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IM BLICK.PUNKT 25 Jahre SDP-Gründung ...................... 2 Rückblick: wende.punkt ...................... 5 Interview: „Theo“ Körner .................... 6 Portrait: Ulrike Hamers ....................... 7 Engagiert für starke Demokratie ........ 8 Lebensverhältnisse Ost ./. West .......... 9 „Die 43 von Schwante“ ..................... 10 SPD-Landtagsfraktion erinnert ......... 10 Roter Stadtspaziergang ..................... 11 END.PUNKT Abschied blick.punkt ......................... 11 RED.ACTION Liebe Leserinnen und Leser, der Herbst 2014 stand im Zeichen der Feier- lichkeiten zum Gedenken an die Ereignisse im Herbst 1989. Der Fall der Mauer war ein historisches Ereignis von weltweiter Bedeu- tung. In diese Zeit fällt auch die Gründung der SDP in der DDR. Sie markiert für die Sozialdemokratie in Ostdeutschland einen wichtigen Meilenstein. Die Gründung der SDP und die politischen Entwicklungen der folgenden Monate bilden deshalb den Schwerpunkt dieser Ausgabe. Diese Ausgabe markiert aber auch das Ende einer sieben Jahre währenden Redak- tionsarbeit. „Wenn es am schönsten ist, IMPRESSUM blick.punkt Zeitschrift der SPD Halle (Saale) Große Märkerstraße 6, 06108 Halle [email protected] www.blickpunkt-halle.de Herausgeber: SPD-Stadtvorstand Halle (Saale) V. i. S. d. P.: Christian Weinert, SPD-Stadtvorsitzender Redaktion: Marcus Schlegelmilch (Ltg./MS), Thomas Stimpel (Ltg./TS), Oliver Hartung (OH), Igor Matviyets (IM), Andrej Stephan (AS), Christian Weinert (CW), Tina Wiesner (TW) Druck: Druckerei Teichmann Halle Einschränkungen: Die Beiträge geben die private Mei- nung der Autor_innen wieder und sind nicht zwangs- läufig mit der Meinung der SPD identisch. Die Redak- tion behält sich das Recht vor, eingesandte Texte zu bearbeiten und ggf. nur auszugweise abzudrucken. Die Vervielfältigung ist unter Verwendung eines voll- ständigen Quellenverweises gestattet. Die Rechte an Wort und Bild liegen – sofern nicht anders ausgewie- sen – beim SPD-Stadtverband Halle (Saale). Zeitschrift der SPD Halle (Saale) | Jahrgang 8 | 2014/2 | 20. Dezember 2014 25 JAHRE SDP-GRÜNDUNG soll man aufhören“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Demgemäß hat sich die blick. punkt-Redaktion schweren Herzens dazu entschlossen, mit dieser Ausgabe einen Schlusspunkt zu setzen. Die gesamte Redaktion bedankt sich bei Euch und Ihnen für die Treue, die Unter- stützung und die konstruktiv-kritische Be- gleitung in den vergangenen Jahren. Wir wünschen eine angenehme Lektüre Tina Wiesner, Oliver Hartung, Igor Matvi- yets, Marcus Schlegelmilch, Andrej Ste- phan, Thomas Stimpel & Christian Weinert

Zeitschrift der SPD Halle (Saale) | Jahrgang 8 | 2014/2 ... · Halle. Als sich am 7. Oktober 1989 im Pfarr-haus im brandenburgischen Schwante die Sozialdemokratische Partei in der

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IM BLICK.PUNKT25 Jahre SDP-Gründung ...................... 2

Rückblick: wende.punkt ...................... 5

Interview: „Theo“ Körner .................... 6

Portrait: Ulrike Hamers ....................... 7

Engagiert für starke Demokratie ........ 8

Lebensverhältnisse Ost ./. West .......... 9

„Die 43 von Schwante“ ..................... 10

SPD-Landtagsfraktion erinnert ......... 10

Roter Stadtspaziergang ..................... 11

END.PUNKTAbschied blick.punkt ......................... 11

RED.ACTIONLiebe Leserinnen und Leser,

der Herbst 2014 stand im Zeichen der Feier-lichkeiten zum Gedenken an die Ereignisse im Herbst 1989. Der Fall der Mauer war ein historisches Ereignis von weltweiter Bedeu-tung. In diese Zeit fällt auch die Gründung der SDP in der DDR. Sie markiert für die Sozialdemokratie in Ostdeutschland einen wichtigen Meilenstein. Die Gründung der SDP und die politischen Entwicklungen der folgenden Monate bilden deshalb den Schwerpunkt dieser Ausgabe.

Diese Ausgabe markiert aber auch das Ende einer sieben Jahre währenden Redak-tionsarbeit. „Wenn es am schönsten ist,

IMPRESSUM

blick.punkt

Zeitschrift der SPD Halle (Saale)

Große Märkerstraße 6, 06108 Halle

[email protected]

www.blickpunkt-halle.de

Herausgeber: SPD-Stadtvorstand Halle (Saale)

V. i. S. d. P.: Christian Weinert, SPD-Stadtvorsitzender

Redaktion: Marcus Schlegelmilch (Ltg./MS), Thomas

Stimpel (Ltg./TS), Oliver Hartung (OH), Igor Matviyets

(IM), Andrej Stephan (AS), Christian Weinert (CW), Tina

Wiesner (TW)

Druck: Druckerei Teichmann Halle

Einschränkungen: Die Beiträge geben die private Mei-

nung der Autor_innen wieder und sind nicht zwangs-

läufig mit der Meinung der SPD identisch. Die Redak-

tion behält sich das Recht vor, eingesandte Texte zu

bearbeiten und ggf. nur auszugweise abzudrucken.

Die Vervielfältigung ist unter Verwendung eines voll-

ständigen Quellenverweises gestattet. Die Rechte an

Wort und Bild liegen – sofern nicht anders ausgewie-

sen – beim SPD-Stadtverband Halle (Saale).

Zeitschrift der SPD Halle (Saale) | Jahrgang 8 | 2014/2 | 20. Dezember 2014

25 JaHre SDP-GrünDunG

soll man aufhören“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Demgemäß hat sich die blick.punkt-Redaktion schweren Herzens dazu entschlossen, mit dieser Ausgabe einen Schlusspunkt zu setzen.

Die gesamte Redaktion bedankt sich bei Euch und Ihnen für die Treue, die Unter-stützung und die konstruktiv-kritische Be-gleitung in den vergangenen Jahren.

Wir wünschen eine angenehme Lektüre

Tina Wiesner, Oliver Hartung, Igor Matvi-yets, Marcus Schlegelmilch, Andrej Ste-phan, Thomas Stimpel & Christian Weinert

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Halle. Als sich am 7. Oktober 1989 im Pfarr-haus im brandenburgischen Schwante die Sozialdemokratische Partei in der DDR, die SDP, gründete, betonte sie ihren program-matischen Anspruch einer „ökologisch orientiert[en] soziale[n] Demokratie“. In ei-ner Situation, in der zunächst nicht auszu-schließen war, dass die Staatsführung der taumelnden DDR für den Machterhalt zu Härte greifen würde, war der Gründungs-akt von 43 mutigen Menschen ein Novum: In Schwante ereignete sich die folgenreiche Bildung einer wirklich neuen Partei.

Im Gegensatz zu FDP und CDU, die als Auffangbecken für die Blockparteien LDPD, NDPD und die Ost-CDU dienten, und erst recht im Gegensatz zur PDS, der SED-Nach-folgepartei, startete die SDP politisch und organisatorisch völlig neu.

IMPROVISIERTE ANfäNGEImprovisiert war daher aller Anfang: Ein Parteiengesetz kannte die DDR nicht, einen offiziellen Antrag auf Zulassung stellte die SDP nicht. Rasch entstanden lokale Gliede-rungen. Parteibeitritte erfolgten spontan – etwa, wenn in Versammlungen der SDP in den nicht-öffentlichen Teil übergegangen wurde und anwesende Gäste sich das nicht entgehen lassen wollten. Sitzungen fanden in improvisierten Tagungsräumen wie Pfarr- oder Kirchengemeindehäusern statt.

Zahlen zur Mitgliederentwicklung der jungen SDP sind nur mit größter Vorsicht anzugeben: Ende November soll die junge Partei 10.000 Mitglieder gehabt haben. Im Juni 1990 könnte diese Zahl auf 30.000 ge-stiegen und bis 1992 stabil geblieben sein. Zum Vergleich: Die Block-CDU startete im „Umbruch“ mit 130.000 Mitgliedern!

Der Zauber des Anfangs der jungen SDP bildete sich in einer Mischung aus einem empathischen, aber unprofessionellem Po-litikansatz ab. Erst die ab Januar 1990 ein-setzende Hilfe der West-SPD führte zur Eta-blierung von Parteistrukturen, wie die alte Bundesrepublik sie kannte. Im Verlauf des Jahres 1990 gründeten sich die heutigen Landesverbände. Vom 22. bis 25. Februar 1990 fand in Leipzig der erste Parteitag der am 14. Januar 1990 in SPD umbenannten Partei statt: Vorsitzender wurde ein Mann, der sich Ibrahim Böhme nannte, rasch große Popularität gewann und der jungen Partei Selbstvertrauen und Zuversicht einhauchte.

