute liegt es daran, dem ‚was‘ sein beschränktes Gebiet als Relativ zu überweisen oder einzuräumen und namentlich jede Beziehung auf ein eigentliches Subst. fern zu halten.
Der Autor weist des Weiteren darauf hin, dass sogar „angesehene Schriftsteller“ anstelle von das
das Pronomen was benutzen und führt Beispiele mit einem Substantiv als Bezugswort an (ebd.).
Den Unterschied zwischen was und wer fasst er folgendermaßen zusammen: „Während ‚was‘
auf die unbestimmten substantivischen Pronomina und Zahlwörter bezogen wird, sowie auf die
subst. Adj. nach allen drei Komparationsstufen, [...] ist diese Beziehung dem persönlichen ‚wer‘
untersagt.“ (ebd. 294).4
3 Im Rahmen dieses Aufsatzes ist es unmöglich, alle Grammatiken der deutschen Gegenwartssprache zu behandeln, weswegen eine Auswahl getroffen werden musste. Zum besprochenen Phänomen in den Arbeiten um 1900 vgl. u.a. den Überblick von Cutting (1903) und Alexis (1919).4 Wie oben bereits darauf hingewiesen wurde, werden in diesen Aufsatz neutrale abstrakte Pronomina bzw. nominale Adjektive und die ihnen folgenden Relativkonstruktionen miteinbezogen, für weitere Untersuchungen könnte die Gebrauchsweise von wer ebenfalls von Interesse sein. Andresen kommt nach der Auflistung zahlreicher Belege für die Verwendung von der bzw. wer zur Schlussfolgerung, dass durch wer eine unbestimmte, allgemein geltende Person bezeichnet wird, durch der hingegen immer eine bestimmte (Andresen 1890: 295). Zur Veranschaulichung führt er u.a. eine Bibelstelle an:
(a) Wer nicht zur Thür hineingeht in den Schafsstall, sondern steiget anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Mörder;
4
Wustmann (1966: 95) deklariert im Relativsatz-Kapitel seiner „Sprachdummheiten“,5 dass
anstelle von das als Relativpronomen was nicht verwendet werden darf, wenn es sich auf einen
bestimmten Gegenstand bezieht. Seiner Meinung nach wird in der Schrift sowie „in der feineren
Umgangssprache“ die Verwendung von was als Relativum auf bestimmte Fälle begrenzt: Es
wird entweder nach allgemeinen Für- und Zahlwörtern gebraucht oder nach substantivierten
Adjektiven (ebd. 96). Bei den Letzteren weist der Autor auf die Bedeutung der Unterscheidung
zwischen zwei Fällen hin: Handelt es sich um etwas Allgemeines, wird was verwendet, geht es
um etwas „Besonderes, Bestimmtes, Einzelnes“, wird das gesetzt. Für den Superlativ gilt nach
Wustmann:
Dagegen ist hinter der Höchststufe in den meisten Fällen was das Richtige, und zwar überall, wo vor dem Relativ noch ein Glied zu ergänzen ist, das auf „was“ hinweist. Wenn ich sage: das Erhabenste, was Beethoven geschaffen hat – so meine ich nicht das Erhabenste überhaupt, sondern nur das Erhabenste von dem oder von allem, was Beethoven geschaffen hat. Wenn ich dagegen sage: das Erhabenste, das wir Gott nennen, so ist das Erhabenste schlechthin gemeint. (ebd.)
Damit weist er auf die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen zwei Typen innerhalb der
Relativsätze mit einem Superlativ hin (vgl. auch Cutting 1903: 126). Der eine Typ funktioniert
wie der partitive Genitiv, der andere appositiv.
Zum Schluss fügt Wustmann Folgendes hinzu: „Nach der Grundstufe gebrauchen aber auch gute
Schriftsteller blindlings bald das, bald was.“ (ebd.)
Wunderlich (1901: 276) führt auch zwei mögliche Formen des Relativpronomens an: die
Pronomina der und welcher; was erwähnt er nur am Rande und weist darauf hin, dass sich früher
der Gebrauch von was vor allem auf den Fall alles, was beschränkte, seine Verwendung aber
schon bei Goethe sich zu erweitern begann. Zum Schluss listet auch Wunderlich (ebd. 301)
zahlreiche Beispiele auf, die die Verwendung vom relativen was nach einem Substantiv belegen.
Es folgen jedoch keine weiteren Erklärungen.
