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156 ZEITSCHRIFT FÜR TECHNIK IM UNTERRICHT E 3915 Neckar-Verlag 2. Quartal 2015 ISSN 0342-6254

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156ZEITSCHRIFT FÜR TECHNIK IM UNTERRICHT

E 3915

Neckar-Verlag 2. Quartal 2015

ISSN 0342-6254

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Impressum tu:Inhalt

tu156/2.Quartal2015

ZeItschrIftfürtechnIkImUnterrIcht

–40.Jahrgang–

tu:„technikimUnterricht“erscheintvierteljährlich. sammelanschriftfürVerlag,Anzeigenundredaktion:neckar-VerlagGmbh,klosterring1,78050Villingen-schwenningen,oderPostfach1820,78008Villingen-schwenningen,telefon(07721)8987-0,telefax(07721)8987-50;e-mail:[email protected],Internet:http://www.neckar-verlag.deherausgegebenvomneckar-VerlagGmbhinZusammenarbeitmitBurkhardsachs;begründetinZusammenarbeitmitAuguststeidle,73557mutlangenVerantwortlichfürdieAuswahlundBearbeitungdermanu-skripte:Burkhardsachs,Lichtenbergstr.18,79114freiburgimBreisgau;tel.(0761)83759,fax(0761)8975283,e-mail:[email protected]/herstellung:Dietmarschenk,tel.(07721)8987-22,e-mail:[email protected]:silviaBinninger,www.designxbinninger.demarketing/Anzeigenleitung/Verkauf:ritariedmüller,telefon(07721)8987-44,e-mail:[email protected]:beimVerlag,e-mail:bestellungen@neckar-verlag.deesgiltdieAnzeigenpreislistenr.7vom01.05.2014Druck:Gulde-DruckGmbh&co.kG,72005tübingeneinzelheft6,80 €zuzüglichVersandkosten;Jahresabonnement24,00 €zuzüglichVersandkosten;Abbestellung8WochenvorJahresendeschriftlichhonorierteArbeitengehenindasuneingeschränkteVerfügungs-rechtdesVerlagesüber.nachdruckundgewerblicheVerwer-tungnurmitschriftlicherGenehmigungdesVerlages.DiesgiltauchfürdiegewerblicheVervielfältigungperkopie,dieAuf-nahmeinelektronischeDatenbankenundmailboxensowiefürVervielfältigungenaufelektronischenDatenträgern. LetzterAnnahmetagfürAnzeigenundredaktionsschlussistder10.imerstenmonatdesQuartals.

mItArBeIterDIesesheftes

Dietrichkadell,LotharGeorgi,e-mail:[email protected]

Prof.Dr.Peterröben,e-mail:[email protected]

Burghardsachs,e-mail:[email protected]

Prof.Dr.Winfriedschmayl,e-mail:[email protected]

WolfgangZeiller,e-mail:[email protected]

tIteLseIte:AbbildungenausdenBeiträgenvonD.kadellundL.Georgi,P.röben,W.schmayl

InhALt

tu:fachdidaktik

BUrkhArDsAchstechnischeBildungindernaturwissenschaftsfalle!?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

tu:sachinformationen

PeterröBenWasmanausderGeschichtederhalbleiter-undWindkrafttechniküberdasVerhältnisvontechnikundPhysiklernenkann. . . . . . . . . . . . . . . . 19

heLmUtfIestechnischeGrundsachverhalte–einführungindietechnikwissenschaft(en)–5.folge. . . . . . . . 41

tu:Unterrichtspraxis

DIetrIchkADeLL,LothArGeorGIfrischer,kräftigerWindimtechnikunterricht–WindkraftanlagealsfunktionsmodellimWindkanal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

WoLfGAnGZeILLerBatterietesterfürvielegängigeBatterietypen . . . . . 35

tu:Veranstaltungen

DGtB–einladungzur17.JahrestagungundzumnachwuchsforumderDGtB–„technik:WirklichkeitsbereichundBildungsgegenstand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

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tu 156 / 2. Quartal 2015

Welker (Abb. 2) und Herbert Mataré (Abb. 3) in Paris ihre bereits in Berlin während des Krieges betriebene Halb­leiterforschung fort. Im Frühjahr 1948 konstruierten sie einen Dreidiodenkris­tall, ihr Transistron, wie sie den Prototy­pen ihres Transistors nannten (Abb. 5). Er war sehr viel stabiler und dauerhaf­ter als der Bell­Transistor. Obwohl sie ihn erst nach den Amerikanern publik machten, wird heute von einer Doppe­lerfindung des Transistors gesprochen.

Bildquellen: http://wikimedia.org/commons http://www.computerhistory.org http://www.beatriceco.com

Literatur:

FriedricH GeorG: Unternehmen Patentraub. Tübingen 2008, S. 188 ff.

Winfried Schmayl

Mit dem Bau des ersten Transistors war das Tor zur modernen Digital­technik aufgestoßen. Wie es zu dieser Schlüsselerfindung des 20. Jhs. kam, ist keineswegs klar. Es stellt sich zu­nehmend heraus, daß die gewöhnlich kolportierte Geschichte einseitig und in sich nicht stimmig ist.

Nach der offiziösen Version hat der Transistor drei US­amerikanische Vä­ter: WilliaM SHockley, JoHn bardeen und Walter brattain (Abb. 1). Im De­zember 1947 sei SHockley bei seinen Forschungen in den Bell­Laboratorien gewissermaßen aus dem Stand her­aus auf das Prinzip des Transistors gestoßen. Mit seinen Kollegen habe er dann einen auf Germanium als Halb­leiter basierenden Spitzentransistor gebaut. Dieser wurde am 1. Juli 1948

der Öffentlichkeit vorgestellt (Abb. 4 – Nachbau). 1956 bekamen die drei da­für den Physik­Nobelpreis.

Die wirkliche Geschichte ist älter und verwickelter. Zum einen haben euro­päische, namentlich deutsche Phy­siker Jahre vorher die theoretischen Grundlagen erarbeitet, auf die die Amerikaner zurückgriffen, ohne es zu erwähnen. Hier wären besonders JuliuS lilienFeld und oSkar Heil mit ihren einschlägigen Patenten zu nen­nen. Auch Walter ScHottky erbrachte schon in den 1930er Jahren mit seiner Halbleitertheorie und seiner Spitzendi­ode wichtige Vorleistungen.

Zum anderen setzten die vom franzö­sischen Besatzungsregime verpflich­teten deutschen Physiker HeinricH

Der europäische Ursprung des Transistors

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Allgemeine Probleme tu: Fachdidaktik

Dem kritischen Betrachter muss das Ganze rätselhaft, wenn nicht gespens­tisch vorkommen.

Welchen Anspruch erhebt sie, was meint die MINT­Parole, was verbirgt sich hinter ihr?

MINT-Forderungen Die MINT­Idee ist keine pädagogische Idee, sie ist nicht die Zusammen­fassung eines pädagogischen oder bildungspolitischen Diskussions­prozesses. Daher sucht man in der erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Diskussion eine Auseinandersetzung mit dem MINT­Konzept fast vergebens.

Die Vertreter der damit gemeinten Fä­cher halten wohl eher still und freuen sich über die plötzliche Wertschätzung und auch die Vertreter der von der Schule so lange stiefmütterlich behan­delten Technischen Bildung müssten eigentlich vor Glück erbeben: Endlich wird die Technik im Schulwesen ernst genommen und sogar als Fach apo­strophiert!

Eigentlich wäre es die Aufgabe der Erziehungswissenschaften, die grund­legende Diskussion um die pädago­gische Bedeutung, die Schlüssigkeit der inhaltlichen disziplinären Zuord­nung und Abgrenzung des MINT­Be­reiches zu führen oder zumindest zu begleiten. Sie hätte auch die Legitimi­tät breiter pädagogischer Maßnahmen zur mittel­ und langfristigen Fachkräf­tesicherung für einen Partialbereich

Technische Bildung in der Naturwissenschaftsfalle!?*

Von Burkhard Sachs

„Ein Gespenst geht um in Europa …“ Man kennt den Eingangssatz des kommunis­tischen Manifests, in dem die Wirklichkeit einer revolutionären Idee und die Angst der Mächtigen davor beschrieben wurde!?

Das Gespenst, mit dem wir es hier zu tun haben, ist nun ein vermeintlich „gutes“ Gespenst. Wie Halloween aus den USA kommend und dort STEM 1 genannt, heißt es hier MINT 2. Es wird von den Großen und Mächtigen in Wirtschaft und Politik sehr gemocht und sie veranstalten ihm zu Ehren Wettbewerbe, Foren, nationale Gipfel und europäische Kongresse und sie verleihen Auszeichnungen an die Willi­gen und an die Propagandisten und an Schulen, die sich in seinen Dienst stellen.

Auch jene Institutionen, die den Anspruch erheben, Hüter wissenschaftlicher Wahr­heit und kritischer Reflexion zu sein, Akademien und Universitäten, ergeben sich seinem Charme.3

Steuerlich wohlgestellte Stiftungen wenden einen Teil (des dem Fiskus nicht mehr abzuliefernden) Geldes dafür auf, MINT zu fördern, da der finanziell klamme Staat ja nicht genügend dafür tut. Und auch die Firmen können ihr Engagement steuerlich zur Geltung bringen und erhöhen zudem ihr Renommee.

Und so können Stiftungen, Firmen und Verbände Einfluss auf das Schulwesen ausüben, obgleich die Verantwortung dafür – nach den Schulgesetzen – eigentlich beim Staat und bei den Parlamenten liegen sollte.

Die MINT­genötigten Schulen und LehrerInnen, welche darauf in Ausstattung und Ausbildung kaum vorbereitet sind, empfinden deren Broschüren, Unterrichtsein­heiten und Fortbildungskurse, die sie in fast unüberschaubarer Fülle „entlang der Bildungskette“ angeboten bekommen, zumeist als Entlastung und als Geschenk.

Und auch der Staat und die Kommunen sind kooperativ und dankbar. Denn „Einem geschenkten Gaul ...“ Von einer offiziellen Prüfprozedur für derartige Materialien ist nichts bekannt.

MINT ist zu einer festen Größe geworden, es gibt MINT­Grundschulen und MINT­Gymnasien und MINT­Botschafter. Schüler und insbesondere Schülerinnen sollen sich für MINT begeistern und MINT­Berufe ergreifen.

In einer großen Zahl von Studien und Grundsatzpapieren zur MINT­Förderung werden weitreichende Empfehlungen an die Adressen von Schule, Politik und Wirt­schaft gemacht.4

In der Berufsberatung und in der Arbeitsverwaltung ist das Sprechen von MINT­Berufen eine Selbstverständlichkeit geworden und unter den arbeitslosen Jugend­lichen in Griechenland und Spanien fahndet man nach solchen mit MINT­Kompe­tenzen zur Entlastung des hiesigen Arbeitsmarktes.

Bei den Frauen und bei den Menschen mit „Migrationshintergrund“ sieht man ein bedeutendes dringend zu hebendes Potenzial für die Gewinnung von MINT­Arbeits­kräften.

Da wirkt die Schlagzeile im Wirtschaftsteil der Zeitung gar nicht mehr anstößig, die da heißt: „MINT­Arbeitgeber gegen den Mindestlohn“.

MINT ist im Zuge der Privatisierung von Bildung längst ein Geschäftsmodell ge­worden. So hat die aus einem gediegenen Schulbuchverlag mutierte Stuttgarter Klettgruppe dafür die KlettMINT­GmbH gegründet.5

* Der vorliegende Beitrag geht zurück auf einen Vortrag anlässlich der 16. Jahrestagung 2014 der Deutschen Gesellschaft für Technische Bildung (DGTB) in Oldenburg. Er erscheint im entsprechenden Sammelband unter dem Titel „Gegen eine naturale Verkürzung Technischer Bildung“. Ich verweise ausdrücklich auf meinen Beitrag „Technikunterricht – Bedin­gungen und Perspektiven“ In: tu H. 100, 2001. Er bleibt inhaltlich und bildungspolitisch (leider) aktuell. Die dort dargestellten Merkmale der Tech­nik sollen an dieser Stelle erweitert, differenziert und modifiziert werden, insbesondere im Hinblick auf die gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekte.

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tu: Fachdidaktik Allgemeine Probleme

der Gesellschaft diskutieren müssen. Doch hat sie sich weder dieser Frage­stellungen angenommen noch wurde sie von maßgeblicher Seite dazu auf­gerufen.

In der Zeit der Beratungen über die Etablierung technischer und ökono­mischer Bildung bzw. der Arbeitslehre gab es in den sechziger und siebziger Jahren eine deutlich breitere erzie­hungswissenschaftliche Befassung, Inanspruchnahme, Diskussion und Mitarbeit, auch wenn sie die gymnasi­ale Abschottung nicht hat überwinden können. Ich erinnere da an Wolfgang Klafki, Wolfgang Schulz und Herwig Blankertz.6

Die jüngsten „Schulreformen“ mit fun­damentalem Anspruch, nämlich die (mittlerweile fast vergessene?) Aus­richtung des gesamten Schulsystems am Qualifikationsbegriff, an den so­genannten „Schlüsselqualifikationen“, aber auch die derzeit geforderte gene­relle Output­Orientierung des Schul­wesens mit der generellen Ausrichtung an überprüfbaren „Kompetenzen“ sind weitgehend ohne Einbeziehung, Be­fragung, Erörterung der allgemeinen Erziehungswissenschaften und der Schulpädagogik vollzogen worden.7 Versagen oder Düpierung?

Aus den Erziehungswissenschaften ist mir nur eine Stimme bekannt, die sich zu MINT vernehmbar äußert. Sie kommt von dem Schweizer Rudolf Künzli, dem Lehrplanexperten, der ei­ne Zeitlang Erziehungswissenschaften am IPN in Kiel vertrat, also durchaus mit der Materie nicht unvertraut ist. Er hält die Zusammenfassung der MINT­Fächer in mehrfacher Hinsicht für pro­blematisch, denn „sie hat keine hin­reichende sachliche Grundlage“ und fördert gesellschaftliche Stereotype, etwa das der zwei Kulturen, das der von Frauen zu erobernden Männerdo­mänen und das der Unterscheidung nach harten, nützlichen und weichen, weniger rentablen Wissenschaften.8

Das Nationale MINT­Forum, ein Zu­sammenschluss der MINT­Akteure, charakterisiert sich folgendermaßen:

„Im Nationalen MINT­Forum setzen sich über 30 große, überregional täti­ge Wissenschaftseinrichtungen, Stif­tungen und Verbände gemeinsam für

eine bessere Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissen­schaften und Technik (MINT) entlang der gesamten Bildungskette ein: von der frühkindlichen über die schulische, die berufliche und akademische Bil­dung bis hin zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen. Im Nationalen MINT­Forum werden konkrete Forde­rungen der Wirtschaft und Forschung an Politik und andere gesellschaftliche Akteure formuliert“.9

Sprecher des Forums propagieren das MINT­Konzept mit hohem pädago­gischem Anspruch: „Eine solide natur­wissenschaftlich­technische Grundbil­dung der gesamten Bevölkerung wird immer wichtiger, weil die Gesellschaft neue Technologien verstehen, beurtei­len und bewerten muss. MINT­Grund­bildung ist unerlässlich, um die Balan­ce zwischen gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen sowie den berechtigten Interessen des Einzelnen zu finden.“10

Die bereits angesprochene KlettMINT­GmbH ist da schwäbisch­nüchterner und direkter:

„Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist akut gefährdet durch den Mangel an Nachwuchs in den MINT­Quali­fikationen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Der Engpass an naturwissenschaft­lich­technisch qualifizierten Fachkräf­ten ist ein strukturelles Problem, das heute schon als Wachstums­ und In­novationsbremse einen hohen Wert­schöpfungsverlust für die deutsche Volkswirtschaft verursacht – mit stei­gender Tendenz. Die deutsche Wirt­schaft unternimmt daher bereits eige­ne, enorme Anstrengungen, um dem MINT­Fachkräftemangel entgegenzu­wirken.

Das Image der MINT­Fächer in der Öf­fentlichkeit, in Elternhaus, Schule und Hochschule, aber auch deren Quantität und Qualität, muss deutlich verbessert werden. Die Klett MINT GmbH greift diese Themen dienstleistungsorientiert auf und hilft Industrie und Wirtschaft ihre Kommunikationswünsche in den Schulen, bei Lehrern, Eltern und Schü­lern oder bereits in der frühkindlichen Bildung zu platzieren (Unterstreichung B.S.). Erreicht wird dieses beispiels­weise durch hochauflagige Medien

zur Berufsorientierung, durch die Ver­anstaltung von Kongressen oder an­deren gemeinsamen Projekten oder durch Entwicklung und Vertrieb von Lehrmitteln zur Steigerung der Tech­nikfaszination.“11

Ist das keine Beihilfe zu einer Art von Kindesmissbrauch? Oder ist es nur ei­ne Art von Freiheitsberaubung? Oder nur eine Art geistiger Überwältigung?

Die Beschreibung der Ziele und die Beschwörung der Zukunftssorgen bei der MINT­Diskussion fokussieren sich sehr oft auf die Technik nicht im Sinne der Sorge um eine humane und nach­haltige Entwicklung der Technik, son­dern im Hinblick auf die Sicherung des Techniknachwuchses. Von der Sorge um verpasste Nobel­Preise oder von der Sorge um den Zustand der Natur oder von der Sorge um falsche Welt­deutungen durch den Mangel an na­turwissenschaftlicher Orientierung ist kaum die Rede. Vielmehr geht es offenbar um Wettbewerbsfähigkeit, Technik und Wertschöpfung.

Dies ist insofern verwunderlich, weil damit der Eindruck entsteht, als hät­ten die traditionsreichen und in sich hochdifferenzierten Disziplinen Ma­thematik, Biologie, Chemie und Physik (und auch die Technik) keine eigene gesellschaftliche und kulturelle Bedeu­tung, keine eigene wissenschaftliche Dignität, keine spezifischen Inhalte, Deutungsdimensionen, Reichweiten und Arbeitsformen, keine anderen Ko­operationsbezüge, keine anderen Bil­dungsperspektiven als die im Hinblick auf die Talentförderung und ökono­mische Zukunftssicherung.

Verwunderlich ist dies auch im Blick auf den Umstand, dass es den Vertretern der Schulfächer Biologie, Physik und Chemie offenbar sehr schwer fällt, sich zu einem Fach „Naturwissenschaften“ oder „Natur“ zusammenzuschließen. Und nun soll das Feld der Einigung und grundsätzlichen Bezugnahme noch um die komplexe Mathematik, die Informatik und die weitverzweigte Technik erweitert werden?

Vor solchem Hintergrund erscheint es wirklich rätselhaft, dass die MINT­Fächer als eine Einheit beschworen werden, wenn MINT quasi als päda­gogisches Markenzeichen mit einer

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Allgemeine Probleme tu: Fachdidaktik

gemeinsamen didaktischen Zuständig­keit und Perspektive propagiert wird.

Bisher unwidersprochen formuliert das Nationale MINT­Forum in einem Grundsatzpapier den Anspruch auf ei­ne einheitliche „MINT­Bildung im Kon­text ganzheitlicher Bildung“. Ungerührt davon, welch noch so disparate Fächer zusammengefasst werden, spricht man von MINT­Zielen, von MINT­In­halten, von MINT­Themen, von MINT­Wissen, von MINT­Grundbildung etc. Das Gemeinsame sieht das Forum of­fenbar darin, dass MINT den Umgang mit empirisch belegten Sachverhalten fördert und übt. „Die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften „erzieht“ dazu, objektivierte, d. h. intersubjektiv prüfbare Sachverhalte anzuerkennen und damit umzugehen.“ Die Liste der angestrebten Kriterien und Tugenden ist lang und sie gehören allesamt zum „Reich der Notwendigkeit“: Gesicherte Erkenntnisse, Offenheit und Staunen, Genauigkeit und Ehrlichkeit, Fakten­orientierung, Abstraktionsneigung. Objektivität, Rationalität, Machbarkeit, Effektivität, Effizienz.

Was hier aufscheint, lässt sich auch verstehen als ein umfassendes Pro­gramm zur massenhaften Disziplinie­rung: Denn MINT versteht sich nicht als frei wählbares Angebot, vielmehr kommt „MINT in allen Phasen der Bil­dungsbiografie eine zentrale Rolle zu (…) und muss in den Bildungsinstituti­onen entlang der gesamten Bildungs­kette fest verankert werden“. Die im MINT häufig verwendete Assoziation von Bildung und Kette erscheint mir hier durchaus aufschlussreich.

In dem Grundsatzpapier wird ein bilder­buchmäßig schlichtes Weltverständnis beschworen: „Unsere Umwelt, unsere Kultur und unsere Gesellschaft werden durch ein wissenschaftliches Welt­verständnis, naturwissenschaftliche Erkenntnisse und durch die Nutzung technischer Geräte geprägt. Sich der Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen des Einsatzes neuer Tech­nologien bewusst zu werden, ist Auf­gabe einer breiten MINT­Bildung für alle Menschen“. Die neuen Technolo­gien kommen offenbar mit naturhafter Zwangsläufigkeit daher! Die Rolle der Technik wird in der Sphäre der An­wendung der Naturgesetze verortet.

Ihr wird immerhin „Kreativität im Um­gang mit mathematisch­naturwissen­schaftlichen Grundlagen“ zugestanden bzw. abverlangt. Ihr Sinn, Zweck, ihre Struktur werden nicht thematisiert. Die Lebenswelt der Menschen, die Gesell­schaft, die Kultur, Ökonomie und Politik bleiben außen vor. Lediglich die Ethik, welche die Anwendung der naturwis­senschaftlichen Erkenntnisse begren­zen soll, wird beschworen.

Die Technik wird auch als metho­disches Element für den MINT­Un­terricht angesprochen. Bei den Bei­spielen geht es offensichtlich nicht um Exemplarität, um Anlässe für den Aufbau eines technischen Grund­verständnisses und die Entwicklung grundlegender technischer Fähig­keiten. Im Zusammenhang mit der Klage über Angst, Desinteresse und Demotivation im Physik­ und Chemie­unterricht heißt es: „Durch die Verbin­dung von Alltagsphänomenen mit na­turwissenschaftlichen Grundlagen und technischen Problemlösungen wird ein neuer Zugang zu MINT vermittelt.“ Technik als Motivationsmittel, quasi als didaktisches Gleitmittel!

Von einer kritischen Diskussion des Grundlagenpapiers – so dringend sie nötig wäre – ist mir nichts bekannt.12

Prognosen Wo der zukünftige Fachkräftemangel in den sogenannten MINT­Berufen be­schworen und die Schule für dessen Überwindung in Anspruch genommen wird, da lohnt sich der Blick auf den Arbeitsmarkt über den MINT­Bereich hinaus. Dabei zeigt sich, dass der Fachkräftemangel nicht auf die so ge­nannten MINT­Disziplinen beschränkt ist. Ihn gibt es in durchaus beklagens­werter und strukturell gefährlicher Weise bei: Landärzten, Handwerkern, Facharbeitern, Pflegekräften, Kraft­fahrern, Polizisten, Feuerwehrleuten, Bauern, Jägern, Hebammen … – und damit ist man bei dem gravierendsten Nachwuchsmangel: bei dem der feh­lenden Kinder.13

Wäre der Kindermangel behoben, dann wäre auch der beklagenswerte Mangel bei den MINT­Fächern und anderen Bereichen nicht mehr so schlimm.

Hier fällt es schwer, nicht satirisch zu fragen: Wo bleibt der nationale Gip­fel, wo das nationale Forum, wo bleibt das von Verantwortungsbewusstsein getragene Engagement von Akade­mien, von Stiftungen, von Industrie und Schule, um die Begeisterung für die Vermehrung und für das andere Ge­schlecht schon früh zu wecken? Fehlt dafür nur der verführerische Name?

Bei der Frage nach dem künftigen Fachkräftemangel ist freilich auch die Verlässlichkeit von Prognosen zu be­denken, nicht nur im Hinblick auf die Methodik der Studien, sondern auch im Hinblick auf die schwer einzuschät­zenden Entwicklungen in Gesellschaft und Technik. So ist die Stellung und Anforderungsstruktur der Fachkräfte in der derzeit diskutierten INDUSTRIE 4.0 durchaus offen.14 Mögliche Produk­tionsverlagerungen, Konjunktureinbrü­che etc. sind nicht prognostizierbar. Gutachten über den mittelfristigen In­genieurbedarf sagen entweder leichte Engpässe oder einen deutlichen Über­schuss an Ingenieuren voraus.15 Dabei gibt es z. T. drastische Nachfrageun­terschiede nicht nur zwischen den einzelnen Ingenieurdisziplinen, son­dern auch zwischen den sogenannten MINT­Fächern. Gäbe es einen funktio­nierenden Arbeits­Markt, dann würde sich die Bezahlung am Bedarf aus­richten und damit die Berufswahl be­einflussen – freilich mit der Gefahr des gerade im Ingenieurmarkt bekannten „Schweinezyklusses“.

An einer Verteuerung der MINT­Kräfte haben Arbeitgeber – maßgebliche Akteure in der MINT­Bewegung – na­turgemäß wenig Interesse, eher an einem Überschuss, aus dem sie wäh­len können. Die MINT­Arbeitskräfte gehören auch heute nicht zu den Spit­zenverdienern. „MINT­ Fächer schlecht bezahlt …Vor allem Frauen verdienen hier eher schlecht.“ So kennzeichnet ein Magazin die Ergebnisse eine Stu­die des DIW.16

Nein, es geht wohl nicht nur um den Fachkräftemangel, sondern um Wert­schöpfung und nicht zuletzt um Ein­flussnahme und man erhebt dabei den Anspruch auf Zuständigkeit und Kom­petenz.

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tu: Fachdidaktik Allgemeine Probleme

Zuständigkeiten und Kompetenzen Da man als Industrie Technik im gro­ßen Maßstab produziert und vermark­tet, da man die Ingenieure einstellt und für sich arbeiten lässt, meint man zu wissen, was Technik ist und was da­für notwendig ist und unterstützt daher das MINT­Konzept mit großem Eifer.

Dabei blendet man jedoch die Vielfalt der real existierenden Tätigkeits­ und Anforderungsprofile der Ingenieure in der Arbeitswelt und die damit gege­benen – in dem MINT­Konstrukt nicht berücksichtigten Bezüge der Technik zur Ökonomie und zur Gesellschaft aus. Ingenieure arbeiten nicht nur in Konstruktion, Produktion und Inbe­triebnahme, sondern auch im Vertrieb, Einkauf und Verkauf, in Reparatur, in Entsorgung und Recycling, in Bera­tung, in Kontrolle, im Prüfwesen, in der öffentlichen Verwaltung, in Medizin, beim Militär, im Verkehrsbereich, im Patentwesen, in der Lehre, in der Wis­senschaft …. .

Technik als Anwendung von Naturwissenschaften MINT gewinnt seine Schein­Evidenz aus der gesellschaftlich – und selbst bei den technischen Eliten – weit ver­breiteten Vorstellung, dass die Technik wesentlich zustande kommt durch die mathematisch unterstützte Anwen­dung naturwissenschaftlicher Erkennt­nisse.

Eindeutigkeit, Berechenbarkeit und Objektivität sind die ihr zugeschrie­benen Attribute.

Theodor Litt hat dem die philoso­phische Deutung gegeben: Technik sei die wirkungsmächtigste Manifes­tation des „Gesetzes der Sache“ und die Erziehung zum uneigennützigen „Sachdienst“ eine pädagogische Not­wendigkeit.16

In diesem Sinne hat die KMK schon früh die Technik dem „mathematisch­ naturwissenschaftlichen Aufgaben­feld der Schule“ zugewiesen. Nach­dem sich vor allem die höhere Schule jahrzehntelang prinzipiell wegen des vermeintlich „fehlenden Bildungs­wertes“ gegen die Berücksichtigung

der Technik gewehrt hatte, wurde das Aufgabenfeld in „mathematisch­na­turwissenschaftlich­technisches Auf­gabenfeld“ umbenannt freilich ohne angemessene fachliche Verankerung der Technik. Das wurde und wird da­mit begründet, dass die Theorie der Technik in den Naturwissenschaften enthalten sei und die Technik lediglich deren praktische Anwendung umfas­se. Ein eigener Technikunterricht für das Gymnasium als „Schule der geistig Begabten“ sei schlicht wesensfremd. Technikunterricht sei lediglich etwas für das niedere und evtl für das mittlere Schulwesen.17

Mathematik und Naturwissenschaften als Grundlage der Technik: An der Aufrechterhaltung dieses Stereotyps haben die etablierten Fächer der Schu­le auch ein Interesse, sichert es ihnen doch einen wesentlichen Teil ihrer öf­fentlichen Reputation.

Verwiesen sei auf die „bewährte“ An­lage der Ingenieursstudiengänge, bei denen die Studierenden in den ersten Semestern – ohne je eine Einführung in die allgemeinen Technikwissen­schaften bzw. Allgemeine Technolo­gie zu erhalten – sich durch naturwis­senschaftliche und mathematische Pflichtveranstaltungen hindurcharbei­ten müssen, bevor sie die technischen Kurse belegen dürfen. Sie „erleben“ diesen Stereotyp als Initiationsritus. „Hier trennt sich die Spreu vom Wei­zen“, „Nur die Harten kommen in den Garten“, so triumphieren die dafür Verantwortlichen und leiten aus der Höhe der Abbrecherquoten (in den Technikfächern immerhin ca. 50 %)18 den Anspruch und die Güte ihrer Lehre ab, eine durchaus von Kundigen längst beklagte, aber noch kaum veränderte Praxis!19

Durchaus unbescheiden erhebt die MINT­Bewegung nicht nur den An­spruch auf eine effektive Beseitigung des Arbeitskräftemangels, sondern auch den Anspruch auf eine MINT­Grundbildung als eine spezifische Weise einer mathematischen, natur­wissenschaftlichen und technischen Grundbildung.

Wenn ich hier die informationelle Grundbildung nicht berücksichtige, dann deshalb, weil die etablierte Infor­matik ein Mischfach aus Mathematik

und Technik darstellt. Sie ist in das MINT­Modell wohl weniger aus inhalt­lichen, sondern eher aus phonetischen Gründen aufgenommen worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die MINT­Bewegung ohne das „I“ also als MNT­Bewegung einen solchen Erfolg gehabt hätte. Wer unterstützt wohl ein MN­Konzept?

Da liegt auch die Frage nicht fern, ob nicht auch die Technik nur deshalb in den Namen MINT kam?

Immerhin könnten wir Technikdidakti­ker nun fordern, dass da, wo Technik drauf steht, auch Technik drin sein muss – und zwar in einer unverstüm­melten Weise!