HOCHfLIEGENDE ERWARTUNGEN UND GROẞE ERNüCHTERUNG: DAS SUPERWAHLJAHR 1990Die Hoffnungen vieler Genossinnen und Ge-nossen auf einen erdrutschartigen Wahlsieg bei der Volkskammerwahl im März 1990 wurden jedoch bitter enttäuscht. Die SPD erreichte lediglich 21,9 %.

Die junge Partei geriet in ihre erste Kri-se; auch weil Böhme Anfang April 1990 als Hochstapler entlarvt wurde und aufgrund von Stasi-Vorwürfen von allen Ämtern zu-rücktreten musste. 1992 schloss die Partei ihren charismatischen Kopf der ersten Stun-de aus.

Wie Böhmes Karriere, so lösten sich auch die SPD-Hoffnungen auf die politische Führung in der demokratisierten DDR und dem späteren Ostteil des wiedervereinig-ten Deutschland in Luft auf: Nicht nur bei den Volkskammerwahlen im März 1990, sondern auch bei fast allen folgenden Land-tagswahlen (Ausnahme: Brandenburg) sieg-te politisch nicht der Wunsch nach behut-samer Reform und drittem Weg, sondern vielmehr die Hoffnung, die Segnungen der sozialen Marktwirtschaft nach 40 Jahren real existierendem Sozialismus möglichst schnell am eigenen Leibe zu erfahren. Das Versprechen der „blühenden Landschaf-ten“, angesichts des folgenden Struktu-rumbruchs in den neuen Ländern wohl der schrecklichste intellektuelle Irrläufer Hel-mut Kohls, überzeugte im Wahljahr ebenso stark wie der Glaube an die schnelle Einheit und die Verlockungen der D-Mark.

Am 27. September 1990 schließlich verei-nigten sich die SPD in Ost und West in Ber-lin zur gesamtdeutschen Sozialdemokrati-schen Partei Deutschlands: zwei Parteien, die sich seit den ersten Begegnungen im Herbst 1989 angenähert und in vielem den-noch fremd geblieben waren.

„DIE“ SPD IM OSTEN?Seitdem hat die SPD in Ostdeutschland eine wechselvolle Geschichte erlebt. Viel-leicht müssen wir nach 25 Jahren einfach zur Kenntnis nehmen, dass es in den neu-en Ländern – ausgenommen Berlin, weil es eine gesonderte Darstellung verdient – eine besondere, eine spezifische Form der Sozi-aldemokratie gibt, die nichtsdestotrotz in vielem der Sozialdemokratie in den alten Ländern ähnelt: Eine SPD (in Brandenburg

blick.punkt 2014/2

IM BLICK.PUNKT

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LANDTAGSWAHL 1990

Nur elf Tage nach der Wiedervereini-gung fand am 14. Oktober 1990 die erste Landtagswahl in Sachsen-Anhalt statt. Das Ergebnis der SPD würde im Wahljahr 2016 unweigerlich als Er-folg verkauft werden: Die SPD errang damals 26 % der Stimmen; die CDU wurde mit 39 % stärkste Kraft im Land und stellte mit der FDP (13,5 %) die Landesregierung. In den fast vier Jahren der ersten Legislatur standen der Regierung nicht weniger als drei Ministerpräsidenten vor: Gerd Gies (1990/91), Werner Münch (1991-1993) und der Hallenser Christoph Bergner (1993/1994).

DAMALS UND HEUTE – 25 JAHRE SDP-GRüNDUNG Von Andrej Stephan und Marcus Schlegelmilch, blick.punkt

BUNDESTAGSWAHLEN 1990-2013

Bei den Bundestagswahlen seit 1990 war die Spanne der SPD-Ergebnisse in Sachsen-Anhalt groß. Im Jahre der Wie-dervereinigung begann es mit 25,2 %, die das Ergebnis der Volkskammer-wahl aus dem Frühjahr 1990 (24,15 %) noch einmal unterstrichen und den Bedeutungsverlust der SDP/SPD in-nerhalb eines Jahres belegten. 1998 und 2002 waren dann aus SPD-Sicht „fette“ Jahre: Mit 38,1 % und 43,2 % trug man deutlich zum Wahlsieg der Bundespartei unter Gerhard Schröder bei. Schröders Alles-oder-Nichts-Taktik 2005 zog in Sachsen-Anhalt immer noch (32,7 %) und brachte ein Ergebnis nahe am Bundestrend. Dennoch be-deutete die Wahl den Kanzlerwechsel. Merkels erste Große Koalition riss die SPD in nicht mehr geahnte Tiefen – auch in Sachsen-Anhalt (2009: 16,9 % / 2013: 18,2 %). Wie bei den Landtags-wahlen fristet die SPD das Dasein als dritte Kraft im Land. Ein Zustand, der wohl auch noch im voraussichtlichen Bundestagswahljahr 2017 Bestand haben wird – oder etwa nicht?

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und Mecklenburg-Vorpommern) nämlich, die das Regieren und das Entscheiden als Ta-gesgeschäft kennt und bei den Wahlergeb-nissen, nicht aber in der Struktur, Volkspar-teicharakter erreicht – also den Verbänden in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bremen, Hamburg und im Saarland ähnelt. Eine SPD, die gegen über-mächtige konservative Konkurrenz antreten muss (in Sachsen, inzwischen leider auch Thüringen) – wie die SPD in Bayern und in Baden-Württemberg. Und eine SPD zwi-schen Baum und Borke (in Sachsen-Anhalt), mit der Aussicht auf eine institutionalisierte Große Koalition oder dem Wagnis „neuer“, zumindest aber anderer Mehrheiten – die damit Überschneidungen mit dem (jünge-ren) Schicksal der SPD in Hessen und Schles-wig-Holstein aufweist.

Jedenfalls gibt es nicht DIE ostdeutsche Sozialdemokratie schlechthin – sondern etwa 22.000 Parteimitglieder in benach-barten, in Struktur und Geschichte aber unterschiedlichen Landesverbänden. In Ost-deutschland hat die SDP/SPD niemals die Gesamtbevölkerung in ihrer Mitgliedschaft abgebildet. Sozialdemokratinnen und -de-mokraten hier sind nicht in der Wolle einge-färbt. Sie berufen sich, je nach Herkunft, auf sehr unterschiedliche Prägungen, auch auf unterschiedliche Wurzeln.

25 WECHSELVOLLE JAHREBlicken wir nun auf einige wichtige Weg-marken der letzten 25 Jahre. Im „Beitritts-gebiet“ erwies sich rasch, dass regierendes Personal für Wahlausgänge von entschei-dender Bedeutung war – aus Sicht der SPD mal mit positivem (Manfred Stolpe und Re-gine Hildebrandt in Brandenburg 1994), mal mit negativem Ausgang (ebenfalls 1994 in Sachsen gegen Kurt Biedenkopf). Branden-burg probierte es ab 1990 mit einer Am-pel, Sachsen-Anhalts SPD ging weiter und regierte ab 1994, von der PDS geduldet, in einer rot-grünen Minderheitskonstellati-on, ab 1998 allein unter Reinhard Höppner im so genannten Magdeburger Modell. 2002 endete diese Episode für die SPD mit einem Absturz um 16 auf 20 Prozent, weil sie es nach einem großen Wahlsieg 1998 versäumte, entweder die PDS koalitions-vertraglich zu binden oder die nach dem erschreckenden Wahlerfolg der rechtsext-remen DVU gebeutelte und desorientierte CDU freundschaftlich zu „umarmen“.

Andere ostdeutsche Bundesländer kennen andere Konsequenzen rot-roter Streichel-einheiten: Sowohl in Mecklenburg-Vorpom-

mern (ab 1998), als auch in Brandenburg (ab 2009) gelang es, die SED-Nachfolgepartei nicht nur politisch einzubinden und da-mit ihren Status zu normalisieren, sondern auch, sie zu entzaubern, wie die Wahlen 2002 (in Mecklenburg-Vorpommern) und 2014 (Brandenburg) unter Beweis gestellt haben.

EIN BLICK IN DIE ZUKUNfTNach wechselvollen 1990er und 2000er Jahren scheint inzwischen festzustehen: In der politischen Arithmetik wird die SPD in aller Regel für stabile Regierungen (noch) gebraucht: schwankend zwischen der Füh-rungsrolle und der Rolle als Juniorpartner. Alternativen zu schwarz-rot oder rot-rot sind aber kaum oder nicht vorhanden. Ob sich das mit gesteigertem Machtwillen bei der CDU (etwa durch Öffnung nach rechts) ändern wird, ist gegenwärtig nicht abzuse-hen. Trotzdem: Dass es, anders als im Wes-ten der Republik, kaum Aussichten auf rot-grüne Regierungsmehrheiten gibt, ist ein Problem der SPD in den neuen Ländern.

Die Frage nach rot-roten Bündnissen zieht sich daher als Schicksalsfrage durch einige Landesverbände. Viele, gerade ältere Partei-mitglieder haben nicht vergessen, dass ein Bekenntnis zur Sozialdemokratie vor 1989 im Grunde unmöglich war. „Sozialdemokra-tismus“ wurde seit der Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED im Jahr 1946 zur Disziplinierung innerhalb der Einheitspartei instrumentalisiert. Sozialdemokratismus galt aber gleichzeitig als zutiefst abwerten-des Schlagwort und lange Zeit wirksames Mittel gegen jede Form der Abweichung von zentralen Dogmen. Immer schwang der Vorwurf von „Reformismus“ oder Opportu-nismus mehr oder weniger deutlich mit.