(b) der aber zur Thür hineingeht, der ist ein Hirte der Schafe.“ (ebd.)Ausgerechnet in zwei parallelen Konstruktionen wie diesen scheint – zumindest ohne Kontext – fraglich, wann eine Person als unbestimmt bzw. generell geltend, und wann bestimmt oder konkret verstanden wird. In der Wahl des Pronomens dürfte ein weiterer Aspekt, nämlich die Negation auch eine Rolle spielen. Dies sollte jedoch im Rahmen einer größer angelegten Untersuchung genauer überprüft werden.5 Das Werk „Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen“ ist erstmals 1891 erschienen.
5
Wie bereits in der Einführung erwähnt, gibt es vereinzelte linguistische Arbeiten, die sich darauf
konzentrieren, den Bedeutungsunterschied zwischen den Konstruktionen mit das und was zu
erfassen und die Gesetzmäßigkeiten in der Wahl des Pronomens zu beschreiben (vgl. Cutting
1903, Pierce 1915, Alexis 1919). Im zitierten Aufsatz plädiert Cutting dafür, dass es sich in
diesen Fällen um einen qualitativen Unterschied handelt (Cutting 1903: 115). was bezeichnet
allgemein eine Klasse, während sich das auf eine bestimmte Größe bezieht. Um seine These zu
untermauern, führt er die Untersuchung literarischer und philosophischer Schriften u.a. von Paul
Heyse, Gottfried Keller, Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer durch und stellt
Folgendes fest: „There must be something inherent in the meaning of the superlative antecedent
that finds a more adequate expression in the relative was than in the older das.“ (ebd. 126).
Anhand der Ergebnisse seiner Korpusuntersuchung formuliert er die Annahme, dass Relativsätze
nach Superlativen den Ausgangspunkt für den Wandel im untersuchten Bereich gebildet haben
und die neue Verwendung von hier aus in die anderen Kategorien übergangen sein soll (ebd.
129f). Die Verbreitung von was in den untersuchten Relativsätzen, die keinen Superlativ als
Antezedens aufweisen, bezeichnet Cutting als kaum bemerkbar, die Veränderungen und ihre
Motivationen bewertet er wie folgt (ebd. 130f):
The gain made since the 18th century by was has been effected, not by its assuming a determinative meaning, once exclusively characteristic of the demonstrative das, but by its increasing use as indeterminative relative after alles, einzig, and all degrees of comparison (chiefly the superlative) of the substantivized adjective, whenever the vagueness inherent to this elements is not overborne by the particularizing intention of the author, or whenever the writer’s intentional vagueness demands such expression.
Pierce (1915) führt die Untersuchungen von Cutting (1903) weiter und beschränkt die Analyse
der besprochenen Relativsätze auf Schillers Prosatexte. Dabei stellt er – ähnlich wie sein
Vorgänger – fest, dass Schiller den oben genannten qualitativen Unterschied zwischen den
Relativa das und was erkannte und sie für Bestimmtes bzw. Unbestimmtes bewusst einsetzte
(Pierce 1915: 367).
Alexis (1919) untersucht verschiedene Prosatexte des 18. Jahrhunderts und liefert nicht nur
umfangreiche Tabellen, von denen die Anfänge bestimmter Tendenzen abzulesen sind, sondern
auch Erklärungen für die bestimmte Verhältnisse. Er stellt für das neutrale was nach abstrakten
6
Pronomina fest, dass es im 18. Jh. ausschließlich nach alles eindeutig überwiegt. Belege mit das
in der untersuchten Konstruktion sind nach Alexis auch keine Seltenheit:
was das welches
nichts 56 26 2
etwas 23 71 15
vieles 6 7 2
alles 421 3 2
Tabelle 1: Belege nach abstrakten Pronomina bei Alexis (1919: 15)
Das häufige Erscheinen von was nach nichts erklärt er wie folgt:
The fact that nichts is followed by was and etwas by das suggests a solution. Nichts is the opposite of alles, and as alles, was became exclusively prevalent, so it’s opposite nichts, was. With etwas, das the specific something enters in, definit to the mind of the writer or speaker. So also in vieles, das. (ebd. 16)
Die Grammatiken der deutschen Gegenwartssprache geben als relativsatzeinleitendes Element
für die besprochenen Fälle das Relativpronomen was an (vgl. u.a. Heidolph 1981, Zifonun 1997,
Duden 2009). In bestimmten Grammatiken (u.a. Engel 1991, Duden 2009) wird ebenfalls
angemerkt, dass im Relativsatz nach abstrakten Pronomina sowie nach nominalen Adjektiven
auch das erscheinen kann. Die Kommentare weisen auf unterschiedliche Aspekte hin.