Die Tatsache, dass in MINT von den Fächern gesprochen wird, sichert frei­lich nicht die Berücksichtigung eines spezifischen Technikunterrichts und noch nicht einmal die Berücksichti­gung eines Studienfaches Technik:

In dem rot­grünen Koalitionsvertrag von Rheinland­Pfalz für 2011–2016 ist die MINT­Förderung ausdrücklich ge­nannt, aber darunter wird lediglich der mathematisch­naturwissenschaftliche Bereich der Schule verstanden. Von einer gezielten Technischen Bildung ist nicht die Rede.

In solchem Kontext deutet ein Gymna­sium mit MINT­Zweig aus Hamburg­Harburg (aber ohne Technikunterricht) unter Berufung auf den DUDEN

die Technik

als „die Gesamtheit aller Maßnah­men, Einrichtungen und Verfahren, die dazu dienen, naturwissenschaftliche Erkenntnisse praktisch nutzbar zu machen“.20

Wer braucht daher noch ein entspre­chendes Schulfach, das doch nur die Nutzbarmachung naturwissenschaft­licher Erkenntnisse zum Inhalt haben könnte?! Da reichen die Verweise der vermeintlich ohnehin kundigen Naturwissenschaftler auf die soge­nannte praktische „Anwendung“ und das Einstreuen einiger beliebiger, aber „spannender“ „Praxisübungen“ – nicht zuletzt in der Hoffnung, damit die Attraktivität des bislang eher un­beliebten Unterrichts zu steigern. Die Robert­Bosch­Stiftung bietet dafür Unterrichtsmaterialien zur „Technik im naturwissenschaftlichen Unterricht“

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an, die man „ohne teure Geräte und ohne großen Zeitaufwand“ umsetzen könne.21

Die Technik als ein Bereich eigenstän­diger Theorie und Praxis, als ein Kul­turbereich mit fundamentalen Bezügen zum Menschen, zur Gesellschaft und auch zur Ökonomie ist im MINT­Be­reich keine gesicherte Größe.

Und der Umstand, dass man zumeist nicht von Natur, sondern von Natur­wissenschaften spricht, jedoch von Technik aber nicht von den Technik­wissenschaften, geschweige denn von der Spezifik und Differenziertheit tech­nischen Handelns, dieser Umstand verweist auf einen Mangel an Refle­xion, auf die Wirksamkeit von Stereo­typen im Sinne von Schein­Evidenzen.

Nun soll nicht behauptet werden, dass die Akteure des MINT diese Stereo­type durchschauen und perfiderweise instrumentalisieren. Vielmehr erschei­nen sie mir zumeist selbst Opfer dieser stereotypen Deutung.

Das zugrundeliegende Grundmuster lautet: Keine Technik ohne Naturwis­senschaften und Mathematik. Technik ist die Anwendung der Naturwissen­schaften. Ohne Technik und ohne die dazugehörigen Ingenieure keine Zu­kunft. Daher MNT und daher – weil es besser klingt und mehr positive Asso­ziationen hervorruft – MINT.

Ignoranz gegenüber einer entwickelten Technikdidaktik Rätselhaft ist die Ausblendung der Entwicklung und der Ergebnisse der Technikdidaktik und der konkreten Beispiele einer Technischen Bildung in der Bundesrepublik der letzten 50 Jahre. Die Ignoranz betrifft aber auch die Polytechnische Bildung in der DDR sowie den Technikunterricht jenseits der Landesgrenzen.22

Das Rätselhafte verfliegt, wenn man sich die bisherige Fixierung auf das Gymnasium und auf die diesem vor­gelagerte Grundschule vergegenwär­tigt. Das Gymnasium hatte sich bisher weitgehend erfolgreich gegen eine un­terrichtliche Verankerung der Technik gewehrt und die auf das Gymnasium fixierten MINT­Apologeten haben die Entwicklungen in den anderen Schul­arten geflissentlich ignoriert. Nach

dem Muster „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will“ nimmt man die Grundschule in den Blick und hofft auf die Erzeugung einer „Forschungs­begeisterung“ schon in der frühen Kindheit. Dabei geht es nur selten darum, den genuinen Fragen der Kin­der gerecht zu werden, sondern um schlichte Propädeutik. Man ist sich dabei oft nicht zu schade, mit Schutz­brillen und weißen Kitteln einen pseu­dowissenschaftlichen Mummenschanz zu fördern und an ausgedachten und oft wenig kindertypischen Fragestel­lungen schon früh die Akzeptanz ent­fremdeten Lernens zu üben.

Die Ignorierung und Ausblendung der Ansätze und Ergebnisse der Technikdi­daktik der letzten Jahrzehnte, vor allem an den Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen und vereinzelten Gymnasien sind insofern unverständlich, als sie überhaupt nicht schulartspezifisch, sondern strikt allge­meinbildend und in der Perspektive von Mündigkeit konzipiert sind. Wenn man wirklich an einer generellen Förderung technischer Bildung interessiert wäre, wenn es wirklich um die Förderung der Technischen Bildung auf allen Ebenen gehen würde, dann müsste diese Aus­blendung rasch überwunden werden. Freilich müsste man sich dabei auf das Konzept einer Technischen Bildung einlassen, das sich nicht auf einer ver­meintlichen interdisziplinären Einheit von Mathematik, Naturwissenschaften, Informatik und Technik gründet son­dern die Technik als Bereich eigener Theorie und Praxis begreift mit funda­mentalen Bezügen zum Menschen, zur Gesellschaft, zur Ökonomie, zur Politik und zur Kultur.23

Aspekte eines ungekürzten Technikverständnisses Mittlerweile hat sich das im MINT­Bereich dominante Deutungsmuster „Technik als Anwendung von Naturwis­senschaften“ durch die Forschungen der allgemeinen Technikwissen­schaften, der Produktplanungsthe­orie, der Technikphilosophie, der Techniksoziologie, der Technikgene­seforschung, der Technikgeschichte als kurzschlüssig und falsch erwie­sen. Damit ist eine nach dem MINT­Muster verbundene Thematisierung

der Technik weder wissenschaftlich noch pädagogisch und bildungstheo­retisch zu legitimieren.24

Obwohl entsprechende Veröffentli­chungen z. T. schon vor Jahrzehnten erschienen sind, haben sie noch we­nig Einfluss auf den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Mainstream gewonnen, auch nicht – und das ist besonders bedauerlich – auf die For­schung und Lehre in der Ingenieuraus­bildung.

Offenbar bezieht die Schwerkraft tradi­tioneller Vorurteile und Sichtweisen ih­re Stärke nicht nur aus Bequemlichkeit und Ignoranz, sondern auch daraus, dass sie die Interessen ihrer Vertreter sichert.

„Das Bekannte ist darum, weil es be­kannt ist, nicht erkannt.“ Hegel fordert daher die „ Anstrengung des Begriffes“.

Werfen wir also einen genaueren, auf­geklärteren Blick auf die Technik.

Menschen, Bedürfnisse, Interessen Technik ist das Ergebnis einer von Be­dürfnissen und Interessen geleiteten, zielgerichteten Auseinandersetzung von Menschen mit Gegebenheiten der Natur bzw. mit vorhandenen tech­nischen Mitteln und Verfahren. Von der Gestaltung und Sicherung der Tech­nik sind die Lebensbedingungen und Lebensperspektiven der Menschen abhängig. Das gilt nicht nur für die so­genannten Grundbedürfnisse, sondern für das ganze Spektrum menschlicher Bedürfnisse und Zielsetzungen.

Die Sache Technik ist immer schon die Sache der Menschen.

Technische Sachen sind materielle Manifestationen menschlicher Be­dürfnisse und Interessen. Ihr Sinn und Zweck ist ihnen nicht äußerlich, sondern ist ihnen als „produktbe­stimmende Faktoren“ durch ihre kon­krete Gestaltung eingeschrieben. Das Funktionieren von Technik bedeutet das Erfüllen von Anforderungen, die durch die Ziele von Menschen be­stimmt sind.

Insofern ist die Trennung von Sach­dimension und Humandimension, von Sachdimension und Sinndimensi­on allenfalls zu analytischen Zwecken, nicht aber substantiell sinnvoll!

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tu: Fachdidaktik Allgemeine Probleme

In der Technik verwirklicht sich die Kreativität des Menschen in einer besonderen Weise. Die Entwicklung des Menschen ist untrennbar mit der Entwicklung der Technik verbunden. Technik ist daher wesentlicher Teil sei­ner Kultur, welche die Technik ebenso beeinflusst, wie umgekehrt die Technik die Kultur mitprägt.

Technik wächst nicht an Bäumen. Technik ist Menschenwerk. Sie ma­nifestiert sich in Artefakten (= Kunst­Werken) und Prozessen. Technik ist von Menschen – oft unter Mühen – ge­machte Wirklichkeit. Technische Mittel und Verfahren entstammen differen­zierten Arbeitsprozessen und sind oft selbst Mittel für Arbeitsprozesse. Sie werden jedoch nicht nur für Arbeits­prozesse realisiert, sondern dienen in weit bedeutenderem Umfang der umfassenden Lebensgestaltung der Menschen.

Gesellschaft

Technik ist keine Privatangelegenheit sondern ist grundsätzlich gesellschaft­lich vermittelt. Das betrifft bereits das Zustandekommen von technischen Artefakten, das nur durch das Zusam­menwirken mehrerer Akteure (sei es durch ihre konkrete Mitwirkung oder durch ihre Vorleistungen) möglich ist. Technik entsteht aus Lebenszusam­menhängen und aus diesbezüglichen Handlungen. In der Techniksoziologie spricht man von „Technik als soziale Praxis“ und von „Technik als Lebens­form“.25

Ihre gesellschaftliche Dimension und Reichweite kann man sich leicht beim Thema „motorisierter Individu­alverkehr“ vergegenwärtigen. Eine Reduzierung auf das Artefakt Auto, geschweige denn auf die darin wirk­samen Naturgesetze würde dem The­ma überhaupt nicht gerecht werden. Der techniksoziologische Blick identi­fiziert drei grundlegende Dimensionen der Technik:

1. die Artefakte,

2. die Kompetenzen und

3. die Regulationen/Konventionen.26

Diese Dimensionen stehen unterein­ander in vielfältigen Vermittlungszu­sammenhängen. Die Artefakte benöti­

gen zu ihrer Herstellung, Verwendung, Reparatur, Prüfung etc. spezifische Kompetenzen, die sich bei Änderung der Artefakte selbst wieder modifizie­ren können oder sogar ganz obsolet werden. Eine Veränderung der Kom­petenzen ermöglicht modifizierte bzw. ganz andere Artefakte. Die Herstel­lung und Verwendung der Artefakte benötigt zumeist Infrastrukturen, und damit neue Kompetenzen und Regu­lative. Zum Gebrauch der Artefakte, aber auch für ihre Herstellung und für die Erzielung der notwendigen Kompetenzen benötigt es unter Um­ständen Regulative/Konventionen, d.h. Abstimmungen, Verordnungen, Normen, Gesetze und wiederum In­frastrukturen zur Sicherung ihrer Geltung ...

Der gesellschaftliche Charakter von Technik ist beim Nachkauf ei­ner ganz „normalen Schraube“ für ein ganz „normales“ Auto erfahrbar.

Auf den ersten Blick ist die Schrau­be der Inbegriff eines wertneutralen, rein funktionalen Bauteils. Zunächst ist erfreulich, dass man keine spe­zielle, nur vom Autohersteller zu bekommende Schraube erwerben muss, sondern eine „genormte“, frei verkäufliche und damit preisgüns­tigere verwenden kann. Bei nähe­rer Nachfrage erfährt man, dass als Ersatz für diesen Fall nur Schrau­ben mit einer bestimmten Festigkeit erlaubt sind. Bei einem deutschen Auto ist davon auszugehen, dass es sich um eine Schraube mit me­trischem Gewinde handelt. Aus einer Liste ergibt sich die entspre­chende DIN/ISO­Norm­Bezeich­nung mit genauesten Maßangaben, mit festgelegten Herstellungsver­fahren und Festigkeitswerten.

Auf dem Kopf der Schraube fin­det man eine Zahlenkombination und ein geheimnisvolles Zeichen. Fragt man weiter, so erweist sich die Zahlenkombination als die ge­währleisteten Festigkeitswerte und das Zeichen als Kennung des Pro­duzenten. Diese Kennung soll es ermöglichen, bei einem Bruch der Schraube eventuelle Regressan­sprüche gegen den Schraubenher­steller geltend zu machen.

Der Vermittlungszusammenhang von Gesellschaft und Technik gilt nicht nur bei dem gesellschaftlichen Cha­rakter von Technik sondern auch bei dem technischen Charakter von Gesellschaft. So bilden Produktion, Bauen und Wohnen, Versorgung und Entsorgung, Transport und Verkehr, Information und Kommunikation quasi das materiale Rückgrat einer Gesell­schaft.

Technikwissenschaften

Technik ist ein Bereich spezifischer Theorie und Praxis. Die Theorien der Technik artikulieren sich in den Tech­nikwissenschaften.

Die Technikwissenschaften sind in einem wesentlichen Teil Handlungs­ und Gestaltungswissenschaften.

Die konkrete Entwicklung der Tech­nikwissenschaften ist historisch stark an den Ausbildungsinteressen der In­genieure und an den unmittelbar ver­wertbaren und von ihren jeweiligen Arbeitgebern nachgefragten Inhalten orientiert und weniger an der Aufklä­rung des Gesamtzusammenhanges von Technik. Der Ansatz einer auf den Gesamtzusammenhang ausge­richteten Technikwissenschaft, einer „Allgemeinen Technologie“, geht zwar schon auf das 18. Jahrhundert zurück, er ist aber in den real existierenden technischen Forschungs­ und Ausbil­dungsstätten recht wenig verankert bzw. entfaltet.

Den inhaltlichen Umfang einer all­gemeinen Technikwissenschaft um­schreibt Ropohl, der sich um die Ent­faltung und Berücksichtigung einer „Allgemeinen Technologie“ weithin ver­dient gemacht hat, folgendermaßen:

„Begriff der Technik; Technische Sachsysteme: Funktion, Struktur und Klassifikation; Technikverwendung im soziotechnischen System: arbeits­ und sozialwissenschaftliche Analyse der Mensch­Maschine­Beziehungen; Grundlagen technischen Gestaltens: Erfindungstheorien, Planungs­ und Konstruktionsmethoden, Produktions­prinzipien; Theorien der technischen Entwicklung: sozioökonomische und soziokulturelle Bedingungen und Folgen der Technisierung; Technikge­

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schichte und technische Prognostik; Technikbewertung und Technikpo­litik.“ 27

Vergegenwärtigt man sich die mangel­hafte Berücksichtigung dieser Inhalte (insbesondere der soziotechnischen und soziokulturellen) in den Ausbil­dungs­ und Studienordnungen, so muss man folgern, dass die zumeist hochspezialisierten technischen Eliten in ihrer überwiegenden Mehrheit kei­ne hinreichende Orientierung in ihrer eigenen Gesamtdisziplin erhalten. Sie können daher eigentlich nicht wissen, was sie sind und was sie tun.

Die Naturwissenschaften und die Ma­thematik wurden ihnen in ihrer Aus­bildung aber als „Grundlagenfächer“ vermittelt, so dass ihnen letztlich kaum Kategorien zur Verfügung stehen, die Kurzschlüssigkeit einer vermeintlichen MINT­Einheit zu durchschauen.

Das hat auch Auswirkungen auf die Rekrutierung des technischen Nach­wuchses. Wer Eindeutigkeit, Neutrali­tät und Berechenbarkeit schätzt, Mehr­deutigkeit und Pluralität als chaotisch und bedrohlich empfindet, der wählt – oft von wohlmeinenden „Kennern“ unterstützt – eher technische Fächer und blendet die anderen Dimensionen erfolgreich aus – zumal sie nicht Ge­genstand verbindlicher Lehre und Ex­amina sind. Rammert charakterisiert die im Rekrutierungsmuster sich stets selbst stabilisierende Sicht: „Der ’eine beste Weg‘ einer vermeintlich neu­tralen technischen Rationalität wird mit einem pluralistischen Chaos wertebe­hafteter Sozialität kontrastiert“.28

Technikpraxis

Die Technikpraxis wird durch die Di­mensionen Entwicklung, Herstellung, Gebrauch, Wiederverwertung und Ent­sorgung charakterisiert. Diese Dimen­sionen, deren Zusammenhang auch als „Produkt­Lebenszyklus“ beschrie­ben wird, sind jedoch nicht gleichran­gig, sondern haben ihr Zentrum im Gebrauch.

Ohne den Gebrauch hat die Technik keinen Sinn und ohne Gebrauchstaug­lichkeit keinen Wert. Alle Herstellung (Planung, Konstruktion und Fertigung) hat ihr Sinnzentrum in der späteren Verwendung des Hergestellten und

legt dessen Verwendungszusammen­hang schon weitgehend fest.

Für das technische Handeln gilt die Trias

Ziele, Mittel(Artefakte) und Folgen – wobei sich

in einem Artefakt je nach Komplexität mehrere zielerfüllende Funktionen als Haupt­ und Nebenfunktionen verei­nen, die Ziele sich oft mit unterschied­lichen aber legitimen Mitteln realisie­ren lassen und die unterschiedlichen Lösungen in unterschiedlicher Weise erwünschte und unerwünschte Folgen haben.29

Janich kennzeichnet daher tech­nisches Handlungswissen zu Recht als „Handlungsfolgewissen“.30

Die erwünschten, beabsichtigten, durch technische Kunst bewirkten Folgen sind der eigentliche Zweck von Technik. Technik gilt gemeinhin als besonders starke Ausdrucksform zweckrationalen Handelns. Es ist da­her höchst verwunderlich, dass die konkreten Zwecke, das lebenswelt­lich Erwünschte, in der technikwis­senschaftlichen Systematik nur noch schattenhaft als Stoff­, Energie­ oder Informations­Wandlung,­ Transport oder ­Speicherung auftauchen. Das erscheint sowohl der Fülle der mensch­lichen Zwecke geschuldet als auch dem Bestreben der Wissenschaft nach Generalisierung und Formalisierung. Damit besteht aber die Gefahr, dass das eigentlich Wichtige und Konkrete „systematisch“ aus dem Blick gerät.

Eine allgemeine technische Bildung, welche sich an den technischen Wis­senschaften orientieren will, muss di­ese Gefahr des Verschwindens von Wirklichkeit durch eine zu starke sys­temtheoretische Formalisierung be­rücksichtigen und die lebensweltliche Struktur und Bedeutung von Technik auch aus einer phänomenologischen und hermeneutischen Perspektive zu erschließen trachten.

Technische Systeme und Prozesse lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Veränderung der Größen Energie, Stoff und Information beschreiben. Ei­ne solche Betrachtungsweise hilft sehr bei der Analyse und Systematisierung der Vielfalt technischer Erscheinungen.

Sie vermag es jedoch nicht, die we­sentlichen Bestimmungsmerkmale der Technik zu treffen, auch nicht deren wissenschaftliche.

Die Faszination durch diese vermeint­liche „technische Weltformel“ hat auch in der Technikdidaktik dort zu einem unheilvollen Reduktionismus geführt, wo sie dieses Deutungsmuster zentral stellte und die anderen von Ropohl angesprochenen Aspekte einer Allge­meinen Technikwissenschaft ausge­blendete bzw. marginalisierte.

Demgegenüber wäre es angeraten, die übliche Fixierung auf einen deskrip­tiven Funktionsbegriff zu überwinden und den teleologischen, die Absichten und die Folgen umfassenden Funk­tionsbegriff mehr in das Zentrum der technikwissenschaftlichen und tech­nikdidaktischen Reflexion zu stellen.31

Offenheit für Lösungs alternativen

Technik wird nicht einfach von Sach­zwängen bestimmt, sondern ist das Ergebnis von Problemlösungs­ und Entscheidungsprozessen.

Im Prozess der Gestaltung von Tech­nik gibt es auf jeder Ebene prinzipiell mehrere Lösungsmöglichkeiten. Um technischen Prozess überhaupt fort­setzen zu können, müssen in jeder Phase des Entstehungsprozesses Entscheidungen auf der Basis von Be­wertungen der Alternativen getroffen werden. Konkretes Technisches Han­deln ist „werturteilsgesättigt“.

Das gilt selbst dann, wenn dies durch die Wahl „üblicher“ Werte und Präfe­renzen gar nicht ins Bewusstsein gerät.

Die Technikbewertung erfolgt also nicht erst am Ende des Prozesses.

Die der Technik angemessenen Be­urteilungskategorien sind nicht „rich­tig oder falsch“, sondern „gut oder schlecht“, bzw. „besser oder schlech­ter“ im Hinblick auf die geforderten Eigenschaften. Diese Kategorien sind sozial konnotiert durch die Frage „Für wen?“.

Technik ist nicht wertneutral. In den technischen Entscheidungsprozessen sind vielfältige – oft widersprüchliche – Anforderungen zu berücksichtigen. Technisches Handeln ist bezogen

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auf humane, ökonomische und ökolo­gische Ziele, ein Handeln im Zielkon­flikt. Der Kompromiss ist wesentliches Merkmal realisierter Technik. Die uns umgebende, angebotene und zuge­mutete Technik ist in der Regel das Ergebnis fremder Bewertungen und Entscheidungen.

Technikakzeptanz kann deshalb kei­ne angemessene Haltung zum Tech­nikangebot sein. Der Umstand, dass es in der Technik nicht die eine beste Lösung gibt, sondern viele legitime Lösungen mit unterschiedlichen Vor­teilen und Nachteilen, zwingt zu einem kritischen, die eigenen Interessen und Bewertungspräferenzen reflektie­renden Verhalten.

Technik, Ökonomie, Politik

Realisierung, Verwendung und Ent­sorgung realer Technik tangieren die Interessen und Ziele von Herstellern, Anbietern, Verwendern und Folge­betroffenen. In einer pluralistischen Gesellschaft besteht kein grundsätz­licher Interessenkonsens zwischen den Akteuren. Daher ist die Rede von der Technik und von dem Menschen schlicht unwahr und letztlich blanke Ideologie. In dieser Gesellschaft ist auf dem Markt, der angeblich alles richten soll, die Marktmacht sehr ungleichmä­ßig verteilt und bei der Ausspähung und Manipulation der „Kunden“ helfen nicht zuletzt Mathematiker, Naturwis­senschaftler, Informatiker und Ingeni­eure mit.

Es kommt daher auf die politische und rechtliche Verfasstheit der Gesell­schaft an, auf das kritische und sach­kundige Engagement der Bürger und auf eine ökonomische, politische und technische Bildung, die ihren Namen verdienen, wenn die Demokratie nicht auf Dauer Schaden nehmen soll – oder soll man sagen?: damit Demokratie überhaupt wirksam werden kann.

Nicht zuletzt sind es die Folgebetrof­fenen und die späteren Generationen, für die es wegen ihrer Nichtbeteiligung am Markt technikbezogene Normen und Gesetze geben muss, aber auch ein verantwortungsvolles und soli­darisches technisches Handeln aller Agierenden, insbesondere auch der Techniker.

In den Bewertungs­ und Entschei­dungsprozessen der Technik kommen kulturelle, gesellschaftliche, ökono­mische und ökologische Zielsetzungen und Präferenzen zur Geltung. Diese Voraussetzungen sind für das Tech­nikverständnis ebenso bedeutsam wie die Folgewirkungen der Technik. Der Technische Wandel, die Implementie­rung neuer Technik wird derzeit sehr oft weniger von humanen Bedürfnis­sen und von gesellschaftlichen Not­wendigkeiten als vielmehr von ökono­mischen Interessen im Sinne hoher Wertschöpfung bestimmt. Das führt zur raschen Entwertung der Produkte, ohne dass deren Gebrauchsnutzen sich verschlechtern würde und zur Vergeudung von menschlichen, öko­nomischen, energetischen und stoff­lichen Ressourcen.

Auch hier zeigt sich die Unwahrheit des Redens von der Wissenschafts­bestimmtheit von Technik und Ge­sellschaft. Die Geschwindigkeit des technischen Wandels lässt sich selten durch die Behebung von Unzulänglich­keiten, durch den Fortschritt der Na­turwissenschaften und den Fortschritt der Technik erklären, sondern eher von den Wertschöpfungserwartungen der Wirtschaft, welche die Ingenieure und auch die Naturwissenschaftler und zunehmend auch die Sozialwis­senschaftler in ihren Dienst nimmt. Die öffentliche Technikdiskussion mündet oft in die Forderung nach Technikak­zeptanz.

Gern wird das Bild von den kreativen, dem wissenschaftlich­technischen Fortschritt verpflichteten Ingenieuren gezeichnet, deren Ideen von der ängst­lichen und unwissenden Bevölkerung nicht angenommen würden, worauf nicht nur Akzeptanz, sondern gerade­zu Technikbegeisterung eingefordert wird.

Bei aller Lobrede vom tüchtigen Inge­nieur wird leicht übersehen, dass die Ingenieure in der Regel keine selbst­ständigen Akteure des technischen Wandels sind, sondern in ihrer groß­en Mehrheit „unselbstständig Be­schäftigte“, welche über ihr jeweiliges „Pflichtenheft“ nicht frei verhandeln sondern dieses vorgegeben, bekom­men und abarbeiten müssen. Wo in ihrem Bildungs­ und Ausbildungspro­

zess werden sie davor bewahrt, zu Vertretern jenes „Geschlechtes er­finderischer Zwerge“ zu werden, „die für alles gemietet werden können“? (Brecht, Leben des Galilei) 32

Das Verhältnis von Industrie und Ge­sellschaft ist durch das Bild der Ver­sorgung der Menschen mit Gütern und Dienstleistungen mithilfe von Technik nicht mehr angemessen zu beschreiben. Aus Interesse an ihrer Selbsterhaltung und Expansion hat sich die Industrie von ihrer gesell­schaftlichen Dienstfunktion weitge­hend emanzipiert und sich zu einem mächtigen Akteur in Gesellschaft und Politik gemacht. Der Konsum immer neuer Produkte wird quasi zur Pflicht und mit großem Aufwand angefeuert. Die Technik wird dabei in vielfältiger Weise in den Dienst genommen. In Analogie zum „militärisch­industriel­len Komplex“ lässt sich von einem „ökonomisch­industriellen Komplex“ sprechen, demgegenüber eine naive Haltung gefährlich ist.

Diese Abhängigkeiten und Verflech­tungen bewirken im Übrigen, dass weder die Sozietäten der Wissen­schaftler noch die der Ingenieure zu gesellschaftlichen Orten des inten­siven Nachdenkens über den richtigen, am Gemeinwohl orientierten Weg der Entwicklung von Wissenschaft, Tech­nik und Gesellschaft geworden sind, ungeachtet ihrer Präambeln und Fest­tagsreden. Und die zunehmende Dritt­mittelabhängigkeit der Universitäten lässt nichts Gutes erhoffen.

Risiko und Unbestimmbarkeit

Technisches Handeln ist Handeln in der Perspektive des Risikos, des er­hofften Gelingens und des befürchte­ten Scheiterns. Die Technikgeschich­te bietet dafür vielfältige Beispiele. Technisches Handeln ist daher an eindeutigen Entscheidungen und an verlässlichen Rahmenbedingungen interessiert. Das Bedürfnis nach Ver­lässlichkeit, Eindeutigkeit und Bere­chenbarkeit der Folgen ist ein Grund für die Inanspruchnahme der Mathe­matik und der Naturwissenschaften (insbesondere der Physik, wobei sehr oft die „eigentlich falsche“, die New­tonsche Version reicht) durch die

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Allgemeine Probleme tu: Fachdidaktik

Technik. Doch ist das Moment des Ris­kanten damit nicht zu bannen. In der Technikphilosophie spricht man vom Homo Technikus, als dem „waghalsig Unwissenden“, als dem „Homo Insci­us“. 33 Die Komplexität der Entschei­dungsstrukturen, klimatische Verände­rungen, gesellschaftliche Strömungen, ökonomische Konkurrenz, drastische Spätfolgen, politische Entscheidungen usw. können auch wohlberechnete und technisch gediegene Projekte, ja gan­ze Industrien zum Scheitern bringen. Man denke an die „Energiewende“ oder an die Diskussion in der Versi­cherungswirtschaft um die ungeklärten Auswirkungen von Nanoelementen in natürlichen Wasserkreisläufen. Die Re­de von der Risikogesellschaft kommt nicht von ungefähr. Die Charakterisie­rung der Technik als „Manifestation des Gesetzes der Sache“ erweist sich auch hier als Unsinn.34

Angesichts des fortgeschrittenen Entwicklungsstandes der Technik mit ihren vielfältigen Lösungsalterna­tiven und angesichts der gesteigerten Kenntnisse der technischen Wissen­schaften sind gefährliche – auch un­beabsichtigte – Nebenwirkungen nur noch selten sachlich, d.h. aus dem mangelhaften Stand der Technik he­raus zu rechtfertigen. Sie müssen vielmehr gesellschaftlich eingegrenzt, abgestellt bzw. verantwortet werden.

Naturwissenschaften und Technik

Technik ist substantiell keine Anwen­dung von Naturwissenschaften und Mathematik. Sie nutzt vielmehr natur­wissenschaftliche Erkenntnisse und mathematische Instrumentarien für eigene Zwecke, insbesondere zur Op­timierung. Die Naturwissenschaften sind nicht die grundsätzlichen Bedin­gungen gelingender Technik, was sich auch an historischen Beispielen zeigen lässt. Der Siegeszug der klassischen Wärmekraftmaschine, der Dampfma­schine, vollzog sich in einer Zeit, als in der Physik die Phlogiston­Theorie fa­vorisiert wurde, eine aus heutiger Sicht unhaltbare Vorstellung von Wärme und Verbrennung. Die mächtigen Kathe­dralen – damals High­Tech­Produkte – wurden ohne eine Theorie der Statik von Tragwerken geschaffen.

Noch heute streitet sich die Physik um das richtige Verständnis des Auftriebs am Flugzeugflügel während sich Aber­millionen von Menschen den Flugzeu­gen anvertrauen (können).35

„Es funktioniert, auch wenn wir nicht wissen warum.“ „Aber wir können sagen, warum wir es machen und zeigen, wie wir es machen und kön­nen sagen, für wen wir es machen.“ „Und: Wenn ihr uns sagen könnt, warum es geht, umso besser.“ (Sätze aus einer fiktiven „Unab­hängigkeitserklärung der Techniker gegenüber den Macht­ und Deu­tungsansprüchen der Naturwissen­schaftler“)

Die Naturwissenschaften und die Ma­thematik sind bedeutende Hilfswissen­schaften der Technik, sie bilden aber nicht die Grundlagen der Technik.

Die Naturwissenschaften bedienen sich im Forschungsprozess zuneh­mend technischer Apparate und der Problemlösungskompetenz von Inge­nieuren. Man kann daher von einem gegenseitigen Verhältnis von Hilfsdis­ziplinen sprechen, nicht aber von einer Einheit.

