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MPR Medizin Produkte Recht Herausgeber Dr. Michael Banz Peter v. Czettritz Dr. Peter Dieners Wilfried Reischl Joachim M. Schmitt 3/ 2009 Jahrgang 9 | Seiten 73–108 ISSN 1618-9027 Nomos www.nomos.de Aus dem Inhalt: MPR Aktuell I Aufsätze Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten Franziska Irmer und Rechtsanwalt Thomas Henßler 73 Wirtschaftlichkeit – quo vadis secundum leges? Müssen Hersteller von Medizinprodukten eine zusätzliche Kontrolle durch das IQWiG befürchten? Rechtsanwältin Antje-Katrin Heinemann und Gerrit Alexander Maiwald 79 Rechtsprechung Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urt. v. 19.03.2009 83 Irreführende Werbung aufgrund nicht wissenschaftlich belegter Wirkung LG Berlin, 15. Zivilkammer, Urt. v. 20.01.2009 86 Informationsrecht über den Inhalt von Altverträgen aus § 127 Abs. 2 S. 4 SGB V Sozialgericht Hamburg, 3. Kammer, Beschl. v. 26.02.2009 89 pmi Verlag www.pmi-verlag.de Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht

Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht · 2012-08-10 · MPR 3 /2009 Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht 9. Jahrgang, Seiten 73 108 Herausgeber: Dr. Michael

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Page 1: Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht · 2012-08-10 · MPR 3 /2009 Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht 9. Jahrgang, Seiten 73 108 Herausgeber: Dr. Michael

MP R MedizinProdukte Recht

HerausgeberDr. Michael Banz

Peter v. Czettritz

Dr. Peter Dieners

Wilfried Reischl

Joachim M. Schmitt

3/2009Jahrgang 9 | Seiten 73–108ISSN 1618-9027

Nomoswww.nomos.de

Aus dem Inhalt:

MPR Aktuell I

Aufsätze

Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von MedizinproduktenFranziska Irmer und Rechtsanwalt Thomas Henßler 73

Wirtschaftlichkeit – quo vadis secundum leges?Müssen Hersteller von Medizinprodukten eine zusätzliche Kontrolle durch das IQWiG befürchten?Rechtsanwältin Antje-Katrin Heinemann und Gerrit Alexander Maiwald 79

Rechtsprechung

Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen GriechenlandGerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urt. v. 19.03.2009 83

Irreführende Werbung aufgrund nicht wissenschaftlich belegter WirkungLG Berlin, 15. Zivilkammer, Urt. v. 20.01.2009 86

Informationsrecht über den Inhalt von Altverträgen aus § 127 Abs. 2 S. 4 SGB VSozialgericht Hamburg, 3. Kammer, Beschl. v. 26.02.2009 89

pmi Verlagwww.pmi-verlag.de

Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht

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MPR AKTU ELL

Inhalt

MPR Aktuell II

AufsätzeDie Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von MedizinproduktenFranziska Irmer und Rechtsanwalt Thomas Henßler 73

Wirtschaftlichkeit � quo vadis secundum leges?Müssen Hersteller von Medizinprodukten eine zusätzliche Kontrolle durch das IQWiG befürchten?Rechtsanwältin Antje-Katrin Heinemann und Gerrit Alexander Maiwald 79

Rechtsprechung

Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen GriechenlandGerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urt. v. 19.03.2009 83

Irreführende Werbung aufgrund nicht wissenschaftlich belegter WirkungLG Berlin, 15. Zivilkammer, Urt. v. 20.01.2009 86

Informationsrecht über den Inhalt von Altverträgen aus § 127 Abs. 2 S. 4 SGB VSozialgericht Hamburg, 3. Kammer, Beschl. v. 26.02.2009 89

Beihilfefähigkeit eines HyaluronsäurepräparatesVerwaltungsgericht Köln, 9. Kammer, Urt. v. 23.06.2008 95

Keine Beihilfe für synthetische TränenersatzflüssigkeitVerwaltungsgericht des Saarlandes, 3. Kammer, Urt. v. 03.03.2009 99

Kostenerstattung von zahnprothetischer Behandlung im EU-AuslandLandessozialgericht Baden-Württemberg 4. Senat, Urt. v. 17.09.2008 103

ImpressumSchriftleitung: Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urhe-RA Dr. Peter Dieners (ViSdP) berrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom UrheberrechtsgesetzRAin Maria Heil (M.C.L) zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeich-RAin Dr. Andrea Sandrock nete Artikel müssen nicht die Meinung der Herausgeber/Redaktion wiedergeben. Unver-

langt eingesandte Manuskripte � für die keine Haftung übernommen wird � gelten alsManuskripte erbeten an:Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Es werden nur unveröffent-RA Dr. Peter Dieners, Clifford Chance,lichte Originalarbeiten angenommen. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnent-Königsallee 59, 40215 Düsseldorfstellenden redaktionellen Bearbeitung einverstanden.Tel. 02 11/43 55-54 63 � Fax 02 11/43 55-56 00

E-Mail: [email protected] Erscheinungsweise: 6mal jährlichDruck und Verlag: Bezugspreis 2009:Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Jährlich 219,� c. Alle Preise zzgl. Vertriebs-/Direktbeorderungsgebühren inkl. MwSt.Waldseestraße 3-5 � D-76530 Baden-Baden Bestellungen nehmen entgegen:Tel. 0 72 21/21 04-0 � Fax 0 7221/2104-27 Der Buchhandel und der Verlag; Abbestellungen mit Drei-Monats-Frist zum Kalenderjahres-Anzeigen: ende. Zahlungen jeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe,sales friendly Verlagsdienstleistungen Konto 73636-751 (BLZ 66010075) und Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZSiegburger Str. 123 � 53229 Bonn 66250030).Tel. 0228/978980 � Fax 0228/9789820 ISSN 1618-9027E-Mail [email protected]

MPR 3/2009 I

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MPR AKTU ELL

Europäisches Parlament stimmt Richtlinienentwurf zurgrenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung zuEnde April hat das Europäische Parla-ment dem Richtlinienentwurf der Eu-ropäischen Kommission über die Aus-übung der Patientenrechte in dergrenzüberschreitenden Gesundheits-versorgung vom 2. Juli 2008 zuge-stimmt.

Nach der Rechtsprechung des Europäi-schen Gerichtshofs (EuGH) gewährtder EG-Vertrag den Patienten dasRecht, grenzüberschreitend Gesund-heitsleistungen in Anspruch zu nehmenund im Heimatland dafür die Kostenerstattet zu bekommen. Dennoch ist esin einigen Mitgliedstaaten schwierig,eine Erstattung für medizinischen Leis-tungen, die im EU-Ausland vorgenom-men worden sind, zu erhalten. Vor die-sem Hintergrund soll die Richtlinienun Klarheit schaffen und ermögli-chen, dass Patienten in Zukunft Ge-sundheitsleistungen außerhalb des ei-genen Mitgliedstaates in Anspruch

Klarstellung des BVMed zur G-BA-Liste zuarzneimittelähnlichen MedizinproduktenNach dem „Gesetz zur Änderung me-dizinprodukterechtlicher und andererVorschriften“ von 2007 hat der G-BAfür die Zeit nach dem 1. Juli 2008 ineiner Liste festgelegt, in welchen me-dizinisch notwendigen Fällen so ge-nannte „arzneimittelähnliche Medi-zinprodukte“ ausnahmsweise in dieArzneimittelversorgung einbezogenwerden können. Aus der Bekanntma-chung des Gemeinsamen Bundesaus-schuss (G-BA) vom 31. März 2009geht hervor, dass die Neufassung derArzneimittel-Richtlinie in Anhang Veine Liste über so genannte „arzneimit-telähnliche Medizinprodukte“, die zuLasten der Gesetzlichen Krankenversi-cherung verordnungsfähig sind, ent-hält. Der Bundesverband Medizintech-nologie hat kürzlich klargestellt, dasses sich bei dieser Liste nicht um einegenerelle Liste erstattungsfähiger Me-

II MPR 3/2009Fortsetzung MPR Aktuell auf Seite III

nehmen können und eine vollständigeKostenerstattung dafür erhalten.

Die Parlamentarier forderten, dass dieBehandlungskosten den Patienten biszu der Höhe zurückerstattet werden,die sie auch in ihrem eigenen Heimat-land erstattet bekämen. Desweiterensieht der Entwurf der Richtlinie vor,dass den Mitgliedstaaten ein Entschei-dungsspielraum anerkannt werdensoll, ob sie ein System zur Vorabgeneh-migung für die Rückerstattung vonKrankenhauskosten etablieren. DieAbgeordneten verlangten außerdemeine Prüfung durch die EuropäischeKommission, ob eine Verrechnungs-stelle (Clearing-Stelle) eingerichtetwerden sollte. Diese soll dem Zweckdienen, die Rückerstattung von Kostenüber Ländergrenzen, Gesundheitssys-teme und Währungszonen hinweg zuerleichtern.

dizinprodukte handle. Medizinpro-dukte wie Verbandmittel, Hilfsmitteloder Implantate seien von dieser Rege-lung vollkommen unberührt und nachwie vor uneingeschränkt erstattungsfä-hig, so die Auskunft des BVMed.

Die bisher in der Anlage 12 der Arznei-mittelrichtlinie (AMR) enthaltene Listeder verordnungsfähigen „arzneimittel-ähnlichen“ Medizinprodukte hättenaufgrund der Neuregelung zur Erstat-tung zum 1. Juli 2008 und den Be-kanntmachungen zu Missverständnis-sen geführt. Einige KassenärztlichenVereinigungen reagierten dergestalt,dass ärztlicherseits keine Medizinpro-dukte mehr verordnungsfähig sein soll-ten, es sei denn, sie stünden auf der„Ausnahmeliste“. Diese Aussage seifalsch und irreführend, erklärte derBVMed. Die Neuregelung zur Erstat-tung in § 31 SGB V beziehe sich nur

Hinsichtlich der Arzneimittelversor-gung sieht der Richtlinienentwurf dieAnerkennung von Verschreibungenvor, die in einem anderen Mitgliedstaatausgestellt wurden. Danach heißt es imRichtlinienentwurf, dass die in der Ge-meinschaft zugelassenen Arzneimittelharmonisierte Normen hinsichtlichQualität, Sicherheit und Wirksamkeiterfüllen müssen. Sofern Authentizitätund Inhalt einer Verschreibung klarsind, müsste es möglich sein, dass einevon einer zugelassenen Person in einemMitgliedstaat für einen bestimmten Pa-tienten ausgestellte Verschreibung ineinem anderen eingelöst wird.Im weiteren Verlauf wird nun die Ent-scheidung des Parlaments in der erstenLesung des Richtlinienentwurfs an denMinisterrat und die Kommission zuweiteren Beratungen übermittelt.

(Quelle: KOM(2008) 414 endg.; Ratsdok.11307/08, www.bah-bonn.de)

auf arzneimittelähnliche Medizinpro-dukte. Das seien Stoffe und Zuberei-tungen aus Stoffen wie beispielsweiseisotonische Kochsalzlösung, visko-elastische Substanzen oder Hyaluron-säure.

Zu den verordnungsfähigen Medizin-produkten gehören unter anderem fastalle Hilfsmittel (§ 33 SGB V), alle Ver-bandmittel (§ 31 Abs. 1 S. 1 SGB V),Nahtmaterialien oder medizinischeImplantate. Dieser Bereich ist nichtvon einer gesetzlichen Änderungenbezüglich der Verordnungsfähigkeitbetroffen. Der G-BA stellte im Zusam-menhang mit der Umsetzung derNeuregelung hinsichtlich der weiter-hin verordnungsfähigen VerbandmittelFolgendes klar:

„Der Versorgungsanspruch für Ver-bandmittel ist abschließend in § 31

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MPR 3/ 2009Zeitschrift für das gesamte Medizinprodukterecht 9. Jahrgang, Seiten 73�108

Herausgeber: Dr. Michael Banz, Paul Hartmann AG, Heidenheim � Peter v. Czettritz, Rechtsanwalt, München � Dr. PeterDieners, Rechtsanwalt, Düsseldorf � Wilfried Reischl, Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit,Bonn � Joachim M. Schmitt, Geschäftsführer Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), Berlin

Herausgeberbeirat: Dr. rer. nat. Ehrhard Anhalt, Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), Bonn � Maximilian Guido Broglie,Rechtsanwalt, Wiesbaden � Hans-Peter Bursig, ZVEI-Fachverband Elektromedizinische Technik, Frankfurt � Carsten Clausen, B. BraunMelsungen AG, Melsungen � Dr. med. vet. Volker Daum, B. Braun Melsungen AG, Melsungen � Dr. Holger Diener, Rechtsanwalt, VerbandForschender Arzneimittelhersteller (VFA), Berlin � Prof. Dr. med. Dr. jur. Alexander P.F. Ehlers, Rechtsanwalt, München � Dr. Christian Fitsch,Medtronic, Tolochenaz, Schweiz � Prof. Dr. Ulrich M. Gassner, Forschungsstelle für Medizinprodukterecht, Universität Augsburg � RainerHill, Rechtsanwalt, Bundesverband Medizintechnologie (BVMed), Berlin � Dr. med Christian Jäkel, Rechtsanwalt, Berlin � Dr. med. Dr. jur.Adem Koyuncu, Rechtsanwalt, Köln � Dr. Ulrich Reese, Rechtsanwalt, Düsseldorf � Dr. Axel Sander, Rechtsanwalt, Frankfurt � Prof. Dr.Jochen Taupitz, Universität Mannheim � Dr. Martin Walger, Geschäftsführer, Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH), Frankfurt �Herbert Wartensleben, Rechtsanwalt, Stolberg � Dr. Tobias Weiler, SPECTARIS, Berlin � Prof. Hans-Georg Will, Bundesministerium fürGesundheit, Bonn

Schriftleitung: Rechtsanwalt Dr. Peter Dieners � Rechtsanwältin Maria Heil � Rechtsanwältin Dr. Andrea Sandrock,alle Königsallee 59, 40215 Düsseldorf

AU FSÄTZE

Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinischePrüfung von MedizinproduktenFranziska Irmer und Rechtsanwalt Thomas Henßler

Die klinische Bewertung von Medizinprodukten bzw. dieLeistungsbewertung von In-vitro-Diagnostika dienen demdem Hersteller obliegenden Nachweis der Eignung desProduktes für den vorgesehenen (medizinischen) Verwen-dungszweck. Dieser Nachweis ist mittels klinischer Datenan Hand von Erkenntnismaterial zu führen, die gem.§ 19 Abs. 1 Nr. 1 MPG durch Zusammenstellung derderzeit verfügbaren wissenschaftlichen Literatur zu ermit-teln sind. Soweit diese Daten nicht ausreichen, die Eig-nung des Medizinproduktes zu belegen, müssen klinischePrüfungen mit dem Produkt durchgeführt werden, derengünstige wie ungünstige Prüfergebnisse in die Bewertungeinfließen müssen. Hinsichtlich der für die klinische Prü-fung zu berücksichtigenden Aspekte und des Genehmi-gungsverfahrens für die klinische Prüfung ergeben sichaus der 4. MPG-Novelle Veränderungen, die in diesemAufsatz dargestellt und den Regelungen für Arzneimittelgegenüber gestellt werden.

MPR 3/2009 73

I. Einleitung

Das Gesetz über Medizinprodukte (MPG) ist seit dem 1.Januar 1995 in Kraft und soll mit der 4. Novelle eine Neu-regelung erfahren. Die 4. Novelle dient der Umsetzung derRichtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richt-linien 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantier-bare medizinische Geräte und 93/42/EWG des Rates überMedizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über dasInverkehrbringen von Biozid-Produkten. Zahlreiche Rege-lungen wurden zum Schutz der öffentlichen Gesundheitund Sicherheit überarbeitet bzw. neu aufgenommen. Vorallem sollen die Regelungen über die klinische Bewertunggestärkt werden. Aus diesem Grund ist eine Angleichungdes neuen MPG an das Arzneimittelrecht angestrebt.

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AUFSÄTZE � Irmer/Henßler, Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten

Gemäß der Richtlinie 2007/47/EG müssen die Mitglied-staaten, damit auch Deutschland, die zur Umsetzung derRichtlinie erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvor-schriften bis zum 21.12.2008 erlassen.1 Die neuen Vor-schriften sind dann ab dem 21.03.2010 anzuwenden.2

Entsprechend veröffentlichte die Bundesregierung den Re-ferentenentwurf hinsichtlich der Änderung medizinpro-dukterechtlicher Vorschriften mit Stand vom 17.12.2008,gefolgt vom Gesetzesentwurf (BT-Drs. 172/093) vom20.02.2009.

Im Grundsatz bleibt die Struktur der für die klinische Prü-fung einschlägigen Regelungen auch nach der 4. MPG-Novelle erhalten. Die §§ 20 und 21 MPG beschreiben wei-terhin die Voraussetzungen der klinischen Prüfung vonMedizinprodukten, wobei § 20 MPG die allgemeinen Vo-raussetzungen und § 21 MPG die besonderen Vorausset-zungen festlegt. Änderungen im Rahmen der §§ 20 und 21MPG sind nur an vereinzelten Stellen vorgesehen.4 Neuaufgenommen wird das Genehmigungsverfahren bei derBundesoberbehörde (§ 22a n.F.), welches das bisherige An-zeigeverfahren (§ 20 Abs. 6 MPG a.F.) ablöst. Ergänzt wirdder § 22a MPG n.F. durch den § 22b MPG n.F. (Rück-nahme, Widerruf und Ruhen der Genehmigung) und § 22cMPG n.F. (Änderungen nach Genehmigung von klinischenPrüfungen). Das Verfahren bei der Ethikkommission wirdzukünftig einheitlich in der Regelung des § 22 MPG n.F.zusammengefasst sein.

Trotz der geplanten Novellierungen erweist sich das neueMPG gerade hinsichtlich der klinischen Prüfung mit Ein-willigungsunfähigen als weiterhin unzureichend. Fand dieUnterscheidung von gesunden und kranken Minderjähri-gen wie auch der Gruppennutzen mit der 12. Novelle indas Arzneimittelgesetz (AMG) Einzug, so lässt das neueMPG diese Aspekte auch nach der 4. Novelle vermissen.

II. Rechtliche Neuerungen der 4. MPG-Novelle zur klinischen Prüfung

1. Verfahren bei der Ethikkommission (§ 22)

Bisher darf nach § 20 Abs. 7 MPG a.F. mit einer klinischenPrüfung erst begonnen werden, wenn eine zustimmendeStellungnahme einer unabhängigen und interdisziplinär be-setzten sowie beim Bundesinstitut für Arzneimittel undMedizinprodukte (BfArm) registrierten Ethikkommissionvorliegt. Erteilt die zuständige Ethikkommission nach Ab-lauf von 60 Tagen keine zustimmende Stellungnahme, darfder Auftraggeber mit der klinischen Prüfung beginnen. DerPrüfauftrag der Ethikkommission ist nach Inhalt und Um-fang bisher in § 20 Abs. 8 MPG a.F. geregelt.

Im Zuge der 4. Novelle werden die allgemeinen organisa-torischen und fachlichen Anforderungen an die Ethikkom-mission sowie das Verfahren zusammengefasst in § 22MPG n.F. normiert werden.

Der erste Absatz der neuen Vorschrift erfasst die Beantra-gung der zustimmenden Bewertung. Der Antrag ist vomSponsor der Prüfung zu stellen. Die Ethikkommissionmuss, wie auch bisher, unabhängig agieren und interdiszip-linär besetzt sein. Jedoch soll die Bildung, Zusammenset-

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zung und Finanzierung der Ethikkommission durch Lan-desrecht vorgegeben werden. Im Hinblick auf die klinischePrüfung mit Minderjährigen wird der Ethikkommissionausdrücklich aufgegeben, im Bedarfsfall Sachverständigeheranzuziehen und Gutachten einzufordern.

Der Absatz 2 hat den Prüfauftrag der Ethikkommissionzum Inhalt und entspricht weitestgehend dem § 20 Abs. 8S. 1 MPG a.F.

Neu ist in Absatz 3 die abschließende Darstellung derGründe, wann die Ethikkommission eine zustimmende Be-wertung versagen darf. Anders als bisher existiert nachUmsetzung der 4. MPG-Novelle zukünftig keine Zustim-mungsfiktion mehr hinsichtlich der Bewertung durch dieEthikkommission nach Ablauf der Stellungnahmefrist(§ 20 Abs. 7 S. 4 MPG a.F.).

Vielmehr soll die Ethikkommission nach Absatz 4 zu einerzügigen Bearbeitung der Anträge innerhalb einer angemes-senen Frist von 60 Tagen verpflichtet werden. Insgesamtist damit eine ausdrückliche Zustimmung der Ethikkom-mission erforderlich.

2. Genehmigungsverfahren bei der Bundesoberbehörde(§ 22a)

Eine wesentliche Änderung gegenüber den bisherigen Be-stimmungen ist die in § 20 Abs. 1 S. 1 MPG n.F. formu-lierte Anforderung an eine Genehmigung der klinischenPrüfung durch die zuständige Bundesoberbehörde. Das bis-herige Anzeigeverfahren nach § 20 Abs. 6 MPG a.F., dasim Sinne einer Deregulierung und Entbürokratisierung imJahr 2007 auf die Meldung an die für den Hersteller zu-ständige Behörde beschränkt wurde5, wird gänzlich gestri-chen und durch das Genehmigungsverfahren ersetzt. Diegenauere Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens fin-det sich in § 22a MPG n.F.

In Deutschland darf zukünftig gemäß § 22a Abs. 1 MPGn.F. erst mit einer klinischen Prüfung begonnen werden,wenn neben der zustimmenden Bewertung einer Ethikkom-mission auch die zuständige Bundesoberbehörde die Prü-fung genehmigt hat. Wie nach § 22 Abs. 1 MPG n.F. mussauch nach § 22a Abs. 1 MPG n.F. der Sponsor der klini-schen Prüfung hierfür den Antrag stellen.

Der Prüfauftrag der zuständigen Bundesoberbehörde wirdzukünftig in Absatz 2 normiert. Hauptsächlich wird derAntrag des Sponsors wissenschaftlich und fachlich geprüft.

Nicht nur die zuständige Ethikkommission kann ihre zu-stimmende Bewertung in Bezug auf eine klinische Prüfungversagen, auch die zuständige Bundesoberbehörde darfeine Genehmigung versagen. Aus diesem Grund ist eine ab-schließende Aufzählung der Versagungsgründe ebenso in§ 22a Abs. 3 MPG n.F. aufgelistet. Sie entsprechen weitest-

1 Art. 4 RL 2007/47/EG.2 Art. 4 RL 2007/47/EG.3 Die folgende Analyse und Bewertung beruht auf der Beschlussempfeh-

lung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit BT-Drs. 16/13211.4 So sind Änderungen vorgesehen bei § 20 Abs. 1 S. 1 MPG a.F., § 20 Abs. 1

S. 2 Nr. 1a) MPG a.F., § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 MPG a.F., und Streichungenbei § 20 Abs. 6 bis 8 MPG a.F. und § 21 S. 1 MPG a.F.

5 Vergleiche hierzu Schorn, Medizinprodukterecht M 2 � 4/19, Rdnr. 34.

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Irmer/Henßler, Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten � AUFSÄTZE

gehend den für die Bundesoberbehörde in § 22 Abs. 3MPG n.F. normierten Versagungsgründen.

Nach § 22a Abs. 4 MPG n.F. soll in Angleichung an dasAMG die Bundesoberbehörde die Genehmigungsanträgebei Medizinprodukteprüfungen ebenfalls innerhalb von 30Tagen angemessen prüfen. Die Genehmigung gilt als erteilt,wenn die Bundesoberbehörde nicht innerhalb der 30 Ta-gesfrist nach Eingang der Unterlagen ihre Einwände demSponsor übermittelt. Mit dieser eindeutigen Zielvorgabesoll das Verfahren beschleunigt werden.

Hat die zuständige Bundesoberbehörde über einen Geneh-migungsantrag entschieden oder ist die Frist nach § 22aAbs. 4 S. 2 MPG n.F. abgelaufen, dürfen gemäß § 22aAbs. 5 MPG n.F. keine weiteren Unterlagen eingereichtwerden, die darauf abzielen, die Mängel zu beseitigen.Hierfür ist ein neuer Antrag notwendig.

Nach Absatz 6 muss die zuständige Bundesoberbehördedie zuständigen Landesbehörden und die EuropäischeKommission wie auch andere zuständige europäische Be-hörden und nach Absatz 7 die Ethikkommission informie-ren, dass klinische Prüfungen abgelehnt bzw. durchgeführtwerden. Dabei soll auf das Informationssystem des Deut-schen Instituts für medizinische Dokumentation und Infor-mation (DIMDI) zurückgegriffen werden.

3. Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Genehmigungoder der zustimmenden Bewertung (§ 22b)

Nach § 22b MPG n.F. kann zukünftig die Rücknahme, derWiderruf und das Ruhen einer erteilten Genehmigung derzuständigen Bundesoberbehörde bzw. einer zustimmendenBewertung der zuständigen Ethikkommission zu einer kli-nischen Prüfung auf Grund anfänglicher oder nachträgli-cher Mängel angeordnet werden.

Soweit nach Absatz 1 ein Versagungsgrund gemäß § 22aAbs. 3 MPG n.F. von Beginn an vorgelegen hat, muss dieerteilte Genehmigung zurückgenommen werden. Ist anzu-nehmen, dass der Sponsor die notwendigen Änderungenund Korrekturen vornehmen kann, muss lediglich das be-fristete Ruhen der Genehmigung angeordnet werden. DerBehörde bleibt hierfür kein Ermessensspielraum, da derProbandenschutz zu wahren ist. Tritt nachträglich ein Ver-sagungsgrund gemäß § 22a Abs. 3 MPG n.F. ein, ist dieGenehmigung zu widerrufen.

Nach § 22b Abs. 2 MPG n.F. wird die zuständige Bundes-oberbehörde ermächtigt, die von ihr ausgesprochene Ge-nehmigung zu einer klinischen Prüfung zu widerrufen,wenn die Gegebenheiten der klinischen Prüfung nicht mitden Angaben im Genehmigungsantrag übereinstimmen,oder wenn Tatsachen Anlass zu Zweifeln an der Unbe-denklichkeit oder der wissenschaftlichen Grundlage geben.Alternativ bleibt es der Behörde überlassen, das Ruhen desVerfahrens anzuordnen.

Vor Rücknahme, Widerruf oder Anordnung des Ruhens ei-ner Genehmigung muss dem Sponsor gemäß § 22b Abs. 3MPG n.F. die Möglichkeit gegeben werden, angehört zuwerden. Hierfür ist eine Frist von 1 Woche vorgesehen. EinWiderspruch des Sponsors hat keine aufschiebende Wir-

MPR 3/2009 75

kung. Dem Schutz der Probanden, die an der klinischenPrüfung teilnehmen, wird so Rechnung getragen.

§ 22b Abs. 4 MPG n.F. bestimmt, dass die klinische Prü-fung für den Fall, dass die Genehmigung widerrufen bzw.zurückgenommen wurde oder ruht, nicht fortgeführt wer-den darf. Das bedeutet, neue Probanden dürfen nicht be-handelt werden und bereits teilnehmende Probanden müs-sen gefahrlos aus der Studie entlassen werden. Im Bereichder Implantate führt dies zu besonderen Schwierigkeitenund Gefahren.

Nach Absatz 5 muss die zuständige Ethikkommission diezustimmende Bewertung in ähnlicher rechtlicher Weise wiedie zuständige Bundesoberbehörde im Fall des anfängli-chen oder nachträglichen Mangels zurücknehmen bzw. wi-derrufen. Die Alternative des Ruhens der zustimmendenBewertung ist hierbei nicht vorgesehen.

Absatz 6 regelt zum Schluss die durch die Richtlinie 2007/47/EG festgelegten Informationspflichten. Die Informationerfolgt über die Systeme des DIMDI.

4. Änderungen nach Genehmigung von klinischenPrüfungen (§ 22c)

§ 22c MPG n.F. stellt klar, dass Änderungen nach der Ge-nehmigung von klinischen Prüfungen angezeigt werdenmüssen.

Die allgemeine Anzeigepflicht von Änderungen der Doku-mentationen von klinischen Prüfungen wird zukünftig inAbsatz 1 geregelt. Aus ökonomischen und logistischenGründen ist es sinnvoll, die Dokumentation zentral beimBfArM oder DIMDI zu erfassen. Die Behörden können sostets auf eine vollständige und aktuelle Dokumentationvon klinischen Prüfungen zurückgreifen. Den Sponsorenbleibt es damit erlassen, allen beteiligten Landesbehördendie jeweils aktuelle Dokumentation zukommen zu lassen.

Da bei nachträglichen wesentlichen Änderungen der klini-schen Prüfung die Genehmigungspflicht und die zustim-mende Bewertung nicht umgangen werden darf, ordnetAbsatz 2 an, dass in diesem Fall eine Begutachtung derzuständigen Bundesoberbehörde notwendig ist wie aucheine Bewertung der zuständigen Ethikkommission.

Absatz 3 stellt klar, was unter wesentlichen Änderungenzu verstehen ist. Keine wesentlichen Änderungen sind z.B.Namen- und Adressänderungen, Änderungen der zuständi-gen Behörden oder der Prüfstellen oder Korrekturen vonSchreibfehlern.6

Der zuständigen Ethikkommission wird gemäß § 22cAbs. 4 MPG n.F. eine Frist von maximal 30 Tagen einge-räumt, die wesentlichen Änderungen zu bewerten. Die Hal-bierung der Frist von 60 auf 30 Tage erscheint sachgerecht,da nicht der gesamte Prüfauftrag erneut zu prüfen ist.

Im Rahmen von Absatz 5 ist die Zustimmungsfiktion derzuständigen Bundesoberbehörde bedeutsam. Falls diesenicht innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Ände-rungsantrages Einwände äußert, gilt die Zustimmung zurÄnderung der klinischen Prüfung als erteilt.

6 BT-Drs. 172/09, S. 49.

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AUFSÄTZE � Irmer/Henßler, Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten

In § 22c Abs. 6 MPG n.F. ist wie schon bei § 22b Abs. 6MPG n.F. die Information über das System des DIMDIfestgelegt.

5. Durchführung der klinischen Prüfung und Meldungenüber deren Beendigung oder Abbruch (§§ 23 und 23a)

Der § 23 MPG n.F. über die Durchführung der klinischenPrüfung entspricht bis auf die redaktionelle Anpassung„§§ 20 bis 22c“ vollständig dem § 22 MPG a.F.

Mit Umsetzung der 4. MPG-Novelle muss der Sponsor je-doch entsprechend der neu aufgenommenen Regelung des§ 23a MPG n.F. fortan, gleich ob eine klinische Prüfungunter herkömmlichen Umständen beendet wird oder aus-nahmsweise abgebrochen werden musste, dies der zustän-digen Bundesoberbehörde melden.

Absatz 1 sieht bei der Beendigung einer klinischen Prüfungfür die Meldung eine Frist von 90 Tagen vor. Der zuständi-gen Bundesoberbehörde ist es somit möglich, einen Über-blick darüber zu gewinnen, welche Prüfungen aktuelldurchgeführt werden.

Muss der Sponsor die klinische Prüfung abbrechen, beträgtdie Frist gemäß § 23a Abs. 2 MPG n.F. lediglich 15 Tage.