Die neueste Ausgabe der Duden-Grammatik bietet eine differenziertere Darstellung des
Relativums als die früheren Ausgaben6 und listet als potentielles relativsatzeinleitendes Element
die folgenden Relativa an (Duden 2009: 1029f):
(a) Relativpronomen: der, die, das; welcher, welche, welches; wer, was
(b) Relatives Artikelwort: welcher, welche, welches
(c) Einfaches relatives Pro-Adverb: wo, wie
(d) Relatives Präpositionaladverb: womit, woran, wodurch etc.
(e) Relativpartikel: je, so, wie, als
Die Wahl des Relativpronomens betreffend stellt die Duden-Grammatik fest, dass die Form
der/die/das im Gegenwartsdeutschen überwiegt; welcher/welche/welches wird eher in der
6 In der Duden-Ausgabe von 2005 (1039) werden noch der traditionellen Aufteilung folgend neben dem Relativpronomen der, die, das, dem Relativpronomen welcher, welche, welches sowie wer, was die relativen Adverbien als potenzielle Relativsatzeinleiter angeführt.
7
geschriebenen Sprache verwendet, wer und was erscheinen in freien Relativsätzen (ebd. 1031).
was kommt außerdem auch dann vor, (1) wenn es sich auf ein Pronomen mit Genus Neutrum
bezieht oder (2) bei Bezug auf substantivierte Adjektive mit Genus Neutrum. Dabei wird
angemerkt, dass nach etwas sowie nach substantivierten Adjektiven die Form das ebenfalls
vorkommt (ebd. 1031f). Außerdem weist die Duden-Grammatik auch darauf hin, dass das
Pronomen was nach einer Kombination der behandelten Bezugswörter mit Präpositionen eher
selten gebraucht wird (ebd. 1032). Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich hier – wenn
man die umgangssprachlichen Varianten auch einbezieht – „ein erstaunlich buntes Bild“ zeigt
(ebd. 1033):
(6a) Sie sagte etwas, an was ich mich nicht mehr recht erinnern kann.
(6b) Sie sagte etwas, an das ich mich nicht mehr recht erinnern kann.
(6c) Sie sagte etwas, woran ich mich nicht mehr recht erinnern kann.
(6d) Sie sagte etwas, wo ich mich nicht mehr recht dran erinnern kann.
Aus dieser Liste wird ersichtlich, dass v.a. in der Umgangssprache Relativa, die rein formal
gesehen, d.h. das Schriftbild betreffend mit einem w-Element anfangen, durchaus beliebt sind.
Dies gilt jedoch nicht nur für die Umgangssprache, sondern auch für zahlreiche deutsche
Dialekte bzw. Substandards.7 Nicht nur das relativsatzeinleitende was,8 sondern auch wo kommt
in den von Fleischer untersuchten Varietäten häufig vor (Fleischer 2005: 178ff).
Bei Engel (1991: 85) findet man als eine semantisch neutrale Verweisform ebenfalls der, die,
das. Der Relativsatz kann durch das Interrogativpronomen wer und was in den Fällen eingeleitet
werden, in denen das Interrogativpronomen was als abstraktes relatives Anschlusselement
vorliegt (ebd.):
(7a) alles, was uns heilig ist – Bezugswort: ein neutrales Indefinitpronomen
7 Wie auch die Duden-Grammatik (2009: 1033) anmerkt, ist die Verwendung von was bei Bezug auf ein Substantiv in manchen Regionen zwar üblich, aber nicht standardsprachlich.8 Fleischer weist des Weiteren darauf hin, dass im Fall von was zwischen verschiedenen Typen unterschieden werden soll. In bestimmten Varietäten ersetzt nämlich was das neutrale Relativpronomen das, während in anderen sowohl das als auch was vorkommen kann, wobei nicht vergessen werden darf, dass im letzteren Fall in gewissen Dialekten synchron nicht mehr von einem Relativpronomen, sondern von einer Relativpartikel gesprochen werden soll (ebd.).