Vom strukturell schwachen Zustand der SPD im Osten bleibt leider auch die eigene Personalpolitik, das intergenerationale Mit-einander nicht unberührt. Politischer Nach-wuchs wird kaum oder nicht ausreichend gefördert, zu oft enden hoffnungsvolle Juso-Karrieren in der trügerischen Sicher-heit von Abgeordnetenbüros oder anderen hauptamtlichen Strukturen der Partei. Eine relevante Verjüngung haben die Landtags-fraktionen, ganz besonders aber viele Kreis-tagsfraktionen im ländlichen Raum aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht er-fahren – erfreulichen Einzelbeispielen zum Trotz.

Wie kann es in den „neuen“ Bundeslän-dern für die SPD weitergehen? Die Partei wird nach den Koalitionsverhandlungen in

LANDTAGSWAHLEN 1998 UND 2002

Beide Wahlen können nicht voneinander getrennt gesehen werden: Einerseits er-reichte die Regierung Höppner 1998 ein – für hiesige Verhältnisse – Traumergeb-nis (35,9 %). Die Wahl war ein wichtiger Stimmungstest für die im Herbst folgende Bundestagswahl. Ältere Genossinnen und Genossen berichten noch heute gerne, dass die Landtagswahl 1998 eine gegen Kanzler Kohl gerichtete war. Die CDU im Land landete mit 22 % auf einem histori-schen Tiefstand. Obwohl auch zwei andere Szenarien möglich waren (SPD-geführte Große Koalition und ein rot-rotes Regie-rungsbündnis), entschied man sich für eine sozialdemokratische Regierung un-ter erneuter Tolerierung der PDS. Zugleich erschütterte der Einzug der DVU (12,9 %) das Land – und die gesamte Republik! An der Seite von Gerlinde Kuppe folgte auch Ingrid Häußler, die spätere Oberbürger-meisterin von Halle (Saale) (2000-2007), dem Ruf in Höppners zweites Kabinett und wurde Ministerin für Raumordnung und Umwelt (bis 2000). Die Tolerierung blieb nicht ohne Folgen und hat Auswir-kungen, die den SPD-Landesverband noch bis heute bewegen. 2002 rutschte die SPD auf 20 % ab und die Regierung Höppner wurde abgewählt (der mehr als zynische FDP-Slogan „Höppner geht, die Arbeit kommt“ versinnbildlicht die damalige Stimmung). Seitdem rangiert die SPD im

LANDTAGSWAHL 1994

Bei der zweiten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt verfehlte es die SPD (34 %) knapp, die CDU (34,4 %) zu überholen. Da der Union mit der FDP (3,6 %) allerdings der Koalitionspartner abhanden kam, wech-selte die SPD die Seiten: Von der Oppo-sitionsbank ging es gemeinsam mit den Grünen, die mit 5,1 % den Sprung ins Par-lament schafften, auf die Regierungsbank. Die rot-grüne Minderheitsregierung wur-de von der damaligen PDS geduldet: Das „Magdeburger Modell“, als Bezeichnung eigentlich erst ab 1998 gebräuchlich, fand hier seinen Anfang. Reinhard Höppner wurde Ministerpräsident, die Hallenserin Gerlinde Kuppe gehörte dem Kabinett als Ministerin für Arbeit und Soziales an.

IM BLICK.PUNKT

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Sachsen, Thüringen und Brandenburg zum Jahresende wahrscheinlich überall an den Fleischtöpfen sitzen – bei gleichzeitiger pro-blematischer Entwicklung der eigenen Struk-turen. Nur als beteiligende Mitgliederpartei, in der breit über Programm und Personal be-raten und entschieden werden kann, in der ab dem Ortsverein eine Stimmung, dabei zu sein und mitbestimmen zu können, domi-niert, wird die SPD in Ostdeutschland ihre Stellung konsolidieren können.

SPD AM SCHEIDEWEGDie SPD in den neuen Ländern steht am Scheideweg. Bis etwa 2020 wird sich a) elek-toral, b) strukturell und c) inhaltlich entschei-den, welchen Weg die Partei nimmt. Dafür wird es unverwechselbare, auf die jeweils in den Bundesländern offen liegenden Prob-

lemlagen abgestimmte Politikansätze brau-chen: Kann die SPD südlich von Elster und Elbe aus dem 20-Prozent-Turm ausbrechen? Wie stellt sich die ostdeutsche Sozialdemo-kratie die Zukunftsfähigkeit weitgehend de-industrialisierter Regionen mit erheblichen demografischen Problemen vor? Welche Politikansätze entwickelt sie, die über drö-ge Haushaltskonsolidierung hinausgehen und die negativen sozialen, ökonomischen, kulturellen und ökologischen Nebenwirkun-gen der Globalisierung mindestens spürbar mildert? Findet sie Rezepte gegen Entpoliti-sierung, Politikverdrossenheit und Mitglie-derschwund? Und: Welches Personal wird für zukunftsfähige Politik stehen? Die zum Teil überfälligen Antworten auf diese Fragen sind spannend – aber sie sind offen. Mit uns zieht die neue Zeit.

ZUKUNfTSMUSIK: LANDTAGSWAHL 2016

Seit 2002 hat die SPD im Land nur noch wenig mehr als 20 % errungen. Das ist gleichbedeutend mit einem deutlichen Abstand zu den Ergebnissen der CDU und mit einem knappen Abstand zu den Ergeb-nissen der Linken. Wahrscheinlich wird die SPD mit der amtierenden Fraktions- und Landeschefin Katrin Budde als Spitzen-kandidatin in den Wahlkampf ziehen. Die Entwicklungen der letzten Monate und Jahre lassen drei Optionen zu: eine Fort-setzung der Großen Koalition (seit 2006), ein rot-rot-grünes Bündnis unter einem Ministerpräsidenten der Linken oder ei-ner SPD-Ministerpräsidentin oder eben der Gang in die Opposition (insofern die Union die AfD als Juniorpartnerin für sa-lonfähig erklärt). Aktuelle Entwicklungen lassen sich so deuten, dass die „Gedanken frei sind“. Einerseits sind die Zeiten andere als vor 20 Jahren. Andererseits bleibt die Frage, ob eine erneute Zusammenarbeit mit den Linken, vielleicht sogar unter de-ren Führung, die hiesige Sozialdemokra-tie vor eine Zerreißprobe stellt, weil alte Gräben bzw. Wunden wieder aufgerissen werden würden.

Land nur noch auf dem dritten Rang (hinter CDU und PDS/Die Linke). Der Gang in die Opposition wurde durch die schwarz-gelbe Regierung unter Wolf-gang Böhmer keineswegs erträglicher. Innerparteilich folgten auf Manfred Püchel (2002-2004) als Landesvorsit-zende Holger Hövelmann (2004-2009) und Katrin Budde (seit 2009).

Damals und heute: oben – hallesche SDP-Gründergruppe im Herbst 1989, Martin Kölz, Wolfgang Zerfass, Michael Seils, Siegfried Begenau, Bernd Voigtländer, Christel Hanewinckel, Arne Schemmerling, „Theo“ Körner, Hel-mut Becker, Ulli Hamers, Jens Bittersohl (v. l. n. r.; Foto: Rechte unbekannt; Quelle: B. Voigtländer); unten – Christel Riemann-Hanewinckel und Bernd Voigtländer erinnern an SDP-Gründung auf SPD-Parteitag im Herbst 2014.

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RüCKBLICK: WENDE.PUNKTZusammengetragen von Oliver Hartung, blick.punkt

Familie, Freunde, Beruf, Freiheit – All dies riskierten viele jener, die im Herbst 1989 für Freiheit und Demokratie auf- und einstanden. Ihnen ge-bührt Dank, wirkt ihr Engagement in Gestalt der 1989 gewonnen Freiheit doch bis in die Gegenwart fort. In der Verantwortung, Erinnerungen aus jener Zeit festzuhalten, entstand bereits im Herbst 2009 die Sonderausgabe „wende.punkt“. Auch die aktuelle Ausgabe des blick.punkt hat sich dieser Aufgabe verschrieben. Nachfolgend ein kleiner Rückblick auf ausgewählte Erinnerungen der 2009 Interviewten.