Ein Vergleich der medizinprodukterechtlichen Normen zur klinischen Prüfung vor und nach der 4. Novelle

MPG in der alten Fassung MPG in der neuen Fassung

Anzeigeverfahren/ Anzeige der klinischen Prü- Antrag auf Genehmigung bei der zuständigen Bundesober-Genehmigungsverfahren fung bei der zuständigen Be- behörde, § 22a

hörde, § 20 Abs. 6

Zustimmung/ Zustimmende Stellungnahme Zustimmende Bewertung einer Ethikkommission und Genehmi-Genehmigung einer unabhängigen und inter- gung durch die zuständige Bundesoberbehörde, § 20 Abs. 1,

disziplinär besetzten Ethik- § 22, § 22akommission, § 20 Abs. 7 S. 1

Stellungnahme einer Ethik- Prüfauftrag der Ethikkommis- Antrag auf zustimmende Bewertung des Sponsor bei der Ethik-kommission sion, § 20 Abs. 8 S. 1 kommission, § 22 Abs. 1

Zustimmungsfiktion nach ei- Prüfauftrag der Ethikkommission, § 22 Abs. 2ner Frist von 60 Tagen, Gründe für eine Versagung der zustimmenden Bewertung,§ 20 Abs. 7 S. 4 § 22 Abs. 3

Frist von 60 Tagen zur Entscheidung, § 22 Abs. 4

Genehmigung der Bundesober- entfällt Antrag auf Genehmigung des Sponsors bei der zuständigen Bun-behörde desoberbehörde, § 22a Abs. 1

Prüfauftrag der zuständigen Bundesoberbehörde, § 22a Abs. 2

Gründe für eine Versagung der Genehmigung, § 22a Abs. 3

Fiktion der Genehmigung und der Versagung, § 22a Abs. 4

Ausschluss der Korrektur des Antrags auf Genehmigung,§ 22a Abs. 5

Information der zuständigen Stellen bei Ablehnung einer Geneh-migung, § 22a Abs. 6

Information der zuständigen Ethikkommission, § 22a Abs. 7

Rücknahme, Widerruf und entfällt Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Genehmigung hinsicht-Ruhen der Genehmigung lich § 22a, § 22b Abs. 1

Widerruf und Ruhen der Genehmigung wegen falscher Anga-ben, Zweifeln an Unbedenklichkeit oder an der wissenschaft-lichen Grundlage, § 22b Abs. 2

Anhörung des Sponsors, § 22b Abs. 3

Einstellung der klinischen Prüfung bei Rücknahme, Widerrufund Ruhen der Genehmigung, § 22b Abs. 4

76 MPR 3/2009

Nach Absatz 3 muss der Sponsor sowohl nach Beendigungals auch nach Abbruch der klinischen Prüfung den Schluss-bericht innerhalb von 12 Monaten bei der zuständigenBundesoberbehörde einreichen.7 Die Schlussberichte solleneuropaweit gesammelt werden, um so eine nationale undeuropäische Datenbank über erfolgte klinische Prüfungenaufzubauen. Diese Datenbank als Informationsquelle sollz.B. bei späteren behördlichen Entscheidungen helfen oderder medizinischen Fachwelt bei der Entwicklung von neuenProdukten und der Vorbereitung von klinischen Prüfun-gen dienen.8

Im Falle des Abbruchs einer klinischen Prüfung muss diezuständige Bundesoberbehörde nach § 23a Abs. 4 MPGn.F. parallel zu den Bestimmungen der §§ 22c Abs. 6, 22bAbs. 6 MPG n.F. die Information über das System desDIMDI weiterleiten.

6. Ausnahmen zur klinischen Prüfung (§ 23b)Auch der § 23b MPG n.F. erhält lediglich eine redaktio-nelle Anpassung mit „§§ 20 bis 23a“ und entspricht imÜbrigen der bisherigen Ausnahmenfestlegung des § 23MPG a.F., der auf die Berechtigung zur Anbringung einesCE-Kennzeichens nach den Regelungen der §§ 6 und 10des MPG verweist.

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Irmer/Henßler, Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten � AUFSÄTZE

MPG in der alten Fassung MPG in der neuen Fassung

Rücknahme, Widerruf und Ruhen der zustimmenden Bewer-tung durch die Ethikkommission, § 22b Abs. 5

Information der zuständigen Stellen bei Rücknahme, Widerrufund Ruhen, § 22b Abs. 6

Änderungen nach der entfällt Anzeige einer geänderten Dokumentation einer klinischenGenehmigung von klinischen Prüfung gegenüber der zuständigen Bundesoberbehörde,Prüfungen § 22c Abs. 1

Antrag auf Begutachtung durch die zuständige Bundesoberbe-hörde und Bewertung durch die zuständige Ethikkommission,§ 22c Abs. 2

Beispiele für wesentliche Änderungen, § 22c Abs. 3

Frist zur Stellungnahme von 30 Tagen für die zuständige Ethik-kommission, § 22c Abs. 4

Voraussetzung der Weiterführung einer klinischen Prüfung,§ 22c Abs. 5

Information der zuständigen Stellen bei wesentlichen Änderun-gen, § 22c Abs. 6

Durchführung der klinischen Auflistung der Bestimmungen; Auflistung der Bestimmungen, unter denen klinische PrüfungenPrüfung unter denen klinische Prüfun- zu aktiven implantierbaren Medizinprodukten durchgeführt wer-

gen zu aktiven implantierba- den dürfen, § 23ren Medizinprodukten durch-geführt werden dürfen, § 22

Meldung über Beendigung entfällt Beendigung einer klinischen Prüfung, § 23a Abs. 1oder Abbruch von klinischen Abbruch einer klinischen Prüfung, § 23a Abs. 2Prüfungen Schlussbericht einreichen, § 23a Abs. 3

Information der zuständigen Stellen bei Abbruch einer klini-schen Prüfung, § 23a Abs. 4

Ausnahmen zur klinischen Ausnahmen zur klinischen Ausnahmen zur klinischen Prüfung, § 23bPrüfung Prüfung, § 23

III. Entwicklungschancen des MPGDie Regelungen des MPG über die Durchführung klini-scher Prüfungen sind denen des Arzneimittelgesetzes(AMG) weitgehend nachempfunden. Beide wurden vomNürnberger Kodex und auch von der revidierten Deklara-tion von Helsinki der Struktur und dem Inhalt nach we-sentlich mitgeprägt. Wünschenswert ist dennoch eineweitergehende Angleichung der beiden Gesetze. Vor allemhinsichtlich der klinischen Prüfung mit Einwilligungsunfä-higen unterscheiden sich das AMG und das MPG in we-sentlichen Punkten. Insgesamt ist die Gesetzeslage zur kli-nischen Forschung mit Menschen in Deutschland derzeituneinheitlich.9

Das AMG unterscheidet zwischen gesunden und krankenMinderjährigen wie auch volljährigen Einwilligungsunfähi-gen. Hingegen kennt das MPG lediglich Minderjährige undvolljährige Einwilligungsunfähige, eine weitergehende Un-terscheidung nimmt das MPG nicht vor. Das Merkmal desGruppennutzens ist ein weiterer Aspekt, der die notwen-dige Anpassung des MPG an das AMG deutlich macht.Seit der 12. AMG-Novelle ist neben der individualnützigenauch die gruppennützige Forschung an kranken Minder-jährigen zulässig.10 Das bedeutet, dass das Kind zumindestder an einer bestimmten Krankheit leidenden Personen-gruppe angehören muss, für die das Arzneimittel einenVorteil erwarten lässt. Die gesetzlichen Anforderungen andie Entwicklung neuer Arzneimittel für Kinder wurden da-

MPR 3/2009 77

mit erleichtert. Gruppennützigkeit ist im MPG aber nachwie vor weder bei erwachsenen noch bei minderjährigenEinwilligungsunfähigen erlaubt. Im Anschluss an die 12.AMG-Novelle wäre es aus Einheitlichkeitsgesichtspunktenzweckmäßig gewesen, auch im Rahmen des MPG den As-pekt des Gruppennutzens zu berücksichtigen.

Der Probandenschutz sollte bei der klinischen Prüfung stetsin vollem Umfang Beachtung finden. Aus diesem Grundwäre es von Vorteil, bestimmte Regelungen des AMG aufdas MPG zu übertragen. Hierzu zählt zum einen, dass dieForschung auch im MPG für die betroffene Person nur miteinem minimalen Risiko und einer minimalen Belastungverbunden sein sollte11 bzw. mit möglichst geringen Belas-tungen und sonstigen vorhersehbaren Risiken12. Zum an-deren ist im MPG lediglich für Minderjährige ausdrücklichals notwenige Voraussetzung gefordert, dass die klinische

7 Schlussbericht erforderlich gemäß Richtlinie 93/42/EG Anhang X Ab-schnitt 2.3.7. und Richtlinie 90/385/EWG Anhang 7 Abschnitt 2.3.7.

8 BT-Drs. 172/09, S. 49.9 Außerhalb des Anwendungsbereichs der spezialgesetzlichen Normen

� AMG, MPG, StrlSchV und RöV � fehlt es an Rechtssicherheit, weilheftig umstritten ist, wie Forschung mit Menschen zu bewerten ist.Dies betrifft etwa die Erprobung neuartiger Operationsmethoden oderBehandlungstechniken, aber auch Anwendungsbeobachtungen undBeobachtungsstudien zu bereits eingeführten und zugelassenen Arz-neimitteln.

10 § 41 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a) AMG.11 § 41 Abs. 2 d) AMG.12 § 40 Abs. 4 Nr. 4, § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG.

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AUFSÄTZE � Irmer/Henßler, Die Auswirkungen der 4. MPG-Novelle auf die klinische Prüfung von Medizinprodukten

Prüfung an Erwachsenen keine ausreichenden Prüfergeb-nisse erwarten lassen13. Eine ähnliche Regelung für er-wachsene Nichteinwilligungsfähige wäre für deren Schutzebenfalls angebracht. Das AMG schützt bereits erwachseneNichteinwilligungsfähige, indem es regelt, dass klinischePrüfungen an einwilligungsfähigen Erwachsenen und an-dere Forschungsmethoden keine Forschungsalternativedarstellen dürfen14. Das Verbot des finanziellen oder sons-tigen Anreizes15 für klinische Prüfungen mit Nichteinwilli-gungsfähigen wäre ein weiterer Punkt, der zu einem erhöh-ten Probandenschutz führen kann. Darüber hinaus solltedie Möglichkeit der Ablehnung einer klinischen Prüfung

Überblick über die gesetzlichen Unterschiede bei der klinischen Prüfung mit Nichteinwilligungsfähigen zwischen AMG und MPG

AMG MPG in der neuen Fassung

Unterschiedliche Perso- Unterscheidung von gesunden/kranken Minderjährigen und voll- Unterscheidung von Minderjährigennengruppen jährigen Einwilligungsunfähigen und volljährigen Einwilligungsunfä-

higen

Gruppennutzen Gruppennutzen für kranke Minderjährige entfällt

§ 41 Abs. 2 Nr. 2 a) Regelung im MPG wäre von Vorteil

Charakter der Gruppe Gruppe der Patienten leidet unter der gleichen Krankheit wie entfälltMinderjähriger Regelung im MPG wäre von Vorteil§ 41 Abs. 2 Nr. 2 a)

Risiken und Belastungen Möglichst wenige Belastungen und andere vorhersehbare Risi- entfälltken bei gesunden Minderjährigen und einwilligungsunfähigen Regelung im MPG wäre von VorteilErwachsenen

§ 40 Abs. 4 Nr. 4

§ 41 Abs. 3 Nr. 1

Minimales Risiko und minimale Belastung bei kranken Minder- Regelung im MPG wäre von Vorteiljährigen

§ 41 Abs. 2 d)

Definition dessen

§ 41 Abs. 2 d)

Alternative Forschungs- Bei gesunden Minderjährigen und einwilligungsunfähigen Er- Bei Minderjährigen darf klinischemöglichkeiten wachsenen dürfen klinische Prüfungen an (einwilligungsfähigen) Prüfung an Erwachsenen keine For-

Erwachsenen und andere Forschungsmethoden keine For- schungsalternative seinschungsalternative sein § 20 Abs. 4 Nr. 3§ 40 Abs. 4 Nr. 2 Einwilligungsunfähige Erwachsene

sind nicht geregelt§ 41 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 2Regelung im MPG wäre von VorteilGilt wohl auch für kranke Minderjährige

§ 41 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 2

Bei kranken Minderjährigen und einwilligungsunfähigen Er-wachsenen muss die Forschung zur Bestätigung von Daten unbe-dingt erforderlich sein

§ 41 Abs. 2 Nr. 2b)

§ 41 Abs. 3 Nr. 3

Anreize Keine Vorteile mit Ausnahme einer angemessenen Entschädi- entfälltgung Regelung im MPG wäre von Vorteil§ 40 Abs. 4 Nr. 5

§ 41 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 5

§ 41 Abs. 3 Nr. 4

Ablehnung durch den Lehnt der Minderjährige oder der einwilligungsunfähige Erwach- entfälltProbanden sene die klinische Forschung ab, muss dies beachtet werden Regelung im MPG wäre von Vorteil

§ 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3

§ 41 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3

§ 41 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3

78 MPR 3/2009

durch den Nichteinwilligungsfähigen im MPG gesetzlichgeregelt werden. Das AMG sieht bereits vor, dass die Ab-lehnung eines Nichteinwilligungsfähigen zwingend beach-tet werden muss16. Ob er sie ausdrücklich erklärt oder insonstiger Weise zum Ausdruck bringt, ist hierbei ohne Be-deutung17. Nicht zuletzt sollte die Aufklärung, welche je-

13 § 20 Abs. 4 Nr. 3 MPG.14 § 41 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 4 Nr. 2 AMG.15 § 40 Abs. 4 Nr. 5, § 41 Abs. 2 i. V. m. § 40 Abs. 4 Nr. 5, § 41 Abs. 3 AMG.16 § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3 AMG.17 § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3 AMG.

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Heinemann/Maiwald, Wirtschaftlichkeit � quo vadis secundum leges? � AUFSÄTZE

AMG MPG in der neuen Fassung

Ablehnung: Erklären oder in sonstiger Weise zum Ausdruck bringen entfällt

Art und Weise § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3 Regelung im MPG wäre von Vorteil

§ 41 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3

§ 41 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3

Aufklärung Minderjähriger wird über Prüfung, Risiken und Nutzen von ei- Aufklärung des Minderjährigennem Prüfer aufgeklärt, der mit Minderjährigen Erfahrung hat § 20 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2Wei-§ 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3 tergehende Regelung im MPG wäre

von Vorteil§ 41 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3Aufklärung des einwilligungs-Einwilligungsunfähiger Erwachsener wird über Prüfung, Risi-

ken und Nutzen von einem Prüfer aufgeklärt, der mit dieser Pro- unfähigen Erwachsenenbandengruppe Erfahrung hat § 21 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2§ 41 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3 Weitergehende Regelung im MPG

wäre von Vorteil

Widerruf Jederzeit Jederzeit

§ 40 Abs. 2 S. 1 § 20 Abs. 2 S. 2

§ 21 Nr. 3 i.V.m. § 20 Abs. 2 S. 2

Schriftlich oder mündlich Keine Regelung über die Art undWeise§ 40 Abs. 2 S. 3Regelung im MPG wäre von Vorteil

der klinischen Prüfung grundsätzlich vorangehen muss, ge-rade bei Nichteinwilligungsfähigen durch speziell ausgebil-dete und mit der jeweiligen Personengruppe erfahrene Prü-fer erfolgen18, um so auf die Eigenheiten der betreffendenPerson besser eingehen zu können. Im MPG ist bisher eineAufklärung lediglich allgemein geregelt.

IV. ZusammenfassungDie rechtlichen Anforderungen an die klinische Prüfungmit Medizinprodukten werden durch die 4. MPG-Novelleverschärft und wesentlich konkretisiert. Vor allem sind derInformationsaustausch und die Zusammenarbeit auf natio-naler und internationaler Ebene gestärkt. Die Genehmi-gung der klinischen Prüfung wird zentral durch das BfArMerfolgen, um so die bisher teilweise auftretenden Fragenhinsichtlich der Zuständigkeit auszuräumen. Das Medizin-produkterecht soll zukünftig bundeseinheitlich ausgelegt

Wirtschaftlichkeit � quo vadis secundum leges?Müssen Hersteller von Medizinprodukten eine zusätzliche Kontrolle durch das IQWiG befürchten?Rechtsanwältin Antje-Katrin Heinemann und Gerrit Alexander Maiwald*

Nicht erst seit Beginn der momentanen Wirtschaftskrise istdie Wirtschaftlichkeit ein viel diskutiertes Thema im Ge-sundheitswesen. Mit Einführung des § 35b SGB V hat dieWirtschaftlichkeit in Form einer Kosten-Nutzen-Bewer-tung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeitim Gesundheitswesen (IQWiG) für die Hersteller von Arz-neimitteln wieder an Brisanz gewonnen. Hersteller vonMedizinprodukten1, die sich vor einer derartigen Bewer-tung ihrer Produkte gesichert sahen, müssen sich durch die

MPR 3/2009 79

werden. Vor allem ist es das Ziel, der unterschiedlichenlandesrechtlichen Bewertung entgegenzuwirken und somitSicherheit bei der einheitlichen Anwendung des MPG zuschaffen. Obwohl das MPG durch die 4. Novelle an diegrundsätzlichen und formalen Anforderungen von klini-schen Prüfungen bei Arzneimitteln angepasst wird, gibt eszahlreiche Punkte, die im Lichte des Probandenschutzes er-gänzungswürdig sind.

18 § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3, § 41 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 40 Abs. 4 Nr. 3 S. 3 AMG.

Anschrift der Verfasser:Rechtsanwalt Thomas HenßlerLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbHGänsemarkt 4520354 HamburgFranziska IrmerLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbHSophienstraße 530159 Hannover �

aktuellen Entwicklungen vielleicht bald eines Besseren be-lehren lassen.

� Frau Antje-Katrin Heinemann ist Rechtsanwältin in München. GerritAlexander Maiwald ist Student der Rechtswissenschaften an der Phi-lipps-Universität Marburg.

1 Folgend zumindest bezogen auf Medizinprodukte im Sinne des § 31Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V und im Weiteren auf die durch eine Bewer-tung des MDS betroffenen Produkte.

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AUFSÄTZE � Heinemann/Maiwald, Wirtschaftlichkeit � quo vadis secundum leges?

Die Wirtschaftlichkeit ist tatsächlich nicht nur irgendeinThema des Gesundheitswesens, sie erscheint als das zent-rale Thema des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Sowird nicht nur in § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V untersagt, un-wirtschaftliche Leistungen als Patient zu fordern, als Leis-tungserbringer zu bewirken oder als Krankenkasse zu be-willigen, in § 2 Abs. 1 Satz 1 sowie § 4 Abs. 4 Satz 1 SGB Vwerden die Krankenkassen ebenfalls explizit darauf hinge-wiesen, dass sie das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachtenhaben. Die Nichtbeachtung dieser Bestimmungen bleibtnicht sanktionslos, der Gesetzgeber nimmt das Thema alsoernst. Dabei ist die Wirtschaftlichkeit ein weites Feld �und doch geht es immer nur um eines, nämlich eine be-stimmte Leistung mit möglichst geringem Mitteleinsatz zuerreichen. Für die gesetzlichen Krankenkassen bedeutetdies, genauestens darauf zu achten, dass die Genesung er-krankter Mitglieder sicher erreicht wird, dafür jedoch nursolche Mittel verwendet werden, die der Genesung ausrei-chend nutzen, dabei aber möglichst minimale Kosten ver-ursachen. Abzuschätzen ist die Wirtschaftlichkeit einerTherapiemethode also anhand einer Kosten-Nutzen-Be-wertung und bei genau dieser soll das IQWiG den Gemein-samen Bundesausschuss (G-BA) und damit auch die Kran-kenkassen gemäß § 35b SGB V zumindest bezüglich Arz-neimitteln unterstützen.

In der reinen Nutzenbewertung für Arzneimittel ist das2004 gegründete IQWiG mittlerweile routiniert, eine Um-stellung der Methodik auf eine Kosten-Nutzen-Bewertungsorgt nun jedoch schon seit längerem für Diskussionen.

I. Mehr Wirtschaftlichkeit fürMedizinprodukte

Um den zusätzlichen Anforderungen der Umstellung ge-recht zu werden, sucht das IQWiG, lobenswerterweise un-ter öffentlicher Diskussionsbeteiligung, weiterhin nach ei-nem angemessenen Bewertungsverfahren. Am 18.03.2009veröffentlichte es seinen aktuellen „Entwurf einer Metho-dik für die Bewertung von Verhältnissen zwischen Nutzenund Kosten im System der deutschen gesetzlichen Kranken-versicherung � Version 2.0“.2

Diesem voran gingen schon im Jahre 2008 viel diskutierteEntwürfe, wobei auffällt, dass im Titel keine Einschrän-kung auf Arzneimittel erfolgt. Folgerichtig wurden aufdiese der Bundesverband Medizintechnologie e.V.(BVMed) sowie der Medizinische Dienst des Spitzenver-bandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) unlängst auf-merksam. Während der BVMed in die Diskussion um dieMethodenentwürfe mit der Begründung einstieg, er haltees für denkbar, dass auch Medizinprodukte Gegenstandder vom IQWiG durchgeführten Kosten-Nutzen-Analysewerden, [zumindest] als Vergleichstherapie für eine zu un-tersuchende pharmazeutische Therapie3, ging der MDS be-reits einen Schritt weiter und kündigte an, „diesen Metho-denvorschlag auch zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Me-dizinprodukten bzw. von Methoden, die maßgeblich vonMedizinprodukten abhängen, einzusetzen“.4

Rechtlich ist das Engagement von BVMed und MDS nichtganz unbegründet. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m.

80 MPR 3/2009

§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ist der G-BA berechtigt,aber auch verpflichtet, Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1oder 2 Medizinproduktegesetz (MPG) auf Antrag in medi-zinisch notwendigen Fällen in die Arzneimittelversorgungeinzubinden. Dies bedeutet die Möglichkeit der Aufnahmebestimmter Medizinprodukte in die Anlage 12 der Arznei-mittelrichtlinien (AMR), womit diese Produkte erstat-tungsfähig werden. Wie oben dargelegt sieht das Wirt-schaftlichkeitsgebot unter Androhung von Sanktionen abernur die Erstattung wirtschaftlicher Leistungen durch diegesetzlichen Krankenkassen vor. Schon dies würde eine Be-wertung der Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmethodenmit Medizinprodukten vor Aufnahme dieser in die Anlage12 rechtfertigen, denn nur dann ließe sich das Gebot derWirtschaftlichkeit von Anfang an einhalten. Da Nutzenbringende Gesundheitstechnologien gemäß den §§ 12 und27 SGB V jedoch nicht lediglich aus Kostengründen denVersicherten vorenthalten werden dürfen, werden innova-tive Techniken zunächst jedenfalls noch übernommen. Fürdie Krankenkassen macht das Wirtschaftlichkeitsgebot imAnschluss daran aber eine fortlaufende Kontrolle zwin-gend erforderlich.

Der G-BA kann gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Er-bringung und Verordnung von Lei- stungen, deren Wirt-schaftlichkeit nicht nachgewiesen ist, einschränken oderausschließen. Von wirklich innovativen Produkten abgese-hen erscheint daher erstaunlich, dass bei nachträglicherKontrolle dem G-BA die Möglichkeit des Ausschlusses vonder Erstattungsfähigkeit offen steht, für die vorherige Auf-nahme in Anlage 12 dennoch bisher nur der Nutzen desProdukts nachzuweisen ist. Für eine zusätzliche Kostenein-schränkung und mehr (Rechts)Sicherheit bei der Wahrungdes Wirtschaftlichkeitsgebots für die Krankenkassen er-scheint eine weitere Regelung zur Überprüfung der Wirt-schaftlichkeit im Gesundheitswesen erforderlich und einezwingende Kosten-Nutzen-Bewertung vor Aufnahme inAnlage 12 für den Gesetzgeber ein gangbarer Weg dazu.

Dass Medizinprodukte sich für eine Aufnahme in Anlage12 bisher nur einer reinen Nutzenkontrolle unterziehenmüssen, könnte damit zu begründen versucht werden, dassein so umfangreicher Markt wie der Generika-Markt beiden Arzneimitteln, für Medizinprodukte noch nicht be-steht.5 Da aus diesem Grund ein zur Kosten-Nutzen-Be-wertung erforderlicher Vergleichsmaßstab ohnehin fehle,könne jedes neue Produkt hier (pauschal) als Nutzen brin-gend einzustufen und damit zunächst erstattungsfähig sein.Doch der Markt von medizintechnischen Entwicklungenwächst rasant, was nicht zuletzt wiederum mit den stetenund berechtigten Bemühungen, innovativen Produkten den

2 Einzusehen unter: http://www.iqwig.de/download/09�03-18�Metho-den�Kosten-Nutzen-Bewertung�Version�2�0.pdf � siehe: www.iq-wig.de

3 Stellungnahme des Bundesverbandes Medizintechnologie e. V.(BVMed) zur „Methodik für die Bewertung von Verhältnissen zwischenNutzen und Kosten im System der deutschen gesetzlichen Krankenver-sicherung“ � Einzusehen unter: http://www.vfa.de/de/politik/aktu-ellpo/stellungnahmen-iqwig-methodenentwurf.html/stellungnahme-iqwig-methodenentwurf-bvmed.pdf � siehe: www.vfa.de

4 Einzusehen unter: http://www.mds-ev.de/Kosten�Nutzen�Bewertung.htm � siehe: www.mds-ev.de

5 Heil, Maria/Stallberg, Dr. Christian in MPR 2008, 116, 121.

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Heinemann/Maiwald, Wirtschaftlichkeit � quo vadis secundum leges? � AUFSÄTZE

Markteinstieg zu erleichtern6, zusammenhängt. Die Tageeiner solchen Argumentation für eine reine Nutzenbewer-tung scheinen also gezählt. Sie verlieren zumindest im Ver-gleich zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichts-punkten für den Gesetzgeber zunehmend an Bedeutung.

Auch die Argumentation, eine Beauftragung des IQWiGdurch den G-BA zur Kosten-Nutzen-Bewertung eines Me-dizinprodukts sei rein rechtlich nicht vorgesehen, muss kei-nen Bestand haben, denn nach wie vor ist das Wirtschaft-lichkeitsgebot zentrales Thema des SGB V und die Mög-lichkeit zur Aufnahme von Medizinprodukten in dieAnlage 12 der AMR wurde erst kürzlich eingefügt. Esbleibt dabei, dass die Pflicht zur Beachtung des Wirtschaft-lichkeitsgebotes für alle erbrachten Leistungen im Gesund-heitswesen besteht. Daher verwundert es, dass der Gesetz-geber, wenn er die Einbeziehung bestimmter Medizinpro-dukte in die Arzneimittelversorgung schon nach demWortlaut nur „in medizinisch notwendigen Fällen aus-nahmsweise“ ermöglicht, diese durch die strikte Anwen-dung des § 35b Abs. 1 Satz 2 SGB V nur gegenüber Arznei-mitteln zunächst besser stellt. Eine weitere Angleichung derBestimmungen zu Medizinprodukten an solche für Arznei-mittel und die Verschärfung der Aufnahmekriterien für An-lage 12 der AMR erscheinen daher nicht unwahrscheinlichund mahnen besonders die Hersteller von durch § 31Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V neu erfassten Medizinproduktendazu, dem Bespiel des BVMed und MDS zu folgen und dieEntwürfe des IQWiG zur Kosten-Nutzen-Bewertung auchaus rechtlichen Aspekten im Auge zu behalten.

II. Der Entwurf im rechtlichen ÜberblickWie eingangs erwähnt, ist die Wirtschaftlichkeit ein weitesFeld, wobei sich die Kosten-Nutzen-Bewertung als ganzwesentlicher Teil der Wirtschaftlichkeitsprüfung sehr kom-plex gestaltet. So führt das IQWiG in seinem aktuellen Me-thodikentwurf auf siebenundvierzig Seiten aus, wie zu-künftig eine Kosten-Nutzen-Bewertung ablaufen könnte.Zur Vereinfachung wurde eine allgemeinverständlicheKurzfassung online zur Verfügung gestellt, um eine umfas-sende öffentliche Beteiligung an der Diskussion um denEntwurf zu ermöglichen.7

Eckpunkte des Methodikentwurfs sind zum einen eine Me-thode zur „Analyse der Effizienzgrenze“, zum anderen eineMethode zur „Ausgaben-Einfluss-Analyse“ (Budget-Im-pact-Analyse).8 Diese Methoden sind überwiegend allge-mein gefasst und auf generelle Leistungen des Gesundheits-wesens bezogen. Schon dem Wortlaut nach scheinen siealso zunächst durchaus auf Medizinprodukte oder zumin-dest auf vom Einsatz von Medizinprodukten abhängigeTherapiemethoden anwendbar.

Zu beachten ist dabei, dass zu Beginn der Kosten-Nutzen-Bewertung nach wie vor zunächst die Feststellung einesNutzens erforderlich ist. Dieser ist für das IQWiG aus Sichtder Patienten zu bewerten und wird im direkten Vergleichzu � für die Krankheitssymptomatik bereits bestehenden �Therapiemethoden ermittelt, was dem Prinzip der evidenz-basierten Medizin entspricht.9 Ist die zu bewertende Thera-piemethode im Vergleich zu bestehenden Methoden im

MPR 3/2009 81

Nutzen unterlegen, kann hier schon das Ende der Bewer-tung erreicht, ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis vomIQWiG abzulehnen sein. Dies gilt selbst dann, wenn die zubewertende Methode deutlich preiswerter als die bestehen-den ist.

Diese Bewertung ist rechtlich zumindest mit Vorsicht zubetrachten, kommt doch der wesentliche Nutzen eines Me-dizinprodukts häufig dem Patienten bezüglich seinerKrankheitssymptome nicht unmittelbar zugute, sondernnur mittelbar. So mag sich die Anwendung einer neuen Me-dizintechnik nicht wesentlich beschleunigend auf den Ge-nesungsverlauf auswirken und doch für das Klinikpersonaldie Behandlung erleichtern oder postoperative Gefahrenverringern. Solche Aspekte verdienten bei der Anwendungder Methoden der zuständigen Stellen auf Medizinpro-dukte Beachtung und eine diesbezügliche rechtliche Über-prüfung. Erst nach Feststellung des Nutzens, also einerÜberlegenheit der Behandlung mit einem bestimmten Pro-dukt gegenüber der mit anderen, schließt sich für dasIQWiG die Kosten-Nutzen-Bewertung mit der ökonomi-schen Einstufung des Vorteils an.

Da dem IQWiG für die zur Erstellung der Bewertung erfor-derlichen Studien nur ein schmales Zeitfenster zur Verfü-gung steht10, lassen sich in der ökonomischen BewertungErgebnisse meist nur durch Modellberechnungen errei-chen.11 Diese können bei aller gebotenen Genauigkeit na-türlich von, unter den Umständen der täglichen klinischenoder ärztlichen Praxis erreichten, Ergebnissen abweichenund so eine nachträgliche Überprüfung erforderlich ma-chen.