8
(8a) Neues, was wir wissen wollen – Bezugswort ein autonom gebrauchtes neutrales Adjektiv ohne
Artikel
(9a) das Schönste, was ich je erlebt habe – Bezugswort ein autonom gebrauchtes neutrales Adjektiv
im Superlativ
Engel betont, dass für die relative Verwendung von was die Voraussetzung erfüllt werden soll,
dass an eine unbestimmte Größe oder Menge gedacht wird. „Sind Größe bzw. Menge und deren
Elemente hingegen bekannt und klar umrissen, so kann stets, vor allem jedoch in Fall 2 und 3
[im Fall von Beleg (8a) und (9a)], auch das reguläre Relativpronomen verwendet werden“ (ebd.):
(7b) alles, das uns heilig ist (seltener)
(8b) Neues, das wir wissen wollen
(9b) das Schönste, das ich je erlebt habe
Es wird jedoch nicht näher erläutert, aufgrund welcher Kriterien von Bekanntheit oder klarer
Umrissenheit von einer Größe, Menge und deren Elementen gesprochen werden kann. Engels
Formulierung kann auch deswegen problematisch erscheinen, weil gerade in den von ihm (Engel
1991: 670) angeführten Beispielen (10a) und (10b) erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, die
Belege so zu paraphrasieren, dass der genannte Unterschied kenntlich wird:
(10a) etwas, was Sie wissen sollten
(10b) etwas, das Sie wissen sollten
Ein generelles Problem ist überdies, dass die meisten Belege in der Regel ohne Kontext, und in
vielen Fällen ohne den Hauptsatz angeführt werden.
3. Methode und Ergebnisse
Als Grundlage der Untersuchung wurde das Korpus CosmasII verwendet. Wegen der extrem
hohen Belegzahl wurde das Korpus auf Texte aus der Berliner Morgenpost (im Folgenden BM)
begrenzt (untersuchter Zeitraum: Oktober 1997, Mai – Dezember 1998, Januar – Dezember
1999). In die Analyse wurden auch einige fragliche Belege aus den zitierten historischen
Grammatiken bzw. Sprachratgebern miteinbezogen. In diesem Beitrag wurde keineswegs zum
Ziel gesetzt, eine umfassende statistische Auswertung der Daten zu erstellen; es kommt vielmehr
auf eine Analyse der wichtigsten Belegtypen an.
9
Die Arbeit mit dem Korpus ergab insgesamt 885 Relativsätze. Davon kamen 753 in Nebensätzen
nach abstrakten Pronomina (nichts, wenig, manches, einiges, etwas, vieles und alles) und 132
nach einem nominalen Adjektiv im Nominativ vor, die in Anlehnung an die Untersuchung von
Pierce (1915) ausgewählt wurden.9 Die Besprechung der Textstellen erfolgt unter Punkt 4. Für
jede Analyse gilt, dass die Belege exemplarisch für die jeweilige Konstruktion stehen, falls es
nicht anders angemerkt wird.
was das
nichts 41 3
wenig 7 0
manches 6 0
einiges 4 0
etwas 48 44
vieles 18 1
alles 581 0
Insgesamt 705 48
Tabelle 2: Belege nach abstrakten Pronomina
Die aus der Tabelle ersichtlichen Befunde und deren Proportionen entsprechen den Erwartungen:
Es lassen sich in dieser Gruppe kaum Belege finden, die im Gegenwartsdeutschen mit das
konstruiert werden. Lediglich für einen Relativsatz nach etwas findet man fast genauso viele
Belege mit das wie mit was.
Die nominalen Adjektive ließen sich nach der Komparationsstufe in drei Gruppen teilen. Da es
aber die Konstruktion mit einem Komparativ in dieser Untersuchung nicht belegt werden konnte,
werden nur die Ergebnisse für den Positiv und Superlativ angegeben:
9 Bei den nominalen Adjektiven mussten die Suchanfragen modifizert werden, weil es für bestimmte, bei Pierce mehrmals belegte Adjektive im benutzten Korpus keine Treffer gab.