Bei der Verwirklichung technischer Funktionen ist – wenn sie nicht durch die Kombination und Variation bereits vorhandener technischer Lösungs­muster und Systeme realisiert wer­den können – generell eine Auswahl unterschiedlicher natürlicher Effekte möglich (z. B. Schwerkraft, Auftrieb, Magnetismus, Elastizität). Sie sind Va­riablen, nicht Voraussetzungen. Ihre Auswahl richtet sich nach den mensch­lichen Zielsetzungen und Präferenzen sowie nach den gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Notwendigkeit der Kenntnis der naturwissenschaftlichen Details die­ser Effekte ist für Technikmacher, also für Ingenieure in der Regel durchaus höher als etwa für die Techniknutzer, die technischen Laien. Für diese sind beispielsweise das Funktionswissen, das Wissen um den Gebrauchswert, das Handlungswissen und das Infra­strukturwissen ungleich wichtiger.36

Natürlich hat z. B. die Quantenphysik einen entscheidenden, ja ausschlag­gebenden Beitrag zur Entwicklung

des Transistors geleistet, aber die entsprechende Entwicklungsrich­tung war technisch bestimmt. Röben spricht hier von einer technisch in­spirierten, ökonomisch getriebenen naturwissenschaftlichen Grundlagen­forschung, welche zur Entwicklung des Transistors als einer Schlüsseler­findung geführt hat. Nachdem aber der Prototyp vorhanden war, bedurfte es für die Produktion und Modifika­tion von Transistoren, aber auch für die Konstruktion und Fertigung eines Transistorradios, oder gar für dessen Gebrauch i.d.R. keine quantenphy­sikalischen Kenntnisse mehr. Dafür kommen vielfältige, sehr unterschied­liche technische Kenntnisse und Fä­higkeiten zum Tragen. Diese wegzu­blenden und die damals notwendigen fetskörperphysikalischen Erkenntnisse als entscheidend für die ganze halb­leiterverwendende Technik zu rekla­mieren kommt einer geistigen Enteig­nung der Techniker gleich.37

Die allenthalben geradezu mantra­mäßig vorgetragene Behauptung von der Technik als der „Anwendung“ von Naturwissenschaften kontrastiert mit dem Tatbestand, dass man nirgends genauere Darstellungen und Demons­trationen zu diesem Prozess der „An­wendung“ erhalten kann ...? Ich habe selbst als junger Ingenieur bei meiner Arbeit diesen offenbar geheimnisvollen Wandlungsprozess nie wahrgenom­men und verstanden, wohl aber den Umstand, dass ich mir bekannte natu­rale Effekte auswählend zunutze ma­chen konnte.

Die Naturwissenschaften haben kei­ne Kategorien für das Verstehen von Technik geschweige denn für die Be­urteilung und Bewertung von Technik. Mit ihrer Hilfe sind lediglichAnsätze des Erklärens möglich.

Der Versuch Technik zu verstehen, kann durch eine Analyse der in ihr ge­nutzten natürlichen Effekte nicht gelin­gen, sondern erst dann, wenn man die zielerfüllenden Funktionen identifizie­ren kann und wenn man die Entschei­dungen nachzuvollziehen in der Lage ist, welche bei ihrer Verwirklichung ge­fällt wurden.

Das den Gestaltungs­ und Entschei­dungsprozess bestimmende „Pflich­ten­, bzw. Lastenheft“ enthält keine

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naturwissenschaftlichen oder mathe­matischen Vorgaben. Zur Beurteilung und Bewertung des Grades der Pflicht­erfüllung im Artefakt können sie keinen Beitrag leisten. Auf die Fragen nach dem „Wieso? Weshalb? Warum?“, die nach dem Votum der „Sendung mit der Maus“ vor der Dummheit schützen, ha­ben sie bezogen auf die Technik keine Antworten!

Resümee Technikgestaltung und Techniknut­zung sind nicht die praktischen Aus­drucks­ und Anwendungsformen mathematischer und naturwissen­schaftlicher Gesetzmäßigkeiten. Sie sind ebenso wenig nur die praktische Anwendung technikwissenschaftlicher Erkenntnisse und Gesetzmäßigkeiten. Sie haben ihren Kern in der Erfahrung und im Können und ihre Orientierung an den differenzierten menschlichen Interessen, Bedürfnissen, Wünschen, Ängsten und Hoffnungen und sie ha­ben letztlich zu tun mit der Vorstellung von einem guten, richtigen Leben.

Vor dem Hintergrund einer umfas­senden – hier nur bruchstückhaft dargelegten Technikanalyse erweist sich das MINT­Konzept als sachlich un­ und kurzschlüssig. Es halbiert und verfälscht eine angemessene Wahr­nehmung der Technik. Die Naturwis­senschaft ist eigentlich nur eine Hilfs­disziplin der Technik, quasi die Magd im Haus der Technik. Durch die domi­nant naturwissenschaftliche Technik­deutung in der Schule wird die Magd zur Herrin ausgerufen. Diese Tech­nikdeutung enteignet den Menschen seiner Urheberschaft, Herrschaft und Verantwortung.

Das MINT­Konzept ist damit pädago­gisch unsinnig, wenn es in der gegen­wärtigen inhaltlichen Konstellation mit dem Anspruch auf Realisierung einer technischen Bildung in der allgemein­bildenden Schule auftritt.

Wenn es in seiner gegenwärtigen Dy­namik und Verfasstheit und Finanzkraft als Agent der Sicherung des Nach­wuchses im Bildungswesen auftritt, dann ist es pädagogisch unanständig, weil es die Interessen der anderen von Nachwuchsproblemen betroffenen

Disziplinen missachtet und außerdem die genuinen Aufgaben einer allge­meinbildenden Schule ignoriert.

Es ist überdies strategisch und pä­dagogisch dumm, weil es suggeriert, dass der Zugang zur Technik und zu einem technischen Verständnis im We­sentlichen durch das Tor der Mathe­matik und der Naturwissenschaften zu erreichen ist. Damit verfälscht es nicht nur das Verständnis der Technik, son­dern es weist gerade jene ab, welche einen Zugang zur Technik eher über die menschlichen Bedürfnisse, ihre kulturelle Bedeutung, ihre gesellschaft­liche Relevanz und Problematik über die Kreativität und über die lebenswelt­liche Praxis gewinnen könnten.

Angesichts der Fülle der mit dem MINT­Konzept zwangsläufig ausge­sparten aber zur Technik substantiell gehörenden Aspekte und Bezüge gibt es für die Technikdidaktik eigentlich keinen Anlass, sich ernsthaft auf das

MINT­Konzept einzulassen, gerade dann, wenn es als interdisziplinäre Einheit auftritt.

Es führt – auch bei allem guten Willen vieler seiner Akteure – zu einer Ver­kürzung und Verfehlung Technischer Bildung. Da es den Gegenstand Tech­nik m. E. um wesentliche Dimensionen verkürzt, bzw. diese randständig und beliebig macht, kann es technolo­gische Aufklärung nicht fördern, son­dern bewirkt Verdummung, auf z. T. hohem formalem Niveau.

Gegen die eigentlich technikdidaktisch gebotene Zurückhaltung gegenüber MINT bleiben nur die Argumente,

– dass es ohne unsere Mitwirkung nur noch schlimmer würde,

– dass die Technische Bildung von der Aufmerksamkeit, die gegen­wärtig der naturwissenschaftlichen Bildung und nun auch der Technik in der pädagogischen Öffentlichkeit zuteil wird, nicht profitieren würde,

Tjalve, Produktbestimmende Faktoren (siehe Anm. 24)

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– dass die Technische Bildung von den für MINT bereitgestellten Mit­teln nichts abbekäme.

Anpassung und Diensteifer, aber auch Rückzug und Resignation sind wohl keine angemessenen Antworten auf die gegenwärtige Situation.

Will die Technikdidaktik, wollen die Technikdidaktiker von der (wenn auch schiefen) Wahrnehmung der Technik profitieren und wollen sie eine bloße Appendixexistenz in der Schule über­winden, so müssen sie offensiv für eine unverkürzte Technische Bildung eintreten.

Sie sollten die Desiderata in den MINT­Diskursen deutlich benennen und bereit sein, auch als bildungspo­litische „Spielverderber“ zu fungieren. Sie sollten auch diejenigen beim Wort nehmen, welche eine Förderung tech­nischer Bildung versprechen, sie aber substantiell weder meinen noch inhalt­lich benennen können.

Die Chance besteht darin, dass man darauf besteht, dass dort, wo Technik draufsteht auch Technik drin ist bzw. hineinkommt.

Sie sollten sich selbstbewusst als die Experten für Technik in der Schule zur Geltung bringen und auf den erarbei­teten technikdidaktischen Fundus hin­sichtlich der Konzepte Inhalte, Metho­den und Medien technischer Bildung verweisen. Insbesondere gegenüber jenen, welche die lange technikdidak­tische Tradition bisher ignoriert haben.

Sie sollten zur Geltung bringen, dass Technische Bildung nicht mit Gelegen­heitsunterricht und nicht umsonst zu bekommen ist, sondern auf angemes­sene Fachräume, Deputate, Finanzen und ausgebildete Lehrkräfte angewie­sen ist.

Sie müssen auf die Klärung der bis­her unklaren schulorganisatorischen Probleme hinwirken. Diese Klärung im Diskurs könnte dazu beitragen, dem MINT­Konzept den gegenwärtigen Glorienschein zu nehmen.

In welcher Form soll das MINT­Kon­zept im Fächergefüge der Schule eta­bliert werden?

Denkbar (und aus meiner Sicht am ehesten hinnehmbar) wäre MINT als bloße Sammelbezeichnung für die

diesbezüglichen autonomen Schul­fächer einschließlich der Einrichtung eines Faches Technik, dort wo es noch nicht eingeführt ist. Diese Fä­cher wären gehalten, nicht nur intern aufeinander Bezug zu nehmen oder miteinander zu kooperieren, sondern themenabhängig auch auf andere Fä­cher der Schule einzugehen bzw. mit ihnen zu kooperieren.

Denkbar wäre MINT als Fachbereich mit vorgegebenen Festlegungen. Da­bei ist die Frage zu klären, wer diese Festlegungen trifft und in welcher Ent­scheidungs­ und Absprachekonstella­tion und nach welchen didaktischen Gesichtspunkten die inhaltlichen Fest­legungen erfolgen?

Denkbar wäre ein neues Fach MINT neben den etablierten Fächern.

Denkbar wäre MINT als Ersatzfach an­stelle der etablierten Fächer.

Zu klären wären dabei natürlich auch die Konsequenzen, die sich aus den jeweiligen Alternativen für die Leh­rerbildung, die Lehrerfortbildung, die Fachraumgestaltung, die Schulbuch­produktion etc. ergeben.

Dies lenkt den Blick auf das Problem der Didaktik. Bei der Propagierung „interdisziplinärer“ MINT­Konzepte und auch bei Propagierung von Kon­zepten, eines einheitlichen („interdis­ziplinären“) naturwissenschaftlich­technischen Unterrichts (NT) wird stillschweigend von der Möglichkeit einer MINT­Didaktik bzw. NT­Didaktik ausgegangen. Nach sachlichen Ge­sichtspunkten kann es bei einem admi­nistrativ erfolgten Zwangsverband (eu­phemistisch „Verbund“ bezeichnet) von Fächern mit sehr unterschiedlichen In­halten, Methoden, wissenschaftlichen Strukturen, Urteilsgründen, Fach­sprachen etc. keine einheitliche Ge­samtdidaktik geben, ohne dass dabei substantielle Spezifika der beteiligten Disziplinen verloren gehen(müssen). Die Strukturen von Naturwissenschaft und die der Technikwissenschaft und die der Technikpraxis sind bereits so unterschiedlich, dass es sachlich un­möglich erscheint, eine halbwegs stim­mige MINT­Didaktik oder eine NT­Di­daktik zu begründen und zu etablieren, so wenig wie es bisher möglich war, eine stimmige Arbeitslehredidaktik zu entwickeln.

Solch sachlicher Vorbehalt wird aber weder die großen MINT­Player davon abhalten eine entsprechende Didak­tik zu fordern, noch die Hochschulen daran hindern, entsprechende Pro­fessuren einzurichten, wenn es ihnen Renommee verspricht oder wenn sie dadurch die Möglichkeit erhalten, die Stellen für die Einzeldisziplinen einzusparen. Genügend ehrgeizige Nachwuchswissenschaftler wird es sicher geben. MINT­Lehrer erleich­tern den Schulleitungen auch den Lehrerein satz, können sie doch als Mathelehrer, als Biologielehrer, als Physiklehrer, als Chemielehrer, als In­formatiklehrer oder als Techniklehrer eingesetzt werden.

Wer dazu neigt, den gegenwärtigen MINT­Hype mit Geduld und ohne sich einzumischen einfach zu überstehen, der muss mit der Furcht leben, dass in der Zwischenzeit irreparable struktu­relle Schäden im Bildungswesen verur­sacht werden.

Wer sich von MINT eine Stärkung technischer Bildung erhofft, der sollte einen Blick auf die vordergründig po­sitiven Signale werfen, die durch die Einführung von Fächern und Fächer­„verbünden“ zum naturwissenschaft­lich­technischen Unterricht gesendet werden. Doch die genaue Analyse ergibt erschreckende Befunde, welche an Etikettenschwindel gemahnen:

So beispielsweise in Bayern, wo für die Klassen 5 bis 7 des Gymnasiums das Fach „Natur und Technik“ eingeführt wurde. In Bayern – beim Bier stolz auf sein Reinheitsgebot – zeigt die Analy­se, dass Technik in dem Fach „Natur und Technik“ praktisch gar nicht ent­halten ist! 38

Baden­Württemberg, einstmals ein Vorreiter in technischer Bildung re­formiert gerade die Schule mit dem durchaus sympathischen Ziel stär­kerer inhaltlicher Übereinstimmung zwischen den Schularten. Fataler­weise orientiert man sich dabei am Gymnasium, das sich bisher tapfer gegen eine Etablierung des Technik­unterrichts gewehrt hat. Der Fächer­verbund „Biologie, Naturphänomene und Technik“ ist immerhin in den Klassen 5 und 6 im Pflichtbereich ausgewiesen! 39

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tu: Fachdidaktik Allgemeine Probleme

Doch ausweislich der offiziellen Stun­denkontingenttafel ist für Technik in Gymnasium 2x ½ Stunde, also insge­samt nur eine(!) Stunde von 6 ausge­wiesen;

für Biologie 4 im Verbund plus 5 als ei­genes Fach, für Physik insgesamt 8,5 und für Chemie 6,5 Stunden.

Technik ist im Pflichtbereich der Se­kundarstufe als eigenes Fach nicht vorgesehen.

Das ergibt ein Verhältnis von Naturwis­senschaften zur Technik im Gymnasi­um von 20 zu 1. Technik wird im Titel deutlich genannt, inhaltlich aber nicht berücksichtigt und der Fächerverbund wird in den Verlautbarungen des Minis­teriums als naturwissenschaftlicher Fä­cherverbund mit einer Brückenfunktion hin zu den naturwissenschaftlichen Einzelfächern bezeichnet.

In der Realschule und in der Werkreal­schule ist das Verhältnis immerhin 22 zu 2.

Solche Verhältnisse zeigen die unge­brochene Wirksamkeit des Fehl­Ver­ständnisses von Naturwissenschaft und Technik im Bereich der Allgemein­bildung und die Macht des schulischen Establishments.

Technik nicht für alle!

Den Technikunterricht findet man, wenn überhaupt, im Wahlbereich, z. B. in BW, wo man sich zwischen den Fä­chern „Technik“ und „Alltagskultur, Er­nährung, Soziales“(AES, früher HTW) sowie der 2. Fremdsprache entschei­den muss.

Das Gymnasium sieht das Fach AES gar nicht vor und die Technik kann im Wahlbereich neben der 3. Fremdspra­che nur unter der „geistigen Führung“ durch die Naturwissenschaften belegt werden. Das entsprechende Fach heißt dort „Naturwissenschaft und Technik“ und wird als Kernfach für das naturwissenschaftliche Profil bezeich­net.40 Das Fach ist gegenwärtig noch in der Erprobung. Aber man muss da­mit rechnen, dass das in der Namens­gebung aufscheinende Versprechen auf eine solide und unverkürzte Tech­nische Bildung nicht eingelöst wird.

Es erscheint daher notwendig, nicht den Überschriften zu vertrauen, son­dern die Konzepte und Lehrplan­

elemente, aber auch die vielen in das Schulsystem einströmenden Broschü­ren, Materialien und Kurse einer ge­naueren Analyse zu unterziehen und die entsprechenden Befunde in den Diskurs einzubringen.

Der „Verein Deutscher Ingenieure“ (VDI), der viele Jahre für einen eigen­ständigen Technikunterricht in allen Schularten und Schulstufen maß­geblich mitkämpfte, hat sich offenbar dem wirtschaftlich verstärkten Sog der MINT­ Bewegung ergeben. Er ist eines der Mitglieder des Nationalen MINT­Forums.41 Der VDI hat dem Werben des „Deutschen Vereins zur Förde­rung des mathematischen und natur­wissenschaftlichen Unterrichts (MNU)“ nachgegeben und maßgeblich die Ent­wicklung eines didaktischen Konzepts eines „interdisziplinären Ansatzes ’Natur und Technik‘ für das Gymnasi­um“ unterstützt. Diesem Konzept gilt grundsätzlich die gleiche Skepsis, wie sie hier dem MINT gegenüber vorge­tragen wurde und sollte technikdidak­tisch genau analysiert und differenziert diskutiert werden.42

Hoffnung macht nun die Forderung des VDI­Präsidenten Udo Neugeheu­er auf dem Ingenieurtag 2015: „Die Politik muss die technische Bildung endlich flächendeckend fest veran­kern. An allen Schulen, über alle Jahrgangsstufen hinweg. Auf einem Niveau, das deren enormer Bedeu­tung gerecht wird.“ 43

Schärfung des Technik-verständnisses und Präzisierung der Essentials der Technikdidaktik Die Erfahrungen der Vereinnahmung, Ausgrenzung, Verkuppelung und Ignoranz im MINT­ und NT­ Zusam­menhang bietet der Technikdidaktik durchaus die Chance der kritischen Bestandsaufnahme, der Vergewisse­rung und der inhaltlichen Weiterent­wicklung. Sie sollten aber auch zu ei­ner Intensivierung der Außenkontakte veranlassen etwa zu den Erziehungs­wissenschaften und zu den bildungs­politischen Entscheidungsträgern.

Für eine Technikdidaktik, welche ihren inhaltlichen Gegenstand nicht verfeh­len und verkürzen will, muss es darauf ankommen, die wesentlichen Merk­male der Technik noch genauer zu be­stimmen, um sie bei der Präzisierung und Kritik der didaktischen Konzepte, der Bildungspläne, der Methoden, der Medien, der Kooperationskonzepte etc. angemessen berücksichtigen zu können. Die an dieser Stelle vorge­tragenen Aspekte sind sicher ergän­zungsbedürftig. Sie sollte dabei die sozialwissenschaftliche Technikfor­schung stärker zur Kenntnis nehmen und sie auf ihre Relevanz für die eige­ne Positionsbestimmung und Weiter­entwicklung hin diskutieren. Gleiches gilt für die ökonomischen, für die kultur­anthropologischen Dimensionen, die wissenschaftstheoretischen und philo­sophischen Dimensionen von Technik.

Es stellt sich dabei durchaus die Fra­ge, inwieweit die von Ropohl für eine Allgemeine Technikwissenschaft re­klamierten inhaltlichen Dimensionen innerhalb der Technikdidaktik wahrge­nommen auf ihre Relevanz geprüft und produktiv einbezogen wurden.

An der gegenwärtigen Roll­Back­Situ­ation hat die Technikdidaktik einen ei­genen Anteil. So hat ihre Bereitschaft zur Zuordnung der Technikdidaktik zu den naturwissenschaftlichen Fakul­täten und Instituten zur Verunklarung der Wahrnehmung von Technik und Technikunterricht beigetragen und das falsche Deutungsmuster des Verhält­nisses von Naturwissenschaften und Technik in Hochschulen und Öffent­lichkeit und auch bei den bildungs­politischen Entscheidungsträgern un­gewollt verstärkt. Da die Fakultäten zumeist das Recht auf Selbstrekrutie­rung besitzen, erweist sich eine solche Zuordnung spätestens bei den Stellen­besetzungen als Falle für die Technik­didaktik, denn nicht immer nutzt der Appell an die Fairness.

Die Technikdidaktik hat noch nicht genügend dazu beigetragen, die hu­manen, gesellschaftlichen, ökono­mischen und kulturellen Dimensionen der Technik für die Unterrichtspraxis zu erschließen. Oft bleibt der Begriff „Soziotechnik“ noch eine Leerformel und bei einer vorgegebenen Orientie­rung an einem mehrperspektivischen

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Ansatz fungieren die „Problem­ und Handlungsfelder“ oft weniger als Suchfeld für die Bestimmung wirklich problemhaltiger und aufschlussreicher Themenstellungen als viel mehr als Rechtfertigungs­ und Zuordnungsmus­ter recht beliebiger Themen.44

Entstehung und Verwendung, Voraus­setzungen und Auswirkungen von Technik und ihre Einbindung in sozi­okulturelle Zusammenhänge müssen noch stärker in den Fokus der Tech­nikdidaktik und des Technikunterrichts rücken.

Arbeiten wir an einem Technikunter­richt mit menschlichem Antlitz indem wir die menschliche Urheberschaft und Zweckbestimmung von Technik stärker zur Geltung bringen! Arbeiten wir an einem Technikunterricht ohne Edelstahlglanz und ohne modernis­tische Rasanz und Helfen wir den jungen Menschen dazu, halbwegs souveräne Bürger im Technotop zu werden und nicht nur ausgespähte und manipulierte Kunden und nicht nur „be­geisterte“ Akzeptanten!

Der pädagogische Auftrag bleibt:

Technologische Aufklärung!

Verlässliche Orientierung in der Welt der Technik!

Befähigung zur Technikgestal-tung, Ermöglichung der Erfahrung der Selbstwirksamkeit in der tech-nischen Welt!

Stärkung der Urteilskraft in den die Technik betreffenden Fragen!

Für alle!

Die freie Berufswahl ist ein Menschen­recht und die Erzeugung der Tech­nikbegeisterung ist angesichts des konkreten Zustandes der Technik und angesichts der Einbindung der Technik in irrationale Verwertungszusammen­hänge pädagogisch eher verantwor­tungslos. Mehr als ein gleichermaßen konstruktives wie kritisches Verhältnis zur Technik sollte man nicht anstreben. Wenn daraus wirklich eine Begeiste­rung erwächst, dann sollten dafür nicht Manipulation und Propaganda verant­wortlich sein.

Genügend Ingenieure und die Wettbe­werbsfähigkeit auf dem Weltmarkt sind demgegenüber wirklich zweitrangig –

wobei ich glaube, dass eine angemes­senere, weil unverkürzte Technische Bildung die Bereitschaft zur technikbe­zogenen Berufswahl eher fördern als gefährden würde.

Doch die künftigen Ingenieure wüssten im Zuge einer solchen umfassenden Grundbildung entschieden mehr darü­ber, was sie eigentlich tun und wären eher in der Lage, den Nutzen der Men­schen zu mehren und Schaden von ih­nen und ihrer Erde abzuwenden.

Ob die Mehrheit der Apologeten der MINT­Bewegung daran, d.h. an grundlegend technisch gebildeten In­genieuren und Bürgern wirklich ein Interesse hat, lässt sich bezweifeln. Eine solche, nicht natural verstüm­melte Technische Bildung würde den Schleier der Naturnotwendigkeit und Wertneutralität eines in Wahrheit weit­gehend von ökonomischen Interessen bestimmten technischen Wandels gründlich lüften.

Anmerkungen und Nachweise: 1) STEM (Science, Technology, Engi­

neering, Mathematics) bezeichnet ein groß angelegtes und ausgestattetes staatliches Programm der USA zur Sicherung bzw. Wiederherstellung der amerikanischen Dominanz in Wissen­schaft, Forschung und Entwicklung. Wesentliches Instrument des Pro­gramms ist „STEM­Education“, ein interdisziplinäres Curriculum, das sich auf Naturwissenschaften, Technolo­gie, Ingenieurwesen und Mathema­tik (STEM) konzentriert, wobei die Disziplinen nicht einzeln, sondern nur gemeinsam und aufeinander bezogen unterrichtet werden sollen.

2) Staatlich gefördertes Programm zur Sicherung des Nachwuchses in den Disziplinen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) durch MINT­Unterricht.

3) Für MINT­Schulen weist das Netz 373000 Treffer aus. Für MINT­Akade­mien 283.000, für MINT­Universität 491000. Alle machen mit! Eine kri­tische Prüfung dessen, wobei man da eigentlich mitmacht, wofür man in Anspruch genommen wird, findet nicht statt. Sie findet zumindest keinen Widerhall im Netz.

4) Z. B.: Berlin­Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Stel­lungnahmen und Empfehlungen zur MINT­Bildung in Deutschland auf der Basis einer europäischen Vergleichs­studie. Berlin, 2012 . Federführung

O. Renn und U. Pfenning. Obwohl dabei weitreichende Forderungen zur Inhaltlichkeit und zur Didaktik des MINT­Unterrichts gemacht werden, sucht man bei den Autoren Erzie­hungswissenschaftler und Fachdidak­tiker der betroffenen Fächer verge­bens. Es bleibt völlig rätselhaft, wie die darin geforderte wissenschaftliche Mündigkeit und technische Mündigkeit unter Einbeziehung soziotechnischer Dimensionen in einem integrierten, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Technik zusammenfassenden MINT­Sammelfach geleistet werden kann.

5) Pressemitteilung der Klett­Gruppe 12.1.2010

6) Blankertz, Theorien und Modelle der Didaktik. München 2000; Blankertz, H.: Didaktik der Arbeitslehre und ihre Konsequenzen für die Lehrerbildung. Bad Harzburg 1967; klafki, W.: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim und Basel 2007; klafki, W.: Bedeutung und Stellung der Werkerziehung in den allgemein­bildenden Schulen. In: kaufmann/meyer (Hrsg.): Werkerziehung in der technischen Welt. Stuttgart 1967; ScHulz, W.: Unterricht – Analyse und Planung. In: Heimann / OttO / ScHulz: Unterricht – Analyse und Planung. Hannover 1972; ScHulz, W.: Technik und Wirtschaft im Lehrplan der allge­meinbildenden Schule. In: uScHkereit / meHrgardt / kaufmann (Bearb.): Werkunterricht als technische Bildung. Weinheim, Berlin, Basel 1969

7) SacHS, B.: Schlüsselqualifikationen in der Berufsbildung und im allgemein­bildenden Technikunterricht. Teil 1 und 2 : In tu 69 u. 70 / 1993 SacHS, B.: Zum Bildungsverständnis der „Bildungs“­standards. In: BienHauS, W. (Bearb.): Bildungsstandards und Qua­litätssicherung in Hochschule, Schule und Studienseminar 7. DGTB­ Tagung Berlin 2003

8) künzli, r.: Der Slogan von den MINT­Fächern. Aarau Dez. 2012 http://www.Lehrplanforschung.ch/?p=2901

9) http:/nationalesmintforum.de

10) kagermann, H. / SattelBerger, tH.: Nationales MINT­Forum (Hrsg.): MINT­Bildung im Kontext ganzheit­licher Bildung. Grundsatzpapier 2014

11) http://bildungsklick.de/s/ klett­mint­gmbh

12) Nationales MINT­Forum (Hrsg.): MINT­Bildung im Kontext ganzheit­licher Bildung. Grundsatzpaier 2014

13) Bundesministerium für Arbeit und Soziales http://www.bmas.de/DE/ Service/Publikationen/a756­ arbeitsmarktprognose­2030.html

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tu: Fachdidaktik Allgemeine Probleme

14) Forum soziale Technikgestaltung http://www.forum­soziale­ technikgestaltung.de/

15) Verschiedene Studien zu MINT­Arbeitsmarkt : IW, BIBB/IAB, DIW Frühjar 2015 Spiegel.de http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/fachkraeftemangel­warum­die­ ingenieurluecke­doch­nicht­kam­a­1027793.html http://www.hochschulbildungsreport 2020.de/handlungsfeld/mint­ bildung/fokus/2014.html http://www.focus.de/finanzen/karriere/uniabsolventen­punkten­nicht­immer­studium­oder­ausbildung­wann­lohnt­sich­was_id_4065695.html

16) litt, tH.: Technisches Denken und menschliche Bildung. Heidelberg 1957; litt, tH.: Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt. Bochum o.J.; litt, tH.: Das Problem der Menschenbildung in der modernen Wirtschaftswelt. Biele­feld 1955; SacHS, B. Allgemeinbildung und Arbeitswelt. Zur Rehabilitation des Neuhumanismus. In: traeBert; W.: Technik als Schulfach Bd. 3 Leh­ren und Lernen im Technikunterricht. Düsseldorf 1980

17) Beispielhaft deutlich ausgesprochen im Landtagsprotokoll Baden­Württem­berg von 6.5.1981 Drucksache 8/1460 III/1 „Beibehaltung des Faches Tech­nik an Realschulen“. S.9 f. Im Übrigen siehe: SacHS, B.: Grundlinien einer Geschichte des Technikunterrichts. In: tu 48, 1988

18) http://www.hochschulbildungsre­port2020.de/handlungsfeld/mint­bil­dung/fokus/2014.html Welches MINT­Fach vor welchen Herausforderungen steht

19) Z.B.: lOvincacH, J.: Auswendig lernen und wieder vergessen. Viele Ingeni­eurstudenten müssen Mathe pauken – obwohl sie für ihren späteren Beruf davon wenig brauchen. In: Die Zeit, Nr. 41, 2014

20) Duden.online.de http://www.duden.de/rechtschreibung/Technik

21) Robert­Bosch­Stiftung: Technik im naturwissenschaftlichen Unterricht. http://natworking.bosch­stiftung.de/content/language1/html/index.asp

22) Siehe Sellin, H. / WeSSelS, B. (Be­arb.): Beiträge zur Didaktik der tech­nischen Bildung (1958–1968), Wein­heim, Berlin, Basel 1970; traeBert, W. e.: Technik als Schulfach. Bände 1–6 im VDI­Verlag. 1976–1987 Jahresbän­de der Deutschen Gesellschaft für Technische Bildung (DGTB) seit 1998 kOHl, S. / SacHS, c.: Polytechnischer Unterricht in der DDR, Hamburg 2000 Zeitschrift für Technik im Unterricht

„tu“ seit 1976 Zeitschrift arbeiten + lernen Technik / Unterricht Arbeit und Technik 1978 – 2006 Höpken, g./OSterkamp, S./reicH, g. (Übers. u. Hrg.): Standards für eine allgemeine technische Bildung (USA) Bde. 1 u. 2 Villingen­Schwenningen 2003, 2004 SacHS, B.: Grundlinien einer Ge­schichte des Technikunterrichts. In: tu 48, 1988

23) Wilkening, f. / ScHmayl, W. Technik­unterricht. 1984 ScHmayl, W.: Didaktik allgemeinbildenden Technikunter­richts. Hohengehren 2010 SacHS, B.: Technikunterricht – Bedingungen und Perspektiven. „tu“ H. 100, 2001 möller, k.: Technische Bildung im Sachunterricht der Grundschule. In: duncker/pOpp (Hrg.): Kind und Sa­che. Weinheim / München 1994

24) BanSe,g./ grunWald, a./ könig, W./ rOpOHl, g. (Hrg.): Erkennen und Ge­stalten – Eine Theorie der Technikwis­senschaften. Berlin 2006, BanSe, g. / HauSer, r. (Hrg.): Technik und Kultur – Bedingungs­ und Beeinflussungs­verhältnisse. Karlsruhe 2010 BanSe, g.: Erkennen und Gestalten – oder über Wissen­schaften und Machen­schaften. In: „tu“ H. 145 2014, JanicH, p.: Die Struktur technischer Innovati­onen. In: Hartmann, d. / JanicH, p. Die kulturalistische Wende. Frankfurt 1998 krOHn, W.: Eine Einführung in die Soziologie der Technik. Bielefeld 2006 (Uni Bielefeld) rammert, W.: Technik – Stichwort für eine Enzyklopädie. Berlin 1999 (TU Berlin) rammert, W.: Technik, Handeln und Sozialstruktur: Eine Einführung in die Soziologie der Technik. TU Berlin 2006 rOpOHl, g.: Eine Systemtheorie der Technik – Zur Grundlegung der Allgemeinen Technologie. München / Wien 1979 Tjalve, E.: Systematische Formge­bung für Industrieprodukte. VDI­Ver­lag, Düsseldorf und Goldach 1978

25) krOHn, W.: Eine Einführung in die Soziologie der Technik. a.a.O.