Um den Nutzen der zu bewertenden Therapiemethode inein Verhältnis zu ihren Kosten zu setzen, bedient sich dasIQWiG der „Analyse der Effizienzgrenze“.12 Diese ver-deutlicht im Grunde das Verhältnis „Nutzen pro Euro“ imVergleich zu anderen, für die Krankheitssymptomatik zurVerfügung stehenden Methoden. Dafür stelle man sich einKoordinatensystem vor, dessen X-Achse den Preis und des-sen Y-Achse den Nutzen verkörpern. Ermittelt man nunfür jede zum Vergleich zur Verfügung stehende Therapie-methode den Schnittpunkt zwischen Nutzen und Preis,lässt sich optisch schon ein Verhältnis zwischen den einzel-nen Methoden erkennen. Je höher ein Punkt im Koordina-tensystem liegt, desto nützlicher ist die dazugehörige Me-

6 Vereinbarung zu § 6 Absatz 2 Satz 3 KHEntgG � Neue Untersuchungs-und Behandlungsmethoden � (N U B); Anfragen nach § 6 Abs. 2KHEntgG (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) für 2009� siehe: www.g-drg.de

7 Einzusehen unter: http://www.iqwig.de/download/090318�Allgemeinverstaendliche�Zusammenfassung�Kosten�und�Nutzen�in�der�

Medizin�V2.pdf � siehe: www.iqwig.de8 Die Analyse von „Effizienzgrenzen“: Ein Vorschlag zur Bewertung von

Verhältnissen zwischen Kosten und Nutzen einer medizinischen Inter-vention Version 2.0, Seite 3 � siehe: www.iqwig.de

9 Wie zuvor, Seite 610 Über den Antrag zur Aufnahme in Anlage 12 muss binnen 90 Tagen

durch den G-BA entschieden werden, siehe § 34 Abs. 6 Satz 4.11 Die Analyse von „Effizienzgrenzen“: Ein Vorschlag zur Bewertung von

Verhältnissen zwischen Kosten und Nutzen einer medizinischen Inter-vention Version 2.0, Seite 9 � siehe: www.iqwig.de

12 Entwurf einer Methodik für die Bewertung von Verhältnissen zwischenNutzen und Kosten im System der deutschen gesetzlichen Krankenver-sicherung Version 2.0(lange Fassung), Seite 44ff. siehe: www.iqwig.de

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AUFSÄTZE � Heinemann/Maiwald, Wirtschaftlichkeit � quo vadis secundum leges?

thode, je weiter außen er liegt, desto teurer ist sie. Wandertman nun für die bewehrten Methoden die Kostenachse ent-lang und beachtet dabei nur die Punkte, die pro Kosten-stufe den höchsten Nutzen erbringen und diese auch nur,wenn ihr Nutzen den eines jeden vorherigen Punktes über-steigt, lässt sich von „Null“ kommend in Verbindung die-ser Punkte eine steigende Linie knüpfen. Diese stellt für dasIQWiG die Effizienzgrenze dar. Zu ihr lässt sich eine neuzu bewertende Methode in Verhältnis setzen. Liegt derSchnittpunkt zwischen Kosten und Nutzen der Methodehöher als die Effizienzgrenze und näher zur Y-Achse als ihräußerster Punkt, stellt sie sich als nützlicher, obwohl weni-ger kostenintensiv dar, liegt der Schnittpunkt weiter vonder Y-Achse entfernt und unterhalb der Effizienzgrenze, istdie Methode entsprechend unnütz bei hohen Kosten. Be-sondere Beachtung verdient diese Betrachtungsweise, wennder Schnittpunkt höher als die Effizienzgrenze, aber auchweiter von der Y-Achse entfernt liegt, die zu bewertendeTherapiemethode also größeren Nutzen als die Vergleichs-methoden bietet, dafür aber auch höhere Kosten verur-sacht. Dass dies beim Einsatz innovativer Medizinproduktehäufig gegeben ist, liegt auf der Hand.

Für diesen Fall schlägt das IQWiG die Ausgaben-Einfluss-Analyse vor.13 Dabei wird die auf einzelne Patienten bezo-gene Kosten-Nutzen-Bewertung auf die Gesamtzahl derPatienten mit derselben Erkrankung hochgerechnet, um diefinanziellen Konsequenzen der Einführung einer bestimm-ten Innovation abschätzen zu können.

Die Frage hierbei lautet: Was ist ein Zusatznutzen„wert“?14 Dabei ist zum einen Vorsicht insofern geboten,dass es zu keinem wertenden Vergleich zwischen verschie-denen Krankheiten kommt15, zum anderen, das räumtauch das IQWiG ein, wird in eine solche Form der Kosten-Nutzen-Bewertung auch immer ein Werturteil einfließenmüssen. Das IQWiG mutet sich nicht an, dieses Werturteilselbst zu treffen, fest steht jedoch, dass jedes Werturteil im-mer Rechtsunsicherheit bedeutet, so wie es zu jeder Mei-nung stets eine Gegenmeinung geben wird. Ob die Heran-ziehung der Öffentlichkeit zur Diskussion um den Metho-denentwurf zur Beseitigung dieser Unsicherheit genügt,wird sich erst noch zeigen müssen.

III. Abschließende BetrachtungEs ist nicht auszuschließen, dass eine Kosten-Nutzen-Be-wertung in der Art, wie sie das IQWiG jetzt zur Diskussionbereit stellt, zukünftig auch für Medizinprodukte, die dieAufnahme in Anlage 12 der AMR anstreben, zur Voraus-

82 MPR 3/2009

setzung wird. Insofern lässt schon die allumfassende Stel-lung des Wirtschaftlichkeitsgebots, die eine stete Anpas-sung neuer Normen des SGB V notwendig macht, daraufschließen, dass mit neuen Regelungen zu rechnen ist. Derstetig wachsende Bedarf an weiteren Einsparungsmaßnah-men und der daraus resultierende Druck auf den Gesetzge-ber tun ein Übriges dazu. Eine Anwendung der auf Arznei-mittel bezogenen Methodik eins zu eins auf Medizinpro-dukte, wie das MDS sie in seine Überlegungen einbezogenhat, erscheint dagegen nicht ohne weiteres möglich undrechtlich zweifelhaft.

Für den Fall, dass der G-BA zukünftig auch bei seiner Ent-scheidung über die Aufnahme eines Medizinprodukts inAnlage 12 der AMR eine Kosten-Nutzen-Bewertung durchdas IQWiG zu Rate zieht, steht der Antragsteller jedochrechtlich nicht mittellos da. Lehnt der G-BA unter Bezug-nahme auf die Bewertung des IQWiG die Aufnahme desProdukts ab oder schränkt sie ein, steht dem Antragstellerbei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen dasRechtsmittel der Verpflichtungklage zur Verfügung. Diesewürde sodann auch auf Fehler in der Kosten-Nutzen-Be-wertung Bezug nehmen können, denn der G-BA hat, soferner die Bewertung des IQWiG nicht als Grundlage für seineEntscheidung nimmt, seine eigene Bewertung gesondert zubegründen.16 Darüber hinaus ist auf Antrag die gerichtli-che Anordnung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86bII SGG möglich.

In jedem Falle lohnt sich auch für die Hersteller von Medi-zinprodukten erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich des Me-thodenentwurfs zur Kosten-Nutzen-Bewertung und einekonstruktive Beteiligung an der durch das IQWiG eröffne-ten Diskussion. Für den Fall, dass zukünftig das IQWiGoder zumindest dessen Methode zur Bewertung von Medi-zinprodukten zum Einsatz kommt, ließe sich so eine Miss-achtung der Interessen einer der innovativsten Branchendes deutschen Gesundheitssystems vermeiden.

13 Wie zuvor, Seite 57ff.14 Die Analyse von „Effizienzgrenzen“: Ein Vorschlag zur Bewertung von

Verhältnissen zwischen Kosten und Nutzen einer medizinischen Inter-vention Version 2.0, Seite 8 � siehe: www.iqwig.de

15 Wie zuvor, Seite 1416 Dies ergibt sich schon aus § 34 Abs. 6 Satz 5 SGB V.

Anschrift der Verfasserin:Rechtsanwältin Antje-Katrin HeinemannEhlers, Ehlers & PartnerWidenmayerstr. 29D-80538 MünchenTel. 089/2109690E-Mail: [email protected]

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RECHTSPRECHUNG

RECHTSPRECH U NG

Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahrengegen GriechenlandVerstoß gegen das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge � Ablehnung vonAngeboten von Medizinprodukten mit CE-Kennzeichnung durch Krankenhäuser nichtgerechtfertigtArt. 226 EG, Richtlinien 93/42/EWG, 93/36/EWG

Leitsätze (nicht amtlich)

1. Die Richtlinie 93/42/EWG regelt das Verfahren für dieZulassung, für die Zertifizierung und für das Inverkehr-bringen und die Kontrolle von Medizinprodukten so de-tailliert, dass es keinen Zweifel hinsichtlich der beschei-nigten Qualitätsmerkmale und keinerlei Ermessen der na-tionalen Behörden über den durch ihre Bestimmungenabgesteckten Rahmen hinaus gibt.

2. Falls Ärzte bei bestimmten Medizinprodukten der An-sicht sind, dass diese trotz ihrer CE-Kennzeichnung dieGesundheit und die Sicherheit der Patienten gefährden,dürfen öffentliche Auftraggeber die Produkte ablehnen,jedoch nur im Rahmen des in der Richtlinie 93/42/EWGvorgesehenen Schutzverfahrens.

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften,Urt. v. 19.03.2009 � C-489/06

Aus dem SachverhaltDie Kommission wurde mit einer Beschwerde befasst, wo-nach bestimmte Krankenhäuser in Griechenland, die öf-fentliche Ausschreibungen für die Beschaffung von Medi-zinprodukten organisierten, gegen die Verpflichtungen ausder Richtlinie 93/36/EWG in Verbindung mit der Richtlinie93/42/EWG verstoßen haben sollten.

In der Beschwerde hieß es, bestimmte griechische Kranken-häuser hätten Angebote für Medizinprodukte aus Gründender öffentlichen Gesundheit abgelehnt, obwohl diese Pro-dukte mit der EG-Konformitätskennzeichnung zertifiziertgewesen seien und jedenfalls ohne dass das von der Richtli-nie 93/42/EWG vorgesehene Schutzverfahren eingehaltenworden sei.

Im Rahmen der Ermittlungen im Zusammenhang mit derfraglichen Beschwerde übermittelte die Hellenische Repub-lik der Kommission am 20. April 2004 den RunderlassNr. 19384 des Ethnikos Organismos Farmakon (nationaleArzneimittelbehörde) vom 2. April 2004 (im Folgenden:Runderlass Nr. 19384), in dem zum einen eingeräumtwurde, dass bestimmte für die Beschaffung in Krankenhäu-sern zuständige Ausschüsse Angebote von Unternehmenfür zahlreiche mit der CE-Kennzeichnung versehene Medi-zinprodukte mangels Konformität abgelehnt hatten, ohne

MPR 3/2009 83

dass die erforderliche vorherige Prüfung durch diese Be-hörde erfolgt war, und zum anderen festgestellt wurde,dass sich in bestimmten Fällen die mangelnde Konformitätauf von den Krankenhäusern willkürlich festgelegte Spezi-fikationen bezog. Dieser Runderlass stellte eine Erinnerungan das von den Ausschüssen einzuhaltende gesetzliche Ver-fahren dar und erläuterte dieses im Einzelnen.

Mit Schreiben vom 8. November 2004 machte der Be-schwerdeführer weitere Angaben, wonach die zuständigenAusschüsse einiger Krankenhäuser weiterhin die gleichenVerstöße begingen.

Angesichts dieser Informationen leitete die Kommission ge-gen die Hellenische Republik das in Art. 226 EG vorgese-hene Vertragsverletzungsverfahren ein, indem sie am 21.März 2005 ein Mahnschreiben an diesen Mitgliedstaatrichtete. In seinem Antwortschreiben vom 24. Mai 2005bestritt dieser Mitgliedstaat nicht, dass bestimmte griechi-sche Krankenhäuser den einschlägigen Gemeinschaftsvor-schriften nicht nachkämen, wies aber auf den Ausnahme-charakter der von der Kommission angeführten Fälle hin,die nicht auf das Vorliegen einer horizontalen Verletzungdes einschlägigen Gemeinschaftsrechts in großem Maß-stab hindeuteten.

Die Kommission erließ am 19. Dezember 2005 eine mitGründen versehene Stellungnahme, in der sie unterstrich,dass die Hellenische Republik ihre Verpflichtungen ausArt. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWG sowie aus denArt. 17 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG über öffentlicheLieferaufträge für Medizinprodukte verletze, und diesenMitgliedstaat aufforderte, der Stellungnahme binnen einerFrist von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzu-kommen.

In ihrer Antwort vom 9. Februar 2006 machte die Helleni-sche Republik geltend, dass sie die erforderlichen Maßnah-men getroffen habe, um die ordnungsgemäße Anwendungdes Gemeinschaftsrechts sicherzustellen, und dass es sichbei den in der mit Gründen versehenen Stellungnahme an-geführten Fällen um Ausnahmen von der üblichen Praxishandele. Neben dem Hinweis auf den RunderlassNr. 19384 führte sie auch an, dass eine systematische Kon-trolle der Qualität der Lieferungen für die Krankenhäuserauf deren Antrag durch den Ethnikos Organismos Farma-kon (nationale Arzneimittelbehörde) durchgeführt worden

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RECHTSPRECHUNG

sei. Hervorzuheben sei, dass die nationalen Krankenhäuserdie Weisungen dieser Behörde zunehmend befolgten.

Die Kommission erhielt jedoch Kenntnis von neuen Infor-mationen, wonach die in Rede stehende Verletzung weiteranhielt. Außerdem ergab sich aus den gesammelten Infor-mationen, dass der Ethnikos Organismos Farmakon nichtbefugt war, eine administrative Kontrolle über die Kran-kenhäuser auszuüben und Sanktionen gegen sie zu verhän-gen, und dass bisher keine andere Stelle in der griechischenRechtsordnung irgendwelche Befugnisse in diesem Bereichausgeübt hat.

Da die Kommission der Auffassung war, dass die Helleni-sche Republik ihren Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 derRichtlinie 93/36/EWG in Verbindung mit den Art. 17 und18 der Richtlinie 93/42/EWG nicht nachgekommen sei, hatsie die vorliegende Klage erhoben.

Die Richtlinie 93/36/EWG wurde in erster Linie durch diePräsidialverordnung Nr. 370 vom 14. Juni 1995 (FEK A‘199/1995) in griechisches Recht umgesetzt. Art. 16 dieserVerordnung ist im Wesentlichen gleichlautend mit Art. 8der Richtlinie 93/36/EWG.

Die Richtlinie 93/42/EWG wurde durch den interministeri-ellen Erlass DY7/oik. 2480 vom 19. August 1994 zur An-gleichung der griechischen Rechtsvorschriften an die Richt-linie 93/42/EWG (FEK B‘ 679) in griechisches Recht umge-setzt. Darüber hinaus wurde der Ethnikos OrganismosFarmakon durch Art. 19 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2889/2001 zur für Medizinprodukte zuständigen Behörde be-stimmt.

Vorbringen der ParteienDie Kommission trägt vor, die Richtlinie 93/36/EWG setzeeinen präzisen Rahmen für die technischen Anforderungen,die jeder öffentliche Auftraggeber für die von einem Ange-bot umfassten Produkte vorgeben dürfe. Nach Art. 8Abs. 2 dieser Richtlinie sei die Bezugnahme auf innerstaat-liche Normen, die europäische Normen umsetzten, oderauf europäische technische Zulassungen oder gemeinsametechnische Spezifikationen sowohl in der Ausschreibungals auch bei der Bewertung, ob die den Gegenstand desAngebots bildenden Produkte den Anforderungen entsprä-chen, zwingend vorgeschrieben. Abweichungen von dem inArt. 8 Abs. 2 verankerten Grundsatz seien in Art. 8 Abs. 3abschließend normiert.

In den von den griechischen Krankenhäusern veranstalte-ten Ausschreibungen werde gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richt-linie 93/36/EWG auf das Erfordernis einer europäischentechnischen Zulassung speziell für Medizinprodukte, d.h.die EG-Konformitätskennzeichnung, verwiesen, die auchin der Richtlinie 93/42/EWG geregelt sei. Gleichwohl seiendie öffentlichen Auftraggeber so vorgegangen, dass Ange-bote bestimmter Medizinprodukte, die mit der CE-Kenn-zeichnung versehen wurden, ausgeschlossen worden sind,ohne dass ein solcher Ausschluss unter einen der Ausnah-metatbestände des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 93/36/EWG fiel.

In Bezug auf die Richtlinie 93/42/EWG führt die Kommis-sion aus, dass diese Richtlinie die Verfahren für die Zulas-

84 MPR 3/2009

sung, für die Zertifizierung, für das Inverkehrbringen sol-cher Produkte, aber auch für die Kontrolle von Medizin-produkten so detailliert regele, dass es keinen Zweifelhinsichtlich der bescheinigten Qualitätsmerkmale und kei-nerlei Ermessen der nationalen Behörden über den durchihre Bestimmungen abgesteckten Rahmen hinaus gebenkönne.

Die Kommission stellt klar, dass die für Medizinproduktegeltenden grundlegenden Konformitäts- und Sicherheitsan-forderungen in Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG detail-liert aufgeführt seien und dass Produkte mit CE-Kenn-zeichnung allen diesen Anforderungen entsprächen. Art. 3in Verbindung mit Art. 17 der Richtlinie 93/42/EWG seidie Legitimationsgrundlage für die Konformitätskenn-zeichnung dieser Produkte und mithin für ihren freien Ver-kehr im Binnenmarkt.

Zwar sei nicht auszuschließen, dass die Ärzte bei bestimm-ten Medizinprodukten der Ansicht seien, sie gefährdetentrotz ihrer CE-Kennzeichnung die Gesundheit und die Si-cherheit der Patienten. In diesem Fall dürften die öffentli-chen Auftraggeber die Produkte ablehnen, jedoch nur imRahmen des in der Richtlinie 93/42/EWG vorgesehenenund im Runderlass Nr. 19384 beschriebenen Schutzverfah-rens.

Anstatt das Schutzverfahren anzuwenden, hätten die öf-fentlichen Auftraggeber die Angebote von Produkten mitCE-Kennzeichnung unmittelbar abgelehnt. In einem dasallgemeine Krankenhaus von Heraklion betreffenden Fallsei der Ethnikos Organismos Farmakon zwar unterrichtetworden, doch ist seine Entscheidung, dass die fraglichenMedizinprodukte zuzulassen seien, nicht befolgt worden.

Aus der ständigen Rechtsprechung folge, dass die Existenzeiner Richtlinie, mit der wie mit den Richtlinien 93/36/EWG und 93/42/EWG die Rechtsvorschriften der Mit-gliedstaaten angeglichen würden und die bestimme, dassmit der EG-Konformitätskennzeichnung die Übereinstim-mung der den Gegenstand eines Angebots bildenden Pro-dukte mit den technischen Vorschriften der Richtlinie ver-bindlich bescheinigt werde, die Verpflichtung der Mitglied-staaten begründet, die in der Richtlinie vorgesehenenbesonderen Verfahren für das Bestreiten der Gültigkeit derZertifizierung einzuhalten.

Die Kommission macht geltend, dass das rechtswidrigeVerhalten der öffentlichen Auftraggeber sowie das Unter-lassen der griechischen Behörden, dieses Verhalten zu kon-trollieren oder mit Sanktionen zu belegen, trotz des Rund-erlasses Nr. 19384 und der Versendung eines Erinnerungs-schreibens am 19. Januar 2006, also zwei Jahre später,nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kom-mission weiter andauerten. Die ihr zur Kenntnis gebrach-ten Fälle stellten charakteristische Beispiele für eine Praxisdar, die in den griechischen Krankenhäusern offenbar gän-gig sei. Mit dem Argument der Hellenischen Republik,dass nationale Rechtsbehelfe zur Verfügung stünden, umjeden einzelnen angezeigten Verstoß gegen die Vorschriftenüber öffentliche Aufträge zu ahnden, lasse sich die Ver-tragsverletzung in keiner Weise rechtfertigen.

Die Hellenische Republik trägt vor, dass die Krankenhäu-ser in ihrer Eigenschaft als öffentliche Auftraggeber die ein-

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RECHTSPRECHUNG

schlägigen Vorschriften des gemeinschaftlichen und des na-tionalen Vergaberechts durchaus einhielten. Soweit be-stimmte Krankenhäuser sich nicht an die relevantenGemeinschaftsbestimmungen hielten, handele es sich ledig-lich um bloße Ausnahmefälle, aus denen nicht auf das Vor-liegen einer horizontalen Verletzung des Gemeinschafts-rechts in großem Maßstab in dem fraglichen Bereich ge-schlossen werden könne.

Im Übrigen habe der Ethnikos Organismos Farmakongleichwohl den Runderlass Nr. 19384 über das Verfahrenzur Beurteilung der Zweckgeeignetheit von Produkten undam 19. Januar 2006 eine Erinnerung an diesen Erlass ver-sandt. Folglich habe die Hellenische Republik die Maßnah-men getroffen, die erforderlich seien, um eine richtige An-wendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Gegen diegemeinschaftsrechtswidrig handelnden Krankenhäuser seienim Übrigen deshalb noch keine Sanktionen verhängt worden,weil die Behörde der Inspektoren des Gesundheits- und Vor-sorgedienstes diese Frage derzeit noch untersuche.

Würdigung durch den GerichtshofBeruft sich die Kommission auf substantiierte Beschwer-den, die wiederholte Verstöße gegen eine Richtlinie erken-nen lassen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung Sachedes betroffenen Mitgliedstaats, die in diesen Beschwerdenbehaupteten Tatsachen konkret zu widerlegen. Im vorlie-genden Fall hat die Hellenische Republik aber weder kon-krete Beweise vorgelegt, um den von der Kommission be-haupteten Tatsachen zu widersprechen, noch deren Aus-führungen in der Sache und im Einzelnen bestritten.Folglich sind die von der Kommission vorgebrachten Tat-sachen als erwiesen anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen öffentli-che Auftraggeber, die ein Vergabeverfahren für die Liefe-rung von mit der CE-Kennzeichnung versehenen Medizin-produkten eingeleitet haben, das Angebot solcher Produkteaus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheitnicht direkt und außerhalb des Schutzverfahrens nach denArt. 8 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG ablehnen. Ist einöffentlicher Auftraggeber der Ansicht, dass angebotene mitder CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte die öf-fentliche Gesundheit gefährden können, so ist er verpflich-tet, zum Zweck der Durchführung des genannten Schutz-verfahrens die zuständige Stelle zu unterrichten (Urteil vom14. Juni 2007, Medipac Kazantzidis, C-6/05, Slg. 2007,I-4557, Randnr. 55; veröffentlicht in MPR 2007, 124ff.).

Wie sich aus den Erklärungen der Parteien ergibt, wird imvorliegenden Fall mit der Vertragsverletzungsklage nichtdie ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinien 93/36/EWG und 93/42/EWG durch die Hellenische Republik inFrage gestellt, sondern diese Klage ist auf die Frage derAnwendung dieses Rechts durch die zuständigen griechi-schen Behörden beschränkt.

Zur Feststellung einer Vertragsverletzung auf der Grund-lage einer in einem Mitgliedstaat bestehenden Verwal-tungspraxis hat der Gerichtshof entschieden, dass die Ver-tragsverletzung nur durch einen hinreichend dokumentier-ten und detaillierten Nachweis der gerügten Praxis

MPR 3/2009 85

dargetan werden kann, wobei es sich um eine in bestimm-tem Grad verfestigte und allgemeine Praxis handeln mussund die Kommission sich für ihren Schluss auf eine allge-meine und verfestigte Praxis nicht auf irgendeine Vermu-tung stützen kann (Urteil vom 7. Juni 2007, Kommission/Griechenland, C-156/04, Slg. 2007, I-4129, Randnr. 50und die dort angeführte Rechtsprechung).

Anhand der dem Gerichtshof mitgeteilten Informationen inden Akten ist festzustellen, dass die fraglichen Produktesolche sind, die den Anforderungen der technischen Normdes Europäischen Arzneibuchs entsprechen und von Kran-kenhäusern naturgemäß wiederholt und regelmäßig, alsomit einem gesicherten Häufigkeitsgrad eingekauft werdenmüssen.

Gleichwohl haben wenigstens sechzehn öffentliche Auf-traggeber von Krankenhäusern die in Rede stehenden Me-dizinprodukte in Vergabeverfahren abgelehnt. In der Listeder von der Kommission genannten Krankenhäuser sindEinrichtungen unterschiedlicher Größe angeführt. Darüberhinaus bezieht sich diese Liste auf Einrichtungen, die sichgeografisch über das gesamte Staatsgebiet verteilen.

Daher kann daraus abgeleitet werden, dass die gegen Art. 8Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWG und die Art. 17 und 18der Richtlinie 93/42/EWG verstoßende Verwaltungspraxisder fraglichen öffentlichen Auftraggeber in bestimmtemGrad verfestigt und allgemein ist.

Hat die Kommission genügend Anhaltspunkte dafür beige-bracht, dass sich bei den Behörden eines Mitgliedstaatseine wiederholt angewandte, fortbestehende Praxis heraus-gebildet hat, die gegen die Bestimmungen einer Richtlinieverstößt, obliegt es diesem Mitgliedstaat, diese Angabenund deren Folgen in der Sache und im Einzelnen zu bestrei-ten (Urteil Kommission/Irland, Randnr. 47); dies hat derMitgliedstaat im vorliegenden Fall nicht getan.

Außerdem ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegtenAkten, dass das pflichtwidrige Verhalten der öffentlichenAuftraggeber der griechischen Krankenhäuser von den zu-ständigen griechischen Behörden nicht hinreichend kon-trolliert und geahndet wurde. Der beklagte Mitgliedstaathat das Nichteingreifen seiner Behörden nur damit gerecht-fertigt, dass die Behörde der Inspektoren der Gesundheits-und Vorsorgedienste zum Zeitpunkt des Verfahrens dieseFrage gerade untersucht habe und die Inspektoren ihre Ar-beit noch nicht abgeschlossen hätten.

Auf der Grundlage des Vorstehenden ist festzustellen, dassdie Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtun-gen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWG und denArt. 17 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG verstoßen hat,dass sie Angebote von mit der EG-Konformitätskennzeich-nung versehenen Medizinprodukten ablehnt, ohne dass diezuständigen öffentlichen Auftraggeber der griechischenKrankenhäuser das in der Richtlinie 93/42/EWG vorgese-hene Verfahren eingehalten haben.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer)für Recht erkannt und entschieden:

Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Ver-pflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWGdes Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der

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RECHTSPRECHUNG

Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge in derdurch die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom13. September 2001 geänderten Fassung und aus denArt. 17 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom14. Juni 1993 über Medizinprodukte in der durch die Ver-ordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fas-sung verstoßen, dass sie Angebote von mit der EG-Konfor-mitätskennzeichnung versehenen Medizinprodukten ab-lehnt, ohne dass die zuständigen öffentlichen Auftraggeberder griechischen Krankenhäuser das in der Richtlinie 93/42/EWG vorgesehene Verfahren eingehalten haben.

AnmerkungDas Urteil des Europäischen Gerichtshofs betrifft eine fürMedizinproduktehersteller bedeutende Frage, nämlich oböffentliche Auftraggeber, die an das Vergaberecht gebun-den sind, bestimmte Medizinprodukte ablehnen bzw. vonAusschreibungen ausschließen können, obwohl die Pro-dukte ein CE-Kennzeichen besitzen. Der EuGH verneintdies unter Berufung auf die Medizinprodukte-Richtline 93/42/EWG und die Vergabe-Richtlinie 93/36/EWG mit wün-

Irreführende Werbung aufgrund nicht wissenschaftlichbelegter Wirkung§ 3 Nr. 2a HWG, §§ 3, 4 Nr. 11, 5 UWG

Leitsatz

Ist die gesundheitsfördernde Wirkung eines Produkts wis-senschaftlich (noch) umstritten, ist eine Bewerbung die-ser Wirkung, welche die bestehenden fachlichen Zweifelnicht offen legt, sondern die umstrittene Wirkung als ob-jektiv bzw. tatsächlich bestehend darstellt, irreführendund unzulässig.

LG Berlin, 15. Zivilkammer, Urt. v. 20.01.2009 � 15 O 969/07

Aus dem SachverhaltDer Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungs-mäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessenseiner Mitglieder, insbesondere die Achtung der Einhaltungder Regeln des lauteren Wettbewerbs gehören. Er ist gem. § 1Ziff. 4 UklaV vom 03.07.2007 (BGBl. I 2565) als branchen-übergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverbandim Sinne von § 13 Abs. 5 Nr. 2 UklaG festgestellt.

Die Beklagte produziert und vertreibt die Produktfamilie„P..“ in drei Varianten mit unterschiedlichen Inhaltsstof-fen, nämlich „P Sport“, „P Smart“ und „P Guarana“. Da-bei handelt es sich um Medizinprodukte in Kapselform,denen die Beklagte in ihrer Werbung bestimmte gesund-heitsfördernde Wirkungen, wie z.B. Entgiftung, besserekörperliche Regeneration, Steigerung des Konzentrations-und Lernvermögens sowie der Ausdauer beimisst.

86 MPR 3/2009

schenswerter Deutlichkeit. Das Urteil nimmt für entspre-chende Rechtsverletzungen durch staatliche Krankenhäu-ser den Staat, hier Griechenland, in die Pflicht und stelltfest, dass der Staat durch das entsprechende Verhalten derKrankenhäuser gegen seine Verpflichtungen zur Umset-zung bzw. Einhaltung der europarechtlichen Vorgaben ver-stoßen hat. Wenn die entsprechenden Krankenhäuser oderdie dort tätigen Ärzte meinen, es gäbe konkrete Anhalts-punkte, warum bestimmte Medizinprodukte aus Gründendes öffentlichen Gesundheitsschutzes nicht eingekauft undeingesetzt werden sollten, so müssen sie sich der im Medi-zinprodukterecht vorgesehenen Mittel bedienen, nämlichüber die zuständigen Behörden das Schutzverfahren nachArt. 8 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG in Gang setzen (s.§ 27 bzw. § 28 Abs. 3 MPG). Dies steht im Einklang mitder Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2007 (Urt. v.14. Juni 2007, Medipac Kazantzidis, C-6/05, MPR 2007,124ff.). Das CE-Kennzeichen verleiht den Medizinproduk-ten also nicht nur innerhalb der ganzen Europäischen Ge-meinschaft die Verkehrsfähigkeit, sondern es eröffnet ihnensomit auch den Zugang zum natürlich immens wichtigenMarkt der öffentlichen Krankenhäuser.

Andrea Sandrock �

Der Kläger hält die in seinem Unterlassungsantrag darge-stellten Werbeangaben der Beklagten für irreführend, weildie angeblichen Wirkungen wissenschaftlich nicht belegtseien, ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrsdiese Wirkungen aber als tatsächlich bestehend und fach-lich abgesichert ansehe.

Der Kläger beantragt, der Beklagten unter Androhung dergesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftli-chen Verkehr

a) für das Mittel P Sport zu werben:

aa) „Z (Entgiftung … )“;

bb) „Ihr Vorteil: P Sport entlastet den Körper wie ein Filterüber Entgiftung … auf rein natürliche Weise.

Dadurch setzt P Sport Energien frei, die der Körper zurLeistungserbringung oder Regeneration erbringen kann.“;

cc) „Die Wirkung: mehr Leistung, geringere Laktatbelas-tung (Schutz vor Laktatazidose) und schnellere Regenera-tion, d.h. Schutz und Unterstützung im Training und Wett-kampf für Profi und Amateur.“

b) für das Mittel P Smart zu werben:

aa) „Z (Entgiftung … )“;

bb) „Die Wirkung: P Smart dient der Entlastung des Kör-pers und bietet durch seine einzigartige Kombination anrein natürlichen Inhaltsstoffen Schutz und Unterstützungfür das Gehirn und das Nervensystem.

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RECHTSPRECHUNG

Damit bewirkt P Smart eine Verbesserung des Gedächtnis-ses, fördert das Lernvermögen und erhöht die Konzentrati-onsfähigkeit.

P Smart ist die ideale Unterstützung für die tägliche geistigeBeanspruchung von der Jugend bis ins hohe Alter.“;

c) für das Mittel P Guarana zu werben:„Z (Entgiftung …)“.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die angegriffenen Werbeaussagenseien zutreffend und wissenschaftlich belegt. Die Angabenwürden von der Fachliteratur bestätigt, ohne dass sich ent-gegenstehende Ansichten fänden. Die Beklagte hat sich fürdie entgiftende respektive entschlackende Wirkung desHauptbestandteils ihrer Produkte, Klinoptilolithe, auf ver-schiedene Literaturnachweise, insbesondere auf ein Buch„N.. Gesundheit“ von Prof. Dr. H berufen. Gleiches geltefür die angeblich daran anknüpfenden Wirkungen wie eineEntlastung des Körpers und die Freisetzung von Energien,eine geringere Laktatbelastung und eine schnellere Regene-ration sowie die Verbesserung des Gedächtnisses, des Lern-vermögens und der Konzentrationsfähigkeit. Mit nachge-reichtem Schriftsatz vom 07.01.2009 hat die Beklagte zurwissenschaftlichen Untermauerungen ihrer streitgegen-ständlichen Werbeaussagen eine Studie aus dem Jahre2004 der Autoren Dr. K und Mag. S eingereicht.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe keine hin-reichenden Zweifel an der Richtigkeit der Werbeaussagenvorgetragen.