„Wenn ich an die Gründung der SDP in Halle am 27. Oktober 1989 denke, wird mir ganz anders. Da bin ich durch die Große Steinstra-ße gelaufen und hab mich alle paar Schritte umgedreht, um zu schauen, ob mir jemand folgt. Elf haben dann die SDP auf dem Bo-den von Ulli Hamers gegründet. Denn es war auch nicht geheim gehalten.“

CHRISTEL RIEMANN-HANEWINCKEL

„An besagtem Freitag, dem 27. Oktober 1989, gegen 19 Uhr, war ich dann über etwa eine Stunde einer von 18 Anwe-senden. Es wurde vorgestellt und dis-kutiert. Und die Diskussionen führten dazu, dass sieben der Anwesenden die Lokalität verließen, teils unter Protest, teils mehr oder weniger schweigend. Bei einigen fragte ich mich, warum sie überhaupt gekommen waren – andere gingen wahrscheinlich einfach aus Sor-ge um sich selbst. Diese Sorge hatte ich auch, denn damals war durchaus nicht klar, wie sich alles entwickeln würde. Ja, und so bin ich auf Grund der Äußerung eines SED-Mitgliedes dort hineingegan-gen und als Erster Sprecher wieder her-ausgekommen.“

BERND VOIGTLäNDER

„Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass es Menschen aus allen Bereichen gewesen sind. Was nicht zusammen geströmt ist, war die klassische Arbeiterschaft. Persönlich ge-sehen entsinne ich mich beispielsweise, dass ich auf irgendeiner Informationsver-anstaltung bei Theo Körner, dem Studen-tenpfarrer, war. Zeitgleich mit mir ging Pro-fessor Scharr, der Chef des Anatomischen Instituts durch die Tür und trat auch in die SDP ein. Er sagte: ‚Jetzt müssen wir endlich mal Nägel mit Köpfen machen!’ Da stand man plötzlich neben seinem hoch verehrten Lehrer und fand sich in einer Partei wieder.“

RüDIGER fIKENTSCHER

„‚Normale‘ Sitzungen, wie wir sie heute ken-nen, gab es durch die Dynamik des Wand-lungsprozesses kaum. Die Tagespolitik und der Organisationsaufbau beschäftigten uns

fortlaufend. Zudem gab es eine Erwartungs-haltung von großen Teilen der Bevölkerung,die wissen wollten, mit welchen program-matischen Inhalten wir an die notwendigen Veränderungen herangehen wollten. Zu Be-ginn des revolutionären Herbstes standen dabei Fragen nach konkreten Veränderun-gen in der DDR im Vordergrund, also nach Mitsprachemöglichkeiten für die neuen Par-

teien und Bürgerbewegungen, was durch die Einrichtung der Runden Tische gelöst worden ist, nach der vollständigen Beseiti-gung des Stasi-Unterdrückungsapparates und der Privilegien für Regimefunktionäre sowie der Forderung der schnellstmöglichenDurchführung freier Wahlen. Für uns war es nicht leicht, diesem Anspruch gerecht zu werden. Während sich die SED-PDS und die ‚gewendeten‘ Blockparteien CDU und LDPD/FDP sozusagen ins gemachte Nest setzen konnten, fehlte es uns als echter Neugründung zunächst an jeglicher Infra-struktur.“

THOMAS fELKE

„Das, was sich in der Zeit an politischen Bewegungen konstituierte, war zum Teil sehr unübersichtlich. Am Anfang das ‚Neue Forum‘, später kamen dann noch unter-schiedlichste andere Gruppierungen dazu, z. B. ‚Demokratie Jetzt‘ und ‚Demokratischer Aufbruch‘. Man hörte fast tagtäglich von

solchen Neugründungen und als ich dann von meiner Freundin Christel Hanewin-ckel hörte, dass sie die SDP in Halle mitbe-gründet hatte, da war das für mich wie ein entscheidendes Signal. Die Hinwendung zur Sozialdemokratie war bei mir innerlich ohnehin schon 20 Jahre früher geschehen, in der Zeit von Brandts Ostpolitik. Das fand ich damals schon so überzeugend, dass ich

später immer gesagt habe: Ich bin seit 1970 Sozialdemokrat und seit 89 in der Partei.“

HELMUT BECKER

„Das Ziel der Wiedervereinigung war für mich völlig unstrittig. Die Teilung Deutschlands habe ich nie akzeptiert, das war widernatürlich. Wir waren uns sicher, dass wir die letzte Volkskammer der DDR sein werden. Es war nur die Fra-ge, wie kann man die Wiedervereinigung gestalten, sodass Menschen – wie Willy Brandt das gesagt hat – nicht unter die Räder geraten. Das ist beim 2+4 Vertrag außenpolitisch, glaube ich, gut gelun-gen. Aber innenpolitisch bei der Gestal-tung des Einigungsvertrages sind viele

Folgen, die vor allem aus dem Niedergang einer ganzen Volkswirtschaft resultieren würden mit sozialen Verwerfungen, nicht bis zum Ende durchdacht wurden. Diese Weitsicht hat möglicherweise allen gefehlt. Aber es war dann eben auch aufgrund des Druckes, die Einheit schnell herbeizuführen, die Zeit auch gar nicht da.“

GERLINDE KUPPE

WENDE.PUNKT IM INTERNET

Die Interviews sind im wende.punkt aus dem Jahr 2009 enthalten. Dieser ist weiterhin über die Seite des SPD-Stadtverbandes oder direkt über den folgenden Link abrufbar:http://spdnet.sozi.info/sa-anh/halle/dl/blick.punkt_09-S3_wende.punkt.pdf

IM BLICK.PUNKT

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„…WIEDER MAL IM ALTEN KREIS ZUSAMMENSITZEN“ Interview mit dem SDP-Gründungsmitglied Klaus-Michael „Theo“ Körner

Die Fragen stellte Marcus Schlegelmilch, blick.punkt

Halle. Lieber Michael, Du bist Gründungsmit-glied der SDP in Halle (Saale). Warum führte Dich die historische Stunde des Jahres 1989 zur Sozialdemokratie?Willy Brandt war für mich – wie für viele Menschen – eine Identifikationsperson. Eine andere Partei als die SPD kam für mich nicht in Frage, da ich hier das Bestreben ei-ner Balance zwischen sozialer und ethischer sowie ökologischer und ökonomischer Aus-richtung sah.

Bernd Voigtländer sagte in einem Interview über Dich, dass Du „die Fäden in der Hand“ hattest ...... die Beobachtung von Bernd ist richtig. Aber das war meinerseits auch angestrebt. Es galt, möglichst viele Menschen in die Aufbauorganisation zu integrieren, ihnen Verantwortung zu übertragen und sie selb-ständig handeln zu lassen. Das ließ sich aus dem Hintergrund besser steuern als von der Spitze her. Wir hatten uns außerdem noch unter den Augen der Stasi gegründet und wussten nicht, ob die Kommunisten noch einmal Oberwasser bekommen würden. Hätten Sie mich abgeholt, wären die Aufga-ben schon auf viele Schultern verteilt gewe-sen. Hätten sie jemand anderen abgeholt, wäre ich durch meine kirchlichen Netzwer-ke in der Lage gewesen, sofort mehrere Dut-zend Menschen solidarisch zu versammeln. Außerdem sollte die Stasi nicht gleich se-hen, wo genau die Fäden gezogen wurden.

Hattet Ihr Kontakte zu Beteiligten der SDP-Gründung in Schwante?Die Kontakte zur Gründungsgruppe in Schwante waren sehr eng. Über die Hälfte kannte ich – teilweise seit Jahren – persön-lich. Da sich die Ereignisse mit der Gründung der SDP zeitlich rasant beschleunigten, standen wir in ständigem Kontakt. Ich fuhr fast wöchentlich nach Berlin zum Austausch über die Lage und um neue Materialien ab-zuholen.

Wie würdest Du als Kirchenmitglied Dein Verhältnis zur DDR bis zu diesem Zeitpunkt beschreiben?Ich habe die SED als politischen Gegner empfunden, auch wenn man das damals öffentlich nicht so formulierte, sondern eher umschrieb. Wir wussten, dass die SED

mächtig und gewalttätig war und ein biss-chen Angst verspürte man schon in den Knochen. Trotz allem hatte ich immer eine Portion Unbekümmertheit, da ich mich per-sönlich der SED weltanschaulich gewachsen und moralisch überlegen fühlte und mir mein christlicher Glaube Halt, Sicherheit und innere Überzeugung gab. Ich bin froh, dass ich trotz der 40 IM in meinem Umfeld – wie ich meiner Stasiakte entnehmen konnte – keinen Schaden an Leib und Seele erleiden musste. Kirchenleute, die mit der SED pak-tierten, habe ich immer verachtet.

Bis 1990 warst Du Studentenpfarrer in Hal-le. Welche Verbindungen hast Du heute noch nach Halle bzw. welche Erinnerungen verbin-dest Du mit Halle? Die Zeit als Studentenpfarrer war sehr inten-siv. Religiöse, politische, künstlerische und wissenschaftliche Themen gingen Hand in Hand. Mit einer Reihe damaliger Studenten habe ich bis heute regelmäßigen Kontakt. Die prägende Erfahrung war jedoch die SDP-Gründung und die Einübung in poli-tisch aufrechtem Gang. Leider reichte in der Vergangenheit die Zeit für eine Kontaktpfle-ge zu den Gefährten der ersten Stunde nicht aus. Doch es wäre sehr schön, würden wir wieder einmal im alten Kreis zusammen-sitzen. Aus den ersten Gründungswochen habe ich noch Dokumente, die gewisser-maßen Unikate sind. Ich will sie, sobald ich Zeit habe, ordnen und dann dem Ortsverein beim nächsten Jubiläum zur Verfügung stel-len. Dort gehören sie auch hin.

Viele damals Beteiligte schildern, dass die Ereignisse der Wochen im Herbst 1989 Euch „überrollt“ haben. Zu vieles und zu viel Neu-es musste bewältigt werden. Was bleibt?Auch ich wünschte mir damals eine lang-samere Schrittfolge. Es gab Gedanken zum „Dritten Weg“ für die DDR, eine Illusion wie ich heute meine. Denn Revolutionen haben offensichtlich ihre eigene Dynamik. Ich konnte bald akzeptieren, was sich da, schneller als erahnt, entwickelte. Mir gab die Entwicklung die Möglichkeit, politisch in gewählten Vertretungen mitzugestalten. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar.