10
was das
das Gute 0 0
das Schlimme 0 1
das Schöne 0 0
das Neue 0 1
das Einzige 81 5
Insgesamt 81 7
Tabelle 3: Belege nach einem nominalen Adjektiv im Positiv
was das
das Beste 27 0
das Schlimmste 13 0
das Schönste 3 0
das Neueste 1 0
Insgesamt 44 0
Tabelle 4: Belege nach einem nominalen Adjektiv im Superlativ
4. Analyse der Belege
4.1. nichts, das/was
Es fällt auf, dass in der überwiegenden Mehrheit (29 von 41) der Belege mit nichts im Haupstatz
das Prädikat es gibt oder ein Verb wie stehen, passieren usw. erscheint, gefolgt von einem was-
Nebensatz:
(11a) In diesem Film gibt es nichts, was sonst in letzter Zeit in jedem x-beliebigen Fernsehfilm unverzichtbar scheint. (L98/MAI.02832 BM, 31.05.1998, S. 34)
(12a) In diesem Interview stand nichts, was die monegassische Hoheit nicht schon oft geäußert hatte. (L99/APR.17228 BM, 10.04.1999, S. 34)
(13a) Es gibt also fast nichts, was er nicht über sie wüßte. (L98/NOV.16596 BM, 02.11.1998, S. 24)
(14a) Akzeptieren Sie nichts, was Ihren Prinzipien zuwiderläuft oder mangelnden Respekt vor Ihrer Person dokumentiert. (L98/NOV.16454 BM, 01.11.1998, S. 69)
Versucht man in den Belegen (11a) bis (14a) was durch das zu ersetzen, scheint es problemlos
zu funktionieren. Die Beispiele (11b) bis (14b) – die keine Korpusbelege sind – dürften zwar als
11
weniger geläufig empfunden werden, als ungrammatisch können sie aber nicht bezeichnet
werden:
(11b) In diesem Film gibt es nichts, das sonst in letzter Zeit in jedem x-beliebigen Fernsehfilm unverzichtbar scheint.
(12b) In diesem Interview stand nichts, das die monegassische Hoheit nicht schon oft geäußert hatte.
(13b) Es gibt also fast nichts, das er nicht über sie wüßte.
(14b) Akzeptieren Sie nichts, das Ihren Prinzipien zuwiderläuft oder mangelnden Respekt vor Ihrer Person dokumentiert.
Dies scheinen die Korpusbelege (15) bis (17) ebenfalls zu bestätigen. Ginge man hier genauso
wie oben vor, würden sich wiederum akzeptable Sätze ergeben.
(15) Irische Gedichte vom Sechsten Jahrhundert bis zur Gegenwart, lautete der Untertitel. Sie nahm das Buch mit ins Schlafzimmer und setzte sich aufs Bett, legte es auf ihren Schoß und blätterte. Sie sah nichts, das ihr ins Auge sprang. Also beschloß sie, vorn anzufangen, Seite für Seite, bis sie die Zeilen fand. (L98/NOV.16625 BM, 02.11.1998, S. 29)
(16) Ich bin zwar nicht süchtig, aber wenn die Fahrt vorbei ist, gibt es nichts, das dir diesen Kick gibt. Leute denken, ich tue das nur für Geld, aber das ist falsch. (L99/MAR.09802 BM, 07.03.1999, S. 41)
(17) In einem nordamerikanischen Supermarkt gibt so gut wie nichts, das nicht in irgendeiner Form mit Mais in Verbindung steht: Fleisch, Milch, Pudding, Babynahrung, Essig, Hefe, Bonbons. (L99/APR.19149 BM, 25.04.1999)
Auch wenn man versucht, die Textstellen in dem größtmöglichen Kontext zu untersuchen, bleibt
die Frage des Bedeutungsunterschiedes in diesem Fall erst einmal unbeantwortet.
4.2. wenig/manches/einiges, was und vieles/etwas, was/das
(18) „Es gibt eben wenig, was so lebendig ist wie Musicals.“ (L99/APR.18204 BM, 22.04.1999, S. 26)
(19) „Ich habe hier einiges probieren können, viel Gutes gesehen, aber auch einiges, was noch bis zum EM-Start abgestellt werden muß.“ (L99/JUN.29374 BM, 07.06.1999, S. 24)
(20) Dort wo Rubens gedacht war, hängen nun die Carravagisten. Manches, was ins Obergeschoß sollte, schmückt nun die Studiengalerie. (L98/MAI.01476 BM, 22.05.1998, S. 27)
Bei der Suche nach Relativsätzen bezogen auf wenig/manches/einiges wurden im untersuchten
Korpus ausschließlich Belege mit was gefunden. Diese Sätze unterscheiden sich zwar von den
obigen Sätzen mit nichts, was/das darin, dass ihr Hauptsatz nicht automatisch eine Negation
enthält, andererseits verhalten sie sich durchaus ähnlich, was die Setzung des Relativums betrifft.