Aus den GründenDie Klage ist begründet.

Der Kläger kann gem. den §§ 1, 3 Nr. 2a) HWG, 3, 4Nr. 11, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG die Unterlassungder streitgegenständlichen Werbeangaben verlangen, weildiese hinsichtlich der behaupteten gesundheitsförderndenWirkungen irreführend sind.

Die Beklagte wird antragsmäßig verurteilt.

I. Im Bereich der Werbung mit gesundheitsförderndenWirkungen gelten hinsichtlich der Anforderungen an dieRichtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen be-sonders strenge Anforderungen. Das rechtfertigt sich durchdie Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hoheWerbewirksamkeit gesundheitsbezogener Aussagen (Hefer-mehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 5 Rn. 4.181m.w.N.).

1. Ist die gesundheitsfördernde Wirkung eines Produktswissenschaftlich (noch) umstritten, ist eine Bewerbung die-ser Wirkung, welche die bestehenden fachlichen Zweifelnicht offen legt, sondern die umstrittene Wirkung als ob-jektiv bzw. tatsächlich bestehend darstellt, irreführend undunzulässig (BGH GRUR 2002, 273ff. � Eusovit). Irrefüh-rend ist unter diesen Umständen bereits der Eindruck, dassdie beworbene gesundheitsfördernde Wirkung wissen-schaftlich gesichert ist. Selbst das Bestehen einer fachlichenMindermeinung trägt eine Werbung nicht, wenn in derWerbung nicht darauf hingewiesen wird, dass nur eine

MPR 3/2009 87

Mindermeinung die Wirkungsaussage unterstützt. Erstwenn zugunsten der Werbeaussage die wissenschaftlichherrschende Meinung streitet, müsste der Prozessgegner,der sich auf eine Irreführung der Werbeangabe beruft, dieFehlerhaftigkeit der Angabe dezidiert darlegen und bewei-sen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 5Rn. 4.183 m.w.N.).

2. Eine weitere Möglichkeit der Irreführung liegt darin,dass eine Aussage auf Studien gestützt wird, die diese Aus-sage nicht tragen oder dass überhaupt keine wissenschaft-lich fundierten Studien vorliegen. Dann liegt die Irrefüh-rung nicht darin, dass die Aussage falsch ist (denn mögli-cherweise ist sie ja richtig), sondern dass sie jederGrundlage entbehrt, während der Verkehr annimmt, nie-mand werde ohne qualifizierte Grundlage eine derartigeBehauptung aufstellen (OLG Hamburg, Urteil vom18.09.2003, 3 U 70/02, GRUR-RR 2004, 88ff.; ebensoOLG Frankfurt, Urteil vom 20.02.2003, 6 U 18/02,GRUR-RR 2003, 295f.).

II. Gemessen an diesen Anforderungen sind die angegriffe-nen Werbeaussagen der Beklagten irreführend und damitwettbewerbswidrig.

Die Beklagte hat sich für die angepriesenen Wirkungen zu-nächst auf eine Literaturliste berufen, aus deren Fundstel-len sich die Richtigkeit ihrer Werbeangaben ergeben soll.Dieser Vortrag ist unsubstantiiert, weil es nicht Aufgabedes Gerichts ist, sich 132 Literaturfundstellen zu beschaf-fen und anschließend zu überprüfen, inwieweit welcheFundstellen die Behauptungen der Beklagten stützen.

Die Beklagte hat sich außerdem auf ein Buch von H-S undDr. H, Prof. für Neurophysiologie und emeritierter Prof.für experimentelle und klinische pathologische Physiologieder H-Universität zu Berlin, sowie auf weitere wissen-schaftliche Aufsätze gestützt, die die behaupteten Wirkun-gen belegen sollen.

Nach dem auszugsweise eingereichten Buch von H-S undDr. H werden die streitgegenständlichen Wirkungen zwarim Wesentlichen bestätigt. Das allein genügt den Darle-gungsanforderungen aber nicht, weil damit nicht belegtwird, dass die beworbenen gesundheitsfördernden Wirkun-gen im oben dargestellten Sinne � entsprechend dem vonder streitgegenständlichen Werbung vermittelten Eindruck �nach wissenschaftlichen Maßstäben belegt sind. Die Aus-führungen von H-S und Dr. H enthalten keine wissen-schaftliche Fundierung, d.h. insbesondere keine Bezug-nahme auf eine Studie, die nach ihren Grundlagen und Er-gebnissen als wissenschaftlicher Beweis angesehen werdenkann (z.B. eine randomisierte Doppelblindstudie). Hinzukommt, dass die von der Beklagten vorgelegten Unterlagenzu den Eigenschaften des Hauptbestandteils ihrer Medizin-produkte, Z, schon nicht belegen, dass die vertriebenenPräparate in der konkreten Darreichungsform und Dosie-rungsempfehlung die behaupteten Wirkungen hat (ebensoLG Berlin, Urt. v. 07.09.2004, 15 O 472/03 � K9). In kei-ner Weise fundiert sind die Schlussfolgerungen, die die Be-klagte aus der schadstoffausscheidenden Wirkung für dieGesundheit des menschlichen Körpers zieht, nämlich dieFreisetzung von Energien, die der Körper zur Leistungser-bringung und Regeneration verwenden kann, eine gerin-

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RECHTSPRECHUNG

gere Laktatbelastung sowie eine Verbesserung des Ge-dächtnisses und des Lern- und Konzentrationsvermögens.

Aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen gehtzwar hervor, dass Z einen Kationenaustausch z.B. von Blei,Kupfer und Quecksilber, bewirkt und bei bestimmten PH-Werten auch NH 3 gebunden wird. Ob dies aber immenschlichen Körper ebenso geschieht, wird von Dr. Hzwar behauptet, durch entsprechende Versuchsreihen abernicht belegt. Zudem herrschen im Magen-Darm-Traktganz unterschiedliche PH-Werte von unter 1 im Magen bisüber 7 im Darm, was nach den vorgelegten Unterlagen ei-nen erheblichen Einfluss auf die relevanten Wirkungen vonZ haben dürfte. Schließlich ist für optimale Ergebnisse of-fenbar eine gewisse Dehydration erforderlich, die immenschlichen Körper kaum stattfinden kann.

Die angegriffenen Werbeaussagen lassen sich auch nicht aufdie nachgereichte Studie der Autoren Dr. C K und Mag. Sstützen. Diese betrifft lediglich eines der drei von der Beklag-ten beworbenen Produkte, nämlich P Sport. Die Studie unter-sucht bei diesem Produkt lediglich die Reduzierung des Lak-tats im menschlichen Körper während einer körperlichen Be-lastung. Sie ist durchgeführt worden an Probanden, die seitlängerem Leistungssport betreiben. Die angegriffene Wer-bung richtet sich aber nicht lediglich an Leistungssportleroder überhaupt an Sportler, sondern auch an Personen, diekeinen oder kaum Sport treiben. Die in der Studie unter-suchte Dosierung entspricht nicht den Dosierungsempfeh-lungen, die die Beklagte im Zusammenhang mit ihrer Wer-bung gibt. Die Probanden haben an den Testtagen jeweils 30Minuten vor Beginn der Messungen 12 Kapseln verabreichtbekommen, während die Dosierungsempfehlung in der Wer-bung der Beklagten für P Sport 2�3 mal täglich 3 Kapselnzu den Hauptmahlzeiten oder alternativ vor und nach demWettkampf je 6 Kapseln lautet. Die Dosierungsempfehlun-gen für P Smart und P Guarana (2�3 Kapseln zu den Haupt-mahlzeiten bzw. 3�6 Kapseln bei Müdigkeit) weichen nocherheblicher von der untersuchten Dosierung ab. Die streitge-genständlichen Wirkungen lassen sich folglich durch die Un-tersuchungsergebnisse der Studie, wonach „die regelmäßigeEinnahme von P eine auch studienmäßig belegte Leistungs-steigerung zu bewirken scheine“ (S. 3 „Interpretation“),nicht belegen. Das gilt erst recht für die angegebenen Wir-kungen in ihrer Gesamtheit.

Schließlich lässt der Hinweis der Beklagten auf den AnhangX der Richtlinie 93/42/EWG (Medizinprodukterichtlinie),auf die sich die Beklagte in ihrem nachgereichten Schriftsatzvom 08.01.2009 offenbar stützen möchte, in Verbindung mit§ 19 Abs. 1 MPG und der im hiesigen Verfahren eingereichteAnlage B2 keine abweichende Bewertung zu.

Die in der Anlage B2 vorgelegte Genehmigung betrifft einQualitätsmanagementsystem und nicht die Zulassung derstreitgegenständlichen Mittel als Medizinprodukte. Nachdem Anhang X der Medizinprodukterichtlinie ist für dieZulassung als Medizinprodukt das Erheben klinischer Da-ten erforderlich zur Erbringung des Nachweises, dass diein Anhang I Abschnitte 1 und 3 der Richtlinie genanntenmerkmal- und leistungsrelevanten Anforderungen von demProdukt bei normalen Einsatzbedingungen erfüllt werden.Die klinischen Prüfungen sind nach einem angemessenen

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Prüfplan durchzuführen, der dem Stand von Wissenschaftund Technik entspricht und der so angelegt ist, dass sich dieAngaben des Herstellers zu dem Produkt bestätigen oder wi-derlegen lassen. Diese Prüfungen müssen eine angemesseneZahl von Beobachtungen umfassen, damit wissenschaftlichgültige Schlussfolgerungen gezogen werden können.

Nichts andere gilt für § 19 Abs. 1 MPG. Nach dieser Vor-schrift ist die Eignung von Medizinprodukten für den vor-gesehenen Verwendungszweck durch eine klinische Bewer-tung anhand von klinischen Daten zu belegen, soweit nichtin begründeten Ausnahmefällen andere Daten ausrei-chend sind.

Dass ein solcher begründeter Ausnahmefall im Sinne des§ 19 Abs. 1 MPG gegeben ist, hat die Beklagte nicht vorge-tragen. Auch sonst hat sie nicht dargelegt, dass ihre P-Reihe als Medizinprodukte zugelassen sind oder dass diedargestellten Zulassungsvoraussetzungen der Bestimmun-gen der Medizinprodukterichtlinie und des Medizinpro-duktegesetzes vorliegen. Die nachgereichte Studie der Au-toren Dr. C K und Mag. S spricht lediglich von der Unter-suchung „des Nahrungsergänzungsmittels P Sport“, ohnedass die Beklagte diesen Widerspruch aufgeklärt hat.

Anmerkung für die PraxisIn einer typischen wettbewerbsrechtlichen Situation hattesich das Landgericht Berlin mit der Frage der (fehlenden)wissenschaftlichen Absicherung von Werbeaussagen für einals gesundheitsfördernd beworbenes Produkt (Kapseln)auseinanderzusetzen. Ein Wettbewerbsverband hatte einUnternehmen im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens aufUnterlassung von bestimmten Werbeaussagen für dieseKapseln in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Aussagen richtigerweise nicht nuram Maßstab des UWG (Verbot irreführender geschäftli-cher Handlungen gemäß § 5 Abs. 1 UWG), sondern auchdes HWG gemessen, das bekanntlich in § 3 HWG ebenfallsirreführende Werbung als unzulässig einstuft. Die Anwend-barkeit des HWG hat das Landgericht dabei nicht geson-dert geprüft, sondern quasi stillschweigend vorausgesetzt.Dabei ist das HWG durchaus nicht einheitlich strukturiert,was die Anwendung der einzelnen Werbeverbote auf Arz-neimittel, Medizinprodukte oder andere Mittel oder Ver-fahren angeht. Während man beispielsweise nach Lektürevon § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG davon ausgehen würde, dassohne weiteres jedes der folgenden Verbote auch auf Medi-zinprodukte anzuwenden ist, erweist sich bei deren nähererBetrachtung ein differenzierter Ansatz als erforderlich. Soist beispielsweise im Rahmen des § 11 Abs. 1 HWG, derbestimmte Vorgaben für die Werbung gegenüber dem allge-meinen Publikum aufstellt, erst in Satz 2, nach der umfang-reichen Aufzählung der für „Arzneimittel, Arzneimittel,Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mit-tel“ geltenden Verbote, klargestellt, dass nur einzelne die-ser Verbote auch für Medizinprodukte gelten (nämlich nurSatz 1 Nr. 6�9, 11 und 12). Das Landgericht hat seine Ent-scheidung aber auf § 3 Nr. 2a) HWG gestützt, der nichtzwischen den verschiedenen vom HWG erfassten Produkt-arten differenziert, also auf alle in § 1 HWG genanntenProdukte oder Verfahren anwendbar ist.

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RECHTSPRECHUNG

Inhaltlich stellt das Landgericht Berlin sodann zunächstdas heilmittelwerberechtliche Strengeprinzip in den Vor-dergrund (vgl. dazu u.a. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 3Rdnr. 22). Daraus folgert es (im Einklang mit ständigerhöchstrichterlicher Rechtsprechung), dass eine irrefüh-rende Werbung mit gesundheitsfördernden Wirkungen be-reits dann vorliegt, wenn diese Wirkungen wissenschaftlichumstritten und nur von einer Mindermeinung getragensind. Denn der Verkehr erhalte durch die (uneinge-schränkte) Werbung den Eindruck, dass die gesundheits-fördernde Wirkung unumstritten ist. Ebenfalls in Überein-stimmung mit der sonstigen Rechtsprechung geht dasLandgericht ergänzend darauf ein, dass eine Irreführungauch vorliegt, wenn keine wissenschaftlich fundierten Stu-dien vorliegen, die die fraglichen Werbeaussagen stützen.Denn der Verkehr gehe davon aus, dass Behauptungen inder gesundheitsbezogenen Werbung niemals ohne qualifi-zierte Grundlage erfolgen.

In prozessualer Hinsicht führt die Kammer außerdem aus,dass es der Darlegungslast der Beklagtenseite nicht genügt,wenn sie lediglich eine umfangreiche Literaturliste zum Be-leg der streitgegenständlichen Aussagen vorlegt. Es seinicht Aufgabe des Gerichts, sich die genannte Literatur zubeschaffen und zu überprüfen, inwieweit die Werbeaussa-gen dadurch gestützt werden. Auch ist es nicht ausrei-chend, sich auf eine � zwar wissenschaftlich anmutende �Veröffentlichung zu stützen, sofern diese nicht wissen-schaftlich fundiert ist, d.h. tatsächlich auf eine valide Stu-die zurückgeht. Sofern fundierte Studien vorgelegt werden,müssen diese auch tatsächlich alle Aspekte der beworbenenWirkungen stützen und zu dem jeweiligen Produkt „pas-sen“. Das heißt, die Studien müssen die beworbenen Pro-dukte in ihrer konkreten Darreichungsform und Dosie-rungsempfehlung betreffen und nicht lediglich den Haupt-bestandteil/Wirkstoff ganz allgemein und sie müssen anProbanden durchgeführt worden sein, die den mit der Wer-bung angesprochenen Verkehrskreisen entsprechen. Auchletzteres hat das Landgericht hier verneint, da die Studienmit Leistungssportlern durchgeführt wurden, während dieWerbung nicht speziell an Leistungssportler, sondern auch

Informationsrecht über den Inhalt von Altverträgen aus§ 127 Abs. 2 S. 4 SGB V§ 127 SGB V, Art. 12 Abs. 1 GG

Leitsätze1. § 127 Abs. 2 S. 4 SGB V sieht für andere Leistungserbrin-ger ein umfassendes Informationsrecht über den Inhaltvon Altverträgen vor, welches sich grundsätzlich auf dengesamten Vertrag und alle Vertragsanlagen bezieht.2. Die Regelung des § 127 Abs. 2 S. 4 SGB V verstößt nichtgegen den durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzvon Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Sozialgericht Hamburg, 3. Kammer, Beschl. v. 26.02.2009� S 34 KR 164/09 ER

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an Personen, die kaum oder keinen Sport treiben, gerich-tet war.Interessant ist schließlich noch der letzte Abschnitt des Ur-teils, der sich � wenn auch nur oberflächlich � damit be-schäftigt, inwiefern das Medizinprodukterecht Einfluss aufdie Zulässigkeit von Werbeaussagen haben kann. DieBeklagte hatte sich offenbar zur Rechtfertigung ihrerWerbeaussagen auf § 19 Abs. 1 MPG und Anhang X derMedizinprodukterichtlinie 93/42/EWG berufen, also an-scheinend geltend gemacht, dass im Rahmen des Konfor-mitätsbewertungsverfahrens geprüft worden sei, dass dieProdukte für den vorgesehenen Verwendungszweck geeig-net sind. Allerdings hat das Gericht es für nicht ausrei-chend dargelegt angesehen, dass es sich tatsächlich um„zugelassene“ Medizinprodukte handelt oder dass die„Zulassungsvoraussetzungen“ des Medizinprodukterechtsvorliegen. Insbesondere sei in der dazu vorgelegten Studieausdrücklich von einem „Nahrungsergänzungsmittel“ dieRede. Die Beklagte hätte also offenbar ausführlicher vor-tragen (und ggf. beweisen) müssen, dass die beworbenenKapseln als Medizinprodukte nach Durchführung einesKonformitätsbewertungsverfahrens zertifiziert wurden unddass im Rahmen dieses Verfahrens aufgrund von fundier-ten klinischen Daten die beworbenen Wirkungen festge-stellt wurden. Hier ist zwischen den Zeilen eine gewisse„Skepsis“ des Gerichts hinsichtlich des Medizinprodukte-rechts zu spüren, allerdings angesichts des wohl eher unzu-reichenden Vortrags der Beklagten auch nicht ganz zu Un-recht. Möglicherweise bot also das hiesige Verfahren nichtdie passende Gelegenheit, um zu klären, ob es für die wis-senschaftliche Absicherung einer gesundheitsbezogenenWerbeaussage für ein Medizinprodukt genügt, dass eineBenannte Stelle in einem Konformitätsbewertungsverfah-ren das Medizinprodukt als „für den vorgesehenen Ver-wendungszweck“ geeignet (§ 19 Abs. 1 Satz 1 MPG) ange-sehen hat. Für die Arzneimittelwerbung steht demgegen-über fest, dass eine Werbung mit solchen Angaben zulässigist, die die im Rahmen des Zulassungsverfahrens geprüftenEigenschaften des Arzneimittels betreffen und die mit derFachinformation übereinstimmen.Andrea Sandrock �

Aus dem SachverhaltI. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer Unterlas-sungsverpflichtung. Sie ist ein Service- und Dienstleistungs-unternehmen, das unter anderem Leistungen im Bereichmedizinischer Beatmungsgeräte für die Heimbeatmung,Schlafapnoe-Therapie, Sauerstofftherapie und Monitoringanbietet. Die Beteiligten schlossen am 5. Juli 2007 einenVersorgungsvertrag über die Versorgung verschiedenerHilfsmittel (der Produktgruppen 01, 14 und 21). Nebenden Produktpreisen und Regelungen über die Qualitätssi-

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RECHTSPRECHUNG

cherung enthält der Vertrag in den Anlagen Ausführungenüber Versorgungsabläufe.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2009 informierte die An-tragsgegnerin die Antragstellerin über die nach einer Ände-rung des § 127 Sozialgesetzbuch � Fünftes Buch (SGB V)bestehende Möglichkeit von Hilfsmittelerbringern, den bis-her vereinbarten Verträgen beizutreten. Das Beitrittsrechtumfasse ein Einsichtsrecht in die Altverträge und es lägenbereits Anfragen diverser Leistungserbringer vor, weshalbbeabsichtigt sei, den Vertrag vom 21. Juli 2007 offenzule-gen.

Die Antragstellerin teilte der Antragsgegnerin darauf hinmit, dass sie mit einer umfassenden Offenlegung nicht ein-verstanden sei. Der Vertrag enthalte diverse Regelungen,die als grundrechtlich geschützte Geschäfts- und Betriebs-geheimnisse nicht offenbart werden dürften.

Nachdem die Antragsgegnerin mitgeteilt hatte, dass sie sichaufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts für verpflich-tet halte, die anfragenden Leistungserbringer über den voll-ständigen Vertragsinhalt zu informieren, hat die Antrag-stellerin am 4. Februar 2009 den Erlass einer einstweiligenAnordnung beantragt. Sie begehrt die Untersagung, anfra-gende Leistungserbringer über Vertragsinhalte des zwi-schen den Beteiligten vereinbarten Versorgungsvertrages zuinformieren soweit dieser Geschäfts- und Betriebsgeheim-nisse enthalte.

Aus den GründenII. Es mangelt an einem Anordnungsanspruch, denn es be-steht kein Anspruch auf Erlass einer vorbeugenden Unter-lassungsverfügung. Die Antragsgegnerin ist berechtigt undverpflichtet, den gesamten Vertragsinhalt zu offenbaren.

§ 127 Abs. 2 S. 4 SGB V sieht vor, dass über die Inhalteabgeschlossener Verträge andere Leistungserbringer unver-züglich zu informieren sind. Die Krankenkassen haben eineumfassende Informationspflicht, die sich auf den gesamtenVertrag und sämtliche Vertragsanlagen bezieht. Das ergibtsich aus dem Wortlaut, der Gesetzessystematik und demhinter der Informationspflicht stehenden Beitrittsrecht zuden bestehenden Altverträgen.

Nach dem Wortlaut ist über die „Inhalte abgeschlossenerVerträge“ zu informieren. Ohne einen einschränkendenZusatz ist vom gesamten Inhalt auszugehen, denn andern-falls hätte eine erläuternde Einschränkung erfolgen müs-sen. Das wird besonders deutlich, wenn man die Formulie-rung in Abs. 5 der Norm betrachtet. Dort wird die Infor-mationspflicht der Krankenkassen gegenüber denVersicherten geregelt und es ist über „die wesentlichen In-halte der Verträge zu informieren“. Die Versicherten habendemnach nur ein auf den wesentlichen Vertragsinhalt ein-geschränktes Informationsrecht. Der Gesetzgeber differen-ziert also für unterschiedliche Zielgruppen zwischen demInhalt und dem wesentlichen Inhalt der abgeschlossenenVerträge. Es ist nicht davon auszugehen, dass es versehent-lich unterlassen worden ist, in § 127 Abs. 2 S. 4 SGB Vdas Wort „wesentlich“ einzufügen. Im Gegensatz zu denVersicherten ist es bei Hilfsmittelerbringern, die am Versor-gungssystem teilnehmen wollen, nach der Gesetzeskonzep-

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tion gerade erforderlich, dass Einsicht in den vollständigenVertrag gewährt wird. Denn das Informationsrecht korres-pondiert mit dem Recht der Leistungserbringer, zu dengleichen Bedingungen als Vertragspartner beizutreten. EinBeitritt zu den gleichen Bedingungen ist jedoch nur mög-lich, wenn der gesamte Vertragsinhalt bekannt ist. Ansons-ten wären es entweder nicht mehr die gleichen Bedingun-gen, die Gegenstand des neuen Vertrages wären oder derhinzutretende Vertragspartner hätte lediglich von einemTeil der vertraglichen Regelungen Kenntnis, was eine ord-nungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Pflichten unmög-lich machen würde und im Übrigen bereits das Zustande-kommen eines Vertrages verhindert.

Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung wärees zwar unter Umständen möglich, die umfassende Offen-barungspflicht zu beschränken. Dies ist jedoch vorliegendin Ermangelung eines Verstoßes gegen das Grundgesetznicht geboten.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist aufgrund der gesetzli-chen Ermächtigung in Form des § 127 Abs. 2 S. 4 SGB Vgerechtfertigt.

Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird auch der Schutz von Be-triebs- und Geschäftsgeheimnissen gewährleistet (Jarass inJarass/Pieroth, GG-Kommentar, 9. Auflage, Art. 12, Rz. 8).Durch die Offenlegung des Vertragsinhaltes ist auch derSchutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG berührt.

Allgemein handelt es sich bei Betriebs- und Geschäftsge-heimnissen um auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen,Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondernnur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind undan deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtig-tes Interesse hat (BVerfG vom 14. März 2006 � 1 BvR2089/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE 115, 205 � 259). Be-triebsgeheimnisse beziehen sich auf technisches Wissen undGeschäftgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmänni-sches Wissen. Hierzu gehören Informationen über Um-sätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Be-zugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zurKreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmel-dungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungspro-jekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse einesBetriebes maßgeblich bestimmt werden können (s. Bonk/Kallerhof in Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum Ver-waltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage 2001, § 30, Rz. 13).

Die Einzelverträge, die gem. § 127 Abs. 2 SGB V zwischenden Krankenkassen und den Leistungserbringern geschlos-sen werden können, beinhalten allgemein Daten über Kon-ditionen, nämlich die vereinbarten Preise und ggf. weitereinterne Informationen (über die Einzelheiten des Verfah-rensablaufs), auch wenn sie in der Regel keine Ausführun-gen zu Ertragslisten bzw. Informationen über Umsätze, Ge-schäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen oder Kalkulati-onsunterlagen enthalten dürften. Der zwischen denBeteiligten vereinbarte Vertrag enthält neben den Produkt-preisen und Qualitätssicherungskriterien noch Vereinba-rungen über Wartungs- und Versorgungsabläufe, die indi-viduell ausgehandelt worden sind. Es handelt sich sowohlallgemein als auch beim streitgegenständlichen Vertrag umInformationen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie

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RECHTSPRECHUNG

nicht offenkundig sind und an deren NichtverbreitungLeistungserbringer (und die Antragstellerin) ein berechtig-tes Interesse haben.

Der Eingriff in den Schutzbereich ist jedoch gerechtfertigt.Art. 12 Abs. 1 steht unter einem allgemeinen Gesetzesvor-behalt. Die Berufsfreiheit kann durch Gesetz oder aufGrund eines Gesetzes geregelt werden (Satz 2). Nach dervom BVerfG entwickelten Stufenlehre hängen die Anforde-rungen, die an die gesetzliche Regelung zu stellen sind da-von ab, ob lediglich die Berufsausübungsfreiheit betroffenist oder ob es sich um eine subjektive oder objektive Be-rufswahlbeschränkung handelt (BVerfGE 25, 1/11f.).Reine Berufsausübungsbeschränkungen werden durch jedevernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert. DerGesetzgeber darf Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit inden Vordergrund stellen und besitzt hinsichtlich der Festle-gung arbeits-, sozial- und wirtschaftpolitischer Ziele einenweiten Spielraum (Jarass in Jarass/Pieroth, GG-Kommen-tar, 9. Auflage, Art. 12 Rz 36 mit zahlreichen weiterenNachweisen).

Es handelt sich bei der Verpflichtung zur Offenlegung derVerträge um einen Eingriff, der lediglich die Berufsaus-übungsfreiheit und nicht die Berufswahl tangiert, denn dieAntragsgegnerin ist durch die Regelung nicht daran gehin-dert, weiterhin Dienstleistungen im Bereich der medizini-schen Hilfsmittel zu erbringen und Beatmungsgeräte zuvertreiben. Selbst wenn sich tatsächlich Wettbewerbsnach-teile ergeben sollten infolge der Erkenntnisse, die Mitbe-werber aus dem Vertragsinhalt ziehen können, ist die Be-rufswahl unter keinen Umständen tangiert. Es ist wederersichtlich noch vorgetragen, dass durch einen Vertragsbei-tritt eines Konkurrenten ein so gravierender wirtschaftli-cher Schaden eintritt, dass eine Fortsetzung der Service�und Dienstleistungen auf dem Sektor der Schlafapnoe-The-rapie nicht mehr möglich wäre.

Mit der in § 127 Abs. 2 S. 4 SGB V normierten Pflicht derKrankenkassen, über die Inhalte bereits abgeschlossenerVerträge zu informieren, verfolgt der Gesetzgeber ein legiti-mes Ziel. Die Offenlegungspflicht ist erforderlich, um dasvom Gesetzgeber mit § 127 Abs. 2a SGB V eingeführte Bei-trittsrecht anderer Leistungserbringer zu ermöglichen.

Aus den Gesetzesmaterialien ist ersichtlich, dass der Ge-setzgeber mit der Schaffung des Beitrittsrechts zu Verhand-lungsverträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V die weitere Ver-sorgungsberechtigung der Leistungserbringer sicherstellenwollte, die bisher noch keine Verträge mit den Krankenkas-sen abschließen konnten. Weiter soll auch verhindert wer-den, dass Leistungserbringer willkürlich von ausgehandel-ten Verträgen ausgeschlossen werden. Das Beitrittsrechtsoll für alle Leistungserbringer, die bereit und in der Lagesind, sich zu den gleichen Bedingungen an der Versorgungzu beteiligen, gelten und ist nicht auf bestimmte Verträgebeschränkt. Die Informationspflicht wiederum ist geboten,um den Beitritt zu ermöglichen. Eine ungehinderte Wahr-nehmung des Beitrittsrechts setze voraus, dass die interes-sierten Leistungserbringer unverzüglich über die Verträgeinformiert werden (BT�Drs. 16/10609 � Beschlussemp-fehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zudem Gesetzesentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines

MPR 3/2009 91

Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstruktu-ren in gesetzlichen Krankenversicherung“).

Hintergrund dieser Regelung ist der vom Gesetzgeber ver-folgte Systemwechsel zu einem reinen Vertragsmodell unterWegfall der Zulassungsregelung des § 126 SGB V a.F. (ver-bunden mit einer Übergangsregelung mit einer Befristung).Nach der Neufassung der §§ 126 und 127 SGB V durchdas GKV Wettbewerbsverstärkungsgesetz vom 26. März2007 mit Wirkung zum 1. April 2007 (BT�Drs. 16/3100,Begründung zu Nr. 92) hat der Gesetzgeber offensichtlichHandlungsbedarf für die Leistungserbringer gesehen, diebislang keinen Versorgungsvertrag abschließen konnten.Aus der Gesetzesbegründung ist weiterhin ersichtlich, dassein willkürlicher Ausschluss von bislang nicht am Versor-gungssystem beteiligter Leistungserbringer durch die Kran-kenkassen verhindert werden sollte. Damit soll ein unge-hinderter Zugang aller Hilfsmittelerbringer zu der Versor-gung erreicht werden, wenn diese die qualitativenVoraussetzungen erfüllen und in der Lage sind, die Versor-gung zu den ausgehandelten Bedingungen zu übernehmen.Es geht demnach gerade um einen ungehinderten Zugangaller potentieller Unternehmen zu dem neu entwickeltenund wettbewerbsorientierten reinen Vertragsmodell. DerGesetzgeber will mit dem Beitrittsrecht dafür sorgen, dassMitbewerber aufgrund bereits geschlossener Verträge nichtbenachteiligt und vom Versorgungssystem ausgeschlossenwerden. Ein derartiger Ausschluss würde für die betroffe-nen Unternehmen unter Umständen einen Eingriff in diedurch Art. 12 Abs. 1 geschützte Berufswahl bedeuten. Esist grundsätzlich ein legitimes und am Gemeinwohl orien-tiertes Ziel, wenn der Gesetzgeber Unternehmen nicht will-kürlich vom Markt der Hilfsmittelerbringung ausschließenmöchte � auch wenn ein solcher Ausschluss wiederum ausVersorgungsgesichtspunkten gerechtfertigt werden könnte.Es ist allerdings für die vom Gesetzgeber verfolgte Kosten-ersparnis durch geschicktes Verhandeln der Krankenkassenund ihrer Verträge kontraproduktiv, wenn ein Vertragsbei-tritt zu den gleichen Konditionen möglich ist. NiedrigerePreise für die einzelnen Hilfsmittel werden sich so nichterzielen lassen. Insofern korrigiert der Gesetzgeber den ur-sprünglich beabsichtigten Systemwechsel wieder. Es ist je-doch nicht Aufgabe der Gerichte, die sozialpolitische Sinn-haftigkeit des gesetzgeberischen Handels zu untersuchen,solange es sich im Rahmen der Rechtsordnung und derVerfassung bewegt.