Warum ist es der SPD z. B. in Mecklenburg-Vorpommern nach 1990 nur bedingt gelun-

gen „die“ Regierungspartei zu werden?Die SPD in MV hatte damals, aber auch später und bis heute im Land, die besseren Führungskräfte. Entscheidend jedoch war, dass Harald Ringstorff als Ministerpräsident durch seine ausgeprägte mecklenburgische Art ein landesväterliches Ansehen erwarb. Seine rot-rote Option 1998, die ich damals auf dem Landesparteitag ablehnte, führ-te er in seiner mecklenburgisch-ruhigen und etwas dickköpfigen Art, anders als in Sachsen-Anhalt, finanziell solide und band die PDS in einen vorgegebenen Regierungs-rahmen ein. Dies steigerte das Ansehen der SPD und gab ihr die Möglichkeit, bei allen Folgewahlen Vorgaben machen und sich den Regierungspartner aussuchen zu kön-nen.

Lieber Theo, vielen Dank für das Gespräch!

BIOGRAfIE

Klaus-Michael, genannt Theo, Körner wurde 1952 in Cottbus geboren. Nach ei-ner Ausbildung zum Webereifacharbeiter studierte er Theologie an der Universität Rostock. Von 1985 bis 1990 war er Stu-dentenpfarrer in Halle (Saale). Er ist Grün-dungsmitglied der SDP in Halle. Von 1991 bis 1994 war er Landrat des Landkreises Neustrelitz. Ab 1998 (bis 2011) war er Mitglied des Landtages von Mecklenburg Vorpommern für die SPD und Fraktions-sprecher für Kirchen-, Religions- und Kul-turpolitik. Derzeit ist er Vorsitzender des Landeskulturrates Mecklenburg-Vorpom-mern. Körner ist verheiratet und hat zwei Kinder (Foto: Klaus-Michael Körner).

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In ihrer Galerie: Ulli Hamers heute (Foto M. Schlegelmilch)

„ICH WOLLTE EINEN öffENTLICHEN RAUM.“Das SDP-Gründungsmitglied Ulrike Hamers im Porträt

Von Marcus Schlegelmilch, blick.punkt

Halle. Ulrike Hamers, die von allen nur „Ulli“ genannt wird und 1976 nach Halle zog, hat ihren Platz in der Saalestadt gefunden, in der Mittelstraße. Wer aufmerksam durch Halle streift, kann sie an einem Sommertag auf dem Gehsteig vor ihrem Haus sitzen se-hen – beobachtend, lesend und lachend. Im Herzen Halles hat Hamers gemeinsam mit ihrem Mann, dem Künstler Ralph Penz, 1990 ein Haus 14 Tage vor dem Abriss erworben und nach und nach zum Wohnraum, als Ga-lerie und Werkstatt umgebaut.

Erst 20 Jahre danach wurde das Ehepaar ins Grundbuch einge-tragen. Sie sieht das als Schikane an und als letzte Rache der SED: „Warum wir so lange auf die Eintra-gung warten muss-ten, weiß ich nicht. Und keiner gibt mir bis heute eine ehr-liche Antwort.“ Sie sieht Personen und Strukturen am Werk, die sich an ihr rächen wollen – für ihr auf-müpfiges Verhalten im sozialistischen Staat und ihr unkon-ventionelles Auftre-ten damals wie heute. Unkonventionell, so ist Hamers, die 1950 in Gotha geboren wurde, nun einmal. Und das drückt sich bei ihr, die eine Ausbil-dung zur Goldschmiedin in Eisenach absol-vierte, in ihrer zupackenden Art aus.

15. Oktober 2014: Für unser Gespräch sind wir zu Besuch in Hamers Galerie. Das Haus ist eine Oase der Kunst im Herzen Halles. Wer davor steht, bekommt nur im Ansatz eine Ahnung, wie beschaulich, nein: schön, es im Innern daherkommt. Das Idyll gehört aber, wenn man Hamers glauben mag, der Vergangenheit an. Die Baumaschinen, die den akustischen Hintergrund für unser Ge-spräch geben, sind für sie das bestimmende Zeichen, dass die Mittelstraße ihr Ausse-hen unwiederbringlich verändert. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird der mittelalterliche Straßenzug vom „Bauverein

Halle & Leuna“ mit dem Ziel „dieses ein-malige Ensemble wiederzubeleben“, wie es auf deren Homepage heißt, renoviert. Für Hamers klingt dieses Vorhaben wie eine Provokation. In ihren Augen geht es hier nur um den Profit einer Wohnungsgesellschaft, ohne auf den Charakter der Straße zu ach-ten. „Was hier gebaut wird, ist nicht zu fas-sen. Mit den Bürgern wurde nicht darüber geredet“, erregt sie sich.

Hamers versteht ihre Galerie als öffent-lichen Raum. Hier wird nicht nur Kunst geschaffen und gehandelt, hier werden

alltägliche Probleme ihrer Mitmenschen diskutiert und im wahrsten Sinne des Wor-tes aufgesogen. Wo geholfen werden kann, bleiben ihre Hände nicht still. Auch als am 27. Oktober 1989 in ihrer damaligen Woh-nung, in der Großen Steinstraße 16, die hal-lesche SDP gegründet wurde, war das kein Zufall: „In der Puschkinstraße [damaliger Sitz der Jungen Gemeinde, Anm. d. Red.] sa-ßen ein paar Leute beieinander und wollten die SDP gründen. Da habe ich gesagt, macht es nicht in der Kirche, das mag ich nicht. Ich wollte einen öffentlichen Raum. Und da bot sich unsere Wohnung an.“

So geschah es und wer genau auf das Bild, das vom Abend der Gründung überliefert ist, schaut, erkennt Hamers als Zupacken-

de: „Ich habe wieder die Schürze um, da ich für das Praktische zuständig war“, sagt sie und lacht. Auf ihre heutigen Gefühle beim Blick auf das Bild angesprochen antwortet Hamers: „Ich empfinde dabei gar nichts. Ich habe zu meinem Mann gesagt, er soll uns fotografieren. Ich glaubte, dass das ein historischer Moment sei. Und da hat er uns fotografiert.“ Keine Emotionen, kein Pathos – Hamers bleibt in diesem Punkt ohne Re-gung.

Man merkt in unserer Unterhaltung, dass sie ihre Geschichte des Herbstes 1989 nicht

zum ersten Mal er-zählt. Sie legt los: pointierte Sätze – nicht nur sprichwört-lich – ohne Punkt und Komma kommen ihr über die Lippen. Oft enden ihre Schilde-rungen mit einem ihr eigenen, herzlichen Schlussakkord: einem Lachen. Auch als wir darüber reden, wie sie, ihre Freunde und Bekannten in der DDR traktiert, schikaniert und überwacht wur-den, bleibt ein Hauch dieses Lachens. Ha-mers ist keineswegs verbittert. Eher im Gegenteil: Ihre da-malige und heutige Eigenständigkeit des

Denkens bricht sich immer wieder Bahn: „Ich habe nichts von diesem Staat gehalten. Ich war völlig autark. Ich habe mein eigenes Ding gemacht.“

Andere Gruppen, etwa das Neue Forum, für das sie bei den letzten Kommunalwah-len antrat, waren ihr 1989 „zu intellektuell“ – und: „Mir hat bei denen der praktische Sinn gefehlt. Die SDP gab es eben nicht.“ Ge-nau darum ging es für sie: „Mein Ansinnen bis zur ersten Wahl war, dass die Leute eine Wahlmöglichkeit haben – eine Wahlmög-lichkeit!“

Deshalb waren die Ergebnisse für Hamers, und bekanntlich auch für viele weitere En-gagierte, so schockierend. „Das Ergebnis war eine Katastrophe“, resümiert Hamers.

IM BLICK.PUNKT

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blick.punkt 2014/2

IM BLICK.PUNKT

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Monate, in denen die Aktivitäten des poli-tischen Ehrenamtes auch in das Privatleben eingriffen, schienen umsonst gewesen zu sein. Aber ihre Entfremdung von der SPD war zu diesem Zeitpunkt, im Frühjahr 1990, schon weit fortgeschritten.

Anders als viele Parteimitglieder war nicht etwa Willy Brandt der Grund, sich der Sozi-aldemokratie nahe zu fühlen. Bei Hamers waren es eher der Zufall und das Gefühl, die sozialdemokratische Idee könne in ei-nem herunter gewirtschafteten Land etwas bewirken. Diese Monate blieben in ihrem Leben eine Episode: „Bei der ersten Vor-standswahl der SDP in Halle am 3. Januar 1990, meinem 40. Geburtstag, stand ein Mann auf und behauptete, dass ich bei der Stasi gewesen sei. Damit war meine Wahl erledigt. Ich konnte nichts mehr sagen. Ich war einfach perplex. Dieses Gerücht war im Raum und dann gibt es fast kein Zurück.“

Die Vorwürfe waren haltlos. Hamers, die das Büro der SDP im Reformhaus damals einrichtete, verfolgte die Kontakte mit der SPD in der Bundesrepublik zunehmend mit Argwohn: „Da kamen die Besserwisser aus dem Westen. Da war es aus mit eigenen Initiativen. Wir hatten keine Zeit über das

Nachzudenken, was wir machen konnten und wollten.“ Als Person, die immer unan-gepasst und unbequem war, müssen die aufkommenden Mechanismen des west-deutschen Parteiapparates wie ein Korsett gewirkt haben: „Man forderte mich schließ-lich auf, offiziell in die SPD einzutreten und da habe ich gesagt: ‚Leute, ich habe die So-zialdemokratie hier in Halle mitgegründet! Warum soll ich eintreten, wenn ich mitge-gründet habe?‘ Ich empfand das als schizo-phren.“

Für wenige Monate, vielleicht nur Wo-chen, glaubte Hamers, die die SPD heute als „träge und ideenlos“ sieht, Politik selbst gestalten zu können. Und so verwundert es nicht, dass die Kontakte zu jenen Personen, die damals in Hamers Wohnung die SDP gründeten, gar nicht mehr oder nur noch sporadisch bestehen. Ihre Umtriebigkeit hat sich Hamers allerdings bis heute erhalten: „Ich glaube, jeder Mensch ist politisch“, sagt sie und ruft damit einen Satz aus, der ihr ge-sellschaftliches Engagement manifestiert. Auch wenn die Menschen mit der Politik unzufrieden sind, rechtfertigt das aus ih-rer Sicht nicht, Wahlen fernzubleiben: „Bei einer Wahl haben wir alle eine Stimme. Ich

äußere meinen Unmut und gehe zur Wahl. Damit habe ich eine Stimme.“ Dies kann als Aufruf gesehen werden, extreme Positio-nen zu unterstützen. Wer ihr aufmerksam zuhört, versteht es eher als Ermunterung, durch eine ungültige Stimme seinen Protest auszudrücken.