26) krOHn, W. a.a.O.

27) rOpOHl, g.: Allgemeine Technologie – Wissenschaft in didaktischer Absicht. In: BOnz, B. / Ott, B. (Hrg.): Allgemei­ne Technikdidaktik . Theorieansätze und Praxisbezüge. Baltmannsweiler 2003,

28) rammert, W. Technik – Stichwort für eine Enzyklopädie. a.a.O.

29) WieSenfartH, g.: Zum technischen Handeln als Grundbegriff einer Tech­nikdidaktik. In: „tu“ H. 66, 1992

30) JanicH, p.: Handwerk und Mundwerk. Über das Herstellen von Wissen. München 2015

31) fieS, H.: Allgemeine Technologie im Technikunterricht der allgemeinbil­denden Schule? Teil 1 In: „tu“ H. 139, 2011

32) BrecHt, B. Das Leben des Galilei. 14. Aufzug

33) Leben im Technotop – Technosophie Der Mensch im Technotop http://www.technosophie.de/aufsaetze.html

34) Beck, u.: Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt 1886

35) In der Flugphysik gibt es unterschied­liche Erklärungstheorien für den Auftrieb: Die Rückstoßtheorie nach Newton, die Theorie von Bernoulli und die Theorie der Zirkulationsströ­mung. Die Bernoulli­Theorie hatte ihre hohe Zeit als die Flieger die Luft eroberten. Sie gilt heute eher als falsch. Die Flugzeuge sind trotzdem geflogen. Die Flugzeugbauer nutzen den beobachteten und durch tech­nische Maßnahmen beeinflussbaren Auftriebseffekt, „wandten“ aber nicht das von Bernoulli formulierte Gesetz an.

36) röBen, p.: Von den Tücken der didaktischen Reduktion und der Notwendigkeit der Differenzierung des technischen Wissens. In: „tu“ H. 150, 2013

37) Siehe den Beitrag von röBen in die­sem Heft, S. 19 – siehe auch S. 4

38) Kultusministerium Bayern, Fach Natur und Technik, Gymnasien http://www.isb­gym8­lehrplan.de/contentserv/3.1.neu/g8.de/index.php?StoryID=26388

39) Kultusministerium Baden­Württem­berg Biologie, Sek. I, Fächerverbund Naturphänomene und Technik. http://www.kultusportal­bw.de/,Lde/ Startseite/schulebw/Bildungsplan+aktuell#anker2471701 Stundenkontin­gente Sekundarstufe I

40) http://www.kultusportal­bw.de/,Lde/Startseite/schulebw/Bildungsplan+aktuell#anker2471701

41) VDI­Broschüre Entwicklung des Fach­bereiches Technische Bildung im VD, Nov. 2014 https://www.vdi.de/bildung

42) https://www.vdi.de/bildung/artikel/forschen­und­entwickeln/

43) VDI­Nachrichten, Nr. 21, 22.Mai 2015, S. 2

44) ScHlagenHauf, W.: Das Fach Technik in der Sekundarstufe – Überlegungen zum aktuellen Stand, zu Problemen und Entwicklungsperspektiven. In: „tu“ H. 154, 2014

Alle hier angegebenen Internethinweise wurden zuletzt am 7.6.2015 aufgerufen.

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Technikgeschichte tu: Sachinformationen

Die Entwicklung der Quantenmechanik und Halb-leitertechnikDer Transistor (Bild 1) ist der erste Halbleiter, der es im Transistorradio1, (Bild 2) zu allgemeiner Berühmtheit gebracht hat. Er basiert auf der glei-chen physikalischen Grundlage wie die Photovoltaik: nämlich der Anwen-dung der Quantenmechanik auf den Festkörper. Die Quantenmechanik ist eine Theorie, die das Verhalten von Elementarteilchen wie Elektronen be-schreibt und Halbleiter sind besondere Festkörper, die sich in ihrem Verhalten nicht eindeutig nur den Leitern zu-schreiben lassen (obwohl sie in be-stimmten Situationen gut leiten) oder den Isolatoren (obwohl sie dem Strom auch einen sehr hohen Widerstand entgegensetzen können). Der Gedan-ke, dass die zugrundeliegende Physik unumgänglich für das Verständnis

der technischen Artefakte wie Diode, Transistor und Solarzelle ist, hat viel-fältige Bemühungen gefördert, die Halbleiterphysik didaktisch zu reduzie-ren. Solche Ansätze finden sowohl im

Physik- als auch im Technikunterricht breite Anwendung, wenngleich die Tücke bei der didaktischen Reduktion nicht immer hinreichend erkannt wird (vgl. Röben 2013).

Um die Sache mit der Anwendung der Physik auf Gegenstände der Technik genauer zu untersuchen, werden wir einen Rückgriff auf die Technikge-schichte machen. Wir begeben uns zunächst zurück in das Jahr 1905. Dies ist das Jahr, in dem EinstEin ei-ne sehr wichtige Arbeit zum fotoelek-trischen Effekt in Festköpern publiziert hat. Einstein konnte zeigen, dass das Licht seine Energie in Quanten, also nur in festen Portionen und nicht in be-liebigen Größen, an die Elektronen im Metall abgibt. Diese benötigen eine ge-wisse Mindestenergie pro Quant, um frei gesetzt werden zu können. Die En-ergie pro Quant entspricht der Wellen-länge des Lichts und die Quantenhy-pothese konnte erklären, warum Licht großer Intensität aber unterhalb einer gewissen Wellenlänge keine Elektro-

Was man aus der Geschichte der Halbleiter- und Windkrafttechnik über das Verhältnis von Technik und Physik lernen kann

Von Peter Röben

Vorbemerkung

Technik und Physik gelten bei vielen Menschen als Begriff für Anwendung und Theorie. Die Technik wendet an, was die Physik an Erkenntnissen hervorgebracht hat. Auf den ersten Blick scheint dieses Verhältnis ziemlich plausibel, denn gerade die Innovationen der aktuellen Technik, wie z. B. der neue Mobilfunkstandard LTE Advanced, das Cloud computing, der Roboter LBR iiwa von Kuka oder auch die sogenannte „fühlende Werkzeugmaschine“, wie sie am Laserzentrum Hannover entwickelt wird, sind ohne die Erkenntnisse der Physik nicht denkbar. Wer wollte bezweifeln, dass es Computer ohne die Halbleitertechnik nicht gäbe, doch diese ist ohne die Kenntnis ihrer physikalischen Grundlage nicht zu haben. Aber andere Bei-spiele aktueller Technik lassen sich nicht so einfach einordnen: So sind z. B. Wind-kraftanlagen sicherlich einerseits Beispiele für hochaktuelle Technik, die in einem hohen Maße von den Erkenntnisse der Strömungsphysik profitieren, doch wie ist es mit ihren Vorläufern, den Windmühlen? Sind diese auch auf der Grundlage der damaligen Physik entstanden? Im Folgenden soll an zwei Beispielen, nämlich der Halbleitertechnik und der Windkrafttechnik aufgezeigt werden, wie das Verhältnis zwischen Technik und Physik sich einerseits historisch entwickelt hat, aber anderer-seits auch heute noch Konsequenzen für die Gegenwart bestehen.

1 1953 kam das erste Transistorradio in den USA auf den Markt (Regency TR1). In Deutschland war es das Telefunken „Partner“ 1957. Das TR1, welches von der Firma Intermetall 1953 auf der Düsseldorfer Funkaus-stellung präsentiert wurde, kam wohl nicht in den Handel (http://www. welt-der-alten-radios.de/geschichte-erste-transistorradios-293.html).

Bild 1: Der erste Transistor von 1947/48. Dies ist ein Foto eines Nachbaus aus dem Nixdorf-Museum.

Bild 2: Das erste kommerzielle Transistor-radio.

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nen freisetzen konnte (auch wenn ins-gesamt mehr Energie eingestrahlt wird als für den Austritt der Elektronen nötig ist), hingegen Licht oberhalb einer ge-wissen Wellenlänge praktisch bei je-der Intensität Elektronen freisetzt. Die klassische Theorie konnte dies nicht.

Die Quantenmechanik entwickelte sich aus Widersprüchen heraus, die die al-te Theorie der Elektrodynamik in Be-zug auf das Verhalten der Elektronen im Festkörper lieferte. Nach der klas-sischen Theorie ist es nicht zu verste-hen, warum die Elektronen nicht En-ergie in beliebiger Größe aufnehmen können, sondern nur in bestimmten Packungen, eben der Energie der Quanten. Die Quantenmechanik ent-wickelte sich mit den Arbeiten von Planck, HEisEnbErg, scHrödingEr, di-rac, born etc. und feierte glänzende Triumphe als es gelang, das Spektrum des Wasserstoffatoms physikalisch zu erklären (Bild 3). Dass in diesen Spektren auffällige Regelmäßigkeiten zu entdecken waren, hatten im 19. Jahrhundert schon einige Forscher herausgefunden. Sie konnten auch jeweils Formeln für die von ihnen ent-deckten Regelmäßigkeiten aufstellen: Lyman-, Balmer-, Paschen-, Brackett-, und Pfundserie. Doch sie scheiterten bei der Erklärung dieser Regelmäßig-keiten. Die Quantenmechanik hinge-gen war in der Lage, die Spektren des Wasserstoffgases aus grundlegenden Prinzipien zu erklären. Die Moleküle sind in einem Gas weit von-einander entfernt und man kann sie deshalb als voneinander isoliert betrachten, was bei der Berechnung große Vereinfachungen zu-lässt. Im Festkörper sind die Verhältnisse allerdings verwickelter, weil die Atome sehr dicht gepackt sind und sie sich nicht als un-abhängig voneinander

betrachten lassen. Das Verhalten der Elektronen in Festkörpern konnten die Quantenphysiker daher zunächst nicht berechnen.

Der Festkörper war zu der Zeit ein wich-tiges Forschungsgebiet der experimen-tellen Physik und mit den Arbeiten von r. W. PoHl zur Konduktivität in Halblei-tern und seiner Vorhersage, dass die Steuerung von Elektronen in diesem Material eine große Zukunft haben wird, zeichnete sich die Bedeutung der Halbleiter auch innerhalb der Physik bereits ab und die Halbleiterphysik ent-wickelte sich zu einem eigenständigen Gebiet der Physik. Doch die ganze Be-deutung der Halbleiterphysik kann man nicht erkennen, wenn man sich auf die Physik beschränkt. Aus physikalischer Sicht ist die Anwendung der Quanten-mechanik auf den Festkörper lediglich eine Ausweitung des Anwendungsge-bietes einer bereits ausgearbeiteten Theorie. Dass die Halbleiterphysik be-deutsamer ist, war auch den Physikern jener Zeit klar. Doch der Grund für den Bedeutungszuwachs ergibt sich erst aus der Technik.

Die Funktechnik hatte sich um die Jahrhundertwende entwickelt. Der Ingenieur gugliElmo marconi (1874–1937) gab zum Glück nicht viel auf die Hinweise von Physikern, dass man mit elektrischen Wellen niemals große Distanzen überwinden kann. In den Augen der damaligen Physiker muss-

ten die sich geradlinig ausbreitenden Wellen in den Weltraum entweichen, weil die Erde eine Kugel ist und die Wellen sich nicht um dieses Kugel herum bewegen würden. Allerdings wusste es Marconi nicht wirklich bes-ser, sondern sein Glück war es, dass die Atmosphäre eine Ionosphäre hatte, an der das Funksignal reflektiert und Richtung Erdoberfläche weitergeleitet wurde. Davon wusste allerdings noch niemand. Durch marconis 1901 reali-sierte Übertragung eines Funksignals über den Atlantik wurde nun aus Sicht der Physiker eine Erklärung notwendig und in der Atmosphärenphysik auch gefunden2.

Die Funktechnik wurde zunächst nur als drahtlose Morsetechnik, z. B. für die Kommunikation mit Schiffen ein-gesetzt, die nicht mit den etablierten Kommunikationsmitteln erreicht wer-den konnten (Untergang der Titanic 1912). Doch rEginald FEssEndEn (1866–1932) gelang schon 1906 die erste drahtlose Musik- und Sprach-übertragung und damit entwickelte sich die Funktechnik in eine Richtung, die kaum ein Mensch vorhergesehen hatte (gollWitzEr 2007). Bereits in den 20er Jahren etablierte sich ein kommerziell bedeutsamer Radiomarkt in den USA, angetrieben von Rund-funkamateuren, aber bald auch von dem Unterhaltungsbedürfnis sehr vie-ler Menschen, die dem Radio anders als die Rundfunkamateure als tech-nischen Gegenstand nicht viel Interes-se entgegenbrachten. Die Bedeutung der Funktechnik erschließt sich durch die Entwicklung dieses Marktes, der 1922 noch bescheidene 60.000 $ be-trug, aber schon sieben Jahre später ein Volumen von 850 Mio. $ aufwies (HalFmann 1984, S. 107). Solche Ge-schäftsaussichten riefen die großen Elektrotechnikfirmen jener Zeit auf den Plan. Ein zentrales technisches Element der Funktechnik war die Elek-tronenröhre, deren Physik man gut ver-stand (Bild 4). Die Röhre wurde für die verschiedenen Anwendungszwecke ausdifferenziert und in der Industrie entwickelte sich eine Forschung, die speziell auf industrielle Zwecke ausge-richtet war. Über die Grenzen der USA

Bild 3: Eine Folge der Erkenntnis, dass Elektronen das Licht nur in festen Portionen (Quanten) aufnehmen und abgeben können, ist die Erklärung des Linienspektrums. Die hier sichtbaren farbigen Linien stehen für verschiedene Übergänge der Elektronen des Wasserstoffatoms. Eine technische Nutzung dieses Wissens ist beispielsweise der Laser.

Bild 4: Dieses Foto zeigt eine der ersten Trioden von Lee de Forest (1906)

2 Dafür hat EDWARD VICTOR APPLE-TON (1892–1965) 1947 den Nobel-preis für Physik bekommen.

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bekannt geworden ist diese Form der Forschung durch tHomas alva Edison (1847–1931), der das Erfinden wohl als Erster zu einem hoch arbeitsteiligen Prozess in einer besonderen Art von Labor entwickelt hatte. Sein Labor im Menlo Park (1876) wurde sehr berühmt und Edison als „Zauberer vom Menlo Park“ bezeichnet, weil er es verstand, mit der von ihm entwickelten Glühbirne die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch effektheischende Präsentati-onen zu fesseln. Mit der Gründung der bEll-Laboratories (1925) wurde die Forschung in der Industrie auf ei-ne neue Stufe gehoben, weil mit ihnen über die Forschung für industrielle Anwendung hinaus eine besondere Form der Grundlagenforschung be-trieben wurde. Die Verbreitung des Telefons machte Neuentwicklungen notwendig, die sich nicht einfach aus der Physik der damaligen Zeit ableiten ließen, sondern eine eigene, auf das spezifisch technische Problem fokus-sierte Physikanwendung erforderten. Ein Beispiel sind die Pupinspulen, die das Problem der Dämpfung auf den Telefonleitungen lösten. Ohne sie wäre die Reichweite des Telefons auf Distanzen von 20 bis 30 km be-schränkt geblieben, in den Augen von dem damals größten Telekommunika-tionskonzerns AT&T eine unhaltbare Zumutung bei ihren ökonomischen Expansionsbestrebungen. In den bEll-Laboratories entwickelte sich eine Art von Industrieforschung, die auf einem bereits gut entwickelten Stand der Phy-sik aufsetzte. Im Fall der Pupinspulen ließ sich das Problem noch mit der klassischen Physik lösen, aber als es darum ging, die Elektronenröhre abzu-lösen, stellte sich das Problem, dass die Physik in den für die Entwicklung einer Alternative zur Elektronenröhre notwendigen Feldern der Physik noch nicht weit genug entwickelt war.

Sowohl in der schon gut etablierten Te-lefontechnik als auch in dem sich neu entwickelnden Feld der Funktechnik waren Elektronenröhren weit verbreitet (ab 1904 Vakuumdiode, 1906 Verstär-kerröhre von liEbEn und Audionröhre von lEE dE ForEst) und dabei wurden die Grenzen dieser Technik spürbar: Denn gerade ihre vielfältigen Anwen-dungen in Grundschaltungen als steu-erbarer Schalter und als Verstärker

machte ihre Abwärme, ihr Gewicht und ihre nur beschränkte Miniaturisierungs-möglichkeit zu einem Problem. Sobald sich an ihrer Stelle eine Lösung mit Halbleitern finden ließe, so die dama-lige Einschätzung, könnte ein weiterer Engpass der ökonomischen Entwick-lung mit Hilfe der Technik überwunden werden.

In den bEll-Laboratories wurde die Halbleitertechnik unter ihrem neuen Forschungsdirektor M. kElly ab 1936 zu einem Forschungsprogramm. Also zu einer Zeit, als auch in den Univer-sitäten noch intensiv an Halbleitern geforscht wurde. Schüler der damals führenden amerikanischen Festkö-perphysiker JoHn slatEr vom MIT und EugEn WignEr von Princeton, die späteren Nobelpreisträger William b. sHocklEy und JoHn bardEEn, wurden gezielt für die bEll-Laboratories an-geworben. Der Geist dieser Unterneh-mensforschung wird im folgenden Zitat von Kelly deutlich:

„Es wird nicht erwartet, dass dieses Programm der Festkörperphysik, bei dem die neuesten Konzepte der Fest-körperstruktur angewendet werden, Resultate erbringen, die unmittelbaren Nutzen für unsere Firma haben. Den-noch ist die Herangehensweise so grundlegend und kann von so weitrei-chender Bedeutung sein, dass wir sol-che Studien als Hintergrund für unsere verschiedenen Materialentwicklungen weiter betreiben sollten. Es besteht die rationale Erwartung, dass letztendlich ein so fundamentaler Angriff den Weg zur Produktion neuer Materialien mit bedeutenden Eigenschaften für den Telefongebrauch weisen wird.“ (zitiert nach HalFmann 1984, S. 105).

Das Argument, dass man das Ergeb-nis der Forschung nicht unmittelbar vorhersehen kann, wird typischerweise für die Begründung der universitären Forschung herangezogen. Gerade weil sich das Resultat der (Grundlagen)Forschung nicht unmittelbar nützlich für Unternehmensinteressen erweist, verzichten die Unternehmen darauf, dafür Geld zu investieren. Damit der Fortschritt der Wissenschaft nicht von diesem (kurzsichtigen) Gewinnkalkül behindert wird, muss dieser vom Staat gewährleistet werden. Wir sehen hier nun bei den bEll-Laboratories eine

Umkehrung dieser Argumentation: Ge-rade weil die Grundlagenforschung im Bereich der Festkörperphysik so dra-matische Auswirkungen auf die Unter-nehmensinteressen haben kann, muss darin investiert werden, auch wenn das unmittelbare Resultat nicht vorherge-sehen werden kann.

Die Entwicklung des Transistors kann als eine solche technisch inspirierte, ökonomisch getriebene Grundlagen-forschung angesehen werden. Unter der Leitung des Theoretischen Physi-kers William b. sHocklEy wurde 1945 eine Arbeitsgruppe mit einem Experi-mentalphysiker, einem Chemiker und einem Elektronikingenieur eingesetzt, die allerdings noch im selben Jahr beim Experiment mit ihrem ersten Feldeffekttransistor3 scheiterte. Es ist die theoretische Erklärung des Fehlers in diesem Experiment, die den ent-scheidenden Fortschritt ermöglichte: Der Kontakt zwischen dem Halbleiter und dem Metall führt nämlich zu einem unerwarteten Effekt, der erst durch die Vervollständigung der mott-scHottky-Theorie verstanden wurde und auch erst dann die Weiterentwicklung des Transistors ermöglichte. Das entschei-dende Experiment gelang brattain im November 1947. sHocklEy, bardEEn und brattain erhielten 1956 den No-belpreis für Physik.

Die Entwicklung der Solarzelle findet nur wenige Jahre später ebenfalls in den bEll-Laboratories statt. daryl cHaPin, calvin s. FullEr und gErald PEarson entwickeln 1953 die erste mit Arsen dotierte Solarzelle auf Silizium-basis und eröffnen damit den Eingang der Halbleitertechnik in die Energie-technik, auch wenn das zu ihrer Zeit noch utopisch erschien.

Zusammenfassend: Am Beginn des Transistors stand ein technisches Problem, einen Ersatz für die Elektro-nenröhre zu finden. Aber zur Lösung dieses Problems konnte nicht einfach auf die Physik als Wissenslieferantin zurückgegriffen werden, denn diese

3 Hier ist mit Absicht die Formulierung „ihrem ersten Feldeffekttranssistor“ gewählt worden, denn HERBERT MATARÉ und HEINRICH WELKER haben zeitgleich ebenfalls einen solchen entwickelt und sind erst spät dafür geehrt worden (Handel, 1999).

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musste zunächst selbst weiterentwi-ckelt werden. Die Vergabe des Phy-siknobelpreises für die Entwicklung des Transistors ist demnach auch der Weiterentwicklung der Physik zu ver-danken, obwohl es den Bell-Laborato-ries darum ging, tatsächlich ein tech-nisches Artefakt zu entwickeln4.

Es ist daher keineswegs so, dass die Rollen von Physik und Technik klar verteilt wären: Hier der Zulieferer von Wissen und dort der Anwender. Die Physik hatte allerdings in den vierziger Jahren schon ein solches Niveau er-reicht, dass die vorherige Zurückhal-tung der Unternehmen in diesem Feld der Grundlagenforschung aufgegeben wurde. In dem Wissen, dass sich die Probleme, die der ökonomisch getrie-bene technische Fortschritt durch die Verbreitung von Telefon und Funktech-nik sich selbst bereitete, nur durch die Weiterentwicklung der Physik selbst zu lösen sind, wurde die Grundlagen-forschung auch in die eigene Hand genommen (bEll-Laboratories). Die Quantenmechanik selbst ist das Re-sultat einer Grundlagenforschung, deren Nützlichkeit sich niemand zu ihrem Beginn ausmalen konnte, die also niemals für unternehmerische In-vestitionen interessant gewesen wäre. Aber mit dem Fortschritt dieser Theo-rie und der durch sie erst möglich ge-machten Schaffung von völlig neuen Halbleitermaterialien mit definierten Eigenschaften wurde ihre Weiterent-wicklung zu einem Geschäftsinteresse der großen Kommunikationsunterneh-men der USA. Durch die Entwicklung von technischen Artefakten wie dem Transistor werden aber auch Teilbe-reiche der Anwendung der Theorie der Quantenmechanik bedeutsam, die, aus der Perspektive der reinen Physik betrachtet, nicht so vordring-lich sind. Die korrekte Erklärung der Phänomene eines Metall-Halbleiter-Kontakts erhält ihre volle Bedeutung nicht aus dem System der Physik, dort sind sie ein weiterer Anwendungsfall einer bereits erfolgreichen Theorie, sondern durch die Leistung, die sie für die Weiterentwicklung des technischen Artefakts Transistor erbringt. Die bEll-Laboratories sind damit der Beginn der Entwicklung eines naturwissen-schaftlichen-technischen Komplexes, in dem die Unterscheidung der Rollen

zwischen Physik und Ingenieurwissen-schaften sekundär ist. Eine Seite als Wissenslieferant und die andere als Empfänger von Wissen zu betrachten, wird der Rollenverteilung nicht gerecht. Diese interdisziplinäre Zusammenar-beit ist allerdings nicht identisch mit einer Gleichsetzung der Disziplinen. Der Schwerpunkt der Ingenieurwis-senschaft ist die Schaffung von funk-tionstüchtigen Artefakten, die sich in den Anwendungsfällen außerhalb des Labors bewährend müssen, während die Physik einen wichtigen Teil der Vo-raussetzungen dafür schafft, entspre-chende Prototypen im Labor zu entwi-ckeln und zu optimieren.

Die Entwicklung der WindenergietechnikDer zweite Fall unserer Betrachtung, die Windenergietechnik, ist auch für den Laien als eine Technik begreiflich, die – zumindest von ihrer Entstehung her – nicht auf der Anwendung von Physik beruhen kann, ganz einfach, weil es die Physik als Wissenschaft bei der Entstehung dieser Technik noch gar nicht gab. Ob man dem Hinweis in den Gesetzbüchern von Hammura-pi folgt und die erste Nutzung eines Windrades als Arbeitsmaschine auf 1750 v. Chr. datiert5, die Windmaschi-ne von Heron um 60 n. Chr., die ersten

Windräder in Persien um 900 oder erst die Bockwindmühle ab dem 12. Jahrhundert als echte Windmaschine gelten lässt: Die Physik konnte zu ih-rer Entwicklung nichts beitragen, da es diese Wissenschaft noch nicht gab oder da, wo sie sich entwickelte, aus gutem Grund eher mit den Sternen als mit dem Wind beschäftigt war.

Die erste ernsthafte Befassung der Physik mit dem Wind, d. h. mit der Strömung von Luft, findet erst recht spät statt und resultierte in dem Werk Hydrodynamika (1738) von bErnoulli, dessen gleichnamiges Gesetz auch heute noch gilt. Doch zur Anwendung im Windmühlenbau wurde es nicht herangezogen, weil die Erbauer von Windmühlen mit einem solchen Ge-setz nichts anfangen konnten. Ihre Herangehensweise an den Bau einer Windmühle basiert auf Erfahrung und Tradition (Bild 5). Gelernt wurde von einem Meister und seine Vorgehens-weise wurde weitgehend beibehalten. Veränderungen wurden nur mit Be-dacht vorgenommen, das Risiko eine nicht funktionsfähige Windmühle zu bauen, konnte man nicht eingehen, da der Auftraggeber sich dann geweigert hätte, zu zahlen. Es entstand im Lau-fe der Jahrhunderte ein Windmühlen-

Bild 5: Eine sogenannte Holländer Windmüh-le, der Höhepunkt des erfahrungsgeleiteten Mühlenbaus, der zum Zeitpunkt des Baus der abgebildeten Moorseer Mühle in der Nähe von Nordenham schon im Niedergang begriffen war.

4 Das Testament von ALFRED NOBEL sieht ja auch ausdrücklich vor, dass der Preis „an diejenigen ausgeteilt werden soll, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben“. Der Nutzen zeigt sich bei vielen Entdeckungen von Kandi-daten oft erst Jahre später, manchmal sogar Jahrzehnte und so kommt es zu großen Verzögerungen zwischen dem Zeitpunkt der Entdeckung und der Preisverleihung. JACK KILBY erhielt den Physiknobelpreis zum Beispiel erst 2000 (zusammen mit HERBERT KRÖMER und ZHORES I. ALFEROW) für die erste Realisierung einer Schaltung von mehreren Tran-sis toren auf einem Halbleiterplättchen. Ob sich dagegen die Entdeckung des Higgs-Mechanismus’ (Theorie 1964, Entdeckung am LHC 2012, Nobelpreis 2013) einmal als nützlich für die Menschheit herausstellen wird, scheint dem Nobelpreiskomitee keine Frage zu sein. Jedenfalls wurde der Preis ein Jahr nach der experimentel-len Bestätigung verliehen.

5 vgl. wikipedia de.wikipedia.org/wiki/Windmühle#cite_note-1

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typ, der Holländer (Jan adriaanszoon lEEgHWatEr 1575–1650), der einen stationären Zustand darstellte und nur noch im Detail verändert wurde. Ins-besondere die Arbeitserleichterungen für den Windmüller, nämlich der Er-satz der Segel, die noch per Hand ein und ausgerollt werden mussten, durch die Jalousieklappen, die durch eine Mechanik an verschiedene Wind-stärken angepasst werden konnten und die Rosette, die das Drehen der Haube in den Wind automatisierte, waren bedeutsame Fortschritte. Doch an den vier Flügeln und vor allem an der Flügelform fanden keine gravie-renden Veränderungen mehr statt, bis die Physik hier ein neues Kapitel der Windkrafttechnik aufschlug. Dennoch musste einer der ersten Wissenschaft-ler, die sich mit der Anwendung der Erkenntnisse aus der Strömungsphy-sik auf die Windkraftanlagen beschäf-tigte, der Däne Paul la cour (1846-1908), den alten Windmühlenbauern Folgendes konstatieren:

„Die Form, welche die größte Arbeitslei-stung darbietet, ist ähnlich derjenigen, zu welcher das Menschengeschlecht durch hundertjährige Erfahrung ge-langt ist, ohne dass man jedoch ein eigentliches Verständnis des Zusam-menhangs gehabt hat (…).“ (la cour 1905, S. 53 f.)

Dennoch versuchte z. B. der Erfin-der und Artillerie-Offizier kurt bilau (1872–1941) mit Unterstützung von albErt bEEtz, dem Leiter der Ae-rodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen, die Erkenntnisse über die Auftriebskraft bei den Flügelprofilen zum Bau neuer Windmühlenflügel zu nutzen und ihre Leistung zu steigern. Es gelang ihm auch und er realisierte Windmühlen mit sogenannten Bilau-schen Ventikanten, also Windmühlen-flügel mit einem Strömungsprofil, das auch die Auftriebskraft für die Drehbe-wegung des Flügels nutzt (siehe Bild 6). Aber dies geschah in einer Zeit (ab 1930 mit einem Höhepunkt der Ver-breitung um 1941) als das Windmüh-lensterben schon eingesetzt hatte und so konnte trotz einer zwei- bis dreifach höheren Windausbeute diese Inno-vation sich nicht gegen Diesel-, Ben-zin- und Elektromotoren durchsetzen. Immerhin wurden 160 Mühlen mit den Ventikanten ausgestattet, von denen

sich übrigens einige bis in die heutige Zeit erhalten haben6.