Die Verpflichtung, den Vertrag offenzulegen ist ein geeigne-tes Mittel, um den Beitritt zu ermöglichen. Nur derjenige,der Kenntnis von den ausgehandelten Vertragsklauseln hat,kann die vertraglichen Verpflichtungen erfüllen. Das Bei-trittsrecht setzt deshalb die vollständige vorherige Offenba-rung des Vertragsinhaltes voraus.

Ein milderes Mittel, mit welchem das gesetzgeberische Zielebenso effektiv erreicht werden könnte, gibt es nicht. So-fern einzelne Regelungen ausgenommen würden, könnteein Beitritt zu dem ausgehandelten Vertrag nicht mehrdurchgeführt werden. Der beitretenden Partei wäre esmangels Kenntnis von vorneherein unmöglich, den Vertragordnungsgemäß zu erfüllen. Würde der Vertrag nur in demUmfang zustande kommen, in dem er dem Konkurrentenoffenbart worden ist, wird inhaltlich ein neuer Vertrag ver-

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RECHTSPRECHUNG

einbart. Es handelt sich nicht mehr um einen Vertragsbei-tritt. Es ist davon auszugehen, dass die einzelnen Vertrags-bestandteile mit gutem Grund auch hinsichtlich aller Ne-benabreden ausgehandelt worden sind. Sollten nuneinzelne Passagen entfallen, kann der Vertrag einen völliganderen Regelungscharakter bekommen, den die Vertrags-parteien ursprünglich nicht vereinbaren wollten. Es bestehtdie Gefahr, dass der Vertrag ohne Benachteiligung einer(oder beider) Parteien nicht mehr ausgeführt werden kann.

Gem. § 127 Abs. 2 SGB V schließen die Krankenkassen(ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften) Ver-träge mit Leistungserbringern (mit Landesverbänden odersonstigen Zusammenschlüssen) über die Einzelheiten derVersorgung mit Hilfsmittel, deren Wiedereinsatz, die Qua-lität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringende Leistun-gen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungs-erbringer, die Preise und die Abrechnung.

Der Gesetzgeber hat damit den Vertragsinhalt für die we-sentlichen Regelungspunkte vorgegeben. Abweichungen indiesen Bereichen führen daher immer zu einer bedeutsamenVeränderung der getroffenen Vereinbarungen. Der Wegfallüber Regelungen zur Sicherstellung der Qualität, der Preiseund der Versorgungsmodalitäten verändert den Vertrag-scharakter. Gerade die Preisgestaltung ist ein maßgeblicherRegelungspunkt. Die Vertragsparteien haben häufig ein be-stimmtes Vergütungssystem ausgehandelt, welches nur alsGanzes schlüssig und umsetzbar ist. Deshalb können auchTeilbereiche nicht ausgeklammert werden. Auch die Preisefür die Wartung und das Zubehör sind wesentliche Be-standteile der gesamten Preisgestaltung, ohne die diePflicht zur Offenlegung und das damit verknüpfte Beitritts-recht gleichsam ins Leere laufen würden. Das gilt ebensofür die Versorgungs- und Wartungsabläufe, die unter denOberbegriff der Qualitätssicherung fallen. Gerade in die-sem Punkt besteht eine Verpflichtung der Krankenkassengegenüber ihren Versicherten, eine angemessene Versor-gungsqualität sicherzustellen. Sie kann auf derartige Rege-lungen nicht einfach verzichten.

Für den konkreten Fall ergibt sich daher, ohne die Bekannt-gabe der Zubehörpreise, des Wartungssystems (auch hin-sichtlich der Vergütungsstruktur) und der Versorgungsab-läufe ein völlig anderer Vertragsinhalt, der nicht nur un-vollständig ist, sondern wesentliche Bestandteile bezüglichder Abläufe und Ausführung nicht enthält.

Das kann sowohl aus Sicht der Krankenkassen als auch fürdie beitretenden Leistungserbringer zu einer Schieflage mitnegativen Konsequenzen führen. Insbesondere die Kran-kenkasse wäre bei einer solchen Auslegung gezwungen, ei-nen Beitritt zu dem Rumpfvertrag herbeizuführen (den sieunter Umständen so niemals vereinbart hätten), denn nachdem Gesetzeswortlaut besteht ein Anspruch auf den Bei-tritt (§ 127 Abs. 2a SGB V). Sie wäre auf die Verhand-lungsbereitschaft des beitretenden Leistungserbringers an-gewiesen und im Fall von erneuten Verhandlungen würdeein gänzlich anderer Vertrag abgeschlossen. Damit wäreeine ungehinderte Wahrnehmung des Beitrittsrechts nichtmöglich. Die in den Gesetzesmaterialien hervorgehobeneVoraussetzung eines Beitritts für den Fall, dass der Leis-tungserbringer in der Lage ist, sich an der Versorgung zu

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den gleichen Bedingungen zu beteiligen, wäre nicht erfüllt.

Für die mit dem Beitritt vom Gesetzgeber verfolgte Zielset-zung eines ungehinderten Zugangs aller Versorgungsbe-rechtigten zu den bereits ausgehandelten Bedingungen be-steht keine weniger einschneidende Alternative (und somitebenfalls kein milderes Mittel). Durch eine Zulassung wienach der früheren Rechtslage könnten die Bedingungen,die in bestehenden Verträgen ausgehandelt worden sind,nicht im Einzelnen vorgegeben werden (jedenfalls nichtohne den Vertragsinhalt durch entsprechende Vorgaben of-fenzulegen). Im Übrigen wollte der Gesetzgeber das Zulas-sungserfordernis zugunsten des Vertragssystems aufgeben,was eine legitime Grundsatzentscheidung des Gesetzgebersdarstellt, die bei der Gesetzesauslegung von den Gerichtenzu beachten ist. Eine andere Möglichkeit hätte darin be-standen, die Krankenkasse zum Abschluss von gleichlau-tenden Rahmenverträgen zu zwingen. Hier ergeben sichaber deutlich gravierendere Auswirkungen auf die beste-henden Altverträge, die dann ersetzt werden müssten. Eshandelt sich daher nicht um ein milderes Mittel.

Auch die im Rahmen der Stufenlehre durchzuführendePrüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl.BVerfGE 30, 292/316f.), bei der zu ermitteln ist, ob derGrundrechtseingriff nicht außer Verhältnis zu dem ange-strebten Zweck steht, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Grenze der Zumutbarkeit muss bei einer Gesamtabwä-gung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewichtder ihn rechtfertigenden Gründe gewahrt sein (BVerfGE102, 197/220). In dieser Prüfung ist auch das Dreiecksver-hältnis zwischen der Antragstellerin, deren Konkurrentenund der Krankenkassen zu berücksichtigen. Dadurch, dassder Gesetzgeber die Situation der Leistungserbringer, diebislang keinen Vertrag abschließen konnten, verbessertund ihnen die Möglichkeit eröffnet an dem neuen Versor-gungsystem zu partizipieren, wirkt er auf die bestehendengeschäftlichen Beziehungen der Leistungserbringer, mit de-nen bereits vertragliche Beziehungen bestehen, ein. Zumeinen wird hierdurch eine (gewollte) Konkurrenzsituationgeschaffen, zum anderen können sich im Einzelfall durchdie Kenntniserlangung von Geschäftsgeheimnissen wirt-schaftliche Nachteile ergeben.

Um hier die Beeinträchtigung grundrechtlich geschützterRechtspositionen auf das unbedingt notwendige Ausmaßzu beschränken, ist eine Abwägung der unterschiedlichenInteressen notwendig, wobei dem Ausmaß und Gewichtdes Geheimhaltungsinteresses eine entscheidende Bedeu-tung zukommt. Ist dieses Interesse ohne erhebliches Ge-wicht, ist es eher zulässig, es gegenüber den anderen Inte-ressenlagen zurücktreten zu lassen (vgl. BVerfG vom 14.März 2006 � 1 BvR 2089/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE115, 205 � 259).

Eine solche Abwägung ergibt für den zu beurteilenden Fallein eher geringer zu gewichtendes Geheimhaltungsinteresseder Antragstellerin hinsichtlich der im Einzelnen moniertenVertragsabreden und Anlagen.

Hierbei muss besondere Berücksichtigung finden, dass dieAntragstellerin auf einem Markt tätig ist, der durch dasSystem der gesetzlichen Krankenversicherung und der mit

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RECHTSPRECHUNG

der Versorgung beauftragten Krankenkassen einer beson-deren staatlichen Regulierung unterliegt und nicht uneinge-schränkt mit anderen Märkten und den dort geltendenWettbewerbsregelungen verglichen werden kann. Der Ge-setzgeber hat in besonderem Maße dafür Sorge zu tragen,dass eine Versorgung zu einer akzeptablen Qualität jeder-zeit sichergestellt ist. Die Versicherten haben nur wenigeMöglichkeiten (und wegen der Kostenübernahme durchdie Krankenkassen) auch ein geringes Interesse, im medizi-nischen Bereich, ihre Marktmacht durch Wahlentscheidun-gen auszuüben und es besteht ein Ungleichgewicht, welchesdurch den Gesetzgeber und die Krankenkassen ausgegli-chen werden muss. Zur Qualitätssicherung und Sicherstel-lung des Versorgungsauftrages sind also grundsätzlich sei-tens der Leistungserbringer Einschränkungen im Hinblickauf den Wettbewerb, die Vergütung und die Vertragsfrei-heit hinzunehmen. Das ergibt sich anschaulich für den vor-liegenden Sachverhalt bereits aus den Vorgaben zu denVertragsinhalten nach § 127 Abs. 2 SGB V.

Die besonderen Einschränkungen sind systemimmanentund den dort tätigen und spezialisierten Unternehmen be-kannt. Neben den Vorgaben hinsichtlich einer Sicherungder Qualität der Produkte, gibt es auch Einschränkungenim Bereich der Preisbildung und der Art der Versorgung. Esbestehen Offenbarungspflichten, wie zum Beispiel in § 127Abs. 5 gegenüber den Versicherten geregelt, wonach derwesentliche Inhalt der Verträge von den Krankenkassenauf Anfrage mitzuteilen ist.

Aus § 127 Abs. 2 SGB V ergibt sich auch die Möglichkeit,dass Rahmenverträge zwischen den jeweiligen Verbändengeschlossen werden können. Hier stellt sich die Geheimhal-tungsproblematik von vorneherein nicht.

Demgegenüber steht eine Verletzung von möglichen Ge-schäftsgeheimnissen in eher geringem Ausmaß. Im Gegen-satz zu dem vom BVerfG entschiedenen Fall der Verletzungvon Betriebs� und Geschäftsgeheimnissen eines Telekom-munikationsunternehmens geht es vorliegend nicht umtechnische Angaben, Werte und Parameter zur Investitions-ermittlung, Kostenkalkulationen, Unterlagen der Buchfüh-rung, Werte zu Umsätzen, Absatzmengen, Kosten und De-ckungsbeiträgen sowie um Datenquellen (BVerfG vom 14.März 2006 � 1 BvR 2089/03, 1 BvR 2111/03, BVerfGE115, 205 � 259). Streitig sind lediglich Passagen eines Ein-zelvertrages. Die Antragstellerin ist auch im Wesentlichenmit der Offenlegung der Produktpreise einverstanden,möchte aber die Einsichtnahme für Einzelpreise hinsicht-lich der Wartung und des Zubehörs sowie bezüglich be-stimmte Versorgungsabläufe verhindern.

Die ausgehandelten Preise, das vereinbarte Vergütungssys-tem und die Versorgungs- und Wartungsabläufe sind vonder Intensität ihres Geheimnischarakters nicht mit der Of-fenlegung von Produktionsabläufen, der Kalkulation- undEinkaufsdaten, vom Umsatzdaten und Buchführungsunter-lagen vergleichbar. Insbesondere die Versorgungsabläufeergeben sich aus der Art der Versorgung mit einem techni-schen Gerät und dargestellt werden größtenteils selbstver-ständliche Abläufe, die ohne weiteres auch für Konkur-renzunternehmen gelten dürften. Dass ein anderes Unter-nehmen durch die Kenntnis dieser Informationen einen

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spürbaren Wettbewerbsvorteil haben sollte, erschließt sichnicht ohne Weiteres. Es handelt sich nicht um exklusivesWissen, denn die Einweisung des Patienten in den Ge-brauch des Therapiegerätes (unter Berücksichtigung ver-schiedener Fallgestaltungen) ist immer erforderlich und einallein aus Qualitätssicherungsaspekten von den Kranken-kassen sicherzustellender Bestandteil vertraglicher Verein-barungen.

Etwas intensiver ist der Einblick in das gesamte Vergü-tungssystem einschließlich der für Zubehör und Wartungzu zahlenden Preise. Hier ist zu berücksichtigen, dassdurch die Offenlegung des Vergütungssystems keine Infor-mationen zu der hinter den Preisen stehenden Kostenkal-kulation und der spezifischen Kostenstruktur der Antrag-stellerin weitergegeben werden, die einem WettbewerberVorteile verschaffen könnten. Erst wenn ein Vertrag ähn-lich wie es zum Teil bei Zulieferbetrieben der Herstellervon technischen Produkten der Fall ist, spezifische Ferti-gungsabläufe und die dahinter stehende Kostenstrukturenthält, könnte eine Offenbarung aufgrund der Intensitätdes Geheimhaltungsinteresses im Wege der verfassungs-konformen Auslegung unzulässig sein. Ein entsprechenderVertrag wäre aber grundsätzlich ohne diese speziellen In-formationen zur Kostenstruktur eines Produktes ausführ-bar. Das gilt jedoch nicht für das Vergütungssystem. Hierhandelt es sich um so wesentliche Vertragsbestandteile,dass ohne sie der Vertrag nicht ausgeführt werden könnte.Das gilt auch für Bestandteile des Vergütungssystems,wenn die Kosten für Zubehör und Wartung der vertriebe-nen Produkte geregelt werden. Hier muss davon ausgegan-gen werden, dass sich die einzelnen Regelungen derart be-dingen, dass sie jeweils ohne anderen Regelungspunktnicht zustande gekommen wären.

Einschränkungen bei der Preisgestaltung ergeben sich auchaus den bereits aufgezeigten Vorgaben im Bereich desMarktes mit medizinischen Produkten für den Geltungsbe-reich der gesetzlichen Krankenversicherung, im Rahmenderer beispielsweise auch eine Begrenzung durch Festbe-träge möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist auch der vor-liegende Eingriff unter Berücksichtigung der Zielsetzungdes Gesetzgebers, alle Leistungserbringer an dem Versor-gungssystem zu beteiligen, die in der Lage sind, zu den aus-gehandelten Bedingungen zu leisten, im Rahmen der Ver-hältnismäßigkeitsprüfung im engere Sinne gerechtfertigt.

Anmerkung für die PraxisDer Gesetzgeber hatte durch das GKV-WSG im Jahr 2007einen fundamentalen Wechsel in der ambulanten Hilfsmit-telversorgung weg vom „Zulassungsmodell“ hin zum„Vertragsmodell“ vollzogen. Bis zum Zeitpunkt der Geset-zesänderung war es allen Hilfsmittellieferanten, die eineZulassung zur Hilfsmittelversorgung hatten, gestattet, allegesetzlich versicherten Patienten mit Hilfsmitteln zu ver-sorgen. Durch den Wechsel zum Vertragsmodell sollte diesnur noch solchen Hilfsmittel-Lieferanten möglich sein, diemit der Krankenkasse des jeweiligen Versicherten einenHilfsmittel-Versorgungsvertrag nach § 127 SGB V abge-schlossen hatten.

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RECHTSPRECHUNG

Zwar waren die Vorschriften noch nicht endgültig „scharf-geschaltet“, da der Gesetzgeber Übergangsfristen vorgese-hen hatte. In der Diskussion zwischen den Selbstverwal-tungsparteien zeigte sich aber bald, dass die Gefahr be-stand, dass Krankenkassen nur mit einigen wenigenHilfsmittellieferanten Verträge abschließen und damit alleanderen Lieferanten von der Versorgung der jeweiligen Pa-tienten ausschließen könnten. Gerade bei dem Vertragsab-schluss durch große Krankenkassen war damit die Existenzvieler Hilfsmittellieferanten unmittelbar in Gefahr, ohnedass diese realistische Möglichkeiten gehabt hätten, sichrechtlich gegen einen solchen Ausschluss zu wehren. Darü-ber hinaus bestand die Gefahr, dass die Wahl der Vertrags-partner einer gewissen nicht überprüfbaren Willkür unter-liegen könnte.

Vor diesem Hintergrund hatte der Gesetzgeber im Rahmender nächsten SGB V-Novelle durch das GKV-OrgWG abdem 1. Januar 2009 ein Beitrittsrecht zu nach § 127 Abs. 2SGB V abgeschlossenen Verträgen aufgenommen, dasHilfsmittellieferanten das Recht einräumt, Verträgen zwi-schen Krankenkassen und anderen Hilfsmittellieferantenzu gleichen Konditionen beizutreten. Damit die Hilfsmit-tellieferanten über Abschluss und Inhalt der Verträge infor-miert wären, schrieb der Gesetzgeber ein Informations-recht in § 127 Abs. 2 S. 4 SGB V fest. Danach ergibt sichnun die Pflicht für Krankenkassen, andere Leistungserbrin-ger „über die Inhalte abgeschlossener Verträge auf Nach-frage unverzüglich zu informieren“.

Der Beschluss des SG Hamburg befasst sich nun mit der Um-setzung dieser neuen Informationspflicht in die Praxis. Indem vorliegenden Fall hatte das SG Hamburg zu entschei-den, ob und insbesondere inwieweit Hilfsmittel-Lieferver-träge (insbesondere sog. „Altverträge“, also Verträge, die vorder Gesetzesänderung geschlossen wurden) für interessierteHilfsmittellieferanten offengelegt werden müssen und wieweit der Schutz von in den Verträgen eventuell enthaltenenGeschäfts- und Betriebsgeheimnissen reicht.

Im Ergebnis geht das SG Hamburg davon aus, dass dieKrankenkassen berechtigt und verpflichtet sind, bei Nach-frage durch andere Hilfsmittellieferanten den gesamten In-halt des abgeschlossenen Vertrags offenzulegen (inkl. allerVertragsanlagen). Es stützt dieses Ergebnis zum einen aufden Wortlaut der Vorschrift (keine Einschränkung hin-sichtlich der offenzulegenden Vertragsinhalte), zum ande-ren im Wesentlichen darauf, dass ein Beitritt zu einem Ver-trag und die damit zusammenhängende ordnungsgemäßeErfüllung der vertraglichen Pflichten überhaupt nur mög-lich seien, wenn der Vertragsinhalt beiden Vertragsparteienvollumfänglich bekannt sei.

Des Weiteren prüft das SG Hamburg, ob eine Einschrän-kung des Wortlauts des § 127 Abs. 2 S. 4 SGB V im Wegeeiner verfassungskonformen Auslegung erforderlich seiund stellt sich auf den Standpunkt, dass der vom Gesetzge-ber offensichtlich gewollte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GGrechtmäßig sei. Das Gericht geht dabei davon aus, dass imRegelfall die Hilfsmittellieferverträge keine Vertragsinhaltebeinhalten, deren Offenlegung tatsächlich Wettbewerbs-nachteile ergeben könnten. Dies ergebe sich insbesondereaus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 127 Abs. 2

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SGB V den wesentlichen Vertragsinhalt der Versorgungs-verträge bereits vorgegeben habe und der Wegfall einzelnerTeilbereiche den Vertragscharakter wesentlich verändere.

Auch durch eine Abwägung zwischen dem Geheimhal-tungsrecht möglicher Geschäftsgeheimnisse auf der einenund der durch das Beitrittsrecht und die damit verbundeneInformationspflicht geschaffenen (gewollten) Konkurrenz-situation im Gefüge des Gesundheitssystems kommt dasSG Hamburg zu keinem anderen Ergebnis. Die Situationauf dem Gesundheitsmarkt sei aufgrund ihrer weitreichen-den staatlichen Regulierung nicht mit anderen Märktenund den dort geltenden Wettbewerbsregelungen vergleich-bar. Die Einschränkungen seien daher systemimmanentund zu akzeptieren.

Das Gericht stellt zurecht fest, dass die eigentlich mit demVertragsmodell durch den Gesetzgeber gewollte Konkur-renzsituation und die damit erhofften Preisreduzierungenim Hilfsmittelbereich durch das Beitrittsrecht wieder adabsurdum geführt werden. Es führt aber weitergehendrichtig aus, es sei „nicht die Aufgabe der Gerichte, die sozi-alpolitische Sinnhaftigkeit des gesetzgeberischen Handelnszu untersuchen, solange es sich im Rahmen der Rechtsord-nung und der Verfassung bewegt.“ Der ursprünglich ge-wollte Systemwechsel hat bereits in der Phase, in der ernoch gar nicht voll durchgriff, seine Schwächen offenbart,die zum Schutze der Versorgungssicherheit der Patientennicht akzeptiert werden kann. Aus diesem Grund hat derGesetzgeber durch die Hintertür allen Leistungserbringernwieder die Möglichkeit gegeben, zu bestimmten Bedingun-gen an der Hilfsmittelversorgung wieder teilzunehmen.

Das SG Hamburg folgt in dem Beschluss nun konsequentdem Willen des Gesetzgebers und prüft die Auslegung der In-formationspflicht unter Einbeziehung der wesentlichen Be-urteilungskriterien. Auch vom Ergebnis her erscheint der Be-schluss richtig (wenn auch nicht unbedingt von den Leis-tungserbringern so gewollt). Denn Verträge können auchdurch Beitritt nur dann abgeschlossen werden, wenn beidenParteien der Vertragsinhalt vollumfänglich bekannt ist. Allesdeutet darauf hin, dass der Gesetzgeber eine umfassende In-formation der Wettbewerber über den Inhalt der Verträge ge-wollt hat. Die Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich wer-den sich also bei der Verhandlung ihrer Versorgungsverträgein Zukunft darauf einrichten müssen, dass Wettbewerberndie Vertragsinhalte zugänglich gemacht werden.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit das vom Gesetzgeber neugewählte System (Vertragsmodell mit Beitrittsrecht) die ge-wünschten Vorteile gegenüber dem Zulassungsmodell brin-gen wird. Denkbar wäre eine Preisreduzierung nur dann,wenn die Krankenkassen mit dem preisgünstigsten Anbie-ter einen Vertrag verhandeln, dem dann die anderen Leis-tungserbringer zu gleichen Konditionen beitreten müssten,wenn sie an der Versorgung beteiligt werden wollen. Obdie Leistungserbringer sich aber in diese Preisspirale trei-ben lassen, wenn sie davon ausgehen müssen, dass zahlrei-che Wettbewerber beitreten und ihnen so kein Mindest-Marktanteil sicher sein kann, erscheint zweifelhaft. Hier istdas optimale Modell für beide Seiten offensichtlich nochnicht gefunden.

Maria Heil �

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RECHTSPRECHUNG

Beihilfefähigkeit eines Hyaluronsäurepräparates§§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 BhV NW, §§ 1, 2 Abs. 1 AMG, § 3 MPG

Leisätze (nicht amtlich)1. Die Aufwendungen für die Injektion des Hyaluronsäu-repräparates Ostenil in das Knie durch einen Arzt wegenbestehender Kniegelenksbeschwerden sind grundsätzlichbeihilfefähig. Dem steht nicht entgegen, dass die Behand-lung in Spanien erfolgte und eine schriftliche ärztlicheVerordnung fehlte.2. Ein Hyaluronsäurepräparat, welches formal als Medi-zinprodukt eingestuft ist, ist trotz fehlender wissen-schaftlicher Anerkennung unter den beihilferechtlichenArzneimittelbegriff zu fassen. Insoweit ist bezüglich derBeihilfefähigkeit nicht auf die arzneimittelrechtliche Defi-nition zurückzugreifen.3. Die Leistungspraxis der gesetzlichen Krankenversiche-rung bei Medizinprodukten spielt für die Auslegung desim Beihilferecht maßgeblichen Auslegung des Arzneimit-telbegriffs grundsätzlich keine Rolle.

Verwaltungsgericht Köln, 9. Kammer, Urt. v. 23.06.2008 �19 K 4786/06

Aus dem SachverhaltDer in Spanien lebende Kläger ist Ruhestandsbeamter desbeklagten Landes. Sein Beihilfebemessungssatz beträgt70%.

Unter dem 7. April 2006 beantragte der Kläger u.a. eineBeihilfe betreffend die Präparate „Acfol“ (Folsäure) und„Benexol“ (Vitamine B1, B6 und B12), die ihm in Mar-bella/Spanien ärztlich verordnet worden waren. Mit Beihil-fefestsetzungsbescheid vom 10. Mai 2006 lehnte das Lan-desamt für Besoldung und Versorgung (LBV) die Gewäh-rung einer Beihilfe insoweit ab. Mit Schreiben an das LBVvom 1. Juni 2006 bat der Kläger um Überprüfung der vor-genommenen Absetzung.

Mit Beihilfeanträgen vom 17. Mai 2006 und 2. Juni 2006beantragte der Kläger die Gewährung einer Beihilfe u. a. zuAufwendungen in Höhe von 446,60 Euro für das Hyal-uronsäurepräparat „Ostenil“, das ihm von dem Facharztfür Orthopädie u.a. Dr. T. in Marbella/Spanien verordnetbzw. in dessen Praxis in sein Kniegelenk injiziert wordenwar Mit Beihilfefestsetzungsbescheiden vom 8. Juni 2006und 29. Juni 2006 wurde dem Kläger zu den dem Antragzugrunde liegenden Rechnungen im Übrigen, nicht aber fürdas Mittel Ostenil eine Beihilfe gewährt. Zur Begründungwurde insoweit ausgeführt, die Aufwendungen für Hyal-uronsäurepräparate wie Ostenil seien nicht beihilfefähig,da sie zu den wissenschaftlich noch nicht anerkannten Prä-paraten gehörten. Sie könnten nur auf der Grundlage einespositiven amtsärztlichen Gutachtens (§ 4 Abs. 1 Satz 3BVO) als beihilfefähig anerkannt werden. Mit gesondertemSchreiben vom 8. Juni 2006 wies das LBV den Kläger aufdie Notwendigkeit der Einholung eines amtsärztlichenGutachtens hin und bat um Unterzeichnung einer entspre-

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chenden Einverständniserklärung. Dem Beihilfebescheidvom 29. Juni 2006 war ebenfalls ein gesondertes Schreibenbeigefügt, mit dem das LBV dem Kläger mitteilte, dass daszuständige Gesundheitsamt nunmehr sowohl hinsichtlichOstenil als auch hinsichtlich Acfol und Benexol um Stel-lungnahme gebeten worden sei.

In dem Anschreiben an das Gesundheitsamt vom 29. Juni2006 wies das LBV u.a. darauf hin, dass nach einer Stel-lungnahme des Landesinstituts für den Öffentlichen Ge-sundheitsdienst NRW vom 2. August 2005 von einer wis-senschaftlichen Anerkennung von Hyaluronsäurepräpara-ten nicht mehr auszugehen sei; vielmehr könnten diese absofort nur noch als „wissenschaftlich noch nicht aner-kannt“ beurteilt werden. Der Kläger übermittelte dem LBVsodann noch einen Arztbericht des Orthopäden Dr. T., ausdem hervorgeht, dass er, der Kläger, u.a. an einer „ausge-prägten Kniescheibenhinterwandsymptomatik beidseits“bzw. „Retropatellararthrose beidseits“ und „ausgeprägterChondropathia patellae“ leidet. Da eine zunächst eingelei-tete vorwiegend osteopathisch ausgerichtete Behandlungnicht zu einer Linderung der Kniegelenksbeschwerden ge-führt habe und auch die klinischen Zeichen der ausgepräg-ten Chondropathia patellae fortbestanden hätten, sei eineintraartikuläre Injektionsbehandlung mit einem Hyaluron-säurepräparat durchgeführt worden.

Unter dem 21. Juli 2006 nahm das Gesundheitsamt desRhein-Sieg-Kreises dahingehend Stellung, dass die Aufwen-dungen für Ostenil im vorliegenden Fall nicht als beihilfe-fähig anerkannt werden könnten. Zwar sei die pharmako-logische Wirksamkeit des Mittels für degenerative Gelenk-erkrankungen des Knies anzunehmen, doch liege hier keinbesonders medizinisch indizierter Fall vor, und es sei auchnicht erkennbar, dass andere wissenschaftlich anerkannteBehandlungsmethoden bisher ohne hinreichenden Erfolggeblieben seien. Bei Acfol und Benexol handele es sich umin Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassene Vitamin-präparate.

Mit Bescheid vom 23. August 2006 teilte das LBV demKläger unter Hinweis auf das amtsärztliche Gutachten mit,dass die Aufwendungen für die Präparate Ostenil, Acfolund Benexol nicht als beihilfefähig anerkannt werdenkönnten.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch wies der Klä-ger darauf hin, dass Acfol und Benexol in Spanien zugelas-sen und ihm anstelle des Arzneimittels „Medyn“, das es inSpanien nicht gebe, ärztlich verordnet worden seien. Me-dyn werde ihm schon seit längerem zur Senkung erhöhterHomocysteinwerte verordnet und sei in der Vergangenheiterstattet worden. Ostenil sei ihm zur Behandlung der beiihm diagnostizierten schmerzhaften Kniearthrose injiziertworden. Warum es nicht beihilfefähig sein solle, sei uner-findlich. Zur weiteren Begründung legte der Kläger einePatienteninformation des Universitätsklinikums Gießenund Marburg, Klinik für Orthopädie und Rheumatologie,

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RECHTSPRECHUNG

über die „Orthopädische Therapie der Arthrose des Knie-gelenks“ vor.

Das LBV wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheidvom 16. Oktober 2006 zurück.

Der Kläger hat am 8. November 2006 Klage erhoben. Ermacht geltend, die Behandlung von Kniearthrose mit Hyal-uronsäure sei wissenschaftlich anerkannt und habe sich beiihm auch als wirksam erwiesen. Den Streit über die Beihil-fefähigkeit von Acfol und Benexol haben die Beteiligten inder mündlichen Verhandlung vergleichsweise beigelegt.

Der Kläger beantragt, das beklagte Land unter Aufhebungdes Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versor-gung vom 23. August 2006 und des Widerspruchsbeschei-des derselben Behörde vom 16. Oktober 2006 zu verpflich-ten, ihm zu den Aufwendungen für das Präparat „Ostenil“gemäß Liquidationen des Arztes Dr. T. vom 17. Mai 2006und vom 31. Mai 2006 und der Farmacia del Sol vom 2.Juni 2006 weitere Beihilfe in Höhe von 312,62 Euro zu ge-währen.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Es tritt der Klage entgegen und macht geltend: Das Hyal-uronsäureprodukt Ostenil sei kein apothekenpflichtigesArzneimittel, sondern ein nicht apothekenpflichtiges Medi-zinprodukt, welches nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 BVONRW nicht beihilfefähig sei. Medizinprodukte besäßenkeine arzneimittelrechtliche Zulassung nach § 21 AMG.Die Zulassungspflicht diene dem Gesundheitsschutz derBevölkerung und solle verhindern, dass unwirksame, be-denkliche oder gar schädigende Präparate in den Verkehrgelangten (§ 1 AMG). Wegen der weiteren Einzelheiten desSach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und diebeigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Aus den GründenSoweit sich das Verfahren durch den zwischen den Beteilig-ten geschlossenen Vergleich in der Hauptsache erledigt hat,ist es in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1VwGO einzustellen.

Die Klage hat im Übrigen Erfolg.