Protest formulieren und artikulieren zu können, war ihr Antrieb, sich vor 25 Jahren zu engagieren. „Allerdings findet meiner Meinung nach heute kein Austausch mehr zwischen den Bürgern statt, aber auch mit den Bürgern nicht mehr“, ergänzt sie mit Blick auf die Sanierung der Häuserzeile vor ihrer Tür, um dann beschwichtigend zu er-gänzen: „Es soll nicht so rüberkommen, als sei ich resigniert. Aber eine Demokratie ist ein Organismus, es ist etwas Lebendiges. Und jeden Tag muss ich etwas dafür tun und darüber reden.“

RADIO-INTERVIEW IM INTERNET

Im Rahmen der Sendereihe „Wendefo-kus“ führte Radio Corax ein ausführli-ches Interview mit Ulrike Hamers: http://wendefokus.de/ulli-hamers/

ENGAGIERT füR EINE STARKE DEMOKRATIEVon Christel Riemann-Hanewinckel

Veranstaltung. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte eingeladen und 300 interessierte Hallenserinnen und Hallenser waren in den Festsaal der Leopoldina gekommen. Wir berichteten über das, was uns vor 25 Jahren zum Handeln bewegt hat. Wir ha-ben gefragt, wie es um die deutsche Ein-heit bestellt ist. Wir haben festgestellt, was nötig ist, um die Zukunft gerecht zu gestal-ten.

Dr. Christine Bergmann, Pharmazeutin, hat sich 1989 der SDP in Berlin angeschlos-sen. In ihren Beruf kam sie nicht zurück, sie wurde in der Politik gebraucht! Sie wurde Senatorin und später Bundesministerin. Sie hat die Gesellschaftpolitik im geeinten Deutschland intensiv mitgestaltet.

Prof. Dr. Jörg Hacker, Präsident der Leo-poldina, repräsentiert die älteste, inter-nationale Vereinigung von Naturwissen-schaftlern und die Nationale Akademie Deutschlands. Seine Erfahrungen zeigen, dass die Wissenschaft über Grenzen hin-weg wirkt, unabhängig von Machthabern.

Christel Riemann-Hanewinckel, Pfar-rerin, hat 1989 in Halle die SDP mitge-

gründet, gegen den Alleinvertretungs-anspruch der SED. Sie war Moderatorin des Runden Tisches in Halle. Im Bundes-tag waren Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ihre The-men.

Die Diskussion zeigte, dass nach 25 Jahren noch nicht alles zusammengewachsen ist, was zusammengehört. Deutlich wird das an der ungleichen Bewertung der Renten-punkte in Ost und West oder bei „Hartz IV“. Durch den Unrechtsstaat „DDR“ werden nicht das private Leben oder die Leistungen der Menschen in der DDR gemindert. Aber ein Staat, der Menschenrechtsverträge un-terzeichnet, aber Gesetze seinen Bürgerin-nen und Bürgern gegenüber nicht einhält, begeht Rechtsbeugung. Heute braucht un-sere Demokratie mehr denn je Zivilgesell-schaften und Staaten, welche die Zeichen der Zeit erkennen für ein faires und gerech-tes Miteinander. Die Wissenschaften sagen schon lange, was zu tun und zu lassen ist. Wir haben jetzt Chancen für gerechte Ver-änderungen, auch wir in Halle haben es in der Hand.

Dr. Christine Bergmann, Prof. em. Dr. Ever-hard Holtmann, Prof. Dr. Jörg Hacker und Christel Riemann-Hanewinckel (v. l. n. r.) im Gespräch.

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WäCHST ZUSAMMEN, WAS ZUSAMMEN GEHöRT? Lebensverhältnisse in Ost und West 25 Jahre nach dem Mauerfall

Von Tina Wiesner, blick.punkt

Halle. Die friedliche Revolution, der Mauer-fall am 9. November 1989 und die Wieder-vereinigung, die alljährlich am 3. Oktober zelebriert wird, zogen in den neuen Ländern einschneidende Umbrüche nach sich. Die Prinzipien und der Orientierungsrahmen von Gesellschaft, Wirtschaft, Recht und Po-litik der ehemaligen DDR wurden durch die der Bundesrepublik ersetzt.

Die Prognosen über die Entwicklungen, die sich hieraus ergeben würden, hatten vorran-gig die ehemalige DDR im Fokus. Politisch gewollt war eine Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, also eine Anpassung der schlechteren Lebensverhältnisse in Ost an die besseren in der alten Bundesrepublik. Diese sollte durch die Installation vergleich-barer politischer, sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Infrastruktur erreicht wer-den.

25 Jahre nach dem Mauerfall stellt sich die Frage, inwiefern eine Angleichung der Le-bensverhältnisse gelungen ist. Die Analyse von Daten des Statistischen Bundesamtes und des Sozioökonomischen Panels (SOEP) zu den Themen Demografie, Familien- und Erwerbsleben, Einkommen sowie subjekti-ve Einschätzung der Lebensverhältnisse soll eine Antwort auf diese Frage geben.

Die demografische Entwicklung in den neuen Ländern ist in den Jahren, die unmit-telbar auf die Wende folgten, von der Ab-wanderung von 1,2 Millionen Ostdeutschen in das Gebiet der ehemaligen Bundesrepub-lik geprägt. Die große Unsicherheit, die hier zum Ausdruck kommt, zeigt sich auch an einem starken Rückgang der Geburtenziffer von 1,5 im Jahr 1990 auf 0,8 im Jahr 1995. Sie stieg in den Folgejahren wieder an, wird sich allerdings in den kommenden Jahren als „Echo“ in der demografischen Entwick-lung in den neuen Ländern niederschlagen.

Die Entwicklung von Familienformen und Erwerbsleben in Partnerschaft offenbart eine zunehmende Pluralisierung der Lebens-verhältnisse: Während in Westdeutschland vor der Wende traditionelle Familien- und Arbeitsteilungsmodelle vorherrschten – Ehe zwischen Mann und Frau mit Kindern, wo-bei der Mann (Haupt-)Versorger der Familie war –, gewinnen heute moderne Familien-formen (eingetragene Lebenspartnerschaf-ten; allein erziehende Mütter bzw. Väter usw.) an Bedeutung.

Diese Entwicklungen haben in Ost-deutschland – forciert durch die Familien-politik der DDR – bereits sehr viel früher eingesetzt. Bei der Familienplanung ist eine Angleichung von Ost an West festzustellen: Waren die ostdeutschen Frauen zur Zeit der Wende bei der Geburt ihres ersten Kin-des Mitte 20, sind sie mittlerweile wie die westdeutschen etwa 30 Jahre alt. In Ost wie West fällt die Beteiligung der Frauen am Er-werbsleben zunehmend höher aus, wobei bei diesem frauenpolitischen Thema eher von einer Angleichung der westdeutschen an die ostdeutschen Verhältnisse gespro-chen werden kann.

Wie sieht es mit der finanziellen Lage der Menschen in Ost und West aus? Ein Blick auf die Verteilung des Einkommens in den Haushalten zeigt, dass nur eine sehr vor-sichtige Angleichung zwischen Ost und West stattgefunden hat. Die Unterschiede fallen – zugunsten der alten Bundesländer – noch immer vergleichsweise hoch aus. Bemerkenswert ist, dass sich Ost an West dahingehend angenähert hat, dass die Ein-kommen zunehmend ungleich verteilt sind. Armut spielt in den neuen Ländern eine grö-ßere Rolle als in den alten. Bedroht sind vor allem Alleinerziehende, junge Erwachsene und Kinder.

Wie bewerten die Menschen in Ost und West ihre jeweiligen Lebensbedingungen? Die allgemeine Lebenszufriedenheit in Ost hat deutlich zugenommen und gleicht nun-mehr der in West. Weniger zufrieden als die Westdeutschen sind die Menschen in Ost mit ihrem Einkommen. Das ist nicht zuletzt auf die real bestehenden Unterschiede in der Einkommenshöhe zurückzuführen.

Interessant ist ein Blick auf die Erwar-tungen an die Zukunft, die die Menschen im Zeitverlauf in Ost und West äußerten: Hoffte im Jahr 1992 fast die Hälfte der Men-schen in Ost durch die Wiedervereinigung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, waren es bereits 1996 nur noch 15 %. Die Menschen in West sahen den wirt-schaftlichen Entwicklungen bereits 1992 eher skeptisch entgegen. Im Jahr 2012 ha-ben sich die diesbezüglichen Einschätzun-gen in Ost und West nahezu angeglichen. Andere Faktoren als die Wiedervereinigung – etwa die Finanzkrise ab 2007 – spielen nun eine stärkere Rolle.