Ihre Ursprünge hatte die aerodyna-misch optimierte Flügelform in den Untersuchungen der Brüder liliEntHal, die schon 1874 begannen mit einem selbst entwickelten Rotationsapparat die Auftriebskraft von gewölbten Flü-geln systematisch zu untersuchen. Anders als noch frühere Vorläufer, ha-ben die Brüder liliEntHal ihre Unter-suchungen systematisch durchgeführt und ihre Ergebnisse publiziert, was von den Brüdern WrigHt hervorgehoben wurde, die sich bei ihren eigenen Flug-versuchen auf die Tabellen der LILI-ENTHALS stützten und dies auch aus-drücklich erwähnt haben7: „Von allen, die das Problem des Fliegens im 19. Jahrhundert behandelten, war Otto Li-lienthal zweifelsfrei der Bedeutendste. […] Niemand tat so viel dafür, das Pro-blem des menschlichen Fluges in die freie Luft zu überführen, wohin es ge-hört. […] Als Forscher war er unter sei-nen Zeitgenossen ohne Konkurrenten. Er entschlüsselte die Vorteile der ge-wölbten Fläche so überzeugend, dass er als ihr eigentlicher Entdecker gel-ten kann. Andere haben die Wölbung des Vogelflügels bemerkt und über die Möglichkeit spekuliert, dass ein gewölbter Flügel einem völlig glatten überlegen sei. Lilienthal demonstrierte den Grund für diese Überlegenheit und machte aus der puren Spekulation ak-zeptiertes Wissen.“ (Wilbur WrigHt in

einem vom Aero Club of America ver-öffentlichten Aufsatz8)

Wenn man das Vorgehen von lili-EntHal mit dem der Windmühlenbau-ern vergleicht, lassen sich folgende bedeutsame Unterschiede festhalten:

– Windmühlenbauer veröffentlichten nicht: Sie konnten es auch nicht, weil das Wissen in ihrem Können inkorporiert war. Zwar schufen auch sie einen Flügel mit einer geeig-neten Form, aber sie konnten nicht erklären und begründen, warum es so und nicht anders gemacht wer-den sollte.

– Die liliEntHals führten ihre Expe-rimente so durch, dass ihre Ver-öffentlichung jeden Verständigen prinzipiell in die Lage versetzte, ih-re Experimente zu verifizieren (oder auch zu falsifizieren, falls sie falsch lagen). Ihr Wissen fassten sie in eine Form, die explizit und perso-nenunabhängig war.

– Das Experiment hatte einen finalen Zweck. Systematisch wurde nach der optimalen Form für den Flügel gesucht. Ein auf die theoretischen Ursachen gerichteter Erkenntnisge-winn spielte eine sekundäre Rolle.

Mit dem ersten Motorflug der Brüder WRIGHT 1903 setzte dann die Ent-wicklung des Flugzeugs ein. 1909 überquerte z. B. LOUIS BLÉRIOT mit seinem Flugzeug den Ärmelkanal und wurde zum ersten kommerziellen Flug-zeughersteller9. Bereits 1919 wurden die ersten Passagierflugzeuge einge-setzt.

Schon vorher wurde durch die Entwick-lung der Luftschiffe die Untersuchung der bei der Luftströmung entstehen-den Kräfte angeregt. 1907 wurde die „Modellversuchsanstalt für Aerodyna-mik der Motorluftschiff-Studiengesell-schaft“ von ludWig Prantl in Göttingen gegründet, in der durch Messungen im Windkanal systematische Experimente

Bild 6: Eine Windmühle mit Bilauschen Venti-kanten, die durch die Nutzung der Auftriebs-kraft eines entsprechenden Strömungspro-fils leistungsfähiger ist als die klassische Windmühle mit dem sog. Widerstandsläufer.

6 de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Bilau

7 de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lilienthal

8 Wilbur Wright: Otto Lilienthal. In: Aero Club of America Bulletin. September 1912. Zitiert nach de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lilienthal.

9 de.wikipedia.org/wiki/Louis_Blériot

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auf theoretischem Fundament durch-geführt werden konnten.

Die Nutzung der Windenergie zum Zwecke der Elektrizitätserzeugung setzt überraschend früh ein und der Pionier war der Meteorologe Poul la cour (1846–1908), der seine Experi-mente in Askov, Dänemark, ab 1891 durchführte, wo er als Professor an einer Volkshochschule arbeitete10 (Bild 7). Die Elektrifizierung hatte zu dieser Zeit gerade erst begonnen. Das erste Kraftwerk von THOMAS ALVA EDI-SON (1847–1931) arbeitete seit 1882 in der Pearl Street Station in New York und 1884 wurde mit dem Café Bauer in Berlin das erste Haus in Deutschland mit Glühlampen beleuchtet. Während sich die Elektrizität in den Städten re-lativ schnell ausbreitete, dauerte dies auf dem Land sehr viel länger. la cour suchte deswegen nach Möglichkeiten, mit denen sich die Landbevölkerung selbst mit elektrischer Energie versor-gen konnte. Er wollte die Windenergie nutzen und errichtete zu diesem Zweck schon 1891 die erste Windkraftanlage zum Zwecke der Elektrizitätserzeu-gung (cHristEnsEn 2009). Bei seinem Tod 1908 gab es schon 30 ländliche Energieversorger in Dänemark.

la cour erkannte wohl als einer der Ersten, dass die aerodynamisch ge-formten Profile, die Leistung einer Windkraftanlage bedeutend steigern konnten und experimentierte zu die-sem Zweck auch mit einem selbst ge-bauten Windkanal (Resultate siehe la cour 1905, bEurskEns 2014, S. 13).

Neben seine Leistung als Forscher trat gleichbedeutend seine Leistung als Lehrer (Professor) an der Volks-hochschule in Askov. Er unterrichte-te dort die physikalisch-technischen Grundlagen für den Bau von dezentra-len Windkraftanlagen und begründete eine technische Community aus Aka-demikern und Handwerkern, die sich weit über seinen Tod hinaus mit dem Bau von kleinen Windkraftanlagen be-schäftigten und dabei stetige Verbes-serungen vornahmen (cHristEnsEn 2009, S. 12).

Doch bevor es eine zuverlässige und ökonomisch sinnvolle Nutzung von Windkraftanlagen zur Stromerzeu-

gung geben konnte, musste eine Reihe von Problemen gelöst werden. Diese liegen zum Beispiel in der Regelung und Steuerung des Windrades, der Umsetzung seiner Drehbewegung in die Drehbewegung des Generators und der zuverlässigen Ausführung der ganzen Apparatur. Bei der Umsetzung in realisierbare Konstruktionen wur-den sehr unterschiedliche Wege ein-geschlagen, die sich aber wohl in zwei Gruppen einteilen lassen wie Matthias Heymann untersucht hat (Heymann 1995). Es gibt einen dänischen Weg, der sich charakterisieren lässt als eine Fortsetzung des erfahrungsbasierten Windanlagenbaus der handwerklich geprägten Windmühlenbauer. Dabei werden die modernen Erkenntnisse der Strömungsphysik für die Gestal-tung des Flügelprofils herangezogen und die Elektrotechnik für den Gene-ratorbau. Doch war die community der Windanlagenbauer, die von Paul la cour und seinem Schüler JoHannEs Juul begründet wurde, der 1953 mit dem Bau der sog. Gedser Mühle, einer dreiflügeligen 200 kW-Anlage einen bedeutenden Meilenstein der Wind-kraftanlagenentwicklung schaffte, keine community von akademischen Ingenieuren. Dennoch setzten ihre An-lagen Maßstäbe für den Bau von Wind-kraftanlagen, die noch lange galten. Gerade in die Konstruktion der Ged-ser Mühle flossen viele Erfahrungen aus dem Bau von Windkraftanlagen ein und Juul schuf ein Design, dass durch seiner Zuverlässigkeit und seine Ertragssicherheit überzeugen konnte, weniger durch seine Ästhetik11 (Bild 8).

Der andere Weg lässt sich als der Weg der akademischen Ingenieure bezeichnen, die weitaus weniger von praktischer Erfahrung ausgingen, ihre Anlagen nach ingenieurwissenschaft-lichen Prinzipien bauten und dabei sehr viel größere Schritte machen wollten als die dänische community. Einer der Vertreter dieses Weges war

Bild 7: Die experimentellen Windmühlen von Paul Lacour in Dänemark.

Bild 8: Die Gedser Mühle, ein Meilenstein auf dem Weg zur modernen Windturbine.

10 de.wikipedia.org/wiki/Poul_la_Cour und http://www.poullacour.dk/engelsk/cour.htm. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen sind auch auf Deutsch erschienen: LA COUR (1905)

11 ele.aut.ac.ir/~wind/en/pictures/juul.htm. Foto der Mühle: energimuseet.dk/Entdecken/Windkraft.aspx

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ulricH HüttEr, der mit seiner W34 (100 kW), die von 1959 bis 1968 auf der Schwäbischen Alb lief, ebenfalls einen Meilenstein der Windkraftanla-genentwicklung ablieferte. Seine zwei-flügelige Anlage war konsequent auf hohen Wirkungsgrad und damit hohe Drehzahl getrimmt. Die Pendelnabe, die Leichtbauflügel aus Kunststoff und die Flügelsteuerung setzten einen bis in die achtziger Jahre hinein gültigen Standard der Technik (Hau 2008, S. 41). Allerdings lieferte diese Anlage viel weniger Strom als die Anlage von Juul, weil sie störanfällig war und im-mer wieder stillgelegt werden musste. Vibrationen führten dazu, dass die An-lage mit nur 80 % ihrer Leistungsfähig-keit betrieben werden konnte (HEymann 1995). Diese Erfahrungen führten aller-dings nicht dazu, dass HüttEr Vorsicht walten ließ, wenn es um die Abschät-zung der Möglichkeit zur Vergrößerung der Windkraftanlage ging. Acht Jahre nach der Stilllegung der W34 empfahl er dem Bundesforschungsministerium den Bau einer Anlage mit der 10-fa-chen Leistung der W34, also 1MW. Das Ministerium und seine Berater nahmen diesen Vorschlag nicht nur an, sondern hielten es für möglich, gleich eine An-lage mit 100 m Turmhöhe und 100 m Flügeldurchmesser und einer Leistung von 3 MW also dem 30-fachen der W34 zu bauen: das Prestigeprojekt Growian, die lange Zeit größte Wind-kraftanlage der Welt. Aber diese Anla-ge war nicht nur die größte ihrer Zeit, sondern auch der größte Fehlschlag in der Geschichte der Windkraftanlagen: Bei einer Gesamtsumme 87,2 Mio. DM (doppelt so viel wie geplant) lieferte sie zwischen 1983 und 1987 331 Stunden Lastbetrieb und 41.000 Stunden Still-stand (99 %). Dieses Resultat hat die Vorstellung befeuert, dass das Ganze eine Beweisführung für die Unmöglich-keit der Windkraftnutzung sein sollte12.

In Kalifornien kam es zu Beginn der achtziger Jahre zu einem Boom der Windkraft. Ursache war das erste Ein-speisevergütungsgesetz der Welt. In-nerhalb weniger Jahre entstand ein lu-krativer Markt für Windkraftanlagen mit fast 5.000 Neuinstallationen auf dem Höhepunkt 1984 und einer Gesamt-zahl von ca. 15.000 Anlagen (HEymann 1995, S. 346). Diese große Zahl er-laubte eingehende Vergleiche der ver-

schiedenen Bauformen von Windturbi-nen und die Investoren waren natürlich in erster Linie an der Rendite aus den Anlagen interessiert, denn nur der ein-gespeiste und vergütete Strom spülte die verausgabten Vorschüsse wieder in die Kassen zurück und erlaubte ei-nen Profit, wenn es gut lief. Auf diesem Markt dominierten die dänischen Her-steller, weil ihre Anlagen die höchsten Kapazitätsfaktoren aufwiesen, d. h. am zuverlässigsten Strom ins Netz speisten und die wenigsten Stillstände wegen Reparaturarbeiten aufwiesen. Dies ist umso verblüffender, je ge-nauer man hinsieht und z. B. die For-schungsinvestitionen betrachtet, die von den USA und Deutschland getätigt wurden und sie mit denen in Dänemark vergleicht: Das kleine Land Dänemark hat weniger als ein Hundertstel der amerikanischen Ausgaben getätigt (HEymann 1995, S.400) und dennoch entstand hier mit der Firma vEstas der Weltmarktführer für Windturbinen.

Die Gründe für den dänischen Er-folg am Beginn der Entstehung eines Weltmarktes für Windenergieanlagen liegen in der starken Orientierung am Gebrauchswert (Stromproduktion) und an der Wertschätzung der Erfah-rung: So wurde die Leistungsfähig-keit der Anlagen in kleinen Schritten (55,65,75,95,150,200,400 und 500 kW) gesteigert und zunächst die Erfah-rungen beim Betrieb einer neuen Leis-tungsklasse ausgewertet, bevor man weitere Steigerungen in Betracht zog. Die Wertschätzung von praktischer Er-fahrung war geradezu diametral entge-gengesetzt zu dem der ingenieurwis-senschaftlich geprägten Firmen wie z. B. US Windpower, die am Beginn die Steigerung des Wirkungsgrades und damit der Drehzahl als wichtigstes Ziel verfolgten.

Schlussfolgerungen

Was für Schlussfolgerungen las-sen sich nun aus der Geschichte der Windenergie zum Verhältnis Physik und Technik ableiten? Technik, hier verstanden als der dänische Weg bis in die achtziger Jahre hinein, ist ein eigenständiger, von der Physik und akademischen Ingenieurwissenschaft weitgehend unabhängiger Weg, der

zudem noch weitaus früher beginnt, vermutlich bei der mittelalterlichen Windmühle oder vielleicht sogar noch früher. Diese Art von Technik hat ihre Wurzel im gegenständlichen Handeln und bezieht das durch das Subjektivie-rende Handeln (böHlE 2013) gelieferte Erfahrungswissen im Konstruktions-prozess ein. Dass es mit dem Unter-gang der Windmühle nicht obsolet wurde, davon legt der dänische Weg einen eindrucksvollen Beweis ab. Ge-rade der Anfangserfolg auf dem kali-fornischen Windenergieanlagenmarkt liefert ein objektives Kriterium dafür ab, dass der Erfahrungsseite des tech-nischen Handelns auch in der Gegen-wart eine hohe Bedeutung zukommt. Erfahrungen sammelt man aber im-mer nur mit dem, was man selbst tut. Im Zuge der sich mit der Etablierung der Ingenieurwissenschaften an tech-nischen Hochschulen (z. B. die Univer-sität Karlsruhe ab 1865) vertiefenden Arbeitsteilung zwischen Technikern, Facharbeitern und Ingenieuren kam es zur Ausbildung ingenieurwissen-schaftlicher Disziplinen (zunächst im Maschinenbau, dann in Chemie- und Elektrotechnik), deren Erfahrungs-basis das universitäre Labor wird. Erfahrungen aus dem direkten Um-gang mit den technischen Artefakten sammelten sich nun weniger bei den Konstrukteuren, als bei den Nutzern und Betreibern. Dies führte zum Ver-lust des Ansehens technischen Kön-nens, es fiel in die Sphäre der Tech-niknutzer und damit aus der Sphäre der Technikgestalter heraus. Eine weitere Ursache für die Geringschät-zung praktischer Erfahrung hat wohl viel mit dem Selbstbewusstsein des neu entstehenden Ingenieurstandes zu tun. Er hat in den USA, Frankreich und Deutschland im 19. Jahrhundert zwar eine beeindruckende Karriere hingelegt (vgl. KAISER, KÖNIG 2006, S. 127 ff. und 179 ff.), doch wurde ihm die Anerkennung als universitäre Diszi-plin in Deutschland zunächst verwehrt. Das Promotionsrecht z. B. wurde den technischen Hochschulen erst 1899 auf allerhöchsten Erlass Kaiser Wil-helms gegen die Widerstände an den Universitäten verliehen. Diese sorgten dafür, dass der zu führende Doktorti-tel nicht mit den „richtigen“ Titeln ver-

12 de.wikipedia.org/wiki/Growian

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tu: Sachinformationen Technikgeschichte

wechselt werden konnte und beharrten auf dem Dr.-Ing., also mit Bindestrich und ohne den lateinischen Zusatz der wissenschaftlichen Disziplin, wie es an den Universitäten üblich war (Dr. phil. z. B. für die Promotion in Philosophie oder Dr. rer.nat. für die Promotion in den natürlichen Dingen, also den Na-turwissenschaften). Die Ingenieure an den Hochschulen und Universitäten haben um ihre Anerkennung gekämpft und dabei wohl auch die Abgrenzung zu der als theorielos geltenden Praxis zu scharf gezogen und die mathema-tische Formalisierung ihrer eigenen Disziplin als Grenzpatrouille etabliert.

Dies hat den Schein befördert, dass das Erfahrungswissen von geringerer Bedeutung sei als das zur Konstruktion notwendige theoretische Wissen. Das dies nur ein Schein ist, lässt sich z. B. dadurch nachweisen, dass selbst im absoluten Hochtechnologiesektor das in der Praxis gewonnene und an Per-sonen gebundene Wissen notwendig für den Fortbestand dieser Technolo-gie ist. Techniksoziologen wie donald mckEnziE und graHam sPinardi (1995) haben dargelegt, dass dieser Seite der Technik, von ihnen als implizites Wissen bezeichnet (M. Polanyi), auch bei einem so avancieren Produkt wie der Atombombe vorausgesetzt wer-den muss: Ohne die Tradierung des Wissens von Experte zu Novize, nur aufgrund des in Dokumenten nieder-gelegten Wissens, ließe sie sich nicht nachbauen. D. h. die Seite der Erfah-rung ist auch für das wissenschaftliche Arbeiten konstitutiv, allerdings erfährt die Erfahrung hier eine weitaus gerin-gere Wertschätzung als in der tech-nische Artefakte hervorbringenden Praxis.

Auch ohne den Rückgriff auf die Atom-bombe und dem bei ihr gewonnenen Erfahrungswissen, welches man gerne dem Vergessen anheim geben wür-de, ergeben sich Konsequenzen für das Verhältnis der Fächer Physik und Technik. In der Physik wird der Erfah-rung meist keine so hervorgehobene Bedeutung beigemessen wie in der Technik. Zwar weiß jeder Experimen-talphysiker, dass man Erfahrungen beim Experimentieren benötigt, aber das Paradigma der intersubjektiven Überprüfbarkeit von experimentellen Daten führt dazu, dass man indivi-

duelle Besonderheiten in Veröffentli-chungen nicht erwähnt.

Allerdings lässt sich eine gewisse Re-naissance der Erfahrung auch in der Physik beobachten, nämlich in der Physikdidaktik. Das Experimentieren der Schüler im Physikunterricht erfreut sich in den letzten Jahren wieder einer zunehmenden Aufmerksamkeit. Viel dazu beigetragen haben sicherlich die Schülerlabore und Science-Center. Durch die selbst gemachten Erfah-rungen beim Experimentieren kann die Attraktivität der naturwissenschaft-lichen Fächer erheblich gesteigert werden, und gerade die Physik gehört zu den unbeliebtesten Fächern, muss sich also um Maßnahmen zur Steige-rung ihrer Attraktivität kümmern.

In den Schulen hatte vielfach die Vor-stellung um sich gegriffen, dass die ei-gene Erfahrung der Schüler im selbst durchgeführten Experiment verzichtbar sei oder durch Simulationen, Animati-onen oder Vorführexperimente ersetzt werden könnte. In der Schule zeigt sich der durch die Stofffülle in den Lehrplä-nen ergebene Zeitdruck als eine der möglichen Ursachen, die zum Ersatz des Experiments oder zur Reduktion der Experimentierzeit führen. Denn Experimentieren kostet Zeit, Schüler können Fehler machen und sich in der Handhabung konkreter Geräte und vor allem ihrer Verkabelung verirren, Re-sultate bleiben aus oder weichen von den Erwartungen ab und erfordern einen nicht eingeplanten Erklärungs-aufwand. Die negative Bewertung des Experimentierens wird durch eine Sichtweise gefördert, die sich auf das Resultat des Experimentierens fixiert und weniger auf den Lernprozess der Schüler und seiner Resultate.

Im Fach Technik hat das gegenständ-liche Tun der Schüler immer schon ei-nen anderen Charakter und den dabei zu entwickelnden Fähigkeiten wurde größeres Gewicht beigemessen als in der Physik. Allerdings kann der Bezug zu dem dabei gewonnenen Wissen im Fach Technik unterschiedlich ausfal-len. Es ist auffällig, dass in den Gym-nasien das Fach Technik viel seltener vertreten ist als in den anderen allge-meinbildenden Schulen. Warum also leuchtet es in einer nicht-gymnasialen Sek.I eher ein, eine Werkstatt einzu-

richten als im Gymnasium? Und wa-rum hält man technischen Unterricht, selbst wenn man ihn in der Sek.I an-bietet, in der Sek.II für verzichtbar? Es fällt schwer, dafür didaktische Gründe zu finden und eher wird man auf ganz pragmatische Dinge wie Berufsorien-tierung stoßen, um diesen Unterschied zu erklären.

Doch auch das Fach Technik hat dort, wo es etabliert ist, mit ähnlichen Proble-men wie das Fach Physik zu kämpfen, wenn auch wohl kaum mit dem Ersatz der Animation für die gegenständliche Tätigkeit, aber doch mit dem Ersatz ei-gener Konstruktions- und Fertigungs-erfahrungen durch vorgefertigte Ma-terialien und Bausätze. Es zeigt sich aber auch hier, dass der durch Versuch und Irrtum gekennzeichnete Lernweg des Erfahrungslernens nur begrenzt abgekürzt werden kann und eine Fi-xierung auf das Produkt den Blick ver-stellt für die im Prozess der Produktion wirksam werdenden Lernprozesse. Al-lerdings lässt sich leider noch nicht von einer soliden Erforschung der beim technischen Handeln wirksam wer-denden Lernprozesse sprechen, die zu einem Anwachsen des tacit know-ing (M. Polanyi) führen. Erste Arbeiten zum technischen Wissen (gayckEn 2010, mildEnbErgEr 2006, kornWacHs 2012) und zum handlungsbegleitenden Sprechen (bindEr 2014) eröffnen aber bedeutende Forschungsfelder für die Technikdidaktik.

Das Fach Technik hat das Potenzial, beide Seiten der Technik zu repräsen-tieren: sowohl die Ingenieurwissen-schaft als gegenüber den Naturwis-senschaften eigenständige Disziplin mit eigenen Verfahren und Erkennt-nisweisen, wie sie am Beispiel von li-liEntHal erwähnt wurde, als auch die selbst in der Ingenieurwissenschaft nicht verlorengegangene Seite des Erfahrungslernens und des aus dem gegenständlichen Handeln gewon-nenen impliziten Wissens. Potenzial: Das Fach ist längst nicht in allen Bun-desländern im Gymnasium vertreten und die DGTB wie auch die Zeitschrift TU werden nicht als Impulsgeber für den Unterricht an Gymnasien und an der Sek. II wahrgenommen, wie z. B. scHlagEnHauF (2014, S. 9) für den Un-terricht im neu geschaffenen Fach NwT im Detail nachweist. Die vielen Förder-

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Technikgeschichte tu: Sachinformationen

möglichkeiten im Bereich des MINT-Unterrichts können dazu beitragen, dass sich diese Situation ändert und das Fach seine Stärken ausspielt. Dies kann es durch die Besinnung auf beide Wurzeln, Wissenschaft und Erfahrung, und durch die sorgfältig kommunizierte Unterscheidung zwischen Physik und Technik.

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BildnachweiseBild 1: http://upload.wikimedia.org/

wikipedia/commons/6/62/Nachbau_des_ersten_Transistors.jpg

Bild 2: http://de.wikipedia.org/wiki/Transistorradio#mediaviewer/File:Regency_transistor_radio.jpg

Bild 3: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Visible_spectrum_of_ hydrogen.jpg#mediaviewer/File: Visible_spectrum_of_hydrogen.jpg

Bild 4 http://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/1/14/Triode_ tube_1906.jpg

Bild 5: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a3/Galerieholl%C3%A4nder-Moorseer-M%C3%BChle.jpg

Bild 6: http://de.wikipedia.org/wiki/Windm%C3%BChle#mediaviewer/File:Muehle_donsbr%C3%BCggen.JPG

Bild 7: http://www.poullacour.dk/

Bild 8 http://ele.aut.ac.ir/~wind/en/res/gedser2.jpg

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28 tu 156 / 2. Quartal 2015

tu: Unterrichtspraxis Energietechnik

SachbereicheErneuerbare Energien, Maschinen-technik, Fertigungstechnik, Elektro-technik, Strömungsmechanik

Technische FähigkeitenKonstruieren, Fertigen, Experimentie-ren, Testen, Messen, Vergleichen, Be-rechnen, Analysieren, Repowern

VorbemerkungDie Problematik einer zukunftswei-senden globalen Energieversorgung hat zu technischen Entwicklungen ge-führt, die erneuerbare Energieträger effizient nutzen können.

Windkraftanlagen und die damit ver-bundenen gesellschaftlichen Kon-troversen gehören zum Erfahrungs-

bereich unserer Schülerinnen und Schüler.

Damit stellt sich die Aufgabe, dieses Thema für den Technikunterricht auf-zubereiten und in den fachimmanenten Kontext von praktisch-manuellem Tun und gedanklicher Durchdringung der technischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge zu stellen.

Das Unterrichtsobjekt „Windkraftanla-ge in aufgelöster Bauform zur Erzeu-gung von elektrischem Strom“ steht exemplarisch für andere Bauweisen von Windkraftanlagen und für andere technische Systeme der Windnutzung (mechanische Mühlen, Pumpen, und Quirle).

Umsetzung für den Technikunterricht Die didaktische Diskussion ergibt dazu mehrere Möglichkeiten:

a) Vorgefertigte Kleinsysteme werden im Block angeboten. Sie ermög-lichen zwar das Aufnehmen von Messergebnissen, werden jedoch nicht der Breite technischer Hand-lungsvollzüge gerecht.

b) Andererseits wird eine Idee dis-kutiert, die die Montage einer leis-tungsstarken, wetterbeständigen Anlage aus originalen Maschinen-teilen für den Dauerbetrieb im Frei-en vorsieht. Die Kosten-, Wartungs- und Beaufsichtigungssituation wäre problematisch. Unterschiedliche Windverhältnisse behindern unter-richtlich organisiertes Testen und Experimentieren. Die Herstellung von nur einer Anlage durch die ge-samte Schülergruppe schränkt den Bildungszuwachs für den Einzelnen wesentlich ein.

c) Das hier skizzierte Konzept zeich-net sich durch folgende Merkmale aus:

Aufbau und Betrieb einer labor-mäßigen Teststrecke im Fachraum mit Windmaschine und Messvorrich-tungen. Die Windmaschine wird aus Sicherheitsgründen von der Lehrkraft bedient.

Die Maße des Funktionsmodells sind der verfügbaren Windmaschine angepasst.

Das Baukastensystem besteht im Wesentlichen aus Bauteilen der Firma Traudl Riess. Es ermöglicht maschi-nentechnisch stabile Konstruktionen, ist variabel und zur späteren Wieder-verwendung vorgesehen.

Das Funktionsmodell ist relativ kos-tengünstig und von den Schülerinnen und Schülern gut zu handhaben.

Das Funktionsmodell ist nicht wet-terbeständig und nicht für den Dau-erbetrieb geeignet, jedoch sehr wohl stabil für den gelegentlichen Betrieb im Freien.

Fachdidaktische Überlegungen Das Konzept öffnet vielfältige Ge-staltungsmöglichkeiten des Unterrichts und seiner inhaltlichen und metho-dischen Anspruchsebenen, die jeweils abhängig von der Lernsituation in der Lerngruppe sind.

Frischer, kräftiger Wind im TechnikunterrichtWindkraftanlage als Funktionsmodell im Windkanal*)

von Dietrich Kadell und Lothar Georgi

*) Ein Beispiel für die technische Nutzung erneuerbarer Energieträger Unterrichtsskizze für den allgemeinbildenden Technikunterricht Sek. I und II Erarbeitet in der Grund- und Gemeinschaftsschule Kropp, Geestlandschule, 24848 Kropp

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Energietechnik tu: Unterrichtspraxis

Es ermöglicht die Wahl zwischen ein-fachen und anspruchsvollen Inhalten.

a) Einerseits kann die konzipierte WKA nach Vorlage montiert und betrieben werden.

b) Andererseits ermöglicht dieses Unterrichtskonzept im Zusam-menhang mit dem labormäßigen Betrieb der Testanlage vielfältig anspruchsvolle und technisch rele-vante Handlungsvollzüge.

c) Auf anspruchsvollerem Bildungsni-veau ergibt sich während des Un-terrichts zwangsläufig die Notwen-digkeit, die praktischen Tätigkeiten mit physikalischen, maschinen-technischen, elektrotechnischen, meteorologischen und aerodyna-mischen Wirkungszusammenhän-gen einer WKA zu verknüpfen.

Stichwortartig Beispiele:

Windentstehung,

WKA im Überblick, historisch und zeit-gemäß,

Fertigung, Aufbau, Betrieb von WKA,

Standort, Stromnetz,

Widerstands- und Auftriebsprinzip,

Schnelllaufzahl, Leistungsbeiwert,

Leistungsregelungen, Steuerung der Anlage.

Die ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Energieproblematik wäre unterrichtlich in Kooperation mit anderen Unterrichtsfächern einzube-ziehen.

Der Unterricht ist auf anspruchs-vollem Niveau problem- und hand-lungsorientiert angelegt.

Schülerinnen und Schüler planen, montieren und testen jeweils ihr eige-nes Funktionsmodell, um individuelle Kreativität und Problemlösungsverhal-ten entwickeln zu können.

Vermieden werden konkrete Kon-struktionsvorgaben und differenzierte, schrittweise angelegte Montageanwei-sungen.

Für Konstruktion und Montage der WKA bestehen Wahlmöglichkeiten:

Material, Form und Anzahl der Rotor-blätter, Getriebeübersetzungen, E-Mo-toren als Generator, auch Arbeitsab-lauf, Arbeitsmittel und Montagehilfen, Fertigung einzelner Bauteile.