Sie ist als Verpflichtungsklage gegen den Bescheid des Lan-desamtes für Besoldung und Versorgung (LBV) vom 23.August 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 16.Oktober 2006 mit dem Ziel einer weiteren Gewährung vonBeihilfe zulässig. Das Gericht legt die Beihilfefestsetzungs-bescheide vom 8. und 29. Juni 2006 dahin aus, dass dieseüber die Beihilfefähigkeit des Präparats Ostenil noch keineabschließende, der Bestandskraft fähige Entscheidung ge-troffen haben, weil der Kläger mit dem Bescheid vom 8.Juni 2006 zugleich ein Schreiben erhielt, mit dem eineamtsärztliche Überprüfung der Beihilfefähigkeit dieses Prä-parats angekündigt wurde. Ähnlich verhält es sich mit demBeihilfebescheid vom 29. Juni 2006, dem ein vergleichba-res Schreiben des LBV beigefügt war. Eine abschließendeAblehnung der Beihilfegewährung hinsichtlich der mit Bei-hilfeanträgen vom 17. Mai und 2. Juni 2006 geltend ge-machten Aufwendungen für Ostenil ist daher erst in demBescheid vom 23. August 2006 zu sehen.

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Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des LBV vom23. August 2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom16. Oktober 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Klä-ger in seinen Rechten, soweit darin die Gewährung einerBeihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Ostenil“abgelehnt wurde; der Kläger hat einen Anspruch auf Bei-hilfe zu diesen Aufwendungen in Höhe von insgesamt312,62 Euro (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Der Anspruch findet seine Rechtsgrundlage in §§ 3 Abs. 1Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 7 der Verordnung über die Gewährungvon Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen(Beihilfenverordnung � BVO) vom 27. März 1975 (GVNRW S. 332) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Auf-wendungen (hier: Mai/Juni 2006) geltenden Fassung desArt. 1 Zweiter Teil des Gesetzes vom 3. Mai 2005 (GVNRW S. 498). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO sind beihilfefä-hig die „notwendigen Aufwendungen in angemessenemUmfange in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Ge-sundheit, zur Besserung oder Linderung von Leiden … „§ 4 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 BVO konkretisiert dies dahingehend,dass die beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für diebei ärztlichen Verrichtungen verbrauchten und die auf-grund einer schriftlichen ärztlichen Verordnung beschaff-ten Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen umfassen.Uneingeschränkt beihilfefähig sind dabei � wie sich imUmkehrschluss aus § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 a) BVO ergibt �allerdings nur wissenschaftlich anerkannte Mittel. Vonweiteren Voraussetzungen ist die Beihilfefähigkeit hiernicht abhängig, insbesondere finden die für Auslandsauf-wendungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BVO geltenden Ein-schränkungen keine Anwendung, weil die Aufwendungenin einem Mitgliedstaat der Europäischen Union entstandensind. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BVO ist nämlich bei ineinem Mitgliedstaat der Europäischen Union entstandenenAufwendungen u.a. für ambulante Behandlungen regelmä-ßig ein Kostenvergleich nicht erforderlich, es sei denn, dassgebietsfremden Personen regelmäßig höhere Gebühren alsansässigen Personen berechnet werden (vgl. auch OVGNRW, Beschluss vom 18. Juli 2006 � 6 A 4682/04, zu deneinschlägigen europarechtlichen Vorgaben).

Für letzteres ist hier nichts vorgetragen oder ersichtlich.

Nach diesen Maßstäben sind die Aufwendungen für dasPräparat „Ostenil“ beihilfefähig. Sie sind auf der Grund-lage der in der Bescheinigung des behandelnden Facharztesfür Orthopädie vom 14. Juni 2006 gestellten Diagnose �Retropatellararthrose beidseits, Kniegelenksbeschwerden,ausgeprägte Chondropathia patellae � als Folge einer be-handlungsbedürftigen Krankheit des Klägers entstanden.Soweit es an einer schriftlichen ärztlichen Verordnungfehlt, war eine solche entbehrlich, weil das in Rede ste-hende Hyaluronsäurepräparat dem Kläger in der Arztpra-xis selbst durch den behandelnden Facharzt injiziert wor-den ist, es sich mithin um ein „bei ärztlichen Verrichtungenverbrauchtes“ Arzneimittel handelt.

Das betreffende Mittel lässt sich � unbeschadet seiner (for-malen) Einstufung als Medizinprodukt � entgegen derAuffassung des beklagten Landes mit unter den beihilfe-rechtlichen Arzneimittelbegriff fassen. Mit Urteil vom 14.Mai 2008 � 1 A 1701/07 � hat das OVG NRW insoweit

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zu einem nach den Beihilfevorschriften des Bundes zu beur-teilenden Hyaluronsäurepräparat folgendes ausgeführt:

„Zwar trifft es zu, dass in den Beihilfevorschriften (ein-schließlich der dazu ergangenen Hinweise) eine Definitiondes Begriffs „Arzneimittel“ weder selbst enthalten nochunmittelbar aus anderen Begriffsbestimmungen ableitbarist. Allein daraus folgt aber noch nicht zwingend, dassauch im Beihilfebereich notwendigerweise und im vollenUmfang auf die Definitionen zurückzugreifen ist, die dasArzneimittelrecht � namentlich in § 2 Abs. 1 des Arznei-mittelgesetzes (AMG) � insoweit vorsieht. Dass eine derartunbesehene Komplettübernahme „Eins zu eins“ Bedenkenausgesetzt wäre, lässt sich auch der Rechtsprechung desBundesverwaltungsgerichts entnehmen. Dieses hat nämlichin seinem Urteil vom 30. Mai 1996 � 2 C 5.95 (ZBR1996, 314 � DÖD 1996, 259 � DVBl. 1996, 1149) ausge-führt, dass die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMGangesichts des ganz andersartigen Zwecks des Arzneimit-telgesetzes, welcher dahin geht, für die Sicherheit im Ver-kehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nichtohne weiteres auf das Beihilferecht übertragen werdenkönne, welches die Beteiligung des Dienstherrn an Kostender Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehöri-gen regele. Die arzneimittelrechtliche Definition komme al-lerdings „als Ausgangspunkt“ für die (eigenständige) Be-stimmung dort und im Beihilferecht verwendeter gleichlau-tender Begriffe in Betracht, und zwar letztlich mit derFolge, dass sich die Begriffe in beiden Bereichen „im We-sentlichen“ deckten. Insbesondere hat es das Bundesver-waltungsgericht in der genannten Entscheidung als (auch)den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff prägende Kenn-zeichnung angesehen, dass das in Frage stehende Mitteldazu bestimmt sein muss, seine Wirkung im Rahmen derKrankenbehandlung durch Anwendung am oder immenschlichen Körper zu erzielen. Da das streitige Produkt„Hyalubrix“ durch Injektion dem Körper des Patienten zu-geführt wird und seine Wirkungen folglich im Körper ent-faltet, bestehen hier gerade in diesem Punkt aber keineZweifel, dass es sich um ein Arzneimittel im Sinne des Bei-hilferechts handelt.

Eine andere Qualifizierung ist hier auch nicht dem Um-stand geschuldet, dass es sich bei „Hyalubrix“ � auchschon nach den Angaben des Herstellers � um ein Medi-zinprodukt (im Sinne des Medizinproduktegesetzes) han-delt und solche Medizinprodukte auf der Grundlage des§ 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG � abgesehen von einer hier nichteinschlägigen Ausnahme � keine Arzneimittel im Sinne desArzneimittelgesetzes sind. Insoweit lässt sich nämlich fürden beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff jedenfalls nichtschematisch auf denjenigen im Arzneimittelrecht als maß-geblich zurückgreifen. Der im Grundsatz vollständige Aus-schluss der Medizinprodukte aus dem Arzneimittelbegriffdes AMG ist nämlich nicht erkennbar an den objektivenStrukturen orientiert, nach denen sich die beihilferechtlicheAnerkennung von Aufwendungen für Arzneimittel im All-gemeinen orientiert. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Begriff des Medizinproduktes im Sinne von § 3 desGesetzes über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz �MPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August2002 (BGBl. I S. 3146) ist von seinen Voraussetzungen und

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Regelungszielen her insgesamt wesentlich weiter gefasst alsderjenige des Arzneimittels im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG,er schließt dabei insbesondere auch medizinische Geräteein. Geht es aber wie hier ausschließlich um den Einsatzam oder im menschlichen Körper, so ist die Einstufung alsMedizinprodukt (statt als Arzneimittel) in der Regel alleindarauf gegründet, dass die Wirkung weder durch pharma-kologisch oder immunologisch wirkende Mittel nochdurch Metabolismus erreicht wird (vgl. § 3 Nr. 1 MPG).Der Hauptunterschied zu Arzneimitteln liegt dementspre-chend darin, dass die Wirkung von Medizinprodukten pri-mär physikalisch erfolgt [vgl. hierzu etwa Bundesinstitutfür Arzneimittel und Medizinprodukte, www.bfarm.de,Suchwort: Medizinprodukte].

Für die beihilferechtliche Erstattung der Kosten von Arz-neimitteln hat demgegenüber eine „formelle“ Einordnungim vorstehend beschriebenen Sinne im Verhältnis zur mate-riellen Zweckbestimmung des jeweiligen Präparats keinemaßgebliche Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht da-rauf an, wie ein verabreichtes Mittel im Körper des Patien-ten wirkt, also etwa (bio-)mechanisch oder pharmakolo-gisch. Entsprechendes gilt für die Art und Zusammenset-zung des verwendeten Stoffes, weswegen auch der(einengende) Stoffbegriff im Sinne von § 3 AMG, der sei-nerseits den arzneimittelrechtlichen Arzneimittelbegriff mitbestimmt, nicht ohne weiteres auf das Beihilferecht über-tragen werden kann. Dafür, dass der Beihilfevorschriften-geber an all diese arzneimittelrechtlichen Feinheiten an-knüpfen wollte, fehlte jeder Anhalt. Wesentlich und letzt-lich entscheidend für die beihilferechtliche Einordnung alsArzneimittel ist statt dessen vielmehr schon die � nachwissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauungbestehende � objektive (Zweck-)Bestimmung, also die Eig-nung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlichdes darin enthaltenen Wirkstoffes, durch Einwirkung aufden menschlichen Körper der Heilung, Linderung, Verhü-tung oder Erkennung eines Krankheitszustands zu dienen,wie dies im Ausgangspunkt (vgl. § 2 Abs. 1 AMG) auchdem arzneimittelrechtlichen Arzneimittelbegriff zugrundeliegt. [vgl. in diesem oder ähnlichem Sinne auch OVGNRW, Urteil vom 28. Oktober 1999 � 12 A 315/97 �,DÖD 2000, 136 � RiA 2001, 50; Niedersächsisches OVG,Urteil vom 25. Mai 2004 � 5 LB 15/03 �, NdsRpfl 2004,303; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Mai 2005 �2 A 10106/05 �, ZBR 2006, 203, VG Aachen, Urteil vom3. Mai 2007 � 1 K 562/06 �, VG Regensburg, Urteil vom18. Februar 2008 � RO 8 K 07.1650; VG Berlin, Urteilvom 24. Oktober 2007 � 7 A 44.07 �, 13; Mildenberger,Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, § 6 BhVAnm. 8 Abs. 9; a.A. und auf der Grundlage eines engenArzneimittelbegriffs Medizinprodukte generell ausschlie-ßend: VG des Saarlandes, Urteil vom 18. März 2008 �3 K 829/07]

Eine solche Eignung kann aber Medizinprodukten, welchewie hier ihre Wirkung am oder im menschlichen Körpererzielen sollen, nicht generell und von vornherein abge-sprochen werden. Sie kann lediglich im Einzelfall zu ver-neinen sein, nämlich dann, wenn es sich um ein Mittel han-delt, dessen Einsatz eine Erfolg versprechende Heilbehand-lung nicht erwarten lässt, weil die therapeutischen

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RECHTSPRECHUNG

Wirkungen noch nicht hinreichend abgeklärt sind, es na-mentlich an allgemeiner Anerkennung der betreffendenTherapie fehlt. [vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 28. Ok-tober 1999, a.a.O.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom25. Mai 2004, a.a.O.; VG Aachen, Urteil vom 3. Mai2007, a.a.O.]

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gerichtauch für den Arzneimittelbegriff der BVO NRW in der hiermaßgeblichen Fassung an. Soweit § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1BVO in der Fassung der Verordnung vom 22. November2006, GV. NRW. S. 596) seit dem 1. Januar 2007 nunmehrnur noch „zugelassene“ Arzneimittel für beihilfefähig er-klärt und eine gesonderte Prüfung der wissenschaftlichenAnerkennung daneben nicht mehr vorsieht (vgl. auch Nr. 1der Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO, die die Vorschriftausdrücklich dahingehend konkretisiert, dass die Beihilfe-fähigkeit von Arzneimitteln deren Zulassung nach demArzneimittelgesetz voraussetzen soll), könnte das zwar da-für sprechen, dass der Verordnungsgeber nunmehr den �Medizinprodukte ausschließenden � engen Arzneimittel-begriff des AMG verwendet. Denn Medizinprodukte kön-nen zwar ebenso wie Arzneimittel einer Apotheken- undVerschreibungspflicht unterliegen, [vgl. die Verordnungüber Vertriebswege für Medizinprodukte (MPVertrV) vom17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3148), zuletzt geändertdurch Artikel 382 der Verordnung vom 31. Oktober 2006(BGBl. I S. 2407) sowie die Verordnung über die Verschrei-bungspflicht von Medizinprodukten (MPVerschrV) in derFassung der Bekanntmachung vom 21. August 2002(BGBl. I S. 3393), geändert durch Artikel 1a der Verord-nung vom 23. Juni 2005 (BGBl. I S. 1798)] ihr Inverkehr-bringen unterliegt aber � weil sie keine Arzneimittel imSinne des AMG sind � nicht der Zulassungspflicht nachdem AMG (vgl. §§ 2 Abs. 3 Nr. 7, 21 AMG) und ist auchnach dem insoweit anwendbaren Gesetz über Medizinpro-dukte (MPG) nicht von einer aufgrund behördlicher Prü-fung erfolgten Zulassung, wie sie bei Arzneimitteln erfolgt,abhängig. Ob § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO in der seit dem 1. Ja-nuar 2007 geltenden Fassung tatsächlich so wie in der An-lage 2 ausgeführt verstanden werden kann und ob der da-mit verbundene komplette Ausschluss „arzneimittelähnli-cher“ Medizinprodukte von der Beihilfefähigkeit mit derFürsorgepflicht des Dienstherrn und Art. 3 Abs. 1 GG ver-einbar wäre, kann hier aber offen bleiben. Denn die hiernoch anzuwendende Fassung der BVO enthält � ebensowie die Beihilfevorschriften des Bundes � noch keinenHinweis auf die Verwendung eines engen, mit dem arznei-mittelrechtlichen übereinstimmenden Arzneimittelbegriffs,so dass gegen eine Übertragung der Überlegungen des OVGNRW auf das Landesrecht nach der bis zum 31. Dezember2006 geltenden Rechtslage keine Bedenken bestehen. Über-tragbar ist auch die konkrete Subsumtion: Ist das Medizin-produkt Hyalubrix ein Arzneimittel im oben definierten,beihilferechtlichen Sinne, so gilt gleiches auch für das Me-dizinprodukt Ostenil. Denn beide Produkte enthalten alsHauptbestandteil eine fermentativ/biotechnologisch herge-stellte Hyaluronsäure und werden zur Behandlung vonKniegelenksarthrose bzw. degenerativen Veränderungendes Kniegelenks in derselben Weise, nämlich durch intraar-tikuläre Injektion, eingesetzt [vgl. OVG NRW, Urteil vom

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14. Mai 2008 � 1 A 1701/07 � (bezüglich Hyalubrix)sowie die von der Firma TRB Chemedica AG zur Verfü-gung gestellte „Gebrauchsanweisung Ostenil].

Die Praxis bei Leistungen für Medizinprodukte im Bereichder gesetzlichen Krankenversicherung ist schließlich für dieAuslegung des hier maßgeblichen beihilferechtlichen Arz-neimittelbegriffs bedeutungslos, zumal § 4 Abs. 1 Nr. 7BVO in der hier anzuwendenden Fassung nur in eng be-grenztem (hier nicht einschlägigen) Umfang auf das Systemder GKV verweist (vgl. Buchst. e) der genannten Vor-schrift). Daher ist auch nicht ersichtlich, warum die vombeklagten Land betonte fehlende Apothekenpflicht vonOstenil die Beihilfefähigkeit ausschließen sollte. In den hieranzuwendenden Rechtsvorschriften fehlt jeder Anhalts-punkt dafür, dass nur apothekenpflichtige Arzneimittel bei-hilfefähig sein sollten. Auf eine Verschreibungspflicht desArzneimittels kommt es nach der BVO in der hier nocheinschlägigen Fassung gleichfalls nicht an. Der Hinweis desbeklagten Landes, dass Ostenil keine arzneimittelrechtlicheZulassung nach dem Arzneimittelgesetz besitzt, trifft zwarzu, verkennt aber, dass Ostenil als Medizinprodukt einerarzneimittelrechtlichen Zulassung nach § 21 AMG garnicht bedarf (s.o.). Im Übrigen kommt es nach der hieranwendbaren Fassung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO nicht aufeine arzneimittelrechtliche Zulassung des Präparats, son-dern auf dessen � vom Rechtsanwender eigenständig fest-zustellende � wissenschaftliche Anerkennung an, für dieeine vorhandene Zulassung als Arzneimittel ggfs. ein Indizsein kann, aber nicht zwingend erforderlich ist. Die Wirk-samkeit eines Präparats zu dem angestrebten Zweck kannund muss bei Medizinprodukten auf andere Weise festge-stellt werden, z.B. durch eine ggfs. vorhandene klinischeBewertung nach § 19 MPG oder durch Sachverständigen-gutachten.

An der therapeutischen Wirksamkeit der Injektion von Hy-aluronsäure bei Kniegelenksbeschwerden bzw. Gonarth-rose bestehen keine Zweifel; es handelt sich mithin um einewissenschaftlich anerkannte Therapie. In den dem Beteilig-ten zugänglich gemachten Herstellerinformationen zumProdukt Ostenil wird die Wirkungsweise zunächst wiefolgt beschrieben: Die im Kniegelenk natürlicherweise ent-haltene Hyaluronsäure wirkt als Gelenkschmiere, sorgtalso aufgrund ihrer schmierenden und stoßdämpfenden Ei-genschaften für einen normalen schmerzfreien Bewegungs-ablauf. Bei degenerativen Gelenkerkrankungen ist dieViskoelastizität der Gelenkschmiere erheblich beeinträch-tigt, was ihre schmierende und stoßdämpfende Wirkung -mindert. Dadurch nehmen die mechanische Belastung desGelenks und der Abbau des Gelenkknorpels soweit zu,dass es im betroffenen Gelenk zu Schmerzen und einge-schränkter Beweglichkeit kommt. Eine qualitative Aufbes-serung der Gelenkschmiere durch die intra-artikuläre Ver-abreichung von hochreiner Hyaluronsäure kann die visko-elastischen Eigenschaften der Gelenkschmiere verbessern.So werden ihre schmierende und stoßdämpfende Wirkungverbessert und die mechanische Überbelastung des Gelenksverringert. Das Ergebnis ist in der Regel ein Rückgang derSchmerzen und eine Verbesserung der Gelenkbeweglich-keit. Nach den Feststellungen, die verschiedene Verwal-tungsgerichte in anderen vergleichbaren Verfahren getrof-

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fen haben [vgl. insbesondere VG Aachen, Urteil vom 3.Mai 2007, (auf der Grundlage eines dort eingeholten Sach-verständigengutachtens); vgl. auch VG Regensburg, a. a.O.und denen sich auch das OVG NRW angeschlossen hat �vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Mai 2008 � 1 A 1701/07] zählt die Gabe von Hyaluronsäure zu den inzwischenetablierten, wissenschaftlich allgemein anerkannten Thera-pien im Rahmen der Gonarthrosebehandlung, die sich un-abhängig vom nicht möglichen Nachweis chondroprotekti-ver Eigenschaften als klinisch wirksam erwiesen hat undvon nationalen und internationalen Fachgesellschaftenempfohlen wird. Der Wirkstoff Hyaluronsäure ist zudemnicht nur in Medizinprodukten enthalten, sondern auch ineinigen als Arzneimitteln zugelassenen Medikamenten, wieetwa dem auch in der sog. „Roten Liste“ aufgeführten Me-dikament „Hyalart“. Für eine beihilferechtlich gewollteunterschiedliche Behandlung des Produkts „Ostenil“ alleinwegen seiner „formellen“ Einordnung als Medizinproduktspricht unter Berücksichtigung dessen sowie mit Blick aufdie objektive Zweckbestimmung des medizinischen Einsat-zes und die Vergleichbarkeit des Wirkstoffes auch im kon-kreten Zusammenhang nichts. [vgl. ebenso: OVG NRW,a.a.O..]

Der in dem beim VG Aachen anhängig gewesenen Verfah-ren tätig gewordene Gutachter hat denn auch seine ab-schließende Einschätzung „Die Gabe von Hyaluronsäure(Hyaluronan) ist eine wissenschaftlich allgemein erkannteMethode zur Behandlung der (…) Arthrose des Kniegelen-kes“ erkennbar allgemein formuliert und die insoweit aufdem Markt befindlichen Arzneimittel und Medizinpro-dukte � deren Vielzahl ihm bekannt war � hierzu offenbarfür gleichermaßen geeignet gehalten.[vgl. „Vom Hahnenkamm zur Arthrosetherapie“, Zeit-schrift Orthopädie und Rheuma 2006, S. 48 (49), http://www.orthopaedieundrheuma.de/archiv/2006/01/or0601�

48.pdf, wo ausgeführt wird, dass sich die verschiedenenHyaluronsäurepräparate nur durch das Herstellungsver-

Keine Beihilfe für synthetische Tränenersatzflüssigkeit§ 2 AMG (in der Fassung von 1976), § 3 MPG, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BhV SL, § 98 BG SL

Leitsatz

Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, wonachMedizinprodukte im Sinne der §§ 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG(AMG 1976), 3 MPG keine Arzneimittel im Sinne von § 5Abs. 1 Nr. 6 BhV SL und die Aufwendungen hierfür dahernach der genannten Vorschrift nicht beihilfefähig sind.

Verwaltungsgericht des Saarlandes, 3. Kammer,Urt. v. 03.03.2009 � 3 K 892/08 (nicht rechtskräftig)

Aus dem SachverhaltDer Kläger ist Beamter in der Justizvollzugsanstalt und alssolcher mit einem Bemessungssatz von 50 vom Hundert

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fahren und das Molekulargewicht unterscheiden und eineeindeutige Überlegenheit einzelner Präparate im Vergleichbisher nicht nachgewiesen sei.]

Die beim Kläger vorliegende Diagnose fällt schließlichauch in das wissenschaftlich anerkannte Anwendungsge-biet von Hyaluronsäureprodukten. Bei der fachärztlich di-agnostizierten „Retropatellararthrose beidseits“ handelt essich um einen Knorpelschaden hinter der Kniescheibe.Ähnlich sind auch unter „Chondropathia patellae“schmerzverursachende degenerative Knorpelveränderun-gen an der Kniescheibe zu verstehen. Diese Diagnose stelltsich letztlich als Unterfall der Kniegelenksarthrose (in ei-nem weiteren Sinne) dar, zumal die Kniescheibe ein Be-standteil des Kniegelenks ist. [vgl. den Artikel „Kniear-throse/Kniegelenksarthrose/Gonarthrose“, www.dr-gum-pert.de/html/kniearthrose.html; ebenso OVG NRW, Urteilvom 14. Mai 2008 � 1 A 1701/07, betreffend „Chondro-pathia patellae“]

Dem entspricht schließlich, dass dem Kläger durch den be-handelnden Facharzt auch „Kniegelenksbeschwerden“ be-scheinigt worden waren, die sich nach Abschluss der Injek-tionsbehandlung mit dem Hyaluronsäurepräparat Ostenilvollständig zurückgebildet hätten. Nach alledem misst dasGericht der nicht weiter begründeten Feststellung in deramtsärztlichen Stellungnahme vom 21. Juli 2006, es liegehier „kein besonders medizinisch indizierter Fall“ vor,keine ausschlaggebende Bedeutung bei.

Bei dem anzuwendenden Beihilfebemessungssatz von 70%hat der Kläger zu den Aufwendungen für das Präparat Os-tenil in Höhe von insgesamt 446,60 Euro Anspruch aufGewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 312,62Euro.

Anmerkung für die PraxisEs erfolgt eine gemeinsame Anmerkung für das Urteil desVG Köln und des VG des Saarlandes auf S. 102 �

beihilfeberechtigt. Am 21.05.2008 (Eingangsdatum) bean-tragte er unter anderem Beihilfe zu den Aufwendungen fürdie ihm ärztlich verordneten Mittel „Tears again Augen-spray“ und „Artelac advanced“.

Mit Beihilfebescheid vom 06.06.2008 lehnte der Beklagtedie Gewährung einer Beihilfe zu den genannten Aufwen-dungen ab. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, nachNr. 4.1 der Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buchstabe a Beihilfen-Verordnung (BhVO) seien Aufwendungen für Mittel, dieentweder keine Arzneimittel seien oder deren Wirksamkeitaus therapeutischer Sicht nicht anerkannt sei, nicht beihil-fefähig.

Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchsmachte der Kläger geltend, die in Rede stehenden Mittel

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seien ihm vom Chefarzt der Augenklinik der Bundesknapp-schaft (Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäts-klinik des Saarlandes), Prof. Dr. med. M., verordnet wor-den. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangenwerden, es handele sich nicht um therapeutisch anerkannteMittel. Nach Nr. 4.1 S. 2 der Richtlinien zu § 5 Abs. 2Buchstabe a BhVO seien die Arzneimittelrichtlinien (AMR)des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen inder jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden.Gemäß Nr. 16.1 AMR seien apothekenpflichtige nicht ver-schreibungspflichtige Arzneimittel zwar grundsätzlich vonder Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Die Ver-ordnung dieser Arzneimittel sei nach § 34 Abs. 1 S. 2 SGBV aber ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel beider Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Thera-piestandard anerkannt seien. Nach Nr. 16.2 AMR sei eineKrankheit schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich seioder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verur-sachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauernachhaltig beeinträchtige. Als Therapiestandard gelte einArzneimittel gemäß Nr. 16.3 AMR, wenn der therapeuti-sche Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkran-kung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischenErkenntnisse entspreche. Nr. 16.4 AMR führe schwerwie-gende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu derenBehandlung auf. Nr. 16.4.36 AMR nenne insoweit aus-drücklich die synthetische Tränenflüssigkeit bei Autoim-munerkrankungen wie dem Sjögren-Syndrom mit deutli-chen Funktionsstörungen (trockenes Auge Grad 2), Epider-molysis bullosa, okuläres Pemphigoid, Fehlen oderSchädigung der Tränendrüse, Fazialisparese oder bei La-gophthalmus. Prof. Dr. M. habe bei ihm hohe Myopie, As-tygmatismus beidseits, Hornhautstippung beidseits, tro-ckenes Auge, Blepharitis/Meibomitis beidseits sowie Der-matochalasis beidseits diagnostiziert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2008 wurde der Wi-derspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung istausgeführt, bei der Prüfung der Beihilfefähigkeit von Auf-wendungen für Arzneimittel seien § 5 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m.§ 5 Abs. 2 BhVO sowie die Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buch-stabe a BhVO zu beachten. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 S. 1BhVO umfassten die beihilfefähigen Aufwendungen dieKosten für Arzneimittel. Nach der Rechtsprechung desBundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.12.1969, ZBR1970, 167, Urteil vom 30.05.1996, ZBR 1996, 314) seidabei von einem engen beihilferechtlichen Arzneimittelbe-griff auszugehen, so dass es keine Rolle spiele, ob ein Prä-parat nach Art und Dosierung seines Wirkstoffes, seinerDarreichungsform, seiner Bezeichnung oder seiner Präsen-tation am Markt wie ein Arzneimittel in Erscheinung treteoder im Einzelfall ein Heilerfolg darauf zurück geführtwerden könne. Mittel, die keine Arzneimittel seien, seiennicht beihilfefähig. Eine Präzisierung lasse sich dabei zu-nächst aus dem Arzneimittelgesetz entnehmen. Medizin-produkte seien wegen § 2 Abs. 3 Nr. 7 des Arzneimittelge-setzes (AMG) grundsätzlich nicht als Arzneimittel im bei-hilferechtlichen Sinne anzusehen (Urteil des VG desSaarlandes vom 15.11.2005, 3 K 288/05). Die Feststellung,ob es sich um ein beihilfefähiges Arzneimittel handele,treffe die Festsetzungsstelle anhand verschiedener Verzeich-

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nisse wie beispielsweise der „Roten Liste“. In dieser Listeseien die dem Kläger verordneten Produkte als Medizin-produkte aufgeführt. Die Aufwendungen seien daher nichtbeihilfefähig. Die Fürsorgepflicht erfordere nicht den Aus-gleich jeglicher aus Anlass von Krankheitsfällen entstande-ner Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in je-weils vollem Umfange. Der das Beihilferecht beherrschendeGrundsatz der Subsidiarität belasse dem Dienstherrn beider Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht einen erhebli-chen Spielraum, innerhalb dessen er Voraussetzungen, Um-fang sowie Art und Weise der Beihilfe bestimmen könne.Die im Rahmen der Konkretisierung der Fürsorgepflichtdurch die Beihilfevorschriften notwendige Typisierung, Ge-neralisierung und Pauschalierung könne dabei zwar imEinzelfall zu Härten und Nachteilen führen, die allerdings,solange sie nicht existenzbedrohend seien, nach der Recht-sprechung des Bundesverwaltungsgerichts hingenommenwerden müssten (BVerwGE, 57, 336, 341).

Mit am 12.09.2008 bei Gericht eingegangenem Schreibenhat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Beihilfebe-gehren weiter verfolgt.