Abschließend ein Blick auf die politischen Einstellungen und Werte in Ost und West: Ein bekannter Befund ist, dass die Zufrie-denheit mit dem Funktionieren der Demo-kratie in West höher ausfällt als in Ost. Be-trachtet man ergänzend die Einschätzung der Idee des Sozialismus sowie die Vorstel-lung von Zuständigkeiten des Staates in den alten und neuen Bundesländern, ergibt sich eine mögliche Begründung für diese konti-nuierlich niedrigere Demokratiezufrieden-heit: In Ost wird die Idee des Sozialismus deutlich häufiger für gut befunden als in West. Dementsprechend herrscht hier deut-lich häufiger als in West die Überzeugung vor, dass der Staat für soziale Sicherung und den Abbau von Einkommensunterschieden zuständig sei. Hier sehen die Menschen in Ost seit der Wende Nachbesserungsbedarf.

Wie ist es also mit der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost an die in West bestellt? Die Menschen in Ost und West le-ben 25 Jahre nach dem Mauerfall ähnlich zufrieden, mit gleichen Tendenzen in der Fa-milienplanung und der Gestaltung ihres Fa-milienlebens, dem Erwerbsleben und einer ähnlichen Einschätzung ihrer wirtschaftli-chen Aussichten. In vielerlei Hinsicht haben sich die Lebensverhältnisse angeglichen.

Die Analyse zeigt gleichzeitig, dass die Entwicklungen seit der Wende keine One-Way-Anpassung der ostdeutschen an die westdeutschen Verhältnisse sind, sondern mindestens eine „doppelte Transformati-on“. Vor allem frauen- und familienpolitisch hat die Wiedervereinigung den Moderni-sierungsbestrebungen in West neues Feuer verliehen. Auf der wirtschaftlichen Ebene wiederum haben die Verhältnisse in Ost sich an die in West zumindest angenähert, wenn auch von einer Angleichung noch lan-ge nicht die Rede sein kann, wie im Bericht zum Stand der Deutschen Einheit aktuell zu lesen ist.

IM BLICK.PUNKT

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BERICHT IM INTERNET

Nachfolgend ist unter dem Menü-punkt „Deutsche Einheit“ der aktuelle Bericht zum Stand der Deutschen Ein-heit zu finden: http://www.beauftrag-te-neue-laender.de

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SPD-LANDTAGSfRAKTION ERINNERTE AN DEN HERBST 1989Von Dr. Katja Pähle, Mitglied des Landtages

In diesem Jahr erinnern wir uns alle an den Herbst 1989 – und daran, was Menschen verändern können. Die Friedliche Revolution ist Teil der Geschichte, aber sie ist auch Teil von Lebenswegen der Menschen in Deutschland, denn ohne die Ereignisse aus dem Herbst 1989 würden wir alle ein anderes Leben leben! Aus diesem Grund erinnerte auch die SPD-Landtagsfraktion mit einer Festveranstaltung am 9. Oktober 2014 an die Zeit vor 25 Jahren.

Landtagsfraktion. Am 9. Oktober 1989 – zwei Tage nach dem 40. Jubiläum der DDR, das mit großen Paraden gefeiert wurde – versammelten sich in Leipzig so viele Men-schen wie nie zuvor zu einer Montagsde-monstration. Trotz vieler lauter und leiser Warnungen durch das DDR-Regime versam-melten sich 70.000 Menschen in Leipzig zur größten friedlichen Demonstration seit dem 17. Juni 1953 und eroberten die Straßen und Plätze. Auch in zahlreichen anderen Städten in den damaligen Bezirken Magdeburg und Halle gingen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße und demonstrierten für die De-mokratisierung der Gesellschaft.

Nun, 25 Jahre später, erinnerten sich Kat-rin Budde, Fraktions- und Landesvorsitzen-de der SPD, Dr. Willi Polte als ehemaliger Oberbürgermeister von Magdeburg und die ehemalige Superintendentin im Kirchen-kreis Magdeburg, Waltraut Zachhuber, an ihren 9. Oktober und an die Zeit, die noch

kommen sollte. Alle drei machten in ihren Aussagen klar,

dass am 9. Oktober 1989 noch niemand ab-sehen konnte, ob diese bereits starke und friedliche Bewegung zur Veränderung der DDR erfolgreich sein würde. Angst begleite-te alle, die montags in die Kirchen gingen, um dort Raum für offene Worte zu finden und für Frieden und Veränderung zu beten. Kerzen und die Gewissheit, nicht allein zu sein, waren die einzigen Mittel gegen ein Regime, das in jenem Herbst der chinesi-schen Staatsregierung zum Durchgreifen auf dem Platz des Himmlischen Friedens Glückwünsche übersendete.

Ein neues Selbstbewusstsein der Bürge-rinnen und Bürger sorgten in diesen Tagen dafür, dass in Bereitschaft stehende Kampf-gruppen, Polizei und Teile der Armee nicht gerufen wurden. Willi Polte formulierte es sehr eindrucksvoll: „Ohne Rühren gibt es keinen Rührkuchen.“ Damit meint er: Ver-

änderung passiert nicht einfach so, sie muss gemacht werden. Als keine Schüsse fielen, sei aus der Erleichterung der Menschen Hoffnung geworden. Aus der Hoffnung wur-de dann Gewissheit – die Revolution gegen einen bis an die Zähne bewaffneten Staat konnte gelingen. Und viele haben daran mitgetan.

Dieses Mittun darf aber mit dem Herbst 1989 kein Ende finden. Bis heute sind die Bürgerinnen und Bürger gefragt, Verant-wortung zu übernehmen – im Kleinen wie im Großen. Es sind Menschen gefragt, die einen geraden Rücken zeigen und nicht nur an den eigenen Vorteil denken. Der Herbst 1989 ist deshalb nicht nur eine Erinnerung, sondern für uns alle ein Aufruf zum Einmi-schen und Mitmachen. Auch heute noch gilt: „Wir sind das Volk.“

„DIE 43 VON SCHWANTE“Festveranstaltung „25 Jahre Sozialdemokratie in Ostdeutschland – Sternstunde der Demokratie“

Von Thomas Stimpel, blick.punkt

Berlin. Ein kleiner Ort im Brandenburgi-schen in der Nähe Berlins hat für die Sozi-aldemokratie seit 1989 eine zentrale Bedeu-tung: Im Pfarrhaus in Schwante wurde am 7. Oktober 1989 die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) gegründet. Dem Gründungsaufruf vom August 1989 folgten (zunächst) 43 Frauen und Männer. Dass die Sozialdemokratie auf dem Gebiet der DDR nach über 43 Jahren Zwangsvereinigung mit der KPD wieder in die Öffentlichkeit trat, war Anlass genug, diesen mutigen Schritt der Gründungsmitglieder im Rahmen der Festveranstaltung „25 Jahre Sozialdemo-kratie in Ostdeutschland – Sternstunde der Demokratie“ zu würdigen.

Das Foyer im Willy-Brandt-Haus war als Ort für diese Veranstaltung prädestiniert: „Willy Brandt war für uns das erste Loch in der Mauer“, so Thomas Krüger. Und nie-mand ahnte im Oktober 1989, dass die Gründung der SDP ein weiteres großes Loch

sein würde, das die Mauer bereits einen Mo-nat später mit zum Einsturz bringen würde.

Von Umsturzplänen selbst ist auf dem Gruppenfoto, das während der Festveran-staltung den Bühnenhintergrund bildet, auch wenig zu spüren. Vielmehr wirken die Gesichter der Gründungsmitglieder ange-spannt. Jubelstimmung sieht anders aus. Aber verwundert es wirklich? Saß am 7. Oktober in Schwante doch die „Angst mit am Tisch“. Die Angst, die Kinder am Abend nicht wiederzusehen; vielleicht spurlos zu verschwinden.

„Die Mauer ist von Osten her eingedrückt worden“, sagte der spätere Vorsitzende der SPD in der DDR, Wolfgang Thierse. Die SDP hat einen gewichtigen Beitrag dazu geleis-tet. Die Ehrung der Gründergeneration für ihre Leistungen und ihren Mut war deshalb folgerichtig ein zentraler Programmpunkt im Rahmen der Festveranstaltung.

Die 43 von Schwante riskierten wie viele

andere in diesen Tagen ihre Freiheit für die Freiheit aller. „Wir müssen die Haltung von Schwante wieder zur Haltung der gesamten deutschen Sozialdemokratie machen“, so Sigmar Gabriel in seiner Festrede. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Die SPD erinnerte im Willy-Brandt-Haus in Berlin an die Gründung der SDP in Schwante.

IM BLICK.PUNKT

blick.punkt 2014/210

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blick.punkt 2014/2 11

WIR SIND DANN (MAL) WEGTina Wiesner Oliver Hartung Igor Matviyets Marcus Schlegelmilch

Andrej Stephan Thomas Stimpel Christian Weinert

Redaktion. Mit diesen Zeilen beschließen wir die Geschichte des blick.punkt. Doch bevor das Kapitel blick.punkt geschlossen wird, lassen wir einiges noch einmal Revue passieren. Am Ende werden es 28 Ausga-ben sein (inklusive drei Sonderausgaben im Jahr 2009), die als blick.punkt – pathetisch gesprochen – das Licht der Welt erblickten. Hinter jeder Ausgabe standen viele Stunden ehrenamtlichen Engagements des Redakti-onsteams.