12
Hier könnte was durch das genauso ersetzt werden wie oben, ohne dass dies einen
Bedeutungsunterschied verursachen würde, der sich mit Hilfe des zur Verfügung stehenden
Instrumentariums beschreiben ließe. Dies gilt auch für vieles, wo der Korpusbeleg (22) davon
zeugt, dass ein Relativsatz mit das im besprochenen Fall tatsächlich akzeptabel ist:
(21) Ich sitze hier in Berlin. Von hier aus kann man vieles, was in diesem Land vorgeht, besser erkennen. (L98/AUG.08451 BM, 14.08.1998, S. 29)
(22) In der DDR gab es vieles, das man einfach nicht spielte, zum Beispiel das ganze Repertoire, das Tantiemen kostete. (L98/JUN.03547 BM, 11.06.1998, S. 30)
Als ein weiterer Hinweis wird auch die Tatsache gedeutet, dass nahezu die Hälfte der etwas-
Belege mit das konstruiert wird:
(23) Uno Lanka kann etwas, was selbst Bernhard Langer erstaunen dürfte. (L98/MAI.00237 BM, 14.05.1998, S. 38)
(24) Egal, ob es um meinen oder um den Vater von irgend jemand anderem geht, ist das etwas, was ich in meinem Leben nicht wiederholen möchte. (L98/MAI.00598 BM, 15.05.1998, S. 29)
(25) Im Ballumdrehen hat der geschmeidige junge Mann in enganliegenden Leggings sein Publikum im Griff – auch, wenn die Jonglage-Bälle gelegentlich nicht so fallen, wie sie sollen. K.O. hat nämlich etwas, das sich nur schwer lernen läßt: Bühnenpräsenz. (L98/JUL.06961 BM, 15.07.1998, S. 41)
(26) Die Augen starren auf etwas, das nicht einmal da ist. (L98/OKT.11434 BM, 08.10.1998, S. 41)
4.3. alles, was
Im Fall von alles fällt auf, dass – sogar bei einer so hohen Belegzahl – kein Beispiel für die
Konstruktion mit das zu finden ist. Deswegen wird auf eine Analyse dieser Belege verzichtet, es
wird lediglich angemerkt, dass es in dieser Gruppe – neben den unstrittigen Beispielen mit
generalisierender Bedeutung – Belege gibt, in denen sich was auf etwas Konkretes bezieht (s.
Belege (27) und (28)). Es könnte sich als ertragssicher erweisen zu untersuchen, welche Faktoren
außer Bekanntheit, Konkretheit bzw. Generalisierung/Partikularisierung in der Verbreitung von
alles, was eine Rolle spielen konnten.
(27) Es vereinigt sich hier alles, was einem Besuchsort zu Zierde und Empfehlung gereichen kann: Stille und Leben, Abgeschlossenheit und Weitblick, ein landschaftliches Bild ersten Ranges und eine vorzügliche Verpflegung. (L98/JUL.06380 BM, 03.07.1998, S. 15)
(28) Ich habe andere Prioritäten als meinen Körper“, sagt die gereifte Madonna. „Meine Tochter und meine Arbeit sind alles, was für mich zählt. (L98/JUL.06743 BM, 06.07.1998, S. 26)
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4.4. Nominale Adjektive im Positiv
Die Untersuchung im Teilkorpus ergab nur wenige Treffer. Es ist trotzdem interessant, dass bei
den nominalen nominalen Adjektiven im Positiv vereinzelt auch dort einige Belege mit das zu
finden waren, wo keiner mit was erschien:
(29) Die Kunst des Endvierzigers Philip Jeck, der Installationen mit bis zu 180 dieser auf dem Trödel zusammengesuchten Geräte ausgeführt hat, ist ein trauriger Kommentar zur Vergänglichkeit einer Epoche und Metapher für das Neue, das auf den Müllbergen der Vergangenheit entsteht. (L99/JAN.00467 BM, 20.01.1999, S. 43)
(30) Es ist das einzige, was ich wirklich liebe. (L98/JUL.06911 BM, 15.07.1998, S. 16)
(31) Das einzige, was ihn an sein ehemaliges Zuhause erinnert, ist ein Brief. (L98/OKT. 12429 BM, 15.10.1998, S. 37)
(32) Deshalb gilt das aus dem Besitz des Verlegers Fritz Gurlitt stammende Exemplar auf festem Bütten, das jetzt in der Galerie Brockstedt bewundert werden kann, als das einzige, das der Nachwelt erhalten blieb. (L99/JAN.02083 BM, 26.01.1999, S. 27)
(33) Für Henri Michaux, den französischen Maler und Dichter, existierte nur ein Bild von sich selbst: Die Fotografin Gisèle Freund hatte es aufgenommen an einem Nachmittag in Paris. [...] Dieses Porträt war das einzige, das Michaux als Abbild seiner selbst akzeptierte und bei Bedarf an die Öffentlichkeit weitergab. (L99/MAI.26216 BM, 23.05.1999, S. 26)
Im Fall von einzig handelt es sich meistens um eine partikularisierende Bedeutung, trotzdem
scheinen hier beide Möglichkeiten vorhanden zu sein. Auch hier überwiegt die Zahl der was-
Belege. Auf die Verschiebung im Gebrauch von das/was zugunsten von was kann im Fall von
einzig auch die semantisch-funktionale Nähe zur Superlativ-Gruppe einen Einfluss gehabt haben.