Die Wahl des Vorgehens ist zunächst Aufgabe der Schülerinnen und Schü-ler. Dies führt zu verschiedenen Kon-struktionen und vergleichbaren Tester-gebnissen.

Unterschiedliche Testergebnisse ge-nerieren Problemstellungen und wer-den möglichst in Eigenleistung gelöst.

Fertigung und Vergleich unterschied-licher Konstruktionen liegen im didak-tischen Interesse.

Schwerpunkte techniktypischer Handlungsweisen sind hier: – Lesen und Umsetzen technischer

Anweisungen,– eigene Informationsbeschaffung,– vorausschauende konstruktive,

auch kreative Planung, – organisieren von Arbeitsablauf und

Arbeitsplatz,– Montagearbeiten, – entwickeln und anfertigen von Bau-

teilen und Montagehilfen, – testen, experimentieren,– Testergebnisse analysieren,– Windleistung und elektrische Leis-

tung messen, berechnen und ver-gleichen,

– Funktionszusammenhänge erken-nen, daraus funktionelle und kon-struktive Entscheidungen treffen.

Dies fordert anspruchsvoll von der Lehrkraft die Initiierung entspre-chender Lernprozesse.

Das vorliegende Unterrichtskonzept bedingt bei anspruchsvoller Gestal-tung die Einbeziehung grundlegender technischer, physikalischer und mathe-matischer Funktionszusammenhänge in den Lernprozess. Deren Komplexi-tät erfordert im Unterrichtsablauf ver-fügbares, funktionales Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aus dem Physik-, Mathematik- und dem Technik unterricht.

Themen z.B.:– einfache elektrotechnische Schal-

tungen,– elektromagnetische Wirkungen, – Aufbau und Funktion einfacher E-

Motoren, – Spannung, Stromstärke, Wider-

stand, – Aufbau und Funktion einfacher Ge-

triebe,

– Aufbau und Funktion einfacher Ma-schinen,

– Grundbegriffe der Steuerungstech-nik.

In der Unterrichtspraxis gestaltet sich ein Rückgriff auf vorhandenes Vor-wissen oft problematisch. Deswegen werden eingeschobene Lehrgänge er-forderlich, die wiederum den geplanten Lernprozess unterbrechen und stören können.

Vorteilhaft wäre die Möglichkeit cur-ricularer Planung des Technikunter-richts über die gesamte Schulzeit der Schüler. Dies ist jedoch bei labiler Position des Faches im Schulangebot oft nicht möglich. Auch die effektive Abstimmung der Unterrichtsinhalte mit anderen Unterrichtsfächern bereitet oft Schwierigkeiten.

Funktionsmodell der Wind-kraftanlage, Arbeitsbögen mit Informationen und Aufträgen Die Unterrichtsskizze bleibt hier offen, ohne Vorschläge zur Einordnung von Unterrichtssequenzen und ohne Hin-weis auf unterstützende Medien. An einer themadienlichen Sammlung der Unterrichtsmedien wird gearbeitet.

Die folgenden Ausführungen be-schränken sich auf die Konstruktion und Montage des Funktionsmodells und auf das Messen und Berechnen der Windleistung sowie der elek-trischen Leistung.

Die Arbeitsbögen sind für die Hand der Schülerinnen und Schüler ange-legt. Sie sind in Form von Hinweisen, Aufträgen und Anregungen gestaltet, und ebenso als Dokumente für die unterrichtsbegleitende Technikmappe zum Nachschlagen und Präsentieren vorgesehen.

Blatt Nr. 1 Triebstrang der WKA / 2 MW Windkraftanlage / Funktionsmo-dell

Blatt Nr. 2 Rotor / Form und Anzahl der Rotorblätter / Vorschlag für ein Rotor-blatt aus Balsaholz

Blatt Nr. 3 Rotornabe / Blattwinkelver-stellung / Bohrvorlage

Blatt Nr. 4 Hauptwelle mit Wellenlager / Bohrvorlage für Wellenlagerträger

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30 tu 156 / 2. Quartal 2015

tu: Unterrichtspraxis Energietechnik

Blatt Nr. 5 Getriebe / Generator

Blatt Nr. 6 – WKA-Triebstrang / Monta-ge der Baugruppen – Drehkranz der WKA-Gondel am Turmschaft

Blatt Nr. 7 Test / Geräteaufbau / Schalttafel / Einsatz verschiedener Verbraucher

Blatt Nr. 8 Wirkungsgrad der WKA / Windleistung vor dem Rotor / Formeln

Blatt Nr. 9 Testprotokoll / Berech-nungen / Vergleich

Blatt Nr. 10 Energieumwandlung / En-ergieausbeute / Reibungsverluste

Anmerkungen zu den Arbeitsbögen

Blatt 2Die projektbezogene Entscheidung für das Metallbaukasten-System der Fir-ma Traudl Riess fiel nach didaktischer Diskussion und Vergleich mit anderen marktgängigen Baukastensystemen.

Den Ausschlag gaben:

– die Schraubmontage als ein Bei-spiel für das Grundverfahren der Fertigungstechnik „Fügen“,

– die Stabilität des Systems durch Schraubmontage von Metall-Bau-elementen und

– die für das Projekt geeigneten und geringen Ausmaße des Trieb-stranges als Funktionsmodell.

Die Lochung der Riess-Metallelemente beträgt im Durchmesser 4,15 mm, Durchmesser der Wellen-Elemente 4,00 mm. Diese Differenz erfordert bei der Montage genaues Beachten der parallelen und rechtwinkligen Zuord-nung der Bauelemente und Baugrup-pen.

Die Stücklisten der Arbeitsblätter ver-merken die Artikelnummern aus dem Hauptkatalog.

Sie enthalten nicht die in hoher Zahl erforderlichen Zylinderschrauben und Muttern.

Empfehlung: Zylinderschrauben mit Zylinderkopf und Kopf-Schlitz.

Muttern-Artikelnummer 21.015.0Schrauben M4 x 6 - 21.129.0Schrauben M4 x 8 - 21.130.0

Auf erforderliche Montage-Werkzeuge und Montage-Hilfen wird hier nicht ein-gegangen.

Für die Fertigung der Rotorblätter ist halbhartes Aluminiumblech (0,5 mm) besonders auch für den Betrieb der WKA im Freien gut geeignet. Durch Abkanten erhalten die Rotorblätter Stabilität.

Blatt 3Die Auswahl konstruktiver Komponen-ten bleibt offen und dem Schüler über-lassen.

Natürlich werden in der Literatur „op-timale“ Lösungen genannt. Jedoch liegen in dieser Unterrichtskonzeption vielseitige Lösungsansätze im didak-tischen Interesse.

Blatt 4

Die mechanische Belastung des Funktionsmodells ist abhängig vom Gewicht des Rotors (Zahl und Form der Rotorblätter, Material) und von

der Windleistung. Darum wird grund-sätzlich empfohlen, die Hauptwelle als M5-Gewindestange zu wählen und entsprechende Kugellager (5-16-5) zu verwenden, die beide nicht im Ries-Katalog angeboten werden.

Die Radnabe (Blatt 4, Pos. 10) ist auf-zubohren, 5 mm.

Als Material für die Wellenlagerträger ist auch Sperrholz möglich.

Blatt 5

Für die Experimente sind als Genera-tor alle E-Motoren geeignet, die an die Platten des Riess-Universal-Getriebe-Bausatzes angeschraubt werden kön-nen.

Das Übersetzungsverhältnis des ab-gebildeten zweistufigen Getriebes be-trägt 1:6,25.

Der bisher erreichte Wirkungsgrad dieses Funktionsmodells ist extrem gering, siehe Berechnungen Blatt 9.

Die Auswahl eines optimal geeigneten E-Motors als Generator ist problema-

Bild zu Blatt 5

Bild zu Blatt 5Bild zu Blatt 2

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31tu 156 / 2. Quartal 2015

Energietechnik tu: Unterrichtspraxis

Die 10 Arbeitsbögen sind abrufbar unter: www.neckar-verlag.de – TU 156

©TEMBRA GmbH,Berlin

© Dietrich Kadell

Flanschzur Befestigungder Rotornabe

wandelt dieBewegungs-

energieder

Windströmungin die

Drehbewegung um

langsame Welle,

verbindet die Rotornabe

mit dem Getriebe

wandelt dieDrehzahl des

Rotors inschnelle, für den

Generatorgünstige

Drehzahlen um

bringt dieMaschine

zum Stillstandfür Wartungs-

undReparatur-

arbeiten

wandelt die Drehbewegungder schnellen

Wellein elektrischen

Strom um

Rotor Hauptwelle Getriebe Scheiben-bremse

Generator

Triebstrang unserer kleinen Windkraftanlage

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

Diese WKA kannbei guten Wind-verhältnissenin ca.3,5 Stundenden Jahresbedarfan Strom füreinen durch-schnittlichenHaushalt erzeugen.

Wieviel Stromkann deineWKAerzeugen?

Windkraftanlageaufgelöste Bauform

Eine Windkraftanlage ( WKA ) wandelt die Bewegungsenergie der Windströmung

in elektrische Energie um.

Triebstrang einer 2 Megawatt (MW)- Windkraftanlage

Ein Wettbewerb:

Wessen WKAliefert die besteelektrischeLeistung?

schnelle Welle

schnelle Welle

Windkraftanlage (WKA) - Funktionsmodell

Triebstrang der WKA- 2 MW Windkraftanlage- Funktionsmodell

© Dietrich Kadell

1

In der Gondelbefindet sich der Triebstrangder Maschine.

Gondel

langsame Welle

Übertragungsgetriebe 1:1

- Überlege und forsche nach, mit welcher Anzahl und Form der Rotorblätter deine WKA die beste Windausbeute erreichen könnte.- Entscheide dich und skizziere einen Plan. Der Baukasten ermöglicht unterschiedliche Planungen. Auch über geeignetes Material für die Rotorblätter solltest du nachdenken.- Fertige und erprobe deinen Rotor ( Windkanal ). Überlege Verbesserungen und führe sie aus.

Arbeitsauftrag an dich als Entwicklungsingenieur für Rotoren:

Vorschlag für ein Rotorblatt aus Balsaholz

Zeichnung nicht maßstabgerecht / Bohrung: 4 mmDie Maße passen zu einem Ventilator O = 60 cm

- Bohrvorlage mit Zeichenprogramm anfertigen und maßstabgerecht ausdrucken- Für exakte Bohrungen könnte CNC-Fräse mit CAD-Ansteuerung genutzt werden.

Aufträge an dich als Fachkraft für technisches Zeichnen,CAD und CNC:

Rotor / Form und Anzahl der RotorblätterVorschlag für ein Rotorblatt aus Balsaholz

Windkraftanlage ( WKA ) - Funktionsmodell

Nr. Bezeichnung Material / BauteilAnzahl Artikel

Stückliste - Rotorblatt

ü

1

2

3

4

5

6

Tragfläche

Blattverstärkung

Befestigungsbügel

Befestigung Zylinderschraube M4 - 10je 2

Unterlegscheibe Flachstab 2 Loch

Bohrvorlage Papier

50.085.0

27.069.1Bügel 3 x 1 Loch klein

27.030.5

Hartholz 70 x 20 x 3

Balsabrett 2 mm

* entsprechend der Rotorplanung

*

*

*

*

1

2

3

4

5

6

2/

© Dietrich Kadell

2

55

10

20

30

100

60

300

10

1510

70

20

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

1 2 3 4 5

- Bohrvorlage mit PC-Zeichenprogramm anfertigen und maßstabgerecht ausdrucken,- Bohrlehre herstellen.

Aufträge an dich als Fachkraft für technisches Zeichnen,CAD und Gerätebau:

- Eine Messlehre entwickeln für genaues Einstellen der

angewinkelten Rotorblätter, Anströmwinkel.gegen die Windströmung

Rotornabe, BlattwinkelverstellungBohrvorlage / Bohrlehre / Messlehre für Aufprallwinkel

Beispiel: Vierblatt-Rotor

Montage der Rotornabe / Einstellen der Anströmwinkel

1

1

1

4

5

5

5

Nabenkörper des Rotors

2- und 4-Blatt 3- und 6-Blatt

Blattwinkelverstellung

Bohrvorlage

Bohrlehre

Befestigungsbügel des Rotorblattes auf der Längsachse verstellen und mitKontermuttern festsetzen.

6

3

3

32

2

Lochabstand in allen Bauteilen: Abstand 10 mm

Windkraftanlage ( WKA ) - Funktionsmodell

Nabenkörper vor dem Bohren mit Zylinderschraube

unterhalb der Bohrlehre befestigen

Beispiel: zusätzliche Bohrungen für4-Blatt-Rotor

Nr. Bezeichnung Material / BauteilAnzahl Artikel

Stückliste - Rotornabe

ü

1

2

3

4

5

6

Nabenkörper

Nabe der Hauptwelle

Befestigung

Befestigungsbügel

Rotorblatt-Längsachse

Kontermuttern

Mehrzweckscheibe 70 mm

Radnabe 6 mm

Bügel 3 x 1 Loch klein

Zylinderschraube M4 - 8

Gewindestange M4 - 70 mm

Muttern M4

35.020.0

35.027.0

27.069.1

21.128.0

21.101.5

21.015.0

1

1

1 *

1 *

2 *

2 *

* je Rotorblatt

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:3

© Dietrich Kadell

Je nach Zahl der Rotorblätter sind zusätzliche Bohrungen ( 4 mm ) im Nabenkörper erforderlich.

Ein Auftrag für dich als Entwicklungsingenieur:

1

1

2

2

3

3

4

5

5

6

7

7

8

8

9

9

Hauptwelle mit Wellenlager

Lagergehäuse der HauptwelleEs sind zusätzliche Arbeiten erforderlich:

Freilauf des inneren Kugellagerringes:

beide Teile des Lagergehäuses sind mittig

aufzubohren, 10 mm.

- Bohrvorlage für den Wellenlagerträger mit Zeichenprogramm anfertigen und maßstabgerecht ausdrucken,- Kugellagerträger anfertigen,

- Bohrung: Freilauf des inneren Kugellagerringes.

Aufträge an dich als Fachkraft für technisches Zeichnen, Gerätebau, CAD und CNC:

nach Möglichkeit CNC-Fräse und CAD-Ansteuerung nutzen,

Zahnrad, Übertragung der Drehbewegung zur Getriebe-Baugruppe

4

16

10

20

525

45

50

Bohrvorlage

3 2

Windkraftanlage ( WKA )- Funktionsmodell

Hauptwelle mit WellenlagerBohrvorlage für Wellenlagerträger

Nr. Bezeichnung Material / BauteilAnzahl Artikel

Stückliste - Hauptwelle mit Wellenlager

ü

1 Maschinengestell

2 Wellenlagergehäuse

3 Wellenlagerträger

4 Wellenlager

5 Hauptwelle, langsame Welle

6 Sicherungsscheibe

7 Zylinderschraube

8 Gehäuseflansch

9 Übertragungsgetriebe

1

2

2

2

1

1

Montageplatte 11 x 5

Montageplatte 5 x 3

Hartholz 5 x 20 x 50

Kugellager 5-16-5

Gewindestange - 120M5

Flachstab 2 Loch

4

4

1

M4 - 10

Flachwinkel

Zahnrad Modul 1 - 20 Z

27.021.0

27.094.0

27.030.5

27.074.5

35.015.0

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

© Dietrich Kadell

4

Page 32: ZEITSCHRIFT FÜR TECHNIK IM UNTERRICHT · PDF file4 tu tu 156 / 2. Quartal 2015 Welker (Abb. 2) und Herbert Mataré (Abb. 3) in Paris ihre bereits in Berlin während des Krieges betriebene

32 tu 156 / 2. Quartal 2015

tu: Unterrichtspraxis Energietechnik

Die 10 Arbeitsbögen sind abrufbar unter: www.neckar-verlag.de – TU 156

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

- Berechne die Getriebeübersetzung. - Berechne und Vergleiche die elektrische Leistung. Blatt Nr. 7

Aufträge an dich als Ingenieur:

- Wähle Getriebeübersetzung und Generator aus.- Montiere den Triebstrang deiner WKA.

Aufträge an dich als Konstrukteurund Monteur:

Getriebe und Generator

Du benutzt den Riess-Universal-Getriebemotor-Bausatz.Er ermöglicht 1 - 5 Getriebeübersetzungen.Hier als Beispiel ein zweistufiges Getriebe.

Nr. Bezeichnung Material / BauteilAnzahl Artikel

Stückliste - Getriebe / Generator

ü

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Maschinengestell

Getriebegehäuse

Abstandsbolzen

Befestigungslasche

Übertragungsgetriebe

Antriebswelle, langsame Welle

Antriebszahnrad

Stufengetriebe

Abtriebswelle, schnelle Welle

Abtriebszahnrad

Generator

Distanzrolle

Stellring

1

2

* 3 / 6

4

1

1

1

4

1

1

1

div

2

Montageplatte 11 x 5

Montageplatte 3 x 5

Abstandsbolzen M4 12 u 18

Winkel 1 Rundloch 1 Langl. 27.070.5

Zahnrad Modul 1 - 20 Zähne

Metallachse

Doppelzahnrad

Doppelzahnräder

Generatorwelle

Zahnrad

E-Motor

Distanzrollen

Elastikstellring

*je nach Konstruktion **Bausatz 06.025.0 / gewünschten Motor anfordern

Empfehlung: 06.040.0

27.021.0

**

**

35.015.0

**

**

**

**

**

**

**

7

1

2

2

2

3

4

4

5

6

6

8

5

8

910

11

12

13

Windkraftanlage (WKA) - Funktionsmodell

Getriebe - GeneratorGetriebeübersetzung, berechnen, auswählenGenerator, auswählen

1

7

© Dietrich Kadell

5

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

Hauptwelle und schnelle Welle sind parallel versetzt.Zahnräder übertragen die Drehbewegung, 1:1

WKA-Triebstrang / Montage der Baugruppen

11 - Montage der Windrichtungsnachführung am Maschinengestell, einfache Windfahne

Drehkranz - Sockel der WKA-Gondel

1

5

7 3

3

2

4

ü

6

88

9

Übertragungsgetriebezwischen Lagergehäuse der Hauptwelle und der Getriebe-Generator-Baugruppe

Haupt-welle, langsameWelle

Generator-welle,schnelle Welle

Windkraftanlage - Funktionsmodell

- WKA - Triebstrang / Montage der Baugruppen- Drehkranz der WKA-Gondel am Turmschaft

© Dietrich Kadell

6

Montage der Stabilatorscheibe

6

11

11

10

Nr. Bezeichnung Material - BauteilAnzahl Artikel Nr.

27.045.0

Stückliste / Drehkranz

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Turmschaft

Sockelteil am Turmschaft

Drehsgestellachse

Drehkranz, Gleitlager fest

Drehkranz, Gleitlager beweglich

Sockelteil am Maschinengestell

Stabilisator

Kontermuttern

Befestigung am Turmschaft

Windrichtungsnachführung

1

1

1

1

1

1

4

Holz

Montageplatte 5x5 Loch

Achse mit Gewindeenden 27.080.1

Scheibe mit Buchse 27.063.1

M4

Schrauben

Montageplatte 5x5 Loch 27.045.0

Mehrzweckscheibe 35.020.0

Mehrzweckscheibe 35.020.0

Achsführung

11 Aluminium, Stab, Blech

1 Flachstab 5 Loch 27.032.5

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

Aufträge an dich als Ingenieur für Testverfahren: Zu deinen Aufgaben gehört nicht nur das Anfertigen der WKA, sondern auch

das Experimentieren, Messen, Rechnen, Vergleichen und Verbessern. Jetzt geht es los.

Deine WKA im Test / Versuchsanordnung im Fachraum Technik

WKA mittig vor dem offenen Windkanal

platzieren und betreiben

Standventilator( PEREL 60 cm, 239 V)mit offenem Windkanal

3 Geschwindigkeitsstufen

Miss die elektrische Leistung, Volt und Ampere.

WindmessgerätAnemometer

Meter pro Sekunde ( m/s) messen

WKA im offenen

Windkanal

Kennzeichne deine WKA, vermerke spezielle Einstellungen, protokolliere Messergebnisse, berechne Wind- und Generatorleistung, Wirkungsgrad. (

Testprotokoll:

Protokoll-Formular, Formeln, Blatt Nr. 9)

Verbessere deine WKA, vergleiche sie mit den WKA deiner Mitschülerinnen und Mitschüler.

Fertige eine „Schalttafel“mit schaltplangerechter Montage der Leiterbahnen an.

Motorwinde:Möglichkeit, die mechanische Leistung einer Maschine zu messen und zu vergleichen - verrichtete Arbeit (Gewicht und Strecke)- benötigte Zeit

- Einsatz verschiedener Verbraucher- Aufladen von Akkus für Kleingeräte

Deine WKA erzeugt Strom, den du nutzen kannst.:

Test / Geräteaufbau im FachraumSchalttafel, Einsatz verschiedener VerbraucherTestprotokoll,

© Dietrich Kadell

7

Windkraftanlage (WKA) - Funktionsmodell

- Stromspeicherung im Super-Cap-Kondensator - mit gespeichertem Strom Funktionsmodelle antreiben

Teste verschiedene Konstruktionen und Einstellungen deiner WKA.

V

A

M

G

Du möchtest nun wissen, wie gut deine WKA funktioniert, wieviel Energie sie aus dem verfügbaren Wind in elektrischen Strom um wandeln konnte. Das ist die Frage nach dem Wirkungsgrad - Cp.

Wie stark ist der Wind vor dem Rotor ?

Wieviel Strom stellt der Generatorzur Verfügung ?

... ist abhängig von

- der Rotorfläche (Durchmesser)- der Windgeschwindigkeit (m/s)

- der Masse der Luft (Gewicht) ... ist abhängig von - der Leistung des Windes vor dem Rotor- der Bauweise der WKA (Konstruktion)- der störungsfreien Funktion der WKA

Die Energie des Windes steckt in der Masse der Luft (Gewicht).

Pwind = 0,5 • (Rho) A • v³ • Pel = U • IPel

PwindCp =

Windleistung vor dem Rotor Wirkungsgrad der WKAGeneratorleistung

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

abgegebene Leistung

Windkraftanlage ( WKA) - Funktionsmodell

Wirkungsgrad der WAKWindleistung vor dem RotorBerechnung: Windgeschwindigkeit mit 3. Potenz 8

© Dietrich Kadell

Leistung ist eine bezogen auf eine Zeitspanne. Formelzeichen: P (power) / Maßeinheit: Watt, Zeichen W.

physikalische Größe. Sie bezeichnet die umgesetzte Energie

Die Windgeschwindigkeit ist extrem bedeutsam

und geht mit der 3. Potenz in die Berechnungen ein. Beispiel Strömungsröhre:

erkunde: Newton`sches Gesetz.

Doppelte Masse der Luft bedeutet doppelten Energiegehalt.

Doppelte Masse mal doppelte Geschwindigkeit führen zusammen zu achtfachem Energiegehalt des Windes.

2³ = 2 x 2 x 2 = 8

Windgeschwindigkeit in m/s - v

Doppelte Geschwindigkeit bedeutet vierfachen Energiegehalt.

Das Volumen der Luftmenge, die in einer bestimmten

Zeitspanne durch die Rotorfläche strömt, kann als zylindrische Luftstromröhre dargestellt werden.

a - Luftmenge in 1 Sekunde b - doppelte Luftmenge / doppelte Windgeschwindigkeit in 1 Sek.

Volumen Luftmenge - V

Vzyl = G • h = A • v

A - Rotorfläche v - Windgeschwindigkeit m/s

Rotorfläche beihalbiertem Radius

A = r² • PiGrundfläche der Strömungsröhre

Verdoppelung des Rotordurchmessers führt zu vierfacher Energieausbeute.

2² = 2 x 2 = 4

Rotorfläche - A

Auch Luft wiegt. Die Dichte

der Luft gibt an, wie viel Masse Luft (Gewicht) in einem

bestimmten Volumen enthalten ist.1 m³ trockene Luft wiegt 1,225 kg,

15° C, Meereshöhe.

Je „schwerer“ die Luft ist, umso mehr Energie kann die WKA

aus ihr entnehmen.

Luftdichte - ( Rho )

Windströmung hinter dem Rotor verlangsamt wegen Energieausbeute

ab

A-vollständig vom Wind angeströmt, vom drehenden Rotor erfasst

Windleistung vor dem Rotor

Masse der Luft = Luftdichte mal Volumen

zugeführteLeistung

Wirkungsgrad

Page 33: ZEITSCHRIFT FÜR TECHNIK IM UNTERRICHT · PDF file4 tu tu 156 / 2. Quartal 2015 Welker (Abb. 2) und Herbert Mataré (Abb. 3) in Paris ihre bereits in Berlin während des Krieges betriebene

33tu 156 / 2. Quartal 2015

Energietechnik tu: Unterrichtspraxis

tisch. Versuche mit anderen verfüg-baren E-Motoren ergaben keine Leis-tungssteigerung.

Eine andere Triebstrang-Konstruktion mit dem Riess-Bausatz RGM08 (Arti-kel Nummer 06.068.0) ermöglicht zwei Getriebeübersetzungen (1:3 und 1:9) und vermindert Reibungsverluste. Je-doch können Schülerinnen und Schü-

ler die Montage und Feineinstellung eines Getriebes damit nicht üben.

Kardangelenk als Kupplung –

Artikel Nummer 27.012.0

Gewindestifte –

Artikel Nummer 21.125.0

Blatt 6Für die Testversuche am Windkanal wird kein Drehkranz benötigt. Bei Auf-bau der WKA im Freien für längere Betriebszeiten ist als Drehkranz der Gondel eine andere, stabilere Kon-struktion erforderlich, evtl. mit Fahr-radnabe.

Blatt 7Leistungsgerechte Axial-Trommelven-tilatoren werden marktgängig ange-boten. Für den Wohnbereich übliche Standventilatoren reichen nicht aus.

Empfehlung:

– Korbdurchmesser mindestens 60 cm.

– Für die Konstruktion des hier dar-gestellten Funktionsmodells wären zur Optimierung der Leistungser-gebnisse Korbdurchmesser von 70–80 cm angebracht.

– Wechselstrom 230 V, Drehstrom bei Anschluss im Fachraum denk-bar,

– 2–3 Stufen der Windgeschwindig-keit

– Richtwert für den Luftstrom ca. 12000³/h

Fachkollegen nutzen im Austausch zwischen den Schulen eine gemein-sam angeschaffte Windmaschine. Regional können Handwerk und Feu-erwehr oft behilfl ich sein.

Die Luftströmung von Axialventila-toren ist stark verwirbelt. Die Wind-geschwindigkeit ist zwischen Zentrum und Randbereich extrem unterschied-lich. Für die Berechnung des Wir-kungsgrades wäre ein gemittelter Wert der Windgeschwindigkeit, bezo-gen auf Teilbereiche der Rotorfl äche, sinnvoll.Bild zu Blatt 6

Die 10 Arbeitsbögen sind abrufbar unter: www.neckar-verlag.de – TU 156

- W

irkungsgra

d-

Genera

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tung

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indle

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Wind-geschwindigkeit

m/s

VA

Spannung

Stromstärke

Rotorflächer² •

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0,5

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A •

0,5

0,5

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0,5

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2

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2

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2

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2

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2

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2

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Bere

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Roto

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60,0

32

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32

1,3

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W

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

(Eta

)

Pel

Pw

ind

Rangfolge

Nr.

© Dietrich Kadell

Windkraftanlage ( WKA) - Funktionsmodell

9

Testprotokollkennzeichnen, messen, berechnen

0,0

2

Energieumwandlung - Energieausbeute

- Bei kräftigem Wind aus der Windmaschine liefert deine WKA nur sehr wenig Strom.- Das erkennst du am gemessenen und berechneten Wirkungsgrad deiner Anlage und noch deutlicher an der geringen Leistung der angeschlossenen kleinen Winde und des kleinen Ventilators.Welche Ursachen könnten diese Leistungsverluste haben?

Euch Monteuren und Ingenieuren ist aufgefallen:

Abb. TEMBRA GmbH,Berlin

Die WKA entzieht dem Wind Energie und bremst dabei die Windströmung ab. Da der Wind nicht hinter dem Rotor stehen bleiben kann, ist nur ein Teil der Windenergie nutzbar. Erkunde: Betz`sches Gesetz.

Du hast flache Rotorblätter benutzt. Sie wirken nach dem Widerstandsprinzip.Die Energieausbeute lässt sich verbessern. Forsche: aerodynamisch geformte Rotorblätter

Du kannst deutlich die Reibungsverluste im Getriebe deiner WKA spüren.Minderung der Verluste ist kaum möglich. Oder?

Du hast einfallsreich, zielgerichtet,gründlich und ausdauernd gearbeitet.

Weiter so!

1

2

3

1-Probemontage des Nabenkörpers2-Kühlanlage für Getriebeöl3-Getriebeölfilter4-Kühlanlage für den Generator5-Schaltschränke6-Drehkranzantrieb7-Drehkranz

Der Energiegehalt des Windes vor dem Rotor kann zu 40% in elektrische Energie umgewandelt werden. Eine sehr gute Ausbeute. Und die Ausbeute deiner WKA?

Aerodynamische Verlustedurch Reibung und Wirbelam Rotorblatt

Physikalisch nicht nutzbare Leistung des Windes

Elektrische Verluste in Generator,Umrichter, Kabel und Trafo

Mechanische Verluste durch Reibung in Lager und Getriebe

Abb. Bundesverband Windenergie, Berlin

Energiefluss einer modernen Windkraftanlage

3

2

1

Windkraftanlage ( WKA) - Funktionsmodell

Energieumwandlung / EnergieausbeuteReibungsverluste / aerodynamisch geformte Rotorblätter

1

2

3

4

5

6

7

Name:

Schule: Thema:

Projekt: Datum:

Maßstab:

Blatt-Nr.:Klasse / Kurs:

© Dietrich Kadell

10

Page 34: ZEITSCHRIFT FÜR TECHNIK IM UNTERRICHT · PDF file4 tu tu 156 / 2. Quartal 2015 Welker (Abb. 2) und Herbert Mataré (Abb. 3) in Paris ihre bereits in Berlin während des Krieges betriebene

34 tu 156 / 2. Quartal 2015

tu: Unterrichtspraxis Energietechnik

Versuche von Kollegen mit kompletter Bestückung des Windkanalausgangs mit kleinen Pappröhren und sogar Strohhalmen zur Verbesserung der Strömung blieben unergiebig.

Windmessgerät:Einfache digitale Geräte (Anemometer) für das Messen der Windgeschwindig-keit werden kostengünstig als Handge-räte angeboten. Die Geräteausstattung des Physikunterrichts könnte über ein geeignetes Schalenkreuz-Anemome-ter verfügen. Es wäre an sich bereits eine kleine Windkraftanlage.