Entstanden die ersten Ausgaben noch in einem Guss, also an einem Tag, ging es in den letzten Jahren weitaus professioneller zu. In den ersten Tagen allerdings, bestand unsere Aufgabe vor allem darin, nach Ende des für schreibwütige Genossinnen und Ge-nossen ausgerufenen Redaktionsschlusses, meist an einem Samstag, die eingegange-

nen Texte zu lektorieren, zu ergänzen und rund zu schleifen. Nicht selten stellten wir dann fest, dass einige Seiten noch gar nicht gefüllt waren. Und so lag es in der Verant-wortung der Redaktion, diese unbeschrie-benen Seiten in einer Nacht- und Nebel-aktion aufzufüllen. Nicht zuletzt deshalb sind zahlreiche Glossen und Kommentare entstanden, die unser allzu verletztes Par-teiherz erleichterten.

In den letzten Jahren war der Entste-hungsprozess der Ausgaben jedoch besser geplant und verlangte nicht mehr solche Hauruckaktionen. Das bedeutete aber nicht, dass das Zustandekommen weniger schweißtreibend wurde. Immer wieder fehl-ten zugesagte Artikel externer Autorinnen und Autoren oder – das sei der Ehrlichkeit halber auch gesagt – verfolgte nicht jedes

Redaktionsmitglied seine Aufgabe(n) mit gleichbleibender Intensität. Ehrenamt ist eben anfällig für Nachlässigkeiten.

ROTER STADTSPAZIERGANG: HALLESCHE ORTE DER SOZIALDEMOKRATIEVon Dr. Katja Pähle und Marcus Schlegelmilch

Halle. Das 25-jährige Jubiläum unseres Stadtverbandes nahm eine Gruppe von SPD-Mitgliedern zum Anlass, einen Roten Stadtspaziergang zu initiieren. Damit sollte an die lange sozialdemokratische Tradition in den letzten 150 Jahren in Halle erinnert werden. Am 15. Oktober 2014 machten sich rund zwei Dutzend Personen auf den Weg und begaben sich auf Spurensuche. Die Sta-tionen waren gut bekannte, aber auch eher verborgene Orte der Sozialdemokratie. So ging der Rundgang vom ehemaligen „Zum Hofjäger“, der heutigen „EasySchorre“, wo unsere Partei 1890 ihren Namen erhielt, zum Ort der Neugründung der hiesigen SDP 1989 in die Große Steinstraße. Als Pate der ersten Station wirkte Dr. Rüdiger Fikentscher. Er erinnerte an die Inhalte des siebentägigen Parteitages im Jahr 1890 und hielt fest: „Die Zeitgenossen wussten damals nicht welch historischen Beschluss sie da hinsichtlich des Namens fällten.“ Der Antrag auf Umbenennung in Sozialdemo-kratische Partei Deutschlands fielt damals fast einstimmig – immerhin. In der Großen Steinstraße rief Bernd Voigtländer die Er-innerung an die Ausgangslage im Herbst 1989 in den Abendhimmel und machte die Bedeutung der Wohnung von Ulli Hamers in der Großen Steinstraße 16 deutlich: „Dort

oben haben wir getagt, bis wir in das Re-formhaus umziehen konnten. Für mich ist das ein historischer Ort, an dem alles seinen Anfang nahm.“

Von dort aus ging es wenige Gehminuten weiter zum „Kühlen Brunnen“, wo 1890 der Wahlverein der Sozialdemokraten noch während der sogenannten Sozialistenge-setze zur Vorbereitung der Reichstagswah-len 1890 tagte. Letzte Station war dann das Adolf-Reichwein-Haus als traditionelle und heutige Anlaufstelle unserer Partei. Im Foy-er der Geschäftsstelle wurde abschließend das Foto vom Abend der SDP-Gründung 1989 enthüllt. Es hat nun seinen würdigen Platz in der Mitte zahlreicher historischer Aufnahmen von Orten, Personen und Er-eignissen gefunden, die mit der sozialde-mokratischen Geschichte in Halle in Verbin-dung stehen.

Für die Zukunft bleibt die Hoffnung, dass sich der Stadtspaziergang etabliert, weite-re für die Arbeiterbewegung und Sozialde-mokratie bedeutende Orte eingebunden und mit dem Stadtspaziergang Interessier-te ohne Parteibuch angesprochen werden können.

Redaktionsklausur 2010 in Wernigerode: Christian Weinert, Alexander von Moltke, Steven Leonhardt, Oliver Hartung, Katharina Hintz, Marcus Schlegelmilch, Andrej Stephan, Felix Peter (v. l. n. r.).

IM BLICK.PUNKT

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blick.punkt 2014/2

END.PUNKT

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Am Anfang aber war der blick.punkt das Pionierwerk einer Genossin und zweier Ge-nossen. Das tatkräftige Anpacken von Stefa-nie Schöne-Biesecke, Felix Peter und Christi-an Weinert hob den blick.punkt im Frühjahr 2007 aus der Taufe. Was bei der ersten Aus-gabe noch als Quartalsblatt betitelt und von der AG Bildung sowie dem losen Zusam-menschluss des sogenannten Juso-Kultur-kreises herausgegeben wurde, erhielt eine Ausgabe später den mittlerweile bekannten Namen blick.punkt und das über viele Aus-gaben bewährte und erst im vergangenen Jahr geänderte Layout. Als einziger hat der heutige Stadtvorsitzende Christian Weinert vom Anfang bis zum Ende durchgehalten. Dafür, wenn wir es nicht schon gelegentlich persönlich getan haben: Chapeau!

In unserer Partei kommen und gehen Ge-nossinnen und Genossen. Genauso erging es auch der blick.punkt-Redaktion, die im-mer wieder neue Gesichter begrüßen durf-te. Allerdings verließen ab und an auch Re-daktionsmitglieder unseren Stadtverband und hinterließen dabei Lücken in der Redak-tion.

Auch unsere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner blieben nicht immer auf Dauer in ihren Ämtern. Besonders eindring-lich zeigt das der Fall Kurt Beck. Am 25. Juni 2008 versammelte sich fast die gesamte damalige Redaktion zum Gruppenfoto mit dem auf seiner Sommertour in Halle wei-lenden und kurz angebundenen Beck, um zur Untermalung des schriftlich durchge-führten Interviews mit ihm am Weinberg-Campus zu posieren. Wohl keiner der Anwe-senden ahnte jedoch, was wenige Wochen später im brandenburgischen Schwielow-see passieren sollte. Der journalistische GAU

trat ein: Noch bevor das Interview – nach mehrmaligen Nachfragen autorisiert war – warf Beck das Handtuch und wir sahen uns bei der Veröffentlichung des blick.punkt auf dem folgenden Stadtparteitag dazu ge-zwungen, zu erklären, warum wir der Zeit hinterher waren. Nicht ohne Ironie griffen wir Becks Demission im Titelbild und unter der Überschrift „Ein Alter soll’s richten“ (ge-meint war Becks Nachfolger Franz Müntefe-ring) in der vierten Ausgabe 2008 auf: Unter dem Konterfei Willy Brandts reihten sich (zum damaligen Zeitpunkt) bereits neun Nachfolger ein.

Als Höhepunkt der vergangenen Jahre gilt unumwunden der Bundesparteitag 2009 in Dresden, auf dem wir die Auszeichnung für die Sonderausgabe wende.punkt mit dem 2. Platz des Wilhelm-Dröscher-Preises und einem Preisgeld von 1.500 € entgegen nehmen durften. Als einziges Projekt hatten wir uns der Aufarbeitung des historischen Herbstes 1989, insbesondere der Gründung der SDP in Halle, gewidmet.

Was nehmen wir, die Redakteurinnen und Redakteure, aus der blick.punkt-Arbeit mit? Unzählige Stunden im Interesse des Ehren-amtes, die Bekannt- und Freundschaften wachsen ließen. Und auch erste semijour-nalistische Erfahrungen konnten wir sam-meln. Es bleibt aber auch die Erkenntnis (ganz im Sinne Willy Brandts), dass alles seine Zeit hat. In diesem Sinne hoffen wir, Ihr hattet eine angenehme Schlusslektüre. Vielleicht finden sich in naher oder ferner Zukunft Nachahmende, die eine den Be-dürfnissen angepasste Neuauflage einer Mitgliederzeitschrift wagen:Wir hätten da schon einen Namensvor-schlag: b l i c k . p u n k t !

Christian Weinert, Marcus Schlegelmilch, Oli-ver Hartung und Felix Peter (v. l. n. r.) mit Sig-mar Gabriel (Mitte) während der Vorstellung des „wende.punkt“ im Rahmen des Dröscher-Preises auf dem Bundesparteitag 2009 in Dresden.

Die Redaktion dieser letzten Ausgabe (v. l. n. r.): Thomas Stimpel, Oliver Hartung, Tina Wiesner, Andrej Stephan, Igor Matviyets, Marcus Schlegel-milch, Christian Weinert.

Redaktionsklausur 2011 in Wittenberg: Felix Peter, Andrej Stephan, Christian Wei-nert, Marcus Schlegelmilch, Katharina Hintz, Steven Leonhardt, Marcel Thau, Oliver Har-tung, Alexander von Moltke (v. l. n. r.).

Impressionen während und nach erfolgrei-cher Klausurtagung 2011 in Wittenberg.