Sein Widerspruchsvorbringen ergänzend trägt er vor, dereinmalige Betrag von 25 Euro erscheine zwar relativ ge-ring, mit den Jahren summierten sich die Aufwendungenaber auf einen nicht unerheblichen Gesamtbetrag. Seit demJahr 2004 habe er enorme gesundheitliche Probleme. Einebesonders aggressive Autoimmunerkrankung, nämlich eineseropositive chronische Polyarthritis mit lupoidem Verlauf,mache ihm arg zu schaffen. Die Nieren und die Lunge seienstark mitbetroffen gewesen. Monatelang habe er zusätzlichzu den Schmerz- und Rheumamitteln hohe Cortisongabeneinnehmen müssen. Im Blut hätten sich Doppelstrang-DNA-Antikörper in hoher Konzentration gefunden, wiedies für den LE (Lupus Erythematodes) kennzeichnend sei.Typisch für diese Verlaufsform sei die Beteiligung von Or-ganen, bei ihm in Form einer Betroffenheit der Nieren undeiner Lungen-Sarkoidose. Im CT und im Röntgenbild desThorax seien beidseits extrem vergrößerte Hili sichtbar ge-wesen. Seine Lymphknoten seien stark angeschwollen ge-wesen, so dass er sich auch in mehrjährige lungenfachärzt-liche Behandlung habe begeben müssen. Im Jahr 2008 seidie Sarkoidose nach einer schweren Infektion im Frühjahrund nach einer Sommergrippe wieder aufgeflammt. AllePatienten mit LE oder mit Sarkoidose litten sehr stark un-ter der Trockenheit ihrer Augen. In seinem Widerspruchhabe er ausführlich dargelegt, dass es sich bei seiner auto-immunstörungsbedingten Augentrockenheit um eineschwerwiegende und die Lebensqualität dauerhaft undnachhaltig beeinträchtigende Krankheit im Sinne vonNr. 16.3 der Arzneimittelrichtlinien (AMR) des Bundesaus-schusses der Ärzte und Krankenkassen handele. Mit kei-nem einzigen Wort sei sein Sachvortrag im Widerspruchs-bescheid gewürdigt worden, obwohl er unter Aufgreifender Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlichdargelegt habe, dass in seinem speziellen Fall des Sjögren-Syndroms die Synthetische Tränenflüssigkeit als Standard-therapeutikum nach Nr. 16.4.36 der AMR anerkannt sei.Stattdessen ergehe im Widerspruchsbescheid der Hinweis,es handele sich bei den von Chefarzt Prof. Dr. M. verordne-ten Arzneimitteln um „Medizinprodukte“. Dies könne er

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RECHTSPRECHUNG

beim besten Willen nicht nachvollziehen, da er unter einemMedizinprodukt einen Gegenstand verstehe, der zu medizi-nischen Zwecken für Menschen verwendet werde, wobeidie Wirkung im Unterschied zu Arzneimitteln primär phy-sikalisch erfolge. Medizinprodukte im Sinne der Richtlinie93/42/EWG seien alle einzeln oder miteinander verbundenverwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen oderandere Gegenstände einschließlich der für ein einwand-freies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetztenSoftware, die vom Hersteller zur Anwendung am Men-schen bestimmt seien. Der Beklagte lehne einen Beihilfean-spruch mit dem Argument ab, es handele sich bei den ver-ordneten Medikamenten um Medizinprodukte und damitnicht um Arzneimittel. Nur für Arzneimittel im engen bei-hilferechtlichen Sinne bestehe ein Erstattungsanspruch. DieRechtsprechung des VG des Saarlandes (3 K 829/07) bestä-tige diese Auffassung. Der Rechtsstreit 3 K 829/07 sei abernicht ganz mit seinem Fall vergleichbar. Seine Erkrankung„trockenes Auge“ sei vom Landesamt für Jugend, Sozialesund Verbraucherschutz nämlich „als Schwerbehinderung“anerkannt worden. Auch wenn die verordneten Tränener-satzmittel nach der „Roten Liste“ als „Medizinprodukte“klassifiziert sein sollten, so seien diese Mittel nach den Arz-neimittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte undKrankenkassen ausnahmsweise erstattungsfähig. NachNr. 16.4.36 AMR seien künstliche Tränen nämlich Stan-dardtherapeutika bei trockenen Augen aufgrund von Auto-immunerkrankungen. Nach der Entscheidung des OVGLüneburg vom 09.09.2008 � 5 LA 329/06 � seien „arz-neimittelähnliche Medizinprodukte“, insbesondere viskoe-lastische Substanzen (Hyaluronsäure) oder „künstlicheTränen“ erstattungsfähig. Artelac Advanced MDO ent-halte 0,24 % Hyaluronsäure. Herr Prof. Dr. M., „die wis-senschaftliche Kapazität im Saarland“, habe ihm die bei-den Mittel als Standardtherapeutika verordnet. Ohne An-wendung dieser Mittel hätte er bleibende Augen- undHornhautschäden davongetragen. In den Winkeln seinerAugenlider befänden sich schleimhaltige Verkrustungen,die Lidränder seien entzündet. Zur Linderung und Behe-bung dieser starken Beschwerden seien die verordnetenMittel bei ihm dringend erforderlich. Zur Veranschauli-chung hat der Kläger eine Fotografie zu den Akten ge-reicht.

Aus den GründenDie im Übrigen aufrechterhaltene Klage ist als Verpflich-tungsklage nach § 42 Abs. 1 Alternative 2 VwGO statthaftund auch zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Zunächst ist davon auszugehen, dass die verwaltungsge-richtliche Nachprüfung eines in Anwendung der Beihilfe-vorschriften erlassenen Verwaltungsaktes sich allein darauferstreckt, ob dieser mit den Vorschriften selbst in Einklangsteht und ob sich die Beihilfevorschriften in ihrer Anwen-dung auf den konkreten Einzelfall in den Grenzen des demDienstherrn eingeräumten Konkretisierungsermessens hal-ten, insbesondere ob eine Beschränkung der Beihilfefähig-keit von Aufwendungen mit der Fürsorgepflicht desDienstherrn und dem Gleichbehandlungsgrundsatz des

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Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (vgl. etwa BVerwG, Urteilvom 20.08.1969 � VI C 130.67 �, BVerwGE 32, 352).

Die angefochtenen Bescheide stehen mit den Beihilfevor-schriften in Einklang.

Beihilfefähig sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 BhVO (inder für den streitgegenständlichen Zeitraum noch anwend-baren, vor Inkrafttreten der Verordnung vom 08.12.2008� Amtsbl. S. 2109 � gültig gewesenen Fassung) die vomArzt nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arznei-mittel, Verbandmittel und dergleichen, abzüglich des unterBuchstaben a) bis c) jeweils aufgeführten Eigenanteils.

Hiervon ausgehend sind die vom Kläger geltend gemachtenAufwendungen für die Mittel „Tears Aain Augenspray“und „Artelac advanced MDO Tropfen“ schon nach § 5Abs. 1 Nr. 6 BhVO nicht beihilfefähig, denn es handelt sichbei den Mitteln nicht um Arzneimittel im Sinne der Vor-schrift, so dass es eines Rückgriffs auf die vom Beklagtenherangezogenen Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buchstabe a)BhVO insoweit nicht bedarf, (was allerdings die Fragenach Sinn und Zweck von Nr. 4.1 der genannten Richtli-nien sowie der jetzt in der Anlage 2 zur BhVO in der Fas-sung vom 08.12.2008 unter Nr. 4.1 enthaltenen gleichlau-tenden Regelung aufwirft, wonach Mittel, die keine Arz-neimittel sind, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossenwerden, da sich der Ausschluss von der Beihilfefähigkeitdoch nach Auffassung der Kammer schon unmittelbar aus§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BhVO und dem dort verwendeten Begriff„Arzneimittel“ ergibt).

Bei den streitgegenständlichen Mitteln handelt es sich aus-weislich der so genannten „Roten Liste“ um Medizinpro-dukte.

Medizinprodukte sind nach § 3 Nr. 1 Buchstabe a) des Me-dizinproduktegesetzes (MPG) unter anderem alle einzelnoder miteinander verbunden verwendeten Stoffe und Zu-bereitungen aus Stoffen, die vom Hersteller zur Anwen-dung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zweckeder Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlungoder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt sindund deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder ammenschlichen Körper weder durch pharmakologisch oderimmunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismuserreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mit-tel unterstützt werden kann.

Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die vom Klä-ger verwendeten Mittel „Tears again“ und „Artelac advan-ced MDO“ in der „Roten Liste“ � diese ist ein Arzneimit-telverzeichnis mit Kurzinformationen zu Humanarzneimit-teln und bestimmten Medizinprodukten, welche aus Fach-,Gebrauchs- und Produktinformationen erstellt werden undsich an medizinisch-pharmazeutische Fachkreise (Ärzte,Apotheker, Kliniken) richtet mit dem Zweck, über im Han-del befindliche Präparate zu informieren -(http://de.wikipe-dia.org/wiki/Rote�Liste�(Arzneimittel)) zutreffend als Me-dizinprodukte im Sinne des § 3 MPG aufgeführt sind.

Medizinprodukte im Sinne des § 3 MPG sind � abgesehenvon dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 2Abs. 1 Nr. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) gem. § 2Abs. 3 Nr. 7 AMG aber keine Arzneimittel.

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RECHTSPRECHUNG

Sie gehören zwar in Gestalt der hier streitgegenständlichenMittel zu den Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen, diedazu bestimmt sind, durch Anwendung an oder immenschlichen Körper Krankheiten, Leiden Körperschädenoder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu ver-hüten oder zu erkennen und unterfallen damit dem zu-nächst weiter gefassten Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1Nr. 1 AMG. § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG nimmt sie für das Arz-neimittelrecht dann aber ausdrücklich aus dem Geltungs-bereich des Arzneimittelbegriffs heraus.

Hiervon ausgehend wird in der verwaltungsgerichtlichenRechtsprechung zum Beihilferecht (mit beachtlichen Grün-den) die Auffassung vertreten, der beihilferechtliche Begriffdes „Arzneimittels“ sei mit dem engen, unter Berücksichti-gung der in § 2 Abs. 3 AMG aufgeführten Einschränkun-gen geltenden Arzneimittelbegriff des Arzneimittelrechtsnicht deckungsgleich, vielmehr könnten auch Medizinpro-dukte je nach ihrer Zweckbestimmung als Arzneimittel imbeihilferechtlichen Sinne einzustufen sein [VG Stuttgart,Urteil vom 04.12.2008 � 12 K 6410/07 � zum Medizin-produkt „Go-on“ auf Hyaluron-Basis, VG Berlin, Urteilvom 21.10.2008 � 26 A 19.07 � zu dem Medizinprodukt„Cystistat“ � Wirkstoff Natriumhyaluronat �, VG Köln,Urteil vom 23.06.2008 � 19 K 4786/06 � zu dem Medi-zinprodukt „Hyalubrix“, VG Aachen, Urteil vom03.05.2007 � 1 K 562/06 � zu dem Medizinprodukt„Susplasyn“ � Wirkstoff Hyaluron �, unter Hinweis aufOVG Koblenz, Urteil vom 09.05.2005 � 2 A 10106/05 �,ZBR 2006, 203 sowie OVG Lüneburg, Beschluss vom08.06.2004 � 11 ME 12/04 �, NVwZ-RR 2004, 840].

Demgegenüber ist nach der Rechtssprechung der erkennen-den Kammer unter Berücksichtigung der entsprechendenKommentarliteratur jedoch von einem engen, die Ein-schränkung des § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG berücksichtigendenbeihilferechtlichen Arzneimittelbegriff auszugehen, wes-halb ein Beihilfeanspruch für Medizinprodukte ausscheidet(so zuletzt Urteil der Kammer vom 18.03.2008 � 3 K 829/07 � mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 �2 C 5.95 �, ZBR 1996, 314; Urteile der Kammer vom15.11.2005 � 3 K 288/05 � betr. das Medizinprodukt„Cystistat“ und vom 27.08.2003 � 3 K 198/92 � betr.das Medizinprodukt „Fermathron“ unter Hinweis u. a. aufSchröder/Beckmann/Weber, Beihilfe-Vorschriften des Bun-des und der Länder, Teil 1/6, BhV § 6 Anm. 5 sowie unterBezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 18.12.1997 � 3 C4.96 �, DVBl. 1998, 535, und OVG Münster, Beschlussvom 14.08.2003 � 13 A 5022/00 � zur Abgrenzung vonArzneimitteln, Medizinprodukten und Kosmetika).

An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest. NachAuffassung der Kammer ist davon auszugehen, dass sichdie saarländische Beihilfeverordnung in § 5 Abs. 1 Nr. 6Satz 1 BhVO auf der als gesetzlicher Ermächtigung nun-mehr verfassungsrechtlich ausreichenden Rechtsgrundlagedes § 98 Abs. 4 SBG F. 2007 bewusst den engen Arzneimit-telbegriff des Arzneimittelgesetzes mit dem darin geregeltenAusschluss von Medizinprodukten zu Eigen gemacht hat,um so eine Angleichung der Beihilfe an die Versorgung inder gesetzlichen Krankenversicherung zu bewirken und ei-ner ausufernden Beihilfegewährung angesichts der unüber-schaubaren Vielfalt der auf dem Markt erhältlichen, der

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Gesundheit dienenden Mittel durch eine klare und � indem von der Behörde zu bewältigenden „MassenverfahrenBeihilfe“ � praktikable Abgrenzung der beihilfefähigenArzneimittel (im engeren Sinne) von den Medizinproduk-ten entgegenzuwirken.

Aus den vom Kläger zur Stützung seiner Auffassung in Be-zug genommenen Arzneimittel-Richtlinien des Bundesaus-schusses der Ärzte und Krankenkassen (AMR) ergibt sichnichts Anderes.

Die Regelung in Nr. 16 AMR, auf die der Kläger sich be-zieht, betrifft vielmehr ausdrücklich apothekenpflichtigenicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (keine Medi-zinprodukte). Dies gilt demzufolge auch für die als Unter-punkt in Nr. 16.4.36 AMR als Standardtherapeutikum beiSjögren-Syndrom aufgeführte synthetische Tränenflüssig-keit.

Die darin liegende Beschränkung der Beihilfegewährungverletzt auch weder allgemein, noch im vorliegenden Fallden Wesenskern der dem Dienstherrn gegenüber dem Be-amten obliegenden Fürsorgepflicht. Das wäre nur der Fall,wenn der Beamte mit erheblichen Aufwendungen belastetwird, die für ihn unabwendbar sind und denen er sich nichtentziehen kann. Davon kann hier keine Rede sein. Zumeinen wird der Kläger prüfen müssen, ob der von ihm be-hauptete Behandlungserfolg nicht auch durch ein � beihil-fefähiges � Arzneimittel erreicht werden kann; zum ande-ren überschreiten die finanziellen Aufwendungen nicht das,was dem Beamten insoweit zugemutet werden kann [Urteilder Kammer vom 18.03.2008 � 3 K 829/07 �; vgl. Urteileder Kammer vom 15.11.2005 � 3 K 288/05 �, vom18.10.2005 � 3 K 234/04].

Der Kläger hat folglich keinen Anspruch auf die geltendgemachte Beihilfe.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Berufung wird zugelassen.

Anmerkung für die Praxis� VG Köln (Az. 19 K 4786/06) und

VG des Saarlandes (3 K 892/08)

Einer der wesentlichen Gegenstände beider Verfahren wardie Frage, ob Medizinprodukte nach den jeweiligen landes-rechtlichen Bestimmungen beihilfefähig sind oder nicht.Dabei kam es vor allem auf die Frage an, ob im jeweiligenBeihilferecht hinsichtlich der Beihilfefähigkeit von Arznei-mitteln auf den engen Arzneimittelbegriff des § 2 Arznei-mittelgesetz (dann keine Beihilfefähigkeit der betroffenenMedizinprodukte) oder stattdessen auf einen erweitertenbeihilferechtlichen Arzneimittelbegriff abgestellt werdenmuss (dann unter Umständen Medizinprodukte als Arznei-mittel im beihilferechtlichen Sinne erstattungsfähig).

Während das VG Köln in seinem Urteil für einen beihilfe-rechtlichen erweiterten Arzneimittelbegriff plädiert, derauch bestimmte Medizinprodukte als beihilfefähig aner-kennt, sieht das VG des Saarlandes diese Frage enger undschließt Medizinprodukte aufgrund des engen arzneimittel-

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RECHTSPRECHUNG

rechtlichen Arzneimittelbegriffs kategorisch von der Beihil-fefähigkeit aus.

Das VG Köln argumentiert für einen erweiterten Arznei-mittelbegriff, dass zwar die nordrhein-westfälischen Beihil-fevorschriften keine Definition des Begriffs „Arzneimittel“enthielten. Daraus folge aber noch nicht zwingend, dassauf den Arzneimittelbegriff aus dem Arzneimittelgesetz zu-rückgegriffen werden müsse. Gegen eine solche Begriffs-übertragung ins Beihilferecht „Eins zu eins“ spreche insbe-sondere, dass bestimmte Stoffe formell nur deshalb alsMedizinprodukt eingestuft wären, weil sie weder pharma-kologisch noch immunologisch oder metabolisch wirken,sondern primär physikalisch. Für die beihilferechtliche Ein-ordnung käme es aber auf diesen Unterschied hinsichtlichder Wirkung nicht an. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte,dass der Beihilfevorschriftengeber aufgrund der unter-schiedlichen Wirkweise einen Unterschied in der Beihilfefä-higkeit machen wollte. Ausschlaggebend sei vielmehr, obdas Mittel geeignet und wissenschaftlich anerkannt für dieHeilung, Linderung, Verhütung oder Erkennung einesKrankheitszustands wäre.

Dagegen geht das VG des Saarlandes von der Anwendungdes engen arzneimittelrechtlichen Arzneimittelbegriffs aus,denn der saarländische Beihilfeverordnungsgeber habe be-wusst die Beihilfe „an die Versorgung in der gesetzlichenKrankenversicherung angleichen und eine ausufernde Bei-hilfegewährung angesichts der unüberschaubaren Vielfaltder auf dem Markt erhältlichen, der Gesundheit dienendenMittel durch eine klare und […] praktikable Abgrenzungder beihilfefähigen Arzneimittel (im engeren Sinne) vonden Medizinprodukten entgegenwirken“ wollen. Das Ge-richt stellt sich damit gegen zahlreiche gegenteilige Ent-scheidungen anderer Verwaltungs- und Oberverwaltungs-gerichte.

Im Ergebnis verkennt das VG des Saarlandes in seiner Ar-gumentation zum einen die Historie der Unterscheidungzwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie zumanderen das Erstattungsregime für Medizinprodukte imSGB V. Der Begriff des Medizinproduktes ist kein erstat-tungsrechtlicher Begriff, d.h. er existiert im SGB V nichtals eigene allgemeine Erstattungskategorie (etwa parallelzu § 31 Abs. 1 S. 1 SGB V für Arzneimittel). Dies bedeutetaber im Gegensatz zur Ansicht des VG Saarlandes nicht,

Kostenerstattung von zahnprothetischer Behandlungim EU-Ausland§§ 13 Abs. 4, 87 Abs. 1 a SGB V

Leitsatz

Der Versicherte muss vor Durchführung einer zahnprothe-tischen Behandlung im EU-Ausland der Krankenkasse dieMöglichkeit geben, die Notwendigkeit und Wirtschaft-lichkeit der erstrebten Zahnersatzversorgung anhand vonRöntgenaufnahmen und Voruntersuchungen (Vitalitäts-prüfung, Parodontalzustand usw.) zu beurteilen. Der aus-

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dass Medizinprodukte per se nicht durch die gesetzlichenKrankenkassen erstattet werden. Sie müssen allerdings zurErlangung der Erstattungsfähigkeit in eine der vorhande-nen sozialrechtlichen Erstattungskategorien (z.B. Hilfsmit-tel, Verbandmittel etc.) eingeordnet werden.

Lange Zeit war eine Vielzahl der heutigen Medizinpro-dukte nach dem ursprünglichen Arzneimittelbegriff alsArzneimittel anzusehen. Erst durch die Einführung des Me-dizinproduktegesetzes 1994 wurden diese Produkte alsMedizinprodukte „umdeklariert“. Der Gesetzgeber wollteaber hier nur die formelle sicherheitsrechtliche Einordnungändern, nicht aber die Erstattungsfähigkeit dieser Produktedurch die gesetzlichen Krankenkassen. Aus diesem Grundenthielt ab 1994 § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V a.F. eineErstattungsmöglichkeit für sog. „arzneimittelähnliche Me-dizinprodukte“. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetzzur Änderung medizinprodukterechtlicher und andererVorschriften zum 1. Juli 2008 dahingehend abgeändert,dass nunmehr beim G-BA eine Positivliste erstattungsfähi-ger Medizinprodukte geführt wird, die aus Stoffen oderStoffzubereitungen im Sinne von § 3 Nr. 1 oder 2 MPGbestehen, zur Anwendung am oder im menschlichen Kör-per bestimmt sind und deren Erstattung medizinisch not-wendig ist. Das SGB V sieht also vor, dass bestimmte Medi-zinprodukte, die gerade sich nur durch die Wirkweise vonArzneimitteln unterscheiden, aber ebenfalls aus Stoffenoder Stoffzubereitungen bestehen, wie ein Arzneimittel er-stattet werden können.

Daraus ergibt sich, dass die Argumentation des VG desSaarlandes, der Rückgriff auf den engen arzneimittelrecht-lichen Arzneimittelbegriff und der damit kategorische Aus-schluss von Medizinprodukten von der Beihilfefähigkeitsei vom saarländischen Beihilfeverordnungsgeber gewollt,um eine Gleichstellung mit der gesetzlichen Krankenversi-cherung herzustellen, so nicht richtig sein kann. Denn dasSGB V sieht gerade unter bestimmten Voraussetzungen dieErstattung von Medizinprodukten vor, die sich nur auf-grund ihrer Wirkweise von Arzneimitteln unterscheiden.Das Ergebnis und die Begründung des VG Köln erscheintvor diesem Hintergrund daher richtig.

Das Urteil des VG des Saarlandes ist nach heutigem Kennt-nisstand nicht rechtskräftig, die Berufung ist zugelassen.

Maria Heil �

ländische Zahnarzt muss nicht zwingend den im Inlandvereinbarten Vordruck des Heil- und Kostenplans verwen-den, sondern es genügt ein „Kostenvoranschlag“, ausdem die Befunde und die beabsichtigte zahnprothetischeVersorgung ersichtlich sind.

Landessozialgericht Baden-Württemberg 4. Senat,Urt. v. 17.09.2008 � L 4 KR 5472/07

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RECHTSPRECHUNG

Aus dem SachverhaltStreitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin vonder Beklagten die Zahlung von 1.810,00 EUR für in derTschechischen Republik durchgeführte zahnprothetischeBehandlung verlangen kann.

Die Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund einer versiche-rungspflichtigen Beschäftigung krankenversichert. Die Be-klagte hatte ihrem Vorbringen zufolge einen Heil- und Kos-tenplan (HKP) des Zahnarztes I. in Ö. vom 13. Juli 2004am 15. Juli 2004 genehmigt, der jedoch nicht zur Ausfüh-rung kam, da er der Klägerin zu teuer war. Nach dem Vor-bringen der Klägerin gab es auch einen HKP des Zahnarz-tes Dr. K., den die Beklagte ebenfalls genehmigt hatte, derjedoch gleichfalls nicht zur Ausführung kam. Am 02. Feb-ruar 2006 nahm die Klägerin Kontakt mit dem ZahnarztMuDr. H. (Zahnarzt) in C. in der Tschechischen Republikwegen einer zahnprothetischen Behandlung auf. DieserZahnarzt erstellte der Klägerin am 11. März 2006 einen„Kostenvoranschlag/Rechnung“ über eine zahnprotheti-sche Behandlung bezüglich mehrerer Zähne über 1.810,00EUR (Bl. 26 der Verwaltungsakte der Beklagten). Die Be-handlung wurde dann in Tschechien am 25. März 2006durchgeführt und die Klägerin bezahlte an diesem Tag h

1.810,00 EUR (Bl. 22/23 der LSG-Akte).

Mit dem Stempel des 06. April 2006 ging bei der Beklagtender genannte Kostenvoranschlag ein. Mit Schreiben vom07. April 2006 forderte die Beklagte daraufhin den Zahn-arzt zur Übersendung der notwendigen Unterlagen (u.a.Röntgenaufnahmen) auf. Eine Röntgenaufnahme wurdedaraufhin auch übersandt. Gleichzeitig bat die Beklagte dieKassenzahnärztliche Vereinigung B.-Württemberg um Be-gutachtung der vorzunehmenden prothetischen Behand-lung. Mit Schreiben vom 15. Mai 2006 teilte Zahnarzt Dr.Sch., den die Kassenzahnärztliche Vereinigung B.-Würt-temberg um die Begutachtung gebeten hatte, zum Gutach-tenauftrag mit, die Klägerin sei bereits prothetisch ver-sorgt. Die Beklagte ermittelte als Kassensatz für die durch-geführte Behandlung einen Betrag von 2.103,04 EUR (vgl.Bl. 25 der LSG-Akte).

Mit Schreiben vom 19. Mai 2006 teilte die Beklagte derKlägerin mit, es könnten Zahnersatzkosten ohne vorherigeGenehmigung nicht übernommen werden. Zahnersatzkos-ten im Ausland dürften nur in Notfällen erstattet werdenoder dann, wenn vor Beginn der Behandlung ein HKP zurGenehmigung eingegangen sei. Die Klägerin widersprachder Ablehnung der Kostenübernahme. Mit Bescheiden vom29. und 31. Mai 2006, wobei der letzte Bescheid eineRechtsbehelfsbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte noch-mals die Kostenerstattung ab, da Zahnersatzkosten imAusland nur dann übernommen werden dürften, wenn vorBeginn der Behandlung ein HKP zur Genehmigung vorge-legt worden sei. Eine andere Möglichkeit der Kostenüber-nahme sehe der Gesetzgeber nicht vor. Dagegen legte dieKlägerin Widerspruch ein. Die Auffassung der Beklagtensei offenkundig unzutreffend. Der Europäische Gerichtshof(EuGH) habe entschieden, dass ambulante Behandlungenim Ausland ohne vorherige Zustimmung der inländischenKrankenversicherung des Versicherten durchgeführt und inAnspruch genommen werden dürften. Die bei ihr durchge-

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führten Maßnahmen entsprächen auch den deutschen Be-handlungsrichtlinien und Vorgaben. Die Notwendigkeit,einen HKP vorzulegen, bestehe deshalb bereits aufgrundder europarechtlichen Vorgaben nicht. Dies ergebe sichauch nicht aufgrund der einfach gesetzlichen Regelung desdeutschen Sozialrechts. Denn gemäß den Richtlinien füreine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche zahn-vertragsärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahn-kronen sei zwar vor der Versorgung mit Zahnersatz einHKP vorzulegen. Diese Voraussetzung gelte jedoch ledig-lich für die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil-nehmenden Vertragszahnärzte. Bei einem ausländischenZahnarzt handle es sich unstreitig nicht um einen solchenVertragszahnarzt, der mithin auch keinen HKP vorzulegenhabe. Dies wäre ihm auch nicht möglich, da er nicht überdie entsprechenden besonderen Vordrucke verfüge. Im Üb-rigen liege auch eine ihr gegenüber erteilte konkrete Zu-sage und Information im Vorfeld der durchgeführten Be-handlung vor. Die Beklagte habe nämlich darum gebeten,einen Kostenvoranschlag vorzulegen. Dies habe sie auchgetan. Die Beklagte könne daher nicht im Nachhinein ver-langen, dass zunächst ein HKP zur Genehmigung vorzule-gen sei. Darauf hätte sie, die Klägerin, unmissverständlichhingewiesen werden müssen. Der bei der Beklagten gebil-dete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch derKlägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli2006). Zur Begründung führte er aus, bei einer Behand-lung in einem Land der Europäischen Union (EU) könntenVersicherte Kostenerstattung nach § 13 Abs. 4 des FünftenBuches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nur beanspruchen,wenn alle nach deutschem Recht maßgebenden Leistungs-voraussetzungen erfüllt seien. Dazu zählten, wie bei einerInanspruchnahme im Inland, beispielsweise eine vorherigeAntragstellung, die Vorlage einer ärztlichen Verordnungund gegebenenfalls eine Begutachtung. Bei Zahnersatzhandle es sich um eine genehmigungspflichtige Leistung,weshalb die im Inland vorgesehenen Antragsverfahren ein-zuhalten seien. Vor Behandlungsbeginn sei ein HKP zurGenehmigung vorzulegen. Aus diesem Plan müssten Artund Umfang des geplanten Zahnersatzes einschließlich derKosten einwandfrei erkennbar sein. Die Klägerin habe vorBeginn der Behandlung keinen HKP zur Genehmigung ein-gereicht, sondern erst nach Durchführung der Behandlung.Sie, die Beklagte, habe auch keine Kostenzusage erteilt.Diese hätte, um wirksam zu sein, schriftlich erteilt werdenmüssen (§ 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs[SGB X]).

Am 16. August 2006 erhob die Klägerin deswegen Klagebeim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Klägerin machtegeltend, im Vorfeld der beabsichtigten zahnprothetischenBehandlung in Tschechien habe sie sich bei der Beklagten,d.h. bei den Geschäftsstellen in B. und dann in B.-B., er-kundigt, ob die Kosten übernommen würden. Bei der ers-ten Vorsprache in B. habe sie erfahren,

dass für solche Fragen die Geschäftsstelle in B.-B. zustän-dig sei. Sie, die Klägerin, habe deshalb in B.-B. angerufenund nachgefragt, unter welchen Bedingungen sie sich inTschechien behandeln lassen könne. Telefonisch sei ihr er-klärt worden, dass sie einen Kostenvoranschlag vorlegenmüsse. Wenn in Tschechien alles nach den deutschen Richt-

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RECHTSPRECHUNG

linien ausgeführt werde, dann sei eine Kostenerstattungkein Problem. So habe sie sich dann auch verhalten. Siehabe sich zu dem Zahnarzt in Tschechien begeben, der dieBehandlung habe durchführen sollen. Dieser habe einenKostenvoranschlag gefertigt. Den habe sie dann zur Ge-schäftsstelle nach B.-B. gebracht; sodann sei sie am nächs-ten Wochenende nach Tschechien gefahren, um die Be-handlung durchführen zu lassen. Vom Erfordernis einervorherigen Genehmigung sei ihr telefonisch nichts mitge-teilt worden. Eine solche vorherige Genehmigung sei beieiner Behandlung in Tschechien aufgrund europarechtli-cher Vorgaben nicht erforderlich. Selbst wenn sie notwen-dig sein sollte, könne sich die Beklagte aufgrund eines Be-ratungsfehlers nicht darauf berufen, dass sie, die Klägerin,diese Genehmigung nicht abgewartet habe. Im Wege dessozialrechtlichen Herstellungsanspruchs müsse sie dann je-denfalls so gestellt werden, als ob die Genehmigung recht-zeitig eingeholt worden wäre, mit der Folge, dass derZahnersatz von der Beklagten zu übernehmen sei. Diedurchgeführte Behandlung als solche sei wohl unstreitigauch medizinisch notwendig und sinnvoll gewesen. Im Üb-rigen könne auch erwogen werden, einen Amtshaftungsan-spruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf dieBegründung des Widerspruchsbescheids.

Mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2007 wies das SGdie Klage ab. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13Abs. 4 S. 1 SGB V bestehe nicht. Danach seien lediglich dieBeschränkungen durch das Territorialitätsprinzip entfallen.Es seien jedoch alle sonstigen Leistungsvoraussetzungendes nationalen Rechts zu beachten, soweit sie weder diskri-minierend seien noch die Freizügigkeit behinderten. Ge-messen daran stehe der Forderung der Klägerin das Fehleneines genehmigten HKP entgegen. Das Erfordernis einerGenehmigung nach innerstaatlichem Recht rechtfertigesich daraus, dass einerseits die Notwendigkeit und Wirt-schaftlichkeit einer Zahnersatzversorgung anhand vonRöntgenaufnahmen und Voruntersuchungen gut beurteiltwerden könne, andererseits eine nachträgliche Prüfungnach Eingliederung des fertigen Zahnersatzes auf beson-dere Schwierigkeiten stoße. Diese Erwägungen würden ingleicher Weise für eine zahnärztliche Behandlung in Tsche-chien gelten. Auch insoweit bestehe ein nachvollziehbaresInteresse der Beklagten, eine in Aussicht genommene Ver-sorgung mit Zahnersatz vorab zu prüfen. Angesichts des-sen sei im vorliegenden Fall die Einreichung und Genehmi-gung eines gegebenenfalls formlosen HKP des tschechi-schen Leistungserbringers vor Beginn der Behandlungerforderlich. Die Klägerin könne ihren Anspruch auchnicht damit begründen, dass die Beklagte einen Beratungs-fehler begangen habe, sodass ein auf Kostenerstattung ge-richteter sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe.Denn die Kostenerstattung sei im Bereich der gesetzlichenKrankenversicherung abschließend durch § 13 SGB V gere-gelt; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts(BSG) sei ein Herstellungsanspruch insoweit ausgeschlos-sen. Auch sonst scheide Europarecht als Anspruchsgrund-lage aus.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangs-bekenntnis am 18. Oktober 2007 zugestellten Gerichtsbe-

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scheid hat die Klägerin am Berufung beim Landessozialge-richt (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, die Begründung des SGüberzeuge nicht. Nach den nationalen Regeln für die an-spruchsbegründenden Tatsachen sei es hier nicht erforder-lich, dass zwingend eine Genehmigung für die Behandlungvorher eingeholt werden müsse. Es müsse auch möglichsein, die Genehmigung nachträglich einzuholen, andern-falls könnte die Krankenkasse allein wegen eines Form-mangels unter Umständen begünstigt werden, obwohl sieder Sache nach eigentlich zur Leistung verpflichtet wäre.So liege die Sache auch in ihrem Fall. Im Übrigen werdedurch den Genehmigungsvorbehalt der ausländische Leis-tungserbringer diskriminiert. Die Vorlage eines HKP sehedas Gesetz nur für den Vertragszahnarzt vor. Ein derartigerHKP sei nach ganz bestimmten Vorgaben inländischenRechts strukturiert. Ein ausländischer Zahnarzt sei wederim Besitz der hierfür notwendigen Formulare noch habe erKenntnis von den besonderen Anforderungen des deut-schen Leistungserbringerrechts. Wenn aber für den auslän-dischen Leistungserbringer völlig unklar wäre und gegebe-nenfalls auch die Unsicherheit bestehen würde, dass selbstbei Vorlage formloser Mitteilungen eine Genehmigungnicht erteilt werden würde, könnte dies ihn davon abhal-ten, mit inländischen Leistungserbringern zu konkurrieren.Insoweit wäre eine Diskriminierung zu befürchten. Es mü-sse daher zunächst einheitlich geklärt sein, welche Unterla-gen der ausländische Leistungserbringer zur Erfüllung desinländischen Genehmigungsvorbehalts vorzulegen habeund welche Unterlagen er insoweit dem Patienten mitzuge-ben hätte. Da dies jedoch völlig ungeklärt sei und insoweiteine deutliche Verunsicherung bei den ausländischen Leis-tungserbringern bestehe, führe dies im Ergebnis dazu, dassdie Leistungen auch ohne Genehmigung erbracht werdenmüssten, jedenfalls aber, dass die Genehmigung auch nach-träglich erteilt werden könne.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialge-richts Karlsruhe vom 11. Oktober 2007 aufzuheben unddie Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31. Mai2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.Juli 2006 zu verurteilen, ihr für die am 25. März 2006 inder Tschechischen Republik durchgeführte zahnprotheti-sche Behandlung 1.810,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Siehält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Essei für sie nicht mehr exakt feststellbar, wann genau dieKlägerin den Kostenvoranschlag des Zahnarztes einge-reicht habe.