Die ersten Untersuchungen zeigen die Tendenz, dass mit das einzige, was/das meistens auf eine
Tatsache Bezug genommen und viel seltener eine generalisierende Aussage gemacht wird als mit
einem nominalen Adjektiv im Superlativ.
4.5. Nominale Adjektive im Superlativ
Bereits für die oben zitierten Autoren (s. Punkt 2) stand außer Zweifel, dass die
neuhochdeutschen Relativsätze nach nominalen Adjektiven im Superlativ nur noch sporadisch
eine Variationsmöglichkeit aufweisen. Dementsprechend ist es nicht weiter überraschend, dass
unter diesen Belegen keiner mit dem Pronomen das zu finden ist. Hier werden zur
Veranschaulichung vier Beispiele angeführt:
(34) „Die Buga ist das Schönste, was der Stadt wiederfahren konnte und bedeutet schlicht und einfach Imagegewinn“, so die Mutter von drei erwachsenen Kindern. „Überall in den alten
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Bundesländern kennt man uns nur als Stadt, in der es den Kaufhausstreit gibt – das wird sich durch die Buga hoffentlich ändern.“ (L99/SEP.67556 BM, 24.09.1999, S. 39)
(35) Bis Jewel den Mund aufmacht und Sätze sagt wie: „Das Schlimmste, was dir passieren kann, ist zu sterben und festzustellen, daß du nie in deinem Leben richtig glücklich warst.“ Jeden Tag verbringt die 24jährige mindestens eine Stunde in kompletter Stille. Meditieren, beten, nachdenken. „Jeder Tag kann dir helfen, mehr über dein Selbst herauszufinden.“ (L98/DEZ.25166 BM, 14.12.1998, S. 31)
(36) „Das ist das schlimmste, was je in meinem Leben passiert ist. Es tut mir wahnsinnig leid“, sagte er. (L99/JUL.46402 BM, 29.07.1999, S. 3)
(37) Zu den weiteren Projekten gehört am 17. März 1999 die zusammen mit der „Bild“-Zeitung veranstaltete „Deutsche Nacht. Made in Germany“: das Beste, was Deutschland in den letzten 50 Jahren des Jahrhunderts in Film, Fernsehen, Musik, Mode und Entertainment zu bieten hat. (L98/NOV.20660 BM, 20.11.1998, S. 35, Ressort: TV)
Offensichtlich werden diese Belege im Gegenwartsdeutschen mit dem Relativpronomen was
konstruiert. Versucht man trotzdem diese Beispiele mit Hilfe von das umzuformulieren, liegt es
nicht auf der Hand, dass dies unmöglich ist. Zweifelsohne enthält ein Teil dieser Belege eine
Verallgemeinerung (wie im Beleg (35)), was eine Konstruktion mit dem Pronomen was
begünstigt. Ggf. kann es hier aber auch um einen ganz konkreten (oder bekannten) Sachverhalt
die Rede sein (wie im letzten Beleg), in dem sogar von einer individuellen Entität, eingeführt
durch ihren Eigennamen, die Rede ist. Deswegen gehe ich davon aus, dass im d/w-Wechsel bei
diesem Typ v.a. historisch auch ein anderer Faktor mitgewirkt haben dürfte.