Windmaschine:– preisgünstige Windmaschine von

PEREL: industrieller Trommelventilator, 230

V mit 3 Stufen der Windgeschwin-digkeit, 120, 145, 200 W, Ventilator- Durchmesser 60 cm,

– für angemessene Leistungssteige-rung besser: z.B. CasaFan DF 800

Windkanal:– nur Eigenbau nach Maßvorgabe

der Windmaschine, Länge des Ka-nals ca. 60 cm

– Abbildungen: stabile Kanalröhre, Zuschnitt

Schweißgitter-Gartenzaun grün, Maschen 10 x 5 cm,

Matte als Röhre formen und mit Blumendraht an der Stoßstelle fi-xieren,

Röhre mit zwei Schichten Wellpap-pe auskleiden, Rolle 60 cm breit,

zwischen den Schichten punktuell mit Tapetenleim fixieren,

Wellpappe mit Blumendraht an den Rohrenden befestigen, s. Ab-bildung,

Die Klebebänder auf der Abbildung sind nachträgliche Korrekturen.

Sockel des Windkanals wie Abbil-dung.

Verbesserung der elektrischen Leistung:Wenn nicht durch experimentelle Ver-gleiche bereits von den Schülern selbst erkannt, kann auf mögliche funktio-nelle Zusammenhänge zur Steigerung der elektrischen Leistung hingewiesen werden.

Beispiele:

– Formen und Anzahl der Rotorblät-ter verändern,

– Anströmwinkel verändern,

– Unwucht der Rotoren überprüfen und beheben,

– Leichtgängigkeit der Mechanik überprüfen.

– Andere Getriebe-Übersetzungen, auch Zahnrad-Module erproben,

– verschiedene Generatoren erpro-ben (Versuche mit Brushless-Mo-toren aus dem Flugmodellbau!),

– Betrieb im Freien ermöglicht län-gere Rotorblätter.

Blatt 9

Die Wirkungsgrade der Funktions-modelle sind eher vergleichbar, wenn jeweils Mittelwerte von Messreihen zugrunde liegen.

Blatt 10

Der Hinweis auf aerodynamisch ge-formte Rotorblätter ist als weiterfüh-

render Auftrag zur Fertigung und Er-probung zu verstehen.

Aerodynamisch geformte Profile und geometrische Schränkung der Ro-torblätter sind zweifellos wesentliche Komponenten moderner Windkraftan-lagen. Dazu Informationen in der hier genannten Quellenauswahl.

Fachkollegen haben solche Rotorblät-ter aus Holz und auch aus Styropor herstellen lassen. Der Zeitaufwand und die Anzahl missglückter Arbeitsergeb-nisse ist erheblich. Für aerodynamisch geformte Rotorblätter aus massivem Holz reicht die Stabilität der vorgestell-ten WKA-Konstruktion wegen des ho-hen Gewichts nicht aus.

Weiterführende Vorschläge und Hin-weise wären hilfreich.

Auch ohne den Aspekt aerodyna-misch geformter Rotorblätter sehen wir die mit dem vorliegenden Unter-richtskonzept verbundenen didak-tischen Zielvorstellungen zunächst als erreicht an.

Das skizzierte Unterrichtsbeispiel ist innovativ offen. Der wissenschaftlichen Unterrichtsforschung bietet sich ein fachdidaktisch und auch lernpsycholo-gisch interessantes Feld.

Verbesserungsvorschläge aus dem Erfahrungsschatz der Kollegen und TU -Leser sind willkommen.

Viel Erfolg!

Sachinformation, Quellenauswahl

1. Bundesverband Windenergie, Berlin http://www.wind-energie.de/ themen/technik-anlagen

2. Schuler AG, Göppingen http://windenergie-rgd.jimdo.com/

3. Verband der dänischen Windkraftin-dustrie: „Streifzug durch die Welt der Windenergie“ in Deutsch unter http://ifs.mv.fh-duesseldorf.de/ Vorlesung/windpower_dk/ windweb/de/tour/index.htm

4. Bundesverband Windenergie Unterrichtseinheit Physik: Windenergie – Messung der Leistung und Bestimmung der Wirkungsgrade von Windenergieanlagen http://www.wind-energie.de/sites/default/files/download/publication/unterrichtseinheit-physik/ physikbroschuere.pdf

Windmaschine Bild 2Windmaschine Bild 1

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Elektrotechnik / Elektronik tu: Unterrichtspraxis

Der neue BatterietesterIn der tu 76 hatte ich schon einmal einen Batterieprüfer vorgestellt. Inzwi-schen gibt es jedoch zusätzlich die 3-V-Lithiumbatterien, und zwar nicht nur als Knopfzellen, sondern auch als Rundzellen (gleiche Form wie Mignon- und Babyzellen). Dies war der Anlass nach 20 Jahren für eine Neukonzep-tion. Das nun vorgestellte jetzige Pro-dukt kann nicht nur weit mehr Batterie-sorten prüfen (alle im Foto gezeigten Ausführungen), sondern ist auch mit seinem schönen großen Ampelskala-Instrument aussagekräftiger:

grüner Sektor: neuwertig bzw. guter Zustand der Batterie (Bat. ok)

gelber Sektor: Achtung: mäßiger Zustand, deutlich angebraucht bzw. teilentladen

roter Sektor: die Batterie ist ver-braucht, d.h. möglichst gleich aus-tauschen

Schnelle Aussage über den Batteriezustand erwünschtEin Batterietester mit zu kleinem Zei-gerwerk und zu vielen Balkenbögen

ist eher irritierend und bedarf zuerst eines intensiven Studiums der Bedie-nungsanleitung, die u. U. natürlich im Irgendwo verlegt wurde. Auch bei den modernen ziemlich kleinen Displays mit Ziffernanzeigen ist eine einge-hende Sichtung der zuordnenden Ta-bellenwerte von Spannungen in einer Betriebsanleitung für eine wertende Aussage nötig. In der tu 88 (S. 26 links unten) hatte schon 1998 der Autor Ger-rit Upmeier zu Recht beklagt: „Oft ist die Messanzeige solcher (Komponenten-)Tester auch nur auf dem Hintergrund großer Erfahrung ablesbar oder inter-pretierbar.“ Eine Ampelanzeige mit den Farben Grün – Gelb – Rot ist jeden-falls unmissverständlich aussagekräf-tig. Hier zeigt sich die grundsätzliche Wirkung wirklich effektiver technischer Artefakte. Alles muss nicht nur funktio-nieren, sondern schneller und intuitiver als bisher ablaufen. Im Grunde handelt es sich hier um ein Informationsgerät. Ein Nutzer möchte rasch die informie-rende Ja/Nein-Aussage bekommen: Taugt die vorliegende Batterie noch was oder nicht?

Die Messung mit einem DMM Zuweilen kommt die Frage: Bekommt man die Information über den Batterie-zustand nicht einfacher und preiswerter über eine Spannungsmessung an den Batteriepolen mit einem schon vorhan-denen Digitalmultimeter (DMM)?

Ein gängiges DMM hat meist 10 Me-gaohm Innenwiderstand im Voltmeter-bereich. Bei einer 9-V-Blockbatterie ist der entnommene Strom I dann beim Testen lediglich unter einem Mikroam-pere (aus: I = 9 V/107 Ω). Das ist kein praxisnaher Belastungsstrom. Erst mit einem parallel zu an den Batteriepolen angelegten relativ niederohmigen Wi-derstand geht diese Leerlaufspannung herunter. Beim Test müsste daher ein solcher Belastungswiderstand dem je-weiligen Anwendungsfall der Batterie angepasst sein. Dies gelingt Testern nicht immer. Dazu ein Beispiel:

Bei einer geringen Belastung von 5 mA eines Testgeräts ist für eine Babyzelle die gemessene Spannung von 1,3 V für eine Uhrenbatterie noch o. k. Ei-ne solche Wanduhr läuft auch noch

Batterietester für viele gängige Batterietypen Von Wolfgang Zeiller

Das Gerät dieses Bauvorschlags ist käuflichen Testgeräten in zwei Punkten überlegen: Es hat eine große analoge Ampelskala und mit ihm können auch die 4,5-V-Flachbatterien, die häufig im Unterricht Anwendung finden, geprüft werden. Nahezu alle neueren Lithiumzellen sind ebenfalls prüfbar.

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tu: Unterrichtspraxis Elektrotechnik / Elektronik

eine Weile weiter. Anders sieht es aus, wenn dieselbe Zelle in einer Ta-schenlampe drin ist, deren Leuchtmit-tel 300 mA benötigt. Dann senkt sich die Zellenspannung im Betrieb auf z. B. 0,9 V und die Lampe ist damit eine unbrauchbare Funzel. Wäre der Belastungsstrom des Testgeräts je-doch 0,3 A, würde der Anwender die Batterie aber schon für eine Uhr un-brauchbar halten und entsorgen. Allzu viele Einstellmöglichkeiten machen je-doch das Testgerät wiederum bei der Bedienung eher zu kompliziert. Um ei-nen Batterietester nicht konstruktiv zu umfangreich und bedienungsintensiv werden zu lassen, muss man hier für eine Zielkonfliktlösung Kompromisse eingehen.

Es gibt viele BatterietypenFalls bereits bei relativ kleinem Be-lastungsstrom die Spannung an den Batteriepolen deutlich absinkt, ist das durchaus ein Warnhinweis, die Batte-rie möglichst sogleich auszutauschen. Zudem gibt es eine enorme Vielfalt von Batterietypen hinsichtlich Baugröße und Spannungswerten. So ist es nicht einfach, alle momentan gängigen Ty-pen mit einem handlichen Gerät zu prüfen. Schließlich soll so ein Produkt im Unterricht nicht bloß stumpf dem Schaltplan nachgebaut, sondern auch von den Lehrenden und Lernenden funktional verstanden werden. Kurz: Zu komplex darf das Konstrukt nicht werden.

Der vorgestellte Tester hat einen Dreh-schalter (auch Stufenschalter genannt) mit sechs Schalterstellungen. Mit ihm gelingt es immerhin, alle eingangs abgebildeten Batterietypen zu testen. Dazu waren auch etliche Änderungen bzw. Umbauten während der Ent-wicklung nötig. Ganz so einfach ist es eben nicht, einen brauchbaren Tester für die derzeitige große Vielzahl von Batterievarianten zu entwerfen. Es gibt einen schönen kleinen Bat.-Tester (schwarz-gelbes Gehäuse), sogar mit kleinem Ampelinstrument. Doch sein ausziehbarer Einklemmbügel für die Testbatterien brach nach einiger Zeit ab. Dies kann mit unseren Prüfkabeln nicht passieren, zudem sind so alle möglichen Bat.-Formen leichter zu kontaktieren.

Batterien verraten ihren inneren Zustand selten durch eine Sichtprobe Batteriezellen sind heutzutage so gut verarbeitet, dass man nach längerer Einsatzdauer eher selten ausgelaufe-ne Zellen oder gar aufgeblähte Exem-plare findet. Auch die neueren Lithium-Mignonzellen etwa zeigen bei ihrem „Lebensende“ äußerlich nicht die ge-ringste Spur von Unbrauchbarkeit. Sie gaukeln einem geradezu einen Neu-wert vor. In schönstem Silberglanz der Umhüllung bringen sie jedoch nach Monaten oder gar Jahren bei Nach-messung statt der aufgedruckten 1,5 V Nennspannung z. B. nicht ein paar Zehntel Volt an einem 100-Ohm-Wi-derstand zuwege! Bei Knopfzellen sieht man ebenfalls selten Oxidations-spuren eines austretenden Elektrolyts, der wie bei großen älteren Rundzellen mit dem Zink-Kohle-System (heute nur noch in Billigprodukten) nicht nur die Nickeloberfläche der Bat.-Pole, sondern auch die federnde Batterie-halterung (meist auch vernickelt) an-greift. Chemiker wissen: Nickelsalze sind grünlich. Eine Kontaktreinigung erledigt man schonend mit einem Schmirgelschwamm oder mit einem Stückchen Sandpapier mit ganz feiner Körnung. Mit „mit Wattestäbchen put-zen“ allein erreicht man jedenfalls kei-nen Stromdurchgang.

Auch anderen Bat.-Typen sieht man ihren guten oder schlechten Ladezu-stand eher selten direkt an. Der Be-nutzer benötigt daher ein Instrument als Vermittler für den ungefähren Zu-stand einer Batterie. Es gibt Geräte mit bis zu 8 (!) seriell eingesetzten 1,5-V-Rundzellen, um z. B. 12 V zu erreichen, wie die moderne tragbare Gartendruckspritze mit Elektropumpe zur komfortableren Applikation von Fungiziden und Herbiziden. Hier kann man mit einem Batterietester pro-blemlos die „lahmen“ oder gar „toten“ Exemplare der langen Batteriereihe detektieren.

Funktionsprinzip des Batterietesters Das verwendete Voltmeter hat wie

jedes gängige Drehspulwerk eine lineare Anzeige. Auf der Skala wür-de der hier interessierende Bereich als die letzten 10–20 % vom Voll-ausschlag in der Praxis zu schmal erscheinen. Deshalb blenden beim aufgezeigten Bauvorschlag einge-baute Zenerdioden den unteren, nicht relevanten Spannungssektor aus. Die Wirkung ist damit so, als ob nun der interessierende Voltbe-reich in der Anzeige wie mit einer Lupe herausgehoben erscheint.

Mit den Einstellbauteilen (Trimmer) werden die genaueren Anzeige-

Schaltplan Batterietester: Die zu prüfende Batterie liefert selbst den Strom für die Anzeige. Das Gerät benötigt daher im Gegensatz zu Batterietestern mit Display keine eigene Batterie wie Knopfzellen. Erfreulich ist zudem: Außer Dioden gibt’s hier keine elektronischen Bauteile.

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stellungen von Spannungen einge-stellt. Wir machen dies im Vergleich mit einem DMM und man erkennt: Messen ist nichts anderes als Ver-gleichen. Grund des Vorgehens: Es gibt ja immer Bauteiltoleranzen, auch bei Dioden. Die Kleinpotis be-grenzen zugleich den Zenerdioden-strom, andernfalls werden sie evtl. zu erwärmt.

Der Drehschalter ermöglicht es, den Bereich der Testspannung ent-sprechend der Batteriespannung auszuwählen. Er hat also eine Zu-ordnungsfunktion.

Belastungswiderstände setzen die Testbatterie ein wenig unter Druck. Es ist wie beim Menschen, der sich ohne Belastung im Fernsehsessel fit gibt, aber bei Arbeitsbelastung erst zeigen kann, was er wirklich „drauf“ hat. Mit merklicher Strom-entnahme sinkt die Leerlaufspan-nung einer Batterie deutlich und verrät uns mehr über das, was in ihr noch „drin“ ist. Im Idealfall wäre der Belastungsstrom beim Testen so groß wie der Einsatzstrom der Batterie.

Die restlichen Bauelemente sind meist Sicherheitsteile, um das teure Messwerk bei möglicher Fehlbe-dienung des Geräts zu schützen. Auch das Gehäuse ist nicht nur ein „anordnendes Gestell“, sondern ein Sicherheitsteil. Selbst wenn das Gerät mal vom Tisch fällt, fängt das elastische Material noch Stöße auf und das sensible Messwerk kann so ein Malheur wohl überstehen.

Der Anzeigeteil Zunächst fällt links das Anzeigeinstru-ment mit seiner Peripheriebeschaltung auf. Das Voltmeter V ist gar mit 3 Dio-den (1 N 4148, ca. 5 Cent/Stück) be-stückt. Wozu dienen sie? Zudem: Was soll der Kondensator C bewirken?

Die Diode D1 (grün) verhindert durch Stromsperrung, dass der dünne Zeiger bei versehentlicher Falschpolung der zu testenden Batterie an den Krokodil-Klemmen nicht zu heftig in den linken Be-grenzungsstopp saust und sich dann verbiegt. Zudem nimmt D1

ca. 0,7 V in korrekter Durchlassrich-tung weg, denn das Instrument (Ri = 1,66 kΩ, Imax. = 0,27 mA) verträgt für den totalen Vollausschlag nicht mehr als etwa 0,5 V (aus: U = Ri x Imax.); selbst eine altersschwache Rundzelle (Alkali-Typ) hat aber z. B. immer noch 0,9 V.

D2 und D3 leiten jede Spannung über 0,7 V am Messwerk vorbei. Dadurch wird die sensible Dreh-spule geschont, falls der Nutzer z. B. im 3-V-Bereich unkorrekt eine 9-V-Batterie anschließt. Ebenso ist das bei versehentlicher Ver-tauschung der Krokoklemmen ein Überlastungsschutz für das Instru-ment V bei allen Einstellbereichen des Drehschalters DS (rechts im Schaltplan).

Der Elko (ca. 10 Cent) bewirkt ei-ne Zeigerberuhigung. Dieser Kon-densator C dämpft zu unruhiges Zeigerpendeln beim Testen. Wir pressen an einige Bat.-Pole wie bei Knopfzellen ja nur kurz die Kroko-klemmen an. Dabei gibt’s mal gu-ten Kontakt oder mal weniger gu-ten, worauf der Zeiger mit heftigem Pendeln zu unruhig reagieren wür-de. Nur bei der Flachbatterie und dem kleinen E-Block können wir die Klemmen an die Bat.-Pole fixieren. Alle anderen Typen haben zu un-terschiedliche Formen und Größen, weshalb hier auf Bat.-Fassungen verzichtet wird.

Zusammengefasst dient die Peri-pheriebeschaltung von V der Be-triebssicherheit und dem Komfort beim Ablesen des Instruments.

Das Kalibrieren (Einstellen der Potis)

Schalter an 1,5 V: Rundzellen und Alkali-KnopfzellenDer Drehschalter DS steht auf 1,5 V. Die Batterie wird durch R1 mit 100 Ohm mit etwa 150 mA belastet. Im Schaltplan sind alle „grauen Wider-stände“ – R1 bis R6 – solche Bela-stungswiderstände für die jeweilige Batteriesorte. Um die zarten Kontakte des DS vor möglicher Kontaktoxidati-on durch Funken zu schützen, soll laut Hersteller des DS der Schaltstrom je-

doch 0,15 A beim Schalten nicht über-steigen (ohne Stromdurchgang mehr, aber mit hastigen Fehlbedienungen ist eben zu rechnen). Also darf ein Bela-stungswiderstand hier auch nicht zu niederohmig gewählt werden.

Der Messstrom wird ganz oben über P1 begrenzt. Das Trimmpoti P1 wird so mit einem einstellbarem Netzge-rät und einem an den Krokoklemmen angeschlossenen DMM (Spannungs-bereich 20 V) eingestellt, dass bei 1,5 V der Zeiger bei Mitte Grün liegt. Am DMM 1,0 V entspricht dann beim Batterietester Mitte Gelb. Ab Rot rechts ist UBat = 0,7 V. Die Verwendung eines DMM beim Kalibrieren ist sinnvoll, weil die Display- oder Zeigerangaben ein-gebauter Instrumente an Netzgeräten nicht immer exakt sind.

Schalter an 3 V: Lithiumzellen P2 wird so eingestellt, dass Mitte Grün 3,2 V am DMM entspricht. Mitte Gelb ist dann 2,6 V. Rot rechts ist 2,4 V. Die Zenerdiode 2,7 entlastet das sensible Analoginstrument V zusammen mit D1 und P2 vor zu viel Spannung (die Z-Diode nimmt für sich 2,7 V in An-spruch). R2 ist mit Rücksicht auf die kleinen Knopfzellen 680 Ω, sodass ein nur relativ kleiner Belastungsstrom et-wa 4 – 5 mA fließt (aus 3 V/680 Ω). Li-Zellen haben neu teilweise 3,6 V Leerlaufspannung. Erst mit einem Be-lastungsstrom verraten sie ihren La-dungszustand.

Schalter an 4,5 V: Flachbatterie: P3 auf Mitte Grün 4,5 V einstellen (Mit-tel Gelb ist dann 4,2 V und Rot rechts 4 V). R3 ist unkritisch, z. B. 100 Ω (je-doch nicht kleiner als 47 Ohm wählen, um die Kontakte vom DS zu schonen).

Schalter an 9 V: R4 sollte z. B. 470 Ω sein, denn bei Werten < 390 Ω sinkt die Spannung der kleinen Blockbatte-rie sonst zu stark. Man bedenke: Die kleinen 6 internen Zellen des E-Blocks haben natürlich in der Summe einen merklichen Innenwiderstand. P4 ist so einzustellen, dass bei 9,0 V der Zeiger in der Mitte Grün liegt. Mitte Gelb ist dann 8,2 V und Rot rechts 8 V. Viele DMM mit Blockbatterie zeigen bei 7,5 V das Batterieende an; unter 7,2 V gibt es dann beim Messen gar meist „Mondwerte“ im Display.

Schalter an 12 V: Zur Kurzüberprü-fung eines Bleiakkus. Der Wider-

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tu: Unterrichtspraxis Elektrotechnik / Elektronik

standswert R5 mit 220 Ohm ist als Be-lastungswiderstand eigentlich zu hoch und dadurch der Belastungsstrom eher zu klein. Aber wir wollen ja kein Heiz-element in den Bat.-Tester einbauen. R5 muss mindestens diese Leistung P aufnehmen können, wenn der frisch geladene Akku 13 V hat: P = U²/R = 13² V²/ 220 Ω = 0,75 W. Hat man einen hochkapazitiven Akku, ist es sinnvoll, während des Testens ihn zusätzlich mit einer 12-V-Halogenlampe mit 20–50 Watt zu belasten. Bei einem Autoak-ku schaltet man die Frontlichter zu und misst dann die Spannung. P5 stellt man auf Zeigerende Grün bei 12,6 V des DMM, Anfang Grün ist dann 12 V, Mitte Gelb 11,8 V und Rot links 11,2 V. Hinweis: Ein Bleiakku sollte auch bela-stet nicht deutlich unter 10,8 V gehen, sonst liegt Tiefentladung vor, was sei-ne Lebensdauer verkürzt.

Schalter an A23: Manchmal auch 23 A genannt – so heißt eine kleine 12-V-Alkali-Rundzellen-Batterie, die oft für Garagen- und andere Funk-Fernsteu-erungen benutzt wird. Man kann sich gut vorstellen, dass bei der kleinen Größe (D = 10 mm, L = 28 mm) die winzigen 8 Zellen in Reihe zusammen einen relativ hohen Innenwiderstand haben. Daher wurde R6 mit 3,3 kΩ ge-wählt, denn bei kleinerem Belastungs-widerstand sackt die Bat.-Spannung, wie ich prüfte, schon zu stark ab und würde beim Testen eine Altbatterie an-zeigen, selbst wenn sie nagelneu wäre. P6 stellt man so ein, dass Mitte Grün

bei 12,3 V des DMM liegt. D4 hebt die Zenerspannung von 10 V etwas an. Man bedenke, dass bei sehr kleinen Strömen die auf das Bauteil aufge-stempelten Z-Diodenspannungen auf Grund der leicht gekrümmten Kennli-nien nicht mit den Normwerten ganz exakt übereinstimmen. Daher wählte ich nach optimierendem Ausprobieren hier die serielle Kombination von ZD 10 und 1 N 4148.

Das GehäuseEs handelt sich um einen gängigen Plastik-Abzweigkasten (100 x 100 x 40 hoch), Farbe: Lichtgrau; auf jeder seiner Seitenflächen sind 3 Abzweig-vorprägungen zu sehen). Seine Vor-teile sind: Er ist preiswert (knapp 3 Euro im Baumarkt), hat einen Schnappver-schluss, ist elastisch und alle nötigen Löcher sind unschwer zu bohren.

Die beiden Testkabel sind halbierte gängige Krokokabel. Aber Achtung: Wenn nichts zu messen ist, ist wohl wieder mal die oftmals miese Klemm-befestigung des Kabels schuld. Hier muss evtl. die die Kupferseele an die Klemme angelötet werden. Zur Sicher-heit messe man mit einem „Durch-gangsohmmeter“ (Piepser), ob da überhaupt eine leitende Verbindung Krokoklemme bis Kabel-ende vorhanden ist. Die Plastikhülle lässt sich oft nur durch Erwärmen mit einem Heißluftföhn weich-machen und dann abzie-hen bzw. später wieder überstülpen.

Das Instrument und der Drehschalter werden in-nen mit etwas Schmelz-kleber fixiert. Die 6 Schal-terstel lungen werden mit einem wasserfesten Farb-Filzstif t markiert. Der Rest (Trimmer und Dioden) dürfte 5 € nicht wesentlich überschrei-ten, sodass man mit etwa 15 –17 € als Gesamtpreis auskommt.

Im Gehäuse befindet sich der gesamte Drahtverhau. Eine vorgefertigte Platine ergibt zwar möglicherweise bei einigen Schüler/-innen weniger Schaltungs-fehler beim Löten, jedoch benötigt sie

auch Platz und das Gehäuse müsste dann größer sein. Also beim Löten Leitung für Leitung im Schaltplan ab-haken und nicht an allen möglichen Stellen weitermachen. Die Z-Dioden sind so gedreht einzubauen, dass ihre Spannungswerte ablesbar sind und so eine eventuelle Fehlersuche erleichtert wird.

Das InstrumentVerwendet wird das Einbau-Messge-rät AM-49X27/KONTROLL: Conrad.de Best-Nr. 103550-33. Preis 6,05 € (bei Bestellung ab 10 St. nach Business-Katalog 2014/15, S. 608), sonst fast 7 €). Zum Einbau wird der Gehäusede-ckel vorgebohrt (z. B. mit 13 mm) und mit einem 20-mm-Stufenbohrer oder besser mit einer ebenso großen ke-gelförmigen Handreibahle aufgebohrt. Das Arbeiten mit einem größeren Forstnerbohrer ist gerne unfallträchtig – hier besonders vorsichtig sein!

Der Drehschalter DSEs wird hier der preisgünstige und leichtgängige Typ LORLIN verwendet (z. B. bei conrad.de, Best.-Nr. 709719-33; ca. 3,50 €). Er hat allerdings 2 x 6 Schaltstellungen. Wir benötigen aber

nur die Hälfte der Kontakte, wie die Grafik zeigt. Das Einbauloch im Ge-häusedeckel erfordert einen 11-mm-Bohrer. Die schwarze 6-mm-Achse des DS ist aus Kunststoff und daher leicht mit einer PUK-Eisensäge zu kürzen.

Das Schaltzeichen einer Zener-Diode und das reale Bauteil: Wenn man in einem Elektronik-shop die blaue Ausführung bekommt, nehme man diese, da bei ihr die aufgestempelten Da-ten (wie 2V7; das V steht immer für das kaum sichtbare Komma, also hier 2,7 V) viel bes-ser lesen kann als auf den roten Typen. Man bevorzuge die 1,3-Watt-Ausführungen, da sie für Schüler/-innen leichter handzuhaben sind als die zierlichen 500-mW-Typen. Man beachte, dass eine Z-Diode (10 bis 30 Cent/St.) andersherum gepolt eingebaut wird als eine „Normaldiode“ (z. B. 1N 4148).

Die Beschaltung des Drehschalters (DS) von unten

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Elektrotechnik / Elektronik tu: Unterrichtspraxis

Anmerkung zu LithiumzellenEine gängige Alkali-Babyzelle hat 1,5 V. Die im Eingangsfoto gezeigte grü-ne Babyzelle (nahe dem schwarzen Drehknopf) ist jedoch ein 3-V-Lithium-Typ (neu im Leerlauf gar 3,6–3,7 V). Sie kostet mit 10 € das 5-Fache einer Alkali-Babyzelle, hat allerdings einen tieferen Temperaturbereich. So hält mit nur einer solchen Li-Zelle ein fla-ckerndes Grablicht auf dem Friedhof besonders im Winter länger durch als zwei Alkali-Babyzellen in Reihe: Alka-lizellen müssen alle 2–3 Monate ge-wechselt werden, Grablichter mit Pa-raffinkerzen sogar alle 3–4 Tage und können u. U. von einem Sturmwind ausgeblasen werden.

Lithiumzellen in Mignongröße und Mi-crogröße gibt es auch als 1,5-V-Typen in Baumärkten. Bei Kälte halten sie in Außenthermometer-Sendern viel län-ger durch und auch bei elektrischen Uhren im Haus. Allerdings sind sie auch teuer als ihre Alkali-Vorgänger. In Armbanduhren mit ihren Schnapp-verschlüssen baut man heutzutage nur noch die 3-V-Knopfzellen aus Lithium, da sie nicht nur eine größere Energie-dichte (schon wegen der doppelten Zellenspannung) als die Alkalizellen haben, sondern auch weil sie länger

korrosionssicher lagerbar (bis 10 Jah-re) und benutzbar sind.

Entsorgung von BatterienAuf Recyclinghöfen dürfen Akkus und große Batterien, ganz besonders Li-thiumakkus, nur entladen abgegeben werden, da sie bei Kurzschluss durch Kontakt der durcheinandergewürfelten Zellen schon öfters den ganzen Sam-melbehälter zum Brennen gebracht ha-ben. Auch in Schulen sollen Flach- und Blockbatterien mit ihren offenen Kon-takten nicht zusammengewürfelt wer-den. So manche alte Batterie ist eben nur teilentladen und kurzgeschlossen dann „zündwillig“. Das gilt auch für klei-

ne Akkus wie von Handys, Rollladen-antrieben und Akkubohrern.

Alte Autobatterien nehmen Recyc-linghöfe nicht an – sie müssen zum Schrotthändler und werden dort der Säure wegen auf gesondertem Bo-denbelag (Wanne) gelagert. Besser ist, man nimmt sie zum Neukaufs eines solchen Akkus mit – dann hat man auch die richtigen Einbaumaße und die richtige Amperestundenzahl (Ah) gleich parat. Zudem bekommt man 7,50 € Pfand quasi gutgeschrieben, die man extra bezahlen müsste, wenn man die Altbatterie (gleich welchen Herstellers und ähnlicher Kapazität) eben nicht mitbringt.

Batterietypen, die mit dem Testgerät prüfbar sind

BAutEIL-LIStE1 Abzweigkasten groß (je 3 seitl. Ausgänge) oder ein ähnl. Kunststoffgehäuse 1 Analog-Instrument (Conrad.de, Best-Nr. 103550-33)1 Drehschalter für 6 Kontakte und 1 Drehknopf für die 6-mm-Achse des DS 4 Poti-trimmer 2,5 kΩ (P1–P4); z. B. Miniatur-trimmer Pt 10 stehend2 trimmer 1 kΩ (P5 u. P6), z. B. Pt 10 LH4 Dioden 1 N 4148 Z-Dioden: jeweils 1 x ZD 2,7; 3,6; 6,8; 10; 11 (möglichst 1,3 W; insgesamt 5 St.)Widerstände (Festwiderstand, Kohle, ¼ Watt, toleranz unkritisch: 10 % auch i. O.)2 x 100 Ohm (R1 und R3) 1 x 470 Ω (R4), 1 x 680 Ω (R2), 1 x 3,3 kΩ (R6)1 x 220 Ω (R5), 2 Watt (Kohle) od. 5 W (Keramik)1 Elko 47 µF/6,3 V 1 Verbindungskabel mit kleiner schwarzer Krokodilklemme1 Verbindungskabel mit kl. roter Krokoklemme (jeweils ca. 15 cm lang)

Batterietyp Anwendungsbeispiel u Kapazität Gewicht Preis Wo im Eingangsbild?