Aus den GründenDie gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin iststatthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2006 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2006 istrechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rech-ten. Sie hat keinen nach §§ 13 Abs. 4, 55 Abs. 1 S. 1 desFünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zu beurtei-lenden Anspruch auf Erstattung von 1.810,00 EUR, wieauch das SG zutreffend entschieden hat.

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RECHTSPRECHUNG

Die Klägerin hat bei ihr am 25. März 2006 entsprechenddessen „Kostenvoranschlag/Rechnung“ vom 11. März2006 zahnprothetische Behandlungen an mehreren Zäh-nen durch den Zahnarzt MuDr. H. in C. in der Tschechi-schen Republik, die seit dem 01. Mai 2004 Mitglied derEuropäischen Union (EU) ist, durchführen lassen und da-für dem Zahnarzt an diesem Tag gemäß der vorgelegtenQuittung 1.810,00 EUR bezahlt.

§ 13 Abs. 4 SGB V in der ab 01. Januar 2004 geltendenFassung bestimmt: Versicherte sind berechtigt, auch Leis-tungserbringer in anderen Staaten, in denen die Verord-nung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zurAnwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeit-nehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemein-schaft zu- und abwandern (ABl. EG Nr. L 149 S. 2), in ih-rer jeweils geltenden Fassung anzuwenden ist, anstelle derSach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung inAnspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesenPersonenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage ei-nes Pauschalbetrags zu erstatten oder unterliegen aufgrundeines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstat-tung (Satz 1). Es dürfen nur solche Leistungserbringer inAnspruch genommen werden, bei denen die Bedingungendes Zugangs und der Ausübung des Berufs Gegenstand ei-ner Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oderdie im jeweiligen nationalen System der Krankenversiche-rung eines Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versi-cherten berechtigt sind (Satz 2). Der Anspruch auf Erstat-tung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die dieKrankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zutragen hätte (Satz 3). Die Satzung hat das Verfahren derKostenerstattung zu regeln (Satz 4). Sie hat dabei ausrei-chende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungs-kosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzuse-hen sowie vorgesehene Zuzahlung in Abzug zu bringen(Satz 5). Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der me-dizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einerKrankheit nur in einem anderen Mitgliedsstaat der EUoder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens überden Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann dieKrankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlungganz übernehmen (Satz 6). In § 15 Abs. 3 (vgl. auchAbs. 4) ihrer Satzung hat die Beklagte auch Regelungen zurKostenerstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V getroffen. Da-nach werden Versicherten die Kosten von Leistungen, diein anderen Staaten, in denen die Verordnung (EWG)Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 in ihrer jeweili-gen Fassung anzuwenden ist, in Anspruch genommen wer-den, nach Maßgabe des § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V erstattet,wenn die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung imInland erfüllt sind. Der Gesetzgeber hat mit § 13 Abs. 4SGB V die Rechtsprechung des EuGH nachvollzogen, wo-nach die Grundsätze des freien Warenverkehrs nachArt. 49 EG-Vertrag auch im Bereich der sozialen Sicherheitmit der Konsequenz gelten sollten, dass sich VersicherteVersicherungsleistungen gegen Kostenerstattung zu Lastenöffentlich-rechtlicher Versicherungsträger selbst beschaffenkönnen, mithin ein nationales Sachleistungssystem nichtden Kostenerstattungsanspruch hindert. Das Bundessozial-gericht (BSG) hatte insoweit auch schon zu der bis 31. De-

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zember 2004 geltenden europarechtlichen Rechtslage zurgrenzüberschreitenden im EU-Bereich in Anspruch genom-menen Krankenbehandlung entschieden, dass der unterdem Blickwinkel des Europarechts ergebende Kostenerstat-tungsanspruch zwar zu einer Modifikation des § 13 Abs. 3SGB V geführt hätte, ohne dass dessen Regelungsgehalt da-mit gänzlich aufgehoben worden wäre. Denn die europäi-sche Dienstleistungsfreiheit setzt das nationale Recht nurinsoweit außer Kraft, als es gegen das Diskriminierungsver-bot verstößt; Leistungsvoraussetzungen und Begrenzungendes Leistungsumfangs sollten dagegen uneingeschränkt gel-ten, wenn und solange sie nicht diskriminierend wirkten.Infolgedessen war der deutsche Versicherte bei im EU-Aus-land selbst beschafften Leistungen nicht verpflichtet oderauch nur gehalten, sich vor der grenzüberschreitenden In-anspruchnahme von Gesundheitsleistungen im EU-Aus-land bei seiner Krankenkasse zu vergewissern, ob die be-gehrte Krankenbehandlung mit geringerem Kostenauf-wand erhältlich ist, ob sie nach Art und Qualität zumLeistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ge-hört oder ob mit ihr ein gesundheitliches Risiko eingegan-gen wird.

Der Senat geht zwar davon aus, dass hier der Zahnarzt dieVoraussetzungen des § 13 Abs. 4 S. 2 SGB V erfüllt hat, ermithin ein entsprechender Leistungserbringer im EU-Aus-land war. Dies hat auch die Beklagte nicht bestritten, in-dem sie nach Vorlage des Kostenvoranschlags das

Genehmigungsverfahren mit Begutachtung durchführenwollte. Auch steht dem Kostenerstattungsanspruch § 13Abs. 4 S. 1 2. Halbsatz SGB V („es sei denn … „) nichtentgegen, denn die Klägerin war keine so genannte Resi-dentin, bei der es zu einer nicht gerechtfertigten Doppel-leistung (Pauschale und Kostenerstattung) der Beklagtenhätte kommen können. Auch ein Fall des § 13 Abs. 4 S. 6SGBV ist nicht gegeben. Dem Kostenerstattungsanspruchsteht jedoch entgegen, dass die Klägerin der Beklagten vorDurchführung der zahnprothetischen Behandlung nicht dieMöglichkeit gegeben hat, die Notwendigkeit und Wirt-schaftlichkeit der erstrebten Zahnersatzversorgung anhandvon Röntgenaufnahmen und Voruntersuchungen (Vitali-tätsprüfung, Parodontalzustand usw.) zu beurteilen unddiese Beurteilung auch nicht abgewartet hat.

Nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB V umfasst die Kranken-behandlung die Versorgung mit Zahnersatz einschließlichZahnkronen und Suprakonstruktionen. § 55 SGB V regeltinsoweit nach den Grundsätzen der Sachleistung den An-spruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizi-nisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließ-lich Zahnkronen und Superkonstruktionen (zahnärztlicheund zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in deneneine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und diegeplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäߧ 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist (Abs. 1 S. 1 der Vor-schrift). Nach § 87 Abs. 1a S. 1 SGB V in der ab 01. Januar2005 (bis 30. Juni 2008) geltenden Fassung ist bestimmt:In dem Bundesmantelvertrag haben die Kassenzahnärztli-che Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Kran-kenkassen festzulegen, dass die Kosten für Zahnersatz ein-schließlich Zahnkronen und Superkonstruktionen, soweitdie gewährte Versorgung der Regelversorgung nach § 56

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RECHTSPRECHUNG

Abs. 2 SGB V entspricht, gegenüber den Versicherten nachAbs. 2 abzurechnen sind. Ferner ist in den Sätzen 2ff. derVorschrift bestimmt: Darüber hinaus sind im Bundesman-telvertrag folgende Regelungen zu treffen: Der Vertrags-zahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreienHeil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Re-gelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgungauch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art,Umfang und Kosten beinhaltet. Im Heil- und Kostenplansind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zumachen. Der Heil- und Kostenplan ist von der Kranken-kasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen. Die Kranken-kasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit unddie geplante Versorgung begutachten lassen. Bei bestehen-der Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkassedie Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGB V ent-sprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenenBefund. Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Ver-tragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Fest-zuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 SGB Vmit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Der Ver-tragszahnarzt hat bei Rechnungslegung eine Durchschriftder Rechnung des gewerblichen oder des praxiseigenen La-bors über zahntechnische Leistungen und die Erklärungnach Anhang VIII der Richtlinie 93/42 EWG des Ratesvom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl EG Nr. L169 S. 1) in der jeweiligen Fassung beizufügen. Der Bun-desmantelvertrag regelt auch das Nähere zur Ausgestal-tung des Heil- und Kostenplans, insbesondere muss ausdem Heil- und Kostenplan erkennbar sein, ob die zahn-technischen Leistungen von Zahnärzten erbracht werdenoder nicht. Dieser der Krankenkasse vorzulegende, von ihrzu prüfende und zu genehmigende HKP des Vertragszahn-arztes soll der Krankenkasse Gelegenheit geben, die vorge-sehene Versorgung mit Zahnersatz vorab auf ihre Notwen-digkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zuüberprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, umauf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regelmit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen steu-ern zu können. Abweichend vom Regelfall der Krankenbe-handlung müssen insoweit zahnprothetische Versorgungenvor ihrer Realisierung von der Krankenkasse genehmigtwerden. Das Genehmigungserfordernis rechtfertigt sich da-raus, dass einerseits die Notwendigkeit und Wirtschaftlich-keit einer Zahnersatzversorgung anhand von Röntgenauf-nahmen und Voruntersuchungen (Vitalitätsprüfung, Paro-dontosezustand usw.) gut vorab beurteilt werden kann,andererseits eine nachträgliche Prüfung nach Eingliederungdes fertigen Zahnersatzes auf besondere Schwierigkeitenstoßen würde. Dieses Genehmigungserfordernis erscheintals zwingende Voraussetzung für den Leistungsanspruchdes Versicherten (vgl. BSG SozR 4�1500 § 55 Nr. 1 Rdnr10).

Zwar wenden sich die Regelungen des § 87 Abs. 1a SGBV und des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte (BMV-Z) mitseinen Anlagen, insbesondere mit der Anlage 3 für denHeil- und Kostenplan und der Anlage 12 (Vereinbarungüber das Gutachterverfahren bei der Versorgung mit Zahn-ersatz und Zahnkronen), an die (inländischen) Vertrags-zahnärzte. Auch lässt sich aus § 13 Abs. 4 SGB V herleiten,

MPR 3/2009 107

dass der deutsche Versicherte bei im EU-Ausland selbst be-schafften Leistungen nicht verpflichtet oder auch nur ge-halten ist, sich vor der grenzüberschreitenden Inanspruch-nahme von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland bei sei-ner Krankenkasse zu vergewissern, ob die begehrteKrankenbehandlung mit geringerem Kostenaufwand er-hältlich ist, ob sie nach Art und Qualität zum Leistungsum-fang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört oder obmit ihr ein gesundheitliches Risiko verbunden ist. Vom ge-nannten Zweck des (vorher zu genehmigenden) HKP herergibt sich jedoch auch für die Inanspruchnahme vongrenzüberschreitenden zahnprothetischen Behandlungenim EU-Ausland, dass der Krankenkasse vor Durchführungdieser Auslandsbehandlung die Möglichkeit gegeben wer-den muss, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatzvorab auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirt-schaftlichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls begut-achten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruch-nahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenenZahnersatzleistungen steuern zu können. Dieses Erforder-nis, zumal eine nachträgliche Überprüfung nach Eingliede-rung des fertigen Zahnersatzes auf besondere Schwierigkei-ten stoßen würde, rechtfertigt sich vor allem auch im Hin-blick auf den ab 01. Januar 2005 bestehenden Anspruchauf befundbezogene Festzuschüsse nach § 55 Abs. 1 S. 1SGB V. Durch dieses Erfordernis, der Krankenkasse einevorherige Prüfung ermöglichen zu können, das nicht nureine verfahrensrechtliche Funktion hat, sondern zwingendeVoraussetzung für den Leistungsanspruch nach § 55 Abs. 1S. 1 SGB V ist, wird die europäische Dienstleistungsfreiheitbei Zahnersatzleistungen nicht beeinträchtigt. Es ergibtsich keine Diskriminierung. Diese ergibt sich nicht daraus,dass der ausländische Zahnarzt nicht über die inländischenFormulare für den HKP (Anlage 1 und 2 der Anlage 3 zumBMV-Z) verfügen mag. Es muss nicht zwingend dieser in-ländisch vereinbarte Vordruck vom ausländischen Zahn-arzt verwendet werden, sondern es genügt ein „Kostenvor-anschlag“, aus dem die Befunde und die beabsichtigtezahnprothetische Versorgung ersichtlich sind, wie dies imvorliegenden Fall durch MuDr. H. erfolgte. Weder gegen-über der Klägerin noch gegenüber dem Zahnarzt hat dieBeklagte darauf bestanden, dass inländische Vordrucke desHKP hätten verwendet werden müssen. Durch die Vorge-hensweise der Beklagten nach Erhalt des Kostenvoran-schlags des Zahnarztes, indem sie mit Schreiben vom 07.April 2006 die Begutachtung der vorgesehenen protheti-schen Behandlung („Bitte ein Privatgutachten erstellen, daHeil- und Kostenplan aus Tschechien“) unter Anforderung„notwendiger Unterlagen (Röntgenaufnahmen usw.)“ beidem EU-Zahnarzt veranlassen wollte, wird auch bestätigt,dass das Genehmigungserfordernis hier zu keiner Beein-trächtigung der Tätigkeit dieses EU-Zahnarztes bzw. zudessen Diskriminierung gegenüber einem inländischen Ver-tragszahnarzt führt.

Der Klägerin war es zuzumuten, den von Dr. H. erstellten„Kostenvoranschlag/Rechnung“ vom 14. März 2006 vorDurchführung der Behandlung am 25. März 2006 bei derBeklagten einzureichen, um so die Prüfung der Notwendig-keit und Wirtschaftlichkeit zu ermöglichen, sei es auch an-hand von Röntgenaufnahmen und Voruntersuchungen,

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wie von der Beklagten beabsichtigt. Der Senat vermagnicht festzustellen, dass die Klägerin den „Kostenvoran-schlag/Rechnung“ des MuDr. H. überhaupt vor dem 25.März 2006 bei der Beklagten eingereicht hat. Der Ein-gangsstempel darauf vom 06. April 2006 und die nachfol-genden Schreiben der Beklagten vom 07. April 2006 anden Zahnarzt wegen der Übersendung von zu prüfendenUnterlagen sowie an die Kassenzahnärztliche VereinigungBaden-Württemberg wegen der Begutachtung der vorzu-nehmenden prothetischen Behandlung ergeben vielmehr,dass der „Kostenvoranschlag/Rechnung“ ersichtlich erstnach dem 25. März 2006 bei der Beklagten eingereichtwurde. Auf jeden Fall hat die Beklagte, selbst wenn derBeklagten der „Kostenvoranschlag/Rechnung“ vor dem25. März 2006 vorgelegen hätte, das von der Beklagteneingeleitete Genehmigungsverfahren/Gutachtenverfahren,in das der Zahnarzt aufgrund des Schreibens vom 07. April2006 eingebunden war und dem die Klägerin sich ohneWeiteres hätte unterziehen können, zumal ihr das Geneh-migungsverfahren ersichtlich auch bekannt war, nicht ab-gewartet. Anhaltspunkte für eine Notfallbehandlung liegennicht vor. Darauf, dass der von der Klägerin aufgewendeteBetrag niedriger war, als der von der Beklagten angegebeneFestzuschuss, kommt es nicht an.

Auf einen Beratungsmangel, dass die Klägerin nicht auf dieNotwendigkeit der vorherigen Genehmigung/Begutach-tung eines einzureichenden HKP des Zahnarztes hingewie-sen worden sein könnte, kann die Klägerin einen Kostener-stattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V ebenfalls nichtstützen, wie das SG zutreffend unter Verweis auf die Recht-sprechung des BSG (SozR 2500 § 13 Nr. 8) ausgeführt hat.

Danach war die Berufung zurückzuweisen. Die Revisionwird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssachenach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

Anmerkung für die PraxisDas LSG Baden-Württemberg beschäftigt sich im vorlie-genden Urteil mit der Frage, ob die Kostenerstattung einerzahnprothetischen Behandlung im EU-Ausland nach § 13Abs. 4 SGB V durch eine gesetzliche Krankenkasse mit derBegründung der fehlenden vorherigen Genehmigung desKostenvoranschlags verweigert werden kann.

Bei zahnprothetischen Behandlungen handelt es sich umLeistungen, die im Inland gemäß § 87 Abs. 1a S. 4 SGB Vvor Beginn der Behandlung auf Grundlage eines Heil- undKostenplans (HKP) auf ihre Notwendigkeit, Zweckmäßig-keit und Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden müssen.Zwar gilt diese Verpflichtung zunächst nur für Leistungen,die im Inland von Vertragsärzten erbracht werden. Dennnur auf diese ist das Regelungswerk des SGB V überhaupt

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anwendbar. Dennoch stellt das LSG Baden-Württembergfest, dass dieses Genehmigungserfordernis auch dann gilt,wenn sich der Patient dafür entscheidet, die Behandlungdurch einen ausländischen Zahnarzt im EU-Raum durch-führen zu lassen.

Das Gericht begründet seine Entscheidung folgenderma-ßen: Da die Behandlung im Ausland zunächst nicht demSachleistungsanspruch des Patienten nach SGB V unter-liegt, kommt nur eine Kostenerstattung dieser Leistungnach § 13 Abs. 4 SGB V in Betracht. Das LSG Baden-Württemberg geht zwar davon aus, dass Versicherte fürdas Vorliegen des Leistungsanspruchs nach § 13 Abs. 4SGB V grundsätzlich nicht verpflichtet sind, sich vor derInanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im EU-Aus-land bei der Krankenkasse über die leistungsrechtliche Si-tuation zu informieren. Dennoch müsse aber gerade imkonkreten Fall der zahnprothetischen Behandlungen derKrankenkasse nach Sinn und Zweck des HKP vorab Gele-genheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mitZahnersatz zu überprüfen und begutachten zu lassen. Des-halb sei vom Versicherten die Genehmigung durch dieKrankenkasse abzuwarten. Diese Vorgehensweise sei ge-genüber den ausländischen Zahnärzten nicht diskriminie-rend, diese könnten insbesondere einen formlosen Kosten-voranschlag einreichen und müssten keine Vordrucke ver-wenden, die für inländische Vertragszahnärzte vorgesehensind.

In der Praxis bedeutet dies für die Versicherten, dass siezwar generell keine Informationspflicht hinsichtlich derleistungsrechtlichen Situation trifft, sie sich aber dennochvor Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland zumindest bei ihrer Krankenkasse darüber infor-mieren müssen, ob für die angestrebte Gesundheitsleitungim Inland Genehmigungserfordernisse bestehen. Ist diesder Fall, tun sie gut daran, die jeweilige Genehmigungdurch die Krankenkasse einzuholen bzw. diese abzuwarten.

Das Urteil ist vom Ergebnis her nachvollziehbar. Es gibtkeinen Grund, Pflichten, die den Versicherten im Inlandtreffen, als nicht anwendbar anzusehen, nur weil der Versi-cherte entscheidet, sich im EU-Ausland behandeln zu las-sen. Die rechtliche Begründung des Urteils vermag aller-dings nur teilweise zu überzeugen, denn sie benennt nurwage den Zweck des HKP als Grund, warum der Versi-cherte gerade im vorliegenden Fall trotz fehlender grund-sätzlicher Informationspflicht hinsichtlich der leistungs-rechtlichen Situation aufgrund der fehlenden Genehmigungkeinen Anspruch auf Erstattung der Leistungen hat. Eswäre hier zu begrüßen gewesen, wenn das Gericht allge-meinere Grundsätze aufgestellt hätte, die den Versichertenzukünftig als Leitlinien dienen können.

Maria Heil �

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MPR Aktuell

Abs. 1 Satz 1 SGB V geregelt und da-her nicht Gegenstand des Abschnittes Ider Arzneimittel-Richtlinie.

Verbandmittel sind Produkte, die dazubestimmt sind, oberflächengeschädigteKörperteile zu bedecken oder derenKörperflüssigkeit aufzusaugen. Diessind z.B. Wund- und Heftpflaster(„Pflasterverbände“), Kompressen,Mittel zur feuchten Wundversorgung,Mull- und Fixierbinden, Gipsver-

Ausschreibungsstopp bei den BetriebskrankenkassenDie Betriebskrankenkassen (BKK) ha-ben die Ausschreibungsverfahren fürableitende Inkontinenzhilfen aufgeho-ben. Damit reagierte der BKK Landes-verband Niedersachsen-Bremen undspectrum K auf zahlreiche Beschwer-den von Hilfsmittelnutzern und pfle-genden Angehörigen. In letzter Zeitwar es immer wieder zu Problemen beider Versorgung von Versicherten mitmedizinischen Hilfsmitteln nach Aus-schreibungsverfahren gekommen. Da-raufhin haben nun schon einige Kran-kenkassen ihre Konsequenzen gezogen.Im Februar wurde ein Fall bekannt, beidem die AOK Hessen einem Vertrags-partner kündigte. Nach Informationender BKK können ihre versicherten In-kontinenzbetroffenen jedoch trotz dernun ebenfalls erfolgten Ablehnung derAusschreibungsverfahren für ablei-tende Inkontinenzhilfen beruhigt sein,da sie weiterhin selbst entscheidenkönnen, welches Homecare-Unterneh-men oder Sanitätshaus ihre Versorgungmit Kathetern übernehme. Außerdemkönnten die Versicherten selbst bestim-

Zukunftsbranche: MedizintechnikAm 24. und 25. Juni 2009 findet inJena ein Symposium zur „Zukunfts-konferenz Medizintechnik“ statt. Dazulädt unter anderem das Bundeswirt-schaftsministerium, das Wirtschaftsmi-nisterium das Landes Thüringen, dasBundesforschungsministerium und der

MPR 3/2009 III

bände, Mullkompressen, Nabelkom-pressen, Stütz-, Entlastungs-, Steif-oder Kompressionsverbände sowieVerbandmittel zum Fixieren oder zumSchutz von Verbänden. Zu den Ver-bandmitteln zählt auch das Trägerma-terial, das arzneilich wirkende Stoffefür oberflächengeschädigte Körperteileenthält.“Das Gleiche gilt nach dem BVMedauch für den Bereich der enteralen Er-nährung. Die hiervon erfassten bilan-

men, wer sie bei der Auswahl und imUmgang mit ihren Hilfsmitteln schulenund beraten soll.Bisher traf die Krankenkassen die ge-setzliche Verpflichtung, Verträge mitHilfsmittelanbietern öffentlich auszu-schreiben. Der Bewerber, gegenüberdem der Zuschlag der Ausschreibungergangen war, war dann exklusiverVertragspartner der Krankenkasse. DieKrankenkasse wählte in der Regel dengünstigsten Anbieter. Die Konsequenzdes Preiskriteriums war jedoch, dassbei der Qualität und dem Service ge-spart wurde.Zahlreiche Krankenkassen kommennun in Verlegenheit. Laut Pressemittei-lung des „Bündnis-Meine-Wahl.de“wird die Kostenersparnis auf dem Rü-cken der Versicherten ausgetragen. DieFälle, in denen beispielsweise Inkonti-nenz-Vorlagen nicht rechtzeitig oder inzu geringen Mengen geliefert werden,häufen sich; Bettlägerige können nichtdie optimalen Hilfsmittel zur Dekubi-tus-Vorsorge erhalten und Quer-schnittsgelähmte erhalten ungeeigneteRollstühle.

BVMed ein. Experten aus Wirtschaft,Wissenschaft und Politik wollen dortüber die aktuelle Lage und die Zu-kunftsaussichten der Medizintechnik-branche in Deutschland diskutieren.Die Medizintechnik ist ein innovativerund schnell wachsender Markt welt-

zierten Diäten, die weder Medizinpro-dukt noch arzneimittelähnliche Medi-zinprodukte sind, werden in dieVersorgung mit Arzneimitteln nach§ 31 SGB V einbezogen. Damit sei klar,dass auch Produkte der enteralen Er-nährung nicht von der Neuregelung fürarzneimittelähnliche Medizinproduktebetroffen seien, so der BVMed.

(Quelle: BVMed)

Diese Entwicklungen führten nundazu, dass die Betriebskrankenkassenihre Ausschreibungsverfahren für ab-leitende Inkontinenzhilfen gestoppt ha-ben. Das Vorgehen der BKK’s ist ge-setzlich legitimiert, da es sei Anfangdiesen Jahres den Krankenkassen wie-der erlaubt ist, offene Verträge abzu-schließen, denen alle qualifiziertenLeistungserbringer beitreten können.Das Wahlrecht der Versicherten soll so-mit gewahrt bleiben. „Die hohen Qua-litätsziele, die wir an unsere Vertrags-partner stellen, können wir nur umfas-send und flächendeckend sicherstellen,indem wir die Ausschreibung aufhebenund nun Verträge mit geeigneten Ver-tragspartnern schließen, die nah amVersicherten sind“, so Hans-HermannRunge, Vorstandsvorsitzender desBKK Landesverbandes Niedersachsen-Bremen. Versorgungsprobleme, wieLieferengpässe, mangelnde Qualitätvon Produkten und fehlende Beratungwürden so den BKK-Versicherten er-spart bleiben.

(Quelle: www.buendnis-meine-wahl.de)

weit. Deutschland nimmt dabei im Be-reich der Patente und dem Welthan-delsanteil den zweiten Platz hinter denUSA ein. Medizintechnikhersteller inDeutschland erzielen ein Drittel ihresUmsatzes mit Produkten, die höchstensdrei Jahre alt sind. Nach Ansicht des

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MPR Aktuell

BVMed sei es deshalb sehr wichtig,dass neue Produkte und Verfahren zü-gig eingeführt werden können, damitder Branche ihre Dynamik erhaltenbleibe.

So nahm das Klinikum der UniversitätMünchen kürzlich einen neuen 2-Röh-ren-128-Zeilen-Computertomograph inBetrieb. Diese Installation ist die zweiteInstallation weltweit. Das Institut fürKlinische Radiologie der Uni-Klinik in-vestiert laufend in die Medizintechnik,um eine medizinische Versorgung aufhöchstem Niveau zu gewährleisten unddem Patienten mehr Sicherheit zu bie-ten. Das Klinikum hat 2007 etwa 57Millionen an Drittmitteln erworben. Bei

Ergebnisse der MedTech Kompass Umfrage zum Thema„Healthcare Compliance“Das Institut OmniQuest hat im Auf-trag des MedTech Kompass desBVMed eine Umfrage bei deutschenKrankenhäusern zum Thema „Health-care Compliance“ durchgeführt. Da-nach wünschen sich die deutschenKrankenhäuser feste Ansprechpartnerund klare Regeln für die Zusammenar-beit mit der Industrie. An der Befra-gung hatten im März 2009 insgesamt200 Verwaltungsdirektoren, ÄrztlicheDirektoren, Chefärzte und Einkaufslei-ter von größeren deutschen Kranken-häusern teilgenommen.

94 Prozent der Befragten halten die Zu-sammenarbeit von Kliniken und Unter-nehmen für sehr wichtig bzw. wichtig.Die hohe Prozentzahl macht deutlich,dass die Umfrage ein aktuelles Themamit hoher Relevanz behandelt. Eine guteund effektive Kooperation zwischenKrankenhäusern, Ärzten und den Her-stellern der Medizinprodukteindustrie

IV MPR 3/2009

dem neuen CT rotieren zwei Röntgen-röhren gleichzeitig um den Körper. Da-durch ist das Gerät bei bestimmten An-wendungen um ein Vielfaches schnellerwie derzeit gängige Modelle. Diese In-novation ermöglicht es, Organe wieHerz oder Gehirn in Bruchteilen einerSekunde 4-dimensional (3D plus Zeit)zu erfassen. Außerdem können auchFunktionsstörungen z.B. in Blutgefäßensichtbar gemacht werden. Hinzukommt, dass das CT mit einer reduzier-ten Strahlendosis arbeitet. So gibt dasneue CT eine Dosis von nur ein bis zweiMilli-Sievert (mSv) ab, während diedurchschnittliche Strahlenbelastung beieinem Herz-Scan üblicherweise zwi-schen fünf und 20 mSv liegt.

ist heutzutage unerlässlich. Über 80 Pro-zent geben dabei an, dass das Thema„Zusammenarbeit von Krankenhausund Industrie“ in ihrem eigenen Hausrelevant ist: Es gebe dabei einen hohenInformationsbedarf zum Thema sowieein Bedürfnis nach personellen bzw.strukturellen Verantwortlichkeiten imBereich Kooperationen. Für zwei Drittelder Befragten ist laut den Ergebnissender Umfrage ein Ansprechpartner fürHealthcare Compliance wichtig.

Über 60 Krankenhaus- und Unterneh-mensvertreter nehmen an dem im Ja-nuar 2008 gegründeten Netzwerk von„Healthcare Compliance Ansprech-partnern“ des BVMed teil. Der Zweckder damit verbundenen Informations-und Präventionskampagne dient derEntwicklung einer transparenten undguten Zusammenarbeit von medizini-schen Einrichtungen, Ärzten und derMedTech-Industrie.

Auch das Klinikum für Nuklearmedi-zin in Münster hat Anfang Mai einneues Diagnosesystem vorgestellt. Mitdem „SPECT/CT-System“ (Single Pho-ton Emission Computer Tomography)ist ein neues Verfahren zur schichtwei-sen Untersuchung des Herzmuskelge-webes möglich. „Die Möglichkeiten zueiner frühzeitigen, risikofreien undfundierten Diagnostik werden dadurchweiter deutlich verbessert“, erklärteProf. Dr. Michael Schäfers (EuropeanInstitute of Molecular Imaging, WWUMünster).

(Quelle: www. zukunft-medizintechnik.de,www.radiologie-imu.de, www.nukmed.kli-nikum.uni-muenster.de)

Konkrete Instrumente zur Sicherstellungerlaubter Kooperationen und vor allemklare Regelungen der Zusammenarbeitwünschen sich 80 Prozent der Umfrage-teilnehmer. Der vom MedTech Kompasserstellte Kodex „Medizinprodukte“ mitErläuterungen zu den vier grundlegendenPrinzipien für die Zusammenarbeitsowie Mustervertragselementen und„Best Practice“- Beispielen aus Kranken-häusern und Unternehmen könnte dabeihilfreich sein. Gemeinsam mit Kranken-kassen-, Krankenhäuser- und Ärztever-bänden wurden der ,Kodex Medizinpro-dukte‘, der ,Gemeinsame Standpunkt‘und Mustervertragselemente zur Zusam-menarbeit entwickelt. „Diese etabliertenRegeln sorgen für mehr Klarheit undTransparenz bei den rechtlichen Rah-menbedingungen,“ erklärte Joachim M.Schmitt, Geschäftsführer und Vorstands-mitglied des BVMed.

(Quelle: BVMed)