5. Zusammenfassung und Ausblick
Insgesamt wurden 885 Belege der neuhochdeutschen Pressesprache untersucht, worauf basierend
Folgendes festgestellt bzw. vermutet werden kann:
Den Erwartungen entsprechend vollzog sich der Wandel in der Verwendung des Relativums
das/was in den besprochenen Nebensätzen zugunsten von was. Diese Veränderung bedeutet für
was eine Funktionserweiterung: Es kann nicht mehr ausschließlich in generalisierender Funktion
verwendet werden, d.h. in Bezug auf nicht-individuelle Größen, sondern auch auf individuelle
Größen (vgl. Behaghel 1928: 726). Die bereits im 19. Jahrhundert diskutierte und unterschiedlich
bewertete Verschiebung setzte sich sogar im Fall von etwas durch, bei dem Behaghel noch von
einer Abneigung aus formalen Gründen sprach (ebd. 727). Heute überwiegen auch im Fall von
etwas die was-Relativsätze. Gleichzeitig weisen die vollkommen grammatischen Belege mit das
darauf hin, dass die Möglichkeit, die besprochenen Relativsätze mit das einzuleiten, prinzipiell
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vorhanden ist. In den Nebensätzen mit einem Superlativ kann man den Prozess als abgeschlossen
bezeichnen, da es keine Belege mehr mit das als Relativum im Korpus zu finden waren. In dieser
Untersuchung konnte für die parallelen Konstruktionen mit was bzw. das keinen eindeutigen und
erfassbaren Bedeutungsunterschied nachgewiesen werden. Wie sich die Variation im
Gegenwartsdeutschen erklären lässt, bzw. ob die Variation historisch aus einem Bedeutungs-
bzw. Funktionsunterschied abgeleitet werden kann, sollte eingehend untersucht werden.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in den besprochenen Relativsätzen des
Gegenwartsdeutschen hauptsächlich was verwendet wird, da es sowohl eine generalisierende, als
auch eine individualisierende Lesart ermöglicht, wenn sich im ersten Schritt eine
Informationslücke öffnet. Dies kann durch die Formulierung von einer Frage, von Möglichkeiten
oder von einer Hypothese geschehen. Aus diesem Grund kann ich mich der Meinung, dass der
hypothetisch-temporale Charakter von was vollkommen verloren gegangen wäre (ebd. 720), an
dieser Stelle nicht anschließen.10
In einer noch ausstehenden Forschungsarbeit sollten v.a. folgenden Fragen nachgegangen
werden:
1. Es sollte genau überlegt werden, welche Konzepte sich zur Beschreibung der eventuell
vorhandenen Bedeutungsunterschiede (und der behandelten Fälle allgemein) am besten eignen.
2. Eine eingehende Untersuchung der Setzung von der und wer in den behandelten Relativsätzen
dürfte sich als ertragssicher erweisen. Dadurch könnten evtl. auch Erkenntnisse darüber
gewonnen werden, ob die „Belastetheit“ von der/das bestimmte Prozesse begünstigt hat.
10 In generalisierenden w-Sätzen kommt er immer noch zum Ausdruck (vgl. Sie bekam, was (auch) immer sie begehrte. (Duden 2009: 1038)). Durch die Annahme einer solchen Leistung könnte auch im Beleg (6) die unterschiedliche Pronomensetzung plausibel gemacht werden:
(6a) Ich verzeihe ihm das Böse, was er mir zugefügt hat und künftig noch zufügen wird in dankbarer Erinnerung an das Gute, das (welches) er mir früher erwiesen hat.
(6b) ?Ich verzeihe ihm das Böse, das er mir zugefügt hat und künftig noch zufügen wird in dankbarer Erinnerung an das Gute, das (welches) er mir früher erwiesen hat.
Weiterhin sei erneut auf die Behauptung von Cutting (1903: 126) hingewiesen: „There must be something inherent in the meaning of the superlative antecedent that finds a more adequate expression in the relative was than in the older das.“ Es stellt sich die Frage, ob dieses inhärente Etwas in der Bedeutung vom Superlativ oder eventuell in der Bedeutung der ganzen Aussage, des ganzen Satzes zu suchen ist. Im besprochenen Wandel könnte auch der ursprünglich hypothetisch-temporale Charakter von was eine Rolle gespielt haben. Dafür spricht historisch die Tatsache, dass in Relativsätzen nach Superlativen bis hinein ins Mittelhochdeutsche der Konjunktiv verwendet wurde, was sonst nur in verneinenden Hauptsätzen, Aufforderungssätzen, in Nebensätzen von Bedingungssätzen und in solchen Nebensätzen der Fall war, dessen Verb einen Wunsch oder eine Wirkung ausdrückte (vgl. Behaghel 1928: 618).
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3. Die Rolle der d- bzw. w-Elemente in der Strukturierung der Informationen sollte ebenfalls
überprüft werden.
4. Um bestimmte, oben nur angedeutete Zusammenhänge zu belegen, wäre v.a. eine groß
angelegte Untersuchung des Modusgebrauchs im Relativsatz – sowohl synchron, als auch
diachron – grundlegend wichtig (vgl. Schrodt 2004: 195).
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