Knopfzelle Alkali wie LR 43; Messschieber 1,5 V 0,1 Ah 1,4 g 1,70 € kleinste Zelle vorne

Ladyzelle N Fahrrad-Rückleuchte 1,5 V 0,8 Ah 9 g 2,50 € vorne links unten

Microzelle AAA elektr. Kleinwaage 1,5 V 1,1 Ah 11 g 1,– € am roten Kabel, braun

Mignonzelle AA LED-Taschenlampe 1,5 V 2,7 Ah 24 g 1,– € am roten Kabel, blau

Babyzelle C Portabel-Radio 1,5 V 7,7 Ah 43 g 1,70 € zwei hinter bl. Blockbat.

Monozelle D tragbare Warnleuchte 1,5 V 18 Ah 137 g 2,20 € groß rund, links oben

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Knopfzelle Lithium Sender Garagentor 3 V 0,09 Ah 1,6 g 3,30 € vorne am roten Kabel

wie z. B. CD 2016 20 = Durchmesser, 16 = 1,6 mm hoch, Leerlaufspannung neu: 3,3 V

Flachbatterie für kleine E-Motoren 4,5 V 5,4 Ah 108 g 4,20 € ganz hinten, hier grün

Blockbatterie Sender Fernsteuerung 9 V 0,55 Ah 46 g 3,30 € rechts, hier blau

A 23 Sender Funkfernsteuerung 12 V 0,05 Ah 8 g 3,– € schwarz/silber, vorne

Diese Batterie ist leicht mit der Ladyzelle (nur 1,5 V) zu verwechseln! links von der kl. Knopfzelle

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tu: Veranstaltungen DGTB

Deutsche Gesellschaft für Technische Bildung e. V.

Einladung zur 17. Jahrestagung und zum Nachwuchsforum der DGTB

„Technik: Wirklichkeitsbereich und Bildungsgegenstand“vom 18. 09. – 19. 09. 2015 in Ingolstadt

Tagungsort: Bildungswesen der Audi AG Ingolstadt (A 101)

Samstag, 19.09.2015

09:00 Eröffnung des zweiten Tages (A 101)

Offenes Forum

Sektion Technikdidaktik Sektion Unterrichtspraxis Offenes Forum A 101 Flur

09:15 Egbert/Gies: Räumlich-zeitliche Mobilität mit dem Schwerpunkt Verkehr als Themenkomplex im Sachunterricht

10:00 Ilgenstein: Berufswahl und Persönlichkeit – Eine Studie zu Schülerpersönlichkeiten und deren Berufswahlentscheidungen unter der Einflussnahme einer technikorientierten, lernortübergreifenden Lernumgebung

10:45 Pause

11:00 Möllers: Technische Mündigkeit als Bildungs- ziel am Beispiel einer Unterrichtsreihe zur „Elektromobilität“ in der gymnasialen Oberstufe

11:45 Wiesmüller: Abschlussdiskussion und Ausblick

12:30 Möglichkeit zum individuellen Mittagessen (Mövenpick Restaurant im Audi Forum)

13:00 Führung I – Museum Mobile

14:00 Jeretin-Kopf: Nachwuchsforum der DGTB Führung II – Museum Mobile

Hinweise zur Hotelbuchung, zur Anreise und einen Plan der Tagungsräume finden Sie unter www.dgtb.de

Poster-präsentationen von Lehr- und Forschungs-projekten

Präsentation von Ausstellern

Lehmke: Vorwiderstand, PWM, MOSFET und Co. – Lösungs-varianten für ein technisches Problem vergleichen

Zeiller: Der Optimierungsprozess – Methodische Vorgehensweisen zur Verbesserungen von der Gestaltung technischer Objekte

Löhr: Museales Arbeiten im Technikunterricht

Freitag, 18.09.2015

Technik: Wirklichkeitsbereich und Bildungsgegenstand Offenes Forum Raum A 101 Flur

13:00 Grußworte des DGTB-Vorstands und der Audi AG

13:15 Einführung in das Tagungsthema

13:30 Dienel: Technik und Wirtschaft – ein Spannungsverhältnis

14:15 Pause

14:30 Schlagenhauf: Alltagstechnik als Gegenstand des Technikunterrichts

15:15 Graube/Mammes: Big Data und Industrie 4.0 – Herausforderungen an Technikbildung und -didaktik

16:00 Pause

16:15 Janich: Technik: Wirklichkeitsbereich und Bildungsbereich

17:15 Binder: Fragestellungen und Perspektiven der Soziologie auf den Wirklichkeitsbereich Technik und Folgerungen für die Technikdidaktik

18:00 Gesellschaftsversammlung

20:00 Gemeinsames Abendessen im „das Mo“, Bergbräustraße 7, 85049 Ingolstadt

Poster- präsentationenvon Lehr- und Forschungs-projekten

Präsentation von Ausstellern

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Allgemeine Technikwissenschaften tu: Sachinformationen

2.2.5 Strukturen computerge-stützter, informationsverarbeiten-der Systeme

Moderne Technikentwicklung zeichnet sich dadurch aus, dass zunehmend in-formationsgewinnende, -übertragende und -verarbeitende Systeme durch den Einsatz von Mikroprozessoren bzw. dafür speziell entwickelten Computer-systemen gestützt oder übernommen werden. Moderne Mess-, Steuerungs- und Regelungssysteme sind also z. B. mehr und mehr prozessor- bzw. com-putergestützte Systeme. In diesem Ab-schnitt sollen nur informationsverarbei-tende Systeme untersucht werden.

Die grundsätzliche Struktur eines Computers lässt sich leicht überall nachlesen, da findet man dann den Mikro-Prozessor, den Fest- und den Arbeitsspeicher, verschiedene Ein-Ausgabe-Bausteine und Bussysteme (Daten-, Adress- und Steuerbus). Die-se Grobstruktur lässt sich noch weiter verfeinern, indem man diese sehr gro-ßen Black Boxes öffnet und die Struk-tur der darin befindlichen Baugruppen untersucht. Dann findet man Decodie-rer, Adress-Decodierer, Befehlszähler, ALU, AKKU, Register, Tore usw. Aber selbst wenn man diese Strukturen im-mer weiter verfeinert, wird ein wichtiger Unterschied zur klassischen, konventi-onellen Informationsverarbeitung nicht deutlich: der Unterschied zwischen verbindungsprogrammierten und befehlsprogrammierten Systemen. Anders ausgedrückt, der wesentliche Unterschied zu den bisher bespro-chenen Systemen besteht nicht darin,

dass hier eine andere Struktur vorliegt, sondern dass es sich um ein grund-sätzlich anderes Struktur-Prinzip handelt!

Ein einfaches Beispiel:

Aufgabe: Für ein einstöckiges Haus soll die Steuerung für einen Lift ent-worfen werden (EG, 1. OG).

Anforderungen: Im Fahrkorb sind die Zieltasten eingebaut, mit denen man das Stockwerk wählt, in das man fah-ren möchte. Wenn während der Fahrt Zieltasten gedrückt werden, dürfen die se keine Auswirkungen haben (Ver-riegelung).

Bild 1 zeigt die Anlage des Lifts mit eingezeichneten Bauelementen, aber ohne die notwendige Steuerung. Es handelt sich also um eine Transport-maschine mit Antriebsorgan, Über-tragungsorgan, Führungsorgan und Arbeitsorgan. Damit daraus eine funktionsfähige Transportmaschine wird, müssen die Steuerelemente (Zieltasten, Endlagentaster) und das

An triebs organ durch eine Schaltung (Konstruktion) so miteinander ver-knüpft werden, dass damit die gefor-derten Funktionen realisiert werden.

Eine elektrotechnische Lösung dieser Konstruktion zeigt die Abbildung unten.

Diese Schaltung (Konstruktion) (Bild 2) besteht aus zwei Teilen:

Der linke Teil (Steuerungsteil) dient der Anwahl der Stockwerke, der Spei-cherung der Informationen bis zum Erreichen des Ziels, dem Stopp des Fahrkorbs beim Erreichen des ge-wünschten Stockwerks und der Verrie-gelung der beiden Relais, damit nicht

Technische GrundsachverhalteEinführung in die Technikwissenschaft(en) 5. Folge

Von Helmut Fies

Der Beitrag gehört zu einer Folge von Artikeln, welche grundlegende wis-senschaftliche Einsichten in wesentliche Zusammenhänge und Bezüge der Technik vorstellen. Siehe auch tu 152 S. 40-46, tu 153 S. 38-47 und tu 154 S. 29-36. In tu 152 befindet sich die gemeinsame Literaturliste.

Bild 1

Z1

Z0 S0

S1

Bild 2 Elektromagnetische Lösung: Relaisschaltung

A

a1

S0

Z0

B

b1

S1

Z1

EG 1. OG

b3 a3Verriegelung

+

_

Re

Li

b2 a2

+

_

inEG

in1. OG

in1. OG

inEG

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tu: Sachinformationen Allgemeine Technikwissenschaften

Aufwärts- und Abwärtsfahrt gleichzei-tig angewählt werden können. Dies würde in diesem Fall zum unweiger-lichen Stopp des Fahrkorbs führen.

Der rechte Teil (Energieteil) steuert den Motor (Start, Rechts-Links) und damit die Bewegung des Fahrkorbs.

Diese Konstruktion ist also die auf-gabenspezifische Verknüpfung der Bauelemente und Baugruppen, um die eingangs geforderten Funktionen zu realisieren.

Möchte man diesen Lift mit Zusatzfunk-tionen ausstatten, z. B. dass während der Fahrt bereits das nächste Stock-werk angewählt werden kann, um es nach Ankunft automatisch anzufahren, muss diese Konstruktion aufgelöst und eine neue Struktur gefunden werden, die auch die Zusatzfunktion realisiert.

Eine solche Konstruktion/Steue-rung nennt man verbindungspro-grammiert, da das Steuerprogramm eben durch die Schaltung, also die Verbindung der Schaltelemente oder

Baugruppen, realisiert wird. Man kann dieselbe Aufgabe (mit denselben An-forderungen) auch durch Einsatz eines Mikroprozessors/Computers lösen.

In diesem Fall werden die einzelnen Bauelemente aber nicht durch eine entsprechende Schaltung verbunden, sondern über eine Anpassschaltung (Interface) an einen Computer ange-schlossen, und die geforderten Funk-tionen werden durch ein Programm (Software) realisiert (Bild 3).

Ein solches Programm könnte etwa so aussehen (siehe Abb. unten):

Der entscheidende Unterschied zur verbindungsprogrammierten Kon-struktion besteht darin, dass in die-sem Fall die notwendigen Verknüp-fungen und Strukturen durch das Programm hergestellt werden. Das Programm ist an die Stelle der Kon-struktion getreten und übernimmt sei-ne Aufgabe. Deshalb spricht man hier von befehlsprogrammierter Steue-rung/Konstruktion.

Dieser Punkt, dass nämlich das Pro-gramm über Befehle die Verknüp-fungs-Struktur bestimmt und diese da-durch auch ständig geändert werden kann, selbst während des Programm-ablaufes, soll durch das Bild 4 noch deutlicher gemacht werden:

Hier wurde versucht, die flexible Struktur eines solchen Systems deut-lich zu machen:

Die Bedienelemente, die Sensoren, die die Signale aus dem laufenden Prozess liefern, und die Aktoren, die wiederum in den Prozess eingreifen und ihn steuernd oder regelnd verän-dern, sind hier je an Eingangs- bzw. Ausgangsschnittstellen (Interface, Anpass-Schaltung) angeschlossen, die diese Signale leistungsmäßig vom Computer/Prozessor trennen. Ein-gabe- bzw. Ausgaberegister sorgen dafür, dass die Signale eine gewisse Zeit zwischengespeichert werden. Aber die eigentliche flexible Struktur wird hier durch sogenannte Daten-selektoren und interne Verknüpfungs-schaltungen repräsentiert. Einen Da-tenselektor kann man sich wie einen elektronischen Schalter vorstellen, der über Befehle gesteuert wird. Dies soll über die roten Befehlsleitungen an-gedeutet werden. Man kann damit zu jeder Zeit z. B. bestimmte Eingangs-

CIUS 2Computer-Interface

S0

Z1

Z0

S1

Bild 3

Programm:

DOIF DINS ( ) = "1111 0001 1111 1101" THEN 'Aufzug im EG, Z1 gedrücktAMOT 1, Left, 255 'Fahrt ins 1. OGDOLOOP UNTIL DIN (10) = 1 'bis S1 gedrücktAMOT 1, Off , 0 'Motor aus

END IFIF DINS ( ) = "1111 0010 1111 1110" THEN 'Aufzug im 1. OG, Z0 gedrücktAMOT 1, Right, 255 'Fahrt ins EGDOLOOP UNTIL DIN (9) = 1 'bis S0 gedrücktAMOT 1, Off , 0 'Motor aus

END IFLOOP

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Allgemeine Technikwissenschaften tu: Sachinformationen

Informationen auswählen und sie einer bestimmten Art der Verknüpfung un-terwerfen. Aber auch diese Verknüp-fungen, die hier wie geschlossene Blocks aussehen, sind so gestaltet, dass man über Befehle die Form und Komplexität der jeweiligen Verknüp-fung bestimmen kann. Dies soll wiede-rum durch die roten Befehlsleitungen angedeutet werden. Die Befehle selbst sind in einem Programmspeicher ab-gelegt, der selbst wieder eine ziemlich komplizierte Steuerung benötigt.

Wenn auch nicht alle Details der Pro-zessorstruktur angegeben sind, so wird durch diese Darstellung doch deutlich, dass es sich hier nicht um ei-ne fixe, „fest verdrahtete Struktur“ han-delt, sondern um eine außerordentlich flexible, praktisch in jedem Moment veränderbare Struktur.

Vergleich von Verbindungspro-grammierung (VP) und Befehlspro-grammierung (BP)

Aufgabe des Programms: Bei einer Verbindungsprogrammierung sind durch die schaltungstechnische Ver-knüpfung ständig alle Bauelemente „vorhanden“, also funktionsbereit, sie arbeitet quasi „parallel“. Sollen für ei-

nen bestimmten Funktionsablauf ge-wisse Bauelemente oder Baugruppen außer Funktion sein, so muss dies durch gezielte schaltungstechnische Maßnahmen realisiert werden, was bei komplexeren Schaltungen einen ziemlich hohen Aufwand bedeuten kann. Im Gegensatz dazu arbeitet die Befehlsprogrammierung „seriell“, d. h. sie durchläuft ein Programm Schritt für Schritt und führt die entsprechenden Anweisungen nacheinander aus. Das bietet die Möglichkeit, dass während dieses Ablaufs jeweils nur diejenigen Bauelemente miteinander verknüpft werden, die im Moment in Funktion sein müssen → durch die flexible Struktur der BP treten hier die Ab-laufprobleme der VP in ungleich gerin-gerem Maß auf.

Anforderungen an Kenntnisse und Erfahrungen: Für Lösungen mit Ver-bindungsprogrammierung, besonders wenn die Aufgaben etwas anspruchs-voller werden, werden schnell diffe-renzierte Kenntnisse über die Bauele-mente, ihre Betriebseigenschaften und ihre Schaltungstechnik notwendig. Es handelt sich bei dieser Tätigkeit um eine sehr anspruchsvolle Konstruk-tionsarbeit! Dies kann in der allge-

meinbildenden Schule, die nur die Grundprinzipien verdeutlichen soll, nicht geleistet werden. Hier muss man also auf einer sehr einfachen Ebe-ne bleiben, um die Schüler nicht zu überfordern. Durch Befehlsprogram-mierung werden die Bauelemente und Baugruppen durch das Programm in jedem Moment so miteinander ver-knüpft, dass sich durch ihr Zusam-menwirken der geforderte Ablauf/Prozess ergibt. Dazu muss man keine Kenntnisse über die Bauelemente, ihre Betriebseigenschaften und ihre Schaltungstechnik haben, wohl aber über die Struktur des Problems und die verwendete Programmiersprache. Es handelt sich beim Programmieren also ebenfalls um eine Art Konstruk-tionsarbeit, aber auf einer abstrakten, formalen, eher logischen und virtuellen Ebene! Lösungen mit BP sind also im Vergleich mit VP recht einfach zu reali-sieren, was die Möglichkeit eröffnet, in der Schule auch anspruchsvollere und damit reizvollere Themen zu behan-deln. Damit gelingt auch der Transfer in die industrielle Wirklichkeit leichter. Auch dort sind solche Lösungen ein-facher und schneller zu realisieren als die klassischen fest verdrahteten VP.

Bed

iene

lemen

teSigna

leau

sde

mProzess

Schalter

Taster

Sensor(allgemein)

Endlagen-taster

Überstrom-auslöser

24V

5V

Einga

beregister

Ausga

beregister

230V

5VM

Ventil

Relais,Schütz

Leucht-melder

Antriebs-motor

Datenselektoren Datenselektoren

Bef.

Mikroprozessor,Computer

Anp

ass-Schaltung

Interface

Anp

ass-Schaltung

Interface

Verarbeitungs-prozesse

Adr.

math.verknüpfen

kombin.verknüpfen

zwischen-speichern

Datenspeicherschreiben/lesen

Programmspeicher:Befehle zur Prozesssteuerung

zeitlichbeeinflussen

Bef. Bef.

adressieren

Bild 4

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tu: Sachinformationen Allgemeine Technikwissenschaften

Komplexität der Systeme: Mit Ver-bindungsprogrammierung stößt man recht schnell an die „Grenze des Mach-baren“. Es ist leicht, Forderungen an eine Aufgabe zu knüpfen, die als VP nicht mehr lösbar ist; Beispiel Aufzug: Es mag noch realisierbar sein, die wäh-rend der Fahrt betätigten Zieltasten zu speichern und dann die entspre-chenden Stockwerke nacheinander anzufahren. Eine Optimierung dieser Fahrwege in der Form, dass die je-weils kürzesten Wege ausgewählt wer-den, scheint durch eine VP nicht mehr lösbar. Anders als Programm für eine BP, dies können sogar noch gewiefte Schüler leisten! Daraus wird deutlich, dass BP-Lösungen nicht nur einfacher und schneller als VP zu realisieren sind, sondern auch, dass BP über-haupt erst die Lösung komplizierter Aufgaben und komplexer Systeme ge-stattet (automatische Steuerung von Großkraftwerken, Verkehrssystemen, verfahrenstechnischen Anlagen, au-tomatisierte Produktion, Autopilot in Flugzeugen usw.).

Unterschiede in der Flexibilität: Sollen in einer Firma die Produktion umgestellt, veränderte oder neue Pro-dukte gefertigt werden, so ist die BP der VP weit überlegen. VP-Lösungen müssen in einem solchen Fall völlig neu konzipiert, entwickelt, getestet und installiert werden, ein Aufwand, der viele Monate in Anspruch nehmen kann. BP-Lösungen können dagegen sehr leicht an veränderte Produkti-onslinien angepasst werden, da Pro-gramme leicht umgeschrieben werden können. Dies kann z. B. bereits ge-schehen, während die „alte“ Produkti-on noch läuft. Auch die hardwaremä-ßige Umstellung gelingt viel schneller, da keine Schaltungen entwickelt, son-dern lediglich die Sensoren und Ak-toren richtig an die Computersteue-rung angeschlossen werden müssen. Die Flexibilität der BP ist sehr hoch, was einen enormen Produktivitätsfak-tor darstellt.

Unterschiede in der Verarbeitungs-geschwindigkeit: BP zeichnet eine hohe Verarbeitungsgeschwindig-keit aus. Dies ist wichtig beim Messen, Steuern oder Regeln sehr schneller oder sehr komplexer Prozesse. Dem-gegenüber sind etwa Relais- oder Schützsteuerungen extrem langsam.

Wirtschaftlichkeit: Die beschriebene Flexibilität der BP hat in der Industrie die automatisierte Fertigung auch kleinerer Stückzahlen ermöglicht: Wenn die Umrüst- und damit Stand-zeiten kleingehalten werden können, dann werden auch kleinere Serien rentabel.

Alle diese Gründe haben dazu geführt, dass die Steuerung und Regelung komplexer Prozesse in der Industrie in immer stärkerem Maß von Prozes-soren gesteuert werden.

2.2.6 Strukturen informationsüber-tragender Systeme (nach [17])

Die drei grundlegenden Funktionen, die die Informationsübertragungstech-nik ausmachen, sind: Senden – Über-tragen – Empfangen. In den Fällen, in denen die Informationen nur an einen ganz bestimmten Empfänger übertra-gen werden sollen, muss zum Über-tragen noch das Vermitteln dazutreten. Die vollständige „Organ“struktur dieser Anlagen sieht also so aus:

Sendesystem – Vermittlungssystem – Übertragungssystem – Vermitt-lungssystem – Empfangssystem.

Nicht besonders betont werden muss, dass diese Systeme zum Teil außeror-dentlich komplex sind, die hier ange-gebene Struktur also die allgemeinste Ebene darstellt (Bild 5).

Dabei sind die Sendegeräte und die Empfangs-Endgeräte meist identisch: Sie dienen sowohl dem Senden als auch dem Empfangen von Informati-onen. Beispiele dafür sind Telefonap-parate, Telefaxgeräte, Fernschreiber und Fernkopierer, Sprechfunkanlagen usw.

Die Abbildung auf der letzten Seite zeigt anschaulich diese Struktur für zwei wichtige Anwendungsbereiche: die Rundfunk- und Fernsehtechnik und die Fernsprechtechnik.

Die unterschiedlichen Bereiche der Informationsübertragungstechnik kön-nen stichwortartig folgendermaßen gekennzeichnet werden:

Rundfunk- und Fernsehtechnik:

Sender: Studio- und Videokameras, Rundfunk- und Fernsehübertragungs-wagen.

Empfänger: Rundfunkempfänger, Fernsehgeräte, Audio- und Videore-corder, Hifi-Geräte.

Fernsprechtechnik

Über sie kann man sprechen, sehen, schreiben, fernkopieren und ande-re Daten übertragen. Dazu gehören: Telefonanlagen, Teletex, Telefax, Bu-chungsanlagen.

Alle diese Systeme dienen sowohl zum Senden als auch zum Empfangen der Informationen.

Bildschirmtext (Btx) >> Internet

Dialogfähige Btx-Systeme bestanden aus einem Bildschirm (Fernsehge-rät), aus einer Tastatur für Ziffern und Buchstaben und einem Drucker zur Dokumentation der empfangenen In-formationen. Dieses System verband die Telefon- mit der Fernsehtechnik und erlaubte nicht nur Daten abzu-fragen, sondern auch Aufträge zu er-teilen, Finanzierungen, Steuern oder Renten berechnen zu lassen sowie Aufgaben aus dem Bereich Konstruk-tion und Entwicklung lösen zu lassen. Dieses System wurde abgelöst vom Internet, welches dezentral strukturiert ist und eine höhere Flexibilität und Reichweite besitzt.

Sprachgesteuerte Datentechnik

Damit sind Systeme gemeint, die menschliche Sprache erkennen und ausgeben und über menschliche Sprache gesteuert werden können. Dies reicht von der automatischen Zeitansage über die sprachgesteuerte Abfrage von Datenbanken bis zu Be-stellsystemen, um Waren direkt „beim Computer“ ordern zu können.

Solche Sprachsysteme sind bis heute noch nicht so weit ausgereift, dass sie universell eingesetzt werden könnten, da die Spracherkennung und die grammatikalisch und sinngemäß rich-tige Sprachausgabe ein schwieriges Grundproblem der künstlichen Intelli-genz (KI) darstellt. Für begrenzte Auf-gabenbereiche sind funktionierende Systeme bereits im Einsatz.

Funktechnik

Dazu gehören: Sprechfunkanlagen, Kraftfahrzeugfunk, Handsprechfunk, Funkalarmsysteme und Personenruf-anlagen. Solche Funksysteme eignen sich auch für den Dialog zwischen Mensch und Maschine. Um den Ausfall von Maschinen oder Anlagen(teilen) anzuzeigen, können codierte Funkte-legramme ausgesendet werden, um

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Allgemeine Technikwissenschaften tu: Sachinformationen

Bild

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tu: Sachinformationen Allgemeine Technikwissenschaften

den Empfänger zu alarmieren und ihm Ort, Zeit und Art der Störung mitzutei-len. Mit manchen Empfangsgeräten ist auch ein Sprachdialog mit der Zentrale möglich.

Verkehrs- und Mobile Informations-technik

Autoradios, Autotelefon, Verkehrsfunk, Eurosignal, Autofahr- und Leitsysteme, Informationssysteme und der elektro-nische Verkehrslotse (Navigator) gehö-ren hierzu.

Besonders das Autoradio wird immer mehr zum „intelligenten“ Terminal wei-terentwickelt mit allen Funktionen vom Identifizieren und Ansagen bestimmter Sender bis zu Leit- bzw. Pilotsystemen, die die Autofahrer sicher zum Zielort leiten.

Insgesamt muss jedoch angemerkt werden, dass viele dieser Funktionen und Systeme nur durch eine Integra-tion von Informationsverarbeitung und -übertragung realisiert werden konn-ten, also keine reinen Übertragungssy-steme mehr darstellen. Doch dies ist bereits bei modernen automatischen Vermittlungssystemen der Fall.

Man kann allgemein sagen, dass ge-nau hierin ein wichtiger Entwicklungs-trend moderner Informationstechnik zu sehen ist, dass die Grenzen zwischen ehemals getrennten Bereichen über-schritten werden und diese Bereiche mehr und mehr zusammenwachsen: Fernsehtechnik und Computertechnik, Telefontechnik und Bildübertragungs-technik, Telefontechnik und Funk-technik (Handys), Telefontechnik und Computertechnik, fotografische Tech-nik und Computertechnik ...

2.2.7 Zusammenfassung

Vergleicht man die unterschiedlichen Strukturen von Maschinen (Ener gie-, Werkzeug- und Transportmaschi-nen), von Informationsgewinnungs-, Informationsübertragungs- und In-formationsverarbeitungssystemen (Messsystemen, Steuerungs- und Regelungssystemen) sowie von Computersystemen (befehlsprogram-mierten Systemen), so kann man fest-stellen, dass sich die Idee einer allen technischen Systemen gleicherma-ßen zugrunde liegenden, allgemeinen Struktur nicht bewahrheitet hat. Weder lässt sich die Organstruktur von Ma-

schinen auf andere Systeme übertra-gen, noch lassen sich umgekehrt die Maschinen nach den Grundstrukturen der Informationstechnik analysieren.

Eine Vereinheitlichung und damit Ver-einfachung der Theorie und Beschrei-bung von Technik gelingt also auf der recht allgemeinen Ebene der Funk-tionen recht gut, auf der konkreteren Ebene der Strukturen aber nicht mehr. Hier muss man sich damit begnügen, dass es innerhalb der einzelnen technischen Teilbereiche solche Grundstrukturen gibt, die aber inner-halb dieser Grenzen aufschließend, gliedernd und ordnend wirkt.

2.3 Eigenschaften technischer SachsystemeNatürlich müssen, wenn die oben behandelten Funktionen präzise be-schrieben werden sollen, die verwen-deten Stoffe/Materialien, Energien und Informationen bezüglich ihrer Größen und Eigenschaften genauer bestimmt werden. Dies soll hier nicht gesche-hen, weil dies nur im Zusammenhang mit einer differenzierten Planung und Konstruktion notwendig ist.

Eigenschaften, die aber für den Benut-zer oder Folgebetroffenen eines tech-nischen Sachsystems bedeutungsvoll sind, sind die Eigenschaften des Systems als Ganzes. Es handelt sich dabei um solche, die durch die ausgewählten Wirkungsgefüge, die spezifischen Konstruktionsmerkmale und den gewählten Bau- und Sy-stemzusammenhang erzeugt werden. Man kann dabei mehrere Gruppen von Eigenschaften unterscheiden, wo-bei hier nur die für den Benutzer/Laien wichtigen angegeben werden sollen:

Funktionsbedingte Eigen-schaften: Leistung, Geschwindig-keit, Tragfähigkeit usw.

Betriebseigenschaften: Be-triebssicherheit, Zuverlässigkeit, Lebensdauer, Energieverbrauch, Raumverbrauch, Wartungsfähig-keit, Reparaturfähigkeit usw.

Wirtschaftliche Eigenschaften: Betriebskosten, Herstellungsko-sten, Effektivität, Wirkungsgrad, Preis usw.

Ergonomische Eigenschaften: Bedienungssicherheit, Handha-

bung, Übersichtlichkeit (intuitive Bedienung), Forderungen an die Aufmerksamkeit, körperliche Bela-stung (Kraft, Haltung usw.), „Stör“-Eigenschaften (Vibrationen, Lärm, Emissionen usw.).

Ökologische Eigenschaften: Landschafts- und Raumverbrauch, Eingriff in die Landschaft, Entnah-me von nicht regenerierbaren Roh-stoffen und Energien, Emissionen in die Umwelt (Abgase, Abwärme, Abwässer, Abfallstoffe, ausdamp-fende Gifte, Abgabe von Radioakti-vität, Lärm), Belastung der Umwelt beim Verschrotten (Müll, Sonder-müll) usw.

Ästhetische Eigenschaften: Form (Design), Farbe, Oberflä-chengestaltung, Verbindung von Form und Funktion usw.

Prestige-Eigenschaften: Betont es meine Person? Zeigt es meine gesellschaftliche Rolle/Stellung? Zeigt es meine Zugehörigkeit zu ei-ner Gruppe? (Diese Eigenschaften spielen mehr oder weniger bewusst bei den Jugendlichen, aber auch bei vielen Erwachsenen eine große Rolle.)

Je nach Art des Sachsystems werden diese unterschiedlichen Eigenschaften mehr oder weniger in den Vordergrund treten und an Bedeutung gewinnen. Bei Objekten, die Laien unmittelbar nutzen, werden sie sich beim Kauf und beim Gebrauch zeigen, bei Sachsyste-men im öffentlichen Raum (z. B. Kraft-werke) zeigen sie sich im Betrieb.

Während die Funktionen eng mit dem Sinnzusammenhang und dem Wis-sen und Verstehen der Sachsysteme verbunden sind, korrespondieren die Eigenschaften der Sachsysteme mit der Beurteilung und Bewertung von Technik. Sie stellen eine Reihe von Bewertungskriterien zur Verfügung, die man sowohl für die Planung und Herstellung als auch für den Vergleich und Test oder die analytische Unter-suchung von technischen Objekten im Unterricht (oder außerhalb des Unter-richts) benutzen kann.

Wird fortgesetzt

Literatur:

siehe 1. Teil in tu 152

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